Urteil des EuGH vom 16.11.2000

EuGH: kommission, unternehmen, grundsatz der gleichbehandlung, mildernder umstand, begründungspflicht, hersteller, preisabsprache, verordnung, klagegrund, mildernde umstände

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
16. November 2000
„Rechtsmittel - Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Geldbuße -
Festsetzung der Höhe - Begründung - Mildernde Umstände“
In der Rechtssache C-280/98 P
Moritz J. Weig GmbH & Co. KG
Jestaedt, Brüssel, und V. von Bomhard, Hamburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts P. Dupont,
8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
(Dritte erweiterte Kammer) vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-317/94 (Weig/Kommission, Slg. 1998, II-
1235) wegen Aufhebung dieses Urteils,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt D. Schroeder, Köln, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez
de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. La Pergola sowie der Richter M. Wathelet (Berichterstatter), D.
A. O. Edward, P. Jann und L. Sevón,
Generalanwalt: J. Mischo
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Mai 2000,
folgendes
Urteil
1.
Die Moritz J. Weig GmbH & Co. KG hat mit Rechtsmittelschrift, die am 23. Juli 1998 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel
gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-317/94
(Weig/Kommission, Slg. 1998, II-1235; im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das
Gericht die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel
85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) (ABl. L 243, S. 1; im Folgenden: Entscheidung) teilweise für nichtig
erklärte und die Klage im Übrigen abwies.
Sachverhalt
2.
Mit der Entscheidung setzte die Kommission gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der
Gemeinschaft wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG)
Geldbußen fest.
3.
Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass diese Entscheidung erging, nachdem die British
Printing Industries Federation, eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen
Kartonbedrucker, und die Fédération française du cartonnage im Jahr 1990 informelle Beschwerden
eingelegt hatten und nachdem Beamte der Kommission im April 1991 gemäß Artikel 14 Absatz 3 der
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85
und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ohne Vorankündigung in den Geschäftsräumen
verschiedener Unternehmen und Branchenorganisationen des Kartonsektors Nachprüfungen
vorgenommen hatten.
4.
Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und im Anschluss an Ersuchen um Auskünfte und
Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass sich die
betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den meisten Fällen) mindestens April 1991 an
einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten. Sie beschloss daher,
ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten, und richtete mit Schreiben vom 21. Dezember
1992 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an jedes der fraglichen Unternehmen, die alle schriftlich
darauf antworteten. Neun Unternehmen baten um eine mündliche Anhörung.
5.
Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende Bestimmungen
enthält:
Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard - the Finnish Board
Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH & Co. KG, Kartonfabriek .De Eendracht' NV
(unter der Firma BPB de Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke
Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och Domsjö AB (MoDo), Mayr-
Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A., RenaKartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding
Ltd (ehemals Reed Paper & Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A.
(früher Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen Artikel 85 Absatz 1
des EG-Vertrages verstoßen, indem sie sich
- im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990,
- im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens Ende April 1991 und
- im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,
- in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,
an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten,
durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft
- sich regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen zwecks Erörterung und
Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung des Wettbewerbs trafen;
- sich über regelmäßige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung
verständigten;
- gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und
durchführten;
- sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile
der führenden Hersteller verständigten;
- in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des
Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten
Preiserhöhungen sicherzustellen;
- als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise,
Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten.
Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten
Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig
von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder
ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen,
dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder
b) durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion der
Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion
gefördert oder erleichtert wird, oder
c) durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die Erfüllung oder Beachtung
ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung
in der Gemeinschaft zu überwachen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen
Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, dass es nicht nur alle
Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, sondern auch alle
Daten über den gegenwärtigen Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete
Kapazitätsausnutzung (in beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder
Maschine ausschließt.
Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und Verbreitung von
Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht dazu benutzt werden können, ein
gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder zu erleichtern.
Die Unternehmen nehmen außerdem von jedem Austausch weiterer wettbewerbsrelevanter
Informationen über den zulässigen Informationsaustausch hinaus sowie von allen Treffen oder
sonstigen Kontakten zur Erörterung des Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der
möglichen oder wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese
Informationen Abstand.
Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem wird eine Frist von
drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung eingeräumt.
Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten Verstoß folgende
Geldbußen festgesetzt:
...
xix) gegen Moritz J. Weig GmbH & Co. KG eine Geldbuße in Höhe von 3 000 000 ECU;
...“
6.
Das angefochtene Urteil enthält ferner folgende Angaben zum Sachverhalt:
„13 Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus mehreren
Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens .Produktgruppe Karton' (im
Folgenden: PG Karton).
14 Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuss namens .Presidents' Working
Group' (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der (etwa acht) führenden
Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.
15 Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise
und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge
und die Höhe der von den Herstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen gefasst.
16 Der PWG habe der .Präsidentenkonferenz' (PK) Bericht erstattet, an der (mehr oder weniger
regelmäßig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK
habe im maßgeblichen Zeitraum zweimal pro Jahr getagt.
17 Ende 1987 sei das .Joint Marketing Committee' (JMC) eingesetzt worden. Die Hauptaufgabe des
JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und, wenn ja, wie sich Preiserhöhungen
durchsetzen ließen, und zum anderen die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und
wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu
gelangen.
18 Schließlich habe die .Wirtschaftliche Kommission' (WK) u. a. die Preisentwicklung auf den
nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder - bis Ende 1987 - dessen
Vorgänger, dem .Marketing Committee', über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus
Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals
pro Jahr zusammengetreten.
19 Aus der Entscheidung geht ferner hervor, dass die Tätigkeiten der PG Karton nach Ansicht der
Kommission durch einen Informationsaustausch über die Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zürich
(Schweiz) unterstützt wurden. In der Entscheidung heißt es, die meisten Mitglieder der PG Karton
hätten der FIDES regelmäßig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und
Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet
worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefassten Daten erhalten.
20 Die Klägerin nahm nach den Erkenntnissen der Kommission in dem von der Entscheidung
erfassten Zeitraum an Sitzungen der PK sowie ab 1988 an Sitzungen des JMC und des PWG teil.“
7.
Sechzehn der achtzehn anderen beschuldigten Unternehmen sowie vier finnische Unternehmen, die
als Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung Finnboard gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen
diese festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht wurden, erhoben ebenfalls Klage gegen die
Entscheidung (Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94 bis T-311/94, T-319/94, T-327/94,
T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94 sowie verbundene
Rechtssachen T-339/94 bis T-342/94).
Das angefochtene Urteil
8.
Auf den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung hin erklärte das Gericht in Bezug auf die
Rechtsmittelführerin Artikel 1 der Entscheidung insoweit, als darin festgestellt wird, dass sich die
Klägerin vor März 1988 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt
habe, und Artikel 2 Absätze 1 bis 4 mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig:
„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten
Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig
von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen Gleiches oder
Ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen,
dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen
Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, dass es alle Informationen, mit
denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt.“
9.
Im Übrigen wies das Gericht den Antrag zurück.
10.
Überdies machte die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht acht Klagegründe im Zusammenhang mit
der Festsetzung der Geldbuße geltend. Gegen die Gründe des angefochtenen Urteils, die sich auf
diese Festsetzung beziehen, richtet sich das Rechtsmittel. In Anbetracht des Vorbringens, auf das die
Rechtsmittelführerin ihrRechtsmittel stützt, werden im Folgenden nur die Teile des angefochtenen
Urteils wiedergegeben, in denen auf die Rügen einer Verletzung von Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt
Artikel 253 EG), des Fehlens wirtschaftlicher Auswirkungen der Zuwiderhandlungen, der Überhöhtheit
des allgemeinen Bußgeldniveaus und der unzureichenden Berücksichtigung der Kooperation der
Rechtsmittelführerin im Verfahren eingegangen wird.
11.
Die Rechtsmittelführerin warf der Kommission im Wesentlichen vor, die Entscheidung unzureichend
begründet zu haben, da die Adressaten nicht prüfen könnten, ob die gegen sie verhängte Geldbuße
der Höhe nach gerechtfertigt sei und ob sie in angemessenem Verhältnis zu den Geldbußen der
anderen Unternehmen stehe.
12.
Dazu führte das Gericht Folgendes aus:
„182 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen
den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin
zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die
Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung
ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts
und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11.
Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799,
Randnr. 51).
183 Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere
Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft
Geldbußen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht
insbesondere zu berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von
Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr
Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder
abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss
des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg.
1996, I-1611, Randnr. 54).
184 Außerdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbußen über
ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden (in
diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89,
Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59).
