Urteil des EuGH vom 27.02.2002

EuGH: nummer, gerichtliche zuständigkeit, konkurrierende zuständigkeit, gerichtsstand des erfüllungsorts, vertragsstaat, niederlande, individueller arbeitsvertrag, vereinigtes königreich, arbeitsort

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
27. Februar 2002
„Brüsseler Übereinkommen - Artikel 5 Nummer 1 - Gerichtsstand des Erfüllungsorts der vertraglichen
Verpflichtung - Arbeitsvertrag - Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet - Begriff -
Teilweise auf einer Einrichtung, die sich auf dem an einen Vertragsstaat angrenzenden Festlandsockel
befindet, und teilweise im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats verrichtete Arbeit“
In der Rechtssache C-37/00
wegen eines dem Gerichtshof gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und dieVollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) in dem bei
diesem anhängigen Rechtsstreit
Herbert Weber
gegen
Universal Ogden Services Ltd
vorgelegten Ersuchens um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 5 Nummer 1 des genannten
Übereinkommens vom 27. September 1968 (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung des Übereinkommens
vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs
Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und - geänderter Text - S. 77), des Übereinkommens vom 25.
Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1) und des Übereinkommens vom
26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J.-P.
Puissochet, R. Schintgen (Berichterstatter) und V. Skouris,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: R. Grass
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Herrn Weber, vertreten durch E. van Staden ten Brink, advocaat,
- der Universal Ogden Services Ltd, vertreten durch C. J. J. C. van Nispen und S. J. Schaafsma, advocaten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmächtigte im Beistand
von K. Smith, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. L. Iglesias Buhigues und W. Neirinck
als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Oktober 2001,
folgendes
Urteil
1.
Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 4. Februar 2000, beim Gerichtshof eingegangen
am 10. Februar 2000, gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des
Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof drei Fragen nach der
Auslegung von Artikel 5 Nummer 1 dieses Übereinkommens (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung
des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und
des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1, und - geänderte Fassung
- S. 77), des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl.
L 388, S. 1) und des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien
und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Weber, einem deutschen
Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Krefeld (Deutschland), und seinem Arbeitgeber, der Gesellschaft
schottischen Rechts Universal Ogden Services Ltd (im Folgenden: UOS) mit Sitz in Aberdeen
(Vereinigtes Königreich), infolge der Beendigung seines Arbeitsvertrags durch diese Gesellschaft.
Rechtlicher Rahmen
3.
Die Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens finden sich in dessen Titel II mit den
Artikeln 2 bis 24.
4.
Artikel 2 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens, der zum 1. Abschnitt - Allgemeine Vorschriften -
des Titels II gehört, lautet:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem
Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den
Gerichten dieses Staates zu verklagen.“
5.
Im selben Abschnitt bestimmt Artikel 3 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens:
„Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, können vor den
Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt
werden.“
6.
Im 2. bis 6. Abschnitt des Titels II enthält das Brüsseler Übereinkommen Vorschriften über
besondere oder ausschließliche Zuständigkeiten.
7.
So bestimmt Artikel 5 im 2. Abschnitt - Besondere Zuständigkeiten - des Titels II des Brüsseler
Übereinkommens:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem
anderen Vertragsstaat verklagt werden:
1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor
dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; wenn ein
individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand
des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit
verrichtet; verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, so
kann der Arbeitgeber auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, in dem sich die Niederlassung,
die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand;
...“
8.
Das Übereinkommen über den Festlandsockel, das am 29. April 1958 in Genf geschlossen wurde
(im Folgenden: Genfer Übereinkommen), trat am 10. Juni 1964 in Kraft und wurde vom Königreich der
Niederlande am 18. Februar 1966 ratifiziert. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen,
das am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichnet wurde, wurde dagegen vom Königreich der
Niederlande erst am 28. Juni 1996 ratifiziert, so dass es zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen
Zeitpunkt für diesen Staat nicht galt.
9.
In den Niederlanden trat die Wet arbeid mijnbouw Noordzee (Gesetz über Bergbauarbeit in der
Nordsee, im Folgenden: WAMN) vom 2. November 1992 am 1. Februar 1993 in Kraft.
10.
Artikel 1 Buchstabe a WAMN bestimmt, dass unter „Festlandsockel“ im Sinne dieses Gesetzes das
zu verstehen ist, was unter demselben Begriff in der Mijnwet continentaal plat (Gesetz über Bergbau
auf dem Festlandsockel) vom 23. September 1965 zu verstehen ist, d. h. der in der Nordsee
außerhalb der Hoheitsgewässer gelegene Teil des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes,
über den das Königreich derNiederlande insbesondere gemäß dem Genfer Übereinkommen
Hoheitsrechte besitzt (im Folgenden: niederländischer Teil des Festlandsockels).
