Urteil des EuGH vom 19.11.1998

EuGH: auswärtige angelegenheiten, schutz der gesundheit, rasse, mitgliedstaat, genehmigung, künstliche besamung, regierung, kommission, freier warenverkehr, behörde

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
19. November 1998
„Freier Warenverkehr — Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und von Maßnahmen mit gleicher Wirkung
zwischen Mitgliedstaaten — Ausnahmen — Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren —
Verbesserung des Viehbestands — Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht — Künstliche Besamung“
In der Rechtssache C-162/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Tingsrätt Helsingborg (Schweden) in dem
bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen
Gunnar Nilsson,
Per Olov Hagelgren,
Solweig Arrborn
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag und des
Artikels 2 der Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger
Zuchtrinder zur Zucht (ABl. L 167, S. 54)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der
Fünften Kammer sowie der Richter J. C. Moitinho de Almeida, C. Gulmann, L. Sevón (Berichterstatter) und M.
Wathelet,
Generalanwalt: J. Mischo
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
— von Gunnar Nilsson, vertreten durch Rechtsanwalt Anders Boquist, Malmö,
— der schwedischen Regierung, vertreten durch Rättschef Lotty Nordling, Außenhandelsabteilung des
Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte,
— der belgischen Regierung, vertreten durch Jan Devadder, Verwaltungsdirektor im Juristischen Dienst des
Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als
Bevollmächtigten,
— der französischen Regierung, vertreten durch Kareen Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion
für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und Frédéric Pascal, Attaché der
Zentralverwaltung in dieser Direktion, als Bevollmächtigte,
— der finnischen Regierung, vertreten durch Holger Rotkirch, Leiter des Juristischen Dienstes des
Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,
— der norwegischen Regierung, vertreten durch Jan Bugge-Mahrt, Stellvertretender Generaldirektor im
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,
— der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hans Støvlbæck und Lena Ström,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Gunnar Nilsson, vertreten durch Rechtsanwalt Anders
Boquist, von Per Olov Hagelgren, vertreten durch Rechtsanwältin Lillemor Wåhlin, Lund, der schwedischen
Regierung, vertreten durch Lotty Nordling und Maria Lundqvist Norling, zur Rechtsabteilung des
Außenministeriums abgeordnete Kammarrättsassessorin, als Bevollmächtigte, der belgischen Regierung,
vertreten durch Leo van den Eynde, Leiter des Juristischen Dienstes des Ministeriums für die Mittelklassen
und die Landwirtschaft, als
Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch Lena Ström in der Sitzung vom 24. März 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Mai 1998,
folgendes
Urteil
1.
Das Tingsrätt Helsingborg hat mit Beschluß vom 28. April 1997, beim Gerichtshof eingegangen am
30. April 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 30 EG-
Vertrag und des Artikels 2 der Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom 18. Juni 1987 über die Zulassung
reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht (ABl. L 167, S. 54) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren gegen Gunnar Nilsson, Per Olov Hagelgren und
Solweig Arrborn, denen folgendes vorgeworfen wird: Zum einen habe der Angeklagte Hagelgren ohne
Genehmigung Rindersamen an Herrn Nilsson verkauft, der Angeklagte Nilsson habe vier ihm
gehörende Kühe ohne Genehmigung besamen lassen, und die Angeklagte Arrborn habe ohne
Genehmigung die betreffende Besamung vorgenommen; zum anderen habe jeder von ihnen durch die
Besamung der dem Angeklagten Nilsson gehörenden Rinder mit dem Samen von Rindern der Rasse
Belgisch Blau gegen die nationalen Rechtsvorschriften verstoßen, die zum Schutz der Gesundheit der
Tiere jede Zuchttätigkeit verbieten, die Leiden für die Tiere mit sich bringen oder deren Verhalten
negativ beeinflussen kann.
3.
Artikel 2 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 87/328 bestimmt:
„Ein Mitgliedstaat kann folgende Tätigkeiten nicht verbieten, beschränken oder behindern:
...
— die Zulassung reinrassiger Bullen zur künstlichen Besamung in seinem Gebiet oder die
Verwendung ihres Samens, wenn diese Bullen in einem Mitgliedstaat nach gemäß der Entscheidung
86/130/EWG durchgeführten Prüfungen zur künstlichen Besamung zugelassen worden sind.“
4.
Die Richtlinie 87/328 ist auf die Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige
Zuchtrinder (ABl. L 206, S. 8) gestützt und soll eine
ergänzende Harmonisierung hinsichtlich der Zulassung solcher Tiere und ihres Samens zur Zucht
bewirken.
5.