185 Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen und der Höhe der individuellen
Geldbußen herangezogenen Kriterien finden sich in den Randnummern 168 und 169 der
Entscheidung. Zudem führt die Kommission in Bezug auf die individuellen Geldbußen in Randnummer
170 aus, dass die Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich
als .Anführer' des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen .gewöhnliche Mitglieder'
angesehen worden seien. Dabei wird die Klägerin nicht zu den .Anführern' des Kartells gezählt, und in
Randnummer 170 Absatz 3 heißt es: .Obschon Weig von 1988 an Mitglied des PWG war, scheint sie in
der Gestaltung der Politik des Kartells keine so wichtige Rolle wie die großen Industriekonzerne
gespielt zu haben.' Schließlich weist die Kommission in den Randnummern 171 und 172 darauf hin,
dass die gegen Rena und Stora festgesetzten Geldbußen erheblich niedriger auszufallen hätten, um
deren aktiver Kooperation mit der Kommission Rechnung zu tragen, und dass acht andere
Unternehmen, darunter die Klägerin, ebenfalls in den Genuss einer in geringerem Umfang
herabgesetzten Geldbuße kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht
bestritten hätten.
186 In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage
des Gerichts hat die Kommission erläutert, dass die Geldbußen auf der Grundlage des von den
einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten
Umsatzes berechnet worden seien. Gegen die als .Anführer' des Kartells angesehenen Unternehmen
seien Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbußen mit
einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Im Fall der Klägerin hat die Kommission erläutert, dass
sie einen Satz von 8 % des individuellen Umsatzes angewandt habe, da das Unternehmen zwar
.Mitglied des PWG' gewesen sei, aber keine so wichtige Rolle wie die übrigen Unternehmen, die an den
Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen, gespielt zu haben scheine. Schließlich habe die Kommission
gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter Unternehmen während des
Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei Unternehmen seien die Geldbußen aus diesem
Grund um zwei Drittel und bei anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.
187 Im Übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die Angaben zur
Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbußen enthält, dass diese zwar nicht durch streng
mathematische Anwendung allein der oben genannten Zahlen ermittelt wurden, dass diese Zahlen
jedoch bei der Berechnung der Geldbußen systematisch herangezogen wurden.
188 In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, dass die Geldbußen auf der Grundlage des von
den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt derGemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes
berechnet wurden. Auch die zur Berechnung der festgesetzten Geldbußen angewandten Basissätze
von 9 % für die als .Anführer' angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die .gewöhnlichen
Mitglieder' sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang der Herabsetzung bei
Rena und Stora einerseits und bei acht anderen Unternehmen andererseits.
189 Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, dass die Randnummern 169 bis 172 der
Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu findenden eingehenden
Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten Sachverhalte ausreichende und
sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und
der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden
(in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89,
Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264). Die Entscheidung enthält insoweit eine
spezielle Begründung zur Beurteilung der Schwere der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung
(Randnr. 170 Absatz 3), der sich entnehmen lässt, weshalb sie weder den .Anführern' des Kartells
noch dessen .gewöhnlichen Mitgliedern' gleichgestellt wurde.
190 Ebenso enthält Randnummer 168 der Entscheidung, die im Licht der allgemeinen Erwägungen
über die Geldbußen in Randnummer 167 zu sehen ist, ausreichende Angaben zu den
Gesichtspunkten, die bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen herangezogen
wurden.
191 Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbußen wie hier auf der Grundlage der
systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten ermittelt wird, die Angabe all dieser
Faktoren in der Entscheidung den Unternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die
Kommission bei der Festlegung der Höhe der individuellen Geldbuße Fehler begangen hat und ob die
Höhe jeder individuellen Geldbuße in Anbetracht der angewandten allgemeinen Kriterien
gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der fraglichen Faktoren - Referenzumsatz,
Referenzjahr, angewandte Basissätze und Umfang der Herabsetzung der Geldbußen - in der
Entscheidung keine möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstoßende implizite Preisgabe
des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn der Endbetrag
der individuellen Geldbußen ergibt sich, wie die Kommission selbst ausgeführt hat, nicht aus einer
streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.
192 Die Kommission hat im Übrigen in der Verhandlung eingeräumt, dass sie in der Entscheidung
die systematisch berücksichtigten und in der Pressekonferenz am 13. Juli 1994, dem Tag ihres
Erlasses, bekannt gegebenen Faktoren durchaus hätte aufzählen können. Insoweit ist darauf
hinzuweisen, dass die Begründung einer Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung in
derEntscheidung selbst enthalten sein muss und dass nachträgliche Erläuterungen der Kommission
nur unter außergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom
2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931,
Randnr. 131; in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-
30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 136).
193 Gleichwohl ist festzustellen, dass die Begründung zur Festlegung der Höhe der Geldbußen in
den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso detailliert ist wie die
Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen.
Zwar ist der Klagegrund eines Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte
der Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem Fall die Praxis
der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbußen gerügt. Erst im Urteil vom 6. April
1995 in der Rechtssache T-148/89 (Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142) und in
zwei anderen Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de
Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und T-151/89 (Société des
treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191, abgekürzte Veröffentlichung) hat es das
Gericht erstmals als wünschenswert bezeichnet, dass die Unternehmen die Berechnungsweise der
gegen sie verhängten Geldbuße im Einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck
gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.
194 Folglich muss die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die
Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt und
wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen
heranzieht, diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu
ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbuße zu überprüfen und festzustellen, ob eine
Diskriminierung vorliegt.
195 Unter den zuvor in Randnummer 193 genannten besonderen Umständen und unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kommission bereit war, im gerichtlichen Verfahren alle
Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbußen zu geben, kann das Fehlen einer speziellen
Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen in der Entscheidung im vorliegenden Fall
nicht als Verstoß gegen die Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise
Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbußen rechtfertigt. Die Klägerin hat überdies auch nicht
dargelegt, dass sie daran gehindert worden wäre, von ihren Verteidigungsrechten sachgerecht
Gebrauch zu machen.
196 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.“
13.
Die Rechtsmittelführerin trug vor, bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung und bei
der Bußgeldbemessung seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung zu
berücksichtigen (Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission,
Slg. 1992, II-1021, Randnr. 359). Im vorliegenden Fall hätten sich die Preisabsprachen aber überhaupt
nicht oder allenfalls geringfügig auf den Markt ausgewirkt.
14.
Hierzu führte das Gericht aus:
„211 Gemäß Randnummer 168, siebter Gedankenstrich, der Entscheidung hat die Kommission bei
der Festsetzung der Höhe der Geldbußen u. a. berücksichtigt, dass das Kartell, .was die Erreichung
seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich' war. Es ist unstreitig, dass mit dieser Erwägung auf die
Auswirkungen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den Markt Bezug
genommen wird.
212 Zur Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Auswirkungen der
Zuwiderhandlung braucht nach Ansicht des Gerichts nur die Beurteilung der Auswirkungen der
Preisabsprache - der einzigen Auswirkungen, die die Klägerin bestreitet - untersucht zu werden. Aus
der Entscheidung geht nämlich hervor, dass die Feststellung, wonach die Ziele weitgehend erreicht
worden seien, im Wesentlichen auf den Auswirkungen der Preisabsprache beruht (vgl. Randnrn. 100
bis 102, 115 und 135 bis 137).
213 Bei der Preisabsprache hat die Kommission die allgemeinen Auswirkungen beurteilt. Selbst
wenn die von der Klägerin gemachten individuellen Angaben - wie sie behauptet - zeigen sollten, dass
die Preisabsprache für sie geringere als die auf dem europäischen Kartonmarkt als Ganzem
festgestellten Auswirkungen hatte, würden diese individuellen Gegebenheiten daher als solche nicht
ausreichen, um die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen.
214 Wie die Kommission in der Verhandlung bestätigt hat, ist der Entscheidung zu entnehmen, dass
zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden wurde. Außerdem hat sich die Kommission
darauf gestützt, dass die Hersteller selbst die Preisinitiativen im Wesentlichen als Erfolg gewertet
hätten.
215 Die erste von der Kommission berücksichtigte und von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Art
von Auswirkungen besteht darin, dass die vereinbarten Preiserhöhungen den Kunden tatsächlich
angekündigt wurden. Die neuen Preise dienten somit als Referenz bei der individuellen Aushandlung
der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden (vgl. u. a. Randnrn. 100 und 101 Absätze 5 und 6
der Entscheidung).
