Urteil des EuGH vom 25.04.2002

EuGH: regierung, kommission, bekanntgabe, erlass, produkt, geschädigter, generalanwalt, anhörung, anwendungsbereich, schlussbestimmung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
25. April 2002
„Rechtsangleichung - Richtlinie 85/374/EWG - Haftung für fehlerhafte Produkte - Verhältnis zu den anderen
Haftungsregelungen“
In der Rechtssache C-183/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Juzgado de Primera Instancia e Instrucción n
o
5
Oviedo (Spanien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
María Victoria González Sánchez
gegen
Medicina Asturiana SA
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 13 der Richtlinie 85/374/EWG
des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210, S. 29)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter S. von Bahr und C. W.
A. Timmermans,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Frau González Sánchez, vertreten durch C. García Castañón, Abogado,
- der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki und S. Vodina als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Mongin und M. Desantes als
Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau González Sánchez, vertreten durch C. García
Castañón, der Medicina Asturiana SA, vertreten durch M. Herrero Zumalacárregui, Abogado, der
griechischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki und S. Vodina, der französischen Regierung, vertreten
durch R. Loosli-Surrans, und der Kommission, vertreten durch B. Mongin und G. Valero Jordana als
Bevollmächtigte, in der Sitzung vom 3. Mai 2001,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. September 2001,
folgendes
Urteil
1.
Das Juzgado de Primera Instancia e Instrucción n
o
5 Oviedo hat mit Beschluss vom 13. April 2000,
beim Gerichtshof eingegangen am 16. Mai 2000, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der
Auslegung von Artikel 13 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte
(ABl. L 210, S. 29, nachfolgend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau González Sánchez (nachfolgend:
Klägerin) und der Medicina Asturiana SA (nachfolgend: Beklagte) wegen Ersatz des Schadens, der
angeblich bei einer Bluttransfusion in einer Einrichtung der Beklagten verursacht worden ist.
Rechtlicher Rahmen
3.
Die Richtlinie bezweckt eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Haftung
des Herstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht worden sind.
Nach ihrer ersten Begründungserwägung ist die Angleichung erforderlich geworden, weil die
Unterschiedlichkeit der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften „den Wettbewerb verfälschen, den freien
Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen und zu einem unterschiedlichen
Schutz des Verbrauchers vor Schädigungen seiner Gesundheit und seines Eigentums durch ein
fehlerhaftes Produkt führen kann“.
4.
In der dreizehnten Begründungserwägung der Richtlinie wird Folgendes ausgeführt:
„Nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten kann der Geschädigte aufgrund einer vertraglichen
Haftung oder aufgrund einer anderen als der in dieser Richtlinie vorgesehenen außervertraglichen
Haftung Anspruch auf Schadenersatz haben. Soweit derartige Bestimmungen ebenfalls auf die
Verwirklichung des Ziels eines wirksamen Verbraucherschutzes ausgerichtet sind, dürfen sie von
dieser Richtlinie nicht beeinträchtigt werden. Soweit in einem Mitgliedstaat ein wirksamer
Verbraucherschutz im Arzneimittelbereich auch bereits durch eine besondere Haftungsregelung
gewährleistet ist, müssen Klagen aufgrund dieser Regelung ebenfalls weiterhin möglich sein.“
5.
Artikel 13 der Richtlinie lautet:
„Die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund der Vorschriften über die vertragliche und
außervertragliche Haftung oder aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie
bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, werden durch diese Richtlinie
nicht berührt.“
6.
Das Allgemeine Gesetz Nr. 26 vom 19. Juli 1984 zum Schutz der Verbraucher und Benutzer (Boletín
Oficial del Estado Nr. 176 vom 24. Juli 1984, nachfolgend: Gesetz Nr. 26/84) sieht in seinen Artikeln 25
bis 28 eine Gefährdungshaftungsregelung vor, nach der die Verbraucher und die Benutzer Ersatz des
Schadens erlangen können, der durch den Verbrauch einer Sache, die Verwendung eines Produktes
oder die Nutzung einer Dienstleistung verursacht worden ist.
7.
Nach dem Beitritt des Königreichs Spanien zu den Europäischen Gemeinschaften wurde zur
Umsetzung der Richtlinie in spanisches Recht das Gesetz Nr. 22 vom 6. Juli 1994 über die Haftung für
fehlerhafte Produkte (Boletín Oficial del Estado Nr. 161 vom 7. Juli 1994, nachfolgend: Gesetz Nr.
