Urteil des EuGH vom 14.10.1999

EuGH: verordnung, kommission, anspruch auf rechtliches gehör, auswärtige angelegenheiten, rechtsmittelgrund, klagegrund, wohlerworbenes recht, rat der europäischen union, akp, klage auf verurteilung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
14. Oktober 1999
„Rechtsmittel — Schadensersatzklage — Gemeinsame Marktorganisation — Bananen — Einfuhrregelung“
In der Rechtssache C-104/97 P
Atlanta AG
E. A. Undritz und G. Schohe, Hamburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts M. Baden, 34 B, rue
Philippe II, Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
(Vierte erweiterte Kammer) vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-521/93 (Atlanta u. a./Europäische
Gemeinschaft, Slg. 1996, II-1707) wegen Aufhebung dieses Urteils,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Gemeinschaft ,
Rat der Europäischen Union,
Zustellungsbevollmächtigter: A. Morbilli, Generaldirektor
der Direktion für Rechtsfragen der Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer,
Luxemburg,
und
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte im Verfahren erster Instanz,
Atlanta Handelsgesellschaft Harder & Co. GmbH
Afrikanische Frucht-Compagnie GmbH
Cobana Bananeneinkaufsgesellschaft mbH & Co. KG
Edeka Fruchtkontor GmbH
Internationale Fruchtimport Gesellschaft Weichert & Co.
Pacific Fruchtimport GmbH
Klägerinnen im Verfahren erster Instanz,
Französische Republik
Wirtschaftsrecht und Gemeinschaftsrecht in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige
Angelegenheiten, und G. Mignot, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,
und
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland,
Streithelfer im Verfahren erster Instanz,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Sechsten Kammer J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter) in
Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter L. Sevón, C. Gulmann, J.-
P. Puissochet und M. Wathelet,
Generalanwalt: J. Mischo
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 25. März 1999, in der die Atlanta AG durch Rechtsanwalt G.
Schohe, der Rat durch J. Huber, die Kommission durch K.-D. Borchardt und die Französische Republik durch
Chr. Vasak, stellvertretende Sekretärin für Auswärtige Angelegenheiten in der Direktion für Rechtsfragen
des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, vertreten waren,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Mai 1999,
folgendes
Urteil
1.
Die Atlanta AG (im folgenden: Rechtsmittelführerin) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 10. März
1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des
Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 11. Dezember 1996 in
der Rechtssache T-521/93 (Atlanta u. a./Europäische Gemeinschaft, Slg. 1996, II-1707; im folgenden:
angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Verurteilung der Europäischen
Gemeinschaft, vertreten durch den Rat und die Kommission, zum Ersatz des durch den Erlaß der
Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame
Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) verursachten Schadens abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
2.
Zum rechtlichen Rahmen hat das Gericht ausgeführt:
„1 Vor der Einführung einer gemeinsamen Marktorganisation für Bananen wurde die Nachfrage nach
Bananen in den Mitgliedstaaten aus drei
Versorgungsquellen gedeckt: zu etwa 20 % durch in der Gemeinschaft (insbesondere auf den
Kanarischen Inseln und in den französischen überseeischen Departements) erzeugte Bananen (im
folgenden: Gemeinschaftsbananen), zu etwa 20 % durch in einigen der Staaten, mit denen die
Gemeinschaft das Abkommen von Lomé geschlossen hat (insbesondere bestimmte afrikanische
Staaten sowie bestimmte Inseln in der Karibischen See), erzeugte Bananen (im folgenden: AKP-
Bananen), und zu etwa 60 % durch in anderen Staaten (hauptsächlich in bestimmten Ländern Zentral-
und Südamerikas) erzeugte Bananen (im folgenden: Drittlandsbananen).
2 Aufgrund des Protokolls zu dem in Artikel 136 EG-Vertrag vorgesehenen Durchführungsabkommen
über die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete mit der Gemeinschaft (im
folgenden: Bananenprotokoll) galt für Deutschland eine Sonderregelung, wonach dieses Land ein
Jahreskontingent Bananen zollfrei einführen konnte, das nach der 1956 eingeführten Bezugsmenge
berechnet wurde. Dieses Grundkontingent sollte entsprechend der fortschreitenden Verwirklichung
des Gemeinsamen Marktes schrittweise verringert werden.
3 Durch die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 (ABl. L 47, S. 1), zuletzt
geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über
erforderliche Anpassungen und Übergangsmaßnahmen im Agrarsektor zur Anwendung der im Rahmen
der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte (ABl. L
349, S. 105), wurde eine gemeinsame Marktorganisation für Bananen eingeführt. Gegenstand der
vorliegenden Rechtssache ist die Fassung vom 13. Februar 1993.
4 Nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 404/93 .soll es [im Rahmen der
gemeinsamen Marktorganisation] unter Einhaltung der Gemeinschaftspräferenz und der
verschiedenen internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft möglich sein, Bananen aus der
Gemeinschaft und aus den AKP-Staaten, den traditionellen Bananenlieferanten der Gemeinschaft, zu
Preisen auf dem Gemeinschaftsmarkt abzusetzen, die sowohl den Erzeugern angemessene Erlöse
gewährleisten als auch für die Verbraucher angemessen sind, ohne jedoch die Einfuhren von
Bananen aus den anderen Bananen erzeugenden Drittländern zu behindern'.
5 Die in Titel IV enthaltene Regelung für den Handel mit dritten Ländern sieht vor, daß die
traditionellen Einfuhren von AKP-Bananen weiterhin zollfrei in die Gemeinschaft erfolgen können. Ein
Anhang legt die Menge
dieser Einfuhren auf 857 700 Tonnen fest und teilt sie zwischen den AKP-Staaten, den traditionellen
Ausfuhrländern, auf.
6 Artikel 18 der Verordnung Nr. 404/93 bestimmt:
.(1) Jährlich wird ein Zollkontingent in Höhe von 2 Millionen Tonnen Eigengewicht für Einfuhren von
Drittlandsbananen und nicht herkömmliche Einfuhren von AKP-Bananen eröffnet.
Im Rahmen dieses Zollkontingents wird auf Einfuhren von Drittlandsbananen eine Abgabe von 100
ECU/Tonne erhoben; nicht herkömmliche Einfuhren von AKP-Bananen unterliegen einem Zollsatz von
Null.
...
(2) Außerhalb des Kontingents gemäß Absatz 1
— unterliegen die nicht herkömmlichen Einfuhren von AKP-Bananen einer Abgabe von 750 ECU/[t];
— unterliegen die Einfuhren von Drittlandsbananen einer Abgabe von 850 ECU/[t].
...'
7 Artikel 19 Absatz 1 sieht vor:
.Das Zollkontingent wird ab 1. Juli 1993 anteilig wie folgt eröffnet:
a) 66,5 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Drittlandsbananen und/oder
nichttraditionelle AKP-Bananen vermarktet haben;
b) 30 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen und/oder traditionelle
AKP-Bananen vermarktet haben;
c) 3,5 v. H. für in der Gemeinschaft niedergelassene Marktbeteiligte, die ab 1992 mit der
Vermarktung von anderen als Gemeinschafts- und/oder traditionellen AKP-Bananen beginnen.
...'