Artikel 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/504 in der Fassung des Artikels 11 der 94/28/EG
des Rates vom 23. Juni 1994 über die grundsätzlichen tierzüchterischen und genealogischen
Bedingungen für die Einfuhr von Tieren, Sperma, Eizellen und Embryonen aus Drittländern und zur
Änderung der Richtlinie 77/504/EWG über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 178, S. 66) bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß folgende Tätigkeiten nicht aus tierzüchterischen Gründen
verboten, beschränkt und behindert werden:
...
— der innergemeinschaftliche Handel mit Samen und Eizellen und Embryonen von reinrassigen
Zuchtrindern“.
6.
Gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/504 in der Fassung des Artikels 3 der Richtlinie
91/174/EWG des Rates vom 25. März 1991 über züchterische und genealogische Bedingungen für die
Vermarktung reinrassiger Tiere und zur Änderung der Richtlinien 77/504/EWG und 90/425/EWG (ABl. L
85, S. 37) ist „ein reinrassiges Zuchtrind: jedes Rind sowie jeder Büffel, dessen Eltern und Großeltern
in einem Zuchtbuch derselben Rasse eingetragen oder vermerkt sind und das dort selbst entweder
eingetragen ist oder vermerkt ist und eingetragen werden könnte“.
7.
Ein „Zuchtbuch“ ist gemäß Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/504: „jedes Buch, jedes
Verzeichnis, jede Kartei oder jeder andere Informationsträger
— der von einer Züchtervereinigung oder Zuchtorganisation geführt wird, die in dem Mitgliedstaat,
in dem diese Vereinigung oder Organisation gegründet worden ist, amtlich anerkannt ist und
— in dem die reinrassigen Zuchtrinder einer bestimmten Rasse unter Angabe ihrer Vorfahren
eingetragen oder vermerkt sind.“
8.
Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung 84/247/EWG der Kommission vom 27. April 1984 zur Festlegung
der Kriterien für die Anerkennung von Züchtervereinigungen und Zuchtorganisationen, die
Zuchtbücher für reinrassige Zuchtrinder halten oder einrichten (ABl. L 125, S. 58), die auf Artikel 6
Absatz 1 zweiter und dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/504 gestützt ist, sieht vor, daß die
Behörden des betreffenden Mitgliedstaats jede Züchtervereinigung und Zuchtorganisation, die
Zuchtbücher hält oder einrichtet und die im Anhang aufgeführten Bedingungen erfüllt, amtlich
anerkennen müssen.
9.
Dieser Anhang sieht insbesondere vor, daß eine Züchtervereinigung oder Zuchtorganisation, die
Zuchtbücher hält oder einrichtet, um amtlich anerkannt zu
werden, Vorschriften aufgestellt haben muß, die die Definition der Rassenmerkmale, das System zur
Registrierung der Abstammungsdaten, die Definition ihrer Zuchtziele und das System der Auswertung
der tierzüchterischen Daten regeln.
10.
Die Kommission hat außerdem auf der Grundlage des Artikels 6 Absatz 1 erster Gedankenstrich der
Richtlinie 77/504 die Entscheidung 86/130/EWG vom 11. März 1986 über die Methoden der Leistungs-
und Zuchtwertprüfung bei reinrassigen Zuchtrindern (ABl. L 101, S. 37) erlassen. Der Anhang dieser
Entscheidung wurde durch die Entscheidung 94/515/EG der Kommission vom 27. Juli 1994 (ABl. L 207,
S. 30) ersetzt.
11.
Teil I dieses Anhangs in der geänderten Fassung sieht folgendes vor: „Die Zulassung der für die
Regelung von Leistungsprüfung, Zuchtwertschätzung und Veröffentlichung der
Auswertungsergebnisse für reinrassige Zuchtrinder zuständigen Stellen obliegt den zuständigen
Behörden der Mitgliedstaaten.“
12.
Teil II des Anhangs sieht u. a. die Erfassung von Daten über die Fortpflanzung der Tiere, und zwar
unter Beurteilung u. a. des Befruchtungserfolgs, sowie eine Exterieurbewertung vor.
13.
Zur Zuchtwertschätzung sieht Teil III Nummer 1 letzter Absatz des Anhangs vor:
„Genetische Besonderheiten und Erbfehler eines Tieres, wie sie von den amtlich zugelassenen Stellen
für die Bestimmung dieser Merkmale im Einvernehmen mit den anerkannten Züchtervereinigungen
und Zuchtorganisationen gemäß der Entscheidung 84/247/EWG festgelegt wurden, müssen
veröffentlicht werden.“
14.
