Urteil des EuGH vom 18.07.2006
EuGH: kommission, ablauf der frist, freizügigkeit der arbeitnehmer, republik, vergütung, grundsatz der gleichbehandlung, ende der frist, anerkennung, eigene mittel, universität
WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)
18. Juli 2006 )
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Urteil des Gerichtshofes, durch das eine Vertragsverletzung
festgestellt wird – Nichtdurchführung – Artikel 228 EG – Finanzielle Sanktion – Anerkennung der
erworbenen Rechte ehemaliger Fremdsprachenlektoren“
In der Rechtssache C-119/04
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 228 EG, eingereicht am 4. März 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Italienische Republik,
avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter  Mitwirkung  des  Präsidenten  V.  Skouris,  der  Kammerpräsidenten  P.  Jann,  C.  W.  A.  Timmermans,
A.  Rosas  und  J.  Malenovský,  der  Richter  J.-P.  Puissochet  und  R.  Schintgen,  der  Richterin  N.  Colneric
sowie  der  Richter  S.  von  Bahr,  J.  N.  Cunha  Rodrigues  (Berichterstatter),  J.  Klučka,  U.  Lõhmus  und
E. Levits,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2005,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Januar 2006
folgendes
Urteil
1        Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
–        festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228
EG verstoßen hat, dass sie nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil vom 26.
Juni 2001 in der Rechtssache C‑212/99 (Kommission/Italien, Slg. 2001, I‑4923) ergeben;
–        die Italienische Republik zu  verurteilen,  an  die  Kommission  auf  das  Konto  „Eigene  Mittel  der
Europäischen Gemeinschaft“ vom Erlass des Urteils in der vorliegenden Rechtssache an bis zur
erfolgten  Umsetzung  des  genannten  Urteils  Kommission/Italien  ein  Zwangsgeld  in  Höhe  von
309  750  Euro  für  jeden  Tag  zu  zahlen,  um  den  sich  der  Erlass  der  Maßnahmen  verzögert,  die
erforderlich sind, um diesem Urteil Kommission/Italien nachzukommen;
–        der Italienischen Republik die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Rechtlicher Rahmen
2        Artikel 39 Absatz 1 EG lautet:
„Innerhalb der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.“
3        Nach Artikel 39 Absatz 2 EG umfasst die Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung jeder auf der
Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten
in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
4        Am  14.  Januar  2004  erließ  die  italienische  Regierung  das  Decreto-legge  Nr.  2  mit  Eilmaßnahmen  in
Bezug  auf  die  Vergütung  der  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  an  bestimmten  Universitäten  und
über  gleichwertige  Abschlüsse  (GURI  Nr.  11  vom  15.  Januar  2004,  S.  4,  im  Folgenden:  Decreto-legge
Nr. 2/2004).
5        Artikel 1 Absatz 1 des Decreto-legge Nr. 2/2004 sieht vor:
„In  Durchführung  des  vom  Gerichtshof  …  am  26.  Juni  2001  in  der  Rechtssache  C‑212/99  erlassenen
Urteils  erhalten  die  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  an  der  Universität  der  Basilicata,  den
Universitäten  Mailand,  Palermo  und  Pisa,  der  Universität  ‚La  Sapienza‘  in  Rom  und  dem  Istituto
universitario  orientale  Neapel  [im  Folgenden:  betroffene  Universitäten],  die  vorher  als
Fremdsprachenlektoren  tätig  waren  [im  Folgenden:  ehemalige  Lektoren],  …  entsprechend  der  Zahl
der  geleisteten  Arbeitsstunden,  wobei  eine  Vollzeitstelle  500  Stunden  entspricht,  ab  dem  Zeitpunkt
ihrer  ersten  Einstellung  vorbehaltlich  einer  eventuellen  Besserstellung  eine  Vergütung,  die  der  eines
auf einer Teilzeitstelle fest angestellten Forschers entspricht …“
6        Nach Artikel 1 des Decreto-legge Nr. 57 vom 2. März 1987, umgewandelt in das Gesetz Nr. 158 vom
22.  April  1987  (GURI  Nr.  51  vom  3.  März  1987),  mit  dem  Artikel  32  des  Dekrets  des  Präsidenten  der
Republik Nr. 382 vom 11. Juli 1980 (GURI Nr. 209 vom 31. Juli 1980, Supplemento ordinario) geändert
wird,  beträgt  die  Zahl  der  Stunden,  die  fest  angestellte  Forscher  als  Lehrtätigkeit  in  einem  Jahr
höchstens  zu  erbringen  haben,  350  Stunden  bei  Vollzeitbeschäftigung  und  200  Stunden  bei
Teilzeitbeschäftigung.  Das  Entgelt  von  auf  einer  Teilzeitstelle  fest  angestellten  Forschern  ist  ein
Pauschalbetrag,  der  die  Vergütung  für  die  Ausübung  einer  Lehrtätigkeit  von  200  Stunden  und  einer
Forschungstätigkeit von nicht beziffertem Umfang umfasst.