11.
Nach Artikel 1 Buchstabe b WAMN erfasst der Begriff „Bergbaueinrichtung“ im Sinne dieses
Gesetzes Einrichtungen, die auf oder über dem niederländischen Teil des Festlandsockels zur
Durchführung von Bodenuntersuchungen oder zur Gewinnung von Bodenschätzen eingerichtet sind,
und Verbindungen von Einrichtungen, von denen mindestens eine dieser Beschreibung entspricht.
12.
Aus den amtlichen Erläuterungen zu Artikel 1 WAMN ergibt sich, dass diese Definition auch
Bohrschiffe und alle außerhalb der Hoheitsgewässer befindlichen festen oder (verankerten)
schwimmenden Einrichtungen zur Durchführung von Bodenuntersuchungen oder zur Gewinnung von
Bodenschätzen umfasst.
13.
Nach Artikel 1 Buchstabe c WAMN ist „Arbeitnehmer“ im Sinne dieses Gesetzes:
„1. eine Person, die aufgrund eines Arbeitsvertrags auf einer Bergbaueinrichtung oder von einer
solchen aus Arbeit verrichtet;
2. eine nicht unter 1. fallende Person, die aufgrund eines Arbeitsvertrages angestellt ist, um
während eines Zeitraums von mindestens dreißig Tagen auf einem Schiff, das sich in den
Hoheitsgewässern oder oberhalb des Festlandsockels unter der Nordsee außerhalb der
Hoheitsgewässer befindet, oder von einem solchen Schiff aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer
Erkundungsuntersuchung, einer Bodenuntersuchung oder der Gewinnung von Bodenschätzen
auszuüben“.
14.
Artikel 2 WAMN lautet:
„Der Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers unterliegt dem niederländischen Arbeitsvertragsrecht
einschließlich der entsprechenden Regeln des internationalen Privatrechts. Für die Anwendung der
Regeln des internationalen Privatrechts ist die von einem Arbeitnehmer verrichtete Arbeit als im
Hoheitsgebiet der Niederlande verrichtet anzusehen.“
15.
Artikel 10 Absatz 1 der WAMN bestimmt:
„Vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 98 Absatz 2 und 126 des Wetboek van Burgerlijke
Rechtsvordering [Zivilverfahrensgesetzbuch] ist der Kantonrechter Alkmaar zuständig für die
Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, die den Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers und die
Anwendung dieses Gesetzes betreffen.“
16.
In den amtlichen Erläuterungen zu Artikel 10 WAMN heißt es dazu, dass diese Bestimmung nicht von
den im Brüsseler Übereinkommen vorgesehenen Regelungen abweichen könne.
Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen
17.
Aus den Akten der Rechtssache ergibt sich, dass Herr Weber von der UOS von Juli 1987 bis zum 30.
Dezember 1993 als Koch beschäftigt wurde.
18.
Das vorlegende Gericht stellt fest, dass Herr Weber bis zum 21. September 1993 für die UOS
„insbesondere“ über dem niederländischen Teil des Festlandsockels auf Schiffen oder
Bergbaueinrichtungen im Sinne der WAMN arbeitete.
19.
Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts steht weder fest, in welchem Zeitraum oder in
welchen Zeiträumen genau Herr Weber zwischen dem Beginn seines Arbeitsverhältnisses mit der UOS
im Juli 1987 und dem 21. September 1993 seine Tätigkeit über dem niederländischen Teil des
Festlandsockels ausübte, noch, wann genau er auf von der WAMN erfassten Bergbaueinrichtungen
oder Schiffen arbeitete.
20.
Herr Weber trägt vor, er habe während dieser gesamten Zeit hauptsächlich über dem
niederländischen Teil des Festlandsockels, und zwar auf Bergbaueinrichtungen und Schiffen, die die
niederländische Flagge führten, gearbeitet; die Richtigkeit dieser Behauptungen wird von der UOS
bestritten.
21.
Dagegen steht fest, dass Herr Weber vom 21. September bis zum 30. Dezember 1993 als Koch an
Bord eines in den dänischen Hoheitsgewässern für den Bau einer Brücke über den Großen Belt
(Dänemark) eingesetzten Kranschiffes arbeitete.
22.
