Urteil des EuGH vom 22.06.2000

EuGH: staatliche beihilfe, kommission, klage auf nichtigerklärung, gericht erster instanz, republik, auswärtige angelegenheiten, regierung, aufschiebende wirkung, markt, aussetzung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
22. Juni 2000
„Beihilfe für die Coopérative d'exportation du livre français (CELF)“
In der Rechtssache C-332/98
Französische Republik
Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und F. Million, Chargé de mission in
derselben Direktion, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard
Joseph II, Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner,
Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/133/EG der Kommission vom 10. Juni 1998 über die
staatliche Beihilfe zugunsten der Coopérative d'exportation du livre français (CELF) (ABl. L 44, S. 37)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter L. Sevón, P. J. G. Kapteyn
(Berichterstatter), P. Jann und H. Ragnemalm,
Generalanwalt: A. La Pergola
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 21. Oktober 1999,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Dezember 1999,
folgendes
Urteil
1.
Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 8. September 1998 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) die
teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/133/EG der Kommission vom 10. Juni 1998 über die
staatliche Beihilfe zugunsten der Coopérative d'exportation du livre français (CELF) (ABl. L 44, S. 37; im
folgenden: streitige Entscheidung) beantragt.
2.
Am 29. September 1998 erhob die Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE) beim
Gericht erster Instanz eine Klage (Rechtssache T-155/98), mit der sie geltend machte, die streitige
Entscheidung sei insoweit rechtswidrig, als die Beihilfe darin gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe d
EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe d EG) für mit dem Gemeinsamen Markt
vereinbar erklärt werde.
3.
Das Gericht setzte das Verfahren in der Rechtssache T-155/98 durch Beschluß vom 25. März 1999
gemäß Artikel 47 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes bis zum Erlaß des Urteils des
Gerichtshofes in der vorliegenden Rechtssache aus.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
4.
Die CELF wurde in ihrer derzeitigen Form im Jahr 1980 auf Initiative des Kultusministeriums und des
Syndicat national de l'édition gegründet, um Bestellungen von Buchhandlungen aus der ganzen Welt
nachzukommen, deren Annahme nicht rentabel ist, wenn der Preis der Werke den Endverbraucher
nicht vom Kauf abschrecken soll. Die CELF hat also die Verbreitung der französischen Sprache und
Literatur zum Ziel. Sie erhält für diese Tätigkeit jährliche Beihilfen vom Kultusministerium, die 1991 2,4
Mio. FRF und 1992 2,7 Mio. FRF betrugen. Auch verwaltet sie für Rechnung des Staates drei
Beihilfesysteme, die nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sind.
5.
1991 wollte die SIDE, deren Tätigkeit insbesondere in der Ausfuhr französischer Bücher in andere
Mitgliedstaaten und in Drittländer besteht, in den Genuß der genannten Beihilferegelung kommen.
Dies wurde ihr vom Kultusministerium mit der Begründung versagt, sie habe sich geweigert, die
Anforderungen der Verwaltung an die Transparenz ihrer Tätigkeit zu erfüllen.
6.
Obwohl die Regelung ihrer Natur nach nicht nur für die CELF gilt, war dabei nur diese in der Lage,
die Anforderungen der staatlichen Stellen zu erfüllen.
7.
Die SIDE machte die Dienststellen der Kommission mit Schreiben vom 20. März 1992 auf die der
CELF vom Kultusministerium gewährten Beihilfen aufmerksam. In diesem Schreiben fragte sie an, ob
die Beihilfen gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) angemeldet worden
seien.
8.
Im Anschluß an einen Briefwechsel und verschiedene Mitteilungen erließ die Kommission am 18. Mai
1993 eine Entscheidung (ABl. C 174, S. 6), in der sie die der CELF gewährten Beihilfen gemäß Artikel
92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte (im folgenden:
Entscheidung vom 18. Mai 1993). Darüber unterrichtete sie die französische Regierung mit Schreiben
vom 10. Juni 1993. In diesem Schreiben hieß es, die Anwendung der in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c
EG-Vertrag vorgesehenen Ausnahme beruhe auf der besonderen Wettbewerbssituation im Buchsektor
und dem kulturellen Zweck der fraglichen Beihilfen. Die Kommission brachte außerdem ihr Bedauern
darüber zum Ausdruck, daß die französische Regierung die Verpflichtung, diese Beihilfen gemäß Artikel
93 Absatz 3 EG-Vertrag vorab bei ihr anzumelden, nicht erfüllt habe.
9.