7                Artikel  51  des  für  den  Zeitraum  1994–1997  geschlossenen  nationalen  Tarifvertrags  für  die  im
Hochschulbereich  beschäftigten  Personen  (im  Folgenden:  CCNL)  sah  für  muttersprachliche
sprachwissenschaftliche Mitarbeiter und Experten (im Folgenden: sprachwissenschaftliche Mitarbeiter
und Experten) eine effektive Arbeitszeit von 500 Stunden im Jahr vor. Dieser allgemeine Bezugsrahmen
ließ Ausnahmen zu.
Das Urteil Kommission/Italien
8                In  Nummer  1  des  Tenors  des  Urteils  Kommission/Italien  hat  der  Gerichtshof  für  Recht  erkannt  und
entschieden:
„Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel [39 EG] verstoßen, dass
sie  nicht  für  die  Anerkennung  der  von  den  ehemaligen  [L]ektoren,  die  jetzt  als  …
sprachwissenschaftliche Mitarbeiter und Experten tätig sind, erworbenen Rechte gesorgt hat, obwohl
allen inländischen Arbeitnehmern eine solche Anerkennung zuteil wird.“
Vorverfahren
9                Mit  Schreiben  vom  31.  Januar  2002  wies  die  Kommission  die  italienischen  Behörden  auf  die
Notwendigkeit hin, den Verpflichtungen aus dem Urteil Kommission/Italien nachzukommen.
10      Mit Schreiben vom 10. April, 8. Juli und 16. Oktober 2002 antworteten die genannten Behörden auf
dieses Erinnerungsschreiben und übermittelten der Kommission folgende Informationen:
–                die  Kopie  eines  Schreibens  vom  27.  März  2002,  mit  dem  der  italienische  Minister  für  Bildung,
Hochschulen  und  Forschung  die  betroffenen  Universitäten  aufgefordert  hatte,  den  Vorgaben
des Urteils Kommission/Italien binnen 45 Tagen nachzukommen;
–        Informationen zu den Maßnahmen, die diese Universitäten erlassen hatten, „um den ehemaligen
[L]ektoren die Anerkennung der zurückgelegten Dienstzeit auf der Grundlage der Vorgaben des
vom Gerichtshof erlassenen Urteils zu gewährleisten“;
–        Erläuterungen zum Inhalt und zu den Wirkungen der von den einzelnen Universitäten getroffenen
Entscheidungen.
11      Im Anschluss an diese Mitteilungen ersuchte die Kommission die italienischen Behörden mit Schreiben
vom  11.  Dezember  2002  um  Aufklärung  über  die  von  den  betroffenen  Universitäten  angewandten
Methoden  und  Kriterien  zur  Berechnung  der  Erhöhung  der  Vergütung  ehemaliger  Lektoren,  die  seit
1994  in  die  neu  geschaffene  Gruppe  der  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  und  Experten
eingegliedert waren.
