Urteil des EuGH vom 18.03.1999

EuGH: stellenausschreibung, bekanntgabe, ernennung, europäische union, europäisches parlament, klagegrund, generalsekretär, berufserfahrung, beförderung, versetzung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
18. März 1999
„Beamte - Internes Auswahlverfahren - Ernennung zum Abteilungsleiter“
In der Rechtssache C-304/97 P
Fernando Carbajo Ferrero,
Rechtsanwälte Georges Vandersanden und Laure Levi, Brüssel, Zustellungsanschrift: Fiduciaire Myson SARL,
30, rue de Cessange, Luxemburg,
Rechtsmittelführer,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
(Erste Kammer) vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache T-237/95 (Carbajo Ferrero/Parlament, Slg. ÖD 1997, I-
A-141 und II-429) wegen Aufhebung dieses Urteils,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Europäisches Parlament,
Beistand: Rechtsanwälte Francis Herbert und Daniel M. Tomasevic, Brüssel, Zustellungsanschrift:
Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, Luxemburg-Kirchberg,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn sowie der Richter G. Hirsch, G. F. Mancini, H.
Ragnemalm (Berichterstatter) und K. M. Ioannou,
Generalanwalt: N. Fennelly
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Dezember 1998,
folgendes
Urteil
1.
Der Kläger Carbajo Ferrero hat mit Rechtsmittelschrift, die am 26. August 1997 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung und der entsprechenden
Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil
des Gerichts erster Instanz vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache T-237/95 (Carbajo
Ferrero/Parlament, Slg. ÖD 1997, I-A-141 und II-429) eingelegt, mit dem das Gericht seine Klage auf
Aufhebung der Entscheidung des Europäischen Parlaments, Herrn X in die Planstelle eines
Abteilungsleiters einzuweisen und ihn dem Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Madrid
zuzuweisen, sowie der entsprechenden Entscheidung, den Kläger nicht in diese Stelle einzuweisen,
abgewiesen hat.
Sachverhalt
2.
Der Kläger, Beamter der Besoldungsgruppe A 5 in der Generaldirektion Information und
Öffentlichkeitsarbeit des Europäischen Parlaments, war seit 1. Februar 1987 dem Informationsbüro in
Madrid zugewiesen. Am 10. Januar 1994veröffentlichte das Parlament die Stellenausschreibung Nr.
7424 zur Besetzung der Planstelle eines Abteilungsleiters, Besoldungsgruppe A 3, im Büro Madrid im
Wege der Beförderung oder der Versetzung.
3.
Diese Stellenausschreibung beschrieb die Art der Tätigkeit wie folgt:
„Hochqualifizierter Beamter, der mit Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere im spanischen
Sektor, betraut ist, die insbesondere umfassen:
- Herstellung und Ausbau von Kontakten zur Presse und allen anderen Informationsmedien
(Rundfunk, Fernsehen usw.) im spanischen Sektor;
- Verbreitung von Informationen über die Tätigkeiten des Europäischen Parlaments in den
Fachkreisen (Hochschulen, Jugend, Gewerkschaften usw.);
- Verantwortung für das Informationsbüro Madrid.
Diese Arbeiten erfordern eine Eignung für Kontakte mit unterschiedlichen Gesprächspartnern und
eine gute Kenntnis des politischen Umfelds.“
4.
In der Stellenausschreibung werden weiter die erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse der
Bewerber wie folgt bestimmt:
- abgeschlossenes Hochschulstudium oder gleichwertige Berufserfahrung;
- nachweisliche Berufserfahrung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und des Journalismus;
- gründliche Kenntnis des Funktionierens der Informationsmedien und des spanischen
Regierungssystems;
- sehr gute Kenntnis der europäischen Probleme;
- gründliche Kenntnis einer Amtssprache der Europäischen Gemeinschaften; sehr gute Kenntnis
einer weiteren Amtssprache. Aus arbeitstechnischen Gründen ist eine gründliche Kenntnis der
spanischen Sprache erforderlich. Die Kenntnis weiterer Amtssprachen der Europäischen
Gemeinschaften wird berücksichtigt.
5.
Dieses Verfahren führte nicht zu einer Ernennung. Am 9. März 1994 wurde die Bekanntgabe des
internen Auswahlverfahrens A/88 zur Besetzung der genannten Stelle eines Abteilungsleiters im Büro
Madrid veröffentlicht.
6.
