Urteil des EuGH vom 21.01.1999

EuGH: kommission, verordnung, firma, ausfuhr, strafrechtliche verantwortlichkeit, mitgliedstaat, behörde, ware, fristverlängerung, klagegrund

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
21. Januar 1999
Inhaltsverzeichnis
I — Zum Zuschlag von 10 % zu dem Betrag der von der Kommission festgesetzten Berichtigung der
Ausgaben für die Ausfuhrerstattungen für die Verwendung von Stärkeerzeugnissen und Zucker (Nrn. 4.4.2.1
und 4.5.1 des Zusammenfassenden Berichtes)
I - 4
II — Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach Polen (Nr. 6.1.2
des Zusammenfassenden Berichtes)
I - 7
Zur Einbeziehung von Beträgen aus dem Haushaltsjahr 1992 in den Rechnungsabschluß für das
Haushaltsjahr 1991
I - 9
Zum Umfang und zur Einhaltung der den nationalen Behörden bei der Gewährung der betreffenden
Ausfuhrerstattungen obliegenden Verpflichtungen
I - 10
Zur Nichtübernahme der Ausgaben in Höhe des Satzes der Ausfuhrerstattungen für Schlachtrinder
durch den EAGFL
I - 17
III — Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach dem Nahen und
Mittleren Osten (Fall Imex — Nr. 6.2.2 des Zusammenfassenden Berichtes)
I - 19
Zur Berichtigung in Höhe von 22 011 281,10 DM wegen nach dem 1. Januar 1986 begangener
Unregelmäßigkeiten
I - 20
Zur Berichtigung in Höhe von 25 024 493 DM wegen Ausfuhrerstattungen, die von 1981 bis 1987 auf
der Grundlage von Gewichtsmanipulationen von Zollhilfspersonen gezahlt worden sind
I - 24
Zu dem Betrag von 9 656 734,74 DM wegen der angeblich verspäteten Übermittlung bestimmter
Angaben durch die Bundesregierung im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens
I - 25
IV — Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Rindfleisch in
den Libanon (Fall Südfleisch — Nr. 6.2.3 des Zusammenfassenden Berichtes)
I - 29
V — Zur Berichtigung wegen der Ausfuhr von Rindfleisch nach Zimbabwe (Fall Barfuß — Nr. 6.2.4 des
Zusammenfassenden Berichtes für das Haushaltsjahr 1991 und Nr. 6.2.2 des Zusammenfassenden
Berichtes für das Haushaltsjahr 1990)
I - 34
„Rechnungsabschluß — EAGFL — Nichtanerkennung von Ausgaben — Haushaltsjahr 1991“
In der Rechtssache C-54/95
Bundesrepublik Deutschland,
Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte, D-53107 Bonn,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst,
Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/871/EG der Kommission vom 21. Dezember 1994 über den
Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die
Landwirtschaft (EAGFL, Abteilung Garantie) im Haushaltsjahr 1991 finanzierten Ausgaben (ABl. L 352, S. 82),
soweit dort ein Betrag von insgesamt 116 633 582,10 DM nicht als zu Lasten des EAGFL gehend anerkannt
worden ist
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn sowie der Richter G. Hirsch, H. Ragnemalm, R.
Schintgen und K. M. Ioannou (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. La Pergola
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 5. Februar 1998, in der die Bundesregierung durch
Regierungsdirektor Claus-Dieter Quassowski, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten, und die
Kommission durch Klaus-Dieter Borchardt vertreten waren,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. April 1998,
folgendes
Urteil
1.
Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 2. März 1995 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag Klage erhoben auf
Nichtigerklärung der Entscheidung 94/871/EG der Kommission vom 21. Dezember 1994 über den
Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds
für die Landwirtschaft (EAGFL, Abteilung Garantie) im Haushaltsjahr 1991 finanzierten Ausgaben (ABl. L
352, S. 82), soweit dort ein Betrag von insgesamt 116 633 582,10 DM nicht als zu Lasten des EAGFL
gehend anerkannt worden ist.
2.
In dem der Klageschrift beigefügten Zusammenfassenden Bericht über die Kontrollergebnisse für
den Rechnungsabschluß des EAGFL, Abteilung Garantie, für das Rechnungsjahr 1991 hatte die
Kommission festgestellt, daß folgende Beträge zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland gehen
müßten:
I — 1 031 451,17 DM als zehnprozentiger Zuschlag zu dem Betrag der von der Kommission
festgesetzten Berichtigung der Ausgaben für Ausfuhrerstattungen für die Verwendung von
Stärkeerzeugnissen und Zucker;
II — 54 275 090,69 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von
Lebendvieh nach Polen;
III — 56 692 508,70 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von
Lebendvieh nach dem Nahen und Mittleren Osten (Fall Imex);
IV — 997 814 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von
Rindfleisch in den Libanon (Fall Südfleisch);
V — 518 181 DM aufgrund der Berichtigung wegen Ausfuhr von Rindfleisch nach Zimbabwe (Fall
Barfuß);
VI — 3 118 563,54 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit
der Gewährung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger.
3.
In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland erklärt, sie nehme den Teil
ihrer Klage zurück, der den Betrag von 3 118 563,54 DM wegen Unregelmäßigkeiten im
Zusammenhang mit der Gewährung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger betreffe, da sie ihren
Streit mit der Kommission über diese Frage im Anschluß an das Urteil vom 3. Oktober 1996 in der
Rechtssache C-41/94 (Deutschland/Kommission, Slg. 1996, I-4733) beigelegt habe.
I — Zum Zuschlag von 10 % zu dem Betrag der von der Kommission festgesetzten
Berichtigung der Ausgaben für die Ausfuhrerstattungen für die Verwendung von
Stärkeerzeugnissen und Zucker (Nrn. 4.4.2.1 und 4.5.1 des Zusammenfassenden
Berichtes)
4.
Die Kommission führt in ihrem Zusammenfassenden Bericht aus, daß bei den
Rechnungsabschlußverfahren der Jahre 1988 bis 1990 die Ausgaben, die von den deutschen
Behörden für die Ausfuhrerstattungen für die Verwendung von Stärkeerzeugnissen und Zucker
gemeldet worden waren, jeweils berichtigt worden seien. Diese Berichtigungen seien vorgenommen
worden, weil die deutschen Behörden einigen Firmen zu deren Vorteil gestattet hätten, die Anträge
auf Ausstellung einer Erstattungsbescheinigung erst nach der Verarbeitung und nicht, wie nach den
Gemeinschaftsverordnungen vorgeschrieben, vor Verarbeitungsbeginn einzureichen.
5.
Die Bundesrepublik Deutschland focht die Berichtigungen für das Haushaltsjahr 1988 vor dem
Gerichtshof an. Der Gerichtshof wies ihre Klage mit Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-
54/91 (Deutschland/Kommission, Slg. 1993, I-3399) ab.
6.
Mit Fernschreiben vom 6. Oktober 1993 forderte die Kommission die deutschen Behörden auf, ihre
Verfahren entsprechend den Gemeinschaftsvorschriften zu ändern und den Dienststellen des EAGFL
diese Änderungen und das Datum ihres Inkrafttretens spätestens am 31. Januar 1994, an dem die
den Mitgliedstaaten gesetzte Frist für die Übermittlung zusätzlicher Auskünfte im Rahmen des
Rechnungsabschlusses für das Haushaltsjahr 1991 ablief, mitzuteilen.
7.
Nach dem Zusammenfassenden Bericht haben die
„deutschen Behörden erst lange nach der Frist für die Übermittlung der zusätzlichen Auskünfte (31.
Januar 1994) Kopien der nationalen Anweisungen zur Durchführung der geforderten Änderungen
übermittelt.
Wie für die vorangegangenen Haushaltsjahre wird eine pauschale Berichtigung in Höhe von 5 %
zuzüglich 10 % wegen der verspäteten Änderung der Verfahren vorgeschlagen.“
8.
Die Bundesregierung beanstandet in ihrer Klage nicht die vorgenommene Berichtigung, sondern
lediglich den Zuschlag von 10 % auf diese Berichtigung. Sie macht geltend, daß es keine
Rechtsgrundlage gebe, die der Kommission erlaube, im Rechnungsabschlußverfahren einen solchen
„Strafzuschlag“ festzusetzen, um eine verspätete Mitteilung von Maßnahmen zu ahnden, die ein
Mitgliedstaat getroffen habe, um einem Urteil des Gerichtshofes nachzukommen. Wenn die
Kommission die Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofes durch einen Mitgliedstaat ahnden
wolle, müsse sie das Verfahren des Artikels 171 Absatz 2 EG-Vertrag einhalten.
9.
Im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens hat die Kommission die von einem Mitgliedstaat für
ein bestimmtes Haushaltsjahr vorgelegten Rechnungen zu prüfen. Dieses Verfahren folgt dem
Grundsatz, daß allein die im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Ausgaben
zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehen (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1993 in der Rechtssache C-
55/91, Italien/Kommission, Slg. 1993, I-4813, Randnr. 67).
10.
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß im Haushaltsjahr 1991 die von der Bundesrepublik
Deutschland im Hinblick auf die Gewährung der betreffenden Ausfuhrerstattungen durchgeführten
Kontrollen nicht dem Gemeinschaftsrecht entsprachen und daß die deutschen Behörden der
Kommission innerhalb der von dieser gesetzten Frist für die Übermittlung zusätzlicher Auskünfte zu den
Rechnungen für das Haushaltsjahr 1991 keine Maßnahme mitgeteilt haben, mit denen diese
Kontrollen in Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften gebracht worden wären.
11.
Nach Fristablauf durfte die Kommission daher eine finanzielle Berichtigung vornehmen, die sich auf
100 % der Ausgaben für diese Erstattungen hätte belaufen können.
12.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Kommission in den Haushaltsjahren 1988 bis
1990 wegen des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits unter ähnlichen Umständen lediglich
eine Berichtigung der Ausgaben für diese Erstattungen um 5 % vorgenommen hatte. Hat nämlich die
Kommission Unregelmäßigkeiten aus Gründen der Billigkeit geduldet, so erwächst dem betreffenden
Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes daraus kein Recht, unter Berufung auf den
Grundsatz der Rechtssicherheit oder des
Vertrauensschutzes die gleiche Haltung für Unregelmäßigkeiten des folgenden Haushaltsjahres zu
fordern (vgl. Urteil Italien/Kommission, Randnr. 67).
13.
Daß die Kommission mangels fristgerechter Mitteilung der von den deutschen Behörden
getroffenen Maßnahmen den Berichtigungssatz um 10 % angehoben hat, stellt somit entgegen der
Auffassung der Bundesregierung weder eine Sanktion noch eine Strafe dar, sondern eine Handlung,
die sich im Rahmen der Festsetzung des von diesem Mitgliedstaat zu tragenden
Gesamtberichtigungssatzes hielt.
14.
Die Bundesregierung vertritt freilich die Auffassung, daß die verspätete Mitteilung der Maßnahmen,
die die Bundesrepublik Deutschland getroffen habe, um die Kontrollverfahren mit dem
Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen, den Zuschlag nicht rechtfertigen könne, da die 1993
getroffenen Maßnahmen keinesfalls Auswirkungen auf die im Haushaltsjahr 1991 durchgeführten
Kontrollen gehabt hätten, das Gegenstand des Rechnungsabschlusses gewesen sei.
15.
Zudem verstoße ein solcher Zuschlag gegen die Leitlinien, die die Kommission in ihrer Mitteilung
vom 3. Juni 1993 an den Ausschuß des Fonds (Dok. Nr. VI/216/93) bezüglich der Berechnung der
finanziellen Auswirkungen im Rahmen der Vorbereitung der Entscheidung über den
Rechnungsabschluß des EAGFL, Abteilung Garantie, festgelegt habe. Diesen seit der Erstellung des
Zusammenfassenden Berichtes für das Haushaltsjahr 1990 geltenden Leitlinien sei zu entnehmen,
daß die Vornahme einer finanziellen Berichtigung und dieFestlegung des entsprechenden Satzes
anhand einer „Beurteilung der realen Gefahr eines Verlustes von Gemeinschaftsmitteln, die sich aus
den Kontrollmängeln ergibt“, zu erfolgen hätten. Die Maßnahmen, die die Bundesrepublik Deutschland
1993 getroffen habe, könnten sich aber nicht rückwirkend auf die Ordnungsmäßigkeit der 1991
durchgeführten Kontrollen auswirken und damit die Verluste in diesem Haushaltsjahr beeinflussen.
16.
Die Bundesregierung zieht mit diesem Vorbringen nicht die Befugnis der Kommission in Zweifel,
Berichtigungsmaßnahmen, die ein Mitgliedstaat nach dem Haushaltsjahr, das Gegenstand des
Rechnungsabschlusses ist, trifft, zu berücksichtigen, um die finanzielle Berichtigung der Ausgaben in
diesem Haushaltsjahr zu verringern, selbst wenn die getroffenen Maßnahmen keine Auswirkungen auf
die Gefahr eines Verlustes von Gemeinschaftsmitteln in diesem Haushaltsjahr haben. Da die
Bundesregierung die Auffassung vertritt, daß die Kommission die Gesamtberichtigung noch weiter
hätte verringern müssen, erkennt sie diese Befugnis vielmehr implizit an.
17.
Das Vorbringen zu den Leitlinien der Kommission ist daher nicht schlüssig.
18.