Zur Zuchtwertschätzung von zur künstlichen Besamung vorgesehenen Bullen sieht Teil III Nummer 2
des Anhangs vor, daß deren Zuchtwerte zu veröffentlichen sind.
15.
In Schweden ist für die Tätigkeiten der Besamung von Rindern, wie die Gewinnung, die Behandlung
und der Vertrieb von Samen und die Besamung der Rinder, nach den Vorschriften des Zentralamts für
Landwirtschaft über die Tätigkeit der Besamung von Rindern (SJVFS 1994:98) eine Genehmigung
erforderlich. Gemäß § 26 dieser Vorschriften ist Voraussetzung für den Vertrieb von Rindersamen, daß
eine Genehmigung zur Besamung vorliegt. Artikel 30 verpflichtet den Samenhändler, dem Vertreiber
Informationen mitzuteilen, die u. a. den Befruchtungserfolg, die Häufigkeit schwieriger Abkalbungen,
das Vorkommen von Erbkrankheiten und Mißbildungen betreffen.
16.
§ 29 der Tierschutzverordnung (SFS 1988:539) verbietet die „Zucht mit einer Ausrichtung, die
Leiden für die Tiere mit sich bringt“.
17.
Aufgrund dieser Verordnung verbieten die Vorschriften des Zentralamts für Landwirtschaft über die
Tierhaltung in der Landwirtschaft (SJVFS 1993:129) die Besamung von Färsen und Kühen, wenn
Schwierigkeiten bei der Abkalbung zu erwarten sind.
18.
Außerdem verbietet § 3 Absatz 1 der Regelung des Zentralamts für Landwirtschaft über
Tierschutzerfordernisse bei der Zuchttätigkeit (SJVFS 1995:113 in der Fassung des SJVFS 1995:181)
die Verwendung von Zuchttieren, bei denen festgestellt wurde, daß sie zum Tode führende
Erbanlagen, Defekte oder andere Eigenschaften vererben, die Leiden für die Nachkommen mit sich
bringen oder deren natürliches Verhalten negativ beeinflussen, oder die wahrscheinlich solche zum
Tode führenden Erbanlagen, Defekte oder andere Eigenschaften vererben. Im Anhang dieser
Verordnung wird u. a. die Muskelhypertrophie angeführt.
19.
Gemäß § 3 Absatz 2 dieser Regelung dürfen außerdem keine Zuchttiere bei der Zucht verwendet
werden, bei denen aller Wahrscheinlichkeit nach Erbanlagen vorliegen, aufgrund deren sie zu
häufigen Krankheiten, Abkalbschwierigkeiten oder der Gefahr des Todes beim Abkalben ausgesetzt
sind.
20.
Gemäß der Vorlageentscheidung kaufte der Angeklagte Hagelgren in Belgien Samen von Rindern
der Rasse Belgisch Blau, den er anschließend an den Angeklagten Nielsson zum Zweck der Besamung
von diesem gehörenden Kühen verkaufte. Für die Vornahme der Besamung wandte sich der
Angeklagte Nielsson an die Angeklagte Arrborn.
21.
Da keine dieser Personen über die Genehmigung des Zentralamts für Landwirtschaft verfügte, wird
ihnen vorgeworfen, ohne Genehmigung Samen vertrieben bzw. die Besamung vorgenommen zu haben.
Ferner wird ihnen vorgeworfen, unter Verstoß gegen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften über
den Tierschutz Samen der Rasse Belgisch Blau verwendet zu haben, obwohl diese Rasse „die
Erbanlage zur Muskelhypertrophie“ habe, die sich in einer extremen Muskelentwicklung, stark
unterentwickelten lebenswichtigen inneren Organen bei den Nachkommen und einer besonderen
Anfälligkeit der Nachkommen für Viruskrankheiten und Streß manifestiere. Außerdem komme es häufig
zu schwierigen Abkalbungen.
22.
Die Angeklagten bestreiten diese Vorwürfe und machen geltend, indem die schwedischen
Rechtsvorschriften die Tätigkeit der Besamung von einerGenehmigung abhängig machten und die
Besamung mit Rindersamen der Rasse Belgisch Blau verböten, verstießen sie gegen
Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen Artikel 2 der Richtlinie 87/328.
23.
Das Tingsrätt ist der Auffassung, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hänge
von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ab, und hat das Verfahren ausgesetzt und dem
Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Lassen Artikel 30 EG-Vertrag und die Richtlinie 87/328/EWG eine Prüfung der Genehmigung durch
eine nationale Behörde für die Tätigkeit der Besamung mit Rindersamen, d. h. Gewinnung,
Behandlung und Vertrieb von Samen sowie dessen Einbringung, wie oben dargestellt, zu?