Teil I dieser Bekanntgabe des Auswahlverfahrens beschreibt die Art der Tätigkeit ähnlich wie die
Stellenausschreibung Nr. 7424. Teil II führt die Zulassungsbedingungen auf. Danach müssen die
Bewerber eine abgeschlossene Hochschulausbildung, ein bestimmtes Dienstalter bei den
Gemeinschaftsorganen und eine völlige Beherrschung der spanischen Sprache und sehr gute
Kenntnis einer weiteren Amtssprache der Europäischen Union haben.
7.
Teil III der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens betrifft dessen Modalitäten und die Art der
Prüfungen. Diese umfassen:
- ein Exposé, das vom Bewerber unter mehreren allgemeinen Themen in Bereichen ausgewählt wird,
die die Europäische Union betreffen, um den Stand seiner Kenntnisse, seiner redaktionellen
Fähigkeiten und seine Urteilsschärfe zu beurteilen;
- eine Prüfung praktischer Art anhand von Unterlagen, die dem Bewerber übergeben werden. Diese
Prüfung dient der Beurteilung der analytischen Fähigkeiten und der Fähigkeit zur Erfassung von
Zusammenhängen des Bewerbers sowie seiner Fähigkeit, Unterlagen im Zusammenhang mit der
fraglichen Art der Tätigkeit zu bearbeiten;
- eine Unterhaltung mit dem Prüfungsausschuß, damit dieser sowohl das Allgemeinwissen der
Bewerber und ihre Befähigung zur Ausübung der fraglichen Tätigkeit als auch ihre beruflichen
Qualifikationen und ihre Berufserfahrung beurteilen kann;
- eine Diskussion in einer Gruppe, damit der Prüfungsausschuß die Anpassungsfähigkeit, die
Fähigkeit zur Verhandlungsführung, die Entschlußkraft und das Verhalten der Bewerber in einer
Gruppe beurteilen kann; und
- ein freies Gespräch mit dem Prüfungsausschuß, damit dieser die Kenntnisse der Bewerber in
anderen Amtssprachen der Europäischen Union als ihrer Hauptsprache beurteilen kann.
8.
Am 13. Dezember 1994 wurde dem Kläger, der am Auswahlverfahren teilgenommen hatte,
mitgeteilt, daß der Prüfungsausschuß beschlossen habe, ihn nach Herrn X an zweiter Stelle in die
Eignungsliste aufzunehmen.
9.
Der Leiter der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments unterhielt sich
anschließend mit den drei Bestplazierten. Unter Berücksichtigung namentlich des Platzes der
Bewerber auf der Eignungsliste als Ergebnis des Auswahlverfahrens sowie ihrer Erfahrung auf dem
Gebiet der Information und der Verwaltung von Stellen schlug der Generaldirektor die Ernennung des
Klägers vor.
10.
Der Generalsekretär des Parlaments stellte fest, daß der Kläger und Herr X gleichwertige
Beurteilungen erhalten hatten und daß der eine Punkt, um den Herr X besser war, auf seiner Kenntnis
einer dritten Sprache der Europäischen Union beruhte. Er beschloß, dem Vorschlag des
Prüfungsausschusses zu folgen, und schlug deshalb dem Präsidenten des Parlaments die Ernennung
von Herrn X auf die fragliche Stelle vor. Am 21. Februar 1995 ernannte die Anstellungsbehörde Herrn X
zum Abteilungsleiter, Besoldungsgruppe A 3, und wies ihn dem Informationsbüro Madrid zu.
11.
Am 22. Februar 1995 schrieb der Kläger an den Generalsekretär mit der Bitte um Information über
den Stand des Entscheidungsverfahrens. Am 2. März 1995 antwortete ihm der Generalsekretär, daß
eine Entscheidung zugunsten des auf der Eignungsliste Erstplazierten ergangen sei. Der Kläger hielt
diese Antwort für mehrdeutig und fragte den Generalsekretär, ob sie eine abschließende
Stellungnahme enthalte. Der Generalsekretär bestätigte daraufhin, daß der erstplazierte Bewerber
tatsächlich ernannt worden sei.
12.
Am 29. Mai 1995 legte der Kläger eine Beschwerde gegen die Entscheidung der
Anstellungsbehörde ein, nicht ihn, sondern Herrn X in die fragliche Planstelle einzuweisen. Diese
Beschwerde wurde durch ausdrückliche Entscheidung vom 6. Oktober 1995 zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil
13.