Zudem kann der Umstand, daß die 1993 getroffenen Maßnahmen keine Auswirkungen auf die Höhe
der im Haushaltsjahr 1991 entstandenen Verluste haben, nicht dazu führen, daß aus der Befugnis der
Kommission, den Berichtigungsbetrag zu kürzen, eine Verpflichtung selbst in dem Fall würde, daß
der betreffende Mitgliedstaat die getroffenen Berichtigungsmaßnahmen nicht rechtzeitig mitgeteilt
hat. Folgte man der gegenteiligen Auffassung, so könnte dies für die Mitgliedstaaten, die
Berichtigungsmaßnahmen verspätet getroffen haben, einen Anreiz darstellen, sie der Kommission
nicht mitzuteilen.
19.
Der gegen diese Position der streitigen Entscheidung vorgebrachte Klagegrund ist somit
zurückzuweisen.
II — Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach
Polen (Nr. 6.1.2 des Zusammenfassenden Berichtes)
20.
Die der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten betreffen die Ausfuhr von
als reinrassige Zuchtrinder angemeldeten Rindern nach Polen. Für diese Rinder belief sich die im
entscheidungserheblichen Zeitraum gewährte Ausfuhrerstattung auf 98 ECU/100 kg, während sie für
andere Rinder 55,5 ECU/100 kg betrug.
21.
Der Zusammenfassende Bericht enthält hierzu folgende Feststellungen:
„Die spektakuläre Zunahme der Ausfuhren von reinrassigen Zuchtrindern aus Deutschland ... nach
Polen hat den EAGFL veranlaßt, in den Monaten November 1991 und April 1992 ... Untersuchungen ...
durchzuführen.
Die dabei ... gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluß zu, daß es sich um Rinder handelte, die in
betrügerischer Absicht als reinrassige Zuchtrinder deklariert worden waren.
...
Die wichtigste Feststellung in diesem Zusammenhang ist die, daß es in bezug auf die Einreihung der
Rinder bei der Position .Reinrassige Zuchtrinder' keinerlei Vorschriften gab, mit denen hätte
garantiert werden können, daß es sich bei den ausgeführten Tieren tatsächlich um Zuchtrinder
handelte (in dem wirtschaftlichen Sinn, daß sie zur Zucht verwendet werden sollten):
— Es fehlten die Abstammungsnachweise, die Zuchtwertbescheinigungen und die
Zuchtbescheinigungen;
— es gab keine Veterinäranalysen im Hinblick auf die Leistungsprüfung (bzw. keine
Veterinärkontrollen im Hinblick auf die Schlachtung);
— demgegenüber gab es Informationen und Hinweise, die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben
hätten aufkommen lassen müssen (Alter der Tiere, sehr niedriger Verkaufspreis, unbekannte Käufer
usw.).
Außerdem haben Informationen, die in Polen ohne weiteres zu erhalten waren, bestätigt, daß die Tiere
sofort nach ihrer Ankunft in Polen geschlachtet worden sind.
...
Für Deutschland ergibt sich aus den Ausfuhrstatistiken, daß Ausfuhren von reinrassigen Zuchtrindern
nach Polen vor 1991 praktisch inexistent waren (1989: 374 Stück, 1990: 166 Stück). 1991 wurden
dann auf einmal mehr als 57 000 Stück ausgeführt. Nach einer Verbesserung der innerstaatlichen
Rechtsvorschriften (ab 18.10.1991) ist die Zahl fast sofort deutlich zurückgegangen und lag 1992
erneut bei nur noch 9 300 Stück (davon 7 500 vor April 1992).
Da also alle Ausfuhren spekulativ waren, kann der Bitte des Mitgliedstaats [auf Übernahme der
Ausgaben zu Lasten des EAGFL in Höhe des für Schlachttiere vorgesehenen Satzes] nicht
stattgegeben werden.
Die Kommissionsdienststellen kommen abschließend zu folgenden Schlüssen:
...
(ii) Deutschland hat aufgrund des Ausmaßes des Problems seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften
mit Wirkung vom 18.10.1991 verbessert. Eine zusätzliche Kontrolle der ab diesem Zeitpunkt getätigten
Ausgaben hat denn auch ergeben, daß fast unmittelbar danach die Probleme in diesem Bereich
aufgehört haben.
(iii) Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen wurden die finanziellen Berichtigungen wie folgt
festgesetzt:
— Deutschland: Haushaltsjahr 1991: DM 56 542 011,69
Haushaltsjahr 1992:
— betroffene Ausgaben DM 15 694 754,87
— unter Berücksichtigung der
Änderung der innerstaatlichen
Vorschriften ab 18.10.1991 zur
Finanzierung zugelassene
Ausgaben
DM 12 974 820,87
DM 2 719 934,00
INSGESAMT DM 59 261 945,69
— festgestellte und dem EAGFL
mitgeteilte Unregelmäßigkeiten
(Artikel 3 Nr. DE/92/001/B und
Nr. DE/92/002/B DM - 4 986 855
Posten ...: Betrag der Berichtigung DM 54 275 090,69“
22.
Aus den Akten geht ferner hervor, daß die Kommission in einem Schreiben vom 24. Juni 1992 an die
Bundesregierung, das letztere mit Schreiben vom 23. Oktober 1992 beantwortete, erläuterte, daß sich
die deutschen Behörden nicht mit der schlichten Vorlage der Kontrollexemplare T 5 und der von den
Züchtervereinigungen als Abstammungsnachweis-Zuchtbescheinigung ausgestellten
Bescheinigungen, in denen Hinweise auf die Leistung, den genetischen Wert und die Abstammung der
Tiere gänzlich gefehlt hätten (oder in manchen Fällen nur auf die Eltern begrenzt gewesen seien),
hätten begnügen dürfen, sondern daß sie die besondere Verwendung der ausgeführten Tiere zu
Zuchtzwecken hätten prüfen und die Vorlage von Abstammungsnachweisen hätten verlangen
müssen, aus denen die Abstammung der Tiere vollständig, d. h. über zwei Generationen, ebenso
hervorgegangen wäre wie ihre Leistung und die Beurteilung ihres genetischen Wertes.
23.
Diese Verpflichtungen ergäben sich aus der Bezeichnung der Tiere als „Zuchttiere“ entsprechend
der Erstattungsnomenklatur der Artikel 5 Absatz 1 und 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der
Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für
Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) und des Artikels 1 der
Verordnung (EWG) Nr. 1544/79 der Kommission vom 24. Juli 1979 über die Anwendung von
Ausfuhrerstattungen für reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 187, S. 8) in Verbindung mit den Artikeln 1 und
6 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 206, S.
8).
24.
Die Auffassung der Kommission, die ausgeführten Tiere seien nicht zur Zucht bestimmt gewesen,
werde auch dadurch bestätigt, daß bei diesen Leukose bestanden habe.
25.
Der Streit der Parteien betrifft drei Fragen, und zwar die Einbeziehung von Beträgen aus dem
Haushaltsjahr 1992 in den Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991, den Umfang und die
Einhaltung der den nationalen Behörden bei der Gewährung der betreffenden Ausfuhrerstattungen
obliegenden Verpflichtungen und schließlich die Nichtübernahme der Ausgaben für
Ausfuhrerstattungen in Höhe des Satzes für Schlachtrinder durch den EAGFL.
26.
Die Bundesregierung macht in ihrer Erwiderung geltend, daß die von der Kommission
vorgenommene Berichtigung rechtswidrig sei, da sie Beträge aus dem Haushalt 1992 in den
Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991 einbezogen habe. Beträge aus späteren
Haushaltsjahren könnten nämlich nur in den Rechnungsabschlüssen der Folgejahre berichtigt
werden, da ein Vorgriff in der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die
Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) nicht vorgesehen sei. Außerdem seien
die in den einzelnen Haushaltsjahren angelasteten Beträge unrichtig.
27.
Die Kommission macht geltend, daß dieser Klagegrund verspätet vorgebracht worden und daher als
unzulässig zurückzuweisen sei.
28.
Nach Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes können neue Angriffs- und
Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf
rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage
getreten sind.
29.
Die Aufnahme der Beträge aus dem Haushaltsjahr 1992 in den Rechnungsabschluß für das
Haushaltsjahr 1991 ergab sich bereits aus dem Zusammenfassenden Bericht.
30.
Die Bundesregierung konnte sich daher in ihrer Klageschrift auf diesen Klagegrund berufen, hat
dies aber nicht getan.
31.
Somit ist dieser Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen.
32.
Die Bundesregierung macht zunächst geltend, die Behauptung der Kommission, daß der größte Teil
der nach Polen ausgeführten Tiere sofort geschlachtet worden sei, was beweise, daß es sich in
Wirklichkeit um Schlachttiere gehandelt habe, beruhe nicht auf berechtigten Zweifeln, wie sie die
Rechtsprechung des Gerichtshofes verlange. Die Kommission sei auch den Nachweis dafür schuldig
geblieben, daß bei diesen Tieren Leukose bestanden habe. So habe sie keine Unterlagen vorgelegt,
nach denen die strengen Gesundheitskontrollen, denen die Einfuhr reinrassiger Zuchtrinder in Polen
unterliege und die u. a. die Vorlage einer von einem Amtstierarzt ausgestellten Bescheinigung
umfaßten, bei den streitigen Einfuhren nicht durchgeführt worden seien.
33.
Die Kommission bestreitet dieses Vorbringen und beruft sich insbesondere darauf, daß a) die
Ausfuhren reinrassiger Zuchtrinder nach Polen im Jahr 1991 explosionsartig angestiegen seien, b) der
polnische Markt wegen der schwierigen Situation der polnischen Landwirtschaft in jener Zeit eine
solch große Menge an Zuchtrindern nicht habe aufnehmen können, was durch die Angaben des
Leiters des polnischen Veterinärdienstes Maleszewski bestätigt werde, wonach Polen von
einigen Ausnahmen abgesehen zur damaligen Zeit lediglich Schlachtvieh eingeführt habe, und c) in
einem Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 12.
November 1991 u. a. ausgeführt werde: „Tatsächlich erfüllten die Tiere lediglich die
Veterinärbedingungen für Schlachttiere und nicht die höheren Anforderungen für Zuchttiere, da sie
nicht leukosefrei waren.“
34.
Die Bundesregierung entgegnet, daß die vermehrten Ausfuhren hauptsächlich mit der besonderen
Situation der neuen Länder nach der Wiedervereinigung Deutschlands zu tun gehabt hätten, da diese
die Auflösung vieler landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften zur Folge gehabt und dies
wiederum den Verkauf und die Ausfuhr der Tiere bedingt habe.
35.
Verweigert die Kommission die Übernahme bestimmter Ausgaben zu Lasten desEAGFL mit der
Begründung, daß sie durch diesem Staat vorzuwerfende Verletzungen von Gemeinschaftsregelungen
veranlaßt worden seien, so ist sie nicht verpflichtet, die Unrichtigkeit der von den Mitgliedstaaten
übermittelten Angaben umfassend darzulegen, sondern braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den
von den nationalen Stellen mitgeteilten Zahlen berechtigte Zweifel bestehen. Diese Erleichterung der
Beweislast der Kommission beruht darauf, daß der Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den
Rechnungsabschluß des EAGFL erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen, so daß es
ihm obliegt, die Richtigkeit seiner Zahlen eingehend und vollständig nachzuweisen und so
gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen der Kommission darzutun (vgl. Urteil vom 10.
November 1993 in der Rechtssache C-48/91, Niederlande/Kommission, Slg. 1993, I-5611, Randnrn. 16
und 17).
36.
Die spektakuläre Zunahme der deutschen Ausfuhren von reinrassigen Zuchtrindern nach Polen,
die von 166 Tieren im Jahr 1990 auf 57 366 Tiere im Jahr 1991 angestiegen waren und 1992 nach der
Verschärfung der deutschen Rechtsvorschriften wieder drastisch auf 9 300 Tiere sanken (von denen 7
500 bis April 1992 ausgeführt wurden), stellt einen Anhaltspunkt dar, der mangels einer
überzeugenden Erklärung berechtigte Zweifel an der Qualität der ausgeführten Rinder begründen
kann. Das Vorbringen der Bundesregierung, daß dieser Anstieg auf die Auflösung vieler
landwirtschaftlicher Genossenschaften in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung
zurückzuführen sei, ist nicht durch genaue Zahlen belegt. Ferner hat die Bundesregierung nicht
nachgewiesen, daß es trotz der schwierigen Lage, in der sich die polnische Landwirtschaft befand, im
maßgeblichen Zeitraum in Polen eine Nachfrage nach einer derart großen Menge an Zuchtrindern
gegeben hätte.
37.
Zudem hat die Bundesregierung weder den Inhalt des vorgenannten Schreibens des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 1991 noch die
erwähnten Aussagen des Leiters des polnischen Veterinärdienstes bestritten, nach denen die Tiere
lediglich die Veterinärbedingungen für
Schlachttiere erfüllten, sie nicht leukosefrei waren und sie bis auf wenige Ausnahmen als Schlachtvieh
nach Polen eingeführt wurden.
38.
Daher ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.
39.
Die Bundesregierung rügt weiter die Auffassung der Kommission, daß die nationalen Stellen nach
dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet seien, vor der Auszahlung der beantragten Ausfuhrerstattungen
Nachweise für die besondere Verwendung der betreffenden Rinder zu Zuchtzwecken zu verlangen. Aus
dem Gemeinschaftsrecht habe sich zur maßgeblichen Zeit keine solche Verpflichtung ergeben.
