Urteil des EuGH vom 19.09.2002

EuGH: verordnung, kommission, europäische union, vereinigtes königreich, republik, beihilfe, rückforderung, genehmigung, durchführung des gemeinschaftsrechts, programm

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
19. September 2002
„Landwirtschaft - Kofinanzierte Beihilfen - Rückforderung - Rechtsgrundlage - Vertrauensschutz -
Rechtssicherheit - Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten“
In der Rechtssache C-336/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Obersten Gerichtshof (Österreich) in dem bei
diesem anhängigen Rechtsstreit
Republik Österreich
gegen
Martin Huber
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Verordnung (EWG)
Nr. 2078/92 des Rates vom 30. Juni 1992 für umweltgerechte und den natürlichen Lebensraum schützende
landwirtschaftliche Produktionsverfahren (ABl. L 215, S. 85) in der Fassung der Akte über die Bedingungen
des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die
Anpassung der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1,
S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter D. A. O. Edward, A. La Pergola, M.
Wathelet (Berichterstatter) und C. W. A. Timmermans,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: M.-F. Contet, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Republik Österreich, vertreten durch U. Weiler als Bevollmächtigten,
- von Herrn Huber, vertreten durch Rechtsanwalt A. Klauser,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch J.-P. Hix und F. P. Ruggeri Laderchi als
Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und G. Berscheid als
Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Republik Österreich, vertreten durch U. Weiler, des Herrn
Huber, vertreten durch Rechtsanwalt B. Girsch, der österreichischen Regierung, vertreten durch C.
Pesendorfer als Bevollmächtigte, des Rates, vertreten durch J.-P. Hix und F. P. Ruggeri Laderchi, und der
Kommission, vertreten durch G. Braun und G. Berscheid, in der Sitzung vom 24. Januar 2002,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. März 2002,
folgendes
Urteil
1.
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 26. Januar 2000, beim Gerichtshof eingegangen am
14. September 2000, gemäß Artikel 234 EG sechs Fragen nach der Gültigkeit und der Auslegung der
Verordnung (EWG) Nr. 2078/92 des Rates vom 30. Juni 1992 für umweltgerechte und den natürlichen
Lebensraum schützende landwirtschaftliche Produktionsverfahren (ABl. L 215, S. 85) in der Fassung
der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des
Königreichs Schweden und die Anpassung der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl.
1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1, im Folgenden: Verordnung Nr. 2078/92) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Republik Österreich und dem Landwirt
Martin Huber über die Rückforderung von Beihilfen, die diesem von den österreichischen Behörden
aufgrund der Verordnung Nr. 2078/92 gewährt worden waren.
Rechtlicher Rahmen
3.
Die Verordnung Nr. 2078/92, die auf der Rechtsgrundlage der Artikel 42 EG-Vertrag (jetzt Artikel 36
EG) und 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG) erging und mit Wirkung vom 1. Januar 2000
durch Artikel 55 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die
Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter
Verordnungen (ABl. L 160, S. 80) aufgehoben wurde, sah eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen
gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung die folgenden Ziele verfolgt werden sollten:
„...
- die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation vorgesehenen Änderungen abzustützen,
- zur Verwirklichung der Ziele der Agrar- und Umweltpolitik der Gemeinschaft beizutragen,
- den Landwirten ein angemessenes Einkommen zu sichern.“
4.
Der Rat wollte insbesondere weniger umweltschädigende und weniger intensive landwirtschaftliche
Produktionsverfahren fördern und das Gleichgewicht auf den Märkten verbessern (vgl. die erste, die
zweite, die fünfte, die sechste und die zwölfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2078/92).
5.
Zu diesem Zweck wurde durch die Verordnung Nr. 2078/92 gemäß deren Artikel 1 eine „vom
Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie,
kofinanzierte gemeinschaftliche Beihilferegelung“ geschaffen.
6.
Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2078/92 bestimmte:
„Unter der Voraussetzung, dass damit positive Auswirkungen auf die Umwelt und den natürlichen
Lebensraum verbunden sind, kann die Regelung Beihilfen an Landwirte vorsehen, die sich zu
Folgendem verpflichten:
a) den Einsatz von Dünge- und/oder Pflanzenschutzmitteln erheblich einzuschränken oder bereits
vorgenommene Einschränkungen beizubehalten oder biologische Anbauverfahren einzuführen oder
beizubehalten,
...“
7.
Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2078/92 sah vor, dass die Mitgliedstaaten die
Beihilferegelung gemäß Artikel 2 im Rahmen von „gebietsspezifischen Mehrjahresprogrammen“ zur
Verwirklichung der Ziele des Artikels 1 der Verordnung durchführten. Gemäß Artikel 3 Absatz 3
Buchstaben d und f der Verordnung mussten in den Programmen, die für eine Mindestdauer von fünf
Jahren aufzustellen waren, „die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen unter Berücksichtigung
der bestehenden Probleme“ und „die Maßnahmen zur angemessenen Unterrichtung der
landwirtschaftlichen und ländlichen Wirtschaftsbeteiligten“ festgelegt werden.