Am 29. Dezember 1995 erhob der Kläger beim Gericht Klage mit dem Antrag, zum einen die
Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 21. Februar 1995, mit der Herr X zum Abteilungsleiter beim
Informationsbüro Madrid ernannt worden sei, zum anderen die Entscheidung in dem Schreiben des
Generalsekretärs des Parlaments vom 2. März 1995 aufzuheben, den Kläger nicht auf diese Stelle zu
ernennen.
14.
Der Kläger stützte seine Anfechtungsklage auf sieben Klagegründe: Ermessensmißbrauch, Verstoß
gegen die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens, Verstoß beim Besetzungsverfahren, Verstoß gegen
die Begründungspflicht, Verstoß gegen den Grundsatz der ordentlichen Verwaltung und des
dienstlichen Interesses, offenkundiger Beurteilungsfehler und Verletzung des Diskriminierungsverbots.
15.
Mit dem ersten Klagegrund macht der Kläger geltend, der Ermessensmißbrauch ergebe sich aus
einer Änderung der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens gegenüber der Stellenausschreibung. Die
drei besonderen Voraussetzungen hinsichtlich der geforderten Qualifikationen und Kenntnisse -
nachweisliche Berufserfahrung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und des Journalismus, gründliche
Kenntnis des Funktionierens der Informationsmedien und des spanischen Regierungssystems, sehr
gute Kenntnis der europäischen Probleme - in der Stellenausschreibung fänden sich in der
Bekanntgabe des Auswahlverfahrens nicht wieder.
16.
In Randnummer 50 des angefochtenen Urteils entschied das Gericht, daß die in der
Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen und diejenigen, die in den Bekanntgaben
bezüglich der späteren Abschnitte genannt würden, einander entsprechen müßten.
17.
In Randnummer 51 des angefochtenen Urteils kam das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, daß es bei
der Prüfung, der sich die Bewerber hätten stellen müssen, keine wesentliche Änderung gegeben
habe. Die beruflichen Kenntnisse und Qualifikationen der Bewerber im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit
und des Journalismus, des Funktionierens der Informationsmedien sowie der europäischen Probleme
seien vom Prüfungsausschuß geprüft worden, wenn auch nur im Rahmen der Prüfungen des
Auswahlverfahrens, also auf dessen zweiter Stufe, nicht aber auf der ersten Stufe, also bei der
Überprüfung auf der Grundlage der Zeugnisse und Unterlagen, ob die Bewerbungen den
Bedingungen und der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens entsprächen.
18.
Die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens sei daher nicht in einer Weise geändert worden, die die
erforderliche Entsprechung zwischen den in der Stellenausschreibung und den in den Bekanntgaben
bezüglich der späteren Abschnitte genannten Voraussetzungen mißachtet hätte. Zumindest - so
Randnummer 52 des angefochtenen Urteils - sei die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens nicht in
einer Weise geändert worden, die das Recht des Personals des Organs beeinträchtigt hätte, an
einem Auswahlverfahren teilzunehmen, und damit Bewerbungen von außen begünstigt hätte.
19.
Im übrigen - so Randnummer 55 des angefochtenen Urteils - habe der Kläger nicht dargetan, daß
mit dem Umstand, daß in der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens die Qualifikationen und
Erfahrungen im Zusammenhang mit der Art der in der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeit
nicht als Zulassungsvoraussetzungen gefordert waren, bezweckt worden wäre, Herrn X die Teilnahme
an dem Auswahlverfahren zu ermöglichen.
20.
Das Gericht hat daher den ersten Klagegrund verworfen; dasselbe hat es mit den übrigen
Klagegründen getan.
Das Rechtsmittel
21.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, dem Klageantrag zu entsprechen und
das Parlament in die Kosten beider Instanzen zu verurteilen.
22.
Der Kläger stützt sein Rechtsmittel auf sechs Rechtsmittelgründe; namentlich habe das Gericht die
mit der Klage aufgeworfenen Rechtsfragen nicht richtig beantwortet.
23.
Das Parlament beantragt, das Rechtsmittel als unzulässig, hilfsweise als unbegründet
zurückzuweisen und den Kläger in die Kosten der Instanz zu verurteilen.
Rechtliche Würdigung
24.