Die SIDE erhob mit Klageschrift, die am 2. August 1993 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage
auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 18. Mai 1993. DieFranzösische Republik wurde als
Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.
10.
Das Gericht erklärte die Entscheidung vom 18. Mai 1993 durch Urteil vom 18. September 1995 in
der Rechtssache T-49/93 (SIDE/Kommission, Slg. 1995, II-2501) für nichtig, soweit sie die Beihilfe
betraf, die ausschließlich der CELF gewährt wurde, um die Mehrkosten für die Bearbeitung der
geringen Bestellungen französischsprachiger Bücher, die von im Ausland ansässigen Buchhändlern
aufgegeben werden, auszugleichen. Diese teilweise Nichtigerklärung wurde wegen eines
Verfahrensfehlers ausgesprochen, der darin bestanden haben soll, daß die Kommission es
unterlassen hat, das in Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag vorgesehene kontradiktorische Verfahren
einzuleiten.
11.
Nach Erlaß dieses Urteils wandte sich die Kommission mit Schreiben vom 17. Oktober 1995 im
Hinblick auf die Einleitung des kontradiktorischen Verfahrens am 30. Juli 1996 erneut an die
französischen Behörden. Dieses Verfahren wurde durch den Erlaß der streitigen Entscheidung
abgeschlossen, deren Artikel 1 bestimmt:
„Die der CELF für die Bearbeitung geringer Bestellungen französischsprachiger Bücher gewährte
Beihilfe ist eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag. Da es Frankreich unterlassen hat,
diese Beihilfe der Kommission vor ihrer Ausreichung zu notifizieren, wurde sie rechtswidrig gewährt. Da
sie die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe d dieses
Vertrags erfüllt, ist sie dennoch mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.“
12.
Diese Entscheidung wurde den französischen Behörden mit Schreiben vom 2. Juli 1998
bekanntgegeben.
Zur Zulässigkeit der Klage
13.
Die Französische Republik beantragt, die streitige Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als
Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 2 EG) nicht angewendet wurde.
14.
Die französische Regierung wendet sich insbesondere gegen die Ausführungen der Kommission in
Teil XII der streitigen Entscheidung, wo es heißt, „daß es sich bei der der CELF gewährten Beihilfe um
eine staatliche Beihilfe gemäß Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag handelt und daß diese nach Artikel 92
Absatz 3 Buchstabe d) vereinbar ist. Gemäß der Rechtsprechung [Urteil vom 15. März 1994 in der
Rechtssache C-387/92, Banco Exterior de España, Slg. 1994, I-877, Randnr. 21] braucht sie folglich
die subventionierte Tätigkeit der CELF nicht weiter im Hinblick auf Artikel 90 Absatz 2 zu untersuchen,
da die Anwendung von Artikel 92 EG-Vertrag nicht die Einstellung der Bearbeitung geringer
Bestellungen durch die CELF, für die sie eine staatliche Beihilfe erhält, bewirken kann.“
15.
Die Französische Republik führt aus, ihr Rechtsschutzinteresse beruhe darauf, daß sich die
französischen Behörden während des gesamten Verwaltungsverfahrens bemüht hätten, der
Kommission deutlich zu machen, daß die streitigen Beihilfen unter die in Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag
vorgesehene Ausnahme von den Wettbewerbsregeln fielen, so daß sie nicht anmeldepflichtig
gewesen seien.
16.
Die Prüfung dieses Standpunkts habe daher erhebliche praktische Bedeutung. Sollte der
Gerichtshof bestätigen, daß Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag nicht anwendbar sei, so sei die CELF
möglicherweise verpflichtet, die als Ausgleich für die Bearbeitung geringer Bestellungen gewährten
Subventionen für den ganzen Zeitraum vor Erlaß der streitigen Entscheidung zurückzuzahlen. Darüber
hinaus könnte in den von der SIDE auf nationaler Ebene angestrengten Verfahren die Verantwortung
der Französischen Republik für eine Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag festgestellt
werden.
17.
Die Kommission hat, ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, ernsthafte Zweifel
an der Zulässigkeit der Klage geäußert.
18.