8.
Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung lautete:
„Es wird eine jährliche Prämie je Hektar beziehungsweise je verringerter Großvieheinheit an Landwirte
gewährt, die auf der Grundlage des für das betreffende Gebiet geltenden Programms mindestens für
fünf Jahre eine oder mehrere Verpflichtungen gemäß Artikel 2 übernehmen. ...“
9.
In Artikel 4 Absatz 2 wurde der erstattungsfähige Höchstbetrag der Prämie festgelegt, wobei es
gemäß Artikel 5 Absatz 1 den Mitgliedstaaten oblag, zur Verwirklichung der Ziele der Verordnung die
folgenden Punkte festzusetzen:
„a) die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe;
b) die Höhe der Beihilfen entsprechend der vom Begünstigten eingegangenen Verpflichtung und
entsprechend den Einkommensverlusten sowie dem Anreizcharakter der Maßnahme;
c) die Bedingungen, zu denen die Beihilfe für die Pflege aufgegebener Flächen nach Artikel 2 Absatz
1 Buchstabe e anderen Personen als Landwirten gewährt werden kann, wenn die Landwirte dazu nicht
bereit sind;
d) die vom Begünstigten anzuerkennenden Bedingungen insbesondere in Bezug auf die
Überprüfung und Kontrolle der Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen;
e) die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe für den Fall, dass sich der Betriebsinhaber selbst
nicht für den geforderten Mindestzeitraum binden kann.“
10.
Nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 2078/92 waren die nationalen Beihilfeprogramme der Kommission
zur Genehmigung vorzulegen; die Kommission prüfte die Übereinstimmung mit der Verordnung und
legte „die Art der kofinanzierbaren Maßnahmen“ sowie „den Gesamtbetrag der kofinanzierbaren
Ausgaben“ fest.
11.
In Artikel 10 der Verordnung Nr. 2078/92 hieß es, dass die Mitgliedstaaten zusätzliche
Beihilfemaßnahmen vorsehen konnten, sofern diese Maßnahmen mit den Zielen der Verordnung und
mit den Artikeln 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) sowie 93 und 94 EG-Vertrag (jetzt
Artikel 88 EG und 89 EG) in Einklang standen.
12.
Gemäß Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die
Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13), der durch Artikel 16 Absatz 1 der
Verordnung (EG) Nr. 1258/99 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen
Agrarpolitik (ABl. L 160, S. 103) aufgehoben wurde, hatten die Mitgliedstaaten außerdem die
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um insbesondere die infolge von Unregelmäßigkeiten oder
Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen. Erfolgte keine vollständige
Wiedereinziehung, so hatte nach Absatz 2 Unterabsatz 1 der genannten Bestimmung grundsätzlich die
Gemeinschaft die finanziellen Folgen zu tragen, soweit nicht die Unregelmäßigkeiten oder
Versäumnisse den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten waren.
13.
Zur Durchführung der Verordnung Nr. 2078/92 erließ das österreichische Bundesministerium für
Land- und Forstwirtschaft die Sonderrichtlinie für das österreichische Programm zur Förderung einer
umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) (im
Folgenden: ÖPUL-Richtlinie). Die Kommission genehmigte dieses Programm mit Entscheidung vom 7.
Juni 1995.
14.
Die ÖPUL-Richtlinie wurde nur durch einen Hinweis im vom 1. Dezember
1995 bekannt gemacht, aus dem hervorging, dass sie beim Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft zur Einsicht ausgelegt werde.
15.
Die ÖPUL-Richtlinie, die zahlreiche Anlagen enthält, besteht aus einem Allgemeinen Teil, in dem u. a.
übergreifende Fördervoraussetzungen für die verschiedenen Zweige des Programms, die Abwicklung
der Förderung und die Rückzahlung bei Nichteinhaltung der Förderbedingungen geregelt sind, und
einem Maßnahmeteil mit konkreten Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe.
16.
Richtlinien wie die ÖPUL-Richtlinie sind nach österreichischem Recht keine abstrakt-generellen
Normen, sondern werden lediglich bei Vertragsschluss als vertragliche Bestimmungen einbezogen.
Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefragen
17.
Martin Huber (im Folgenden: Beklagter) beantragte am 21. April 1995 eine Förderung nach der
ÖPUL-Richtlinie. Diese wurde ihm am 12. Dezember 1995 von der Agrarmarkt Austria - einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts, die vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft
als Förderungsabwicklungsstelle für die ÖPUL-Richtlinie eingesetzt worden war - im Namen und auf
Rechnung der Republik Österreich in Höhe von 79 521 ATS gewährt. Die ÖPUL-Richtlinie wurde dem
Begünstigten nicht mitgeteilt.
18.
Als der Beklagte von der Agrarmarkt Austria ein Schreiben über die Rückforderung der gewährten
Beihilfe erhielt, ging er davon aus, einen Fehler gemacht zu haben und schlug vor, die Beihilfe in
monatlichen Raten von 5 000 ATS zurückzuzahlen.