216 Die zweite Art von Auswirkungen besteht darin, dass die Entwicklung der tatsächlichen
Verkaufspreise der Entwicklung der angekündigten Preise folgte. Hierzu führt die Kommission aus,
dass .sich die Hersteller nicht darauf [beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen
anzukündigen, sondern ... - mit wenigen Ausnahmen - auch alles [taten], um sicherzustellen, dass sie
bei den Kunden durchgesetzt wurden' (Randnr. 101 Absatz 1 der Entscheidung). Sie räumt ein, dass
den Kunden bisweilen Zugeständnisse hinsichtlich des Termins des Inkrafttretens der Erhöhungen
gemacht oder - vor allem bei Großaufträgen - individuelle Rabatte oder Skonti gewährt worden seien
und dass .die durchschnittliche Netto-Preiserhöhung, die nach allen Nachlässen, Rabatten und
sonstigen Zugeständnissen erzielt wurde, stets geringer [war] als der volle Betrag der angekündigten
Preisanhebung' (Randnr. 102 letzter Absatz der Entscheidung). Unter Bezugnahme auf Schaubilder im
LE-Bericht macht sie jedoch geltend, in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum habe es einen
.engen linearen Zusammenhang' zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der
Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise - ausgedrückt in Landeswährung oder umgerechnet in
Ecu - gegeben. Sie zieht daraus folgenden Schluss: .Die erzielten Netto-Preiserhöhungen vollzogen die
Preisankündigungen - wenngleich mit etwas zeitlichem Abstand - nach. Der Verfasser des Berichts
räumte bei der mündlichen Anhörung selbst ein, dass dies für die Jahre 1988 und 1989 zutrifft'
(Randnr. 115 Absatz 3 der Entscheidung).
217 Bei der Beurteilung dieser zweiten Art von Auswirkungen war die Kommission zweifellos zu der
Annahme berechtigt, dass die Existenz eines linearen Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der
angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise den Beweis für eine
Auswirkung der Preisinitiativen auf die letztgenannten Preise entsprechend dem von den Herstellern
verfolgten Ziel darstellte. Denn unstreitig hat die Praxis individueller Verhandlungen mit den Kunden
auf dem fraglichen Markt zur Folge, dass die tatsächlichen Verkaufspreise im Allgemeinen nicht mit
den angekündigten Preisen übereinstimmen. Es war daher nicht zu erwarten, dass der Anstieg der
tatsächlichen Verkaufspreise mit den Erhöhungen der angekündigten Preise übereinstimmen würde.
218 Hinsichtlich des Bestehens einer Wechselbeziehung zwischen den angekündigten
Preiserhöhungen und dem Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise hat die Kommission zu Recht auf
den LE-Bericht Bezug genommen, da in diesem die Entwicklung des Kartonpreises in dem von der
Entscheidung erfassten Zeitraum unter Heranziehung der von mehreren Herstellern gemachten
Angaben untersucht wird.
219 Dieser Bericht bestätigt jedoch in zeitlicher Hinsicht nur teilweise, dass es einen .engen
linearen Zusammenhang' gab. Bei der Prüfung des Zeitraums von 1987 bis 1991 ergeben sich
nämlich drei gesonderte Abschnitte. Während derAnhörung vor der Kommission hat der Verfasser des
LE-Berichts seine Schlussfolgerungen hierzu wie folgt zusammengefasst: .Es gibt keinen engen
Zusammenhang, auch nicht in zeitlichem Abstand, zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und
den Marktpreisen zu Beginn des Zeitraums, von 1987 bis 1988. 1988/89 besteht ein solcher
Zusammenhang, und dann löst sich der Zusammenhang auf und verhält sich im Zeitraum 1990/91
recht seltsam []' (Anhörungsprotokoll, S. 28). Ferner führte er aus, dass diese Veränderungen
im Lauf der Zeit eng mit den Nachfrageschwankungen zusammenhingen (vgl. u. a.
Anhörungsprotokoll, S. 20).
220 Diese mündlichen Schlussfolgerungen des Verfassers stimmen mit der in seinem Bericht
vorgenommenen Analyse und insbesondere mit den Schaubildern überein, in denen die Entwicklung
der angekündigten Preise mit der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise verglichen wird (LE-
Bericht, Schaubilder 10 und 11, S. 29). Somit ist festzustellen, dass die Kommission nur teilweise
nachgewiesen hat, dass es den von ihr geltend gemachten .engen linearen Zusammenhang' gab.
221 In der Verhandlung hat die Kommission erklärt, dass sie noch eine dritte Art von Auswirkungen
der Preisabsprache berücksichtigt habe, die darin bestehe, dass die tatsächlichen Verkaufspreise
stärker gestiegen seien, als wenn es keinerlei Absprache gegeben hätte. Hierzu hat die Kommission
unter Hinweis darauf, dass Zeitpunkt und Reihenfolge der Ankündigungen von Preiserhöhungen vom
PWG festgelegt worden seien, in der Entscheidung die Ansicht vertreten, es sei .unter solchen
Umständen undenkbar, dass die abgestimmten Preisankündigungen keine Auswirkungen auf das
tatsächliche Preisniveau hatten' (Randnr. 136 Absatz 3 der Entscheidung). Im LE-Bericht (Abschnitt 3)
wurde jedoch eine Modellrechnung vorgenommen, die die Vorhersage des Preisniveaus ermöglicht,
das sich aus den objektiven Marktbedingungen ergibt. Nach diesem Bericht hätte sich das anhand
objektiver wirtschaftlicher Faktoren in der Zeit von 1975 bis 1991 ermittelte Preisniveau mit
unerheblichen Abweichungen ebenso entwickelt wie das Niveau der tatsächlichen Verkaufspreise;
dies gilt auch für den von der Entscheidung erfassten Zeitraum.
222 Trotz dieser Ergebnisse lässt die im Bericht vorgenommene Analyse nicht den Schluss zu, dass
die konzertierten Preisinitiativen es den Herstellern nicht ermöglicht haben, höhere tatsächliche
Verkaufspreise als bei freiem Wettbewerb zu erzielen. Insoweit ist es möglich, wie die Kommission in
der Verhandlung ausgeführt hat, dass die bei dieser Analyse herangezogenen Faktoren durch die
Existenz der Absprache beeinflusst wurden. So hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, dass
das abgesprochene Verhalten z. B. den Anreiz für die Unternehmen verringern konnte, ihre Kosten zu
senken. Sie hat jedoch keinen direkten Fehler in der im LE-Bericht enthaltenen Analyse gerügt und
auch keine eigenen wirtschaftlichen Analysen zur hypothetischen Entwicklung der tatsächlichen
Verkaufspreise bei Fehlen jeder Abstimmungvorgelegt. Unter diesen Umständen geht ihre
Behauptung, dass die tatsächlichen Verkaufspreise ohne die Absprache zwischen den Herstellern
niedriger gewesen wären, fehl.
223 Folglich gibt es für die Existenz dieser dritten Art von Auswirkungen der Preisabsprache keinen
Beweis.
224 Auf die vorstehenden Feststellungen hat die subjektive Einschätzung der Hersteller keinen
Einfluss, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, dass das Kartell, was die Erreichung
seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei. Dabei hat die Kommission auf eine von ihr
in der Verhandlung vorgelegte Liste von Schriftstücken Bezug genommen. Selbst wenn man
unterstellt, dass sie ihre Beurteilung des möglichen Erfolges der Preisinitiativen auf Schriftstücke
stützen konnte, in denen die subjektiven Empfindungen einiger Hersteller zum Ausdruck kommen, ist
aber festzustellen, dass mehrere Unternehmen, zu denen auch die Klägerin gehört, in der
Verhandlung zu Recht auf zahlreiche andere Aktenstücke verwiesen haben, in denen von den
Problemen die Rede ist, die die Hersteller bei der Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen
hatten. Unter diesen Umständen reicht die Bezugnahme der Kommission auf Erklärungen der
Hersteller selbst nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass das Kartell, was die Erreichung
seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich war.
225 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind die von der Kommission geltend gemachten
Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise bewiesen. Das Gericht wird die Tragweite dieses
Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung von Geldbußen bei der
Beurteilung der Schwere der im vorliegenden Fall festgestellten Zuwiderhandlung prüfen (siehe unten,
Randnr. 246).“
15.
Vor dem Gericht machte die Rechtsmittelführerin geltend, die vorliegend festgestellte
Zuwiderhandlung sei nicht der verwerflichste Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, und
wandte sich deshalb insbesondere im Hinblick auf die frühere Entscheidungspraxis gegen das
allgemeine Bußgeldniveau.
16.