2. Lassen Artikel 30 EG-Vertrag und die Richtlinie 87/328 es zu, daß ein Mitgliedstaat die Besamung
und die Rinderzucht verbietet oder Bedingungen unterwirft,
a) wenn ihre Ausrichtung nach Auffassung einer nationalen Behörde Leiden für die Tiere mit sich
bringen oder das natürliche Verhalten der Tiere beeinflussen kann;
b) wenn es um eine bestimmte Rasse geht, die nach Auffassung einer nationalen Behörde Träger
genetischer Defekte ist?
3. a) Sind aufgrund der Auslegung der Begründungserwägungen der Richtlinie 87/328 nationale
Ausnahmen von der Zulassung zur künstlichen Besamung in dem betreffenden Hoheitsgebiet für Tiere
mit unerwünschten genetischen Eigenschaften zulässig, selbst wenn diese Ausnahmen ein Verbot in
bezug auf Bullen bedeuten, die die Erfordernisse des Artikels 2 der Richtlinie erfüllen?
b) Bei Bejahung der vorstehenden Frage: Kann die Definition der Begriffe „Verschlechterung der
genetischen Eigenschaften“ und „erbliche Belastungen“ in die Zuständigkeit eines einzelnen
Mitgliedstaats fallen?
Zur ersten Frage
24.
Die erste Frage des nationalen Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob Artikel 30 EG-Vertrag oder
die Richtlinie 87/328 einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für die Tätigkeiten der
Besamung von Rindern, insbesondere für den Vertrieb und die Einbringung des Samens, eine
Genehmigung vorschreibt.
25.
Die schwedische, die französische, die finnische und die norwegische Regierung machen geltend,
zwar seien durch die Richtlinien 77/504 und 87/328 die Voraussetzungen für die Einfuhr von
Rindersamen harmonisiert worden, diese Richtlinien regelten jedoch weder die Voraussetzungen der
Besamung noch die Ausbildung der Besamer. Nationale Rechtsvorschriften in diesem Bereich
entsprächen den Artikeln 30 und 36 EG-Vertrag, da sie nicht die Regelung des Handels mit Samen
zwischen den Mitgliedstaaten beträfen, sondern den Schutz der Gesundheit der Tiere, indem sie u. a.
gewährleisteten, daß der Besamer über die nötigen Kenntnisse verfüge, um diesen
Schutzerfordernissen gerecht zu werden.
26.
Die Kommission hingegen macht geltend, Artikel 2 der Richtlinie 87/328 stehe einer nationalen
Regelung entgegen, die für die Besamung mit Rindersamen der Rasse Belgisch Blau, der aus einem
anderen Mitgliedstaat stamme, eine Genehmigung vorsehe, wenn das Genehmigungserfordernis
einem anderen Zweck diene als demjenigen, die Befähigungen der Personen zu überprüfen, die mit
dem Samen umgingen, und damit insbesondere eine Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Besamung
mit dem Samen einer bestimmten Rinderrasse einhergehe. Nach Auffassung der Kommission lassen
die schwedischen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Mitteilung eventueller
Abkalbschwierigkeiten ein solches Ziel vermuten.
27.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere das Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache
8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5) ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die
geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder
potentiell zu behindern, als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung
anzusehen.
28.
Jedoch fällt, wie der Gerichtshof festgestellt hat, eine für alle Wirtschaftsteilnehmer bestehende
Verpflichtung, ihre Erzeugnisse von zugelassenen Einzelhändlern vertreiben zu lassen, die unabhängig
vom Ursprung der fraglichen Erzeugnisse gilt und den Absatz der Erzeugnisse aus anderen
Mitgliedstaaten nicht in anderer Weise als den der inländischen Erzeugnisse berührt, nicht in den
Anwendungsbereich des Artikels 30 des Vertrages (Urteil vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache
C-387/93, Banchero, Slg. 1995, I-4663, Randnrn. 37 und 44).
29.
Die Voraussetzungen für die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder und ihres Samens zur Zucht
wurden durch die Richtlinien 77/504 und 87/328 harmonisiert, um die aus tierzüchterischen Gründen
bestehenden Beschränkungen des freien Handels mit Rindersamen zu beseitigen (vgl. Urteil vom 7.
Dezember 1995 in der Rechtssache C-17/94, Gervais u. a., Slg. 1995, I-4353, Randnr. 32). Folglich darf
ein Erfordernis, das die Kontrolle oder Überprüfung der Einfuhren von Rindersamen aus
tierzüchterischen oder genealogischen Gründen bezweckt oder bewirkt, nur im Einklang mit diesen
Richtlinien aufgestellt werden.
30.