19.
Am 13. Mai 1998 forderte die Finanzprokuratur den Beklagten im Auftrag der Agrarmarkt Austria
auf, die ihm gewährte Förderung zuzüglich Zinsen, d. h. einen Gesamtbetrag von 90 273 ATS
zurückzuzahlen.
20.
Die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, machte sodann die Rückzahlung
eines Betrages von 79 521 ATS zuzüglich Zinsen seit dem 12. Dezember 1995 gerichtlich geltend. Sie
stützte den Anspruch darauf, dass der Beklagte gegen die ÖPUL-Richtlinie verstoßen habe, indem er
nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel, nämlich die Fungizide Euparen, Orthophaldan, Delan und Folit
verwendet habe. Außerdem habe der Beklagte den Rückforderungsanspruch anerkannt.
21.
Der Beklagte trat diesem Anspruch entgegen, wobei er in erster Linie geltend machte, er habe sich
weder durch die von ihm eingeräumte Verwendung der in der vorstehenden Randnummer erwähnten
Mittel richtlinienwidrig verhalten, noch habe er eine Pflicht zur Rückzahlung der gezahlten Förderung
anerkannt. Die österreichischen Behörden hätten ihm bei Vertragsschluss nur mitgeteilt, dass er
keine Herbizide im Obst- und Weinbau verwenden dürfe, so dass er nicht auf die Verwendung der
genannten Fungizide verzichtet habe.
22.
Außerdem sei die ÖPUL-Richtlinie dem Antragsformular nicht beigefügt gewesen und ihm nicht zur
Kenntnis gebracht worden. Auch sei die Formulierung in dem Antrag unklar gewesen, und die
österreichischen Behörden hätten die Förderung ausbezahlt, obwohl sie von der Verwendung der
genannten Fungizide Kenntnis gehabt hätten. Das dem Beklagten zur Last gelegte Verhalten sei
daher auf einen durch die staatlichen Behörden veranlassten Irrtum zurückzuführen.
23.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien (Österreich) wies die Rückzahlungsklage mit der Begründung
ab, dass die Richtlinien auf den Beklagten nicht anwendbar seien, der auch kein konstitutives
Anerkenntnis abgegeben habe.
24.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (Österreich) gab der gegen die erstinstanzliche
Entscheidung gerichteten Berufung auf der Grundlage eines hilfsweise vorgebrachten
Berufungsgrundes statt und verwies die Rechtssache an das Bezirksgericht zurück.
25.
Das Landesgericht verneinte jedoch ebenfalls das Vorliegen eines Anerkenntnisses; es war der
Auffassung, dass noch nicht ausreichend geklärt sei, ob die vom Beklagten eingesetzten Mittel unter
den Begriff der Herbizide fielen und welchen genauen Inhalt die dem Beklagten zur Verfügung
gestellten Unterlagen hätten. Nach Ansicht des Gerichts waren die von der Republik Österreich
erlassenen Richtlinien nicht Vertragsbestandteil, da sie, abgesehen von einem Hinweis im
, nicht allgemein bekannt gemacht worden seien. Außerdem seien die Angaben zu
den Verpflichtungen des Beklagten nicht hinreichend klar gewesen; dieser hätte nur durch
aufwendige und schwierige Erhebungen Kenntnis von den Programmen erlangen können.
26.
Der Oberste Gerichtshof, an den das Landesgericht Rekurs zugelassen hatte, stellte zunächst fest,
dass ein Anerkenntnis als Rechtsgrund für die Rückforderung von Beihilfen ausscheide. Er stellte sich
sodann Fragen in Bezug auf die Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung Nr. 2078/92, auf die
Auslegung verschiedener Bestimmungen dieser Verordnung und auf die Voraussetzungen für die
Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beihilfen nach dieser Verordnung.
27.
Der Oberste Gerichtshof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen
zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Wurde die Verordnung Nr. 2078/92 des Rates vom 30. Juni 1992 für umweltgerechte und den
natürlichen Lebensraum schützende landwirtschaftliche Produktionsverfahren wirksam erlassen?
2. Umfasst eine Entscheidung über die Genehmigung eines Programms nach Artikel 7 der
Verordnung Nr. 2078/92 des Rates vom 30. Juni 1992 für umweltgerechte und den natürlichen
Lebensraum schützende landwirtschaftliche Produktionsverfahren auch den Inhalt der von den
Mitgliedstaaten zur Genehmigung vorgelegten Programme?
3. Sind als Adressaten dieser Entscheidung auch die Landwirte anzusehen, die um eine Beihilfe
nach diesem Programm ansuchen, und ist die dabei gewählte Form der Kundmachung, insbesondere
die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Landwirte angemessen zu unterrichten, ausreichend, um die
Verbindlichkeit der Entscheidung für diese und die Unwirksamkeit entgegenstehender
Förderungsverträge zu bewirken?
