Urteil des EuGH vom 21.10.1999

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WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
21. Oktober 1999
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 94/45/EG - Nichtumsetzung innerhalb der
vorgeschriebenen Frist“
In der Rechtssache C-430/98
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Yerrell, zum Juristischen Dienst entsandte nationale Beamtin, als Bevollmächtigte,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-
Kirchberg,
Klägerin,
gegen
Großherzogtum Luxemburg
Angelegenheiten im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, 5, rue Notre-Dame,
Luxemburg,
Beklagter,
wegen Feststellung, daß das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-
Vertrag verstoßen hat, daß es nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen
und/oder der Kommission mitgeteilt hat, um der Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über
die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und
Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen
(ABl. L 254, S. 64) nachzukommen, oder daß es sich nicht vergewissert hat, daß die Sozialpartner mittels
Vereinbarungen die erforderlichen Bestimmungen eingeführt haben, und also nicht die erforderlichen
Maßnahmen getroffen und/oder der Kommission mitgeteilt hat, um gewährleisten zu können, daß die in der
Richtlinie vorgeschriebenen Ziele erreicht werden,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters P. J. G. Kapteyn in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten
Kammer sowie der Richter G. Hirsch und H. Ragnemalm (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juni 1999,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 30. November 1998
bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG)
Klage erhoben auf Feststellung, daß das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine
Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, daß es nicht die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen und/oder der Kommission mitgeteilt hat, um derRichtlinie 94/45/EG
des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die
Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit
operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. L 254, S. 64; im folgenden: Richtlinie)
nachzukommen, oder daß es sich nicht vergewissert hat, daß die Sozialpartner mittels
Vereinbarungen die erforderlichen Bestimmungen eingeführt haben, und also nicht die erforderlichen
Maßnahmen getroffen und/oder der Kommission mitgeteilt hat, um gewährleisten zu können, daß die
in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele erreicht werden.
2.
Nach Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie spätestens zum 22. September 1996
nachzukommen, oder sich spätestens zu diesem Zeitpunkt zu vergewissern, daß die Sozialpartner
mittels Vereinbarungen die erforderlichen Bestimmungen eingeführt haben, wobei die Mitgliedstaaten
verpflichtet waren, alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sie jederzeit gewährleisten
können, daß die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ziele erreicht werden. Die Mitgliedstaaten
hatten die Kommission unverzüglich hiervon in Kenntnis zu setzen.
3.
Da die Kommission keine Mitteilung über die zur Umsetzung der Richtlinie in der innerstaatlichen
luxemburgischen Rechtsordnung erlassenen Maßnahmen erhalten hatte und über keine anderen
Informationen verfügte, aus denen sie hätte schließen können, daß das Großherzogtum Luxemburg
diese Verpflichtung erfüllt hatte, leitete sie am 16. Januar 1997 das Verfahren des Artikels 169 des
Vertrages ein, indem sie an die luxemburgische Regierung ein Schreiben mit der Aufforderung
richtete, sich binnen zwei Monaten zu äußern.
4.
Mit Schreiben vom 18. Februar 1997 übermittelte die luxemburgische Regierung der Kommission
den Vorentwurf eines die Umsetzung der Richtlinie betreffenden Gesetzes und gab an, dieser Entwurf
werde gerade mit den Sozialpartnern erörtert und könnte grundsätzlich zu Beginn des folgenden
Monats verabschiedet werden.
5.
Mit Schreiben vom 2. Mai 1997 teilte die luxemburgische Regierung der Kommission mit, sie sei in
der Lage, den Gesetzentwurf unverzüglich im Parlament einzubringen.
6.
Da die Kommission trotz dieser Zusicherung nicht von Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie
unterrichtet worden war, richtete sie am 22. April 1998 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an
das Großherzogtum Luxemburg und forderte es auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um
den Verpflichtungen aus der Richtlinie binnen zwei Monaten nach Zustellung dieser Stellungnahme
nachzukommen.
