Urteil des EuGH vom 18.05.2000

EuGH: kommission, regierung, verordnung, erleichterung der beweislast, belgien, ausfuhr, klagegrund, gefahr, warenkontrolle, mitgliedstaat

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
18. Mai 2000
„EAGFL - Rechnungsabschluß - Haushaltsjahr 1993 - Getreide und Rindfleisch“
In der Rechtssache C-242/97
Königreich Belgien
Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigten, Beistand:
Rechtsanwalt H. Gilliams, Brüssel, Zustellungsanschrift: Belgische Botschaft, 4, rue des Girondins,
Luxemburg,
Kläger,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner,
Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 97/333/EG der Kommission vom 23. April 1997 über den
Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die
Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1993 finanzierten Ausgaben (ABl. L 139, S. 30),
soweit darin Ausgaben in Höhe von 413 309 611 BFR, die im Königreich Belgien im Rahmen der
Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen getätigt wurden, von der Gemeinschaftsfinanzierung
ausgeschlossen werden,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen in Wahrnehmung der Aufgaben des
Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, G. Hirsch, H. Ragnemalm und V. Skouris
(Berichterstatter),
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 9. September 1999,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Oktober 1999,
folgendes
Urteil
1.
Das Königreich Belgien hat mit Klageschrift, die am 3. Juli 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 1 EG)
die teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung 97/333/EG der Kommission vom 23. April 1997 über
den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 1993 finanzierten
Ausgaben (ABl. L 139, S. 30; im folgenden: angefochtene Entscheidung) beantragt, soweit darin
Ausgaben in Höhe von 413 309 611 BFR, dieim Königreich Belgien im Rahmen der Vorauszahlung von
Ausfuhrerstattungen getätigt wurden, von der Gemeinschaftsfinanzierung ausgeschlossen werden.
2.
Dieser Betrag entspricht einer Pauschalberichtigung von 10 % für sämtliche Ausgaben, die im
Königreich Belgien im Haushaltsjahr 1993 im Rahmen der Vorfinanzierung von Ausfuhrerstattungen in
den Sektoren Rindfleisch und Getreide getätigt wurden.
Rechtlicher Rahmen
3.
Gemäß den Artikeln 1 Absatz 2 Buchstabe a und 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des
Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13)
finanziert die Abteilung Garantie des EAGFL die Erstattungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern, die
nach Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte gewährt
werden.
4.
Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die
erforderlichen Maßnahmen, um
- sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und
ordnungsgemäß durchgeführt worden sind,
- Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen,
- die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge
wiedereinzuziehen.“
5.
Nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung trägt die Gemeinschaft nicht die finanziellen Folgen der
Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der
Mitgliedstaaten anzulasten sind.
6.
Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die
Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 62, S. 5) bestimmt:
„Auf Antrag wird ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gezahlt, sobald die
Grunderzeugnisse der Zollkontrolle unterworfen wurden und damit sichergestellt ist, daß die
Verarbeitungserzeugnisse oder die Waren innerhalb einer bestimmten Frist ausgeführt werden“
(sogenanntes System der Vorfinanzierung-Verarbeitung).
7.
Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 565/80 bestimmt: „Auf Antrag wird ein der Ausfuhrerstattung
entsprechender Betrag gezahlt, sobald die Erzeugnisse oder Waren im Hinblick auf ihre Ausfuhr
innerhalb einer bestimmten Frist einem Zollagerverfahren oder Freizonenverfahren unterworfen
worden sind“ (sogenanntes System der Vorfinanzierung-Lagerung).
8.
Die spezifischen Vorschriften, die auf das Gemeinschaftssystem der Vorfinanzierung Anwendung
finden, stehen in Kapitel 3 des Titels 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27.
November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei
landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1).
9.
Gemäß Artikel 25 der Verordnung Nr. 3665/87 finden, wenn der Ausführer seinen Willen bekundet,
die Erzeugnisse oder Waren nach Verarbeitung oder Lagerung auszuführen und eine Erstattung
aufgrund von Artikel 4 oder 5 der Verordnung Nr. 565/80 in Anspruch zu nehmen, die Verfahren nur
Anwendung, wenn bei den zuständigen Zollbehörden eine als „Zahlungserklärung“ bezeichnete
Willenserklärung des Ausführers mit allen zur Berechnung der Erstattung erforderlichen Angaben
vorliegt.
10.
Bei Verarbeitungserzeugnissen oder aus Grunderzeugnissen hergestellten Waren wird gemäß
Artikel 27 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 das Ergebnis der Prüfung der Zahlungserklärung mit
der gegebenenfalls durchgeführten Beschau der Grunderzeugnisse bei der Festsetzung der
Erstattung berücksichtigt.
11.
Gemäß Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 müssen die dem System der
Vorfinanzierung-Verarbeitung unterworfenen Grunderzeugnisse ganz oder teilweise in den
auszuführenden Verarbeitungserzeugnissen oder Waren enthalten sein. Nach der in dieser Vorschrift
festgelegten Äquivalenzregel können jedoch, wenn die zuständigen Behörden es zulassen,
Grunderzeugnisse durch „äquivalente Erzeugnisse derselben Unterposition der Kombinierten
Nomenklatur, welche dieselbe Handelsqualität und dieselben technischen Merkmale aufweisen sowie
die für die Gewährung der Ausfuhrerstattung erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, ersetzt
werden“.
12.
Nach Artikel 27 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 beträgt die Verarbeitungsfrist
für Grunderzeugnisse unter Zollkontrolle vom Tag der Annahme der Zahlungserklärung an sechs
Monate.
13.
Die Verordnung (EWG) Nr. 32/82 der Kommission vom 7. Januar 1982 zur Festlegung der
Bedingungen für die Gewährung von Sondererstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch (ABl. L 4, S.
11) sieht die Möglichkeit vor, für die Ausfuhr bestimmter Erzeugnisse im Rindfleischsektor höhere
Erstattungen zu gewähren.
14.
Nach der Verordnung (EWG) Nr. 1964/82 der Kommission vom 20. Juli 1982 zur Festlegung der
Bedingungen für die Gewährung von Sondererstattungen bei der Ausfuhr von bestimmten Arten von
entbeintem Rindfleisch (ABl. L 212, S. 48) können für die aus frischen oder gekühlten Hintervierteln
von ausgewachsenen männlichen Rindern stammenden entbeinten Stücke, die einzeln verpackt sind,
höhere Ausfuhrerstattungen gewährt werden.
15.
Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1964/82 treffen die Mitgliedstaaten „die erforderlichen
Maßnahmen, damit die betreffenden Erzeugnisse nicht durch andereErzeugnisse ersetzt werden
können, insbesondere durch die Identifizierung jedes Teilstücks“. Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung
bestimmt: „Die Säcke, Kartons oder sonstigen Umschließungen, die die entbeinten Teilstücke
enthalten, werden von den zuständigen Behörden versiegelt oder plombiert und tragen Angaben, die
eine Nämlichkeitssicherung des entbeinten Fleisches ermöglichen, insbesondere das Eigengewicht,
die Art und die Anzahl [der] Stücke sowie eine laufende Nummer.“
16.
Die Verordnung (EWG) Nr. 386/90 des Rates vom 12. Februar 1990 über die Kontrolle bei der
Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet
werden (ABl. L 42, S. 6), regelt die Kontrollen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob die Vorgänge,
die zur Zahlung der Ausfuhrerstattungen und anderen Beträge im Zusammenhang mit der Ausfuhr
berechtigen, tatsächlich stattgefunden haben und ob sie vorschriftsgemäß durchgeführt worden sind.
17.
Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 386/90 erfolgt die Warenkontrolle bei Erfüllung der
Ausfuhrzollförmlichkeiten durch häufige, unangemeldete Stichproben und müssen die
Warenstichproben eine repräsentative Auswahl von mindestens 5 % der Ausfuhranmeldungen
umfassen, die zur Zahlung der Ausfuhrerstattungen und anderen Beträge im Zusammenhang mit der
Ausfuhr berechtigen.
18.
Gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2030/90 der Kommission vom 17.