4. Kann hier ein Landwirt unabhängig vom Inhalt des durch die Kommission genehmigten Programms
im Sinne der Verordnung Nr. 2078/92 auf die Erklärungen der Verwaltungsorgane der Mitgliedstaaten
in dem Sinne vertrauen, dass dies einer Rückforderung entgegensteht?
5. Steht es im Rahmen der Verordnung Nr. 2078/92 den Mitgliedstaaten frei, ob sie die Programme
im Sinne dieser Verordnung durch privatwirtschaftliche (Verträge) Maßnahmen oder durch hoheitliche
Handlungsformen durchführen?
6. Ist zur Beurteilung von Einschränkungen der Rückforderungsmöglichkeiten aus Gründen des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit auf ihre Übereinstimmung mit den Interessen des
Gemeinschaftsrechts nur auf die jeweilige Handlungsform abzustellen oder auch auf die in anderen
Handlungsformen bestehenden, die Gemeinschaftsinteressen besonders begünstigenden
Rückforderungsmöglichkeiten?
28.
Mit Beschluss vom 18. April 2002 wurde dem Antrag des Beklagten auf Prozesskostenhilfe teilweise
stattgegeben.
Zu den Vorlagefragen
29.
Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung Nr.
2078/92 gültig ist, obwohl sie auf die Artikel 42 und 43 EG-Vertrag und nicht auf Artikel 130s EG-
Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 175 EG) gestützt ist.
30.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines
gemeinschaftlichen Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen
insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören (vgl. insbesondere Urteile vom 11. Juni
1991 in der Rechtssache C-300/89, Kommission/Rat, „Titandioxid“, Slg. 1991, I-2867, Randnr. 10, und
vom 4. April 2000 in der Rechtssache C-269/97, Kommission/Rat, Slg. 2000, I-2257, Randnr. 43).
31.
Ergibt die Prüfung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen verfolgt oder
zwei Komponenten hat, und lässt sich eine davon als wesentliche oder überwiegende ausmachen,
während die andere nur von untergeordneter Bedeutung ist, so ist der Rechtsakt nur auf eine
Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf diejenige, die die wesentliche oder überwiegende
Zielsetzung oder Komponente erfordert (vgl. Urteile vom 17. März 1993 in der Rechtssache C-155/91,
Kommission/Rat, Slg. 1993, I-939, Randnrn. 19 und 21, vom 23. Februar 1999 in der Rechtssache C-
42/97, Parlament/Rat, Slg. 1999, I-869, Randnrn. 39 und 40, und vom 30. Januar 2001 in der
Rechtssache C-36/98, Spanien/Rat, Slg. 2001, I-779, Randnr. 59). Ist dargetan, dass mit dem
Rechtsakt gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt werden, die untrennbar miteinander verbunden sind,
ohne dass das eine im Verhältnis zum anderen zweitrangig ist und mittelbaren Charakter hat, so kann
ein solcher Rechtsakt ausnahmsweise auf die verschiedenen einschlägigen Rechtsgrundlagen
gestützt werden (in diesem Sinne Urteile Titandioxid, Randnrn. 13 und 17, und Parlament/Rat, Randnr.
38, sowie Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001, Slg. 2001, I-9713, Randnr. 23).
32.
Vorliegend ist unstreitig, dass mit der Verordnung Nr. 2078/92 sowohl Ziele der Agrarpolitik als
auch Umweltschutzziele verfolgt wurden.
33.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sollen die Artikel 130r EG-Vertrag (nach Änderung
jetzt Artikel 174 EG) und 130s EG-Vertrag der Gemeinschaft die Zuständigkeit für spezifische
Maßnahmen im Umweltbereich zuweisen, wobei die Zuständigkeiten unberührt bleiben, die die
Gemeinschaft aufgrund von sonstigen Vorschriften des EG-Vertrags besitzt, auch wenn die
betreffenden Maßnahmen zugleich eines der Ziele des Umweltschutzes verfolgen (vgl. Urteil vom 24.
November 1993 in der Rechtssache C-405/92, Mondiet, Slg. 1993, I-6133, Randnr. 26). Im Übrigen
bestimmt Artikel 130r Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 3 EG-Vertrag in der vor Inkrafttreten des Vertrages
von Amsterdam geltenden Fassung, deren wesentlicher Inhalt in Artikel 6 EG übernommen worden ist,
dass die Erfordernisse des Umweltschutzes Bestandteil der anderen Politiken der Gemeinschaft sind;
daher kann eine gemeinschaftliche Maßnahme nicht allein deshalb eine Handlung der Gemeinschaft
im Umweltbereich darstellen, weil sie diesen Erfordernissen Rechnung trägt (vgl. Urteile Titandioxid,
Randnr. 22, und Mondiet, Randnr. 27).
34.