Der erste Klagegrund geht dahin, das Gericht habe zu Unrecht an die Stelle der Beschwerde, die
Bekanntgabe des Auswahlverfahrens sei gegenüber der Stellenausschreibung wesentlich geändert
worden, die Beschwerde gesetzt, die Prüfung der Bewerber sei wesentlich geändert worden. Damit
habe das Gericht die einzelnen Stufen des Auswahlverfahrens aufgrund von Befähigungsnachweisen
und Prüfungen verkannt, wie sie in Artikel 5 des Anhangs III des Statuts der Beamten der
Europäischen Gemeinschaften niedergelegt seien. Zu Unrecht habe daher das Gericht angenommen,
die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens sei nicht in einer Weise geändert worden, die die
erforderliche Entsprechung zwischen den in der Stellenausschreibung und den in den Bekanntgaben
bezüglich der späteren Abschnitte des Verfahrens genannten Voraussetzungen mißachtet hätte.
25.
Das Parlament trägt vor, dieser Klagegrund sei unzulässig, da der Kläger nur sein Vorbringen vor
dem Gericht wiederhole, jedenfalls aber, weil er vom Gerichtshof verlange, die Tatsachenfrage zu
beantworten, ob die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens gegenüber der Stellenausschreibung
erheblich geändert worden sei.
26.
Zur Sache bringt das Parlament vor, die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens sei gegenüber der
Stellenausschreibung nicht geändert worden; der Teil „erforderliche Qualifikationen und Kenntnisse“
in der Stellenausschreibung habe sein Gegenstück in der Beschreibung der Art der Prüfungen in der
Bekanntgabe des Auswahlverfahrens. Im übrigen beruhe das Urteil vom 28. Februar 1989 in den
Rechtssachen 341/85, 251/86, 258/86, 259/86, 262/86, 266/86, 222/87 und 232/87 (Van der Stijl und
Cullington/Kommission, Slg. 1989, 511), auf das sich der Kläger berufe, auf der Überlegung, daß
interne Bewerber gegenüber externen geschützt werden müßten. In der vorliegenden Rechtssache
stelle sich das Problem des Schutzes der Interessen des Personals des Organs nicht, da sowohl die
Stellenausschreibung als auch die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens sich an das Personal des
Organs wendeten. Daher sei dieser Klagegrund nicht begründet.
27.
Das Parlament rügt die Unzulässigkeit dieses Klagegrunds. Der Kläger bringt dem Inhalt nach vor,
das Gericht habe gegen Artikel 29 Absatz 1 des Statuts sowie Artikel 5 des Anhangs III des Statuts
verstoßen, als es die Entsprechung zwischen den Bedingungen der Stellenausschreibung und denen
der Bekanntgabe des internen Auswahlverfahrens auf der zweiten Stufe des Auswahlverfahrens
festgestellt habe, also im Rahmen der Prüfungen der Bewerber, nicht aber auf der ersten Stufe, also
bei der Prüfung, ob die Bewerbungen nach denBefähigungsnachweisen und Unterlagen mit den
Voraussetzungen der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens übereinstimmten.
28.
Damit wirft der Kläger eine Rechtsfrage auf, die im Rahmen eines Rechtsmittels zulässig ist.
29.
Artikel 29 Absatz 1 des Statuts zählt die Phasen auf, die bei der Besetzung einer freien Stelle bei
einem Organ durchlaufen werden müssen. Danach hat die Anstellungsbehörde zunächst die
Möglichkeiten einer Beförderung oder Versetzung innerhalb des Organs, bei dem die Planstelle
freigeworden ist, dann die Möglichkeiten der Durchführung eines Auswahlverfahrens innerhalb dieses
Organs und schließlich die Übernahmeanträge von Beamten anderer Organe zu prüfen, bevor sie das
Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen oder Prüfungen oder aufgrund von
Befähigungsnachweisen und Prüfungen eröffnet (siehe Urteil vom 5. Dezember 1974 in der
Rechtssache 176/73, Van Belle/Rat, Slg. 1974, 1361, Randnrn. 5 ff.)
30.
Im Rahmen eines mehrphasigen Verfahrens räumt diese Bestimmung also denjenigen Beamten, die
bereits bei dem Organ arbeiten (erste und zweite Phase), Vorrang gegenüber den Beamten anderer
Organe (dritte Phase) ein.
31.
Die Stellenausschreibung, die vor der Eröffnung der ersten Phase dieses Verfahrens erstellt wird,
gibt dessen Rahmen vor, indem sie namentlich die Art der zu besetzenden Stelle und die im
dienstlichen Interesse erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse der Bewerber festlegt.
32.