Das Gericht äußerte sich dazu wie folgt:
„241 Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der
Geldbußen der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 167 der Entscheidung) und folgenden
Erwägungen Rechnung getragen (Randnr. 168 der Entscheidung):
.- Preis- und Marktaufteilungsabsprachen stellen als solche schwere
Wettbewerbsbeschränkungen dar;
- das Kartell erstreckte sich praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft;
- der EG-Kartonmarkt ist ein bedeutender Industriesektor, der jedes Jahr einen Wert von bis zu 2,5
Milliarden ECU darstellt;
- die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen repräsentieren praktisch den gesamten
Markt;
- das Kartell wurde in einem System regelmäßiger Sitzungen institutionalisiert, in denen der
Kartonmarkt in der Gemeinschaft im Einzelnen reguliert wurde;
- es wurden aufwendige Schritte unternommen, um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der
Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften oder Dokumente für
den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die
Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, dass
die Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.);
- das Kartell war, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich.'
242 Außerdem geht, wie bereits ausgeführt, aus einer Antwort der Kommission auf eine schriftliche
Frage des Gerichts hervor, dass gegen die als .Anführer' des Kartells angesehenen Unternehmen
Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbußen mit einem
Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der
Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes festgesetzt wurden.
243 Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung des allgemeinen
Niveaus der Geldbußen der Tatsache Rechnung tragen darf, dass offenkundige Zuwiderhandlungen
gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismäßig häufig sind, und dass es
ihr daher freisteht, das Niveau der Geldbußen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu
verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten
von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses
Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich
ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. u. a. Urteil
des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80,
MusiqueDiffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 108, und Urteil
ICI/Kommission, Randnr. 385).
244 Zweitens hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, dass aufgrund der Besonderheiten
des vorliegenden Falles kein direkter Vergleich zwischen dem allgemeinen Niveau der Geldbußen in
der streitigen Entscheidung und dem Niveau nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission -
insbesondere in der Polypropylen-Entscheidung, die die Kommission selbst als die mit dem
vorliegenden Fall am besten vergleichbare Entscheidung ansieht - vorgenommen werden kann. Im
Gegensatz zu dem Fall, der Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung war, wurde hier nämlich bei
der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen kein genereller mildernder Umstand
berücksichtigt. Außerdem zeigen die zur Verschleierung der Absprache getroffenen Maßnahmen, dass
sich die betreffenden Unternehmen der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens voll und ganz bewusst
waren. Die Kommission konnte diese Maßnahmen folglich bei der Beurteilung der Schwere der
Zuwiderhandlung berücksichtigen, da sie einen besonders schwerwiegenden Aspekt der
Zuwiderhandlung darstellten, der diese von den zuvor aufgedeckten Zuwiderhandlungen
unterscheidet.
245 Drittens ist auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages hinzuweisen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere
Entscheidungspraxis der Kommission und insbesondere die Polypropylen-Entscheidung hätte
darstellen müssen. Das Vorbringen der Klägerin, dass die PG Karton rechtmäßige Tätigkeiten
ausgeübt habe, ist unerheblich, da festgestellt wurde, dass die Gremien dieses Berufsverbands -
insbesondere PWG und JMC - einen im Wesentlichen wettbewerbswidrigen Zweck hatten.
246 Aufgrund dieser Gesichtspunkte rechtfertigen die in Randnummer 168 der Entscheidung
wiedergegebenen Kriterien das von der Kommission festgelegte allgemeine Niveau der Geldbußen.
Das Gericht hat zwar bereits festgestellt, dass die Auswirkungen der Preisabsprache, die die
Kommission der Bestimmung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen zugrunde gelegt hat, nur
teilweise bewiesen sind. Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann dieses Ergebnis die
Beurteilung der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung jedoch nicht spürbar beeinflussen.
Insoweit lässt sich schon allein daraus, dass die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen
tatsächlich angekündigt und dass die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der
individuellen tatsächlichen Verkaufspreise gedient haben, ableiten, dass die Preisabsprache eine
schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat. Das Gericht ist daher im
Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, dass die Feststellungen zu den
Auswirkungen der Zuwiderhandlung keine Herabsetzung des von der Kommission festgelegten
allgemeinen Niveaus der Geldbußen rechtfertigen.
247 Der Klagegrund greift daher nicht durch.“
17.
Die Rechtsmittelführerin machte geltend, die Kommission hätte berücksichtigen müssen, dass sie
auf das Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 wahrheitsgemäß und vollständig
geantwortet habe, dass die sofortige Einstellung ihrer Beteiligung an den Sitzungen der PG Karton
und an allen möglicherweise rechtswidrigen Praktiken nach den von der Kommission am 23. April 1991
durchgeführten Nachprüfungen nach der Rechtsprechung und der Praxis der Kommission als
mildernder Umstand anzusehen sei und dass die Kommission bei der Bußgeldbemessung ihre aktive
Kooperation nicht berücksichtigt habe, die zum beschleunigten Abschluss des Verfahrens beigetragen
habe.
18.
Das Gericht vertrat insoweit folgende Auffassung:
„280 Die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße wurde um ein Drittel herabgesetzt, weil sie der
Entscheidung zufolge in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die gegen sie
vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritt.
281 Eine Herabsetzung der Geldbuße wegen einer Kooperation im Verwaltungsverfahren vor der
Kommission ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des Unternehmens es der Kommission
ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (Urteil
ICI/Kommission, Randnr. 393). Folglich kann bei einem Unternehmen, das im Verwaltungsverfahren
ausdrücklich erklärt, dass es die von der Kommission vorgebrachten Tatsachenbehauptungen nicht
bestreite, davon ausgegangen werden, dass es zur Erleichterung der in der Feststellung und
Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden
Aufgabe der Kommission beigetragen hat. Die Kommission ist nämlich berechtigt, ein solches
Verhalten als Eingeständnis der behaupteten Tatsachen und damit als Beweis für die Begründetheit
der fraglichen Behauptungen zu werten.
282 Im vorliegenden Fall enthält das Vorbringen der Klägerin keinen Beleg dafür, dass sie über die
Anerkennung der Tatsachenbehauptungen der Kommission hinaus mit dieser kooperierte.
283 Mit dem ersten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, sie habe auf das
Auskunftsverlangen der Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 wahrheitsgemäß und
vollständig geantwortet. Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt aber eine Mitwirkung an der
Untersuchung, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5
der Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, keine Herabsetzung derGeldbuße (vgl. z. B. Urteil des Gerichts
vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 341
und 342). Im Übrigen hätte die Klägerin, die seit März 1988 an der Zuwiderhandlung teilnahm und
daher die Aufgaben des PWG und des JMC kannte, durchaus - ebenso wie Stora - aktiver als
geschehen mit der Kommission kooperieren können, wodurch eine größere Herabsetzung der
Geldbuße gerechtfertigt gewesen wäre. Folglich muss ihr Vorbringen, dass sie damals nicht die
nötigen Informationen besessen habe, um der Kommission aktiv zu helfen, zurückgewiesen werden.
284 Zum zweiten Teil des Klagegrundes, der sich darauf stützt, dass die Klägerin ihre Beteiligung an
den Sitzungen der PG Karton und an allen möglicherweise rechtswidrigen Praktiken nach den von der
Kommission am 23. April 1991 durchgeführten Nachprüfungen ... sofort eingestellt habe, ist darauf
hinzuweisen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu
ermitteln ist, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden
Fall berücksichtigt werden müssten (siehe oben, Randnr. 183). Auch wenn die Einstellung der
Zuwiderhandlung vor der Übersendung der Beschwerdepunkte somit grundsätzlich als Umstand
angesehen werden kann, der die Schwere der Zuwiderhandlung eines Unternehmens mindert, war die
Kommission unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht zu einer solchen
Bewertung verpflichtet. Da die Klägerin nichts vorgebracht hat, was zum Nachweis dafür dienen
könnte, dass die Kommission im vorliegenden Fall den Ermessensspielraum überschritten hat, über
den sie bei der Auswahl der Gesichtspunkte verfügt, die bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen
berücksichtigt werden, ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.
285 Auch dem dritten Teil des Klagegrundes, der sich darauf stützt, dass die Klägerin aktiv mit der
Kommission kooperiert habe, kann nicht gefolgt werden.
286 Die Klägerin trägt vor, sie habe vollständige Angaben zu ihrer Teilnahme an den Sitzungen der
verschiedenen Gremien der PG Karton gemacht. Sie habe ferner bei der Anhörung vor der Kommission
ausdrücklich erklärt, dass sie die von dieser vorgebrachten Tatsachenbehauptungen in der Substanz
nicht bestreite. Eine derartige Kooperation mit der Kommission rechtfertigte jedoch keine über das
tatsächlich gewährte Drittel hinausgehende Herabsetzung der Geldbuße. Die Stellungnahme von
Herrn Roos, die der Kommission von der Klägerin mit ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte übermittelt wurde, enthält nichts, was spürbar zur Erleichterung der Aufgabe des
Organs beitragen konnte. Insoweit genügt der Hinweis, dass in der Entscheidung nur an einer Stelle -
im Übrigen indirekt - auf die Angaben in dieser Stellungnahme Bezug genommen wird (Randnr. 59
letzter Absatz).