40.
So sei insbesondere Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87, auf den sich die Kommission
berufe, nicht anwendbar, da keiner der beiden darin abschließend aufgezählten Fälle vorliege. Es
hätten nämlich weder Zweifel am Erreichen der tatsächlichen Bestimmung der Ware bestanden, da
die für Polen bestimmten Rinder tatsächlich in dieses Land eingeführt und dort vermarktet worden
seien; wegen der strengen Kontrollen, die die Bundesrepublik Deutschland durchgeführt habe, habe
auch nicht die Gefahr einer Wiedereinfuhr in die Gemeinschaft bestanden, obgleich die Abgaben auf
die Einfuhr solcher Tiere in die Gemeinschaft 1991 auf 0 ECU festgesetzt worden seien.
41.
Entgegen der Auffassung der Bundesregierung ergibt sich die Verpflichtung, deren Bestehen sie
bezweifelt, aus mehreren Gemeinschaftsvorschriften.
42.
Zunächst ist das einzige Merkmal, das ein entsprechend der Erstattungsnomenklatur als
„reinrassiges Zuchtrind“ bezeichnetes Tier, für das die Ausfuhrerstattung zur maßgeblichen Zeit 98
ECU/100 kg betrug, von anderen Rindern unterscheidet, für die sich die Erstattung auf 55,5 ECU/100
kg belief, seine besondere Verwendung zu Zuchtzwecken. Daraus folgt, daß nur diese besondere
Verwendung die Gewährung der höchsten Ausfuhrerstattung rechtfertigt. Ob dieses Merkmal vorliegt,
ist also bei der Gewährung der entsprechenden Erstattung notwendig zu prüfen.
43.
Außerdem heißt es in Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87:
„Außer von der Voraussetzung, daß das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hat, ist
die Zahlung der einheitlichen oder unterschiedlichen Erstattung davon abhängig, daß das Erzeugnis
... in ein Drittland eingeführt wurde, es sei denn, daß es im Laufe der Beförderung infolge höherer
Gewalt untergegangen ist,
a) wenn ernste Zweifel am Erreichen der tatsächlichen Bestimmung des Erzeugnisses bestehen
oder
b) wenn bei dem Erzeugnis aufgrund des Unterschieds zwischen dem für das ausgeführte Erzeugnis
anzuwendenden Erstattungsbetrag und den für ein gleichartiges Erzeugnis zum Zeitpunkt der
Annahme der Ausfuhranmeldung geltenden Eingangsabgaben die Möglichkeit besteht, daß es in die
Gemeinschaft wieder eingeführt wird.
...“
44.
Bei dem in Buchstabe a beschriebenen Fall könnte man den Begriff „Bestimmung“ nach dem
Wortlaut dieser Vorschrift auf den ersten Blick tatsächlich im rein geographischen Sinne verstehen, so
daß sie lediglich im Fall eines Betruges hinsichtlich der territorialen Bestimmung des ausgeführten
Erzeugnisses anwendbar wäre.
45.
Eine solche Auslegung widerspräche jedoch dem Zweck von Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr.
3665/87, die nach ihrer vierten Begründungserwägung gerade Erstattungsmißbräuche verhindern
soll. Die Erstattungen sollen den Unterschied zwischen dem höheren Gemeinschaftspreis für das
betreffende Erzeugnis und dem niedrigeren Preis auf dem Markt des Drittlands, in das es ausgeführt
wird, ausgleichen. Bei einem Erzeugnis, dessen Preis — und damit der anwendbare Erstattungssatz —
von seiner tatsächlichen Verwendung abhängt, können sich Mißbräuche auch daraus ergeben, daß
die tatsächliche Verwendung, d. h. die wirkliche Bestimmung im funktionellen Sinn des Begriffes, nicht
die besondere Verwendung des Erzeugnisses ist, für die die Erstattung beantragt wird. Daraus folgt,
daß der Begriff „Bestimmung“ in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3665/87 nicht nur
im geographischen, sondern auch im funktionellen Sinn zu verstehen ist.
46.
In dem in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3665/87 geregelten Fall muß die
Gefahr einer Wiedereinfuhr des ausgeführten Erzeugnisses in die Gemeinschaft bestehen; zu dieser
Wiedereinfuhr braucht es aber nicht tatsächlich gekommen zu sein.
47.
Nach alledem war im vorliegenden Fall sowohl der Tatbestand des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a
der Verordnung Nr. 3665/87 als auch derjenige des Buchstaben b erfüllt. In Anbetracht der
spektakulären Zunahme der deutschen Ausfuhren reinrassiger Zuchtrinder nach Polen bestanden
ernste Zweifel an der tatsächlichen Bestimmung der ausgeführten Tiere. Darüber hinaus bestand
wegen des Unterschieds zwischen dem 1991 für reinrassige Zuchtrinder geltenden Erstattungsbetrag
(98 ECU/100 kg) und den damals für dieses Erzeugnis geltenden Eingangsabgaben (0 ECU)
unabhängig von der Strenge der Kontrollen, die die Bundesrepublik Deutschland bei der Einfuhr
solcher Tiere durchführte, die Gefahr der Wiedereinfuhr der ausgeführten Tiere in die Gemeinschaft.
48.
Daher waren die deutschen Stellen gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87
verpflichtet, zu prüfen, ob die betreffenden Tiere als reinrassige Zuchtrinder nach Polen eingeführt
wurden. Sie hätten also bei der Ausfuhr Nachweise für die besondere Verwendung dieser Tiere
verlangen müssen.
49.
Schließlich ergibt sich die Pflicht der deutschen Stellen zur Prüfung der besonderen Verwendung
der betreffenden Tiere zu Zuchtzwecken auch aus Artikel 13 der Verordnung Nr. 3665/87, wonach
„eine Ausfuhrerstattung ... nicht gewährt [wird], wenn die Erzeugnisse nicht von gesunder und
handelsüblicher Qualität sind ...“ Ein als „reinrassiges Zuchtrind“ bezeichnetes Tier kann nicht von
handelsüblicher Qualität sein, wenn es nicht die Eigenschaften aufweist, die seine Eignung für die
besondere Verwendung zu Zuchtzwecken gewährleisten.
50.
Die Bundesregierung vertritt jedoch die Auffassung, daß die Kommission hätte einschreiten und die
geeigneten Maßnahmen treffen müssen, um das Problem der Ausfuhr reinrassiger Zuchtrinder zu
regeln. Namentlich habe die Kommission die Bundesrepublik Deutschland nicht aufgefordert, Artikel 5
Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 anzuwenden, wie es Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 vorsehe,
wo es heiße: „Bestehen ernste Zweifel an der tatsächlichen Bestimmung der Erzeugnisse, so kann die
Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, Absatz 1 anzuwenden.“
51.
Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 ist es Sache der Mitgliedstaaten, gemäß den
einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um
sich zu vergewissern, daß die durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen tatsächlich und
ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Nach der achten Begründungserwägung der Verordnung
Nr. 729/70 sind „Prüfungen durch Bedienstete der Kommission und die Möglichkeit ..., daß die
Kommission die Hilfe der Mitgliedstaaten in Anspruch nimmt“, zur „Ergänzung der von den
Mitgliedstaaten auf eigene Initiative durchgeführten Kontrollen, denen nach wie vor die
Hauptbedeutung zukommt“, vorgesehen. Daraus folgt, daß die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten
bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen unabhängig davon
bestehen, welche Maßnahmen die Kommission trifft.
52.
Diese Aufgabenverteilung findet ihren Ausdruck auch im Wortlaut des Artikels 5 Absatz 2
Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 3665/87, der darüber hinaus keine Verpflichtung, sondern nur eine
Befugnis der Kommission begründet. Macht sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch, so rechtfertigt
dies somit nicht, daß ein Mitgliedstaat seine eigenen Verpflichtungen aus Artikel 5 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 3665/87 verletzt.
53.
Dieses Vorbringen der Bundesregierung ist daher zurückzuweisen.
54.
Die Bundesregierung hält schließlich die Auffassung der Kommission für unzutreffend, daß die
deutschen Stellen ihre Verpflichtung verkannt hätten, zur Prüfung der Eignung der ausgeführten Tiere
zur besonderen Verwendung zu
Zuchtzwecken und somit zur Gewährleistung ihrer handelsüblichen Qualität die Vorlage von
Abstammungsnachweisen zu verlangen, aus denen die Abstammung der Tiere über zwei Generationen
sowie ihre Leistung und die Beurteilung ihres Zuchtwerts hervorgegangen wären.
55.
Sie macht geltend, daß es im fraglichen Zeitraum keine gemeinschaftsrechtliche Regelung
gegeben habe, nach der die Kontrolle der Qualität der ausgeführten Tiere durch die nationalen
Behörden die Vorlage der von der Kommission genannten Bescheinigungen umfaßt hätte, da diese
damals von der Möglichkeit des Artikels 6 der Richtlinie 77/504, gegenüber den Mitgliedstaaten
bestimmte einheitliche Kriterien für die Vorlage und den Inhalt dieser Bescheinigungen festzulegen,
noch nicht Gebrauch gemacht habe. Solche Maßnahmen seien erst mit der nach dem maßgeblichen
Zeitraum erlassenen Verordnung (EWG) Nr. 2342/92 der Kommission vom 7. August 1992 über die
Einfuhr von reinrassigen Zuchtrindern aus Drittländern, die Gewährung von Erstattungen bei ihrer
Ausfuhr und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1544/79 (ABl. L 227, S. 12) getroffen worden.
56.
Daher könne der Bundesrepublik Deutschland kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie
nationale Abstammungsnachweise als Nachweis der Zuchttiereigenschaft anerkannt habe. Da ein Tier
gemäß Artikel 1 der Richtlinie 77/504 als „reinrassiges Zuchtrind“ gelte, wenn es in ein Zuchtbuch
eingetragen werden könne, es also nicht eingetragen sein müsse, reiche es für die Anerkennung
dieser Eigenschaft jedenfalls aus, wenn Abstammungsnachweise nachträglich erstellt oder vorgelegt
würden.
57.
Die Kommission entgegnet, daß sich die Verpflichtung, die Vorlage von Abstammungsnachweisen zu
verlangen, aus denen die Abstammung, die Zuchtleistung und die Beurteilung des genetischen
Wertes der Tiere hervorgehe, aus Artikel 1 der Verordnung Nr. 1544/79 in Verbindung mit den Artikeln
1 und 6 der Richtlinie 77/504 ergebe. Die im August 1992 erlassene Verordnung Nr. 2342/92 stelle
lediglich die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1544/79 und der Richtlinie 77/504 bestehende
Rechtslage klar, um jeden in den Mitgliedstaaten eventuell noch bestehenden Zweifel über den
Umfang und den Inhalt der Kontrollen bei der Ausfuhr von reinrassigen Zuchtrindern zu beseitigen.
58.
Die Beurteilung der handelsüblichen Qualität der ausgeführten Tiere durch die nationalen
Behörden umfasse zwei Prüfungsphasen. In der ersten Phase müßten sich die nationalen Behörden
vergewissern, daß die tatsächlich ausgeführten Tiere den Angaben in der Ausfuhranmeldung
entsprächen; in der zweiten Phase hätten sie zu prüfen, ob die tatsächlich ausgeführten Tiere auf der
Grundlage der den wirtschaftlichen Wert eines reinrassigen Zuchtrinds ausmachenden Merkmale von
handelsüblicher Qualität seien. Daß Artikel 1 der Richtlinie 77/504 lediglichverlange, daß das Tier in
ein Zuchtbuch eingetragen werden könne, sei nur für die Feststellung der Identität zwischen den in
der Ausfuhranmeldung angegebenen und
den tatsächlich ausgeführten Tieren in der ersten Prüfungsphase erheblich. Stehe diese Identität
einmal fest, so umfasse die zweite Prüfungsphase zwangsläufig die Kontrolle der Leistung und der
Angaben zum genetischen Wert, da der Nutzwert der Rinder zur Zucht und damit ihr wirtschaftlicher
Wert nur aufgrund dieser Angaben festgestellt werden könne.
59.
Nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 1544/79 „[gelten Rinder] zur Gewährung der
Ausfuhrerstattungen ... als reinrassige Zuchtrinder der Tarifstelle 01.02 A I des Gemeinsamen
Zolltarifs, wenn sie der Definition von Artikel 1 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977
entsprechen“.
60.
Gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/504 ist ein reinrassiges Zuchtrind „jedes Rind,
dessen Eltern und Großeltern in einem Zuchtbuch derselben Rasse eingetragen oder vermerkt sind
und das dort selbst entweder eingetragen ist oder vermerkt ist und eingetragen werden könnte“.
61.
Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie bestimmt ferner, daß die Gemeinschaftsstellen folgendes
festsetzen:
„— die Methoden der Leistungsprüfung und der Feststellung des Zuchtwerts der Rinder;
...
— die Kriterien für die Eintragung in die Zuchtbücher;
— die Angaben für die Zuchtbescheinigung“.
62.
Nach den Artikeln 1 Buchstabe a und 6 Absatz 1 der Richtlinie 77/504 sind die Abstammung von
zwei Generationen von Zuchttieren, die Leistungsprüfung und die Feststellung des Zuchtwerts sowie
die Ausstellung einer Zuchtbescheinigung allesamt Kriterien, die gewährleisten sollen, daß das
betreffende Tier die Eigenschaften eines reinrassigen Zuchtrinds aufweist.