Durch das Urteil in der Rechtssache SIDE/Kommission, gegen das kein Rechtsmittel beim
Gerichtshof eingelegt worden sei, habe die in der Entscheidung vom 18. Mai 1993 vorgenommene
Qualifizierung der streitigen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ - und sogar als „rechtswidrige
Beihilfe“, da sie ohne vorherige Anmeldung erlassen worden sei - Bestandskraft erlangt. Folglich
beschränke sich die streitige Entscheidung in Wirklichkeit auf die Bestätigung einer in einem früheren
Rechtsakt enthaltenen bestandskräftigen Feststellung; sie sei deshalb keine anfechtbare Handlung
im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag.
19.
Das Gericht stellte in Randnummer 66 des Urteils SIDE/Kommission fest, daß die Kommission in der
Lage gewesen sei, eine positive Entscheidung in bezug auf die von der CELF verwalteten
Beihilfesysteme zu erlassen, erklärte jedoch die Entscheidung vom 18. Mai 1993, soweit sie die Beihilfe
betraf, die ausschließlich der CELF für die Bearbeitung der geringen Bestellungen
französischsprachiger Bücher gewährt worden war, wegen eines Verfahrensfehlers für nichtig, der
darin bestanden haben soll, daß die Kommission es unterlassen hat, das in Artikel 93 Absatz 2 EG-
Vertrag vorgesehene kontradiktorische Verfahren einzuleiten.
20.
Entgegen der Auffassung der Kommission verleiht die so begründete Nichtigerklärung der durch die
Entscheidung vom 18. Mai 1993 vorgenommenen Qualifizierung der Maßnahme als „staatliche
Beihilfe“, die ohne vorherige Anmeldung und somit rechtswidrig gewährt worden sei, keine
Bestandskraft. Die Kommission war nämlich durch das Urteil SIDE/Kommission nur insoweit gebunden,
als dieses es den Betroffenen ermöglichte, an dem Verfahren einer genaueren Prüfung teilzunehmen.
Darüber hinaus blieb ihr Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Inhalts der fraglichen Maßnahme
unberührt.
21.
Die streitige Entscheidung hat also nicht die Bestätigung einer in einem früheren Rechtsakt
enthaltenen bestandskräftigen Feststellung zum Inhalt, so daß die Klage zulässig ist.
Zur Begründetheit
22.
Die französische Regierung stützt ihren Klageantrag, die streitige Entscheidung insoweit für nichtig
zu erklären, als Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag nicht angewendet wurde, auf drei Gründe, von denen
zwei hilfsweise vorgebracht werden.
23.
In erster Linie rügt sie die Ansicht der Kommission, sie habe, nachdem die Beihilfe gemäß Artikel 92
Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden sei, die
Tätigkeit der CELF nicht weiter im Hinblick auf Artikel 90 Absatz 2 zu untersuchen brauchen, da die
Anwendung von Artikel 92 EG-Vertrag nicht die Einstellung der Bearbeitung geringer Bestellungen
durch die CELF, für die sie eine staatliche Beihilfe erhalte, bewirken könne. Auf diese Weise habe die
Kommission rechtsfehlerhaft einen Gedanken, der nur im Fall einer bestehenden Beihilfe einen Sinn
habe, auf eine neue Beihilfe angewandt.
24.
Hilfsweise rügt die französische Regierung, die Feststellung der Kommission, daß die staatlichen
Stellen der CELF nicht die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse übertragen hätten, enthalte einen Tatsachenirrtum. Zudem habe die Kommission rechtsirrig
gemeint, Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag sei ohnehin nur anwendbar, wenn der Wirtschaftsteilnehmer,
dem die Aufgabe übertragen worden sei, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
zu erbringen, eine Monopolstellung innehabe.
25.
Die hilfsweise vorgebrachten Klagegründe beziehen sich auf Teil XII der streitigen Entscheidung, wo
die Kommission zwar ausgeführt hat, daß sie auf die Frage der Anwendung des Artikels 90 Absatz 2
EG-Vertrag nicht einzugehen brauche, dann aber die subventionierte Tätigkeit doch anhand dieser
Vorschrift beurteilt hat.
26.
Die Prüfung dieser hilfsweise vorgebrachten Klagegründe ist hier nur von Nutzen, wenn der
Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen sollte, daß der Kommission durch die Nichtanwendung des
Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag ein Rechtsirrtum unterlaufen ist.
27.