Juli 1990 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 über die Warenkontrolle
bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen
geleistet werden (ABl. L 186, S. 6), erfolgt die Warenkontrolle innerhalb des Zeitraums zwischen der
Abgabe der Ausfuhranmeldung und der Freigabe der Waren zur Ausfuhr. Nach Artikel 6 der
Verordnung Nr. 2030/90 können bei Vorfinanzierung der Erstattung im Rahmen des Systems der
Vorfinanzierung-Verarbeitung oder der Vorfinanzierung-Lagerung die Warenkontrollen, die während
der Lagerung und gegebenenfalls bei der Verarbeitung vorgenommen wurden, auf den
Mindestkontrollsatz gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 386/90 angerechnet werden, sofern die in der
Phase der Vorfinanzierung durchgeführten Warenkontrollen mit der gleichen Intensität vorgenommen
wurden wie üblicherweise bei der Ausfuhr und die zuvor kontrollierten Erzeugnisse und Waren mit
denen identisch sind, die Gegenstand der Ausfuhranmeldung sind.
19.
Der Belle-Bericht der Kommission legt Leitlinien für den Fall fest, daß in bezug auf einen
Mitgliedstaat finanzielle Berichtigungen vorgenommen werden müssen.
20.
Dieser Bericht sieht für schwierige Fälle die Methode des Pauschalsatzes vor:
„Mit der immer häufigeren Durchführung von Systemprüfungen nimmt der EAGFL auch immer häufiger
eine Beurteilung des Risikos vor, das sich aus Systemfehlernergibt. Es liegt in der Natur der
nachträglichen Kontrollen, daß man zum Zeitpunkt dieser Kontrollen nur in den seltensten Fällen
feststellen kann, ob eine Forderung zum Zeitpunkt der Zahlung zulässig war ... Der Verlust zum
Schaden des Gemeinschaftshaushalts muß daher durch eine Beurteilung des Risikos bestimmt
werden, dem der Gemeinschaftshaushalt durch den Mangel in dem Kontrollsystem ausgesetzt war.
Dieser Mangel kann sich auf die Art oder die Qualität der durchgeführten Kontrollen, aber auch auf
ihre Zahl beziehen ...“
21.
Der Belle-Bericht schlägt drei Gruppen von Berichtigungen mit festen Sätzen vor:
„A. 2 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf weniger wichtige Teile des Kontrollsystems oder auf
die Durchführung von Kontrollen bezieht, die für die Gewährleistung der Regelmäßigkeit der Ausgaben
nicht wesentlich sind, so daß der Schluß zulässig ist, daß die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des
EAGFL gering war.
B. 5 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf ein wichtiges Element des Kontrollsystems oder auf
die Durchführung von Kontrollen bezieht, die wichtig sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu
gewährleisten, so daß der Schluß zulässig ist, daß die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des EAGFL
groß war.
C. 10 % der Ausgaben, wenn der Mangel das gesamte oder doch wesentliche Einzelheiten des
Kontrollsystems betrifft oder sich auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die von wesentlicher
Bedeutung sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten, so daß der Schluß zulässig
ist, daß die Gefahr eines sehr hohen Verlustes zum Schaden des EAGFL bestand.“
22.
Bestehen Zweifel, welche Berichtigung anzuwenden ist, so können gemäß den Leitlinien dieses
Berichtes außerdem folgende Überlegungen als mildernde Umstände in Betracht kommen:
„- Haben die einzelstaatlichen Behörden wirksame Maßnahmen getroffen, um die Mängel sofort nach
ihrer Feststellung abzustellen?
- Haben sich die Mängel aus Problemen bei der Auslegung der Gemeinschaftsvorschriften ergeben?“
23.
Aufgrund des Belle-Berichts wurde Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 durch die
Verordnung (EG) Nr. 1287/95 des Rates vom 22. Mai 1995 (ABl. L 125, S. 1) geändert und erhielt
folgende Fassung:
„Die Kommission, nach Anhörung des Fondsausschusses,
...
c) bestimmt die Ausgaben, die von der in den Artikeln 2 und 3 genannten gemeinschaftlichen
Finanzierung auszuschließen sind, wenn sie feststellt, daß Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit
den Gemeinschaftsvorschriften getätigt worden sind.
Vor jeder Entscheidung über eine Ablehnung der Finanzierung werden die Ergebnisse der
Überprüfungen der Kommission sowie die Antworten des betreffenden Mitgliedstaats jeweils schriftlich
übermittelt; danach bemühen sich beide Parteien, zu einem Einvernehmen hinsichtlich der zu
ziehenden Folgerungen zu gelangen.
Wird kein Einvernehmen erzielt, so kann der Mitgliedstaat die Eröffnung eines Verfahrens
beantragen, um die jeweiligen Standpunkte innerhalb von vier Monaten miteinander in Einklang zu
bringen; die Ergebnisse dieses Verfahrens werden in einem Bericht erfaßt, der an die Kommission
übermittelt und von dieser geprüft wird, bevor eine Finanzierung abgelehnt wird.
Die Kommission bemißt die auszuschließenden Beträge insbesondere unter Berücksichtigung der
Tragweite der festgestellten Nichtübereinstimmung. Die Kommission trägt dabei der Art und Schwere
des Verstoßes sowie dem der Gemeinschaft entstandenen finanziellen Schaden Rechnung.“
Das Rechnungsabschlußverfahren für das Haushaltsjahr 1993
24.
Die Kontrolldienststellen des EAGFL überprüften die Vorschriften und Verfahren für die
Vorfinanzierung der Ausfuhrerstattungen, die bestimmte Mitgliedstaaten in den Haushaltsjahren 1993
und 1994 anwandten. Im September und November 1994 wurden in Belgien die Zollstellen Leuven,
Aalst, Beauraing und Termonde inspiziert.
25.
Nach einem Schriftwechsel zwischen der Kommission und den belgischen Behörden über das
Ergebnis dieser Prüfungen teilte die Kommission den belgischen Behörden mit Schreiben vom 8. und
19. Juli 1996 die Schlußfolgerungen ihrer Untersuchung des belgischen Kontrollsystems mit.
26.
Am 1. Oktober 1996 stellte die belgische Regierung gemäß der Entscheidung 94/442/EG der
Kommission vom 1. Juli 1994 zur Schaffung eines Schlichtungsverfahrens im Rahmen des
Rechnungsabschlusses des EAGFL - Abteilung Garantie (ABl. L 182, S. 45) einen Schlichtungsantrag.
Die Schlichtungsstelle verabschiedete ihren Abschlußbericht am 13. Februar 1997.
27.
Am 31. Dezember 1996 verabschiedete die Kommission den Entwurf eines Zusammenfassenden
Berichts. Am 3. März 1997 wurde der Zusammenfassende Bericht über die Kontrollergebnisse für den
Rechnungsabschluß des EAGFL, Abteilung Garantie für das Haushaltsjahr 1993 (im folgenden:
Zusammenfassender Bericht), im EAGFL-Ausschuß erörtert.
28.
Die angefochtene Entscheidung wurde am 23. April 1997 auf der Grundlage des
Zusammenfassenden Berichts erlassen.
Zum ersten Klagegrund
29.
Mit ihrem ersten Klagegrund macht die belgische Regierung geltend, die angefochtene
Entscheidung sei unter Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/90 in der Fassung
der Verordnung Nr. 1287/95, gegen den in Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) niedergelegten
Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, gegen das Sorgfaltsprinzip und gegen die Begründungspflicht
gemäß Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) erlassen worden.
30.
Das Verfahren zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung sei mit Fehlern behaftet, da die
Kommission, bevor sie die Schlußfolgerungen ihrer Untersuchung über das belgische Kontrollsystem
verfaßt habe, nicht die Angaben der belgischen Behörden geprüft habe und da sie das von der
belgischen Regierung angestrengte Schlichtungsverfahren als bloße Förmlichkeit angesehen habe.
Die Kommission habe nicht ernstlich die von der belgischen Regierung vorgetragenen Ausführungen
und Gesichtspunkte geprüft und noch nicht einmal den Abschlußbericht der Schlichtungsstelle
abgewartet, bevor sie am 31. Dezember 1996 den Entwurf des Zusammenfassenden Berichts
verabschiedet habe.
31.
Folglich enthalte der Zusammenfassende Bericht etliche Unrichtigkeiten, die hätten vermieden
werden müssen. Im einzelnen bestreitet die belgische Regierung die Richtigkeit der Feststellungen
und der Analyse der Kommission im Rindfleischsektor in elf Punkten und im Getreidesektor in vier
Punkten.