Angesichts dieser Harmonisierung darf das Erfordernis einer Genehmigung für die Tätigkeiten der
Besamung nicht zu dem Zweck aufgestellt werden, eine Kontrolle der genetischen Qualität der
Zuchttiere auf eine in den Richtlinien nicht vorgesehene Art durchzuführen.
31.
Die erste Frage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß Artikel 30 EG-Vertrag und Artikel 2 Absatz
1 der Richtlinie 87/328 einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die für den Vertrieb und die
Einbringung des Samens reinrassiger Zuchtrinder mit Herkunft aus einem anderen Mitgliedstaat eine
Genehmigung vorsehen, soweit diese Genehmigung nur sicherstellen soll, daß ihr Inhaber die
erforderlichen Befähigungen für die beabsichtigte Tätigkeit besitzt.
Zur zweiten Frage
32.
Die zweite Frage des nationalen Gerichts geht dahin, ob Artikel 30 oder die Richtlinie 87/328 einer
nationalen Regelung entgegenstehen, die die Besamung und die Zucht von Rindern verbietet oder
Bedingungen unterwirft, wenn die Ausrichtung dieser Tätigkeit nach Auffassung der zuständigen
nationalen Behörde Leiden für die Tiere mit sich bringen oder das natürliche Verhalten der Tiere
beeinflussen kann oder wenn die betreffende Rasse nach Auffassung dieser nationalen Behörde
Träger genetischer Defekte ist.
33.
Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, stellt sich diese Frage in einem Rechtsstreit, in dem
es um die Rasse Belgisch Blau geht. Es wird im übrigen nicht bestritten, daß die Bullen dieser Rasse in
Belgien aufgrund von gemäß der Entscheidung 86/130, auf die Artikel 2 Absatz 1 zweiter
Gedankenstrich der Richtlinie 87/328 Bezug nimmt, durchgeführten Prüfungen zur künstlichen
Besamung zugelassen worden sind.
34.
Die schwedische, die finnische und die norwegische Regierung sind der Auffassung, trotz der durch
die Richtlinie 87/328 erfolgten Harmonisierung bleibe die Berufung auf Gründe des Schutzes der
Gesundheit der Tiere im Sinne des Artikels 36 möglich, um die Einfuhr von Samen von Zuchttieren zu
verbieten, die Träger des genetischen Defekts Muskelhypertrophie seien. Der schwedischen
Regierung zufolge führt die Muskelhypertrophie zu einer Reihe unerwünschter Merkmale, u. a. zur
Unterentwicklung mehrerer Organe, zur Anfälligkeit für Streß oder zu verhältnismäßig schwachem
Knochenbau. Auch müsse die Abkalbung bei Kälbern, die Nachkommen von Trägern des genetischen
Defekts Muskelhypertrophie seien, in den meisten Fällen durch Kaiserschnitt erfolgen, was zu
unnötigen Leiden für das Muttertier führe und die Behandlung mit hochdosierten Antibiotika nötig
mache.
35.
Diese Regierungen sind der Auffassung, die häufige Vornahme eines Kaiserschnitts beim Abkalben
sei mit dem Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in
landwirtschaftlichen Tierhaltungen unvereinbar. Das Übereinkommen wurde durch die Entscheidung
78/923/EWG des Rates vom 19. Juni 1978 (ABl. L 323, S. 12) und das Änderungsprotokoll durch die
Entscheidung 92/583/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 395, S. 21) im Namen der
Gemeinschaft genehmigt; letzteres ist jedoch bisher nicht in Kraft getreten. Die vom Ständigen
Ausschuß des Europäischen Übereinkommens in seiner 17. Sitzung (21. Oktober 1988)
verabschiedete Empfehlung lehne diese Art der Abkalbung ebenfalls ab. Nummer 13 des Anhangs B
dieser Empfehlung, die besondere Bestimmungen über Kühe und Färsen enthält, sieht tatsächlich vor,
daß Kaiserschnitte nur im Interesse der betroffenen Tiere und nicht als Routinemaßnahme
durchgeführt werden dürfen.
36.
Der Angeklagte Nilsson sowie die belgische und die französische Regierung hingegen machen
geltend, die tierzüchterischen und genealogischen Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger
Rinder seien durch die Richtlinien 77/504 und 87/328 voll harmonisiert worden, und ein Mitgliedstaat
könne die Vermarktung von aus einem anderen Mitgliedstaat stammendem Rindersamen nicht mehr
aus Gründen des Schutzes der Gesundheit der Tiere oder wegen der genetischen Eigenschaften der
Tiere verbieten.
37.