12            Die  italienische  Regierung  antwortete  auf  dieses  Ersuchen  mit  Schreiben  vom  24.  Januar  2003  und
übermittelte  der  Kommission  einen  Vertragsentwurf  betreffend  den  CCNL  –  zweiter  zweijähriger
Wirtschaftszeitraum 2000–2001, der am 18. Dezember 2002 von der Regierungsstelle zur Aushandlung
von
Arbeitsverträgen
im
öffentlichen
Sektor
(ARAN)
und
den
Gewerkschaften
der
Hochschulbediensteten  unterzeichnet  worden  war.  Dieser  Entwurf  enthielt  eine  besondere  Regelung
für  die  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  und  Experten  (ehemalige  Lektoren)  zur  „Einhaltung  des
vom Gerichtshof am 26. Juni 2001 in der Rechtssache C‑212/99 erlassenen Urteils“.
13            Die  Kommission,  nach  deren  Ansicht  mit  diesen  Maßnahmen  nicht  nachgewiesen  war,  dass  die
Vertragsverletzung  abgestellt  worden  war,  richtete  am  30.  April  2003  eine  mit  Gründen  versehene
Stellungnahme  an  die  Italienische  Republik,  in  der  sie  den  Schluss  zog,  dass  dieser  Mitgliedstaat
gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 39 EG verstoßen habe, indem er nicht alle zur Durchführung
des  Urteils  Kommission/Italien  erforderlichen  Maßnahmen  ergriffen  habe.  Die  Kommission  wies  diesen
Mitgliedstaat  darauf  hin,  dass  sie,  wenn  der  Rechtsstreit  vor  den  Gerichtshof  gebracht  werde,  die
Verurteilung dieses Staates zu einem Zwangsgeld beantragen werde. Außerdem sah die mit Gründen
versehene Stellungnahme vor, dass die Italienische Republik binnen zwei Monaten nach Zustellung die
erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen habe, um ihr nachzukommen.
14            In  Beantwortung  der  mit  Gründen  versehenen  Stellungnahme  ließ  die  italienische  Regierung  der
Kommission  mehrere  Dokumente  zukommen,  darunter  insbesondere  Schreiben  vom  16.  Juni  und  vom
12.  November  2003,  mit  denen  der  Kommission  der  am  13.  Mai  2003  in  seiner  endgültigen  Fassung
geschlossene CCNL und die Maßnahmen übermittelt wurden, die die zuständigen Verwaltungsstellen in
Kürze  zu  treffen  beabsichtigten.  Am  28.  Januar  2004  übermittelte  die  italienische  Regierung  der
Kommission eine Kopie des Decreto-legge Nr. 2/2004.
15      Unter diesen Umständen hat die Kommission in der Annahme, dass die Italienische Republik das Urteil
Kommission/Italien  nicht  vollständig  durchgeführt  habe,  beschlossen,  die  vorliegende  Klage  zu
erheben.
Zur Vertragsverletzung
16      Die Kommission macht geltend, dass nach Artikel 22 Nummer 3 der endgültigen Fassung des CCNL
„das  vom  Gerichtshof  …  am  26.  Januar  2001  in  der  Rechtssache  C‑212/99  …  erlassene  Urteil  …  im
Rahmen  ergänzender  Verhandlungen  durch  die  Festlegung  einer  Vergütungsstruktur  für  die
[sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  und  Experten]  durchgeführt  [wird],  bei  der  die  erworbene
Erfahrung berücksichtigt wird“. Die Kommission meint, dass in dieser endgültigen Fassung selbst keine
Kategorie von Arbeitnehmern mit Funktionen festgelegt werde, die als den Funktionen der ehemaligen
Lektoren gleichwertig angesehen würden.
17            Die  Kommission  stellt  weiter  fest,  dass  das  Decreto-legge  Nr.  2/2004  die  Kategorie  der  ehemaligen
Lektoren der Kategorie der auf einer Teilzeitstelle fest angestellten Forscher gleichgestellt habe. Ein in
Vollzeit  arbeitender  Fremdsprachenlektor  müsse  aber  in  den  Genuss  einer  Behandlung  kommen,  die
derjenigen eines auf einer Vollzeitstelle fest angestellten Forschers entspreche, andernfalls werde er
in  Bezug  auf  das  nachzuzahlende  Entgelt  und  seine  Ruhegehaltsansprüche  benachteiligt.  Dass  den
ehemaligen Lektoren ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Erhöhung ihrer Vergütung gewährt worden
sei,  bedeute  für  sich  nicht,  dass  die  Diskriminierung  aus  Gründen  der  Staatsangehörigkeit  beseitigt
worden sei.