63.
Hinzu kommt, daß die Kommission bezüglich des Handels zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund
von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 77/504 die Entscheidung 86/130/EWG vom 11. März 1986 über die
Methoden der Leistungs- und Zuchtwertprüfung bei reinrassigen Zuchtrindern (ABl. L 101, S. 37) und
die Entscheidung 86/404/EWG vom 29. Juli 1986 zur Festlegung des Musters und der Angaben für die
Zuchtbescheinigung für reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 233, S. 19) erlassen hat.
64.
Nach Artikel 1 Absatz 2 der letzteren Entscheidung gehören zu den Angaben, die eine
Zuchtbescheinigung enthalten muß, „die Ergebnisse der Leistungsprüfungen und die Ergebnisse —
mit Angabe des Ursprungs — der Feststellung des Zuchtwerts des Tieres und seiner Eltern und
Großeltern“. Die Verwendung einer dem Muster
entsprechenden Zuchtbescheinigung ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, doch kann auf sie nach
der dritten Begründungserwägung der Entscheidung 86/404 nur verzichtet werden, „wenn die in
dieser Entscheidung vorgesehenen Angaben in den Begleitunterlagen für die betreffenden
reinrassigen Zuchtrinder im innergemeinschaftlichen Handel bereits vorliegen“.
65.
Nach alledem enthielt das im maßgeblichen Zeitraum geltende Gemeinschaftsrecht hinreichende
Angaben darüber, wie die deutschen Behörden hätten prüfen müssen, ob die nach Polen
ausgeführten Tiere tatsächlich für die Zucht bestimmt waren, selbst wenn die Gemeinschaftsorgane
damals noch keinen Rechtsakt erlassen hatten, der formal und ausdrücklich die für diese Prüfung
geltenden Nachweisformalitäten bei zur Ausfuhr in Drittländer bestimmten reinrassigen Zuchtrindern
vorgeschrieben hätte.
66.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes erlegt Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70,
der eine Ausgestaltung der Pflichten der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 EG-Vertrag für diesen
besonderen Bereich darstellt, den Mitgliedstaaten nämlich die allgemeine Verpflichtung auf, alle
Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen
tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, auch wenn der besondere
Gemeinschaftsrechtsakt nicht ausdrücklich eine bestimmte Kontrollmaßnahme vorschreibt (vgl. Urteil
vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-2/93, Exportslachterijen van Oordegem, Slg. 1994, I-2283,
Randnrn. 17 und 18).
67.
Der Klagegrund der Bundesregierung, es habe keine Gemeinschaftsvorschrift gegeben, nach der
die Kontrolle der Qualität der ausgeführten Tiere die Vorlage der von der Kommission genannten
Nachweise umfaßt hätte, ist daher zurückzuweisen.
68.
Nach alledem ist der Einwand der Bundesregierung, die Kommission habe keine Maßnahmen
getroffen, um dem Problem der Ausfuhr von Zuchtrindern nach Polen zu begegnen, weshalb sie ihre
ergänzende Aufgabe im Rahmen der Verordnung Nr. 729/70 nicht erfüllt und somit ihrer Pflicht zur
loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten nach Artikel 5 EG-Vertrag nicht nachgekommen sei,
ebenfalls zurückzuweisen.
69.
Hilfsweise rügt die Bundesregierung die Auffassung der Kommission, daß der EAGFL die Ausgaben
der Bundesrepublik Deutschland für die Zahlung der Erstattungen nicht in Höhe des für die Ausfuhr
von Schlachtrindern vorgesehenen Satzes habe übernehmen müssen, da alle diese Ausfuhren
spekulativ in dem Sinne gewesen seien, daß sie nur wegen des höheren Erstattungssatzes
durchgeführt worden seien. Sie macht hierzu geltend, daß die Mitgliedstaaten auf die Höhe des
festgesetzten Erstattungssatzes keinen Einfluß hätten und daher auch nicht die finanziellen
Belastungen für die daraufhin durchgeführten Ausfuhren zu tragen hätten.
70.
Die Kommission entgegnet, daß die Bundesregierung den Bedeutungsgehalt ihres Hinweises auf
den spekulativen Charakter der streitigen Ausfuhren verkenne. Die Ablehnung der Kommission sei
dadurch zu erklären, daß eine Anrechnung der bei ordnungsgemäßer Durchführung der Ausfuhren zu
gewährenden Erstattungen dem Rechnungsabschlußverfahren völlig fremd sei, da dieses keine
Gewinn-/Verlust-Rechnung enthalte, sondern allein auf der Kontrolle der Anwendung des
Gemeinschaftsrechts beruhe. Um im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens in den Genuß der
Erstattung für die tatsächlich ausgeführten Schlachtrinder zu kommen, hätte nachträglich gemäß
Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur
Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) die Erstellung einer neuen, auf die
Ausfuhr von Schlachtvieh lautenden Zollanmeldung beantragt werden müssen.
71.
Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2913/92 bestimmt:
„Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, daß bei der Anwendung der Vorschriften über das
betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist,
so treffen die Zollbehörden unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die
erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen
Umstände zu regeln.“
72.
Die Bundesregierung erwidert, daß Artikel 78 der Verordnung Nr. 2913/92 nicht die Erstellung einer
neuen Zollanmeldung verlange. Dieser Bestimmung sei lediglich zu entnehmen, daß die Zollbehörden
die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hätten, wenn die nachträgliche Prüfung der Zollanmeldung
ergebe, daß bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen
oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden sei.
73.
Die Kommission entgegnet, daß der Hinweis auf Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2913/92
lediglich den Weg andeute, auf dem eine nachträgliche Berichtigung der Zollanmeldung möglich sei.
Im vorliegenden Fall seien die Nachweise für die Ausfuhr der Tiere nach Polen (Beförderungspapiere
und polnische Zolldokumente) unbestreitbar nicht geführt worden. Deshalb komme eine Anrechnung
der Erstattungsbeträge, die für die Ausfuhr von Schlachtvieh zu zahlen gewesen wäre, nicht in Frage.
74.
Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 „werden die Erstattungen bei der Ausfuhr
nach dritten Ländern finanziert, die nach den Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen
Organisation der Agrarmärkte gewährt werden“.
75.
Von den nationalen Behörden gezahlte Ausfuhrerstattungen können nicht als nach den
Gemeinschaftsvorschriften gewährt angesehen werden, wenn die tatsächlich ausgeführte Ware
infolge eines dem Ausführer zurechenbaren Verhaltens nicht der angemeldeten Ware entspricht.
76.
Die Bundesregierung bestreitet im Rahmen dieses Klagegrundes nicht, daß die Ausführer, um in
den Genuß des höheren Erstattungssatzes zu kommen, bewußt angegeben hatten, die ausgeführten
Tieren seien reinrassige Zuchtrinder, während es sich in Wirklichkeit um Schlachtvieh handelte.
77.
Daraus folgt, daß eine Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen in Höhe des für Schlachtvieh
vorgesehenen Satzes nur möglich wäre, wenn die Zollanmeldungen für die Ausfuhr von reinrassigen
Zuchtrindern auf Vorlage der nach der Gemeinschaftsregelung für die Ausfuhr von Schlachtvieh
erforderlichen Unterlagen (tierärztliche Bescheinigungen, Beförderungspapiere, polnische
Zolldokumente usw.) nachträglich berichtigt worden wären.
78.
Nach dem Vorbringen der Kommission, dem die Bundesregierung nicht widersprochen hat, ist eine
solche Berichtigung der Zollanmeldungen aber nicht erfolgt.
79.
Daher hat die Kommission die Übernahme der Ausgaben in Höhe des für Schlachtvieh
vorgesehenen Satzes durch den EAGFL zu Recht abgelehnt.
80.
Dieser Klagegrund ist somit ebenfalls zurückzuweisen.
III — Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach
dem Nahen und Mittleren Osten (Fall Imex — Nr. 6.2.2 des Zusammenfassenden Berichtes)
81.
Den Akten zufolge ist die streitige Berichtigung in Höhe von insgesamt 56 692 508,70 DM die
Summe dreier Beträge, die auf drei unterschiedlichen Sachverhaltskomplexen beruhen, die aber alle
unter verschiedenen Aspekten mit dem Fall der Firma Imex zusammenhängen, deren betrügerische
Handlungen sich auf die Zeit von 1981 bis 1987 erstreckten.
82.
Die Kommission hat es abgelehnt, folgende Beträge dem Gemeinschaftshaushalt anzulasten: a) 22
011 281,10 DM aufgrund der Berichtigung wegen nach dem 1. Januar 1986 begangener
Unregelmäßigkeiten, b) 25 024 493 DM aufgrund der Berichtigung bezüglich Ausfuhrerstattungen, die
von 1981 bis 1987 aufgrund von bei der Ausfuhr durch Zollhilfspersonen vorgenommenen
Gewichtsmanipulationen gezahlt worden sind, und c) 9 656 734,74 DM aufgrund der Berichtigung
wegen angeblich verspäteter Übermittlung einiger Angaben der Bundesregierung im Rahmen des
Rechnungsabschlußverfahrens.
83.
Im Zusammenfassenden Bericht (Nr. 6.2.2) werden folgende Feststellungen getroffen:
„[Die Firma Imex] hat verschiedene Betrügereien begangen: falsche Ankunftsnachweise (gefälschte
Zollstempel, Erstellung von Ankunftsnachweisen auf Blankoformularen) oder Manipulationen bei den
Mengen (bei der Ausfuhr) bzw. eine Kombination daraus.
...
Nach Auffassung des EAGFL sind die Erfolge bei dieser Ermittlung unbestreitbar. Aufgrund einer
Aussage vom 20.10.1987 wurde am 28.10.1987 mit den Ermittlungen begonnen. Fast unmittelbar
danach hörte der illegale Handel auf, und im Januar 1988 meldete das Unternehmen (einer der
wichtigsten Viehhandelsbetriebe in Deutschland) Konkurs an.
Dennoch bleibt festzustellen, daß der Mitgliedstaat sehr viel früher Kontrollen hätte durchführen
können und müssen:
— Bereits im Juni 1985 hatte ein LKW-Fahrer beim deutschen Zoll über Gewichtsmanipulationen
ausgesagt.
— Im Oktober 1985 hatte Frankreich Deutschland seine Feststellungen in bezug auf überhöhte
Gewichtsangaben bei den Ausfuhren von Lebendrindern aus Deutschland mitgeteilt.
— Im November 1985 und im März 1986 (Erinnerung) hat der EAGFL dem Mitgliedstaat angesichts
der ungewöhnlich hohen Gewichte, die in den Statistiken aufgetaucht waren, seinen Verdacht
mitgeteilt und die Durchführung einer Untersuchung gefordert (die sich insbesondere auf die
angekündigten und daher damals bereits vorhersehbaren Ausfuhren beziehen sollte).
Aus dem Antwortschreiben des Mitgliedstaats ging hervor, daß er trotz dieser Informationen und trotz
der ausdrücklichen Bitte keine wirklichen Ermittlungen durchgeführt hat. Wegen ihres Rufs und ihrer
Größe schien die Firma IMEX offensichtlich über jeden Verdacht erhaben. Außerdem wäre es nach
Aussage der nationalen Dienststellen gar nicht möglich gewesen, die mengenmäßigen Manipulationen
durch eine Kontrolle der Geschäftsunterlagen der Firma IMEX zu entdecken, weil beim Handel mit
Rindern die Stückzahlen und nicht das Gewichtzugrunde gelegt wird.
Nach Auffassung der Kommissionsdienststellen trägt der Mitgliedstaat ein Gutteil der Verantwortung
für das Ausmaß dieses Betrugsfalls und die zu Lasten des EAGFL gemeldeten Ausgaben, weil er die
erforderlichen Untersuchungen nicht innerhalb einer vernünftigen Frist nach dem entsprechenden
Ersuchen des EAGFL durchgeführt hat.
...
Dem Mitgliedstaat wurden mit Schreiben Nr. 5354 vom 10.2.1993 und Nr. 33901 vom 14.10.1993 die
Schlußfolgerungen der Kommissionsdienststellen in dieser Sache mitgeteilt. In diesem Schreiben hat
der EAGFL bestätigt, daß er die Ausgaben für die Ausfuhren ab 1986 nicht übernehmen wird, weil der
Mitgliedstaat die verlangte Untersuchung nicht durchgeführt hat.“
84.
Die Bundesregierung macht geltend, die Auffassung der Kommission, daß die „eigentlichen“
Ermittlungen von den deutschen Ermittlungsbehörden nicht rechtzeitig und damit
ermessensfehlerhaft durchgeführt worden seien, sei unbegründet und nicht hinreichend
substantiiert. Die deutschen Ermittlungsbehörden hätten keine Rechtspflicht verletzt, die Anlaß zu
einer finanziellen Belastung geben könne.
85.
So seien aufgrund der Anzeige des Fahrers der Spedition Hefter, die seinerzeit die Viehtransporte
für die Firma Imex durchgeführt habe, Ermittlungen durchgeführt worden, die aber den
Anfangsverdacht nicht hätten erhärten können und am 20. Dezember 1985 eingestellt worden seien.
86.
Die Meldung, die die französischen Behörden am 21. Oktober 1985 gemacht hätten, habe keinerlei
Hinweise auf die Firma Imex, sondern bestimmte Angaben zu einem den Fahndungsstellen bereits
bekannten Einzelfall enthalten.
87.