Was Artikel 43 EG-Vertrag angeht, so ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass diese
Bestimmung die geeignete Rechtsgrundlage für jede Regelung über die Erzeugung und den Verkauf
der im Anhang II des EG-Vertrags genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist, die zur
Verwirklichung eines oder mehrerer der in Artikel 39 EG-Vertrag (jetzt Artikel 33 EG) genannten Ziele
der gemeinsamen Agrarpolitik beiträgt (Urteile vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 68/86,
Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 855, Randnr. 14, vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-180/96,
Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265, Randnr. 133, und vom 4. April 2000 in der
Rechtssache Kommission/Rat, Randnr. 47). Außerdem erlaubt es Artikel 42 EG-Vertrag dem Rat, unter
Berücksichtigung der Ziele des Artikels 39 EG-Vertrag und ungeachtet der Bestimmungen des Kapitels
über die Wettbewerbsregeln die Gewährung von Beihilfen für die Produktion landwirtschaftlicher
Erzeugnisse und den Handel mit diesen zu genehmigen.
35.
Wie jedoch bereits die Kommission und der Rat betont haben und wie auch der Generalanwalt in
Nummer 35 seiner Schlussanträge ausführt, folgt aus den Begründungserwägungen und aus Artikel 1
der Verordnung Nr. 2078/92, dass das Hauptziel der in dieser Verordnung vorgesehenen
Stützungsmaßnahmen in der Lenkung der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte im Sinne von
Anhang II des EG-Vertrags besteht, um den Übergang von einer intensiven auf eine extensivere und
qualitativ hochwertigere Bewirtschaftung zu fördern, wobei die finanziellen Folgen für die Landwirte
durch die Gewährung von Beihilfen ausgeglichen werden können.
36.
Die Tatsache, dass mit der Verordnung Nr. 2078/92 auch umweltfreundlichere Produktionsformen
gefördert werden sollten, was zwar zu den Zielen der gemeinschaftlichen Agrarpolitik gehört, jedoch
nur untergeordnete Bedeutung hat, kann es als solche nicht rechtfertigen, neben den Artikeln 42 und
43 EG-Vertrag auch Artikel 130s EG-Vertrag als Rechtsgrundlage für die genannte Verordnung
heranzuziehen.
37.
Somit hat die Prüfung der ersten Frage nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung Nr.
2078/92 beeinträchtigen könnte.
38.
Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 7 Absatz 2
der Verordnung Nr. 2078/92 so auszulegen ist, dass eine Entscheidung über die Genehmigung eines
nationalen Beihilfeprogramms auch dessen Inhalt erfasst, so dass das Programm nach seiner
Genehmigung als Gemeinschaftsrechtsakt anzusehen wäre.
39.
Insoweit ergibt sich aus Artikel 7 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 2078/92, dass die Kommission
die in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung genannten Programme genehmigt, nachdem sie sich von
ihrer Übereinstimmung mit der Verordnung überzeugt und die Art der „kofinanzierbaren“ Maßnahmen
sowie den Gesamtbetrag der für deren Finanzierung erforderlichen Ausgaben festgelegt hat. Daraus
ergibt sich, dass sich die Prüfung durch die Kommission notwendig auf den Inhalt der genannten
Programme erstreckt.
40.
Die Genehmigung eines nationalen Beihilfeprogramms durch die Kommission führt jedoch nicht
dazu, dass dieses Programm den Charakter eines Gemeinschaftsrechtsakts erhält. Erweist sich ein
Förderungsvertrag als unvereinbar mit dem von der Kommission genehmigten Programm, so ist es
daher Sache der nationalen Gerichte, die sich hieraus ergebenden Folgerungen im Hinblick auf das
nationale Recht zu ziehen, bei dessen Anwendung sie die einschlägigen Regeln des
Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen haben.
41.
Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2078/92 so
auszulegen ist, dass die Entscheidung der Kommission über die Genehmigung eines nationalen
Beihilfeprogramms auch dessen Inhalt erfasst, ohne dass das Programm jedoch den Charakter eines
Gemeinschafsrechtsakts erhielte.
42.
Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Landwirte, die eine
Beihilfe nach der Verordnung Nr. 2078/92 beantragt haben, als Adressaten der Entscheidung der
Kommission über die Genehmigung des nationalen Beihilfeprogramms nach Artikel 7 Absatz 2 der
genannten Verordnung anzusehen sind und ob die Veröffentlichung des bloßen Hinweises, dass das
Programm beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft zur Einsicht ausgelegt wurde, in einem
Amtsblatt ausreicht, um die Verbindlichkeit der genannten Entscheidung für die betroffenen Landwirte
und die Unwirksamkeit entgegenstehender Förderungsverträge zu bewirken.
43.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Entscheidung, mit der die Kommission ein nationales
Beihilfeprogramm genehmigt und damit dessen Übereinstimmung mit der Verordnung Nr. 2078/92 im
Hinblick auf die Kriterien des Artikels 7 Absatz 2 der genannten Verordnung feststellt, ausschließlich
an den betroffenen Mitgliedstaat gerichtet ist.
44.