32.
Der EAGFL finanziert nur die nach Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Interventionen im
Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte.
33.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache eines Mitgliedstaats, nachzuweisen, daß die
Voraussetzungen für eine von der Kommission abgelehnte Finanzierung vorliegen, wenn die
Kommission die Übernahme bestimmter Ausgaben zu Lasten des EAGFL mit der Begründung
verweigert, daß sie durch diesem Staat vorzuwerfende Verletzungen von Gemeinschaftsregelungen
veranlaßt wurden (vgl. Urteile vom 24. März 1988 in der Rechtssache 347/85, Vereinigtes
Königreich/Kommission, Slg. 1988, 1749, Randnr. 14, und vom 10. November 1993 in der Rechtssache
C-48/91, Niederlande/Kommission, Slg. 1993, I-5611, Randnr. 16). Die Kommission ist nicht verpflichtet,
die Unrichtigkeit der von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben umfassend darzulegen, sondern
braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den von den nationalen Stellen mitgeteilten Zahlen
berechtigte Zweifel bestehen.
34.
Diese Erleichterung der Beweislast der Kommission beruht darauf, daß der Mitgliedstaat am besten
in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluß des EAGFL erforderlichen Angaben beizubringen und
nachzuprüfen, so daß es ihm obliegt, die Richtigkeit seiner Zahlen eingehend und vollständig
nachzuweisen und sogegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen der Kommission darzutun
(Urteile Niederlande/Kommission vom 10. November 1993, Randnr. 17, und vom 18. März 1999 in der
Rechtssache C-59/97, Italien/Kommission, Slg. 1999, I-1683, Randnr. 55). Im Fall einer Beanstandung
ist es Sache der Kommission, das Vorliegen einer Verletzung der Regeln der gemeinsamen
Organisation der Agrarmärkte nachzuweisen; hat sie diesen Nachweis erbracht, so hat der
Mitgliedstaat gegebenenfalls darzulegen, daß der Kommission bezüglich der daraus zu ziehenden
finanziellen Konsequenzen ein Irrtum unterlaufen ist (Urteile vom 19. Februar 1991 in der Rechtssache
C-281/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-347, Randnr. 19, vom 10. November 1993,
Niederlande/Kommission, Randnr. 18, und vom 18. März 1999, Italien/Kommission, Randnr. 55).
35.
Im Licht dieser Erwägungen sind die Beweise zu prüfen, die die belgische Regierung vorgelegt hat,
um die Feststellungen zu widerlegen, auf die die Kommission die angefochtene Entscheidung gestützt
hat.
36.
Bezüglich des Rindfleischsektors bestreitet die belgische Regierung erstens die Behauptung der
Kommission, das Lager der Firma Sivafrost in Termonde, wo die dem System der Vorfinanzierung-
Lagerung unterliegenden Waren zwischengelagert würden, werde von einem Zollbeamten morgens
geöffnet und abends wieder verschlossen und sei in der Zwischenzeit unbewacht. Vielmehr öffne der
Zollbeamte das Lager nur zum Zeitpunkt der Ein- und Auslagerung der Waren und schließe es nach
Abschluß dieses Vorgangs, bei dem er anwesend sei, wieder ab.
37.
Wie aus dem Schreiben der belgischen Behörden an die Kommission vom 22. Mai 1995 hervorgeht,
belegt der dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung durch die Kommission vorausgegangene
Schriftwechsel zwischen den belgischen Behörden und der Kommission nicht, daß das Lager Sivafrost
nur zum Zweck der Ein- und Auslagerung geöffnet und sofort wieder verschlossen wird. Die belgische
Regierung hat somit nicht nachweisen können, daß die Feststellung der Kommission, das Lager werde
morgens aufgeschlossen und erst abends wieder abgeschlossen, falsch ist.
38.
Das Vorbringen der belgischen Regierung entkräftet folglich nicht den Vorwurf der Kommission.
39.
Zweitens bestreitet die belgische Regierung die Behauptung der Kommission, in der Zollstelle
Termonde fehle es an Personal und einfachsten materiellen Dingen. Zwar gebe es in dieser Zollstelle
keine Waagen, die hinreichend exakt seien, um 20-kg-Kartons wiegen zu können, doch sei dies ohne
Bedeutung, da 90 % des über diese Zollstelle ausgeführten Fleisches zunächst gemäß dem System
der Vorfinanzierung-Lagerung in den Lagern Sivafrost und Vandenavenne gelagert werde, die
geeignete Waagen hätten, um die vorgeschriebenen Überprüfungen bei der Ein- und Auslagerung
vornehmen zu können. Zu dem Umstand, daß die Zollstelle nicht übereinen Dienstwagen verfügte,
was die Möglichkeit unangemeldeter Kontrollen beschränkt haben soll, führt die belgische Regierung
aus, daß der Kontrolleur, wenn er sich für die Durchführung einer Warenkontrolle entscheide, den
Lastwagen von der Zollstelle bis zum Lager begleite; der Transporteur könne somit niemals wissen, ob
der Kontrolleur ihn zu einer Warenkontrolle begleiten werde oder nicht. Schließlich weist die belgische
Regierung darauf hin, daß in der Zollstelle Termonde drei für die Durchführung der Kontrollen
zuständige Beamte tätig seien, deren Aufgabe die Erledigung der Verwaltungsformalitäten sei, sowie
ein Kontrolleur, der ausschließlich für die Durchführung von Warenkontrollen zuständig sei. Dies
genüge, um die Lager Sivafrost und Vandenavenne zu kontrollieren.
40.
Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die belgische Regierung nicht bestreitet, daß die Zollstelle
Termonde keine geeignete Waage hat, um das Gewicht von 20-kg-Kartons prüfen zu können. Die
Warenkontrollen nach Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 386/90 können somit nicht
wirksam durchgeführt werden. Dadurch, daß 90 % des Fleisches zu einem früheren Zeitpunkt
gewogen wird, kann diese Lücke im Kontrollsystem nicht geschlossen werden, da es auf diese Weise
möglich ist, daß ein Teil des dem System der Vorfinanzierung-Lagerung unterworfenen Fleisches
niemals vom Zoll gewogen wird.
41.
Weiter ist unstreitig, daß der Kontrolleur mangels Dienstwagen eine Warenkontrolle nur
durchführen konnte, indem er vorher Kontakt mit dem Lagerverwalter oder mit dem zu
kontrollierenden Unternehmen aufnahm. Der belgischen Regierung ist somit nicht der Nachweis
gelungen, daß unter diesen Umständen bei den eingelagerten Waren die nach Artikel 3 der
Verordnung Nr. 386/90 erforderlichen unangemeldeten Warenkontrollen möglich waren.
42.
Was schließlich die Behauptung der belgischen Regierung betrifft, neben dem Kontrolleur seien in
der Zollstelle Termonde drei Beamte für die Kontrollen zuständig gewesen, so wurden diese Angaben
von den belgischen Behörden erst nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung gemacht und
können deshalb bei der Prüfung der Begründung dieser Entscheidung nicht berücksichtigt werden.
43.
Diesem Vorbringen kann daher nicht gefolgt werden.
44.
Zur Feststellung der Kommission, daß sich die Zollbehörden bei ihren Kontrollen ausschließlich auf
eine von dem betreffenden Händler selbst erstellte Liste stützten, in der die Anzahl der Kartons und
deren Gewicht aufgeführt seien, und daß die Ausfuhranmeldung oder die Zahlungserklärung erst
später verfaßt würden, trägt die belgische Regierung drittens vor, daß diese Vorgehensweise von der
Kommission nur in der Zollstelle Beauraing festgestellt worden sei, keine Gefahr ungerechtfertigter
Zahlungen begründet habe und nach Unterrichtung der belgischen Behörden sofort geändert worden
sei. Bei der Einlagerung der Waren sei stets ein Kontrolleur der Zollstelle Beauraing anwesend
gewesen, der systematisch das Gewicht der angelieferten Waren überprüft habe, so daß etwaige
Abweichungen zwischen der vom Händler erstellten Liste und dem Gewicht beim Wiegen hätten
festgestellt werden können. Auchwenn die Zahlungserklärung erst später verfaßt worden sei, habe
daher das in Beauraing praktizierte Verfahren die Wirksamkeit der Kontrollen nicht beeinträchtigt,
zumal durch dieses Verfahren eine Warenkontrolle von deutlich mehr als 5 % der betreffenden Waren
gewährleistet gewesen sei. Außerdem sei das eingelagerte Fleisch zuvor systematisch von einem
Veterinär kontrolliert worden, so daß die Zollkontrollen eine zusätzliches Maß an Sicherheit geboten
hätten und der Kommission nicht der Nachweis gelungen sei, daß eine tatsächliche Betrugsgefahr
bestanden habe.