8 Gemäß Artikel 16 wird jährlich eine Bedarfsvorausschätzung über die Erzeugung und den
Verbrauch in der Gemeinschaft sowie die
voraussichtlichen Einfuhren und Ausfuhren erstellt; diese Bedarfsvorausschätzung kann
erforderlichenfalls im Verlauf des Wirtschaftsjahres revidiert werden.
9 Artikel 18 Absatz 1 Unterabsatz 4 sieht die Möglichkeit einer Erhöhung des jährlichen Kontingents
anhand der in Artikel 16 genannten Bedarfsvorausschätzung vor.
10 Artikel 20 ermächtigt die Kommission, die Bedingungen für die Übertragbarkeit der
Einfuhrbescheinigungen festzulegen.
11 Durch Artikel 21 Absatz 2 wird das im Bananenprotokoll genannte Zollkontingent aufgehoben.“
Lage der Klägerinnen im Verfahren erster Instanz
3.
Zur Lage der Klägerinnen im Verfahren erster Instanz hat das Gericht festgestellt:
„12 Die Klägerinnen sind Marktbeteiligte, deren Tätigkeit in der Einfuhr von Drittlandsbananen in die
Gemeinschaft besteht. Die beiden an erster und an zweiter Stelle genannten Klägerinnen gehören zur
Atlanta-Gruppe: Die erstgenannte ist eine Zwischen-Holdinggesellschaft, die zweitgenannte deren
Tochtergesellschaft. Die erstgenannte Klägerin, auf die allein sich die vorliegende
Schadensersatzklage bezieht (vgl. Randnrn. 16 und 28 dieses Urteils), macht geltend, daß eine
andere ihrer Tochtergesellschaften, die Atlanta Handels- und Schiffahrts-Gesellschaft mbH, die mit der
Abwicklung von Kühlschifftransporten beauftragt sei, durch das Inkrafttreten der Verordnung Nr.
404/93 einen Schaden erlitten habe. Die Atlanta Handels- und Schiffahrts-Gesellschaft mbH hatte drei
Schiffe gechartert, die sie anschließend einer amerikanischen Gesellschaft zur Verfügung stellte.
Diese Gesellschaft kündigte den Vertrag vor dem vorgesehenen Ende seiner Laufzeit, weil die Schiffe
wegen der sich aus der Verordnung Nr. 404/93 ergebenden Beschränkungen der Bananeneinfuhr
nicht mehr gebraucht würden. Die Atlanta Handels- und Schiffahrts-Gesellschaft mbH, die das
vereinbarte Entgelt an den Schiffsvermieter weiterzahlen muß, hat ihre Schadensersatzansprüche
gegen die Gemeinschaft an ihre Muttergesellschaft, die erstgenannte Klägerin, abgetreten.“
Verfahren vor Einlegung des Rechtsmittels
4.
Zum Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil
folgendes:
„13 Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 14. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, Klage erhoben gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 173 Absatz 4
EG-Vertrag; im
folgenden: Vertrag) auf teilweise Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 404/93 und gemäß den Artikeln
178 und 215 Absatz 2 des Vertrages auf Verurteilung der Europäischen Gemeinschaft zum Ersatz des
der erstgenannten Klägerin oder gegebenenfalls der Atlanta Handels- und Schiffahrts-Gesellschaft
mbH entstandenen Schadens. Gegenstand des vorliegenden Urteils ist der zweite Teil dieser Klage,
die zunächst unter der Nummer C-286/93, sodann unter der Nummer T-521/93 (vgl. Randnr. 21 dieses
Urteils) in das Register eingetragen worden ist.
14 Mit Klageschrift, die am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die
Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 173 Absatz 1 des Vertrages die Nichtigerklärung von Titel
IV und Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung Nr. 404/93 beantragt (Rechtssache C-280/93).
15 Die Klägerinnen haben außerdem am 4. Juni 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes gemäß den
Artikeln 185 und 186 des Vertrages einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs von Titel IV der
Verordnung Nr. 404/93, insbesondere ihrer Artikel 17 bis 20, und auf Erlaß jeder anderen dem
Präsidenten des Gerichtshofes oder dem Gerichtshof angemessen erscheinenden einstweiligen
Anordnung eingereicht (Rechtssache C-286/93 R).
16 Der Gerichtshof hat mit Beschluß vom 21. Juni 1993 die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit
sie auf Nichtigerklärung bestimmter Vorschriften der Verordnung Nr. 404/93 gerichtet war, jedoch
festgestellt, daß sie anhängig bleibt, soweit sie auf die Verurteilung der Europäischen Gemeinschaft
zum Ersatz des durch den Erlaß dieser Verordnung entstandenen Schadens gerichtet ist. Die
Kostenentscheidung blieb vorbehalten (Rechtssache C-286/93, jetzt Rechtssache T-521/93, die
vorliegende Klage).
17 Mit Schriftsätzen, die am 28. Juni 1993 und 12. Juli 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen sind, haben das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die
Französische Republik beantragt, in dieser Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge
der Beklagten zugelassen zu werden.
18 Der Gerichtshof hat mit Beschluß vom 6. Juli 1993 den Antrag der Klägerinnen auf
Gewährungvorläufigen Rechtsschutzes als unzulässig zurückgewiesen und die Kostenentscheidung
vorbehalten (Rechtssache C-286/93 R).
19 Mit Schriftsätzen, die zwischen dem 29. Juni 1993 und dem 12. Juli 1993 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen sind, haben die Republik Côte d'Ivoire, die Gesellschaft Terres Rouges
Consultant, die Gesellschaft España
et fils und die Gesellschaft Cobana Import beantragt, in dieser Rechtssache als Streithelferinnen zur
Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden.
20 Der Gerichtshof hat mit Entscheidung vom 15. Juli 1993 das Verfahren über die vorliegende
Rechtssache gemäß Artikel 82a Absatz 1 Buchstabe b seiner Verfahrensordnung bis zum Abschluß
des Verfahrens in der Rechtssache C-280/93 ausgesetzt.
21 Nachdem der Beschluß 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung
des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der
Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) am 1. August 1993 in Kraft getreten ist, ist die
vorliegende Rechtssache mit Beschluß des Gerichtshofes vom 27. September 1993 an das Gericht
verwiesen worden.
22 Der Gerichtshof hat am 5. Oktober 1994 die von der Bundesrepublik Deutschland eingereichte
Nichtigkeitsklage abgewiesen (Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973). Im
Anschluß an dieses Urteil ist die Aussetzung aufgehoben und das schriftliche Verfahren in der
vorliegenden Rechtssache wieder eröffnet worden.
23 Mit Beschlüssen des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts vom 9. März
1995 sind die Französische Republik und das Vereinigte Königreich als Streithelfer zur Unterstützung
der Anträge der Beklagten zugelassen worden.
24 Mit Beschluß vom 14. Juli 1995 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts
die Streithilfeanträge der Republik Côte d'Ivoire, der Gesellschaft Terres Rouges Consultant, der
Gesellschaft España et fils und der Gesellschaft Cobana Import zurückgewiesen und die
Antragstellerinnen verurteilt, die durch ihre Streithilfeanträge bedingten Kosten zu tragen.
25 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluß vom 1. Dezember 1993, beim
Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 1993, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der
Gültigkeit des Titels IV und des Artikels 21 Absatz 2 der Verordnung Nr. 404/93 zur Vorabentscheidung
vorgelegt. Diese Fragen stellten sich in einem Rechtsstreit zwischen der Atlanta
Fruchthandelsgesellschaft mbH und siebzehn weiteren Gesellschaften der Atlanta-Gruppe und dem
Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft wegen der Zuweisung von Einfuhrkontingenten für
Drittlandsbananen.