Demgemäß ist es Sache der nationalen Gerichte, gegebenenfalls die Rechtmäßigkeit einzelner im
Rahmen eines nationalen Beihilfeprogramms durchgeführter Förderungsmaßnahmen zu prüfen, wobei
sowohl dieses Programm in der von der Kommission genehmigten Fassung als auch die Verordnung
Nr. 2078/92 zugrunde zu legen sind.
45.
Auch die Frage, ob die Bekanntmachung der ÖPUL-Richtlinie ausreichend war, um deren
Verbindlichkeit für die österreichischen Landwirte zu bewirken, ist in erster Linie anhand des
nationalen Rechts zu beantworten.
46.
Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe f der Verordnung Nr. 2078/92, der zwar keine konkrete Regelung der
Art und Weise der Bekanntmachung der nationalen Beihilfeprogramme enthält, bestimmt indessen
allgemein, dass diese Programme Maßnahmen zur „angemessenen Unterrichtung der
landwirtschaftlichen und ländlichen Wirtschaftsbeteiligten“ enthalten müssen.
47.
Insoweit ist nicht erwiesen, dass die österreichischen Behörden im vorliegenden Fall ihrer Pflicht zur
angemessenen Unterrichtung der Beihilfebegünstigten gemäß Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe f der
Verordnung Nr. 2078/92 vollständig nachgekommen sind und dass sie diesen insbesondere die
Bestimmungen der ÖPUL-Richtlinie bei der Beihilfegewährung tatsächlich mitgeteilt oder die
erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um ihnen eine Kenntnisnahme unter angemessenen
Umständen zu ermöglichen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Frage zu prüfen, wobei zu
berücksichtigen sein wird, dass das nationale Beihilfeprogramm, auf dessen Grundlage die Förderung
gewährt wurde, zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beklagten noch nicht in seiner
endgültigen Fassung vorlag, da es von der Kommission noch nicht genehmigt worden war.
48.
Auf die dritte Frage ist somit zu antworten, dass der betroffene Mitgliedstaat der alleinige Adressat
einer Entscheidung der Kommission über die Genehmigung eines nationalen Beihilfeprogramms nach
Artikel 7 der Verordnung Nr. 2078/92 ist. Es ist Sache der nationalen Gerichte, anhand des nationalen
Rechts zu prüfen, ob die Bekanntmachung eines solchen Programms ausreicht, um diesem
Verbindlichkeit gegenüber den landwirtschaftlichen und ländlichen Wirtschaftsbeteiligten zu verleihen,
wobei insbesondere auf die Einhaltung der Voraussetzung einer angemessenen Unterrichtung nach
Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe f dieser Verordnung zu achten ist.
49.
Mit der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob und in welchem
Umfang ein Landwirt, dem im Rahmen eines nationalen Beihilfeprogramms nach Artikel 3 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 2078/92 eine Beihilfe gewährt worden ist, unter Berufung auf die Grundsätze des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit der Rückforderung dieser Beihilfe entgegentreten kann.
50.
Das vorlegende Gericht stellt dazu fest, dass der Beklagte den Antrag auf Förderung im April 1995
gestellt habe, d. h. vor der Genehmigung des nationalen Beihilfeprogramms durch die Kommission im
Juni 1995 und vor der Bekanntmachung dieses Programms in Form eines Hinweises im
im Dezember 1995, und dass die österreichischen Behörden diesen Antrag ohne
Einschränkungen angenommen hätten.
51.
Die Republik Österreich und die österreichische Regierung machen geltend, es sei Sache des
Beklagten gewesen, sich vor Vertragsschluss über das nationale Beihilfeprogramm und den Umfang
seiner vertraglichen Verpflichtungen zu unterrichten. Sie verweisen dabei auf das „Merkblatt“, das den
Landwirten, die einen Antrag auf Beihilfen stellen wollten, übermittelt werde und einschlägige
Informationen enthalte, insbesondere was die ÖPUL-Richtlinie und deren Inhalt angehe.
52.
Die österreichische Regierung trägt weiter vor, dass sich der Entwurf der ÖPUL-Richtlinie, wie er zum
Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beklagten vorgelegen habe, nicht von der schließlich durch
die Kommission genehmigten Fassung unterschieden habe.
53.
Der Beklagte hält dem entgegen, wegen der mangelhaften Bekanntmachung des nationalen
Beihilfeprogramms, das nur bei den Dienststellen des zuständigen Ministeriums in Wien zur Einsicht
ausgelegt worden sei, hätte er sich nach der Genehmigung der ÖPUL-Richtlinie nur mit
unverhältnismäßigem Aufwand über den genauen Inhalt des Programms informieren können. Unter
diesen Umständen stehe der Grundsatz des Vertrauensschutzes der Rückforderung der gutgläubig
angenommenen Beihilfe entgegen.
54.
Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 müssen die Mitgliedstaaten gemäß den
einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die
infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Dies
gilt auch für Beträge, die aufgrund eines von der Kommission gemäß einer Verordnung des Rates
genehmigten und von der Gemeinschaft kofinanzierten nationalen Beihilfeprogramms ausgezahlt
worden sind.