45.
Wie aus dem Schreiben der belgischen Behörden an die Kommission vom 22. Mai 1995 hervorgeht,
fand in der Zollstelle Beauraing keine umfassende Gewichtskontrolle durch Wiegen statt. Zudem
konnte, wie die belgische Regierung eingeräumt hat, die Überprüfung der von dem Händler erstellten
Gewichtsliste auch vor der Abgabe der Ausfuhranmeldung vorgenommen werden, obwohl Artikel 5
Absatz 1 der Verordnung Nr. 2030/90 verlangt, daß die Warenkontrolle danach erfolgt. Daher kann
nicht behauptet werden, daß die belgischen Behörden Warenkontrollen durchgeführt hat, die dem
Gemeinschaftsrecht entsprechen.
46.
Angesichts dieser Feststellung ist unbeachtlich, daß die von den belgischen Behörden
durchgeführten Kontrollen laut Vortrag der belgischen Regierung mehr als 5 % der betreffenden
Waren erfaßten.
47.
Im übrigen hat die belgische Regierung nicht nachgewiesen, daß trotz Fehlens einer wirksamen
Warenkontrolle nicht die von der Kommission angeführte Möglichkeit eines Warenaustauschs bestand.
48.
Viertens bestreitet die belgische Regierung die Angaben in dem Zusammenfassenden Bericht, daß
es in den zur Zollstelle Termonde gehörenden Lagern möglich gewesen sei, die Etiketten mehrerer
Kartons mit Hintervierteln von Rindern zu entfernen und wieder anzubringen, ohne sie zu beschädigen.
Die belgische Regierung räumt zwar ein, daß es den Inspekteuren der Kommission möglich gewesen
sei, Etiketten zu entfernen und unbeschädigt wieder anzubringen. Dies sei jedoch nicht bei einer
repräsentativen Stichprobenkontrolle geschehen, und angesichts der Schwierigkeiten und des
Zeitaufwands, die mit diesem Vorgang verbunden seien, sei es praktisch unmöglich, das in einem
Zollager aufbewahrte Fleisch durch anderes Fleisch zu ersetzen. Die Kommission habe somit nicht
nachgewiesen, daß aufgrund der in Belgien benutzten Versiegelungen eine wesentliche Gefahr
ungerechtfertigter Zahlungen bestehe.
49.
Bei der Kontrolle war es unstreitig möglich, für eine höhere Erstattung vorgesehene
Rindfleischkartons zu öffnen, ohne die Versiegelung zu beschädigen. Durch die Erklärungen der
belgischen Regierung werden die entsprechenden Feststellungen der Kommission in keiner Weise
erschüttert; das Vorbringen der belgischen Regierung ist daher zurückzuweisen.
50.
Fünftens erklärt die belgische Regierung, die Kommission habe sich getäuscht, als sie behauptet
habe, daß ein Teil des in Termonde kontrollierten Fleisches Kuhfleischgewesen sei, obwohl es sich in
Wirklichkeit um das Fleisch männlicher Rinder gehandelt habe. Dies wird durch DNA-Analysen
bestätigt.
51.
Im schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof hat die Kommission diese Behauptung in Anhang II
ihres Zusammenfassenden Berichts zurückgenommen und erklärt, daß die angefochtene
Entscheidung nicht auf ihr beruhe.
52.
Da die belgische Regierung nicht geltend gemacht hat, daß die zurückgenommene Behauptung
einer bestimmten Berichtigung in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegen habe, ist ihr
Vorbringen in diesem Punkt zwar sachlich zutreffend, aber nicht erheblich.
53.
Sechstens bestreitet die belgische Regierung, daß das einzige Mittel zur Identifizierung der im Lager
Sivafrost aufbewahrten Kartons ein an einer Palette befestigter Zettel gewesen sei, der die Nummern
der Zahlungserklärungen getragen habe, und daß es daher möglich gewesen sei, die in diesem Lager
aufbewahrten Kartons auszutauschen. An diesen Kartons seien Etiketten angebracht gewesen, die
Art, Gewicht und Nummer der Waren angegeben hätten. Im übrigen seien im Lager Sivafrost bereits
1994 Lagerlisten verwendet worden, die die gleichen Angaben wie die Etiketten enthalten hätten, so
daß geprüft habe werden können, ob die Kartons das Lager verlassen hätten.
54.
Die belgische Regierung hat nicht nachweisen können, daß die Feststellungen, auf denen die
Entscheidung der Kommission beruht, unzutreffend waren. Insbesondere hat sie nicht den Vorwurf der
Kommission entkräftet, sie habe die Paletten unzureichend gekennzeichnet, da sie nicht geltend
gemacht hat, daß sie das System der Erstellung detaillierter Lagerlisten im Haushaltsjahr 1993, auf
das sich der Rechnungsabschluß bezieht, angewandt habe.
55.
Diesem Vorbringen der belgischen Regierung kann somit nicht gefolgt werden.
56.
Siebtens behauptet die belgische Regierung, die Tierärzte seien bei der Entbeinung und beim
Wiegen der Erzeugnisse nach Entbeinung ständig zugegen gewesen, weshalb der Vorwurf der
Kommission, daß sie die nach der Verordnung Nr. 1964/82 erforderlichen Gewichtskontrollen nicht
gründlich genug durchgeführt habe, nicht berechtigt sei.
57.
Dieses Vorbringen der belgischen Regierung ist zurückzuweisen. Was die Kontrolle des Gewichts der
Hinterviertel entbeinter Rinder betrifft, so werden durch die bloße Anwesenheit eines Veterinärs im
Zerlegebetrieb die Erfordernisse der Verordnung Nr. 1964/82 nicht erfüllt. Denn da die zuständigen
Behörden nach Artikel 4 dieser Verordnung die „Bescheinigung für entbeintes Fleisch“ mit einem
Sichtvermerk zu versehen haben, der gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung die Gesamtmenge des
aus der Entbeinung hervorgehenden Fleisches angeben muß, müssen sie das Gewicht der entbeinten
Hinterviertel feststellen und diese somit selbst wiegen, um der offensichtlichen Betrugsgefahr
vorzubeugen, die entstünde, wenn andere das Wiegen besorgten. Die belgische Regierung hat daher
nicht hinreichend nachgewiesen, daß die Kommission aus ihren Feststellungen zur Betrugsgefahr
falsche Schlüsse gezogen hat.
58.
Achtens beanstandet die belgische Regierung die Behauptung der Kommission, die in der Phase
der Vorfinanzierung in den Zollstellen Beauraing und Termonde durchgeführten Warenkontrollen
entsprächen nicht den Erfordernissen des Artikels 6 der Verordnung Nr. 2030/90. Diese Kontrollen,
die das Gewicht und die Versiegelung der Kartons beträfen, seien genauso gründlich wie die
Kontrollen bei der Ausfuhr und entsprächen den Voraussetzungen der Verordnungen Nrn. 386/90 und
2030/90.
59.
Der belgischen Regierung ist es nicht gelungen, die Feststellungen der Kommission zur
Unzulänglichkeit der bei der Lagerung durchgeführten Kontrollen zu entkräften. Zum einen wurde, wie
aus Randnummer 40 des vorliegenden Urteils hervorgeht, in der Zollstelle Termonde das Gewicht der
Waren weder bei der Ein- noch bei der Auslagerung hinreichend überprüft. Aus Randnummer 49 des
vorliegenden Urteils ergibt sich zudem, daß die Versiegelung der Kartons in dieser Zollstelle ebenfalls
nicht ausreichend geprüft wurde, und aus den Randnummern 54 und 57, daß Mängel dort einen
Austausch von Waren möglich machten. Zum anderen schlossen die in der Zollstelle Beauraing
durchgeführten Kontrollen, wie aus den Randnummern 45 bis 47 des vorliegenden Urteils hervorgeht,
nicht die Gefahr eines Austauschs aus und können daher nicht als Warenkontrollen im Sinne von
Artikel 6 der Verordnung Nr. 2030/90 angesehen werden.