Das Schreiben der Kommission vom 20. November 1985 habe erstmals einen allgemeinen Hinweis
auf die Firma Imex enthalten. Das Zollfahndungsamt München habe am 17. Februar 1986 berichtet,
daß aus den beigefügten statistischen Angaben der Kommission, die auf Durchschnittsgewichte
abstellten, keine weiterführenden Erkenntnisse hätten gewonnen werden können, da die
Abrechnungen der Tiere nach der Stückzahl und nicht nach dem Lebendgewicht erfolgten, daß aber
erste Anhaltspunkte auf falsche Gewichtsermittlungen vorlägen, die weitere Nachforschungen
notwendig machten.
88.
Am 19. Juni 1986 habe das Zollkriminalamt Köln die bei verschiedenen Zollfahndungsstellen
geführten Ermittlungen beim Zollfahndungsamt Hamburg zusammengezogen, das vergeblich versucht
habe, bei den Vorlieferanten der Firma Imex (Züchterverbänden und Erzeugern) den Nachweis der
Gewichtsverfälschung zu führen. Außerdem habe eine objektive Gewichtsprüfung im Fall der Ausfuhr
von Lebendvieh nach Saudi-Arabien über den Flughafen Köln/Bonn zu keinen
Beanstandungen geführt. Schließlich sei eine Kontrollverwiegung in Hamburg nach Feststellung der
Gewichte durch die Zollhilfsperson aus technischen Gründen (mangelnde Entladevorrichtung)
ausgeschieden.
89.
Aus anderen, im Oktober und November 1986 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen wie der
Zeugenvernehmung des Transportbegleiters der Firma Imex und der technischen Untersuchung der
Wiegekarten der in Hamburg verwendeten Brückenwaage hätten keine gerichtlich verwertbaren
Schlüsse gezogen werden können. Erst als die Polizeibehörden in München im Oktober 1987 ihre
Ermittlungsergebnisse bezüglich der Manipulation des verwendeten Zollstempels mitgeteilt hätten,
habe man die Betrügereien der Firma Imex unterbinden können.
90.
Die Bundesregierung fügt hinzu, daß die Ermittlungsbehörden in der Wahl ihrer
Fahndungsmaßnahmen grundsätzlich frei seien, wobei Art und Umfang der Fahndungsmaßnahmen in
einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß und zur Bedeutung der Straftat stehen sollten. Im
vorliegenden Fall hätten die deutschen Behörden die Ermittlungen so führen müssen, daß die Firma
Imex keinen Verdacht schöpfe, was sie hätte veranlassen können, ihre Straftaten zu verschleiern. Im
übrigen könne eine Anklage vor den Strafgerichten erst erfolgen, wenn hinreichende Beweise
gesichert seien. Ein anderes Vorgehen der deutschen Behörden sei daher nicht möglich gewesen.
91.
Die Bundesregierung rügt die unzureichende Begründung der streitigen Entscheidung. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofes bedürfen jedoch Rechnungsabschlußentscheidungen insoweit
keiner detaillierten Begründung, als die betroffene Regierung an dem Verfahren der Ausarbeitung der
Entscheidung weitgehend beteiligt war und sie deshalb die Gründe kannte, deretwegen die
Kommission der Ansicht war, die streitigen Beträge nicht zu Lasten des EAGFL übernehmen zu müssen
(vgl. Urteil vom 4. Juli 1996 in der Rechtssache C-50/94, Griechenland/Kommission, Slg. 1996, I-3331,
Randnr. 9).
92.
Zum einen enthält der Zusammenfassende Bericht die in Randnummer 83 erwähnten
Erläuterungen. Zum anderen ist unstreitig, daß die Bundesregierung an dem Verfahren der
Ausarbeitung der Entscheidung weitgehend beteiligt war und sie deshalb die Gründe kannte,
deretwegen die Kommission der Ansicht war, den streitigen Betrag nicht zu Lasten des EAGFL
übernehmen zu müssen. Aus dem Wortlaut des Zusammenfassenden Berichtes geht nämlich hervor,
daß die Kommission der Bundesregierung vor der Abfassung dieses Berichtes mit zwei Schreiben vom
10. Februar 1993 und vom 14. Oktober 1993 die Gründe mitteilte, aus denen sie die Übernahme der
streitigen Ausgaben durch den EAGFL ablehnte.
93.
Daher ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.
94.
Die Bundesregierung rügt weiter, daß die Feststellungen der Kommission hinsichtlich der von den
deutschen Behörden durchgeführten Kontrollen und Ermittlungen unrichtig seien. Nach Artikel 8
Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70
haben die Mitgliedstaaten gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften alle
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten
Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, und um Unregelmäßigkeiten
zu verhindern und zu verfolgen. Nach Artikel 8 Absatz 2 trägt die Gemeinschaft die finanziellen Folgen
der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse; dies gilt nicht für Unregelmäßigkeiten oder
Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten sind.
95.
Weiterhin müssen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Gemeinschaftsregeln auf dem
Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik Kontrollmaßnahmen mit der gleichen Sorgfalt treffen wie bei der
Durchführung entsprechender nationaler Rechtsvorschriften, um so jede Beeinträchtigung der
Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu vermeiden (Urteil Exportslachterijen van Oordegem, Randnr.
19).
96.
Insoweit steht es den nationalen Behörden zwar frei, die Maßnahmen zu wählen, die sie zum Schutz
der finanziellen Interessen der Gemeinschaft für angemessen erachten, doch darf diese Freiheit die
zügige, ordnungsgemäße und umfassende Durchführung der erforderlichen Kontrollen und
Ermittlungen nicht beeinträchtigen.
97.
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die deutschen Behörden nicht untätig blieben und daß es
ihnen im Oktober 1987 gelang, die Betrügereien der Firma Imex zu unterbinden. Ihre Maßnahmen
litten jedoch unter der schlechten Koordinierung der verschiedenen, an den Ermittlungen beteiligten
Dienststellen und an der schlechten Organisation der durchgeführten Kontrollen, die sich zudem als
unzureichend erwiesen haben.
98.
So geht aus den Akten hervor, daß die Verantwortung für die Organisation der Ermittlungen
zumindest in den ersten sieben Monaten nach dem 20. November 1985, an dem das Schreiben der
Kommission an die deutschen Behörden abgesandt wurde, aus Gründen der territorialen
Zuständigkeit hin- und hergeschoben wurde — vom Zollfahndungsamt München auf das
Zollkriminalamt Köln und dann auf das Zollfahndungsamt Hamburg.
99.
Zudem hat die Kommission, ohne daß die Bundesregierung ihr widersprochen hätte, vorgetragen,
daß mehrere Kontrollen wegen ihrer schlechten Organisation fehlschlugen. So blieb beispielsweise die
Kontrolle bei den Lieferanten der Firma Imex erfolglos, weil der Viehhandel per Stück und nicht, wie die
Gewährung von Ausfuhrerstattungen, nach Gewicht erfolgt, so daß das Gewicht der Tiere bei den
Lieferanten lediglich geschätzt und nicht festgestellt worden war; somit konnte dieses Gewicht nicht
mit dem Gewicht der Tiere bei der Ausfuhr verglichen werden. Die Kontrolle der auf dem Luftweg
verschickten Tiere war gleichermaßen von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da
Gewichtsmanipulationen bei dieser Art
des Transports wegen der obligatorischen Verwiegung der Tiere vor der Verladung ins Flugzeug
unwahrscheinlich sind.
100.
Im übrigen geht aus den Akten nicht hervor, daß die deutschen Behörden — von der letzteren
Kontrolle und einem anderen, ebenfalls aus technischen Gründen gescheiterten Kontrollversuch
abgesehen — in größerem Stil Kontrollen durchgeführt oder ein zuverlässiges Verwiegungssystem
eingeführt hätten, um Gewichtsmanipulationen aufzudecken, obgleich nur zwei Ausführer, nämlich die
Firmen Imex und Südfleisch, im Verdacht solcher betrügerischer Praktiken standen.
101.
Daher ist dieser Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen.
102.
Der Zusammenfassende Bericht (Nr. 6.2.2.3) enthält folgende Feststellung:
„Nach den Ermittlungsberichten entfallen von dem Gesamtbetrag in Höhe von 152,3 Millionen DM
etwas mehr als 25 Millionen DM (25 024 493 DM) auf Operationen, bei denen von bzw. unter der
Verantwortung mehrerer Zollhilfspersonen mengenmäßige Manipulationen vorgenommen wurden. Da
es sich bei den ZHP um Beauftragte der Zollbehörden handelt, die in deren Auftrag die
Gewichtsfeststellung der zur Ausfuhr angemeldeten Waren vornehmen, kann dieser Betrag vom EAGFL
nicht übernommen werden.“
103.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß ihr nur das Verhalten der Zollhilfsperson H.
zugerechnet werden könne, die nach dem Urteil des Landgerichts München vom 30. Mai 1990 an 125
Fällen von Gewichtsmanipulationen mit einem Schaden von 11 745 714 DM beteiligt gewesen sei. Die
Kommmission sei nicht befugt, sich über die vom nationalen Gericht getroffenen Feststellungen
hinwegzusetzen, da nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz nur von den Strafgerichten festgestellte
Unregelmäßigkeiten als erwiesen angesehen werden und somit zu einer Berichtigung der
entsprechenden Ausgaben führen dürften.
104.
Hingegen war nach Ansicht der Kommission nicht nur die Zollhilfsperson H. an den mengenmäßigen
Manipulationen beteiligt. In Wahrheit seien es 284 Fälle mit einem Gesamtschaden von 25 024 493 DM
gewesen, die das Zollfahndungsamt München in seinem Schlußbericht im Ermittlungsverfahren gegen
die Firma Imex festgestellt habe. Im Rechnungsabschlußverfahren gehe es lediglich um die
Feststellung, ob die Mittel von den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht
ausgegeben worden seien. Für diese Frage sei jedoch die Feststellung eines nationalen Gerichts
nicht maßgeblich.
105.
Wie die Kommission zutreffend ausführt, ist Zweck des Rechnungsabschlußverfahrens die
Feststellung, ob die den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Mittel in Übereinstimmung mit den
auf dem Gebiet der gemeinsamen Marktorganisation geltenden Gemeinschaftsvorschriften
ausgegeben worden sind. Wie bereits in Randnummer 35 ausgeführt, ist die Kommission, wenn sie die
Übernahme bestimmter Ausgaben zu Lasten des EAGFL mit der Begründung verweigert, daß sie durch
diesem Staat vorzuwerfende Verletzungen von Gemeinschaftsregelungen veranlaßt worden seien,
nicht verpflichtet, die Unrichtigkeit der von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben umfassend
darzulegen, sondern sie braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den von den nationalen Stellen
mitgeteilten Zahlen berechtigte Zweifel bestehen (vgl. Urteil Niederlande/Kommission, Randnrn. 16
und 17).
106.
Daraus folgt, daß die Kommission beim Abschluß der Rechnungen der Mitgliedstaaten nicht daran
gehindert ist, Feststellungen zu treffen, die über die vor einem nationalen Strafgericht
nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten hinausgehen, sofern sie berechtigte Zweifel an der
Ordnungsmäßigkeit der vom EAGFL finanzierten Maßnahmen hat. Im übrigen gelten für das Verfahren
vor einem solchen Gericht andere Beweisregeln.
107.
Im vorliegenden Fall hat die Kommission die streitige Berichtigung aufgrund der Feststellungen
vorgenommen, die im Schlußbericht des Zollfahndungsamts München im Ermittlungsverfahren gegen
die Firma Imex enthalten waren. Diese Feststellungen sind zweifellos geeignet, berechtigte Zweifel der
Kommission an der Ordnungsmäßigkeit der betreffenden Maßnahmen zu begründen, die der
Mitgliedstaat nicht widerlegen konnte.
108.
Folglich ist dieser Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen.
109.
Aus den Akten geht hervor, daß die Kommission es — außer bei einem Betrag in Höhe von 2 156
195,60 DM — für nahezu unmöglich hielt, daß die deutschen Behörden die Rückzahlung der zu Unrecht
an die Firma Imex gezahlten Erstattungen erreichen könnten; sie meinte daher, daß die abwartende
Haltung, die der EAGFL bis dahin eingenommen habe, aufgegeben werden müsse; sie teilte der
Bundesrepublik Deutschland deshalb mit Schreiben vom 14. Oktober 1993 ihre Absicht mit, die Akte
Imex im Rahmen des Rechnungsabschlusses für 1991 abzuschließen, und forderte sie auf, ihr die vor
dem 1. Januar 1986 getätigten Zahlungen an diese Firma beziffert mitzuteilen. Die Kommission hatte
sich bereit erklärt, diese Zahlungen zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts zu übernehmen, sofern
sie nicht auf Manipulationen von Zollhilfspersonen zurückzuführen seien.
110.
Mit aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1723/72 der Kommission vom 26. Juli 1972 über den
Rechnungsabschluß des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft,
Abteilung Garantie (ABl. L 186, S. 1), in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 422/86 der Kommission
vom 25. Februar 1986 (ABl. L 48, S. 31) erlassener Entscheidung vom 21. Januar 1994 setzte die
Kommission den Mitgliedstaaten für die Übermittlung aller für den Rechnungsabschluß des
Haushaltsjahrs 1991 erforderlichen zusätzlichen Angaben eine Frist bis zum 31. Januar 1994.
111.