Zu dem Argument der den Tieren zugefügten Leiden verweist die belgische Regierung auf den
erläuternden Bericht zum Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von
Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen, der klarstelle, daß der neue Artikel 3 dieses
Übereinkommens, der durch das Änderungsprotokoll eingeführt worden sei und der Zuchtverfahren
verbiete, die Leiden oder Schäden für die Tiere mit sich brächten oder bringen könnten, nicht
Zuchtverfahren verbiete, die Eingriffe wie Kaiserschnitte erforderlich machten, die nicht zu einem
dauerhaften Schaden führen könnten. Das Verbot des Königreichs Schweden, den Samen von Rindern
der Rasse Belgisch Blau zu verwenden, ergebe sich also aus einer falschen Auslegung des Verbotes
einer Zucht, die Leiden für die Tiere mit sich bringen könne.
38.
Die belgische und die französische Regierung führen außerdem aus, daß das Gen der
Muskelhypertrophie kein genetischer Defekt, also kein mit dem Überleben und der Reproduktion der
Rasse unvereinbares Merkmal sei. Dies werde im übrigen durch die alltägliche Realität der belgischen
Zuchtbetriebe bestätigt. Die französische Regierung macht außerdem geltend, wenn es sich um einen
genetischen Defekt handelte, hätte dieser gemäß dem Anhang der Entscheidung 86/130
veröffentlicht werden müssen.
39.
Die Kommission ist der Auffassung, der Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes der Tiere bei ihrer
Zulassung zur Zucht sei nicht Gegenstand einer Harmonisierung in der Gemeinschaft; ein
Mitgliedstaat könne sich weiter in den Fällen auf Artikel 36 des Vertrages berufen, in denen das
Ergebnis einer Kreuzung einen sofortigen Schutz der Kuh und/oder ihrer Nachkommen erforderlich
machen würde. Allerdings schienen die von dem nationalen Gericht beschriebenen Umstände eine
Ausnahmemaßnahme nicht zu rechtfertigten, da die Vornahme eines Kaiserschnitts bei Abkalbungen
der Rasse Belgisch Blau nicht die Regel sei. Außerdem werde der Kaiserschnitt nach dem Protokoll zur
Änderung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen
Tierhaltungen nicht als ein dauerndes Leiden angesehen.
40.
Außerdem hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung daran erinnert, daß der Vorschlag für
eine Richtlinie (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere,
KOM[92] 192 endg. [ABl. 1992, C 156, S. 11]), durch die u. a. die Empfehlungen des Ständigen
Ausschusses hinsichtlich der Rinder durchgeführt würden, vom Rat immer noch nicht verabschiedet
worden sei.
41.
Wie der Gerichtshof schon festgestellt hat, sind die züchterischen und genealogischen
Voraussetzungen für den innergemeinschaftlichen Handel mit Rindersamen im Rahmen der Richtlinie
87/328 und 91/174 vollständig harmonisiert worden (Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-
323/93, Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 33). Aus dieser
Harmonisierung folgt, daß ein Mitgliedstaat die Verwendung von Samen reinrassiger Rinder in seinem
Hoheitsgebiet nicht behindern darf, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat nach gemäß der
Entscheidung 86/130 durchgeführten Prüfungen in einem anderen Mitgliedstaat zur künstlichen
Besamung zugelassen worden sind.
42.
Es ist unbestritten, daß die Bullen der Rasse Belgisch Blau in Belgien nach gemäß der
Entscheidung 86/130 durchgeführten Prüfungen zur künstlichen Besamung zugelassen worden sind.
43.
Die von den schwedischen Behörden genannten Merkmale, die geeignet sein sollen, bei Rindern
der Rasse Belgisch Blau Leiden zu verursachen oder ihr Verhalten zu beeinflussen, gehören zu deren
Erbanlagen. Insbesondere führt das spezifische Gen der Muskelhypertrophie zu einer großen
Muskelmasse im Verhältnis zu den inneren Organen oder zum Knochengerüst des Tieres sowie zur
häufigeren Vornahme eines Kaiserschnitts bei der Abkalbung.
44.
Daraus ist zu schließen, daß diese Merkmale bei der Beurteilung des genetischen Wertes der Rasse
Belgisch Blau, die nach der im Anhang der Entscheidung 86/130vorgesehenen Methode durchgeführt
wurde, berücksichtigt wurden.
45.
Die Behörden eines Einfuhrmitgliedstaats dürfen also die Verwendung von Rindersamen der Rasse
Belgisch Blau nicht aus Gründen des Tierschutzes verbieten.
46.