60.
Somit hatten die im Rahmen des Gemeinschaftssystems der Vorfinanzierung von den Zollstellen
Beauraing und Termonde durchgeführten Kontrollen nicht die nach Artikel 6 der Verordnung Nr.
2030/90 erforderliche Intensität.
61.
Die gegenteilige Behauptung der belgischen Regierung ist somit zurückzuweisen.
62.
Neuntens räumt die belgische Regierung ein, daß das Gewicht der Hinterviertel der Rinder vor
Entbeinung entgegen Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1964/82 von den nationalen Behörden
nicht durch Wiegen festgestellt, sondern durch Anwendung eines Ausbeutekoeffizienten auf das
Gewicht der Hinterviertel nach Entbeinung berechnet worden sei. Sie beanstandet jedoch die
Schlüsse, die die Kommission aus ihren Feststellungen gezogen hat, da diese Praxis nur bei einem
einzigen Unternehmen, das in die Zuständigkeit der Zollstelle Beauraing falle, beobachtet worden sei
und da sich diese Methode der Bestimmung des Gewichts vor Entbeinung auf die letztlich gezahlten
Erstattungen nicht auswirke, weil diese anhand des Eigengewichts des entbeinten Fleisches
berechnet würden, das automatisch gewogen werde. Außerdem sei die Gewichtsbescheinigung
fakultativ, was zeige, daß die Kommission diese Angabe nicht für wichtig halte.
63.
Die zuständigen Behörden haben das Gewicht des Fleisches vor Entbeinung unstreitig nicht - wie es
Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1964/82 verlangt - festgestellt, sondern lediglich mittels eines
Koeffizienten geschätzt, der auf das in der Bescheinigung gemäß der Verordnung Nr. 1964/82
angegebene Gewicht nach Entbeinung angewandt wurde. Die belgische Regierung kann zudem nicht
behaupten, daß die Erstattungen auf der Grundlage des Eigengewichts des entbeinten
Fleischesberechnet würden, da auch dieses, wie in Randnummer 57 des vorliegenden Urteils
festgestellt, nicht ordnungsgemäß festgestellt wurde.
64.
Wenn die belgische Regierung vorbringt, die Angabe des Eigengewichts vor Entbeinung sei
fakultativ, läßt sie dabei die Verpflichtung aus Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1964/82 außer
acht, wonach die zuständigen Behörden bei der Annahme der Erklärung das Eigengewicht der
Hinterviertel feststellen müssen.
65.
Dem Vorbringen der belgischen Regierung kann somit nicht gefolgt werden.
66.
Zehntens weist die belgische Regierung die Behauptung der Kommission zurück, der
Veterinärbeamte im Schlachthof Zele sei nicht in der Lage gewesen, den Kommissionsbediensteten zu
sagen, wer das in der Bescheinigung gemäß der Verordnung Nr. 32/82 genannte Eigengewicht der zu
zerlegenden Hinterviertel berechnet habe und auf welcher Grundlage er überhaupt die Richtigkeit des
von ihm eingetragenen Gewichts hätte überprüfen können. Die belgische Regierung erklärt diesen
Umstand damit, daß diese Hinterviertel nicht im Schlachthof von Zele gewogen würden, sondern in
der Abdeckerei des Unternehmens Dierickx, und zwar unter Aufsicht des dort anwesenden Veterinärs.
67.
Selbst wenn der Veterinär der Abdeckerei die zuständige Behörde im Sinne des Artikels 2 Absatz 3
der Verordnung Nr. 1964/82 wäre, so wiegt er doch laut Eingeständnis der belgischen Regierung die
Erzeugnisse nicht selbst, sondern bestätigt lediglich das Ergebnis. Diese Praxis, die eine
Betrugsgefahr begründet, steht im Widerspruch zu Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1964/82,
wonach die zuständigen Behörden das Eigengewicht der Erzeugnisse vor Entbeinung „feststellen“ und
in die Bescheinigung gemäß der Verordnung Nr. 32/82 eintragen müssen.
68.
Das Vorbringen der belgischen Regierung ist daher nicht begründet und folglich zurückzuweisen.
69.
Elftens widerspricht die belgische Regierung der Auffassung der Kommission, die Zollstellen hätten,
weil die für die Ausfuhr bestimmten Fleischstücke nicht einzeln mit einem Stempel versehen gewesen
seien, nicht feststellen können, ob das vorgelegte Fleisch zuvor vom Veterinärbeamten kontrolliert
worden sei. Die belgische Regierung macht geltend, daß stets ein Veterinär in der Abdeckerei
zugegen sei und das Zerlegen der Schlachtkörper sowie die Verpackung der Fleischstücke
überwache. An jedem Stück werde ein Etikett mit folgenden Angaben angebracht: Belgien, Nummer
des Schlachthofes und EEG. Anhand dieses Etiketts könnten die Zollstellen prüfen, ob das vorgelegte
Fleisch vom zuständigen Veterinär kontrolliert worden sei.
70.
Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1964/82 müssen die von den zuständigen nationalen
Behörden durchgeführten Kontrollen, deren Bedingungen von den Mitgliedstaaten festgelegt werden,
jede Möglichkeit ausschließen, daß die Erzeugnisse durch andere Erzeugnisse ersetzt werden,
insbesondere durch Maßnahmen wie die Identifizierung jedes Teilstücks.
71.
Durch das in Belgien verwendete Etikett ließ sich dieses Ziel jedoch nicht erreichen, da darauf
weder das Eigengewicht noch Art und Anzahl der Fleischstücke angegeben waren.
72.
Das Vorbringen der belgischen Regierung reicht daher nicht aus, um nachzuweisen, daß die
Vorwürfe der Kommission insoweit nicht berechtigt sind.
Zum Getreidesektor
73.
In bezug auf den Getreidesektor bestreitet die belgische Regierung erstens die Behauptung der
Kommission, daß die durchgeführten Zollkontrollen unzureichend für die Identifizierung der dem
Gemeinschaftssystem der Vorfinanzierung unterworfenen Erzeugnisse gewesen seien. Sie macht
geltend, die Wirksamkeit des belgischen Kontrollsystems für die Vorfinanzierung der Erstattungen im
Getreidesektor beruhe auf einem strengen Lizenzsystem, einer ständigen Kontrolle der Menge und Art
der vorfinanzierten Erzeugnisse und einer gründlichen nachträglichen Kontrolle der Unterlagen
zusammen mit einer systematischen Warenkontrolle bei der Ausfuhr. Die belgische Regierung weist
daher die Kritik der Kommission, daß die Zahl der von den Zollstellen Aalst und Leuven vor der Ausfuhr
durchgeführten Warenkontrollen nicht ausreiche, mit dem Argument zurück, daß der Nutzen derartiger
Warenkontrollen aufgrund des geltenden Kontrollsystems zweifelhaft sei. Außerdem sei die Frage der
Anzahl der Warenkontrollen erstmals im Zusammenfassenden Bericht erwähnt worden, so daß die
Kommission nicht unter Berufung auf diesen Punkt finanzielle Berichtigungen vornehmen dürfe.
74.
Zum einen ergibt sich aus dem zu den Akten genommenen Schriftwechsel der Kommission und der
belgischen Behörden, daß letztere von der Kommission sehr rasch von den vorgeworfenen Mängeln
unterrichtet wurden und im Schlichtungsverfahren Gelegenheit hatten, hierzu Stellung zu nehmen.
75.
Zum anderen ist es wegen der Bedeutung, die die gegenseitige Unterrichtung der Zollbehörden
über den tatsächlichen Warenbestand und die Beschaffenheit der Erzeugnisse für die
ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftssystems der Vorfinanzierung hat, unerläßlich, daß
die Zollbehörden bezüglich der betreffenden Waren in ausreichender Zahl Warenkontrollen
durchführen.
76.