26 Der Gerichtshof hat am 9. November 1995 in Beantwortung der Fragen des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main festgestellt, daß die Prüfung des Titels IV und des Artikels 21 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 404/93 anhand
der Begründung des Vorlagebeschlusses nichts ergeben hat, was die Gültigkeit dieser Vorschriften
beeinträchtigen könnte (Urteil in der Rechtssache C-466/93, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a.
[II], Slg. 1995, I-3799).
27 Die Parteien haben auf eine Aufforderung des Gerichts hin zwischen dem 8. Dezember 1994 und
dem 6. Januar 1995 zu den möglichen Auswirkungen des genannten Urteils Deutschland/Rat auf den
vorliegenden Rechtsstreit Stellung genommen. Zwischen dem 4. und dem 16. Januar 1996 haben sie
auf eine Aufforderung des Gerichts hin zu den möglichen Auswirkungen des genannten Urteils Atlanta
Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) auf den vorliegenden Rechtsstreit Stellung genommen.“
Das angefochtene Urteil
5.
In Randnummer 28 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, daß es gemäß dem
Beschluß des Gerichtshofes vom 21. Juni 1993, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen worden
war, soweit sie auf Nichtigerklärung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 404/93 gerichtet war, im
folgenden nur den von den Klägerinnen gestellten Schadensersatzantrag prüfe.
6.
Aus Randnummer 34 des angefochtenen Urteils geht hervor, daß die Klägerinnen ihren
Schadensersatzantrag auf vierzehn Klagegründe stützten, mit denen sie Rat und Kommission
rechtswidriges Handeln vorwarfen. Das Gericht hat weiter ausgeführt, daß die Klägerinnen in ihren
Erklärungen zu den Auswirkungen des genannten Urteils Deutschland/Rat und in ihrer Erwiderung
zwar dargelegt hätten, daß sie an allen in der Klageschrift vorgetragenen Klagegründen festhielten,
sich aber auf folgende vier Klagegründe konzentriert hätten: Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot, Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, Verletzung des
Grundrechts der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und Verletzung der Verteidigungsrechte. Aus
derselben Randnummer des angefochtenen Urteils ergibt sich ferner, daß die Klägerinnen in ihrer
Erwiderung sowie in ihren Erklärungen vom 16. Januar 1996 zu den Auswirkungen des Urteils Atlanta
Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) außerdem geltend gemacht haben, selbst wenn das Gericht davon
auszugehen hätte, daß die betreffenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 404/93 gültig gewesen
seien, habe Altanta gleichwohl Anspruch auf Schadensersatz gemäß Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag
(jetzt Artikel 288 Absatz 2 EG).
7.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage abgewiesen.
8.
Im Rahmen ihres Rechtsmittels beanstandet die Rechtsmittelführerin im wesentlichen die
Erwägungen des Gerichts in bezug auf die nachstehend genannten Klagegründe.
9.
Das Gericht hat zum Klagegrund der Haftung des Rates für rechtmäßiges legislatives Handeln
ausgeführt:
„39 Sowohl aus Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, bei dem die Klage
eingereicht worden ist, als auch aus Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt sich,
daß neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden
können, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst
während des Verfahrens zu Tage getreten sind. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Urteil des
Gerichtshofes, das die Gültigkeit einer Handlung der Gemeinschaftsorgane bestätigt, nicht als
hinreichender Grund angesehen werden, der das Vorbringen eines neuen Angriffsmittels rechtfertigen
kann, da die Gültigkeit solcher Handlungen ohnehin vermutet wird; die genannten Urteile
Deutschland/Rat und Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) haben nur einen Rechtszustand
bestätigt, der den Klägerinnen bekannt war, als sie ihre Klage erhoben (vgl. Urteil des Gerichtshofes
vom 1. April 1982 in der Rechtssache 11/82, Dürbeck/Kommission, Slg. 1982, 1251, Randnr. 17).
40 Da die Klägerinnen im vorliegenden Fall keinen Grund angeführt haben, der das Vorbringen eines
neuen Angriffsmittels, mit dem die Haftung des Rates für rechtmäßiges Handeln geltend gemacht
wird, rechtfertigen könnte, stellt das Gericht fest, daß dieser Klagegrund verspätet vorgebracht
worden und daher unzulässig ist.“
10.
Zum Klagegrund des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot hat das Gericht festgestellt:
„46 Das Diskriminierungsverbot gehört nach ständiger Rechtsprechung zu den tragenden
Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts (vgl. Urteil Deutschland/Rat, a. a. O., Randnr. 67). Dieser
Grundsatz verlangt, daß vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei
denn, eine Differenzierung wäre objektiv gerechtfertigt. Wie im genannten Urteil Deutschland/Rat
bereits festgestellt wurde, befanden sich die Gruppen von Marktbeteiligten, auf die das Zollkontingent
aufgeteilt wird, vor dem Erlaß der Verordnung Nr. 404/93 nicht in der gleichen Lage. Diese Gruppen
waren von den erlassenen Maßnahmen auch in unterschiedlicher Weise betroffen, und der
Gerichtshof hat insbesondere anerkannt, daß die Einfuhrmöglichkeiten für Marktbeteiligte, die sich
traditionell im wesentlichen mit Drittlandsbananen versorgt hatten, nunmehr beschränkt wurden.
Gleichwohl hat der Gerichtshof eine derartige unterschiedliche Behandlung als naturgemäß mit dem
Ziel einer Integration bisher abgeschotteter Märkte und einer Sicherung des Absatzes der
Gemeinschaftserzeugung und der traditionellen AKP-Erzeugung verbunden bezeichnet (Randnr. 74).
Wie der Gerichtshof weiter ausgeführt hat, bezweckte der Mechanismus der Aufteilung des
Zollkontingents auf die
verschiedenen Gruppen von Marktbeteiligten, die Vermarkter von Gemeinschafts- und traditionellen
AKP-Bananen zu veranlassen, sich mit Drittlandsbananen zu versorgen, ebenso wie er darauf abzielte,
die Importeure von Drittlandsbananen dazu zu bewegen, Gemeinschafts- und AKP-Bananen zu
vertreiben (Randnr. 83). Damit hat der Gerichtshof anerkannt, daß die Verordnung Nr. 404/93 nicht
auf die Herstellung einer Gleichbehandlung der verschiedenen Gruppen von Marktbeteiligten gerichtet
war.
47 Der Gerichtshof hat es ferner als im Rahmen der Einführung einer gemeinsamen
Marktorganisation erforderlich bezeichnet, daß die Verordnung Nr. 404/93 das Volumen der Einfuhr
von Drittlandsbananen in die Gemeinschaft beschränkt habe (Randnr. 82).
48 Schließlich hat der Gerichtshof entschieden, daß nicht nachgewiesen sei, daß der Rat
Maßnahmen erlassen habe, die zur Erreichung des mit der Verordnung Nr. 404/93 verfolgten Zieles
offensichtlich ungeeignet gewesen wären (Randnr. 95).
49 Im genannten Urteil Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) hat der Gerichtshof zudem
festgestellt, daß die von den Klägerinnen angeführten Schwierigkeiten bei der Anwendung der
Verordnung Nr. 404/93 keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Verordnung haben können (Randnr. 11).