55.
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich außerdem, dass die nationalen Gerichte
Rechtsstreitigkeiten über die Wiedereinziehung von zu Unrecht aufgrund des Gemeinschaftrechts
geleisteten Zahlungen in Ermangelung gemeinschaftlicher Vorschriften nach ihrem nationalen Recht
entscheiden müssen, jedoch vorbehaltlich der durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen;
danach dürfen die im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten nicht darauf hinauslaufen, dass die
Verwirklichung der Gemeinschaftsregelung praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert
wird, und das nationale Recht muss ohne Diskriminierung im Vergleich zu den Verfahren, in denen
über gleichartige rein nationale Streitigkeiten entschieden wird, angewandt werden (vgl. Urteile vom
21. September 1983 in den Rechtssachen 205/82 bis 215/82, Deutsche Milchkontor u. a., Slg. 1983,
2633, Randnr. 19, vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C-366/95, Steff-Houlberg Export u. a., Slg.
1998, I-2661, Randnr. 15, und vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-298/96, Oelmühle und Schmidt
Söhne, Slg. 1998, I-4767, Randnr. 24).
56.
Es kann dabei nicht als dem Gemeinschaftsrecht widersprechend angesehen werden, wenn das
nationale Recht im Bereich der Rücknahme von Verwaltungsakten und der Rückforderung von zu
Unrecht gewährten öffentlichen Geldleistungen neben dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der
Verwaltung auch die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes berücksichtigt, die
Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind (vgl. Urteile Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 30,
vom 1. April 1993 in den Rechtssachen C-31/91 bis C-44/91, Lageder u. a., Slg. 1993, I-1761, Randnr.
33, und vom 9. Oktober 2001 in den Rechtssachen C-80/99 bis C-82/99, Flemmer u. a., Slg. 2001, I-
7211, Randnr. 60).
57.
Dem Interesse der Gemeinschaft an der Rückforderung von Beihilfen, die unter Verstoß gegen die
Gewährungsvoraussetzungen ausgezahlt worden sind, muss allerdings bei der Würdigung der in
Betracht kommenden Interessen in vollem Umfang Rechnung getragen werden (Urteile Deutsche
Milchkontor u. a., Randnr. 32, Oehlmühle und Schmidt Söhne, Randnr. 24, sowie Flemmer u. a.,
Randnr. 61).
58.
Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sich der Begünstigte der Rückforderung nur
widersetzen kann, wenn er hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Beihilfe in gutem Glauben war (vgl.
Urteil Oelmühle und Schmidt Söhne, Randnr. 29). Insofern wird das nationale Gericht zu prüfen haben,
- ob die ÖPUL-Richtlinie den Einsatz der in Randnummer 20 des vorliegenden Urteils genannten
Pflanzenschutzmittel mit hinreichender Klarheit verbietet, wobei die Ausführungen des Generalanwalts
in Nummer 127 seiner Schlussanträge zu berücksichtigen sein werden,
- ob die genauen Verpflichtungen hinsichtlich des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln dem
Antragsformular oder dem diesem beigefügten Merkblatt zu entnehmen waren, wobei die
Ausführungen des Generalanwalts in Nummer 121 seiner Schlussanträge zu berücksichtigen sein
werden,
- ob die ÖPUL-Richtlinie ganz oder teilweise Bestandteil des Beihilfevertrags geworden ist,
- ob der Entwurf der ÖPUL-Richtlinie oder deren endgültiger Text dem Beklagten tatsächlich
mitgeteilt worden sind,
- oder, falls das nicht der Fall war, ob der Beklagte eine Fahrlässigkeit begangen hat, die ein
durchschnittlich sorgfältiger Landwirt nicht begangen hätte, indem er es versäumt hat, sich durch
einen Besuch beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft in Wien zwecks Einsichtnahme in
den Wortlaut der ÖPUL-Richtlinie genaue Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen, und insbesondere,
ob die Notwendigkeit einer solchen Einsichtnahme zu einer genauen Information über ihre
Verpflichtungen für die betroffenen Landwirte nicht eine übermäßige Belastung darstellte.
59.
Auf die vierte Frage ist daher zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung der
Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zum Ausschluss der Rückforderung zu
Unrecht gezahlter von der Gemeinschaft kofinanzierter Beihilfen nicht entgegensteht, sofern dem
Interesse der Gemeinschaft ebenfalls Rechnung getragen wird. Die Anwendung des Grundsatzes des
Vertrauensschutzes setzt voraus, dass der gute Glaube des durch die betreffende Beihilfe
Begünstigten nachgewiesen ist.
60.
Mit der fünften und der sechsten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende
Gericht in Erfahrung bringen, ob es den Mitgliedstaaten freisteht, nationale Beihilfeprogramme im
Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2078/92 durch privatrechtliche Maßnahmen oder
durch hoheitliche Handlungsformen durchzuführen, und ob bei der Prüfung der Rückforderung einer
zu Unrecht gezahlten Beihilfe nach dieser Verordnung ein Vergleich zwischen den im nationalen Recht
vorgesehenen Voraussetzungen für die Rückforderung von auf privatrechtlicher Grundlage einerseits
und aufgrund von Verwaltungsakten andererseits zu Unrecht gezahlter Beträge durchzuführen ist.