Am 29. Juni 1994 erhob Herr Weber nach Artikel 10 Absatz 1 WAMN vor dem Kantonrechter Alkmaar
(Niederlande) eine Klage gegen die UOS mit dem Vorbringen, sie habe sein Arbeitsverhältnis
unrechtmäßig beendet.
23.
Dieses Gericht wies die von der UOS erhobene, auf niederländisches Recht gestützte Einrede der
Unzuständigkeit zurück und erklärte die Klage von Herrn Weber für teilweise begründet.
24.
Die UOS legte daraufhin Rechtsmittel zur Rechtbank Alkmaar (Niederlande) ein, die, ebenfalls auf
der Grundlage allein des innerstaatlichen Rechts, der Auffassung war, der erstinstanzliche Richter
habe zu Unrecht seine Zuständigkeit für die Klage von Herrn Weber bejaht. Die Rechtbank Alkmaar
entschied im Wesentlichen, dass nur die Beschäftigungszeit nach dem 1. Februar 1993, dem
Zeitpunkt des Inkrafttretens der WAMN, berücksichtigt werden könne und dass der Beschäftigungszeit
von mehr als drei Monaten in dänischen Hoheitsgewässern mehr Gewicht beizumessen sei als der
über dem niederländischen Teil des Festlandsockels verbrachten Zeit.
25.
Am 7. Januar 1998 legte Herr Weber Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein,
der entschied, dass die Rechtbank Alkmaar einen Rechtsfehler begangen habe, indem sie nicht von
Amts wegen geprüft habe, ob die Zuständigkeit der niederländischen Gerichte aus den Regelungen
des Brüsseler Übereinkommens abgeleitet werden könne. In dieser Hinsicht wirft das vorlegende
Gericht die Frage auf,ob für die Anwendung von Artikel 5 Nummer 1 dieses Übereinkommens zum
einen die von Herrn Weber über dem niederländischen Teil des Festlandsockels verrichtete Arbeit als
in den Niederlanden - und damit im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats - verrichtet anzusehen ist, und
zum anderen, ob der Betroffene seit Beginn seiner Tätigkeit für die UOS im Juli 1987 seine Arbeit im
Sinne der genannten Bestimmung des Brüsseler Übereinkommens „gewöhnlich“ an diesem Ort
verrichtete.
26.
Da der Hoge Raad der Auffassung ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits unter diesen
Umständen von der Auslegung des Brüsseler Übereinkommens abhängt, hat er entschieden, das
Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
a) Ist eine Arbeit, die über dem niederländischen Teil des Festlandsockels unter der Nordsee von
einem Arbeitnehmer im Sinne der Wet arbeid mijnbouw Noordzee (WAMN) verrichtet wird, für die
Anwendung des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens als Arbeit, die in den
Niederlanden verrichtet wird, anzusehen oder einer solchen gleichzustellen?
b) Wenn ja, ist dann für die Beantwortung der Frage, ob davon auszugehen ist, dass der
Arbeitnehmer seine Arbeit „gewöhnlich“ in den Niederlanden verrichtet hat, auf die gesamte Dauer
seines Arbeitsverhältnisses oder nur auf dessen letzten Abschnitt abzustellen?
c) Ist für die Beantwortung der Frage b zwischen der Zeit, in der die WAMN noch nicht in Kraft war -
und das niederländische Recht damit für einen Fall wie den vorliegenden noch kein örtlich zuständiges
niederländisches Gericht bestimmt hatte -, und der Zeit nach Inkrafttreten der WAMN zu
unterscheiden?
Zur ersten Frage
27.
Zur Beantwortung dieser Frage ist erstens daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung
Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens außer Anwendung zu bleiben hat, wenn der
Arbeitsvertrag vollständig außerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten erfüllt wird, weil der
Arbeitnehmer alle seine Tätigkeiten in dritten Staaten ausübt (Urteil vom 15. Februar 1989 in der
Rechtssache 32/88, Six Constructions, Slg. 1989, I-341, Randnr. 22).
28.
Folglich setzt die Anwendung von Artikel 5 Nummer 1 voraus, dass der individuelle Arbeitsvertrag,
den der Arbeitnehmer mit der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit erfüllt, eine Verknüpfung mit dem
Hoheitsgebiet mindestens eines Vertragsstaats aufweist.
29.
Zweitens bestimmt Artikel 29 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.
Mai 1969: „Sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertraghervorgeht oder anderweitig
festgestellt ist, bindet ein Vertrag jede Vertragspartei hinsichtlich ihres gesamten Hoheitsgebiets.“
30.
