Urteil des EuGH vom 15.10.1998

EuGH: verordnung, kommission, belgien, auswärtige angelegenheiten, anerkennung, ausbildung, luxemburg, regierung, registrierung, tierarzneimittel

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
15. Oktober 1998
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Richtlinie 86/609/EWG“
In der Rechtssache C-268/97
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Lena Ström, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Klägerin,
gegen
Königreich Belgien
für Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigten,
Zustellungsanschrift: Belgische Botschaft, 4, rue des Girondins, Luxemburg,
Beklagter,
wegen Feststellung, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
86/609/EWG des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere
(ABl. L 358, S. 1) und aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, daß es innerhalb der in
dieser Richtlinie vorgesehenen Fristen die erforderlichen Maßnahmen, um den sich aus den Artikeln 14 und
22 dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen nachzukommen, nicht erlassen hat,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet sowie der Richter P. Jann, C. Gulmann, D. A. O.
Edward, und L. Sevón (Berichterstatter),
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 1998,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. Juli 1997 bei der
Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf
Feststellung, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
86/609/EWG des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere
wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 358, S. 1; im folgenden: Richtlinie) und aus dem
EG-Vertrag verstoßen hat, daß es innerhalb der in dieser Richtlinie vorgesehenen Fristen die
erforderlichen Maßnahmen, um den sich aus den Artikeln 14 und 22 dieser Richtlinie ergebenden
Verpflichtungen nachzukommen, nicht erlassen hat.
2.
Artikel 14 der Richtlinie bestimmt:
„Personen, die Versuche durchführen, daran beteiligt sind oder bei Versuchen verwendete Tiere
pflegen einschließlich der Personen, die Aufsichtsfunktionen ausüben, müssen eine entsprechende
Ausbildung nachweisen.
Insbesondere müssen die Personen, die die Versuche durchführen oder ihren Ablauf überwachen, in
einer mit dem durchzuführenden Versuch im
Zusammenhang stehenden wissenschaftlichen Disziplin ausgebildet worden sein, über die
erforderlichen Fähigkeiten im Umgang mit Versuchstieren und für deren Pflege verfügen und der
zuständigen Behörde einen hinreichenden Ausbildungsstand für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben
nachgewiesen haben.“
3.
Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor:
„Um unnötige Doppelausführungen von Versuchen zur Einhaltung einzelstaatlicher oder
gemeinschaftlicher Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften zu vermeiden, erkennen die
Mitgliedstaaten die Gültigkeit der Ergebnisse von Versuchen, die auf dem Gebiet eines anderen
Mitgliedstaats durchgeführt wurden, so weit wie möglich an, es sei denn, daß zusätzliche Versuche
zum Schutz der Volksgesundheit und öffentlichen Sicherheit notwendig sind.“
4.
Nach Artikel 25 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um der Richtlinie
nachzukommen, spätestens am 24. November 1989 zu treffen und die Kommission unverzüglich davon
in Kenntnis zu setzen.
5.
Die belgischen Behörden übermittelten das Gesetz vom 14. August 1986 über den Schutz und das
Wohlbefinden von Tieren ( vom 3. Dezember 1986) sowie die Königliche Verordnung
(Arrêté royal) vom 14. November 1993 über den Schutz von Versuchstieren ( vom 5.
Januar 1994).
6.
Die Kommission war jedoch der Auffassung, daß diese Vorschriften keine ordnungsgemäße und
vollständige Umsetzung der Artikel 14 und 22 der Richtlinie darstellten, und forderte die belgische
Regierung mit Schreiben vom 23. Januar 1995 auf, sich innerhalb einer Frist von zwei Monaten dazu zu
äußern.
7.
Mit Schreiben vom 6. April 1995 wies die belgische Regierung zunächst diese Rügen zurück und
übermittelte der Kommission dann das Gesetz vom 4. Mai 1995 zur Änderung des Gesetzes vom 14.
August 1986.
8.
Die Kommission war der Auffassung, daß die Artikel 14 und 22 der Richtlinie immer noch nicht
ordnungsgemäß und vollständig umgesetzt worden seien, und richtete am 6. August 1996 eine mit
Gründen versehene Stellungnahme an das Königreich Belgien, mit der es dieses aufforderte,
innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung der Stellungnahme die erforderlichen
Maßnahmen zu ergreifen, um dieser nachzukommen.
9.
Das Königreich Belgien antwortete mit Schreiben vom 18. Oktober 1996, daß ein Entwurf einer
Königlichen Verordnung ausgearbeitet werde, um den Erfordernissen des Artikels 14 der Richtlinie
nachzukommen. Was Artikel 22 angeht, wies es die Kommission auf zwei Königliche Verordnungen vom
22. und vom 25. September 1992 hin, durch die die Königliche Verordnung vom 16. September 1985
über Vorschriften und Nachweise, die für Versuche mit für Menschen bestimmten
Arzneimitteln gelten, und die Verordnung vom 12. März 1985 über die für Versuche mit Tierarzneimittel
geltenden Vorschriften und Nachweise geändert werden ( vom 5. Dezember 1992).