287 Schließlich ist zum Vorbringen der Klägerin, dass sie im Verhältnis zu Stora benachteiligt worden
sei, darauf hinzuweisen, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der ein
allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, nach ständiger Rechtsprechung nur dann
vorliegt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich
behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des
Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr.
28, und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681, Randnr. 25; im
gleichen Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 1994 in der Rechtssache T-100/92, La
Pietra/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-275, Randnr. 50).
288 Stora hat im vorliegenden Fall gegenüber der Kommission Aussagen gemacht, die eine
eingehende Beschreibung von Art und Gegenstand der Zuwiderhandlung, der Funktionsweise der
verschiedenen Gremien der PG Karton und der Beteiligung der einzelnen Hersteller an der
Zuwiderhandlung enthalten. Durch diese Aussagen hat Stora Auskünfte gegeben, die weit über das
hinausgehen, was die Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 verlangen kann. Auch
wenn die Kommission in der Entscheidung erklärt, dass sie Beweise erlangt habe, die die in den
Aussagen von Stora enthaltenen Auskünfte bestätigten (Randnrn. 112 und 113), geht aus ihr klar
hervor, dass die Aussagen von Stora für die Kommission den wichtigsten Beweis für das Vorliegen der
Zuwiderhandlung darstellten. Somit ist davon auszugehen, dass es für die Kommission ohne die
Aussagen von Stora zumindest sehr viel schwieriger gewesen wäre, die den Gegenstand der
Entscheidung bildende Zuwiderhandlung fest- und gegebenenfalls abzustellen. In Anbetracht dessen
kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihre Geldbuße nach dem Grundsatz der
Gleichbehandlung in gleichem Maß wie die von Stora hätte herabgesetzt werden müssen.
289 Da die Klägerin über die Anerkennung der von der Kommission vorgebrachten
Tatsachenbehauptungen hinaus nicht mit dieser kooperierte, wurde sie auch nicht gegenüber den
anderen Unternehmen benachteiligt, deren Geldbuße um ein Drittel herabgesetzt wurde.
290 Nach alledem ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.“
19.
Nachdem das Gericht alle zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der
Geldbuße geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen hatte, vertrat es in Randnummer 305 des
angefochtenen Urteils die Ansicht, hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Geldbuße sei gleichwohl zu
berücksichtigen, dass die Rechtsmittelführerin „nur für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz
1 des Vertrages in der Zeit von März 1988 bis April 1991 zur Verantwortung gezogen werden kann“.
20.
Das Gericht setzte die Geldbuße „in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“ auf
2 500 000 ECU fest (Randnr. 306 des angefochtenen Urteils).
Das Rechtsmittel
21.
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und
infolgedessen die gegen sie festgesetzte Geldbuße für nichtig zu erklären oder zumindest
herabzusetzen.
22.
Zur Stützung ihres Rechtsmittels beruft sich die Rechtsmittelführerin auf zwei Gründe, die sie
daraus ableitet, dass das Gericht den Umfang der Begründungspflicht verkannt und durch eine
unzureichende Herabsetzung der Geldbuße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie gegen
Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) verstoßen
habe.
23.
Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, dadurch einen
Rechtsfehler begangen zu haben, dass es die Entscheidung nicht für unzureichend begründet und
deshalb automatisch für nichtig erklärt habe, obwohl es in Randnummer 188 des angefochtenen
Urteils festgestellt habe, dass die Kommission die bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen
systematisch herangezogenen Faktoren in der Entscheidung nicht angegeben habe.
24.
Solche Angaben müssten nach ständiger Rechtsprechung, auf die das Gericht in Randnummer 192
des angefochtenen Urteils hinweise, in der Entscheidung selbst enthalten sein; nachträgliche
Erläuterungen der Kommission gegenüber der Presse oder im Verfahren vor dem Gericht könnten nur
unter außergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden. Wie das Gericht in Randnummer 192
ausdrücklich festgestellt habe, habe die Kommission in der Verhandlung eingeräumt, dass sie in der
Entscheidung die fraglichen Gesichtspunkte durchaus hätte aufzählen können. Unter diesen
Umständen hätte das Gericht nicht berücksichtigen dürfen, „dass die Kommission bereit war, im
gerichtlichen Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbußen zu geben“
(Randnr. 195 des angefochtenen Urteils).
25.
Hätte die Rechtsmittelführerin die von der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen
verwendete Methode bereits bei Erlass der Entscheidung gekannt, so hätte die Anwendung dieser
Methode auf ihren Fall vor dem Gericht erörtert werden können. Durch das Nachschieben der
Begründung im gerichtlichen Verfahren sei ihr eine Instanz genommen worden, so dass sie die
Berechnung der Höhe der Geldbuße im Rahmen eines Rechtsmittels vor dem Gerichtshof anfechten
müsse.
26.
Schließlich sei dem Gericht vorzuwerfen, dass es die in seinen Urteilen Tréfilunion/Kommission,
Société métallurgique de Normandie/Kommission und Société des treillis et panneaux
soudés/Kommission (im Folgenden: Betonstahlmatten-Urteile),auf die in Randnummer 193 des
angefochtenen Urteils verwiesen werde, vorgenommene Auslegung der Anforderungen von Artikel 190
des Vertrages im Bereich der Festsetzung von Geldbußen zeitlich begrenzt habe, obwohl der
Gerichtshof stets entschieden habe, dass durch seine Auslegung einer Vorschrift des
Gemeinschaftsrechts erläutert und verdeutlicht werde, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite
diese Vorschrift von Anfang an zu verstehen und anzuwenden sei oder gewesen wäre, sofern im
auslegenden Urteil nichts anderes bestimmt werde.
27.
Die Kommission trägt vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 17. Juli 1997
in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnrn. 32 ff., und
Beschluss SPO u. a./Kommission, Randnr. 54) stehe ein Ermessen bei der Ermittlung der Höhe einer
Geldbuße in einem konkreten Fall sowohl der Kommission als auch dem Gericht zu, wenn es die
Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gemäß Artikel 172 des
Vertrages und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 ändere. Dieses Ermessen bedeute, dass eine
Begründung, in der die Berechnungsweise der Geldbuße minutiös angegeben werde, nicht
erforderlich sei.
28.
Das Gericht habe in Randnummer 189 des angefochtenen Urteils die Ansicht vertreten, dass die
Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung „ausreichende und sachgerechte Angaben zu den
Gesichtspunkten enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen
Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden“.
29.
Die Randnummern 191 bis 195 des angefochtenen Urteils seien überflüssig. Überdies habe die
Rechtsmittelführerin die Betonstahlmatten-Urteile falsch verstanden. Das Gericht habe dort, wie im
angefochtenen Urteil, die Begründung der Entscheidung der Kommission für ausreichend erklärt und
zugleich den Wunsch nach größerer Transparenz der angewandten Berechnungsmethode geäußert.
Dabei habe das Gericht die fehlende Transparenz nicht als Begründungsmangel der Entscheidung
eingestuft. Der Standpunkt des Gerichts sei allenfalls in dem Sinne aus dem Grundsatz
ordnungsgemäßer Verwaltung abzuleiten, dass den Adressaten von Entscheidungen nicht zugemutet
werden solle, ein Verfahren vor dem Gericht einzuleiten, um alle Einzelheiten der von der Kommission
angewandten Berechnungsmethode zu erfahren. Solche Erwägungen könnten jedoch für sich
genommen keinen Grund für eine Nichtigerklärung der Entscheidung darstellen.
30.
Zuerst sind die verschiedenen Stufen der Erwägungen darzulegen, mit denen das Gericht auf den
Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht bei der Berechnung der Geldbußen eingegangen
ist.
31.
Das Gericht hat zunächst in Randnummer 182 des angefochtenen Urteils auf die ständige
Rechtsprechung hingewiesen, nach der die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den
Zweck hat, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin
zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die
Entscheidung zutreffendbegründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung
ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts
und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. neben der vom Gericht genannten
Rechtsprechung u. a. Urteil vom 15. April 1997 in der Rechtssache C-22/94, Irish Farmers Association
u. a., Slg. 1997, I-1809, Randnr. 39).
32.