61.
Soweit das Gemeinschaftsrecht einschließlich seiner allgemeinen Rechtsgrundsätze keine
gemeinsamen Vorschriften enthält, sind nach ständiger Rechtsprechung beim Vollzug einer
Gemeinschaftsregelung durch die zuständigen nationalen Behörden die im Recht des betreffenden
Mitgliedstaats vorgesehenen Form- und Verfahrensvorschriften einzuhalten. Der Rückgriff auf die
nationalen Vorschriften ist jedoch, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, nur in dem zur
Durchführung des Gemeinschaftsrechts erforderlichen Umfang und insoweit möglich, wie die
Anwendung dieser nationalen Vorschriften die Tragweite und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts
einschließlich seiner allgemeinen Grundsätze nicht beeinträchtigt (vgl. insbesondere Urteil Flemmer u.
a., Randnr. 55).
62.
Da die Verordnung Nr. 2078/92 insoweit keine gemeinschaftliche Regelung enthält, spricht
grundsätzlich nichts dagegen, dass die Republik Österreich die nationalen Beihilfeprogramme nach
Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung mittels Rechtsgeschäften des Privatrechts wie Verträgen
durchführt.
63.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob durch die Wahl solcher Handlungsformen
nicht die Reichweite und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt wird, wobei
insbesondere zu berücksichtigen ist, dass die gewählten Rechtsgeschäfte es gestatten müssen, die
zu Unrecht gezahlten kofinanzierten Beihilfen unter denselben Voraussetzungen zurückzufordern wie
rein nationale Beihilfen derselben Art.
64.
Folglich ist auf die fünfte und die sechste Frage zu antworten, dass es den Mitgliedstaaten
freisteht, nationale Beihilfeprogramme im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2078/92
durch privatrechtliche Maßnahmen oder durch hoheitliche Handlungsformen durchzuführen, sofern
durch die betreffenden nationalen Maßnahmen nicht die Reichweite und Wirksamkeit des
Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt wird.
Kosten
65.
Die Auslagen der österreichischen Regierung sowie des Rates und der Kommission, die vor dem
Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 26. Januar 2000 vorgelegten Fragen für
Recht erkannt:
1. Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung
(EWG) Nr. 2078/92 des Rates vom 30. Juni 1992 für umweltgerechte und den natürlichen
Lebensraum schützende landwirtschaftliche Produktionsverfahren in der Fassung der
Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland
und des Königreichs Schweden und der Anpassung der die Europäische Union
begründenden Verträge beeinträchtigen könnte.
2. Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2078/92 in der Fassung der genannten
Beitrittsakte ist so auszulegen, dass die Entscheidung der Kommission über die
Genehmigung eines nationalen Beihilfeprogramms auch dessen Inhalt erfasst, ohne dass
das Programm jedoch den Charakter eines Gemeinschaftsrechtsakts erhielte.
3. Der betroffene Mitgliedstaat ist der alleinige Adressat einer Entscheidung der
Kommission über die Genehmigung eines nationalen Beihilfeprogramms nach Artikel 7 der
Verordnung Nr. 2078/92 in der Fassung der genannten Beitrittsakte. Es ist Sache der
nationalen Gerichte, anhand des nationalen Rechts zu prüfen, ob die Bekanntmachung
eines solchen Programms ausreicht, um diesem Verbindlichkeit gegenüber den
landwirtschaftlichen und ländlichen Wirtschaftsbeteiligten zu verleihen, wobei
insbesondere auf die Einhaltung der Voraussetzung einer angemessenen Unterrichtung
nach Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe f dieser Verordnung zu achten ist.
4. Das Gemeinschaftsrecht steht der Anwendung der Grundsätze des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zum Ausschluss der Rückforderung zu
Unrecht gezahlter von der Gemeinschaft kofinanzierter Beihilfen nicht entgegen, sofern
dem Interesse der Gemeinschaft ebenfalls Rechnung getragen wird. Die Anwendung des
Grundsatzes des Vertrauensschutzes setzt voraus, dass der gute Glaube des durch die
betreffende Beihilfe Begünstigten nachgewiesen ist.
5. Es steht den Mitgliedstaaten frei, nationale Beihilfeprogramme im Sinne von Artikel 3
Absatz 1 der Verordnung Nr. 2078/92 in der Fassung der genannten Beitrittsakte durch
privatrechtliche Maßnahmen oder durch hoheitliche Handlungsformen durchzuführen,
sofern durch die betreffenden nationalen Maßnahmen nicht die Reichweite und
Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt wird.
Jann
Edward
La Pergola
Wathelet
Timmermans
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. September 2002.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
P. Jann
Verfahrenssprache: Deutsch.