Urteil des EuGH vom 27.02.2002

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WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
27. Februar 2002
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 98/18/EG - Seeverkehr - Sicherheitsvorschriften und -
normen für Fahrgastschiffe“
In der Rechtssache C-140/01
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Königreich Belgien,
Beklagter,
wegen Feststellung, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
98/18/EG des Rates vom 17. März 1998 über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (ABl. L
144, S. 1) und aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften mitgeteilt hat, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder dass es nicht die
erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter R. Schintgen und
V. Skouris,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts der Berichterstatterin,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2001,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 27. März 2001 bei
der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung,
dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/18/EG des
Rates vom 17. März 1998 über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (ABl. L 144, S.
1) und aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass es nicht die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften mitgeteilt hat, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder dass es nicht die
erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.
Rechtlicher Rahmen und Vorverfahren
2.
Die Richtlinie 98/18 bezweckt nach ihrem Absatz 1 die Einführung eines einheitlichen
Sicherheitsstandards zum Schutz von Leben, Eigentum und Umwelt auf neuen und vorhandenen
Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen, wenn beide Kategorien von Schiffen
und Fahrzeugen in der Inlandfahrt eingesetzt sind, sowie die Festlegung von Verfahren für
Verhandlungen auf internationaler Ebene im Hinblickauf eine Harmonisierung der Vorschriften für in
der Auslandfahrt eingesetzte Fahrgastschiffe.
3.
Artikel 14 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser
Richtlinie spätestens am 1. Juli 1998 nachzukommen.
(2) Wenn die Mitgliedstaaten Vorschriften nach Absatz 1 erlassen, nehmen sie in den Vorschriften
selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die
Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
(3) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission unverzüglich über alle innerstaatlichen
Rechtsvorschriften, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Die Kommission
setzt die übrigen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis.“
4.
Die belgische Regierung übermittelte der Kommission als legislative Umsetzungsmaßnahme die
Königliche Verordnung vom 9. Dezember 1998 zur Umsetzung der Richtlinie 98/18 ( vom
25. Dezember 1998, S. 41217, im Folgenden: Königliche Verordnung vom 9. Dezember 1998).
5.
Nach ihrem Artikel 1 gilt diese Verordnung für Fahrgastschiffe, deren Kiel am oder nach dem 1. Juli
1998 gelegt wird oder die sich zu diesem Zeitpunkt in einem entsprechenden Bauzustand befinden.
6.
Da die Kommission der Ansicht war, dass das Königreich Belgien die Richtlinie 98/18 nur teilweise
umgesetzt habe, sandte sie ihm am 11. August 1999 ein Mahnschreiben gemäß Artikel 226 EG.
7.
Mit ihrer Antwort vom 27. September 1999 übermittelte die belgische Regierung die Königliche
Verordnung vom 12. November 1981 mit Vorschriften für Fahrgastschiffe, die nicht in der Auslandfahrt
eingesetzt werden und ausschließlich in einer beschränkten Schifffahrtszone entlang der Küste
verkehren ( vom 4. Februar 1982, S. 892, im Folgenden: Königliche Verordnung vom 12.
November 1981). Außerdem kündigte sie den Erlass einer weiteren Königlichen Verordnung auf dem
betreffenden Gebiet an.
8.
Am 7. September 2000 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das
Königreich Belgien mit der Aufforderung, innerhalb von zwei Monaten nach deren Zustellung die
erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Stellungnahme nachzukommen.
9.
Daraufhin kündigte die belgische Regierung am 17. Oktober 2000 den Erlass einer Königlichen
Verordnung für Dezember 2000 an.
10.
Bis zum 27. März 2001, dem Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage, erhielt die Kommission
von der belgischen Regierung keine neue Information über die Umsetzung der Richtlinie 98/18.
Zur Klage
11.
Die Kommission trägt in ihrer Klageschrift vor, die belgische Regierung habe ihr immer noch nicht
die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts mitgeteilt, die auf allen unter die Richtlinie 98/18
fallenden Gebieten erlassen worden seien. Sie verfüge auch nicht über andere Informationen, aus
denen sie schließen könnte, dass das Königreich Belgien der Richtlinie und insbesondere ihrem Artikel
14 nachgekommen wäre. Sie müsse daher annehmen, dass das Königreich Belgien gegen seine
Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht verstoßen habe.
12.
Die belgische Regierung trägt vor, die Richtlinie 98/18 sei in einer ersten Phase hinsichtlich der
neuen Fahrgastschiffe durch die Königliche Verordnung vom 9. Dezember 1998 umgesetzt worden, die
auf diese Richtlinie Bezug nehme.
13.
In Bezug auf die anderen unter die Richtlinie 98/18 fallenden Schiffe verweist die belgische
Regierung auf die beträchtlichen Auflagen, die sich aus der Königlichen Verordnung vom 12.
November 1981 ergäben. Sie möchte außerdem die Aufmerksamkeit des Gerichtshofes auf den
großen Arbeitsaufwand lenken, der mit der vollständigen Umsetzung dieser Richtlinie, den
Änderungen der Vorschriften der Königlichen Verordnung vom 12. November 1981 und der Aufhebung
der Königlichen Verordnung vom 9. Dezember 1998 verbunden sei.
14.
Die belgische Regierung fügt ihrer Klagebeantwortung den Entwurf einer Königlichen Verordnung
bei, mit der die vollständige Umsetzung der Richtlinie 98/18 sichergestellt werden solle.
15.
Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer
Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist
befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (u. a. Urteil vom 30.
November 2000 in der Rechtssache C-384/99, Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-10633, Randnr. 16).
Bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 7. September 2000 gesetzten
Zweimonatsfrist war die Königliche Verordnung, die die belgische Regierung angekündigt hatte und
die sie für geeignet hält, die Richtlinie 98/18 vollständig umzusetzen, jedenfalls noch nicht erlassen.
16.
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich ferner, dass Übungen oder Umstände der
internen Rechtsordnung des Mitgliedstaats nicht die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen,
die sich aus den Gemeinschaftsrichtlinien ergeben, undsomit auch nicht die verspätete oder
unvollständige Umsetzung einer Richtlinie rechtfertigen können (u. a. Urteile des Gerichtshofes vom 2.
August 1993 in der Rechtssache C-303/92, Kommission/Niederlande, Slg. 1993, I-4739, Randnr. 9, und
vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-139/97, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-605, Randnrn. 9
bis 11).
17.
Daher ist festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der
Richtlinie 98/18 verstoßen hat, dass es nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um dieser
Richtlinie nachzukommen.
Kosten
18.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Belgien beantragt hat und
dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
98/18/EG des Rates vom 17. März 1998 über Sicherheitsvorschriften und -normen für
Fahrgastschiffe verstoßen, dass es nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um
dieser Richtlinie nachzukommen.
2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.
Colneric
Schintgen
Skouris
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Februar 2002.
Der Kanzler
Die Präsidentin der Zweiten Kammer
R. Grass
N. Colneric
Verfahrenssprache: Französisch.