Nach dem Zusammenfassenden Bericht (Nr. 6.2.2.6) „hatte die Kommission eine Frist zum 31.
Januar 1994 festgesetzt. Lange nach Ablauf dieser Frist haben die deutschen Behörden eine
Zahlungsaufstellung vorgelegt. Die Kommission konnte erst anhand dieser Aufstellung die
Berichtigung von 47 035 774 DM ermitteln, die sich bezüglich der Zahlungen, die nach dem 1. Januar
1986 durchgeführt wurden und bei denen Verluste aufgrund der Handlungen der Zollhilfspersonen
eingetreten sind, ergibt. Wegen Nichteinhaltung [der] Frist wird die Kürzung der finanziellen
Berichtigung auf 90 % des Betrages beschränkt, der eigentlich durch die, wenn auch verspätet,
erhaltenen Auskünfte gerechtfertigt gewesen wäre.“
112.
Die Bundesregierung macht geltend, daß diese Zahlungsaufstellung der Kommission aufgrund von
Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend
Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der
Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen
Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 (ABl. L 67, S. 11)
übermittelt worden sei. Dieser lautet:
„Kann nach Auffassung eines Mitgliedstaats die vollständige Wiedereinziehung eines Betrages nicht
vorgenommen oder nicht erwartet werden, so teilt er der Kommission in einer besonderen Mitteilung
den nicht wiedereingezogenen Betrag und die Gründe mit, aus denen nach seiner Auffassung dieser
Betrag zu Lasten der Gemeinschaft oder des Mitgliedstaats geht.
Diese Mitteilungen müssen detailliert genug sein, um es der Kommission zu ermöglichen, einen
Beschluß über die Anlastbarkeit der finanziellen Folgen gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung
(EWG) Nr. 729/70 zu treffen ...“
113.
Die Bundesregierung zieht daraus den Schluß, daß die betreffenden Daten nicht Bestandteil des
Rechnungsabschlusses sein könnten, wenn der Mitgliedstaat die Mitteilung nicht gemacht habe. Da
Artikel 5 der Verordnung Nr. 595/91 für diese Mitteilung außerdem keine Frist vorsehe (und dies zu
Recht, da das Verfahren für die Wiedereinziehung von Beträgen in die Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten falle und diese daher am ehesten beurteilen könnten, ob die Wiedereinziehung noch
möglich sei), könne die Kommission keinen „Strafzuschlag“ für die angeblich verspätete Übermittlung
dieser Mitteilung erheben. Wenn sie glaube, daß der
Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 595/91 verstoße, könne sie das
Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
114.
Die Kommission hält zwar die Mitteilung nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 595/91 für einen
wesentlichen Bestandteil des Rechnungsabschlußverfahrens, erläutert aber, daß sie ihre
Entscheidung zur Festsetzung der Frist bis zum 31. Januar 1994 nicht aufgrund der Verordnung Nr.
595/91, sondern aufgrund der Verordnung Nr. 1723/72 getroffen habe. Damit habe sie von der
Bundesregierung die genauen Zahlen der vor dem 1. Januar 1986 getätigten Ausgaben erhalten
wollen, um die Akte Imex im Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991 behandeln zu können. Die
Übermittlung dieser Zahlen dürfe daher nicht mit der Mitteilung nach Artikel 5 der Verordnung Nr.
595/91 verwechselt werden. Folglich stelle der streitige Betrag keine Sanktion für die verspätete
Übermittlung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung Nr. 595/91, sondern eine Berichtigung dar, die auf
einer allgemeinen Verwaltungspraxis der Kommission beruhe, nach der bei verspäteter Übermittlung
der zur Kürzung des Anlastungsbetrags berechtigenden Informationen die Kürzung auf 90 % begrenzt
werde.
115.
Mit diesem Klagegrund wirft die Bundesregierung zunächst die Frage auf, ob die Feststellung, daß
auf nationaler Ebene laufende Verfahren zur Wiedereinziehung zu Unrecht gewährter Mittel nicht mehr
zur vollständigen Wiedereinziehung führen können, Sache der Mitgliedstaaten oder der Kommission
ist.
116.
Insoweit ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 595/91, daß der Mitgliedstaat, der
der Auffassung ist, daß die vollständige Wiedereinziehung des zu Unrecht gewährten Betrages nicht
vorgenommen oder nicht erwartet werden kann, der Kommission in einer besonderen Mitteilung den
nicht wiedereingezogenen Betrag mitteilt; die Kommission hat daraufhin einen Beschluß über die
Anlastbarkeit der sich daraus ergebenden finanziellen Folgen zu fassen. Aus dieser Vorschrift geht
auch hervor, daß diese besondere Mitteilung keiner Frist unterliegt.
117.
Die Ausübung des Ermessens, das den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Frage zusteht, ob
ein laufendes Wiedereinziehungsverfahren Erfolg verspricht, darf aber nicht dazu führen, daß sich der
Rechnungsabschluß für ein bestimmtes Haushaltsjahr über Gebühr verzögert.
118.
Ist dies der Fall, so verlangt das Interesse an einer raschen Prüfung der Rechnungen der
Mitgliedstaaten (vgl. erste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 422/86), daß die Kommission,
ohne auf das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 EG-Vertrag zurückgreifen zu müssen, dem
betroffenen Mitgliedstaat eine Frist für die Übermittlung der für den Rechnungsabschluß des
betreffenden Haushaltsjahrs erforderlichen Daten einschließlich der Angaben zu den laufenden
Wiedereinziehungsverfahren setzen kann. Dabei hat die Kommission die Grundsätze der
ordnungsgemäßen Verwaltung wie den Grundsatz der Sicherheit
und Vorhersehbarkeit der finanziellen Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den
Mitgliedstaaten zu beachten.
119.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Zusammenfassenden Bericht (Nr. 6.2.2.4) hervor: „Von den
fraglichen Beträgen wurde bisher nur ein Betrag in Höhe von 2 156 195,60 DM wiedereingezogen. Die
Wahrscheinlichkeit, daß auch noch weitere Beträge beigetrieben werden können, ist äußerst gering.“
Zum einen seien die Wiedereinziehungsverfahren gegen drei in die Rechte der Firma Imex
eingetretene Banken wegen eines Betrages von 38,5 Millionen DM erfolglos geblieben; zum anderen
habe der Konkursverwalter der Stelle, die die Erstattungen ausgezahlt hatte, bereits am 19. Juni 1989
mitgeteilt, daß eine Forderung in Höhe von 5 Millionen DM zugelassen werde und daß seiner
Auffassung nach alle nichtbevorrechtigten Gläubiger wie die Zahlstelle mit dem Verlust ihrer
Gesamtforderung rechnen müßten.
120.
Die Bundesregierung hat diese Feststellungen nicht beanstandet.
121.
Daher war die Kommission berechtigt, die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Schreiben vom 14.
Oktober 1993 von ihrer Absicht zu informieren, die Akte Imex im Rahmen des Rechnungsabschlusses
für das Haushaltsjahr 1991 abzuschließen, und diesen Mitgliedstaat aufzufordern, ihr bis zum 31.
Januar 1994 die Zahlen zu den bis zum 1. Januar 1986 an die Firma Imex geleisteten Zahlungen
mitzuteilen.
122.
Damit stellt sich die Frage, ob die Kommission angesichts der Nichtübermittlung der verlangten
Angaben innerhalb der festgesetzten Frist berechtigt war, die entsprechenden Ausgaben zu Lasten
der Bundesrepublik Deutschland zu berichtigen.
123.
Hierzu heißt es in Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1723/72 in der durch die Verordnung Nr.
422/86 geänderten Fassung: „Erfolgt die Übermittlung der genannten Angaben nicht innerhalb der
vorgesehenen Frist, so entscheidet die Kommission aufgrund der ihr bei Fristablauf zur Verfügung
stehenden Informationen, es sei denn, daß die Säumnis auf außergewöhnliche Umstände
zurückzuführen ist.“
124.
Da die Kommission bei Ablauf der festgesetzten Frist nicht über die für den Abschluß der
Rechnungen bezüglich der bis zum 1. Januar 1986 an die Firma Imex geleisteten Zahlungen verfügte,
war sie somit berechtigt, eine hundertprozentige Berichtigung dieser Ausgaben vorzunehmen.
Nachdem sie die verlangten Zahlen nachträglich erhalten hatte, beschränkte sie die Berichtigung
jedoch entsprechend ihrer üblichen Praxis auf 10 % der betreffenden Ausgaben. Aus den in
Randnummer 13 genannten Gründen kann die Rüge, es handele sich um einen „Strafzuschlag“, keine
Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Berichtigung begründen.
125.
Dieser Klagegrund ist somit zurückzuweisen.
IV — Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Ausfuhr von
Rindfleisch in den Libanon (Fall Südfleisch — Nr. 6.2.3 des Zusammenfassenden Berichtes)
126.
Dieser Teil des Rechtsstreits betrifft die Weigerung der Kommission, einen der Firma Südfleisch von
den deutschen Behörden als Erstattung für die Ausfuhr von Rindfleisch in den Libanon gezahlten
Betrag in Höhe von 997 814 DM zu Lasten des EAGFL zu übernehmen.
127.
Aus den Akten ergibt sich, daß die Firma Südfleisch im März 1991 in Deutschland eine Ladung von
628 750,20 kg Rindfleisch zur Ausfuhr in die Vereinigten Arabischen Emirate abfertigen ließ. Zu
diesem Zeitpunkt betrug die Erstattung für die Ausfuhr in dieses Land 423,7524 DM je 100 kg
Eigengewicht, während für die Ausfuhr in den Libanon 294,2725 DM je 100 kg Eigengewicht erstattet
wurden.
128.
Im Juli 1991 legte die Firma Südfleisch den deutschen Behörden einen Nachweis über die Ankunft
der Ware in den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, der sich später als Fälschung herausstellte.
129.
Im März 1992, d. h. innerhalb der gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Frist von zwölf Monaten,
erbrachte die Firma Südfleisch den Nachweis, daß der erste Teil der Fracht (364,185 Tonnen) im März
1991 in Beirut (Libanon) entladen worden war. Sie erhielt die entsprechende Ausfuhrerstattung; diese
Zahlung führte zu keiner Berichtigung seitens der Kommission.
130.
Für die restliche Ladung (282,565 Tonnen) legte die Firma Südfleisch nach einer ihr von den
deutschen Behörden gewährten Fristverlängerung am 1. Juli 1992 einen Nachweis über die Ankunft
der Ware im Libanon vor. Sie erhielt die entsprechende Ausfuhrerstattung in Höhe von 997 814 DM.
Diese Zahlung ist Gegenstand der von der Kommission durchgeführten Berichtigung.
131.
Im Zusammenfassenden Bericht führt die Kommission aus, daß die deutschen Behörden unter den
Umständen des vorliegenden Falles durch die der Firma Südfleisch gewährte Fristverlängerung gegen
Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/97 verstoßen hätten.
132.
Artikel 47 Absätze 2 und 4 der Verordnung Nr. 3665/87 bestimmt:
„(2) Die Unterlagen für die Zahlung der Erstattung oder die Freigabe der Sicherheit sind, außer bei
höherer Gewalt, innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung
einzureichen.
...
(4) Falls die Unterlagen nach Artikel 18 nicht innerhalb der Frist von Absatz 2 vorgelegt werden
konnten, obwohl der Ausführer alles in seiner Macht Stehende für ihre fristgerechte Beschaffung und
Vorlage unternommen hat, kann ihm Fristverlängerung für die Beschaffung der Unterlagen
eingeräumt werden.“
133.
Angesichts des Wortlauts des Artikels 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 geht es im
Parteivorbringen um die Frage, ob die dort vorgesehene Bedingung erfüllt war, ob also die Firma
Südfleisch alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um den Nachweis für die Ankunft der Ware am
Bestimmungsort zu beschaffen, und ob die deutschen Behörden mit der Gewährung der
zwölfmonatigen Fristverlängerung ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hatten.
134.
Die Bundesregierung macht geltend, daß die deutschen Behörden nicht gegen Artikel 47 Absatz 4
der Verordnung Nr. 3665/87 verstoßen hätten. Sie führt aus,das Hauptzollamt Hamburg-Jonas habe
die Fristverlängerung gewährt, weil es aufgrund der ihm vorliegenden Informationen und mangels
gegenteiliger Nachweise davon ausgegangen sei, daß die Firma Südfleisch alles in ihrer Macht
Stehende getan habe, um die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen und vorzulegen.
135.
Diese Firma habe nämlich bereits im Mai 1991 einen Versicherungsagenten beauftragt, den Ort
festzustellen, an dem sich das die Ware transportierende Schiff tatsächlich aufgehalten habe. Im Juni
1991 habe die Firma Südfleisch dann drei Mitarbeiter nach Saudi-Arabien geschickt, um sich zu
vergewissern, daß die Ware tatsächlich dort gelöscht worden sei. Die Entladearbeiten seien zwar nicht
während der Anwesenheit der drei Mitarbeiter in Saudi-Arabien durchgeführt worden, da zu diesem
Zeitpunkt ein islamisches Fest stattgefunden habe, doch hätten sie das Schiff, das die Ware
befördert habe, untersucht und festgestellt, daß die Laderäume weitgehend mit Kartons der Firma
Südfleisch gefüllt und die Verplombungen unbeschädigt gewesen seien. Bei der Vorlage des
gefälschten Nachweises über die Ankunft der Ware in den Vereinigten Arabischen Emiraten sei nicht
auszuschließen gewesen, daß die Firma Südfleisch von ihrem Geschäftspartner, der Firma Al Fatha
Goldstore, getäuscht worden sei.