22/94) erlassen.
8.
Artikel 2 des Gesetzes Nr. 22/94 definiert den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes in
Anlehnung an die Definition des Produktes in Artikel 2 der Richtlinie. In seiner ersten
Schlussbestimmung sieht das Gesetz vor, dass die Artikel 25 bis 28 des Gesetzes Nr. 26/84 nicht für
die Haftung für Schäden gelten, die durch fehlerhafte Produkte im Sinne des Artikels 2 des Gesetzes
verursacht worden sind.
Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefrage
9.
Die Klägerin bekam eine Bluttransfusion in einer medizinischen Einrichtung, deren Eigentümerin die
Beklagte ist. Das bei der Transfusion verwendete Blut war von einem Transfusionszentrum aufbereitet
worden.
10.
Die Klägerin bringt vor, sie sei bei dieser Transfusion mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert worden.
Gestützt auf die allgemeinen Bestimmungen des spanischen Zivilgesetzbuchs und auf die Artikel 25
bis 28 des Gesetzes Nr. 26/84 forderte sie von der Beklagten den Ersatz des erlittenen Schadens.
Diese machte geltend, die genannten Artikel des Gesetzes Nr. 26/84 seien angesichts der ersten
Schlussbestimmung des Gesetzes Nr. 22/94 nicht anwendbar.
11.
Das vorlegende Gericht hält es für erwiesen, dass der dem Rechtsstreit zugrunde liegende
Sachverhalt in den sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich sowohl des Gesetzes Nr. 26/84 als
auch des Gesetzes Nr. 22/94 fällt.
12.
Nach einer Analyse dieser beiden Gesetze hat es festgestellt, dass die Ansprüche der Verbraucher
und der Benutzer nach dem Gesetz Nr. 26/84 weiter gingen als die Ansprüche von Geschädigten nach
dem Gesetz Nr. 22/94 und dass daher mit der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht durch das
letztgenannte Gesetz dieAnsprüche eingeschränkt worden seien, die die Betroffenen zum Zeitpunkt
der Bekanntgabe der Richtlinie besessen hätten.
13.
Da der Rechtsstreit nach Ansicht des vorlegenden Gerichts somit eine Frage nach der Auslegung
von Artikel 13 der Richtlinie aufwirft, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende
Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Artikel 13 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte dahin
auszulegen, dass er einer Einschränkung der den Verbrauchern nach dem Recht des Mitgliedstaats
zuerkannten Ansprüche infolge der Umsetzung der Richtlinie entgegensteht?
Zur Vorlagefrage
14.
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 13 der Richtlinie dahin
auszulegen ist, dass die Ansprüche der durch ein fehlerhaftes Produkt Geschädigten nach dem Recht
eines Mitgliedstaats infolge der Umsetzung der Richtlinie in das innerstaatliche Recht des
betreffenden Staates eingeschränkt sein können.
15.
Die spanische Regierung macht in erster Linie geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei
unzulässig, da im Vorlagebeschluss nicht die tatsächlichen Umstände angegeben würden, anhand
deren festgestellt werden könne, ob das Gesetz Nr. 22/94 anwendbar sei; nur dann sei aber die
vorgelegte Frage entscheidungserheblich.
16.
Dazu ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Artikel
234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein
Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich
die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache
sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die
Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt. Das Ersuchen eines nationalen
Gerichts kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von
diesem Gericht erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder Prüfung der Gültigkeit einer
Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des
Ausgangsrechtsstreits besteht (siehe u. a. Urteile vom 22. Juni 2000 in der Rechtssache C-318/98,
Fornasar u. a., Slg. 2000, I-4785, Randnr. 27, und vom 10. Mai 2001 in den Rechtssachen C-223/99 et
C-260/99, Agorà und Excelsior, Slg. 2001, I-3605, Randnrn. 18 und 20).
17.
Hier hat das vorlegende Gericht die Gründe dargelegt, aus denen es die Auslegung von Artikel 13
der Richtlinie zur Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits benötigt, und es ist nicht
ersichtlich, dass die vorgelegte Frage in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem
Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.
18.
Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.
Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen
19.
Die spanische Regierung und die Kommission bringen vor, dass die Richtlinie die Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte bezwecke. Artikel
13 der Richtlinie könne nicht dahin ausgelegt werden, dass sich ein Geschädigter hinsichtlich der
unter die Richtlinie fallenden Produkte auf eine Haftungsregelung berufen könne, die günstiger sei als
die durch die Richtlinie vorgesehene.