Im Licht dieser Überlegungen ist zu bestimmen, ob für die Anwendung von Artikel 5 Nummer 1 des
Brüsseler Übereinkommens eine wie im Ausgangsverfahren über dem niederländischen Teil des
Festlandsockels verrichtete Arbeit als eine im Hoheitsgebiet der Niederlande und demnach im
Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats ausgeübte Tätigkeit anzusehen ist.
31.
Da das Brüsseler Übereinkommen keine Bestimmung enthält, die diesen Aspekt seines
Geltungsbereichs regelt, und mangels anderer Hinweise für die Beantwortung dieser Frage sind die
den Festlandsockel betreffenden Grundsätze des Völkerrechts und insbesondere das Genfer
Übereinkommen, das für die Niederlande zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit galt,
heranzuziehen.
32.
Nach Artikel 2 des Genfer Übereinkommens übt der Küstenstaat für die Erforschung des
Festlandsockels und für die Ausbeutung seiner natürlichen Reichtümer Hoheitsrechte über denselben
aus. Diese Rechte sind ausschließlich und hängen nicht von einer ausdrücklichen Erklärung ab.
33.
Nach Artikel 5 dieses Übereinkommens „ist der Küstenstaat berechtigt, auf dem Festlandsockel die
zu seiner Erforschung und zur Ausbeutung seiner natürlichen Reichtümer erforderlichen Anlagen und
sonstigen Vorrichtungen zu erstellen, zu unterhalten und zu betreiben“. Artikel 5 sieht zudem vor,
dass diese Anlagen und Vorrichtungen „der Hoheitsgewalt des Küstenstaats“ unterstehen.
34.
Demgemäß hat der Internationale Gerichtshof entschieden, dass die Rechte des Küstenstaats am
Gebiet des Festlandsockels, das eine Verlängerung seines Landgebiets unter dem Meer darstelle,
ipso facto und ab initio kraft seiner Hoheitsgewalt über das Festland als deren Fortsetzung
bestünden, und zwar in der Form der Ausübung von Hoheitsrechten zur Erforschung des
Meeresgrundes und zur Ausbeutung seiner natürlichen Reichtümer (Urteil vom 20. Februar 1969 in
den „North Sea Continental Shelf Cases“ genannten Rechtssachen, ICJ, Reports of Judgments,
Advisory Opinions and Orders, 1969, S. 3, Nr. 19).
35.
Im Übrigen steht es mit diesen Grundsätzen des Völkerrechts im Einklang, dass Artikel 10 Absatz 1
WAMN die Zuständigkeit eines niederländischen Gerichts für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf den
Arbeitsvertrag einer Person vorsieht, die ihre Tätigkeit auf einer auf oder über dem niederländischen
Teil des Festlandsockels befindlichen Bergbaueinrichtung zur Erkundung und/oder Ausbeutung seiner
natürlichen Reichtümer oder von dieser aus ausübt.
36.
Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine von einem Arbeitnehmer auf festen oder
schwimmenden Einrichtungen auf oder über dem an einen Vertragsstaat angrenzenden
Festlandsockel im Rahmen der Erforschung und/oder Ausbeutung seiner natürlichen Reichtümer
verrichtete Arbeit für die Anwendung von Artikel 5 Nummer1 des Brüsseler Übereinkommens als eine
im Hoheitsgebiet dieses Staates verrichtete Arbeit anzusehen ist.
Zur zweiten Frage
37.
Zur Beantwortung dieser Frage ist vorab auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Auslegung
von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens in Rechtsstreitigkeiten, die individuelle
Arbeitsverträge betreffen, hinzuweisen.
38.
Erstens ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass bei derartigen Verträgen der Erfüllungsort für
die Verpflichtung, die den Gegenstand des Verfahrens bildet, im Sinne der genannten Bestimmung
des Brüsseler Übereinkommens nicht wie allgemein bei Verträgen anhand des nach den
Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts maßgebenden nationalen Rechts zu ermitteln ist
(ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 6. Oktober 1976 in der Rechtssache 12/76, Tessili, Slg.
1976, 1473), sondern im Gegenteil nach einheitlichen Kriterien, die der Gerichtshof auf der Grundlage
der Systematik und der Zielsetzungen des Brüsseler Übereinkommens festzulegen hat (insbesondere
Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1993 in der Rechtssache C-125/92, Mulox IBC, Slg. 1993, I-4075,
Randnrn. 10, 11 und 16, vom 9. Januar 1997 in der Rechtssache C-383/95, Rutten, Slg. 1997, I-57,
Randnrn. 12 und 13, und vom 28. September 1999 in der Rechtssache C-440/97, GIE Groupe
Concorde u. a., Slg. 1999, I-6307, Randnr. 14).