Sodann hat das Gericht in Randnummer 183 des angefochtenen Urteils ausgeführt, wenn es sich
um eine Entscheidung handele, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere Unternehmen wegen
einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbußen festgesetzt
würden, sei bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu
berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen von einer Vielzahl von Gesichtspunkten
abhänge, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die
Abschreckungswirkung der Geldbußen gehörten, ohne dass es eine zwingende oder abschließende
Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss SPO u.
a./Kommission, Randnr. 54).
33.
Insoweit hat das Gericht in Randnummer 189 des angefochtenen Urteils folgende Auffassung
vertreten:
„[D]ie Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung [enthalten] bei einer Auslegung im Licht der in der
Entscheidung zu findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten
Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten ..., die bei der
Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen
Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober
1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264). Die
Entscheidung enthält insoweit eine spezielle Begründung zur Beurteilung der Schwere der von der
Klägerin begangenen Zuwiderhandlung (Randnr. 170 Absatz 3), der sich entnehmen lässt, weshalb sie
weder den .Anführern' des Kartells noch dessen .gewöhnlichen Mitgliedern' gleichgestellt wurde.“
34.
In Randnummer 190 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hinzugefügt: „Ebenso enthält
Randnummer 168 der Entscheidung, die im Licht der allgemeinen Erwägungen über die Geldbußen in
Randnummer 167 zu sehen ist, ausreichende Angaben zu den Gesichtspunkten, die bei der
Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen herangezogen wurden.“
35.
In den Randnummern 191 bis 195 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Tragweite der
Ausführungen in den Randnummern 189 und 190 jedoch in nicht widerspruchsfreier Weise
abgeschwächt.
36.
Den Randnummern 191 und 192 des angefochtenen Urteils zufolge enthält die Entscheidung keine
genauen Angaben zu den Faktoren, die die Kommission bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen
systematisch herangezogen hat, obwohl sie diesehätte offen legen können und den Unternehmen
damit die Beurteilung der Frage erleichtert hätte, ob die Kommission bei der Festlegung der Höhe der
individuellen Geldbuße Fehler begangen hat und ob deren Höhe in Anbetracht der angewandten
allgemeinen Kriterien gerechtfertigt ist. In Randnummer 193 des angefochtenen Urteils hat das
Gericht hinzugefügt, es sei in den Betonstahlmatten-Urteilen als wünschenswert bezeichnet worden,
dass die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße im Einzelnen in
Erfahrung bringen könnten, ohne zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der
Kommission vorgehen zu müssen.
37.
Schließlich ist das Gericht in Randnummer 195 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis
gekommen, dass das „Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen
in der Entscheidung“ aufgrund der besonderen Umstände des Falles - Offenlegung der
Berechnungsfaktoren im gerichtlichen Verfahren und neue Auslegung von Artikel 190 des Vertrages in
den Betonstahlmatten-Urteilen - nicht zu beanstanden sei.
38.
Bevor auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin hin die Stichhaltigkeit der Erwägungen geprüft
wird, die das Gericht zu der Frage angestellt hat, welche Konsequenzen sich für die Einhaltung der
Begründungspflicht aus der Offenlegung der Berechnungsfaktoren im gerichtlichen Verfahren und der
Neuartigkeit der Betonstahlmatten-Urteile ergeben könnten, ist zu klären, ob die Kommission zur
Erfüllung der in Artikel 190 des Vertrages aufgestellten Begründungspflicht außer den
Gesichtspunkten, die ihr die Ermittlung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermöglichten,
eingehendere Angaben zum Berechnungsmodus der Geldbußen in die Entscheidung hätte aufnehmen
müssen.
39.
In Verfahren über Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, mit denen gegen Unternehmen
wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln Geldbußen festgesetzt werden, verfügt das Gericht über
zweierlei Befugnisse.
40.
Zum einen hat es gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) ihre
Rechtmäßigkeit zu prüfen. In diesem Rahmen muss es u. a. die Einhaltung der in Artikel 190 des
Vertrages aufgestellten Begründungspflicht überwachen, bei deren Verletzung die Entscheidung für
nichtig erklärt werden kann.
41.
Zum anderen hat es im Rahmen der ihm durch Artikel 172 des Vertrages und Artikel 17 der
Verordnung Nr. 17 eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen, ob die Höhe
der Geldbußen angemessen ist. Diese Beurteilung kann die Vorlage und Heranziehung zusätzlicher
Informationen erfordern, die an sich nicht in der Entscheidung erwähnt zu werden brauchen, damit
diese dem Begründungserfordernis gemäß Artikel 190 des Vertrages genügt.
42.
Bei der Prüfung, ob die Begründungspflicht eingehalten wurde, ist zu beachten, dass es in Artikel
15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt: „Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße
ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“
43.
Unter diesen Umständen sind im Hinblick auf die in den Randnummern 182 und 183 des
angefochtenen Urteils erwähnte Rechtsprechung die Anforderungen an das wesentliche
Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in
ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und
Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln. Fehlen diese Gesichtspunkte, so ist die Entscheidung wegen
unzureichender Begründung für nichtig zu erklären.
44.
Das Gericht hat in den Randnummern 189 und 190 des angefochtenen Urteils zu Recht
entschieden, dass die Kommission diesen Anforderungen genügt hat. Wie das Gericht feststellt,
werden in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung die Kriterien aufgeführt, die die
Kommission bei der Berechnung der Geldbußen herangezogen hat. So betrifft Randnummer 167 u. a.
die Dauer der Zuwiderhandlung; sie enthält ferner, ebenso wie Randnummer 168, die Erwägungen,
auf die sich die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Höhe der
Geldbußen gestützt hat; in Randnummer 169 sind die Umstände genannt, die die Kommission bei der
Festsetzung der Geldbußen gegen die einzelnen Unternehmen berücksichtigt hat; in Randnummer
170 werden die als „Anführer“ des Kartells eingestuften Unternehmen genannt, die im Vergleich zu
den anderen Unternehmen eine besondere Verantwortung trugen; schließlich werden in den
Randnummern 171 und 172 die Konsequenzen für die Höhe der Geldbußen gezogen, die sich daraus
ergeben, dass verschiedene Hersteller bei den Nachprüfungen zur Ermittlung des Sachverhalts oder
in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mit der Kommission zusammenarbeiteten.
45.
Die Tatsache, dass später - bei einer Pressekonferenz oder im Lauf des gerichtlichen Verfahrens -
genauere Informationen wie die Umsätze der Unternehmen oder der Umfang der Herabsetzung der
Geldbußen durch die Kommission bekannt gegeben wurden, kann die Feststellungen in den
Randnummern 189 und 190 des angefochtenen Urteils nicht in Frage stellen. Nähere Angaben des
Autors einer angefochtenen Entscheidung, die eine für sich bereits ausreichende Begründung
ergänzen, fallen nicht unter die eigentliche Begründungspflicht, auch wenn sie für die innere Kontrolle
der Entscheidungsgründe durch den Gemeinschaftsrichter nützlich sein können, da das Organ so die
seiner Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen erläutern kann.
46.
Die Kommission darf zwar nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf
mathematische Formeln auf ihr Ermessen verzichten. Es steht ihr jedoch frei, ihre Entscheidung mit
einer Begründung zu versehen, die über die in Randnummer 43 des vorliegenden Urteils genannten
Anforderungen hinausgeht und u. a. Zahlenangaben enthält, von denen sie sich vor allem hinsichtlich
der angestrebten Abschreckungswirkung leiten ließ, als sie bei der Festsetzung von Geldbußen gegen
mehrere Unternehmen, die in unterschiedlich starkem Maß an der Zuwiderhandlung teilgenommen
hatten, ihr Ermessen ausübte.
47.
Es kann wünschenswert sein, dass die Kommission von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, um den
Unternehmen nähere Angaben zur Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße zu
verschaffen. Darüber hinaus kann dies zur Transparenz des Verwaltungshandelns beitragen und dem
Gericht die Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung erleichtern, in deren Rahmen
es außer der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auch die Angemessenheit der
festgesetzten Geldbuße zu beurteilen hat. Diese Befugnis ändert jedoch, wie die Kommission
ausgeführt hat, nichts am Umfang der Begründungspflicht.
48.
Folglich hat das Gericht die Tragweite von Artikel 190 des Vertrages verkannt, als es in
Randnummer 194 des angefochtenen Urteils die Ansicht vertrat, dass „die Kommission, wenn sie ...
systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen heranzieht,
diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben [muss]“. Ferner hat es sich in den Gründen des
angefochtenen Urteils dadurch widersprochen, dass es im Anschluss an die Feststellung in
Randnummer 189, dass die Entscheidung „ausreichende und sachgerechte Angaben zu den
Gesichtspunkten [enthält], die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen
Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden“, in Randnummer 195 vom
„Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen in der Entscheidung“
sprach.