Ebensowenig können die von den Klägerinnen angeführten konkreten Auswirkungen des Erlasses der
Verordnung Nr. 404/93 im vorliegenden Fall vom Gericht berücksichtigt werden, das die Frage der
Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 404/93 nur anhand der von den Klägerinnen vorgebrachten
Klagegründe zu prüfen hat.
50 Die Klägerinnen haben somit nicht nachgewiesen, daß die beklagten Organe gegen das
Diskriminierungsverbot verstoßen haben; dieser Klagegrund ist deshalb als unbegründet
zurückzuweisen.“
11.
Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes hat das Gericht
ausgeführt:
„55 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes zählt zu den tragenden Grundsätzen der Gemeinschaft.
Die Wirtschaftsteilnehmer dürfen freilich nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation
vertrauen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können. Dies gilt
insbesondere auf einem Gebiet wie dem der Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige
Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt (vgl. insbesondere Urteil
des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-133/93, C-300/93 und C-
362/93, Crispoltini u. a., Slg. 1994, I-4863, Randnr. 57). Deutschland hat
zwar unter den Klagegründen, die es in der Rechtssache Deutschland/Rat vorgebracht hat, nicht den
Grundsatz des Vertrauensschutzes aufgeführt, doch hat der Gerichtshof in diesem Urteil gleichwohl
auch bekräftigt, daß ein Wirtschaftsteilnehmer kein wohlerworbenes Recht oder auch nur ein
berechtigtes Vertrauen auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation geltend machen kann, die
durch Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens verändert werden kann
(Randnr. 80).
56 Zudem war die Möglichkeit eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz auch in den
Vorabentscheidungsfragen des vorlegenden Gerichts in der Rechtssache Atlanta
Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) angesprochen worden. Mit der Feststellung, daß das vorlegende
Gericht keine für die Ungültigkeit sprechenden Gründe angeführt habe, die zu einer anderen
Beurteilung der Frage der Gültigkeit der Verordnung Nr. 404/93 hätten führen können, hat der
Gerichtshof jedoch einen solchen Verstoß verneint.
57 Niemand kann einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend machen,
dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gemacht hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 14.
September 1995 in der Rechtssache T-571/93, Lefebvre u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2379, Randnr.
72). Die Klägerinnen haben keinen Beweis dafür erbracht, daß es solche Zusicherungen in der
früheren Praxis der Kommission oder im konkreten Kontext der Einführung der hier in Rede stehenden
Marktorganisation gegeben hätte.
58 Folglich haben die Klägerinnen einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes im
vorliegenden Fall nicht nachgewiesen; der Klagegrund eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz ist
daher zurückzuweisen.“
12.
In bezug auf den Klagegrund einer Verletzung des Grundrechts der wirtschaftlichen
Betätigungsfreiheit hat das Gericht festgestellt:
„62 Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit gehört nach ständiger Rechtsprechung zu den
allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, sie kann jedoch keine uneingeschränkte Geltung
beanspruchen und muß im Hinblick auf ihre soziale Funktion gesehen werden. Dies bedeutet, daß
einem Wirtschaftsteilnehmer das Recht, seine Tätigkeit auszuüben, nicht willkürlich genommen werden
darf; ein bestimmtes Geschäftsvolumen oder ein bestimmter Marktanteil werden ihm damit jedoch
nicht garantiert. Der Schutz der Wirtschaftsteilnehmer kann keinesfalls auf bloße kaufmännische
Interessen oder Chancen ausgedehnt werden, deren Ungewißheit zum Wesen wirtschaftlicher
Tätigkeit gehört (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73,
Nold/Kommission, Slg. 1974, 491, Randnr. 14). Folglich kann die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit
namentlich
im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese
Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und
keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen,
der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom
11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 15).
63 Wie der Gerichtshof insoweit im genannten Urteil Deutschland/Rat bereits entschieden hat,
entspricht der mit der Verordnung Nr. 404/93 vorgenommene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit
der traditionellen Vermarkter von Drittlandsbananen dem Gemeinwohl dienenden Zielen der
Gemeinschaft und tastet dieses Recht nicht in seinem Wesensgehalt an (Randnr. 87). Außerdem ist
nochmals darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im genannten Urteil Atlanta
Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) festgestellt hat, daß die von den Klägerinnen angeführten
Schwierigkeiten bei der Anwendung der Verordnung Nr. 404/93 und die sich daraus für ihre Tätigkeit
ergebenden Folgen keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Verordnung haben können (Randnr. 11).
64 Der Klagegrund einer Verletzung des Grundrechts der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit ist
daher als unbegründet zurückzuweisen.“
13.
Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte hat das Gericht ausgeführt:
„70 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen läßt sich der Anspruch auf rechtliches Gehör, das im
Rahmen eines eine bestimmte Person betreffenden Verwaltungsverfahrens zu gewähren ist, nicht auf
ein Gesetzgebungsverfahren übertragen, das zum Erlaß von Maßnahmen allgemeiner Art führt. Das
genannte Urteil CB und Europay/Kommission fügt sich in die ständige Rechtsprechung im Bereich des
Wettbewerbs ein, wonach die Unternehmen, gegen die der Verdacht eines Verstoßes gegen die
Regeln des Vertrages besteht, mit ihren Erklärungen anzuhören sind, bevor Maßnahmen,
insbesondere Sanktionen, gegen sie verhängt werden. Diese Rechtsprechung ist jedoch in ihrem
spezifischen Kontext zu sehen und kann nicht auf ein gemeinschaftliches Gesetzgebungsverfahren
erstreckt werden, das zum Erlaß von Rechtsvorschriften führt, die eine wirtschaftspolitische
Entscheidung einschließen und für alle betroffenen Marktbeteiligten gelten.
71 Zudem bestehen im Rahmen eines Verfahrens zum Erlaß einer auf einen Artikel des Vertrages
gestützten Gemeinschaftshandlung für den Gemeinschaftsgesetzgeber nur die Anhörungspflichten,
die der betreffende Artikel vorschreibt. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 29. Oktober 1980
in der Rechtssache 138/79 (Roquette Frères/Rat, Slg. 1980, 3333) entschieden hat, spiegelt die an
verschiedenen Stellen im Vertrag vorgesehene Verpflichtung, das Parlament anzuhören, auf
Gemeinschaftsebene ein grundlegendes demokratisches Prinzip wider, nach dem die Völker durch
eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt beteiligt sind.
72 Außerdem erfolgt eine Konsultation der Vertreter der verschiedenen Gruppen des
wirtschaftlichen und sozialen Lebens im Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft in der Form einer
Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses. Im vorliegenden Fall sind das Parlament und dieser
Ausschuß vor dem Erlaß der Verordnung Nr. 404/93, wie im Vertrag vorgesehen, angehört worden.
73 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen war die Kommission nicht verpflichtet, darüber hinaus
die verschiedenen Gruppen der auf dem gemeinschaftlichen Bananenmarkt tätigen Marktbeteiligten
anzuhören. Der Gemeinschaftsgesetzgeber kann durchaus die besondere Lage verschiedener
Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern berücksichtigen, ohne sie alle einzeln anzuhören. Insoweit hat
der Gerichtshof im genannten Urteil Deutschland/Rat entschieden, daß die Klägerin nicht
nachgewiesen hat, daß der Rat offensichtlich ungeeignete Maßnahmen erlassen oder angesichts der
Erkenntnisse, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, eine offensichtlich irrige
Beurteilung vorgenommen hat (Randnr. 95). Da die Verordnung Nr. 404/93 Bestimmungen enthält, die
die Vermarkter von Drittlandsbananen betreffen, hat der Gerichtshof somit bereits stillschweigend
anerkannt, daß es der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht versäumt hat, die Interessen dieser Gruppe
von Marktbeteiligten zu berücksichtigen.