136.
Selbst wenn die Zollbehörden im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Absicht des Ausführers
hätten berücksichtigen müssen — was die Bundesregierung bestreite —, habe die zuständige
Dienststelle unter diesen Umständen zum Zeitpunkt der Gewährung der Fristverlängerung nicht
wissen können, ob die Firma Südfleisch das gefälschte Dokument vorsätzlich oder grob fahrlässig
vorgelegt habe, wie die Kommission vortrage. Im übrigen sei es der Staatsanwaltschaft und der
Zollfahndung im Rahmen ihrer Ermittlungen nicht gelungen, dieser Firma hinsichtlich der Fälschung
des vorgelegten Dokuments und seiner Verwendung in betrügerischer Absicht ein Verschulden
nachzuweisen.
137.
Darüber hinaus stehe eine Fristverlängerung der Nichtauszahlung der Erstattung oder
gegebenenfalls der Rückzahlung des gezahlten Betrages nicht entgegen, wenn
sich nachträglich herausstelle, daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verlängerung nicht
vorgelegen hätten.
138.
Jedenfalls könne die Kommission, wenn sie nicht eine für die Mitgliedstaaten und die betroffenen
Marktbeteiligten unerträgliche Rechtsunsicherheit herbeiführen wolle, die Ausübung des den
zuständigen nationalen Behörden vom Gemeinschaftsrecht übertragenen Ermessens nicht durch ihre
eigenen Vorstellungen ersetzen.
139.
Die Kommission entgegnet, daß ein Ausführer, der bereits vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig
ein gefälschtes Dokument vorgelegt habe, die Voraussetzungen des Artikels 47 Absatz 4 der
Verordnung Nr. 3665/87 nicht erfülle.
140.
Sie führt hierzu aus, daß die Firma Südfleisch trotz der Zweifel, die sie bereits im Mai 1991 an der
Bestimmung des Fleisches gehabt habe, am 1. Juli 1991 eine gefälschte Verzollungsbescheinigung
vorgelegt und schriftlich die Zahlung der für die Ausfuhr in die Vereinigten Arabischen Emirate
vorgesehenen Erstattungen beantragt habe. Die „Kontrollen“, die die im Juni 1991 nach Saudi-Arabien
entsandten drei Mitarbeiter durchgeführt hätten und auf die sich die Bundesregierung in erster Linie
stütze, verdienten diese Bezeichnung nicht. Daß diese Mitarbeiter die Löschung der Ladung nicht
abgewartet hätten, sei für die Kommission nicht nachvollziehbar, da sie hätten wissen müssen, daß
zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Handelsgeschäfts auch die Abfertigung der Ware zum freien
Verkehr in Saudi-Arabien gehört habe.
141.
Daraus folge, daß die Firma Südfleisch zunächst alles getan habe, um wider besseres Wissen in den
Genuß der höheren Ausfuhrerstattungen für eine Ausfuhr von Rindfleisch in die Vereinigten
Arabischen Emirate zu gelangen. Erst als diesem Antrag wegen der entdeckten Fälschung der
Verzollungsbescheinigung nicht habe entsprochen werden können und die Gefahr bestanden habe,
daß die Ausfuhrerstattung in voller Höhe zurückgefordert werde, habe sie erstmals mit Schreiben vom
24. September 1991 eine Fristverlängerung beantragt, um die erforderlichen Dokumente
beizubringen.
142.
Angesichts eines solchen Verhaltens kann nach Ansicht der Kommission nicht davon die Rede sein,
daß die Firma Südfleisch alles in ihrer Macht Stehende getan habe, um die erforderlichen Unterlagen
innerhalb der Zwölfmonatsfrist beizubringen. Daß wegen Mangels an Beweisen weder die
Staatsanwaltschaft noch die Zollfahndung eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der für die Firma
Südfleisch handelnden Personen hätten feststellen können, ändere daran nichts. Bei der Prüfung der
Voraussetzungen des Artikels 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 gehe es nicht um die
Feststellung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit.
143.
Im übrigen habe die Kommission der Bundesrepublik Deutschland gegenüber bereits am 28. Mai
1991 eine Reise nach Beirut angekündigt, um von den libanesischen Zollbehörden die Unterlagen zu
erhalten, die es den deutschen Behörden erlaubt hätten, „die Fälschung der
Bestimmungserklärungen für das aus Deutschland ausgeführte Rindfleisch, das für die Vereinigten
Arabischen Emirate bestimmt war, aber in den Libanon umgeleitet wurde“, zu beweisen. Diese
Untersuchungen, die unter Beteiligung eines Vertreters des Zollfahndungsamts München in der Zeit
vom 8. bis 15. Juni 1991 an Ort und Stelle durchgeführt worden seien, hätten zu der Feststellung
geführt, daß für etwa 2 500 Tonnen Fleisch Ausfuhrerstattungen in Höhe von ungefähr 10 Millionen
DM zu Unrecht gezahlt worden seien. Zwar seien die Ergebnisse dieser Dienstreise den deutschen
Stellen erst am 25. September 1991 offiziell mitgeteilt worden, doch seien diese Stellen davon
unmittelbar nach Abschluß der Dienstreise durch ihren Vertreter, der an diesen Untersuchungen
beteiligt gewesen sei, informiert worden.
144.
Hinzu komme, daß die Fristverlängerung am 24. September 1991 gewährt worden sei, also am
selben Tag, an dem die Firma Südfleisch den entsprechenden Antrag gestellt habe, und einen Tag vor
der Übermittlung der offiziellen Ergebnisse der Kontrollreise in den Libanon, obgleich die reguläre
Zwölfmonatsfrist erst im März 1992 abgelaufen wäre.
145.
In Anbetracht dieser Umstände stelle die der Firma Südfleisch gewährte Fristverlängerung eine
fehlerhafte Ausübung des den nationalen Behörden durch Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr.
3665/87 eingeräumten Ermessens dar. Die Kommission wolle nicht die Entscheidungen der nationalen
Behörden durch ihre eigenen ersetzen, sondern zeigen, daß die nationale Behörde im vorliegenden
Fall mit der Gewährung der Fristverlängerung die Grenzen ihres Ermessens eindeutig überschritten
habe.
146.
Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 ermöglicht es den nationalen Behörden, dem
Ausführer eine Fristverlängerung für die Beschaffung der geforderten Unterlagen, also der Nachweise
über die Ankunft der ausgeführten Ware am Bestimmungsort, einzuräumen, wenn er sie nicht
innerhalb der regulären Zwölfmonatsfrist vorlegen konnte, obwohl er alles in seiner Macht Stehende
für ihre fristgerechte Beschaffung und Vorlage getan hat.
147.
Diese Bestimmung räumt den nationalen Behörden somit einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich
der Feststellung, ob der Ausführer alles in seiner Macht Stehende getan hat, und ein Ermessen
hinsichtlich der Entscheidung ein, ob sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, eine
Fristverlängerung zu gewähren, Gebrauch machen wollen.
148.
Dieses Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben, dem Ausführer nicht
ohne weiteres die gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Erstattungen zu entziehen, wenn er trotz
aller ihm obliegenden Anstrengungen
durch objektive Umstände daran gehindert war, die erforderlichen Unterlagen innerhalb der
Zwölfmonatsfrist vorzulegen.
149.
Demnach kann die Voraussetzung, daß der Ausführer alles in seiner Macht Stehende unternommen
hat, nicht als erfüllt angesehen werden, wenn bezüglich seines Verhaltens Zweifel bestehen. Dies
bedeutet nicht notwendig, daß der Ausführer Handlungen begangen haben müßte, für die aufgrund
nationalen Rechts eine strafrechtliche Verantwortlichkeit festgestellt worden wäre. Ein
Wirtschaftsteilnehmer kann auch dann nicht alles in seiner Macht Stehende im Sinne von Artikel 47
Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 unternommen haben, wenn er keine strafbaren Handlungen
begangen hat.
150.
Selbst wenn feststeht, daß der Ausführer alles in seiner Macht Stehende unternommen hat, sind
die nationalen Behörden im übrigen nach Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 zur
Gewährung einer Fristverlängerung lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet, so daß sie beim Erlaß
ihrer Entscheidung über diese Feststellung hinaus alle Umstände zu berücksichtigen haben, die die
Feststellung erlauben, daß die Gewährung der Fristverlängerung gerechtfertigt ist.
151.
Aus den Akten geht hervor, daß der zuständigen Behörde am 24. September 1991, an dem die Frist
verlängert wurde, folgende Umstände bekannt waren.
152.
Bezüglich des Verhaltens des Ausführers wußte sie, daß die Firma Südfleisch am 1. Juli 1991 eine
gefälschte Bescheinigung vorgelegt hatte und daß diese Vorlage trotz der bereits im Mai 1991
gehegten Zweifel an der Bestimmung des ausgeführten Fleisches erfolgt war. Da die im Juni 1991
nach Saudi-Arabien entsandten drei Mitarbeiter der Firma Südfleisch nicht bis zur Entladung und
Verzollung der Ware dort geblieben waren, waren die von ihnen durchgeführten Kontrollen weder
geeignet, diese Zweifel zu zerstreuen, noch die zuständige Behörde entsprechend davon zu
überzeugen, daß die Firma Südfleisch alle ihr möglichen Anstrengungen unternommen hatte.
153.
Wenngleich keine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Firma Südfleisch für die Vorlage der
gefälschten Bescheinigung festgestellt werden konnte, hätte ihr Verhalten daher eher Zweifel daran
begründen müssen, daß sie alle ihr möglichen Anstrengungen unternommen hatte, um die
erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
154.
Ebenso wußten die deutschen Behörden und somit auch die zuständige Behörde von der
Kontrollreise und den Untersuchungen, die die Kommission vom 8. bis 15. Juni 1991 im Libanon unter
Beteiligung eines Vertreters der deutschen Zollbehörden mit dem Ziel durchgeführt hatte, von den
libanesischen Zollbehörden Unterlagen zu erhalten, die die Fälschung der Bestimmungserklärungen
für das aus Deutschland ausgeführte Rindfleisch beweisen konnten, das zwar für die Vereinigten
Arabischen Emirate bestimmt, tatsächlich aber in den Libanon umgeleitet worden war.
155.
Schließlich bestand am 24. September 1991 keine Dringlichkeit, die im März 1992 ablaufende
Zwölfmonatsfrist zu verlängern. Die angeführten Umstände waren vielmehr geeignet, eine abwartende
Haltung oder eine Ablehnung seitens der zuständigen Behörde zu begründen.
156.
Nach alledem hat die zuständige nationale Behörde dadurch, daß sie der Firma Südfleisch eine
Fristverlängerung gewährt hat, gegen Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 verstoßen.
157.
Somit ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.
V — Zur Berichtigung wegen der Ausfuhr von Rindfleisch nach Zimbabwe (Fall Barfuß —
Nr. 6.2.4 des Zusammenfassenden Berichtes für das Haushaltsjahr 1991 und Nr. 6.2.2 des
Zusammenfassenden Berichtes für das Haushaltsjahr 1990)
158.
Im Zusammenfassenden Bericht für das Haushaltsjahr 1991 ist die finanzielle Berichtigung
angegeben, die die Kommission für die Ausfuhr von Rindfleisch vorgenommen hat, das als nach
Südafrika ausgeführt deklariert, in Wirklichkeit aber für Zimbabwe bestimmt gewesen sei. Darin heißt
es auch, daß auf diesen Fall im Zusammenfassenden Bericht für das Haushaltsjahr 1990
eingegangen, die Berichtigung jedoch bis zum Rechnungsabschluß 1991 verschoben worden sei, da
sich die Bundesrepublik Deutschland darum bemühen wolle, die Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten
Beträge zu erwirken.
159.
Im Zusammenfassenden Bericht für das Haushaltsjahr 1990 stellte die Kommission fest, daß
bestimmte Mengen Rindfleisch, für die die Erstattung auf der Grundlage von Ankunftsnachweisen aus
Südafrika gewährt worden sei, in Wirklichkeit dort nur zwischengelagert und später nach Zimbabwe
wiederausgeführt worden seien, um dort verarbeitet zu werden. Die in Zimbabwe hergestellten
Erzeugnisse seien dann aufgrund des Abkommens EWG—AKP wiederum zollfrei in die Gemeinschaft
eingeführt worden.
160.
Ferner habe der EAGFL im November 1987 sowie im Februar/März 1990 Untersuchungen
durchgeführt, bei denen solche Praktiken bei der Ausfuhr auseinigen Mitgliedstaaten, darunter der
Bundesrepublik Deutschland, festgestellt worden seien; die betroffenen Mitgliedstaaten seien
aufgefordert worden, die zu Unrecht gewährten Erstattungen wieder einzuziehen.
161.
Zur Bundesrepublik Deutschland führt die Kommission folgendes aus:
„In einem Fall wurde dem Ausführer die Rückzahlungsforderung erst am 1. Juli 1991 zugestellt, sie
wurde aber von ihm sofort (am 25. Juli 1991) angefochten. Seither gibt es in dieser Sache keine
Entwicklung, weil die Zahlstelle nicht in der Lage ist, die von dem deutschen Fahnder beigebrachten
Beweise vorzulegen, obwohl dieser sie seinem Kontrollbericht vom 5. Juni 1990 beigefügt hatte.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die Kommissionsdienststellen der Auffassung, daß der
EAGFL in diesen drei Fällen die finanziellen Folgen aufgrund der nichterfolgten Wiedereinziehung der zu
Unrecht gezahlten Beträge nicht übernehmen kann (Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung [EWG] Nr.