39.
Zweitens ist der Gerichtshof der Auffassung, dass sich die besondere Zuständigkeitsregel des
Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens durch das Bestehen einer besonders engen
Verknüpfung zwischen dem Rechtsstreit und dem zu seiner Entscheidung berufenen Gericht im
Hinblick auf die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und die sachgerechte
Gestaltung des Verfahrens rechtfertigt und dass das Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer die
vereinbarte Tätigkeit auszuüben hat, am besten zur Entscheidung eines Rechtsstreits in der Lage ist,
der sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben kann (insbesondere Urteile Mulox IBC, Randnr. 17, und
Rutten, Randnr. 16).
40.
Drittens stellt der Gerichtshof fest, dass die Auslegung des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler
Übereinkommens bei Arbeitsverträgen die Zielsetzung zu berücksichtigen hat, dem Arbeitnehmer als
der sozial schwächeren Partei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten, und dass ein solcher
Schutz besser gewährleistet ist, wenn für Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Arbeitsvertrag
das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber
seinem Arbeitgeber erfüllt, da sich der Arbeitnehmer an diesem Ort mit dem geringsten
Kostenaufwand an die Gerichte wenden oder sich vor ihnen als Beklagter zur Wehr setzen kann
(Urteile Mulox IBC, Randnrn. 18 und 19, und Rutten, Randnr. 17).
41.
Daraus schließt der Gerichtshof, dass Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens so
auszulegen ist, dass bei Arbeitsverträgen unter dem Erfüllungsortder maßgeblichen Verpflichtung im
Sinne dieser Bestimmung der Ort zu verstehen ist, an dem der Arbeitnehmer die mit seinem
Arbeitgeber vereinbarten Tätigkeiten tatsächlich ausübt (Urteile Mulox IBC, Randnr. 20, Rutten,
Randnr. 15, und GIE Groupe Concorde u. a., Randnr. 14).
42.
Der Gerichtshof hat zudem ausgeführt, dass, wenn die Arbeit in mehreren Vertragsstaaten
verrichtet wird, eine Häufung der Gerichtsstände vermieden werden muss, um der Gefahr einander
widersprechender Entscheidungen zu begegnen und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen außerhalb des Urteilsstaats zu erleichtern, und dass demnach Artikel 5 Nummer 1
des Brüsseler Übereinkommens nicht so ausgelegt werden kann, dass er den Gerichten aller
Vertragsstaaten, in deren Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer einen Teil seiner Berufstätigkeit verrichtet,
eine konkurrierende Zuständigkeit zuweist (Urteile Mulox IBC, Randnrn. 21 und 23, und Rutten,
Randnr. 18).
43.
Demzufolge hat der Gerichtshof in den Randnummern 25 und 26 des Urteils Mulox IBC entschieden,
dass unter solchen Umständen als Ort, an dem die für den Vertrag charakteristische Verpflichtung
erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler
Übereinkommens der Ort anzusehen ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine
Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt, und dass dabei der Umstand zu
berücksichtigen ist, dass der Arbeitnehmer die ihm übertragene Aufgabe von einem Büro in einem
Vertragsstaat aus erfüllt hat, wo er seinen Wohnsitz begründet hatte, von wo aus er seinen
Tätigkeiten nachging und wohin er nach jeder Geschäftsreise zurückkehrte.
44.
Im Urteil Rutten hat der Gerichtshof in einem ähnlichen Fall entschieden, dass der Ort, an dem der
Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens gewöhnlich seine
Arbeit verrichtet, der Ort ist, den der Arbeitnehmer zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner
Berufstätigkeit gemacht hat, und dass für die konkrete Bestimmung dieses Ortes der Umstand zu
berücksichtigen ist, dass der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit in einem Vertragsstaat
zubringt, in dem er ein Büro hat, von dem aus er seine Tätigkeit für seinen Arbeitgeber organisiert und
wohin er nach jeder im Zusammenhang mit seiner Arbeit stehenden Auslandsreise zurückkehrt.
45.
Hinsichtlich der konkreten Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts im Sinne von Artikel 5
Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens ist
zum einen zu beachten, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt des Rechtsstreits zwischen
Herrn Weber und seinem Arbeitgeber vor den innerstaatlichen Gerichten noch nicht in vollem Umfang
zweifelsfrei festgestellt worden ist.
46.
