Urteil des EuGH vom 11.12.1997

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WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
11. Dezember 1997
„Vertragsverletzung — Nichtumsetzung der Richtlinie 92/43/EWG“
In der Rechtssache C-83/97
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner,
Luxemburg-Kirchberg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland
Kloke als Bevollmächtigte, beide Bundesministerium für Wirtschaft, D-53107 Bonn,
Beklagte,
wegen Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-
Vertrag verstoßen hat, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur
Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7)
nachzukommen,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter) sowie der Richter M. Wathelet, J. C.
Moitinho de Almeida, J.-P. Puissochet und L. Sevón,
Generalanwalt: N. Fennelly
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Oktober 1997,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 24. Februar 1997
bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf
Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-
Vertrag verstoßen hat, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts-
und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992
zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S.
7; im folgenden: Richtlinie) nachzukommen.
2.
Gemäß Artikel 23 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, um der Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer
Bekanntgabe nachzukommen, und die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen. Die
Richtlinie wurde der Bundesrepublik Deutschland am 5. Juni 1992 bekanntgegeben, so daß die ihr zur
Umsetzung gesetzte Frist am 5. Juni 1994 abgelaufen ist.
3.
Nachdem die Kommission keine Mitteilung oder anderweitige Information über Maßnahmen zur
Umsetzung der Richtlinie in die deutsche Rechtsordnung erhalten hatte, gab sie der Bundesregierung
gemäß dem Verfahren des Artikels 169 EG-Vertrag mit Schreiben vom 9. August 1994 Gelegenheit,
sich binnen zwei Monaten zu äußern.
4.
Die Bundesregierung antwortete der Kommission mit Schreiben vom 25. Oktober 1994, daß die
deutschen Behörden mit der Vorbereitung der zur Umsetzung der Richtlinie notwendigen Maßnahmen
befaßt seien und daß die Richtlinie bis zum Erlaß der Vorschriften im Rahmen des geltenden Rechts
anzuwenden sei. Die Bundesregierung machte jedoch geltend, daß die Vorschriften der Richtlinie zur
Erhaltung der natürlichen Lebensräume bisher für Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung noch
nicht relevant und die Vorschriften über den Artenschutz im wesentlichen bereits durch das geltende
Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt seien und daß die Richtlinie ganz allgemein Unklarheiten
enthalte, die ihre Umsetzung erschwerten.
5.
Nachdem die Kommission keine Mitteilung über Umsetzungsmaßnahmen erhalten hatte,
übermittelte sie der Bundesregierung am 28. November 1995 eine mit Gründen versehene
Stellungnahme mit der Aufforderung, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser binnen
zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen. Die Stellungnahme blieb unbeantwortet.
6.
Daraufhin hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
7.
Die Bundesregierung bestreitet nicht, daß sie nicht alle zur Umsetzung der Richtlinie notwendigen
Maßnahmen erlassen habe. Sie weist jedoch darauf hin, daß die Richtlinie seit dem Ablauf der
Umsetzungsfrist von den zuständigen Behörden unmittelbar angewandt werde und daß die geltenden
nationalen Vorschriften gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt würden. Außerdem verweist sie auf
ein laufendes Verfahren zur Annahme eines Gesetzentwurfs, der insbesondere die Umsetzung der
Richtlinie zum Ziel habe.
8.
Da die Richtlinie von der Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist
umgesetzt wurde, ist festzustellen, daß die von der Kommission erhobene Klage begründet ist.
9.
Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich bloße Verwaltungspraktiken, die die Verwaltung
naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt sind, nicht als eine wirksame
Erfüllung der Verpflichtungen angesehen werden, die den Mitgliedstaaten, an die eine Richtlinie
gerichtet ist, aus Artikel 189 EG-Vertrag erwachsen (vgl. insbesondere Urteil vom 12. Oktober 1995 in
der Rechtssache C-242/94, Kommission/Spanien, Slg. 1995, I-3031, Randnr. 6).
10.
Folglich ist festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen
aus Artikel 23 der Richtlinie verstoßen hat, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die
erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie nachzukommen.
Kosten
11.
Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland zur
Tragung der Kosten beantragt. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen
ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel
23 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen
Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen, daß sie nicht
innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie nachzukommen .
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.
Gulmann
Wathelet
Moitinho de Almeida
Puissochet
Sevón
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Dezember 1997.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
C. Gulmann
Verfahrenssprache: Deutsch.