74 Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß der Klagegrund einer Verletzung der
Verteidigungsrechte zurückzuweisen ist.“
14.
Schließlich hat das Gericht zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur
Regelung des Rechtsetzungsverfahrens sowie eines Verstoßes gegen die Regeln des Allgemeinen
Zoll- und Handelsabkommens (im folgenden: GATT) in Randnummer 77 des angefochtenen Urteils
ausgeführt, daß diese Klagegründe in dem Urteil Deutschland/Rat in den Randnummern 27 bis 43 bzw.
103 bis 112 zurückgewiesen worden seien, und demgemäß in Randnummer 78 des angefochtenen
Urteils festgestellt, daß alle diese Klagegründe aus den vom Gerichtshof im genannten Urteil
dargelegten Gründen als unbegründet zurückzuweisen seien.
15.
Im Ergebnis hat das Gericht festgestellt:
„83 Nach ständiger Rechtsprechung geht aus Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages hervor, daß das
Eingreifen der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft und die Entstehung eines
Schadensersatzanspruchs vom Zusammentreffen einer Reihe von Voraussetzungen abhängt, nämlich
davon, daß das den Organen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig ist, daß ein tatsächlicher Schaden
vorliegt und daß ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten
Schaden besteht. Geht es um Rechtsvorschriften, deren Erlaß wirtschaftspolitische Entscheidungen
voraussetzt, kann die Haftung der Gemeinschaft zudem nur durch eine hinreichend qualifizierte
Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm ausgelöst werden. In einem
normativen Kontext wie dem vorliegenden kann die Haftung der Gemeinschaft nur ausgelöst werden,
wenn das handelnde Organ die Grenzen seiner Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten
hat (vgl. Urteil Mulder u. a./Rat und Kommission, a. a. O., Randnr. 12).
84 Aus allen vorstehenden Erwägungen ergibt sich jedoch, daß keinerlei rechtswidriges Verhalten
der Beklagten festgestellt werden kann, das die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft
auslösen könnte. Folglich ist die Klage abzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die
übrigen Voraussetzungen für die Haftung der Gemeinschaft erfüllt sind.“
Das Rechtsmittel
16.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels macht die Rechtsmittelführerin sieben Rechtsmittelgründe
geltend. Der erste stützt sich auf eine Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums (Dispute
Settlement Body) der Welthandelsorganisation (WTO) vom 25. September 1997 (WTO-Entscheidung).
Mit ihrer zweiten Entscheidung rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht den Klagegrund der
Haftung für rechtmäßiges legislatives Handeln als unzulässig zurückgewiesen habe. Nach dem dritten,
dem vierten und dem fünften Rechtsmittelgrund hat das Gericht beim Erlaß der Verordnung Nr.
404/93 die Tragweite der Verteidigungsrechte verkannt (dritter Rechtsmittelgrund) sowie gegen die
Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit (vierter
Rechtsmittelgrund) und gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (fünfter Rechtsmittelgrund)
verstoßen. Der sechste Rechtsmittelgrund betrifft eine angeblich rechtswidrige Delegation der
Rechtsetzungsbefugnis vom Rat auf die Kommission. Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund rügt die
Rechtsmittelführerin schließlich, daß das Gericht nicht alle Voraussetzungen der Haftung für
rechtswidriges Verhalten geprüft hat.
17.
Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, den sie erstmals im Stadium der Erwiderung vor dem
Gerichtshof geltend gemacht hat, trägt die Rechtsmittelführerin vor, daß
die WTO-Entscheidung abschließend die Unvereinbarkeit von wesentlichen Teilen der
Bananenmarktordnung mit dem WTO-Recht feststelle, so daß die Rechtswidrigkeit der
Bananenmarktordnung im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht unbestreitbar sei.
18.
Von der Tatsache, daß die Verordnung Nr. 404/93 rechtswidrig sei, habe die Rechtsmittelführerin
erst seit Veröffentlichung der WTO-Entscheidung, d. h. sechs Monate nach Einlegung des
Rechtsmittels am 10. März 1997, Kenntnis. Diese Entscheidung stelle demnach eine neue
entscheidungserhebliche Tatsache im Sinne von Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des
Gerichtshofes dar, der nach Artikel 118 dieser Verfahrensordnung auf Rechtsmittelverfahren
entsprechende Anwendung finde. Als Rechtsmittelgericht entscheide der Gerichtshof nicht über
Tatsachen, sondern nehme lediglich eine rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils vor.
Dementsprechend sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht
zurückzuverweisen.
19.
Die WTO-Entscheidung steht notwendig und unmittelbar mit dem Klagegrund eines Verstoßes
gegen die Bestimmungen des GATT im Zusammenhang, den die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht
geltend gemacht, in den Rechtsmittelgründen jedoch nicht wieder aufgegriffen hat.
20.
Diese Entscheidung könnte nämlich nur berücksichtigt werden, wenn die unmittelbare Wirkung des
GATT im Rahmen eines auf die Rechtsunwirksamkeit der Bananenmarktordnung gerichteten
Rechtsmittelgrundes vom Gerichtshof festgestellt worden wäre.
21.
Wie die Kommission jedoch zu Recht geltend gemacht hat, hätte die Rechtsmittelführerin ihren
Klagegrund aufrechterhalten können, indem sie u. a. unter Berufung auf den 1995 eingeführten
Streitbeilegungsmechanismus der WTO die unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des GATT geltend
gemacht hätte.
22.
Wollte man die Zulässigkeit des auf die WTO-Entscheidung gestützten Rechtsmittelgrundes
anerkennen, würde man somit der Rechtsmittelführerin gestatten, erstmals im Stadium der
Erwiderung die Zurückweisung eines von ihr vor dem Gericht geltend gemachten Klagegrundes durch
das Gericht zu beanstanden, obwohl sie nichts gehindert hätte, einen solchen Rechtsmittelgrund in
ihrer Rechtsmittelschrift vorzubringen.
23.
Der erste Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
24.
Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht den Klagegrund
der Haftung für rechtmäßiges legislatives Handeln wegen Verspätung als unzulässig zurückgewiesen
hat.
25.
Die Rechtsmittelführerin habe diese Auffassung schon in der Klageschrift an das Gericht
vorgebracht, indem sie darauf hingewiesen habe, daß bei ihr ein Sonderopfer vorliege. Jedenfalls
handele es sich nicht um einen neuen Klagegrund, sondern um ein Argument zur Stützung des
Klagegrundes der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft. Schließlich könne das Verbot neuer
Angriffs- und Verteidigungsmittel in einem Fall wie dem vorliegenden keine Anwendung finden, da die
Rechtsmittelführerin jedenfalls eine neue Klage auf außervertragliche Haftung erheben könnte, die
dieses Mal auf die Haftung für rechtmäßiges Handeln gestützt wäre, und außerdem die Zulassung des
im Stadium der Erwiderung geltend gemachten Angriffsmittels in diesem Verfahren das rechtliche
Gehör der Parteien nicht beeinträchtigte, die hierzu in geeigneter Weise hätten Stellung nehmen
können.