Anschließend übermittelte es eine bereinigte Fassung der Königlichen Verordnung vom 3. Juli 1969
über die Registrierung von Arzneimitteln; diese Verordnung stellt nach seiner Darstellung die
gegenseitige Anerkennung der Gültigkeit der Ergebnisse von Versuchen, die auf dem Gebiet eines
anderen Mitgliedstaats durchgeführt wurden, sicher.
10.
Die Kommission ist der Auffassung, daß diese Vorschriften immer noch keine Umsetzung der Artikel
14 und 22 der Richtlinie darstellten und hat die vorliegende Klage erhoben.
11.
Die Kommission ist der Ansicht, Artikel 14 der Richtlinie sei nicht vollständig umgesetzt, da Artikel 26
des Gesetzes vom 14. August 1986 in der Fassung des Gesetzes vom 4. Mai 1995 eine entsprechende
Ausbildung nur für den Versuchsleiter („maître d'expérience“) und nicht für alle in der Richtlinie
genannten Personen vorschreibe. Artikel 22 der Richtlinie sei durch die Königlichen Verordnungen
vom 22. und vom 25. September 1992 nicht vollständig umgesetzt, da diese Verordnungen nur
Versuche zur Herstellung von für Menschen und für Tiere bestimmten Arzneimitteln und nicht alle
Tierversuche erfaßten.
12.
Das Königreich Belgien räumt ein, daß Artikel 14 der Richtlinie nicht vollständig umgesetzt sei, trägt
aber vor, um dem abzuhelfen, sei ein Entwurf einer Königlichen Verordnung zur Änderung der
Königlichen Verordnung vom 14. November 1993 vorbereitet worden. Was Artikel 22 der Richtlinie
angeht, führt es aus, die Königlichen Verordnungen vom 22. und vom 25. September 1992 sähen
ausdrücklich vor, daß die Versuche gemäß der Richtlinie durchzuführen seien. Außerdem sehe der
durch die Königliche Verordnung vom 1. Februar 1996 ( vom 28. März 1996) eingefügte
Artikel 6a der Königlichen Verordnung vom 3. Juli 1969 ein System der gegenseitigen Anerkennung im
Rahmen der Registrierung der in einem anderen Mitgliedstaat behandelten Vorhaben vor.
13.
Hierzu ist festzustellen, daß Artikel 14 der Richtlinie nicht vollständig umgesetzt worden ist, da die
einschlägigen nationalen Bestimmungen eine entsprechende Ausbildung nur für den Versuchsleiter
(„maître d'expérience“) und nicht für alle in dieser Vorschrift genannten Personen vorsehen.
14.
Was Artikel 22 der Richtlinie angeht, so betrifft er die Anerkennung der Gültigkeit der Ergebnisse
von Tierversuchen, die auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu einem der in Artikel 3 der
Richtlinie aufgezählten Zwecke, d. h. zur Entwicklung, Herstellung, Qualitäts-, Wirksamkeits- und
Unbedenklichkeitsprüfung nicht nur von Arzneimitteln, sondern auch von Lebensmitteln und anderen
Stoffen oder Produkten sowie zum Schutz der Umwelt, durchgeführt wurden, durch die
Mitgliedstaaten. Da die Verordnungen vom 22. und vom 25. September 1992 nur Versuche mit für
Menschen oder für Tiere bestimmten Arzneimitteln erfassen und
der durch die Königliche Verordnung vom 1. Februar 1996 eingefügte Artikel 6a der Königlichen
Verordnung vom 3. Juli 1969 nur registrierte Arzneimittel betrifft, stellen diese Vorschriften keine
vollständige Umsetzung des Artikels 22 der Richtlinie dar.
15.
Was den Entwurf einer Königlichen Verordnung zur Änderung der Königlichen Verordnung vom 14.
November 1993 angeht, genügt die Feststellung, daß Vorschriften, durch die die Richtlinie
ordnungsgemäß und vollständig umgesetzt wird, innerhalb der in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme gesetzten Frist nicht erlassen worden waren.
16.
Das Königreich Belgien hat somit dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
verstoßen, daß es innerhalb der vorgesehenen Fristen die erforderlichen Maßnahmen, um den
Verpflichtungen aus Artikel 14 und 22 der Richtlinie nachzukommen, nicht erlassen hat.
Kosten
17.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat beantragt, das Königreich Belgien zur Tragung der Kosten
zu verurteilen. Da dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
86/609/EWG des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere
wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere verstoßen, daß es innerhalb der
vorgesehenen Fristen die erforderlichen Maßnahmen, um den Verpflichtungen aus den
Artikeln 14 und 22 dieser Richtlinie nachzukommen, nicht erlassen hat.
2.
Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.
Puissochet
Jann
Gulmann
Edward Sevón
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Oktober 1998.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
J.-P. Puissochet
Verfahrenssprache: Französisch.