49.
Der somit vom Gericht begangene Rechtsfehler kann jedoch nicht zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils führen, denn nach den vorstehenden Erwägungen hat das Gericht den
Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht bei der Berechnung der Geldbußen ungeachtet
der Randnummern 191 bis 195 des angefochtenen Urteils zu Recht zurückgewiesen.
50.
Da aus der Begründungspflicht nicht folgt, dass die Kommission in ihrer Entscheidung
Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen machen musste, brauchen die verschiedenen
Rügen der Rechtsmittelführerin, die auf dieser falschen Prämisse beruhen, nicht geprüft zu werden.
51.
Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
52.
Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, bei der
Festsetzung ihrer Geldbuße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie gegen Artikel 15
Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 172 des Vertrages verstoßen zu haben.
53.
Der zweite Rechtsmittelgrund besteht aus vier Teilen.
54.
Mit den ersten beiden Teilen, die zusammen zu prüfen sind, rügt die Rechtsmittelführerin, dass das
Gericht folgende Berechnungsmethode der Kommission nicht angewandt habe, obwohl es sie für
rechtens erklärt habe:
relevanter Umsatz x Prozentsatz für die Schwere der Zuwiderhandlung x Prozentsatz für die Dauer (im
vorliegenden Fall maximal 60 Monate) = Summe (Grundbetrag);
Grundbetrag . Kooperationsminderung = Geldbuße.
55.
Unter diesen Umständen sei die Rechtsmittelführerin gegenüber den Unternehmen benachteiligt
worden, bei denen bereits die Kommission eine kürzere Beteiligung an der Zuwiderhandlung
anerkannt und entsprechend ihrer Formel eine geringere Geldbuße verhängt habe. Dies sei in den
Rechtssachen Buchmann/Kommission (Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-295/94, Slg.
1998, II-813), Gruber + Weber/Kommission (Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-310/94, Slg.
1998, II-1043) und Enso Española/Kommission (Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-348/94,
Slg. 1998, II-1875) geschehen.
56.
Sie sei auch dadurch benachteiligt worden, dass das Gericht bei anderen Unternehmen zur
Herabsetzung der Geldbußen ebenfalls die Berechnungsmethode der Kommission angewandt habe.
Dies ergebe sich aus den Urteilen Enso Española/Kommission und Gruber + Weber/Kommission sowie
den Urteilen vom 14. Mai 1998 in den Rechtssachen T-311/94 (BPB de Eendracht/Kommission, Slg.
1998, II-1129) und T-347/94 (Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751). Aus diesen Urteilen gehe
zwar nicht hervor, wie das Gericht die Herabsetzung der Geldbußen errechnet habe, aber die
Anwendung der Methode der Kommission hätte unter Berücksichtigung der vom Gericht
herangezogenen Beurteilungskriterien (Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung, relevanter
Umsatz, Prozentsatz der Schwere) praktisch zum gleichen Ergebnis geführt. Dies bedeute, dass sich
das Gericht in diesen Rechtssachen von der Vorgehensweise der Kommission bei der Festsetzung der
Geldbußen habe leiten lassen.
57.
Im vorliegenden Fall habe das Gericht im Anschluss an die Feststellung, dass die
Rechtsmittelführerin an der Zuwiderhandlung (deren Gesamtdauer 60 Monate betragen habe)
während der ersten 22 Monate nicht beteiligt gewesen sei, die Geldbuße auf 2 500 000 ECU
festgesetzt, obwohl es bei Anwendung der Formel der Kommission die neu festzusetzende Geldbuße
wie folgt hätte berechnen müssen:
56 500 000 ECU x 0,08 x 38/60 = 2 863 000 ECU (Grundbetrag)
2 863 000 ECU . 954 000 ECU = 1 909 000 ECU (Betrag der Geldbuße).
58.
Die Kommission ist der Ansicht, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei der Antrag auf
Überprüfung der vom Gericht neu festgesetzten Geldbuße unzulässig, da die Ausübung der Befugnis
zu unbeschränkter Nachprüfung eine umfassende Bewertung aller Sachverhaltsumstände
voraussetze, so dass sie im Rechtsmittelverfahren nicht möglich sei (vgl. Urteil Ferriere
Nord/Kommission, Randnr. 31, und Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P, BPB
Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865, Randnr. 34).
59.
In der Sache gehe zur angeblichen Nichtanwendung der Berechnungsmethode der Kommission
durch das Gericht aus Randnummer 306 des angefochtenen Urteils hervor,dass das Gericht die
Geldbuße der Rechtsmittelführerin in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, d. h.
im Rahmen seines Ermessensspielraums, festgesetzt habe.
60.
Mit Ausnahme der Rechtssache Enso Española/Kommission beträfen die von der
Rechtsmittelführerin erwähnten Rechtssachen nicht die Dauer der Zuwiderhandlung, sondern den von
der Kommission zugrunde gelegten Umsatz (Rechtssachen Gruber + Weber/Kommission und Mayr-
Melnhof/Kommission) oder eine Kombination von minderer Schwere der Beteiligung an der
Zuwiderhandlung und kürzerer Dauer der Zuwiderhandlung (Rechtssache BPB de
Eendracht/Kommission).
61.
In der letztgenannten Rechtssache hätte eine rein arithmetische Verringerung der Geldbuße nach
Maßgabe der Dauer der Teilnahme zu einer Herabsetzung der Geldbuße auf 729 167 ECU geführt. Das
Gericht habe aber, gerade auch in Anbetracht der geringeren sachlichen Beteiligung des
Unternehmens an der Zuwiderhandlung, eine Geldbuße von 750 000 ECU festgesetzt. Ebenso habe
das Gericht in der Rechtssache Enso Española/Kommission die Geldbuße von 1 750 000 ECU auf 1
200 000 ECU reduziert. Eine zur Dauer der Zuwiderhandlung proportionale Verringerung hätte zu einer
Geldbuße von 1 181 250 ECU geführt. Entgegen der Annahme der Rechtsmittelführerin habe das
Gericht nicht bloß eine mathematische Formel herangezogen, sondern die Geldbuße unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter
Nachprüfung festgesetzt, wie aus Randnummer 306 des angefochtenen Urteils hervorgehe.
62.
Das Gericht verfügt über eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, wenn es über die Höhe von
Geldbußen entscheidet, die gegen Unternehmen wegen ihres Verstoßes gegen das
Gemeinschaftsrecht festgesetzt wurden, und es ist nicht Sache des Gerichtshofes, bei der
Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts aus
Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (Urteil Ferriere Nord/Kommission,
Randnr. 31).
63.
Die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung darf jedoch nicht dazu führen, dass
Unternehmen, die an einer gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßenden Vereinbarung oder
abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Ermittlung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich
behandelt werden.
64.
Die aus einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot abgeleitete Rüge der Rechtsmittelführerin
beruht auf der Prämisse, dass das Gericht in den Urteilen Buchmann/Kommission, Enso
Española/Kommission, Gruber + Weber/Kommission, BPB de Eendracht/Kommission und Mayr-
Melnhof/Kommission anders als in ihrem Fall die Berechnungsmethode der Kommission anwenden
wollte.
65.
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in den genannten Urteilen ist diese Prämisse als zutreffend
anzusehen. In diesen Urteilen kommt zwar keineswegs die Absicht des Gerichts zum Ausdruck,
tatsächlich die Berechnungsmethode der Kommission anzuwenden, das Gericht hat aber die
Richtigkeit dieser Methode nicht ausdrücklichin Frage gestellt; zudem entspricht die Geldbuße, die das
Gericht in diesen Urteilen festsetzte, alles in allem dem Betrag, der sich bei Anwendung der Methode
auf die neuen zahlenmäßigen Beurteilungen insbesondere des Umsatzes und der Schwere oder der
Dauer der Zuwiderhandlung durch das Gericht ergeben hätte.
66.
So hat das Gericht in der Rechtssache Enso Española/Kommission - die, wie die Kommission
ausgeführt hat, der vorliegenden Rechtssache insofern am meisten ähnelt, als das Gericht dort
ebenfalls die bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigende Dauer der Zuwiderhandlung
verringert hat, aber keinem anderen Argument der Klägerin gefolgt ist, das eine Herabsetzung der
Geldbuße gerechtfertigt hätte - die Geldbuße auf 1 200 000 ECU festgesetzt; dies entspricht in etwa
dem Betrag, zu dem es bei Anwendung der Berechnungsmethode der Kommission gekommen wäre (1
150 000 ECU).