26.
Zunächst wurde — wie der Generalanwalt in den Nummern 35 bis 37 seiner Schlußanträge
festgestellt hat — der Begriff des Sonderopfers im Verfahren vor dem Gericht nur im Zusammenhang
mit der Haftung für rechtswidriges Verhalten erwähnt.
27.
Weiter ist entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin eine Argumentation, die die
Grundlage der Haftung der Gemeinschaft verändert, ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das
im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden kann, zumal — wie die französische Regierung
zutreffend bemerkt hat — die Vorschrift über das Verbot neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel
bereits bei einer nur auf die Haftung für rechtswidriges Verhalten gestützten Klage verbietet, im
Stadium der Erwiderung den Verstoß gegen eine höherrangige Rechtsnorm geltend zu machen, die in
der Klageschrift nicht erwähnt worden ist (Urteil vom 11. März 1987 in den Rechtssachen 279/84,
280/84, 285/84 und 286/84, Rau u. a./Kommission, Slg. 1987, 1069, Randnr. 38). Wie der Rat zu Recht
ausgeführt hat, nimmt der Umstand, daß das Vorbringen ebenso wie dasjenige über die Haftung für
rechtswidriges Handeln auf Artikel 215 EG-Vertrag basiert, ihm nicht den Charakter eines neuen
Angriffs- oder Verteidigungsmittels.
28.
Schließlich können entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin Erwägungen der
Prozeßökonomie oder des rechtlichen Gehörs es nicht rechtfertigen, über die in den
Verfahrensordnungen des Gerichtshofes und des Gerichts ausdrücklich genannten Ausnahmen von
dem Verbot neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel hinaus weitere Ausnahmen zuzulassen.
29.
Dementsprechend hat das Gericht in Randnummer 39 des angefochtenen Urteils zu Recht
ausgeführt, daß sich aus Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes wie aus Artikel 48 §
2 der Verfahrensordnung des Gerichts ergebe, daß neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe
des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden könnten, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder
tatsächliche Gründe gestützt würden, die erst während des Verfahrens zu Tage getreten seien, und in
Randnummer 40 dieses Urteils daraus den Schluß gezogen, daß es der
Rechtsmittelführerin verwehrt sei, im Stadium der Erwiderung den auf die Haftung für rechtmäßiges
Handeln gestützten Klagegrund vorzubringen.
30.
Der zweite Rechtsmittelgrund greift daher nicht durch.
31.
Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe zu Unrecht
angenommen, daß der Anspruch auf rechtliches Gehör, das in einem eine bestimmte Person
betreffenden Verwaltungsverfahren zu gewähren sei, nicht auf ein Gesetzgebungsverfahren
übertragen werden könne, das wie bei der Verordnung Nr. 404/93 zum Erlaß von Maßnahmen
allgemeiner Art führe. Aus der Sicht des Betroffenen sei es nämlich gleichgültig, ob seine
Rechtsstellung durch das Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens oder durch das Ergebnis eines
Rechtsetzungsverfahrens beeinträchtigt werde.
32.
Die Rechtsmittelführerin verweist hierzu auf Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt
Artikel 230 Absatz 4 EG) sowie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes insbesondere zum Erlaß von
Antidumpingverordnungen (vgl. u. a. Urteil vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache C-49/88, Al-Jubail
Fertilizer Company/Rat, Slg. 1991, I-3187, Randnrn. 15 und 16), nach der das Fehlen einer
Vertragsbestimmung, die eine Anhörung im Rechtsetzungsverfahren vorschreibe, kein Grund sei, von
einer solchen Anhörung abzusehen (vgl. auch u. a. Urteil vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-
135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, I-2885, Randnr. 39).
33.
Die Rechtsmittelführerin wirft dem Gericht ferner vor, gegen den allgemeinen Grundsatz verstoßen
zu haben, daß jedes Gericht seine Entscheidung zu begründen habe, und zwar insbesondere unter
Anführung der Erwägungen, die es dazu veranlaßt hätten, einen ausdrücklich erhobenen Vorwurf
nicht zu berücksichtigen.
34.
Nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag kann jede natürliche und juristische Person gegen die an sie
ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie
als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie
unmittelbar und individuell betreffen.
35.
Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin läßt sich aus dieser Bestimmung kein Recht
herleiten, vor dem Erlaß einer generellen Rechtsnorm gehört zu werden.
36.
Die von der Rechtsmittelführerin angeführte Rechtsprechung betrifft bestimmte Handlungen, die
die Kläger unmittelbar und individuell betrafen, während im vorliegenden Fall aus dem Beschluß des
Gerichtshofes vom 21. Juni 1993 hervorgeht, daß die Rechtsmittelführerin durch die Verordnung Nr.
404/93 nicht unmittelbar und individuell betroffen war.
37.
Das Gericht hat in Randnummer 70 des angefochtenen Urteils daher zu Recht ausgeführt, daß
diese Rechtsprechung nicht auf ein gemeinschaftliches Gesetzgebungsverfahren erstreckt werden
könne, das zum Erlaß von Rechtsvorschriften führe, die eine wirtschaftspolitische Entscheidung
einschlössen und für alle betroffenen Marktbeteiligten gälten.
38.
Dementsprechend hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es in Randnummer 71 des
angefochtenen Urteils weiter ausgeführt hat, daß im Rahmen eines Verfahrens zum Erlaß einer auf
einen Artikel des EG-Vertrags gestützten Gemeinschaftshandlung für den Gemeinschaftsgesetzgeber
nur die Anhörungspflichten bestünden, die der betreffende Artikel vorschreibe.
39.
Aufgrund dieser Erwägungen ist außerdem festzustellen, daß das Gericht bei der Zurückweisung
des Klagegrundes entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin seiner Begründungspflicht
genügt hat.
40.
Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.
41.
Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin hätte das Gericht trotz der Anerkennung der abstrakt-
generellen Gültigkeit der Verordnung Nr. 404/93 in bezug auf die Grundsätze der Nichtdiskriminierung
und der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit im Rahmen der Schadensersatzklage zu dem Ergebnis
kommen müssen, daß die Anwendung dieser Verordnung auf die konkrete Situation der
Rechtsmittelführerin gegen deren Rechte verstoße.
42.
Nicht nur der Gemeinschaftsgesetzgeber, sondern auch die Stellen, die mit der Durchführung
seiner Rechtsakte betraut sind, haben die Grundrechte zu beachten (vgl. u. a. Urteil vom 26.
November 1996 in der Rechtssache C-68/95, T. Port, Slg. 1996, I-6065, Randnrn. 39 und 40).
43.
Stellt jedoch der Gerichtshof fest, daß ein Rechtsakt im Hinblick auf die Grundrechte gültig ist, so
erfaßt diese Feststellung entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin auch die konkret-
individuelle Anwendung dieses Rechtsakts, so daß dessen Gültigkeit dabei nicht mehr in Frage
gestellt werden kann.
44.
Zu Recht hat das Gericht daher in den Randnummern 49 und 63 des angefochtenen Urteils darauf
verwiesen, daß der Gerichtshof im Urteil Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) festgestellt habe,
die von den Klägerinnen angeführten Schwierigkeiten bei der Anwendung der Verordnung Nr. 404/93
könnten keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Verordnung haben.