Die Anstellungsbehörde muß sich daher bereits bei der Erstellung der Stellenausschreibung über
die besonderen Voraussetzungen Rechenschaft geben, die für die Besetzung dieser Stelle erforderlich
sind (siehe Urteil vom 30. Oktober 1974 in der Rechtssache 188/73, Grassi/Rat, Slg. 1974, 1099,
Randnr. 39).
33.
Stellt die Anstellungsbehörde nachträglich fest, daß die in der Stellenausschreibung angeführten
Voraussetzungen strenger sind, als es den Erfordernissen des Dienstes entspricht, kann sie das
Verfahren von neuem beginnen, indem sie die ursprüngliche Stellenausschreibung zurückzieht und sie
durch eine berichtigte Ausschreibung ersetzt (Urteil Grassi/Rat, Randnr. 43).
34.
Die Änderung der Teilnahmevoraussetzungen von einer Phase des Verfahrens des Artikels 29
Absatz 1 des Statuts zur anderen nähme hingegen den Bestimmungen dieses Artikels ihre
Wirksamkeit.
35.
In Randnummer 52 des Urteils Van der Stijl und Cullington/Kommission, in dem es um die
Entsprechung zwischen einer Stellenausschreibung und der Bekanntgabe eines allgemeinen
Auswahlverfahrens ging, hat der Gerichtshof ausgeführt, die Organe könnten im Ergebnis externe
Einstellungsverfahren durchführen, ohne zuvor interne Bewerbungen prüfen zu müssen, wenn es
ihnen freistünde, dieTeilnahmebedingungen von einem Verfahrensabschnitt zum nächsten zu ändern,
insbesondere die Anforderungen zu senken, was Artikel 29 des Statuts seiner Wirkung beraubte.
36.
Dieselben Erwägungen gelten auch für Änderungen der Teilnahmebedingungen zwischen
Verfahrensabschnitten, die nur das Personal des Organs oder der Organe im allgemeinen betreffen
und die der Eröffnung eines allgemeinen Auswahlverfahrens vorausgehen.
37.
Wie der Generalanwalt in Nummer 19 seiner Schlußanträge ausgeführt hat, würde ein Organ, das
die Voraussetzungen der Stellenausschreibung beim Übergang von der ersten Phase zur
Durchführung eines internen Auswahlverfahrens senkte, Beamte des betroffenen Organs von der
Beförderung oder Versetzung ausschließen, die den gesenkten Anforderungen der Bekanntgabe des
Auswahlverfahrens entsprächen.
38.
Damit hätte das Organ gegen seine Verpflichtung nach Artikel 29 Absatz 1 des Statuts verstoßen,
die Möglichkeiten der Beförderung und Versetzung von Beamten zu prüfen, bevor es ein internes
Auswahlverfahren durchführt.
39.
Stünde es dem Organ im übrigen frei, von einem Verfahrensabschnitt zum anderen die
Anforderungen an die Qualifikationen und Kenntnisse der Bewerber zu ändern, namentlich zu senken,
die es selbst als im dienstlichen Interesse notwendig festgelegt hat, so wäre das Verfahren des
Artikels 29 Absatz 1 des Statuts nicht mehr in der Lage, zur Ernennung von Personen zu führen, die in
bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen, wie es Artikel 27 des
Statuts vorschreibt.
40.
Artikel 29 Absatz 1 des Statuts schreibt nach alledem vor, daß die Einstellungsbedingungen in der
Bekanntgabe eines internen Auswahlverfahrens im Rahmen eines Verfahrens zur Besetzung einer
freien Planstelle bei einem Organ, die bei Abschluß der ersten Phase des Verfahrens nicht besetzt
werden konnte, denen in der Stellenausschreibung entsprechen.
41.
Das Gericht hat entschieden, daß die erforderliche Entsprechung zwischen den in der
Stellenausschreibung und der Bekanntgabe des internen Auswahlverfahrens enthaltenen
Bedingungen im vorliegenden Fall gegeben sei, da die in der ersteren geforderten Qualifikationen und
Kenntnisse im Rahmen der Prüfungen des Auswahlverfahrens geprüft und gewürdigt worden seien.
42.
Nach Artikel 5 des Anhangs III des Statuts stellt der Prüfungsausschuß eines Auswahlverfahrens
zunächst das Verzeichnis der Bewerber auf, die den Bedingungen der Bekanntgabe des
Auswahlverfahrens entsprechen, bevor er zu den Prüfungen schreitet.