So steht zwar fest, dass der Betroffene vom 21. September bis zum 30. Dezember 1993 an Bord
eines Kranschiffes in den dänischen Hoheitsgewässern gearbeitet hat, für die übrige Zeit ergibt sich
aus den Akten aber nur, dass Herr Weber von Juli 1987 bis zum 21. September 1993 zumindest
zeitweise von der UOS auf Schiffen oderBergbaueinrichtungen im Sinne der WAMN, die sich über dem
niederländischen Teil des Festlandsockels befanden, beschäftigt wurde. Die Parteien des
Ausgangsverfahrens streiten insbesondere darüber, wann genau innerhalb dieses Zeitraums Herr
Weber über dem genannten Gebiet gearbeitet hat, und den Akten lässt sich auch nicht entnehmen,
ob der Betroffene für die UOS Leistungen an einem anderen Ort erbracht hat und, wenn dies der Fall
sein sollte, in welchem Land oder welchen Ländern und wie lange er dort tätig war. Aus den
Feststellungen der Rechtbank Alkmaar ergibt sich nur, dass Herr Weber in der Zeit vom 1. Februar bis
zum 21. September 1993 79 Tage lang über dem niederländischen Teil des Festlandsockels
gearbeitet hat, ohne dass eindeutig festgestellt wird, ob er während der übrigen 144 Tage an
anderen Orten gearbeitet hat oder ob diese Zeit vielmehr Erholungszeit darstellte.
47.
Trotz dieser Ungewissheiten steht allerdings fest, dass Herr Weber während der Zeit seiner
Beschäftigung für die UOS in mindestens zwei verschiedenen Vertragsstaaten beschäftigt war.
48.
Zum anderen verfügte Herr Weber - anders als es in den Rechtssachen, die zu den Urteilen Mulox
und Rutten führten, der Fall gewesen war - nicht über ein Büro in einem der Vertragsstaaten, das den
tatsächlichen Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit gebildet und von dem aus er seine Verpflichtungen
gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt hätte.
49.
Diese Rechtsprechung kann deshalb nicht als Ganzes auf die vorliegende Rechtssache übertragen
werden. Sie ist allerdings insofern von Bedeutung, als sich daraus ergibt, dass bei einem im
Hoheitsgebiet mehrerer Vertragsstaaten erfüllten Arbeitsvertrag Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler
Übereinkommens angesichts der Notwendigkeit, den Ort zu bestimmen, mit dem der Rechtsstreit die
engste Verknüpfung aufweist, um so das zur Entscheidung des Rechtsstreits aufgrund seiner Lage am
besten geeignete Gericht zu bezeichnen, und dem Arbeitnehmer als der sozial schwächeren Partei
einen angemessenen Schutz zu gewährleisten sowie eine Häufung von Gerichtsständen zu vermeiden,
so auszulegen ist, dass er sich auf den Ort bezieht, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den
wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt. Denn an
diesem Ort kann der Arbeitnehmer mit dem geringsten Kostenaufwand Klage gegen seinen
Arbeitgeber erheben oder sich als Beklagter zur Wehr setzen, und das Gericht dieses Ortes ist am
besten zur Entscheidung eines Rechtsstreits befähigt, der den Arbeitsvertrag betrifft (Urteil Rutten,
Randnrn. 22 bis 24).
50.
Unter diesen Umständen ist in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens das
maßgebliche Kriterium, das zur Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts im Sinne des Artikels 5
Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens heranzuziehen ist, grundsätzlich der Ort, an dem der
Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit für den Arbeitgeber geleistet hat.
51.
In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der Arbeitnehmer während des gesamten
betroffenen Beschäftigungszeitraums durchgehend dieselbe Tätigkeit für seinen Arbeitgeber
ausgeübt hat, im vorliegenden Fall die eines Kochs, ist nämlich das qualitative Kriterium, das auf die
Natur oder die Bedeutung der an verschiedenen Orten der Vertragsstaaten verrichteten Arbeit
abstellt, ohne jede Relevanz.
52.
Das in Randnummer 50 dieses Urteils herangezogene zeitliche Kriterium, das auf die jeweilige Dauer
der in den verschiedenen betroffenen Vertragsstaaten ausgeübten Arbeit abstellt, setzt jedoch
logisch voraus, dass der gesamte Zeitraum der Tätigkeit des Arbeitnehmers bei der Bestimmung des
Ortes berücksichtigt wird, an dem der Arbeitnehmer den bedeutendsten Teil seiner Arbeit verrichtet
hat und an dem - in einem solchen Fall - der Schwerpunkt seiner Vertragsbeziehungen mit dem
Arbeitgeber liegt.