45.
Zwar können — wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat — dann, wenn die Durchführung der
allgemeinen Regelung den Erlaß von Durchführungsmaßnahmen
verlangt, diese Maßnahmen im Hinblick auf die gleichen Grundsätze für ungültig erklärt werden, falls
diese Maßnahmen unmittelbar gegen Grundrechte verstoßen (vgl. insbesondere Urteil T. Port,
Randnrn. 39 und 40).
46.
Im vorliegenden Fall bezieht sich der geltend gemachte Verstoß jedoch unmittelbar auf die
Verordnung Nr. 404/93, deren Gültigkeit im Hinblick auf die genannten Grundsätze vom Gerichtshof in
den genannten Urteilen Deutschland/Rat und Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) festgestellt
worden ist.
47.
Das Gericht hat sich daher zu Recht auf diese Urteile gestützt, um die Klagegründe des Verstoßes
gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit
zurückzuweisen.
48.
Folglich ist der vierte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
49.
Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund trägt die Rechtsmittelführerin vor, der Gerichtshof habe
entgegen den Ausführungen des Gerichts in den Randnummern 55 und 56 des angefochtenen Urteils
bislang keine Gelegenheit gehabt, sich zu der Frage zu äußern, ob die Verordnung Nr. 404/93 dadurch
gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoße, daß sie keine angemessenen
Übergangsmaßnahmen vorsehe.
50.
Zudem habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es den Klagegrund eines Verstoßes
gegen diesen Grundsatz mit der Feststellung zurückgewiesen habe, daß niemand einen Verstoß
gegen diesen Grundsatz geltend machen könne, dem die Verwaltung keine „bestimmten
Zusicherungen“ gemacht habe (Randnr. 57 des angefochtenen Urteils). Der Gerichtshof habe nämlich
niemals eine so enge Auslegung dieses Grundsatzes vertreten, und das Gericht selbst habe das
Erfordernis „bestimmter Zusicherungen“ bislang nur für Beamte aufgestellt. Für sonstige Personen
habe es „begründete Erwartungen“ genügen lassen (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember
1992 in der Rechtssache T-20/91, Holtbecker/Kommission, Slg. 1992, II-2599, Randnr. 53).
51.
Das Gericht habe es jedenfalls zu Unrecht unterlassen, den Vortrag der Klägerin zu würdigen,
wonach ihr mangels einer Übergangsregelung empfindlichste Schäden entstanden seien.
52.
Zunächst hat das Gericht in Randnummer 55 des angefochtenen Urteils zutreffend die ständige
Rechtsprechung herangezogen, nach der der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den tragenden
Grundsätzen der Gemeinschaft zählt, die Wirtschaftsteilnehmer jedoch nicht auf die Beibehaltung
einer bestehenden Situation vertrauen dürfen, die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres
Ermessens ändern können, und dies insbesondere auf einem Gebiet wie dem der
Marktorganisationen gilt, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der
wirtschaftlichen Lage mit sich bringt.
53.
Das Gericht hat ferner in Randnummer 55 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt, daß der
Gerichtshof in Randnummer 80 des Urteils Deutschland/Rat bekräftigt habe, daß ein
Wirtschaftsteilnehmer kein wohlerworbenes Recht oder auch nur ein berechtigtes Vertrauen auf die
Beibehaltung einer bestehenden Situation geltend machen könne, die durch Entscheidungen der
Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens verändert werden könne. Im übrigen hat das
Gericht in Randnummer 56 seines Urteils zu Recht darauf hingewiesen, daß der Gerichtshof in dem
Urteil Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) mit der Feststellung, daß das vorlegende Gericht
keine für die Ungültigkeit sprechenden Gründe angeführt habe, die zu einer anderen Beurteilung der
Frage der Gültigkeit der Verordnung Nr. 404/93 hätten führen können, einen solchen Verstoß verneint
habe.
54.
Die Rüge der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe zu Unrecht das Ausmaß des Schadens nicht
berücksichtigt, der ihr durch die Anwendung der Verordnung Nr. 404/93 entstanden sei, greift nicht
durch. Das Ausmaß des angeblichen Schadens kann nämlich die Feststellung des Gerichts nicht
erschüttern, daß das Verhalten der zuständigen Stelle bei den Betroffenen kein berechtigtes
Vertrauen auf die Beibehaltung einer gegebenen Situation oder den Erlaß bestimmter Maßnahmen
habe entstehen lassen.
55.
Da die Rechtsmittelführerin schließlich nichts vorgetragen hat, was den Schluß zuließe, daß das
Verhalten des Gesetzgebers bei ihr begründete Erwartungen in die Beibehaltung einer gegebenen
Situation oder den Erlaß bestimmter Übergangsmaßnahmen hätte entstehen lassen, erübrigt sich
eine Prüfung ihres Vorbringens, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es die
Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes von dem Erfordernis abhängig gemacht habe,
daß der Gesetzgeber bestimmte Zusicherungen gegeben habe, anstatt sich auf die Prüfung zu
beschränken, ob das Verhalten des Gesetzgebers bei den Betroffenen berechtigte Erwartungen habe
entstehen lassen.
56.
Das Gericht konnte daher zu Recht davon ausgehen, daß die Rechtsmittelführerin einen Verstoß
gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht dargetan habe.
57.
Daher ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
58.
Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund beanstandet die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe zu
ihrer Rüge nicht Stellung genommen, der Rat habe die Rechtsetzungsbefugnis rechtswidrig auf die
Kommission delegiert, als er den Begriff
des Marktbeteiligten im Sinne der Bananenmarktordnung nicht selbst in der Verordnung Nr. 404/93
definiert habe.
59.
Aus Randnummer 75 des angefochtenen Urteils geht hervor, daß die Klägerinnen nach Auffassung
des Gerichts im wesentlichen geltend gemacht haben, daß der Rat beim Erlaß der Verordnung Nr.
404/93 das Initiativrecht der Kommission und das Recht des Europäischen Parlaments auf Anhörung
nicht beachtet habe. Diese Formulierung läßt nicht den Schluß zu, daß das Gericht die Rüge einer
rechtswidrigen Delegation der Rechtsetzungsbefugnis auf die Kommission berücksichtigt hätte.
60.
Im übrigen hat das Gericht die Rüge, beim Erlaß der Verordnung Nr. 404/93 sei gegen die
Verfahrensvorschriften verstoßen worden, in den Randnummern 77 und 78 des angefochtenen Urteils
unter Übernahme der in den Randnummern 27 bis 43 des Urteils Deutschland/Rat genannten Gründe
zurückgewiesen. Diese letztgenannten Randnummern bezogen sich jedoch nur auf das Vorbringen zu
einem Verstoß gegen das Initiativrecht der Kommission, zu einem Begründungsmangel und zum Fehlen
einer erneuten Anhörung des Parlaments.
61.
Schließlich ergibt sich aus Randnummer 34 des angefochtenen Urteils, daß die Klägerinnen ihr
Vorbringen zwar auf einzelne Klagegründe konzentriert, auf die Geltendmachung der übrigen jedoch
nicht verzichtet haben, zu denen auch der Klagegrund der rechtswidrigen Delegation der
Rechtsetzungsbefugnis auf die Kommission zählt.
62.
Folglich beanstandet die Rechtsmittelführerin zu Recht, daß das Gericht auf ihre Rüge einer
rechtswidrigen Delegation der Rechtsetzungsbefugnis auf die Kommission nicht eingegangen sei.