7.
Da die Kommission keine weitere Mitteilung der luxemburgischen Regierung über den Erlaß
derartiger Maßnahmen erhalten hat, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
8.
Die luxemburgische Regierung bestreitet nicht, daß die Richtlinie nicht innerhalb der
vorgeschriebenen Frist umgesetzt worden ist. Sie macht jedoch geltend, ein Gesetzentwurf sei am 19.
Januar 1999 verabschiedet und sogleich den Berufsverbänden und dem Staatsrat zur Stellungnahme
zugeleitet worden. Außerdem seien die luxemburgischen Unternehmen, die durch die Richtlinie
betroffen seien und die daher einen europäischen Betriebsrat einsetzen müßten, - bis auf ein oder
zwei Ausnahmen - durch freiwillige Vereinbarungen erfaßt. Die Sozialpartner hätten also die
erforderlichen Regelungen einvernehmlich geschaffen. Unter diesen Voraussetzungen beantragt die
luxemburgische Regierung, das Verfahren auszusetzen.
9.
In ihrer Erwiderung tritt die Kommission dem Antrag der luxemburgischen Regierung auf Aussetzung
des Verfahrens entgegen. Das Vorliegen des Entwurfs eines Gesetzes, durch das die Richtlinie
umgesetzt werden solle, stelle zwar einen Fortschritt gegenüber der früheren Lage dar; bis jetzt habe
aber das Großherzogtum Luxemburg keine endgültige Regelung zur Umsetzung der Richtlinie erlassen.
Was darüber hinaus die Vereinbarungen angehe, die angeblich in den meisten betroffenen
luxemburgischen Unternehmen geschlossen worden seien, so seien sie nicht geeignet, eine
ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie sicherzustellen, da sie freiwilligen Charakter hätten und
nicht verbindlich seien. Es sei daher Sache der luxemburgischen Behörden, die erforderlichen
Vorkehrungen zu treffen, damit sie jederzeit gewährleisten könnten, daß die in der Richtlinie
vorgeschriebenen Ziele erreicht würden, und die Kommission davon in Kenntnis zu setzen.
10.
Vorab ist festzustellen, daß der Gerichtshof keinen Anlaß sieht, das Verfahren auszusetzen.
11.
Zur Begründetheit der Klage ist zum einen zu bemerken, daß die zur ordnungsgemäßen und
vollständigen Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Vorschriften nicht innerhalb der gesetzten Frist
erlassen worden sind.
12.
Zum anderen erfassen die von den Sozialpartnern getroffenen Vereinbarungen, was auch die
luxemburgische Regierung einräumt, nicht alle Unternehmen, auf die sich die Richtlinie bezieht. Im
übrigen haben die luxemburgischen Behörden nicht alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, damit
sie jederzeit gewährleisten können, daß die in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele erreicht werden,
wie es Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie verlangt.
13.
Demzufolge ist festzustellen, daß das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine
Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen hat, daß es nicht die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinienachzukommen, oder daß es sich nicht
vergewissert hat, daß die Sozialpartner mittels Vereinbarungen die erforderlichen Bestimmungen
eingeführt haben, und also nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um gewährleisten zu
können, daß die in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele erreicht werden.
Kosten
14.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, das Großherzogtum Luxemburg in die Kosten
zu verurteilen, und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der
Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines
Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und
Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und
Unternehmensgruppen verstoßen, daß es nicht die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder daß es
sich nicht vergewissert hat, daß die Sozialpartner mittels Vereinbarungen die
erforderlichen Bestimmungen eingeführt haben, und also nicht die erforderlichen
Maßnahmen getroffen hat, um gewährleisten zu können, daß die in der Richtlinie
vorgeschriebenen Ziele erreicht werden.
2. Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten des Verfahrens.
Kapteyn
Hirsch
Ragnemalm
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Oktober 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
J. C. Moitinho de Almeida
Verfahrenssprache: Französisch.