43.
Werden die Anforderungen an die Qualifikationen und Kenntnisse der Bewerber im Rahmen der
Prüfungen als Elemente der Bewertung der Kenntnisse der Bewerber benutzt, nicht aber in der
Bekanntgabe des Auswahlverfahrens ausdrücklich erwähnt, so vermindert das ihre Bedeutung und
wesentliche Rolle, die Interessierten so genau wie möglich über die Art der Anforderungen für die
fragliche Stelle zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen (siehe u. a.
Beschluß vom 28. November 1996 in der Rechtssache C-119/96 P, Ryan-Sheridan, Slg. 1996, I-6151,
Randnrn. 47).
44.
Wie zudem der Generalanwalt in Nummer 23 seiner Schlußanträge ausgeführt hat, kann ein solches
Verfahren auch das Ergebnis eines Auswahlverfahrens beeinflussen. Entsprechen sich
Stellenausschreibung und Bekanntgabe des Auswahlverfahrens nämlich nicht, würde es Bewerbern,
die die erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse nicht besitzen, erleichtert, auf die Stelle ernannt
zu werden.
45.
Schließlich wäre es in diesem Fall für die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit sehr schwierig, im Rahmen
der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsbehörden zu prüfen, ob in einem
bestimmten Streitfall die erforderliche Entsprechung zwischen der Stellenausschreibung und der
Bekanntgabe des Auswahlverfahrens vom Organ beachtet wurde.
46.
Nach alledem hat das Gericht Artikel 29 Absatz 1 des Statuts und Artikel 5 des Anhangs III des
Statuts falsch angewandt, als es entschied, die Aufzählung der Anforderungen an die Kenntnisse und
Qualifikationen der Bewerber in der Stellenausschreibung könne dadurch ersetzt werden, daß der
Prüfungsausschuß im Rahmen der Prüfungen des Auswahlverfahrens die Leistungen an diesen
Voraussetzungen messe.
47.
Ohne daß auf die übrigen Klagegründe eingegangen werden müßte, greift damit derjenige einer
rechtswidrigen Änderung der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens gegenüber der
Stellenausschreibung durch; das angefochtene Urteil ist aufzuheben.
48.
Gemäß Artikel 54 Absatz 1 Satz 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes kann der Gerichtshof, wenn er
die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser
zur Entscheidung reif ist. So verhält es sich in der vorliegenden Sache.
49.
Ein Großteil der Anforderungen an die Qualifikationen und Kenntnisse der Bewerber in der
Stellenausschreibung Nr. 7424 - nachweisliche Berufserfahrung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit
und im Journalismus, gründliche Kenntnis des Funktionierens der Informationsmedien und des
spanischen Regierungssystems, sehr gute Kenntnisse der europäischen Probleme - findet sich in der
Bekanntgabe des internen Auswahlverfahrens Nr. A/88 nicht.
50.
Damit ist die erforderliche Entsprechung zwischen den Voraussetzungen der Stellenausschreibung
und denen der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens nicht gegeben.
51.
Folglich ist die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 21. Februar 1995 über die Ernennung
des Herrn X als Abteilungsleiter und seine Zuweisung zum Informationsbüro des Europäischen
Parlaments in Madrid aufzuheben.
52.
Der Antrag des Klägers, die Entscheidung im Schreiben des Generalsekretärs des Parlaments vom
2. März 1995 aufzuheben, daß er nicht auf die fragliche Stelle ernannt werde, hat sich erledigt, da
dieser Umstand nur notwendige Folge der Entscheidung über die Ernennung des Herrn X ist.
Kosten
53.
Nach Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten,
wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach
Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren
anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das
Parlament mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm außer seinen eigenen sämtliche Kosten
aufzuerlegen, die dem Kläger im Verfahren vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof entstanden sind.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Juni
1997 in der Rechtssache T-237/95 (Carbajo Ferrero/Parlament) wird aufgehoben.
2. Die Entscheidung vom 21. Februar 1995 über die Ernennung des Herrn X als
Abteilungsleiter der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit des
Europäischen Parlaments und seine Zuweisung an das Informationsbüro des Parlaments
für Spanien in Madrid wird aufgehoben.
3. Das Europäische Parlament trägt sämtliche Kosten beider Instanzen.
Kapteyn
Hirsch
Mancini
Ragnemalm Ioannou
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. März 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
P. J. G. Kapteyn
Verfahrenssprache: Französisch.