20.
Die Klägerin, die griechische, die französische und die österreichische Regierung vertreten eine
gegenteilige Auslegung von Artikel 13 der Richtlinie.
21.
Ihrer Ansicht nach ist die durch die Richtlinie bewirkte Harmonisierung nicht umfassend. Artikel 13
der Richtlinie sei dahin auszulegen, dass sie die für den Geschädigten oftmals günstigeren
Vorschriften des nationalen Rechts über die vertragliche oder außervertragliche Haftung oder über
eine zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie an die Mitgliedstaaten in Kraft befindliche
besondere Haftungsregelung unberührt lasse. Es laufe dem Ziel der Richtlinie offenkundig zuwider,
dass ihre Umsetzung einen geringeren Schutz des Geschädigten zur Folge hätte.
22.
Diese Auslegung von Artikel 13 der Richtlinie werde durch die spätere Entwicklung auf dem Gebiet
des Verbraucherschutzes bestätigt, wie er sich in seiner jüngsten Ausgestaltung gemäß Artikel 153
EG darstelle, nach dessen Absatz 1 das Tätigwerden der Gemeinschaft auf die Gewährleistung eines
hohen Verbraucherschutzniveaus gerichtet sei, und nach dessen Absatz 5 die in diesem Rahmen
beschlossenen Maßnahmen die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran hinderten, strengere
Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen.
Würdigung durch den Gerichtshof
23.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie vom Rat einstimmig auf der
Grundlage des Artikels 100 EWG-Vertrag (nach Änderung Artikel 100 EG-Vertrag, jetzt Artikel 94 EG)
erlassen wurde, der die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten
betrifft, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes
auswirken. Anders alsArtikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG), der nach Erlass der
Richtlinie in den EG-Vertrag eingefügt wurde und die Möglichkeit bestimmter Abweichungen vorsieht,
begründet die Rechtsgrundlage Artikel 94 EG keine Befugnis für die Mitgliedstaaten, von den
Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft abweichende Vorschriften beizubehalten oder
einzuführen.
24.
Auch Artikel 153 EG, der ebenfalls nach Erlass der Richtlinie in den EG-Vertrag eingefügt wurde,
kann nicht für eine Auslegung der Richtlinie dahin angeführt werden, dass diese eine
Mindestharmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezweckt, die der Beibehaltung
oder dem Erlass strengerer Schutzmaßnahmen als der Gemeinschaftsmaßnahmen durch einen
Mitgliedstaat nicht entgegensteht. Die den Mitgliedstaaten hierbei durch Artikel 153 Absatz 5 EG
verliehene Befugnis betrifft nämlich nur die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe b EG genannten
Maßnahmen, also Maßnahmen zur Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der
Mitgliedstaaten. Sie bezieht sich nicht auf die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe a EG genannten
Maßnahmen, also die im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts nach Artikel 95 EG erlassenen
Maßnahmen, denen die auf der Grundlage des Artikels 94 EG erlassenen Maßnahmen in diesem
Zusammenhang gleichzustellen sind. Wie außerdem der Generalanwalt in Nummer 43 seiner
Schlussanträge ausgeführt hat, ist Artikel 153 EG als an die Gemeinschaft gerichtete Anweisung für
ihre zukünftige Politik gefasst und kann den Mitgliedstaaten wegen der unmittelbaren Gefährdung des
gemeinschaftlichen Besitzstandes keine Befugnis verleihen, selbständig Maßnahmen zu ergreifen, die
im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stünden, wie es sich aus den zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens von Artikel 153 EG bereits erlassenen Richtlinien ergibt.
25.
Daraus folgt, dass der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Haftung für
fehlerhafte Produkte zur Gänze von der Richtlinie selbst festgelegt wird und aus deren Wortlaut,
Zweck und Systematik abzuleiten ist.
26.
Dazu ist erstens festzustellen, dass die Richtlinie, wie aus ihrer ersten Begründungserwägung
hervorgeht, mit der Errichtung einer harmonisierten Regelung der Haftung von Herstellern für die
durch fehlerhafte Produkte verursachten Schäden dem Ziel Rechnung trägt, einen unverfälschten
Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsbeteiligten zu gewährleisten, den freien Warenverkehr zu
erleichtern und einen unterschiedlichen Verbraucherschutz zu vermeiden.
27.
Zweitens enthält die Richtlinie anders als z. B. die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993
über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29) keine Bestimmung, die die
Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt, in den durch die Richtlinie geregelten Punkten strengere
Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu
gewährleisten.