Die französische Regierung trägt zu dem Hauptklagegrund vor, aus den Artikeln 92 und 93 Absätze
2 und 3 EG-Vertrag ergebe sich, daß eine neue Beihilfe - anders als eine bestehende Beihilfe - so
lange nicht durchgeführt werden könne, als sie nicht für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar
erklärt worden sei. Es gebe jedoch nur einen einzigen Fall, in dem eine derartige Beihilfe durchgeführt
werden könne, ohne daß eine Entscheidung über ihre Vereinbarkeit erlassen worden sei. Dies sei der
Fall, daß gerade das durch die Beihilfe begünstigte Unternehmen möglicherweise unter die inArtikel
90 Absatz 2 EG-Vertrag vorgesehene Ausnahme von den Wettbewerbsregeln falle.
28.
Dazu führt die französische Regierung aus, daß die eventuelle Anwendbarkeit des Artikels 90 Absatz
2 EG-Vertrag es wohl ermögliche, von der Verpflichtung zur Aussetzung abzuweichen, nicht dagegen
von der Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung, denn diese Verwaltungsformalität sei nicht geeignet,
die Erfüllung der der CELF übertragenen besonderen Aufgabe zu verhindern.
29.
Die staatlichen Beihilfen, die unter Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag fielen, machten schon aufgrund
ihrer Natur eine Behandlung in einem besonderen Verfahren erforderlich. Die genannte Vorschrift
ermögliche es insbesondere, von der Anwendung der sich aus Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag
ergebenden Verpflichtung zur Aussetzung abzusehen, wenn die Erfüllung der betreffenden
öffentlichen Dienstleistungsaufgabe durch diese Aussetzung verhindert werden könne.
30.
Deshalb sei im Fall von Beihilfen zugunsten von Unternehmen, die wie die in Artikel 90 Absatz 2
aufgeführten mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut seien, die
Verpflichtung zur Aussetzung zwangsläufig ohne weiteres unanwendbar, wenn jede Unterbrechung der
Erbringung dieser Dienstleistungen vermieden werden solle.
31.
Nach ständiger Rechtsprechung hat Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag den Zweck, das Wirksamwerden
vertragswidriger Beihilfen zu unterbinden (Urteil vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73,
Lorenz, Slg. 1973, 1471, Randnr. 4). Außerdem hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, daß Artikel
93 Absatz 3 letzter Satz den durch diesen Artikel eingeführten Kontrollmechanismus sichert, der für
die Gewährleistung des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes wesentlich ist. Deshalb ist ein
Mitgliedstaat dieser Rechtsprechung zufolge auch dann nicht berechtigt, sich über die eindeutigen
Bestimmungen des Artikels 93 hinwegzusetzen, wenn er die Beihilfemaßnahme für mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar hält (Beschlüsse vom 21. Mai 1977 in den Rechtssachen 31/77 R und
53/77 R, Slg. 1977, 921, Randnrn. 17 und 18, und vom 20. September 1983 in der Rechtssache
171/83 R, Kommission/Frankreich, Slg. 1983,2621, Randnr. 12).
32.
Gegenstand des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag ist also nicht eine bloße Anmeldepflicht, sondern
eine Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung, die als solche die im letzten Satz dieses Absatzes
bezeichnete aufschiebende Wirkung hat. Deshalb sind die dort aufgestellten Verpflichtungen - die
Verpflichtung zur Anmeldung jeder neuen Beihilfe und die zur Aussetzung der Durchführung dieser
Beihilfe - entgegen dem Vorbringen der französischen Regierung nicht voneinander zu trennen.
Folglich ist der in erster Linie vorgebrachte Klagegrund zurückzuweisen.
33.
Dies muß um so mehr gelten, wenn die Beihilfen wie im vorliegenden Fall nicht bei der Kommission
angemeldet worden sind. Selbst wenn die von der Klägerinbefürwortete Trennung rechtlich zulässig
wäre - was in Randnummer 32 dieses Urteils verneint worden ist -, könnte sie doch wegen der
fehlenden Anmeldung nicht dazu führen, eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts auszuschließen.
34.
Folglich ist der in erster Linie vorgebrachte Klagegrund zurückzuweisen. Die beiden von der Klägerin
hilfsweise vorgebrachten Klagegründe brauchen somit nicht geprüft zu werden.
35.
Aus diesen Gründen ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
36.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat
und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind die Kosten der Französischen Republik
aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Edward
Sevón
Kapteyn
Jann Ragnemalm
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Juni 2000.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
D. A. O. Edward
Verfahrenssprache: Französisch.