53.
Nur wenn aufgrund der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falles der Gegenstand des
Rechtsstreits eine engere Verknüpfung mit einem anderen Arbeitsort aufweist, kommt der in der
vorstehenden Randnummer genannte Grundsatz nicht zum Tragen.
54.
So wäre auf den letzten Beschäftigungsabschnitt abzustellen, wenn der Arbeitnehmer, nachdem er
eine gewisse Zeit an einem bestimmten Ort gearbeitet hat, anschließend dauerhaft an einem
anderen Ort tätig ist, so dass nach dem klaren Willen der Parteien dieser Ort zu einem neuen
gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens werden
soll.
55.
Wenn es dagegen die in den Randnummern 50 bis 54 dieses Urteils genannten Kriterien dem
nationalen Gericht nicht ermöglichen, für die Anwendung des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler
Übereinkommens den gewöhnlichen Arbeitsort zu bestimmen, weil es entweder mehrere gleich
bedeutende Arbeitsorte gibt oder weil keiner der verschiedenen Orte, an denen der Betroffene seiner
Berufstätigkeit nachgegangen ist, einen hinreichend festen und intensiven Bezug zu der geleisteten
Arbeit aufweist, um für die Bestimmung des zuständigen Gerichts als Hauptbezugsort angesehen zu
werden, kommt es, wie sich bereits aus den Randnummern 42 und 49 dieses Urteils ergibt, darauf an,
eine Häufung von für die Entscheidung über dasselbe Rechtsverhältnis zuständigen Gerichten zu
vermeiden. Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens kann daher nicht dahin ausgelegt
werden, dass er den Gerichten aller Vertragsstaaten, in deren Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer einen
Teil seiner Berufstätigkeit ausgeübt hat, eine konkurrierende Zuständigkeit zuweist.
56.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass zum einen, wie sich aus dem Bericht von P. Jenard zum Brüsseler
Übereinkommen (ABl. 1979, C 59, S. 1, 22) ergibt, die besonderen Zuständigkeitsregeln nur eine
zusätzliche Option für den Kläger darstellen, ohne dass sie die in Artikel 2 Absatz 1 aufgestellte
Grundregel dieses Übereinkommens berührten, nach der Personen mit Wohnsitz in einem
Vertragsstaat unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Parteien vor den Gerichten dieses
Staates zu verklagen sind. Zum anderen sieht Artikel 5 Nummer 1 letzter Satzteil des Brüsseler
Übereinkommens vor, dass, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und
demselbenStaat verrichtet, der Arbeitgeber „auch“ vor dem Gericht des Ortes verklagt werden kann,
in dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet oder befand.
57.
Demzufolge kann der Arbeitnehmer unter den in Randnummer 55 dieses Urteils genannten
Umständen seine Klage gegen den Arbeitgeber wahlweise nach Artikel 5 Nummer 1 letzter Satzteil des
Brüsseler Übereinkommens vor dem Gericht des Ortes der Niederlassung, die ihn eingestellt hat,
oder, sofern sich daraus ein anderer Gerichtsstand ergibt, nach Artikel 2 Absatz 1 dieses
Übereinkommens vor den Gerichten des Vertragsstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet der
Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
58.
Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Artikel 5
Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass, wenn der Arbeitnehmer die
Verpflichtungen aus seinem Arbeitsvertrag in mehreren Vertragsstaaten erfüllt, der Ort, an dem er im
Sinne dieser Bestimmung gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, der Ort ist, an dem oder von dem aus er
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen
gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt.
Bei einem Arbeitsvertrag, zu dessen Erfüllung der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber dieselben
Tätigkeiten in mehr als einem Vertragsstaat ausübt, ist grundsätzlich die gesamte Dauer des
Arbeitsverhältnisses für die Bestimmung des Ortes, an dem der Betroffene im Sinne der genannten
Vorschrift gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, zu berücksichtigen.
Mangels anderer Kriterien ist dies der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner
Arbeitszeit geleistet hat.
Anders verhielte es sich nur, wenn angesichts der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls
der Gegenstand des Rechtsstreits engere Verknüpfungen mit einem anderen Arbeitsort aufwiese; in
einem solchen Fall wäre dieser Ort für die Anwendung des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler
Übereinkommens maßgeblich.
Erlauben es die vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien dem nationalen Gericht nicht, den
gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens zu
bestimmen, so kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber wahlweise vor dem Gericht des Ortes der
Niederlassung, die ihn eingestellt hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dessen
Hoheitsgebiet der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat, verklagen.