28.
Drittens bedeutet der Umstand, dass die Richtlinie bestimmte Ausnahmen vorsieht oder in
manchen Punkten auf das nationale Recht verweist, nicht, dass die Harmonisierung in den durch sie
geregelten Punkten nicht vollständig ist.
29.
Wenn es nämlich den Mitgliedstaaten nach den Artikeln 15 Absatz 1 Buchstaben a und b und 16
der Richtlinie gestattet ist, von Regelungen der Richtlinie abzuweichen, so betreffen diese eng
definierten Abweichungsmöglichkeiten nur abschließend aufgezählte Punkte. Außerdem unterliegen
sie insbesondere einer Beurteilung im Hinblick auf eine umfassendere Harmonisierung, von der in der
vorletzten Begründungserwägung der Richtlinie ausdrücklich die Rede ist. Die Richtlinie 1999/34/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 zur Änderung der Richtlinie 85/374
(ABl. L 141, S. 20), die durch die Einbeziehung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in den Geltungsbereich
der Richtlinie die Wahlmöglichkeit gemäß Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie aufgehoben
hat, veranschaulicht dabei dieses fortschreitende Harmonisierungssystem.
30.
Vor diesem Hintergrund kann Artikel 13 der Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden, dass er den
Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte
beizubehalten, die von der in der Richtlinie vorgesehenen Regelung abweicht.
31.
Die Bezugnahme in Artikel 13 der Richtlinie auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund
vertraglicher oder außervertraglicher Haftung geltend machen kann, ist dahin auszulegen, dass die
durch die Richtlinie eingeführte Regelung, nach der der Geschädigte gemäß Artikel 4 der Richtlinie
Schadensersatz verlangen kann, wenn er den Schaden, den Fehler des Produktes und den
ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Fehler und dem Schaden beweist, nicht die
Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung ausschließt, die
wie die Haftung für verdeckte Mängel oder für Verschulden auf anderen Grundlagen beruhen.
32.
Auch die Bezugnahme in Artikel 13 auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund einer zum
Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend
machen kann, ist gemäß der dreizehnten Begründungserwägung Satz 3 der Richtlinie dahin zu
verstehen, dass damit auf eine besondere Regelung abgestellt wird, die auf einen bestimmten
Produktionssektor begrenzt ist (siehe Urteile von diesem Tag in den Rechtssachen C-52/00,
Kommission/Frankreich, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 13 bis 23, und
C-154/00, Kommission/Griechenland, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 9
bis 19).
33.
Dagegen ist davon auszugehen, dass eine Regelung der Herstellerhaftung, die auf derselben
Grundlage beruht wie die durch die Richtlinie eingeführte Regelung und nicht auf einen bestimmten
Produktionssektor begrenzt ist, unter keine der Haftungsregelungen fällt, auf die Artikel 13 der
Richtlinie Bezug nimmt. Diese Bestimmung kann daher in einem solchen Fall nicht geltend gemacht
werden, um dieBeibehaltung nationaler Vorschriften zu rechtfertigen, die ein höheres Schutzniveau
haben als die Vorschriften der Richtlinie.
34.
Mithin ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 13 der Richtlinie dahin auszulegen ist,
dass die Ansprüche, die den durch ein fehlerhaftes Produkt Geschädigten nach dem Recht eines
Mitgliedstaats aufgrund einer allgemeinen Haftungsregelung zustehen, die auf derselben Grundlage
beruht wie die durch die Richtlinie eingeführte Regelung, infolge der Umsetzung der Richtlinie in das
innerstaatliche Recht des betreffenden Staates eingeschränkt sein können.
Kosten
35.
Die Auslagen der spanischen, der griechischen, der französischen und der österreichischen
Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht
erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in
dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache
dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Juzgado de Primera Instancia e Instrucción n. 5 Oviedo mit Beschluss vom 13. April
2000 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Artikel 13 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte
Produkte ist dahin auszulegen, dass die Ansprüche, die den durch ein fehlerhaftes
Produkt Geschädigten nach dem Recht eines Mitgliedstaats aufgrund einer allgemeinen
Haftungsregelung zustehen, die auf derselben Grundlage beruht wie die durch die
genannte Richtlinie eingeführte Regelung, infolge der Umsetzung der Richtlinie in das
innerstaatliche Recht des betreffenden Staates eingeschränkt sein können.
Jann
von Bahr
Timmermans
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. April 2002.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
P. Jann
Verfahrenssprache: Spanisch.