Was sodann das Vorliegen genetischer Defekte betrifft, ist festzustellen, daß diese im Rahmen der
Zuchtwertschätzung bei reinrassigen Zuchtrindern und des Systems der in einem Mitgliedstaat
erfolgenden Zulassung zur künstlichen Besamung berücksichtigt werden, da im Anhang der
Entscheidung 86/130 in der durch die Entscheidung 94/515 geänderten Fassung ihre
Veröffentlichung vorgesehen ist.
47.
Hieraus folgt, daß die genetischen Besonderheiten und Defekte eines Tieres nur in dem
Mitgliedstaat festgestellt werden können, in dem die Rinderrasse zur künstlichen Besamung
zugelassen worden ist, und zwar von den zur Feststellung dieser Merkmale befugten amtlichen Stellen
in Übereinstimmung mit den Zuchtorganisationen oder Züchtervereinigungen, die die Zuchtbücher für
reinrassige Zuchtrinder führen.
48.
Die Behörden eines Einfuhrmitgliedstaats können demnach die Verwendung des Samens eines
Zuchtrinds einer zur künstlichen Besamung zugelassenen Rasse nicht
mit der Begründung verbieten, daß diese Rasse ihrer Auffassung nach Träger eines genetischen
Defekts sei.
49.
Das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen
Tierhandlungen ist noch nicht in Kraft getreten und somit nicht verbindlich. Die Empfehlung von 1988
für das Halten von Rindern enthält zwar, wie der Gerichtshof schon festgestellt hat, keine für die
Gemeinschaft rechtlich verbindlichen Vorschriften (Urteil vom 19. März 1998 in der Rechtssache C-
1/96, Compassion in World Farming, Slg. 1998, I-1251, Randnr. 36), sie kann jedoch als eine auf der
Grundlage eines von der Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens erlassene Handlung bei der
Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens von Nutzen sein (vgl. Urteil vom 21. Januar 1993
in der Rechtssache C-188/91, Deutsche Shell, Slg. 1993, I-363, Randnr. 18).
50.
Aus dem Wortlaut dieser Empfehlung ergibt sich jedoch nicht, daß sie dahin auszulegen wäre, daß
sie die Haltung oder die Nutzung von Rinderrassen, die unter Muskelhypertrophie leiden, oder
insbesondere eine Praxis von Abkalbungen, die erforderlichenfalls durch chirurgische Eingriffe in Form
von Kaiserschnitten unterstützt werden, verbietet.
51.
Die zweite Frage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß Artikel 2 Absatz 1 zweiter
Gedankenstrich der Richtlinie 87/328 einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Verwendung
des Samens von Bullen der Rasse Belgisch Blau in diesem Mitgliedstaat verbietet oder von einer
Genehmigung abhängig macht, soweit diese Bullen in einem anderen Mitgliedstaat nach gemäß der
Entscheidung 86/130 durchgeführten Prüfungen zur künstlichen Besamung zugelassen wurden. Die
Behörden des Einfuhrmitgliedstaats sind nicht berechtigt, die Verwendung des Samens dieser Rasse
mit der Begründung zu verbieten, daß sie Träger des Gens der Muskelhypertrophie sei oder daß die
Verwendung des Samens Leiden für die Tiere mit sich bringen oder deren natürliches Verhalten
beeinflussen könne oder daß die Rasse nach ihrer Auffassung Träger genetischer Defekte sei.
Zur dritten Frage
52.
Die dritte Frage des nationalen Gerichts geht zunächst dahin, ob die Begründungserwägungen der
Richtlinie 87/328 einem Mitgliedstaat das Recht geben, die Verwendung des Samens reinrassiger
Rinder, die in einem anderen Mitgliedstaat nach gemäß der Richtlinie 86/130 durchgeführten
Prüfungen zur künstlichen Besamung zugelassen wurden, die jedoch nach Auffassung des
Einfuhrmitgliedstaats unerwünschte genetische Eigenschaften haben, zu verbieten oder von einer
Genehmigung abhängig zu machen. Für den Fall der Bejahung dieses Teils der dritten Frage fragt das
nationale Gericht, ob die Definition der Begriffe „Verschlechterung der genetischen Eigenschaften“
und „erbliche Belastungen“ in die Zuständigkeit eines einzelnen Mitgliedstaats fallen kann.
53.
Das nationale Gericht bezieht sich damit auf die vierte Begründungserwägung der Richtlinie 87/328,
die wie folgt lautet:
„Die künstliche Besamung ist eine wertvolle Technik für die Verbreitung der besten Zuchttiere und
somit für die Verbesserung der Rinderzucht. Jedoch muß jegliche Verschlechterung der genetischen
Eigenschaften vermieden werden, insbesondere bei den männlichen Zuchttieren, bei denen der
genetische Wert und das Fehlen erblicher Belastungen gewährleistet sein müssen.“
54.