67.
Wie der Generalanwalt in Nummer 42 seiner Schlussanträge feststellt, weicht die Höhe der
Geldbuße der Rechtsmittelführerin aber eindeutig von dieser allgemeinen Vorgehensweise ab, ohne
dass das Gericht dafür eine sachliche Rechtfertigung geliefert hätte. Denn während die Anwendung
der Methode zu einem Betrag von 1 900 000 ECU geführt hätte, hat das Gericht eine weit höhere
Geldbuße von 2 500 000 ECU festgesetzt, so dass die Rechtsmittelführerin in der Annahme, dass das
angefochtene Urteil zweifellos mit einem Schreib- oder Rechenfehler behaftet sei, beim Gericht einen
Antrag auf Berichtigung des Urteils stellte, der mit Beschluss vom 16. September 1998
zurückgewiesen wurde. In diesem Beschluss stellte der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des
Gerichts ungeachtet des vorgenannten Sachverhalts fest, dass das angefochtene Urteil „hinsichtlich
der ... Höhe der Geldbuße weder einen Schreib- oder Rechenfehler noch eine offenbare Unrichtigkeit“
enthalte.
68.
Es ist folglich als erwiesen anzusehen, dass das Gericht in Randnummer 306 des angefochtenen
Urteils gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hat, so dass den ersten beiden Teilen
des zweiten Rechtsmittelgrundes zu folgen ist.
69.
Mit dem dritten Teil rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht im Anschluss an die
Feststellung, dass die Kommission nicht alle von ihr behaupteten wirtschaftlichen Auswirkungen der
Zuwiderhandlung auf den Markt nachgewiesen habe, die von der Kommission festgesetzte Geldbuße
nicht herabgesetzt habe.
70.
Die Kommission trägt vor, das Gericht könne sich bei der Ausübung seiner Befugnis zu
unbeschränkter Nachprüfung eine eigene Meinung über die angemessene Höhe der Geldbuße bilden.
Wie das Gericht in Randnummer 246 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, lasse sich schon
daraus, dass die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und dass
die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen tatsächlichen
Verkaufspreise gedient hätten, ableiten, dass die Preisabsprache eine schwere
Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt habe. Die Nichtberücksichtigung
mildernder Umstände im vorliegenden Fall habe das Gericht in Randnummer 244 desangefochtenen
Urteils mit den zur Verschleierung der Absprache getroffenen Maßnahmen und in Randnummer 245
mit der langen Dauer und der Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gerechtfertigt, die trotz der
Warnung begangen worden sei, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission hätte darstellen
müssen.
71.
Das Gericht habe somit im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Schluss
kommen dürfen, dass die Feststellungen zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung keine
Herabsetzung des von der Kommission festgelegten allgemeinen Niveaus der Geldbußen
rechtfertigten.
72.
Das Gericht hat in Randnummer 241 des angefochtenen Urteils speziell die Erwägungen aufgezählt,
die in der Entscheidung zur Schwere der Zuwiderhandlung angestellt werden, und diese anschließend
überprüft.
73.
Es hat der Kommission das Recht zuerkannt, das allgemeine Niveau der Geldbußen gegenüber der
früheren Entscheidungspraxis anzuheben, um ihre abschreckende Wirkung zu verstärken (Randnr.
243 des angefochtenen Urteils) und um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die betreffenden
Unternehmen Maßnahmen zur Verschleierung der Absprache getroffen hätten; dies stelle „einen
besonders schwerwiegenden Aspekt der Zuwiderhandlung [dar], der diese von den zuvor
aufgedeckten Zuwiderhandlungen unterscheidet“ (Randnr. 244 des angefochtenen Urteils). Das
Gericht hat ferner auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages hingewiesen (Randnr. 245 des angefochtenen Urteils).
74.
In Randnummer 246 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen,
angesichts der vorstehenden Erwägungen könne die Tatsache, dass die Kommission die
Auswirkungen der Preisabsprache nur teilweise bewiesen habe, „die Beurteilung der Schwere der
festgestellten Zuwiderhandlung ... nicht spürbar beeinflussen“. Dazu hat es ausgeführt: „Insoweit
lässt sich schon allein daraus, dass die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich
angekündigt und dass die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen
tatsächlichen Verkaufspreise gedient haben, ableiten, dass die Preisabsprache eine schwere
Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat.“
75.
Daraus ergibt sich, dass das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung
die Ansicht vertreten hat, dass seine Feststellungen zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung
nichts an der Beurteilung von deren Schwere durch die Kommission ändern, also die Schwere der
festgestellten Zuwiderhandlung nicht verringern könnten. Angesichts der besonderen Umstände des
vorliegenden Falles und des Kontexts der Zuwiderhandlung, die in der Entscheidung berücksichtigt
und in den Randnummern 69 und 70 des vorliegenden Urteils dargestellt wurden, sowie der
Abschreckungswirkung der verhängten Geldbußen - sämtlich Gesichtspunkte, die nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofes in die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung einfließen
können (vgl. Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 106, Beschluss SPO u.
a./Kommission, Randnr. 54, undUrteil Ferriere Nord/Kommission, Randnr. 33) - hat das Gericht keinen
Anlass gesehen, die Geldbuße herabzusetzen.
76.
Folglich ist der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
77.
Mit dem vierten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht bei
der Überprüfung der Höhe der Geldbuße ihrer Kooperation im Vergleich zum Verhalten anderer am
Kartell beteiligter Unternehmen nicht gebührend Rechnung getragen habe.
78.
Sie habe der Kommission nämlich mit Schreiben vom 23. März 1993 ausdrücklich ihre Kooperation
angeboten; sie habe nicht nur das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingeräumt, sondern bei der
Anhörung vor der Kommission auch angegeben, dass es sich dabei um abgestimmte
Preiserhöhungsinitiativen gehandelt habe. Sie habe als einziges Unternehmen bei dieser Anhörung
ausdrücklich einen Verstoß zugegeben.
79.
Wie schon die Kommission zu Recht ausgeführt hat, hat das Gericht in den Randnummern 280 bis
289 des angefochtenen Urteils im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen der Rüge einer
unzureichenden Berücksichtigung der Kooperation der Rechtsmittelführerin im Verfahren nicht gefolgt
werden könne. Zu dieser Schlussfolgerung ist das Gericht nach einer Würdigung des Sachverhalts
gelangt, die vor dem Gerichtshof nicht angegriffen werden kann (vgl. Urteil vom 16. September 1997
in der Rechtssache C-362/95 P, Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission, Slg. 1997, I-4775, Randnr.
42).
80.
Der vierte Teil des Rechtsmittelgrundes ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
81.
Nach alledem ist dem Rechtsmittel in Bezug auf Randnummer 306 und Punkt 3 des Tenors des
angefochtenen Urteils stattzugeben.
82.
Nach Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes hebt der Gerichtshof die Entscheidung
des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst
endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das
Gericht zurückverweisen. Da die Rechtssache zur Entscheidung reif ist, ist über die Höhe der gegen
die Rechtsmittelführerin festzusetzenden Geldbuße endgültig zu entscheiden.
Zur Nichtigkeitsklage
83.
Angesichts der Randnummern 174 bis 305 des angefochtenen Urteils und insbesondere der
Tatsache, dass die Rechtsmittelführerin nur für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des
Vertrages in der Zeit von März 1988 bis April 1991 zur Verantwortung gezogen werden kann, ist die
Geldbuße der Rechtsmittelführerin auf 1 900 000 EUR festzusetzen.
Kosten
84.
Nach Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten,
wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach
Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren
anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
85.
Da die Rechtsmittelführerin mit den meisten ihrer Rechtsmittelgründe unterlegen ist, hat sie ihre
eigenen Kosten sowie zwei Drittel der Kosten zu tragen, die der Kommission im Rechtsmittelverfahren
entstanden sind.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Punkt 3 des Tenors des Urteils des Gerichts erster Instanz vom 14. Mai 1998 in der
Rechtssache T-317/94 (Weig/Kommission) wird aufgehoben.
2. Die Höhe der in Artikel 3 der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994
in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) gegen die Moritz J.
Weig GmbH & Co. KG verhängten Geldbuße wird auf 1 900 000 EUR festgesetzt.
3. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.
4. Die Moritz J. Weig GmbH & Co. KG trägt ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der
Kosten, die der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Rechtsmittelverfahren
entstanden sind.
5. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ein Drittel der Kosten, die ihr
im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.
La Pergola
Wathelet
Edward
Jann
Sevón
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. November 2000.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
A. La Pergola
Verfahrenssprache: Deutsch.