Im vorliegenden Fall wurden bei der Lagerung nur sehr wenige Warenkontrollen durchgeführt, und
zwischen den verschiedenen Zollbehörden fand kein Informationsaustausch über den Gesamtbestand
und die Mengen der gelagerten Waren statt. Unter diesen Umständen konnten die verschiedenen
Zollstellen keinen Überblick über den Gesamtbestand der zur Ausfuhr angemeldeten Waren
bekommen und die zuständigen Behörden folglich nicht jederzeit über den tatsächlichen
Warenbestand und die Beschaffenheit der gelagerten Erzeugnisse informiert werden.
77.
Der belgischen Regierung ist es somit nicht gelungen, die entsprechenden Feststellungen der
Kommission im Zusammenfassenden Bericht zu entkräften.
78.
Zweitens weist die belgische Regierung die Auffassung der Kommission zurück, die belgischen
Behörden verstünden das Äquivalenzprinzip falsch, da sie es auf Enderzeugnisse anwendeten. Artikel
27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 lege nicht fest, auf welche Erzeugnisse das Äquivalenzprinzip
anwendbar sei, da er nicht klar sage, ob die äquivalenten Erzeugnisse Grunderzeugnisse oder
Verarbeitungserzeugnisse sein müßten.
79.
Nach Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 können Grunderzeugnisse durch äquivalente
Erzeugnisse derselben Unterposition der Kombinierten Nomenklatur ersetzt werden, die dieselbe
Handelsqualität und dieselben technischen Merkmale aufweisen sowie die für die Gewährung der
Ausfuhrerstattung erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.
80.
Entgegen dem Vorbringen der belgischen Regierung kann daher nur bei Erzeugnissen, die sich im
gleichen Abschnitt des Verarbeitungsprozesses wie die Grunderzeugnisse befinden, davon
ausgegangen werden, daß sie dieselbe Handelsqualität und dieselben technischen Merkmale
aufweisen wie letztere.
81.
Die Kommission hat daher zu Recht die Auffassung vertreten, daß die belgischen Behörden gegen
Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 verstoßen hätten, als sie den Austausch von
Grunderzeugnissen durch Verarbeitungserzeugnisse zugelassen hätten.
82.
Das gegenteilige Vorbringen der belgischen Regierung ist daher zurückzuweisen.
83.
Was drittens die Kontrolle betrifft, ob die Waren zum Zeitpunkt der Einreichung einer
Zahlungserklärung tatsächlich vorhanden sind, so macht die belgische Regierung geltend, das
Gemeinschaftsrecht verlange nicht, daß die vorfinanzierten Waren bei Einreichung dieser Erklärung
körperlich vorhanden seien. Folglich sei der Leiter der Zollstelle entgegen der Behauptung der
Kommission in ihrem Zusammenfassenden Bericht nicht verpflichtet, bei Entgegennahme der
Zahlungserklärung zu prüfen, ob der Händler, der die Zahlungserklärung einreiche, über einen
ausreichenden Lagerbestand verfüge.
84.
Nach Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 sind die Erzeugnisse oder Waren vom Tag der
Annahme der Zahlungserklärung an unter Zollkontrolle zu stellen, bis sie das Zollgebiet der
Gemeinschaft verlassen oder eine vorgesehene Bestimmung erreichen. Die Zollbehörden müssen
daher ständig über die dem Gemeinschaftssystem der Vorfinanzierung unterworfenen eingelagerten
Warenmengen informiert sein, damit ausgeschlossen ist, daß nichtvorhandene Waren angemeldet
werden können.
85.
Eine Zollkontrolle der Erzeugnisse und Waren, die vom Tag der Annahme der Zahlungserklärung an
tatsächlich gelagert sein müssen, ist somit unerläßlich, damit ein etwaiger Betrug bereits im Stadium
der Anmeldung erkannt werden kann.
86.
Dieses Vorbringen der belgischen Regierung ist somit zurückzuweisen.
87.
Viertens bestreitet die belgische Regierung, daß, wie im Zusammenfassenden Bericht beanstandet,
die Fristen für die Ausfuhr vorfinanzierter Waren nicht eingehalten würden und es dem Exporteur, der
noch keinen endgültigen Bestimmungsort für seine Waren habe, auf diese Weise möglich sei, den
Vorfinanzierungszeitraum zu verlängern und die Festsetzung eines endgültigen Bestimmungsortes
hinauszuzögern.
88.
Wie aus den von der Kommission beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervorgeht, hält die
Kommission die von den belgischen Behörden angewandte Methode zwar nicht für wünschenswert,
betrachtet sie jedoch nicht als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht und hat sie im Rahmen der
finanziellen Berichtigungen in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt.
89.
Da insoweit für das Königreich Belgien keine spezielle finanzielle Berichtigung vorgenommen wurde,
ist das Bestreiten dieses Punktes des Zusammenfassenden Berichts durch die belgische Regierung
im Rahmen der vorliegenden Klage gegenstandslos und braucht nicht geprüft zu werden.
90.
Demnach ist der gegen die Tatsachenfeststellungen der Kommission gerichtete Teil des ersten
Klagegrundes zurückzuweisen.
91.
Hinsichtlich des an die Kommission gerichteten Vorwurfs, sie habe beim Erlaß der angefochtenen
Entscheidung gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und das Sorgfaltsprinzip verstoßen,
ergibt sich aus den Akten, daß die Kommission und die belgischen Behörden vor Erlaß der
Entscheidung, auch im Schlichtungsverfahren, zahlreiche Informationen ausgetauscht haben.
92.
Was insbesondere den Umstand betrifft, daß die Kommission den Entwurf des Zusammenfassenden
Berichts verabschiedete, ohne die Vorlage des Berichtes der Schlichtungsstelle abzuwarten, so ist
zum einen festzustellen, daß die belgische Regierung dies nicht als Grund für die Nichtigerklärung der
angefochtenen Entscheidung, sondern als Gesichtspunkt zur Stützung ihres aus einem Verstoß gegen
den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und das Sorgfaltsprinzip hergeleiteten
Nichtigkeitsgrundes angeführt hat. Zum anderen ergibt sich aus den Akten, daß die Kommission trotz
ihres hastigen Vorgehens bei der Verabschiedung des Entwurfs des Zusammenfassenden Berichts
das Vorbringen der belgischen Behörden jedenfalls zur Kenntnis genommen und geprüft, wenn auch
nicht für überzeugend befunden hat.
93.
Daher kann kein Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und das
Sorgfaltsprinzip vorliegen.
94.
Die belgische Regierung wirft der Kommission schließlich vor, sie habe die angefochtene
Entscheidung nicht hinreichend begründet.
95.
Nach ständiger Rechtsprechung ist im besonderen Kontext der Ausarbeitung der Entscheidungen
über den Rechnungsabschluß die Begründung einer solchen Entscheidung dann als ausreichend
anzusehen, wenn der Staat, der Adressat der Entscheidung ist, eng am Verfahren ihrer Ausarbeitung
beteiligt war und die Gründe kannte, aus denen die Kommission der Ansicht war, den streitigen Betrag
nicht zu Lasten des EAGFL übernehmen zu müssen (vgl. Urteile vom 13. Dezember 1990 in der
Rechtssache C-22/89, Niederlande/Kommission, Slg. 1990, I-4799, Randnr. 18, und vom 1. Oktober
1998 in der Rechtssache C-27/94, Niederlande/Kommission, Slg. 1998, I-5581, Randnr. 36).
96.
Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, daß die belgische Regierung am Verfahren der
Ausarbeitung der angefochtenen Entscheidung beteiligt war. Die belgischen Behörden wurden
nämlich wiederholt schriftlich auf die Zweifel aufmerksam gemacht, die die Kommission an der
Zuverlässigkeit des belgischen Kontrollsystems im Rindfleisch- und im Getreidesektor hatte; außerdem
fanden Gespräche statt, und die Schlichtungsstelle wurde angerufen.
97.
Zudem hat die Kommission in ihrem Zusammenfassenden Bericht erläutert, aus welchen Gründen
sie die Entlastung für den streitigen Betrag abgelehnt hat.
98.
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ist somit als ausreichend anzusehen.
99.
Demnach ist der erste Klagegrund als nicht begründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund
100.
Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die belgische Regierung erstens geltend, die Kommission sei
nicht berechtigt, Pauschalberichtigungen vorzunehmen, wenn sie keine konkreten Beweise dafür
habe, daß die Zahlung bestimmter Beträge rechtswidrig gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe die
Kommission keine solchen Beweise vorgelegt. Zweitens habe die Kommission keinen Grund, zu
behaupten, daß das belgische Kontrollsystem als Ganzes Mängel aufweise, die eine erhöhte Gefahr
eines Verlustes zum Schaden des EAGFL begründeten und eine Berichtigung von 10 % rechtfertigten.
Drittens habe sie ihre Entscheidung bezüglich der so vorgenommenen Berichtigungen auch nicht
hinreichend begründet. Durch dieses Vorgehen habe sie gegen die Verordnung Nr. 729/70 und die
Verordnung (EWG) Nr. 1723/72 der Kommission vom 26. Juli 1972 über den Rechnungsabschluß des
Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie (ABl.L 186,
S. 1), sowie gegen die Begründungspflicht nach Artikel 190 des Vertrages verstoßen.
101.
Die von der Kommission durchgeführte Kontrolle sei nicht repräsentativ gewesen, weil sie sich nur
auf vier der fünfzehn Zollstellen bezogen habe, die regelmäßig mit der Vorfinanzierung zu tun hätten.
Im übrigen seien die angeblichen Mängel nicht in sämtlichen kontrollierten Zollstellen festgestellt
worden, so daß die Kommission nicht davon hätte ausgehen dürfen, daß es sich um systematische
Mängel des belgischen Kontrollsystems handele.
102.
Wie bereits in Randnummer 32 des vorliegenden Urteils festgestellt, dient das
Rechnungsabschlußverfahren dazu, sich zu vergewissern, daß die den Mitgliedstaaten gewährten
Kredite unter Beachtung der geltenden Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen
Organisation der Agrarmärkte verwendet worden sind.
103.
In Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70, der eine Ausgestaltung der Pflichten der
Mitgliedstaaten aus Artikel 5 des Vertrages für diesen Bereich darstellt, sind gemäß der
Rechtsprechung des Gerichtshofes die Grundsätze niedergelegt, die die Gemeinschaft und die
Mitgliedstaaten bei der Durchführung der aus Mitteln des EAGFL finanzierten gemeinschaftlichen
Agrarinterventionsmaßnahmen sowie bei der Bekämpfung von betrügerischen Handlungen und
Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen zu beachten haben. Er erlegt den
Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, alle Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die
durch den EAGFL finanzierten Vorhaben tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind
(vgl. Urteile vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-2/93, Exportslachterijen Van Oordegem, Slg. 1994,
I-2283, Randnrn. 17 und 18, und Urteil vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-235/97,
Frankreich/Kommission, Slg. 1998, I-7555, Randnr. 45).
104.
Außerdem ist die Kommission, wie in Randnummer 33 festgestellt, wenn sie die Übernahme
bestimmter Ausgaben zu Lasten des EAGFL mit der Begründung verweigert, daß sie durch einem
Mitgliedstaat vorzuwerfende Verletzungen von Gemeinschaftsregelungen veranlaßt wurden, nicht
verpflichtet, die Unzulänglichkeit der von den Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen umfassend
darzulegen, sondern braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den von den nationalen Stellen
durchgeführten Kontrollen berechtigte Zweifel bestehen. Diese Erleichterung der Beweislast der
Kommission beruht darauf, daß der Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den
Rechnungsabschluß des EAGFL erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen, so daß es
ihm obliegt, die tatsächliche Durchführung seiner Kontrollen eingehend und vollständig nachzuweisen
und so gegebenenfalls die Unrichtigkeit der Behauptungen der Kommission darzutun.
105.
Die Kommission hat im Zusammenhang mit den Tatsachen, die sie in ihrem in den Randnummern 36
bis 89 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Zusammenfassenden Bericht festgestellt hat,
mehrere Verstöße gegen Vorschriften dergemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nachweisen
können, während die belgische Regierung nicht bewiesen hat, daß die Feststellungen der Kommission
unrichtig waren. Es bestehen daher ernste Zweifel daran, daß ein angemessenes und wirksames
System mit Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen eingeführt wurde.
106.
Was schließlich die Frage betrifft, ob die festgestellten Mängel ausreichten, um eine
Pauschalberichtigung von 10 % zu rechtfertigen, so ist festzustellen, daß die Kommission in
ausreichender Zahl Kontrollen in einem repräsentativen Anteil der Zollstellen und Unternehmen
durchgeführt hat. Laut Akten erhielten im Rindfleischsektor die kontrollierten Unternehmen im Jahr
1993 22,8 % der Vorfinanzierung, und die kontrollierten Zollstellen wickelten über 25 % der
Vorfinanzierung ab; im Getreidesektor erfaßten die Kontrollen 32,3 % der Ausgaben. Die
Untersuchungen des belgischen Kontrollsystems waren somit hinreichend repräsentativ, um eine
Hochrechnung auf das gesamte System zu erlauben.
107.
Hilfsweise meint die belgische Regierung, eine Pauschalberichtigung könne nur für die Posten
vorgenommen werden, die tatsächlich überprüft worden seien.
108.
Zunächst habe die Kommission im Getreidesektor nur die Haushaltsposten Nr. 1001 (Malz) und Nr.
1003 (anderes Getreide) geprüft und daher zu Unrecht Pauschalberichtigungen für andere, von ihren
Dienststellen nicht geprüfte Haushaltsposten, insbesondere Nr. 1000 (Weichweizen), vorgenommen.
Diese Argumentation werde auch durch den Belle-Bericht gestützt, der Pauschalberichtigungen nur
zulasse, wenn die festgestellten Mängel systematischer Art gewesen seien und die Gefahr eines
Schadens zum Nachteil des EAGFL begründet hätten, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.
109.
Sodann seien die von der Kommission durchgeführten Kontrollen nicht repräsentativ gewesen, da
der Weichweizensektor, der 27 % der gesamten Ausgaben für die Vorfinanzierung im Bereich Weizen
ausmache, nicht erfaßt worden sei. Zudem hätte auf Anfrage der Kommission dargelegt werden
können, daß für den Weichweizensektor ein besonderes Kontrollsystem bestehe.
110.
Schließlich hätten sich die Überprüfungen durch den EAGFL ausschließlich auf das System der
Vorfinanzierung-Verarbeitung bezogen, so daß die Kommission keine Berichtigung der Ausgaben hätte
vornehmen dürfen, die im Rahmen des Systems der Vorfinanzierung-Lagerung getätigt worden seien.
111.
Die Überprüfungen durch die Kommission betrafen sämtliche Kontrollen, die die Zollstellen
bezüglich der im Rahmen der Vorfinanzierung gewährten Vorauszahlungen durchführten; dabei stellte
die Kommission Mängel im Getreide- wie im Rindfleischsektor fest.
112.
Daher durfte die Kommission für den Haushaltsposten Nr. 1000 (Weichweizen) als Teil des
Getreidesektors eine Berichtigung vornehmen.
113.
Was das auf den Belle-Bericht gestützte Vorbringen der belgischen Regierung angeht, so dürfen
nach diesem Bericht Pauschalberichtigungen nur für den betroffenen Ausgabensektor in der Region
oder Verwaltungszone vorgenommen werden, in der der Mangel festgestellt wurde, sofern nicht
nachgewiesen wird, daß der gleiche Mangel auch in anderen Regionen oder dem gesamten Gebiet
des Mitgliedstaats zu finden ist. Der Belle-Bericht bezieht sich lediglich auf verschiedene
geographische und administrative Bereiche und untersagt somit nicht die Vornahme einer
Pauschalberichtigung für einen anderen Haushaltsposten als den, dessen Ausgaben von der
Kommission geprüft wurden, wenn die beiden Posten, wie vorliegend die Posten Nr. 1000, 1001 und
1003, zu demselben Sektor gehören. Die Kommission hat somit nicht gegen die
Gemeinschaftsregelung verstoßen.
114.
Die Behauptung der belgischen Regierung, die Kommission hätte das besondere Kontrollsystem
berücksichtigen müssen, das in Belgien für Weichweizen eingeführt worden sei, ist erst im Stadium der
Erwiderung vorgebracht worden, ohne das ein Grund genannt worden wäre, der die Verspätung, mit
der die belgischen Behörden dieses Argument vorgetragen haben, hätte rechtfertigen können; sie ist
daher gemäß Artikel 42 Absatz 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes als verspätet
zurückzuweisen.