Zur dritten Frage
59.
Zu dieser Frage ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Brüsseler Übereinkommen die
Festlegung der innergemeinschaftlichen Zuständigkeit der Gerichte der Vertragsstaaten in Zivil- und
Handelssachen zum Ziel hat und dass daher dieinnerstaatlichen Verfahrensvorschriften in den durch
das Übereinkommen geregelten Bereichen hinter dessen Bestimmungen zurücktreten (Urteil vom 13.
November 1979 in der Rechtssache 25/79, Sanicentral, Slg. 1979, 3423, Randnr. 5).
60.
Zum anderen ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Artikel 5 Nummer 1 des
Brüsseler Übereinkommens verwendeten Begriffe in Bezug auf Arbeitsverträge autonom auszulegen
sind, um die volle Wirksamkeit dieses Übereinkommens, zu dessen Zielen es insbesondere gehört, die
Zuständigkeitsregeln für die Gerichte der Vertragsstaaten zu vereinheitlichen, und seine einheitliche
Anwendung in allen Vertragsstaaten des Übereinkommens sicherzustellen (insbesondere Urteile
Mulox IBC, Randnrn. 10 und 16, und Rutten, Randnrn. 12 und 13).
61.
Demzufolge ist das innerstaatliche Recht für die Anwendung des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler
Übereinkommens ohne jede Relevanz, so dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens der WAMN die
Tragweite der genannten Bestimmung unverändert lässt.
62.
Unter diesen Umständen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass das im Ausgangsverfahren
anwendbare innerstaatliche Recht ohne jeden Einfluss auf die Auslegung des Begriffes des Ortes ist,
an dem der Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens gewöhnlich
seine Arbeit verrichtet, die Gegenstand der zweiten Frage ist.
Kosten
63.
Die Auslagen der niederländischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der
Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für
die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses
Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 4. Februar 2000 vorgelegten Fragen für
Recht erkannt:
1. Eine von einem Arbeitnehmer auf festen oder schwimmenden Einrichtungen auf oder
über dem an einen Vertragsstaat angrenzenden Festlandsockel im Rahmen der
Erforschung und/oder Ausbeutung seiner natürlichen Reichtümer verrichtete Arbeit ist für
die Anwendung vonArtikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über
die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den
Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs
Großbritannien und Nordirland, des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den
Beitritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den
Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik als eine im
Hoheitsgebiet dieses Staates verrichtete Arbeit anzusehen.
2. Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens ist dahin auszulegen, dass, wenn
der Arbeitnehmer die Verpflichtungen aus seinem Arbeitsvertrag in mehreren
Vertragsstaaten erfüllt, der Ort, an dem er im Sinne dieser Bestimmung gewöhnlich seine
Arbeit verrichtet, der Ort ist, an dem oder von dem aus er unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem
Arbeitgeber tatsächlich erfüllt.
Bei einem Arbeitsvertrag, zu dessen Erfüllung der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber
dieselben Tätigkeiten in mehr als einem Vertragsstaat ausübt, ist grundsätzlich die
gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Bestimmung des Ortes, an dem der
Betroffene im Sinne der genannten Vorschrift gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, zu
berücksichtigen.
Mangels anderer Kriterien ist dies der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil
seiner Arbeitszeit geleistet hat.
Anders verhielte es sich nur, wenn angesichts der tatsächlichen Umstände des
jeweiligen Einzelfalls der Gegenstand des Rechtsstreits engere Verknüpfungen mit einem
anderen Arbeitsort aufwiese; in einem solchen Fall wäre dieser Ort für die Anwendung
des Artikels 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens maßgeblich.
Erlauben es die vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien dem nationalen Gericht nicht,
den gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler
Übereinkommens zu bestimmen, so kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber wahlweise
vor dem Gericht des Ortes der Niederlassung, die ihn eingestellt hat, oder vor den
Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitgeber seinen Wohnsitz
hat, verklagen.
3. Das im Ausgangsverfahren anwendbare innerstaatliche Recht ist ohne jede Relevanz
für die Auslegung des Begriffes des Ortes, an dem der Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 5
Nummer 1 des BrüsselerÜbereinkommens gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, die
Gegenstand der zweiten Frage ist.
Macken
Colneric
Puissochet
Schintgen
Skouris
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Februar 2002.
Der Kanzler
Die Präsidentin der Sechsten Kammer
R. Grass
F. Macken
Verfahrenssprache: Niederländisch.