729/70).“
162.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die deutschen Behörden keine Rechtspflichtsverletzung,
die Anlaß zu einer finanziellen Anlastung geben könne, wie z. B. eine Verletzung des Artikels 5 EG-
Vertrag in Verbindung mit Artikel 8 der Verordnung Nr. 729/70, begangen hätten.
163.
Sie führt hierzu aus, daß das Zollfahndungsamt Hamburg die zuständige Behörde, das Hauptzollamt
Hamburg-Jonas, mit Schreiben vom 5. Juli 1990 über die Feststellungen hinsichtlich der deutschen
Genußtauglichkeitsbescheinigungen informiert habe, die in Zimbabwe vorgefunden worden seien und
die sich auf Ausfuhrsendungen der Firma Barfuß nach Südafrika bezogen hätten.
164.
Mit Bescheid vom 1. Juli 1991 habe die zuständige Behörde von der Firma Barfuß die gezahlten
Ausfuhrerstattungen in Höhe von 518 181,97 DM zurückgefordert.
165.
Die Firma Barfuß habe gegen diesen Bescheid am 25. Juli 1991 Einspruch eingelegt und gleichzeitig
die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Mit Bescheid vom 20. August 1991 habe die zuständige
Behörde dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben, da mangels Beweises ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids bestanden hätten.
166.
Die zuständige Behörde habe das Rechtsbehelfsverfahren im Hinblick auf das an den Gerichtshof
gerichtete Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Hamburg vom 20. Dezember 1991 in
einer ähnlichen Sache (Rechtssache C-27/92, Möllmann-Fleisch) zunächst ruhen lassen und im
folgenden dann dem Einspruch der Firma Barfuß mit Bescheid vom 7. Juni 1994 stattgegeben, da sich
keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, daß die seinerzeit nach Südafrika ausgeführten
Rindfleischlieferungen nach Zimbabwe gelangt seien. Die Firma Barfuß habe unwiderleglich
vorgetragen, daß die strittigen Waren in Südafrika verzollt und zum freien Verkehr abgefertigt worden
seien.
167.
Die Tatsache, daß in Zimbabwe Genußtauglichkeitsbescheinigungen gefunden worden seien, sei
unerheblich, da diese Bescheinigungen über den tatsächlichen Warenweg keinen Aufschluß gäben.
Sie ließen lediglich Aussagen über die Qualität der ausgeführten Erzeugnisse zu. Außerdem sei nicht
auszuschließen, daß in afrikanischen Ländern mit diesen Bescheinigungen insofern Mißbrauch
getrieben werde, daß sie anderen Fleischmengen zugeordnet würden als denen, für die sie
ursprünglich ausgestellt worden seien.
168.
Die Kommission entgegnet, daß die streitige Berichtigung vorgenommen worden sei, weil die
deutschen Stellen die Rückforderung der zu Unrecht gezahlten
Ausfuhrerstattungen zunächst nur zögerlich betrieben und dann ohne hinreichende Gründe
vollständig aufgegeben hätten.
169.
Die nur zögerliche Durchführung des Rückforderungsverfahrens belegten vor allem zwei Tatsachen.
Erstens sei die Einleitung des Rückforderungsverfahrens durch die zuständige Behörde mit einjähriger
Verzögerung erfolgt. Die Bundesregierung habe hierzu keine Erklärung geliefert.
170.
Eine zweite erhebliche Verzögerung sei dadurch eingetreten, daß die zuständige Behörde das
Einspruchverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes über das Vorabentscheidungsersuchen
des Finanzgerichts Hamburg in der Rechtssache C-27/92 (Urteil vom 31. März 1993, Möllmann-Fleisch,
Slg. 1993, I-1701) ausgesetzt habe. In diesem Vorabentscheidungsverfahren sei es u. a. um die Frage
gegangen, ob der Nachweis der Einfuhr in ein Drittland als nicht erbracht angesehen werden könne,
wenn begründete Zweifel daran bestünden, daß die in der Verzollungsbescheinigung genannte Ware
tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sei. Nach Auffassung der Kommission sei ein
Zuwarten bis zum Erlaß des Urteils des Gerichtshofes nicht gerechtfertigt gewesen, da es zu dieser
Frage bereits eine gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofes gegeben habe (Urteile vom 2. Juni
1976 in der Rechtssache 125/75, Milch-, Fett- und Eier-Kontor, Slg. 1976, 771, und vom 11. Juli 1984 in
der Rechtssache 89/83, Dimex, Slg. 1984, 2815).
171.
Zu der ohne hinreichenden Grund mit Bescheid vom 7. Juni 1994 verfügten Einstellung des
Rückforderungsverfahrens trägt die Kommission vor, daß entgegen dem Vorbringen der
Bundesregierung die in Zimbabwe entdeckten Genußtauglichkeitsbescheinigungen geeignet gewesen
seien, begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Einfuhr in das Bestimmungsland entstehen zu
lassen und damit die Beweiskraft der von der Firma Barfuß vorgelegten Verzollungsbescheinigungen
zu erschüttern (vgl. Urteil Möllmann-Fleisch, Randnr. 15).
172.
Wie sich aus einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die Kommission vom 29.
April 1994 ergebe, sei der eigentliche Grund für die Einstellung des Rückforderungsverfahrens
gewesen, daß die dem Hauptzollamt im Original überlassenen Genußtauglichkeitsbescheinigungen
„innerhalb des Hauptzollamts unauffindbar waren ... und somit keine Beweismittel präsent waren“.
173.
Die Bundesregierung erwidert, daß das Rückforderungsverfahren im Juli 1991 eingeleitet worden
sei, da die zuständige Behörde von Anfang an Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rückforderung
gehabt habe; ihrer Ansicht nach hätten die ihr vorliegenden Unterlagen für eine gerichtsverwertbare
Rückforderung gegen die Firma Barfuß nicht ausgereicht. Der zuständigen Behörde könne auch kein
Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie das Rückforderungsverfahren angesichts des
Vorabentscheidungsersuchens in der Rechtssache Möllmann-Fleisch ausgesetzt
habe; die Behauptung der Kommission, es gebe bereits eine Rechtsprechung zu dieser Frage, sei
unzutreffend.
174.
Außerdem sei das Rückforderungsverfahren eingestellt worden, weil die zuständige Behörde der
Ansicht gewesen sei, ihr Bescheid werde einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten, nicht jedoch
— wie die Kommission meine — weil die Originale der der zuständigen Behörde überlassenen
Genußtauglichkeitsbescheinigungen unauffindbar gewesen seien. Zwar seien die Originale nicht mehr
vorhanden gewesen, doch habe die zuständige Behörde über Fotokopien verfügt, die von
Bediensteten der Kommission angefertigt worden seien.
175.
Zur zögerlichen Durchführung des Rückforderungsverfahrens trägt die Kommission hingegen vor,
die Argumentation der Bundesregierung führe im Ergebnis dazu, daß Rückforderungsverfahren wegen
zu Unrecht gezahlter Erstattungen lediglich dann noch möglich seien, wenn mit absoluter Sicherheit
feststehe, daß die fraglichen Waren tatsächlich nicht auf den Markt des Bestimmungslands gelangt
seien, um dort vermarktet zu werden; diese Auffassung stehe aber nicht im Einklang mit den von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. Urteile Milch-, Fett- und Eier-Kontor, Dimex und
Möllmann-Fleisch).
176.
Bezüglich der Einstellung des Rückforderungsverfahrens bleibt die Kommission bei ihrem Vortrag,
daß nach deutschem Verfahrensrecht Ablichtungen, deren Übereinstimmung mit dem Original nicht
beglaubigt sei, kein Beweiswert zukomme.
177.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen die Mitgliedstaaten zum einen die allgemeine
Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 5 EG-Vertrag beachten, wie sie in Artikel 8 Absätze 1 und 2 der
Verordnung Nr. 729/70 in bezug auf die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik konkretisiert wird.
Diese Verpflichtung bedeutet, daß die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur raschen Behebung von
Unregelmäßigkeiten ergreifen müssen. Bei Verzug besteht nämlich die Gefahr, daß die
Wiedereinziehung zuviel gezahlter Beträge aufgrund bestimmter Umstände wie etwa der Einstellung
der Tätigkeit oder des Verlustes von Buchungsunterlagen schwierig oder unmöglich wird (Urteil vom
11. Oktober 1990 in der Rechtssache C-34/89, Italien/Kommission, Slg. 1990, I-3603, Randnr. 12).
178.
Zum anderen können die nationalen Behörden eine Verletzung ihrer Pflicht, begangene
Unregelmäßigkeiten schnell zu beheben, nicht mit der Dauer der von dem Wirtschaftsteilnehmer
eingeleiteten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren rechtfertigen (Urteil vom 21. Februar 1991 in der
Rechtssache C-28/89, Deutschland/Kommission, Slg. 1991, I-581, Randnr. 32).
179.
Zwar gilt gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 für auf nationaler Ebene eingeleitete
Rückforderungsverfahren das innerstaatliche Recht einschließlich der Vorschriften über die Beweislast
(vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis
215/82, Deutsche
Milchkontor u. a., Slg. 1983, 2633, Randnr. 36), doch ist die Anwendung dieses Rechts nur möglich,
soweit sie zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts erforderlich ist und dessen Bedeutung und
Wirksamkeit nicht beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 6. Mai 1982 in den Rechtssachen 146/81, 192/81 und
193/81, BayWa u. a., Slg. 1982, 1503, Randnr. 29).
180.
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß das Rückforderungsverfahren mit einjähriger Verzögerung
eingeleitet, dann sofort ausgesetzt und schließlich am 7. Juni 1994 eingestellt wurde.
181.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, die verspätete Einleitung des Verfahrens, die Aussetzung des
Vollzugs des Rückforderungsbescheids und die Einstellung des Verfahrens seien im wesentlichen
darauf zurückzuführen, daß die zuständige nationale Behörde dieses Verfahren mangels Beweisen für
nicht erfolgversprechend gehalten habe. Zum einen hätten die in Zimbabwe entdeckten
Genußtauglichkeitsbescheinigungen keine Aufschlüsse über den tatsächlichen Warenweg gegeben.
Zum anderen hätten der zuständigen Behörde Beförderungspapiere und Verzollungsbescheinigungen
für diese Geschäfte vorgelegen, in denen Südafrika als Bestimmungs- bzw. Verzollungsland der Ware
angegeben gewesen sei.
182.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten
im Bestimmungsland nur ein widerlegliches Indiz dafür, daß das Ziel der differenzierten
Ausfuhrerstattungen tatsächlich erreicht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile Dimex, Randnr. 11, und
Möllmann-Fleisch, Randnr. 13). So kann insbesondere die Beweiskraft, die die
Verzollungsbescheinigung normalerweise hat, entfallen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, ob
die Waren tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sind, um dort vermarktet zu
werden (Urteil Möllmann-Fleisch, Randnr. 15). In einem solchen Fall können zum Nachweis, daß die
Waren tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sind, andere Dokumente vorgelegt
werden, die die Gemeinschaftsregelung vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil Möllmann-Fleisch, Randnr.
14), so z. B. Dokumente, aus denen hervorgeht, daß die Ware im Bestimmungsland entladen wurde.
183.
Im vorliegenden Fall waren die in Zimbabwe entdeckten Genußtauglichkeitsbescheinigungen
geeignet, begründete Zweifel daran zu wecken, daß die von der Firma Barfuß ausgeführten
Fleischsendungen, auf die sie sich bezogen, tatsächlich auf den Markt ihres angegebenen
Bestimmunglands Südafrika gelangt waren. Es war demnach Sache der betroffenen Firma, durch
andere Dokumente als die Verzollungsbescheinigungen nachzuweisen, daß die ausgeführten Waren in
ihrem angegebenen Bestimmungsland tatsächlich zum freien Verkehr abgefertigt worden waren.
Konnte die Ausführerin diesen Beweis nicht erbringen, so mußte sie die bereits ausgezahlten
Erstattungen zurückzahlen.
184.
Die Bundesregierung hat nicht vorgetragen, daß die Firma Barfuß außer den Beförderungspapieren
und den Verzollungsbescheinigungen Unterlagen vorgelegt hätte, die die Entladung der ausgeführten
Waren in Südafrika bewiesen und so die Zweifel an deren tatsächlichen Bestimmungsort zerstreut
hätten.
185.
Daher stellen die verspätete Einleitung des Rückforderungsverfahrens sowie der Ablauf dieses
Verfahrens eine Verletzung der der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 8 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 729/70 obliegenden Verpflichtungen dar, so daß zu der Frage, ob die Einstellung des
Rückforderungsverfahrens in Wirklichkeit auf den Verlust der Originale der in Zimbabwe
entdecktenGenußtauglichkeitsbescheinigungen zurückzuführen war, nicht Stellung genommen zu
werden braucht.
186.
Dieser Klagegrund ist somit zurückzuweisen.
187.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Kosten
188.
Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr
die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.
Kapteyn Hirsch Ragnemalm
Schintgen Ioannou
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Januar 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
P. J. G. Kapteyn
Verfahrenssprache: Deutsch.