Die Begründungserwägungen eines Rechtsaktes der Gemeinschaften sind rechtlich nicht
verbindlich und können nicht zur Rechtfertigung einer Abweichung von den Bestimmungen des
betreffenden Rechtsaktes angeführt werden.
55.
Im übrigen ergibt sich aus der vierten Begründungserwägung der Richtlinie 87/328, in der sich die
in der Vorlagefrage wiedergegebenen Begriffe finden, keineswegs, daß diese den Bestimmungen der
Richtlinie widerspricht.
56.
Gerade durch das System der Zulassung zur künstlichen Besamung, wonach die Zulassung erst
erfolgt, wenn die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zugelassenen Stellen die
Prüfungen gemäß der Entscheidung 86/130 durchgeführt haben, soll nämlich die Verschlechterung
der genetischen Eigenschaften durch die Zulassung von männlichen Zuchttieren zur künstlichen
Besamung, bei denen der genetische Wert und das Fehlen erblicher Belastungen nicht voll
gewährleistet ist, verhindert werden.
57.
Der erste Teil der dritten Frage ist demgemäß dahin zu beantworten, daß die
Begründungserwägungen der Richtlinie 87/328 einem Mitgliedstaat nicht das Recht geben, die
Verwendung des Samens von reinrassigen Bullen, die in einem anderen Mitgliedstaat nach gemäß der
Richtlinie 86/130 durchgeführten Prüfungen zur künstlichen Besamung zugelassen sind, die jedoch
nach Auffassung der nationalen Behörde des Einfuhrmitgliedstaats unerwünschte genetische
Eigenschaften haben, zu verbieten oder einer Genehmigung zu unterwerfen.
58.
Angesichts der Antwort auf den ersten Teil der dritten Frage, erübrigt sich die Beantwortung ihres
zweiten Teils.
Kosten
59.
Die Auslagen der schwedischen, der belgischen, der französischen, der finnischen und der
norwegischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben
haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil
des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache
dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Tingsrätt Helsingborg mit Beschluß vom 28. April 1997 vorgelegten Fragen für Recht
erkannt:
1. Artikel 30 EG-Vertrag und Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 87/328/EWG des Rates vom
18. Juni 1987 über die Zulassung reinrassiger Zuchtrinder zur Zucht stehen einer
nationalen Regelung nicht entgegen, die für den Vertrieb und die Einbringung des Samens
reinrassiger Zuchtrinder mit Herkunft aus einem anderen Mitgliedstaat eine Genehmigung
vorsehen, soweit diese Genehmigung nur sicherstellen soll, daß ihr Inhaber die
erforderlichen Befähigungen für die beabsichtigte Tätigkeit besitzt.
2. Artikel 2 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 87/328 steht einer nationalen
Regelung entgegen, die die Verwendung des Samens von Bullen der Rasse Belgisch Blau
in diesem Mitgliedstaat verbietet oder von einer Genehmigung abhängig macht, soweit
diese Bullen in einem anderen Mitgliedstaat nach gemäß der Entscheidung 86/130/EWG der
Kommission vom 11. März 1986 über die Methoden der Leistungs- und Zuchtwertprüfung
bei reinrassigen Zuchtrindern durchgeführten Prüfungen zur künstlichen Besamung
zugelassen wurden. Die Behörden des Einfuhrmitgliedstaats sind nicht berechtigt, die
Verwendung des Samens dieser Rasse mit der Begründung zu verbieten, daß sie Träger
des Gens der Muskelhypertrophie sei oder daß die Verwendung des Samens Leiden für
die Tiere mit sich bringen oder deren natürliches Verhalten beeinflussen könne oder daß
die Rasse nach ihrer Auffassung Träger genetischer Defekte sei.
3. Die Begründungserwägungen der Richtlinie 87/328 geben einem Mitgliedstaat nicht
das Recht, die Verwendung des Samens von reinrassigen Bullen, die in einem anderen
Mitgliedstaat nach gemäß der Richtlinie 86/130 durchgeführten Prüfungen zur künstlichen
Besamung zugelassen sind, die jedoch nach Auffassung der nationalen Behörde des
Einfuhrmitgliedstaats unerwünschte genetische Eigenschaften haben, zu verbieten oder
einer Genehmigung zu unterwerfen.
Jann Moitinho de Almeida
Gulmann
Sevón
Wathelet
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. November 1998.
Der Kanzler
Für den Präsidenten der Fünften Kammer
R. Grass
J.-P. Puissochet
Verfahrenssprache: Schwedisch