115.
Das Vorbringen, die Berichtigung habe nicht auf das System der Vorfinanzierung-Lagerung erstreckt
werden können, stellt ein neues Angriffsmittel dar, das erstmals im Stadium der Erwiderung
vorgebracht wurde, ohne daß ein Grund genannt worden wäre, der diese Verspätung hätte
rechtfertigen können. Es ist daher gemäß Artikel 42 Absatz 2 der Verfahrensordnung des
Gerichtshofes ebenfalls als verspätet zurückzuweisen.
116.
Ferner wurde im Rindfleischsektor nach Darstellung der belgischen Regierung nur die
Ordnungsgemäßheit des Kontrollsystems für die Erzeugnisse geprüft, für die eine höhere Erstattung
vorgesehen sei. Man könne die Ergebnisse einer solchen Untersuchung nicht auf die Kontrollsysteme
für die übrigen im Rindfleischsektor getätigten Ausgaben ausdehnen, ohne eine gründlichere Prüfung
vorzunehmen oder dieses Vorgehen ausführlicher zu begründen. Insbesondere hätten sich die
Kontrollen für die Ausfuhrerstattungen für Rindfleisch von weiblichen Tieren von den im Rahmen von
Sondererstattungen durchgeführten Kontrollen unterscheiden müssen.
117.
Wie bereits in Randnummer 111 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, betrafen die
Überprüfungen durch die Kommission sämtliche Kontrollen, die die Zollstellen bezüglich der im
Rahmen der Vorfinanzierung gewährten Vorauszahlungen durchführten, und ermöglichten die
Feststellung von Mängeln im Getreide- wie im Rindfleischsektor.
118.
Die im belgischen Kontrollsystem festgestellten Mängel waren so beschaffen, daß sie negative
Auswirkungen auf sämtliche Kontrollverfahren in diesem Bereich hatten. DieKommission durfte daher
die Pauschalberichtigung für den gesamten Rindfleischsektor vornehmen.
119.
Demnach ist der zweite Klagegrund der belgischen Regierung zurückzuweisen.
Zum dritten Klagegrund
120.
Mit ihrem dritten Klagegrund macht die belgische Regierung geltend, die Kommission habe bei der
Vornahme der Pauschalberichtigungen von einer Anwendung der von ihr selbst im Belle-Bericht
niedergelegten Leitlinien abgesehen, ohne dieses Vorgehen jedoch hinreichend zu begründen, oder
die Leitlinien fehlerhaft angewandt. In der angefochtenen Entscheidung sei für die Klägerin die
umfangreichste Berichtigung, nämlich 10 %, festgesetzt. Die Festsetzung des Berichtigungsfaktors
zum Höchstsatz setze den Nachweis von Mängeln, die das gesamte Kontrollsystem beträfen oder sich
auf die Durchführung von Kontrollen bezögen, die von wesentlicher Bedeutung seien, sowie die Gefahr
eines sehr hohen Verlustes voraus.
121.
Die belgische Regierung wirft der Kommission ferner vor, nicht die von ihr im Belle-Bericht
festgelegten mildernden Umstände angewandt zu haben, wozu sie aber verpflichtet sei, wenn Zweifel
hinsichtlich des anzuwendenden Berichtigungssatzes bestünden. Außerdem sei die Vornahme der
Pauschalberichtigung von 10 % für das gesamte belgische Gebiet unvereinbar mit dem Umstand, daß
die von der Kommission in Belgien durchgeführten Kontrollen im Rindfleischsektor lediglich in zwei der
fünfzehn belgischen Kontrollstellen und im Getreidesektor lediglich in zwei der neununddreißig
belgischen Kontrollstellen stattgefunden hätten.
122.
Was den Umfang der finanziellen Berichtigung betrifft, so kann die Kommission sogar die
Übernahme sämtlicher Ausgaben durch den EAGFL ablehnen, wenn sie feststellt, daß es keine
ausreichenden Kontrollmechanismen gibt.
123.
Außerdem kann, wie bereits in Randnummer 32 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, der
EAGFL nur die in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht vorgenommenen Interventionen im
Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte übernehmen. Des weiteren ist, wie in
Randnummer 34 des vorliegenden Urteils unterstrichen wurde, der Mitgliedstaat besser in der Lage,
die für den Rechnungsabschluß des EAGFL erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen, so
daß es ihm obliegt, die Richtigkeit seiner Zahlen eingehend und vollständig nachzuweisen und so
gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen der Kommission darzutun.
124.
Der belgischen Regierung ist nicht der Nachweis gelungen, daß die von der Kommission
angewandten Kriterien willkürlich und ungerecht waren.
125.
Zum einen bezogen sich die von der Kommission festgestellten Mängel auf wesentliche Einzelheiten
des belgischen Kontrollsystems und auf die Durchführung von Kontrollen, die eine wesentliche Rolle
für die Gewährleistung der Regelmäßigkeit der Ausgabenspielen, und zum anderen hat die
Kommission nachweisen können, daß wegen der Tragweite der festgestellten Mängel eine
entsprechende Gefahr eines sehr hohen Verlustes zum Schaden des EAGFL bestand.
126.
Die Kommission durfte daher annehmen, daß eine erhebliche Gefahr bestand, die eine
Pauschalberichtigung von 10 % rechtfertigen konnte.
127.
Der dritte Klagegrund der belgischen Regierung ist somit zurückzuweisen.
Zum vierten Klagegrund
128.
Mit ihrem vierten Klagegrund macht die belgische Regierung geltend, die Kommission habe den
Gleichheitsgrundsatz verletzt, indem sie im Rindfleischsektor für das Königreich Belgien eine
Berichtigung von 10 % vorgenommen habe, für die Bundesrepublik Deutschland, die Französische
Republik, die Italienische Republik und das Königreich der Niederlande jedoch nur eine Berichtigung
von 5 %; jedenfalls sei die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt nicht angemessen begründet.
In den anderen Mitgliedstaaten fänden sich ähnliche Mängel wie die dem Königreich Belgien
vorgeworfenen, doch sei Belgien härter bestraft worden.
129.
Hierzu ist zunächst festzustellen, daß grundsätzlich jeder Fall einzeln betrachtet werden muß, damit
festgestellt werden kann, ob der fragliche Mitgliedstaat bei der Durchführung der vom EAGFL
finanzierten Vorhaben die Erfordernisse des Gemeinschaftsrechts beachtet hat, und sofern er
dagegen verstoßen hat, in welchem Ausmaß.
130.
Das bedeutet nicht, daß ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, einen Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz geltend zu machen. Er kann dies aber nur insoweit tun, als die
angeführten Fälle im Hinblick auf sämtliche sie kennzeichnenden Umstände zumindest ähnlich
gelagert sind, insbesondere hinsichtlich des Ausgabenzeitraums, der betroffenen Sektoren und der
Art der vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten.
131.
Sodann ist daran zu erinnern, daß nach ständiger Rechtsprechung eine verbotene Diskriminierung
nur dann vorliegt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, es sei denn,
daß eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. insbesondere Urteil vom 18. Mai 1994 in
der Rechtssache C-309/89, Cordoniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 26).
132.
Im vorliegenden Fall ist die Liste der das Königreich Belgien betreffenden Mängel länger als die Liste
für die übrigen kontrollierten Mitgliedstaaten, und die Mängel und Unzulänglichkeiten des belgischen
Kontrollsystems waren schwerwiegender als in den anderen Mitgliedstaaten, die von der
angefochtenen Entscheidung betroffen sind.
133.
Folglich waren die Sachverhalte nicht ähnlich gelagert, und es liegt kein Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
134.
Eine Verletzung der Begründungspflicht ist schließlich nicht nachgewiesen worden, da die
belgischen Behörden von den Vorwürfen der Kommission unterrichtet wurden und die Möglichkeit zur
Stellungnahme erhielten.
135.
Demnach ist der vierte Klagegrund insgesamt als nicht begründet zurückzuweisen.
136.
Nach alledem ist die Klage des Königreichs Belgien abzuweisen.
Kosten
137.
Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Belgien beantragt hat und
dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.
Schintgen
Kapteyn
Hirsch
Ragnemalm Skouris
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Mai 2000.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
J. C. Moitinho de Almeida
Verfahrenssprache: Niederländisch.