63.
Dieser Rechtsmittelgrund greift daher durch.
64.
Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht nicht sämtliche
Voraussetzungen der Haftung für rechtswidriges legislatives Verhalten geprüft habe, obwohl diese
Voraussetzungen erfüllt seien. DieRechtsmittelführerin weist hierzu darauf hin, daß die Verordnung Nr.
404/93 eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden
Rechtsnorm enthalte, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Grenzen seiner Befugnisse erheblich
und offenkundig überschritten habe, daß der Schaden weit über die Grenzen der wirtschaftlichen
Risiken hinaus gehe, die die Vermarktung von Bananen normalerweise mit sich bringe, und daß der
Schaden, vor allem im Zusammenhang mit den gegenstandslos gewordenen Schiffahrtsverträgen,
durch das rechtswidrige Verhalten des Gemeinschaftsgesetzgebers entstanden sei.
65.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil vom 15. September 1994 in der Rechtssache C-
146/91, KYDEP/Rat und Kommission, Slg. 1994, I-4199, Randnr. 19) ist die außervertragliche Haftung
der Gemeinschaft nach Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag von mehreren Voraussetzungen abhängig:
Das den Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Verhalten muß rechtswidrig sein, es muß ein Schaden
eingetreten sein, und zwischen dem Verhalten und dem behaupteten Schaden muß ein ursächlicher
Zusammenhang bestehen. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist die Klage insgesamt
abzuweisen, ohne daß die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der
Gemeinschaft geprüft zu werden bräuchten (Urteil KYDEP/Rat und Kommission, Randnr. 81).
66.
Das Gericht hat diese Rechtsprechung zutreffend angewandt, als es in Randnummer 84 des
angefochtenen Urteils entschieden hat, daß die Klage abzuweisen sei, da kein rechtswidriges
Verhalten der Beklagten habe festgestellt werden können, das die außervertragliche Haftung der
Gemeinschaft hätte auslösen können, ohne daß geprüft zu werden bräuchte, ob die übrigen
Voraussetzungen für die Haftung der Gemeinschaft erfüllt waren.
67.
Daher ist der siebte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
68.
Nach alledem ist der sechste Rechtsmittelgrund begründet und das angefochtene Urteil insoweit
aufzuheben, als das Gericht die Klage der Rechtsmittelführerin abgewiesen hat, ohne auf die Rüge
einer rechtswidrigen Delegation der Rechtsetzungsbefugnis auf die Kommission einzugehen.
69.
Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof gemäß Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung
des Gerichtshofes die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst
endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das
Gericht zurückverweisen. Da die Akten ihrem Inhalt nach dem Gerichtshof gestatten, selbst endgültig
zu entscheiden, braucht die Sache nicht an das Gericht zurückverwiesen zu werden.
Zur Schadensersatzklage
70.
Die Rechtsmittelführerin wirft dem Rat vor, seine Rechtsetzungsbefugnis in rechtswidriger Weise auf
die Kommission delegiert zu haben, indem er es ihr überlassen habe, den Begriff des Marktbeteiligten
im Sinne der Bananenmarktordnung zu definieren.
71.
Wie der Rat und die französische Regierung zutreffend bemerkt haben, enthält die Verordnung Nr.
404/93 umfangreiche Erläuterungen zu den Marktbeteiligten im Sinne der Bananenmarktordnung.
72.
Zunächst heißt es in Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 404/93, daß die
Marktbeteiligten im Sinne dieser Regelung „in der Gemeinschaft
niedergelassen“ sein und „für eigene Rechnung noch festzulegende Mindestmengen von Bananen
des genannten Ursprungs vermarktet haben“ müssen.
73.
Was ferner den Ursprung der Bananen betrifft, so heißt es in der dreizehnten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 404/93, daß zwischen Marktbeteiligten, die zuvor
Drittlandsbananen und nichtherkömmliche AKP-Bananen vermarktet haben, einerseits und
Marktbeteiligten, die zuvor Gemeinschaftsbananen und herkömmliche AKP-Bananen vermarktet haben,
andererseits unterschieden wird und dabei gleichzeitig den neuen Marktbeteiligten, die eine
Geschäftstätigkeit in diesem Sektor gerade erst aufgenommen haben oder aufnehmen werden, eine
bestimmte Menge vorbehalten bleibt.
74.
Im übrigen wird der Begriff der „Vermarktung“ in Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 404/93 als
Inverkehrbringen, mit Ausnahme der Einzelhandelsstufe, definiert.
75.
Schließlich sieht die fünfzehnte Begründungserwägung dieser Verordnung vor, daß sich die
Kommission bei der Annahme der zusätzlichen Kriterien, denen die Marktbeteiligten genügen müssen,
von dem Grundsatz leiten lassen sollte, daß Bescheinigungen natürlichen oder juristischen Personen
gewährt werden sollten, die das kommerzielle Risiko bei der Vermarktung der Bananen getragen
haben, sowie die Notwendigkeit berücksichtigen sollte, eine Störung der normalen
Geschäftsbeziehungen zwischen Personen, die an unterschiedlichen Punkten in der
Vermarktungskette tätig sind, zu vermeiden.
76.
Auch wenn davon auszugehen ist, daß der Begriff des Marktbeteiligten Merkmale aufweist, die für
die zu regelnde Materie wesentlich sind und daher der Zuständigkeit des Rates vorbehalten bleiben
müssen (vgl. u. a. Urteil vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-240/90, Deutschland/Kommission,
Slg. 1992, I-5383, Randnrn. 35 und 36), ist angesichts dieser Erläuterungen festzustellen, daß der Rat
diesen Begriff hinreichend genau umschrieben hat, so daß er die Befugnis zur Durchführung der
erlassenen Vorschriften wirksam gemäß Artikel 145 EG-Vertrag (jetzt Artikel 202 EG) auf die
Kommission delegieren konnte.
77.
Folglich ist der Klagegrund einer rechtswidrigen Delegation der Rechtsetzungsbefugnis auf die
Kommission zurückzuweisen.
78.
Demnach ist die Schadensersatzklage abzuweisen.
Kosten
79.
Nach Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten,
wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach
Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß
Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende
Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 4 Satz 1 der
Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer
beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
80.
Da die Schadensersatzklage der Rechtsmittelführerin abgewiesen worden ist, sind die Nummern 2
und 3 des Tenors des angefochtenen Urteils zu bestätigen.
81.
Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens im
wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
82.
Die Französische Republik trägt ihre eigenen im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-
521/93 (Atlanta u. a./Europäische Gemeinschaft) wird aufgehoben, soweit es die
Schadensersatzklage der Atlanta AG abgewiesen hat, ohne auf die Rüge einer
rechtswidrigen Delegation der Rechtsetzungsbefugnis auf die Kommission einzugehen.
2. Die Schadensersatzklage der Atlanta AG wird abgewiesen.
3. Die Nummern 2 und 3 des Tenors des genannten Urteils Atlanta u. a./Europäische
Gemeinschaft werden bestätigt.
4. Die Atlanta AG trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.
5. Die Französische Republik trägt ihre eigenen im Rechtsmittelverfahren entstandenen
Kosten.
Moitinho de Almeida
Sevón
Gulmann
Puissochet Wathelet
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Oktober 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
D. A. O. Edward
Verfahrenssprache: Deutsch.