18            Die  Italienische  Republik  habe  nicht  nachgewiesen,  dass  die  Universitäten  alle  geschuldeten
Nachzahlungen  und  Erhöhungen  der  Vergütung  sowie  die  den  Sozialversicherungsbeiträgen
entsprechenden  Beträge  gezahlt  hätten,  die  den  ehemaligen  Lektoren  aufgrund  der  von  ihnen
tatsächlich abgehaltenen Unterrichtsstunden zugestanden hätten.
19      Die Italienische Republik trägt vor, dass die ergriffenen Initiativen im Licht des italienischen Systems
zur Regelung des Arbeitsverhältnisses, das auf Tarifverhandlungen beruhe, beurteilt werden müssten.
20      Mit dem Erlass des Decreto-legge Nr. 2/2004 habe gerade dem Scheitern der Tarifverhandlungen in
den Universitäten begegnet werden sollen. Zu diesem Zweck habe das Decreto-legge den säumigen
Universitäten  aufgegeben,  die  Laufbahn  der  ehemaligen  Lektoren  wiederherzustellen  und  dabei  die
Vergütung  eines  auf  einer  Teilzeitstelle  fest  angestellten  Forschers  als  Bezugsgröße  zugrunde  zu
legen.
21            Die  italienischen  Behörden  berufen  sich  darauf,  dass  die  Wahl  dieser  Kategorie  inländischer
Arbeitnehmer  dadurch  gerechtfertigt  sei,  dass  die  Funktionen  eines  auf  einer  Vollzeitstelle  fest
angestellten Forschers nicht denen der ehemaligen Lektoren gleichgestellt werden könnten.
22            Zum  einen  liege  nämlich  die  Verantwortung  der  Forscher  hauptsächlich  in  der  wissenschaftlichen
Forschung,  während  die  Lehrtätigkeit  im  Rahmen  ihrer  Tätigkeiten  nur  nachgeordnete  und
nebensächliche  Bedeutung  habe.  Jede  andere  Lösung  hätte  eine  Unterbewertung  des  auf  die
wissenschaftliche  Forschungstätigkeit  entfallenden  Teils  der  Vergütung  des  Hochschulforschers  zur
Folge.
23      Zum anderen finde die Analogie, die zwischen der beruflichen Stellung der ehemaligen Lektoren und
derjenigen der auf einer Teilzeitstelle fest angestellten Forscher gezogen werde, ihre Berechtigung im
Wesentlichen  darin,  dass  das  Arbeitsverhältnis  der  Letztgenannten  mit  ihrem  Arbeitgeber  nicht
ausschließlich sei, was es ihnen ermögliche, zugleich freiberuflich tätig zu werden.
24            Unter  diesen  Umständen  beschränke  sich  die  Durchführung  des  Urteils  Kommission/Italien  auf  die
Vorgabe,  dass  der  von  den  betroffenen  Universitäten  geschlossene  Tarifvertrag  um  eine  Klausel
ergänzt werde, in der die Kriterien aufgeführt würden, mit denen die Wahrung der von den ehemaligen
Lektoren  im  Rahmen  ihrer  vorangegangenen  Arbeitsverhältnisse  erworbenen  Rechte  gewährleistet
werden könne.
25      Einleitend ist daran zu erinnern, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder
Umstände  seiner  internen  Rechtsordnung  berufen  kann,  um  die  Nichteinhaltung  der  aus  dem
Gemeinschaftsrecht  folgenden  Verpflichtungen  zu  rechtfertigen  (vgl.  u.  a.  Urteile  Kommission/Italien,
Randnr. 34, und vom 9. September 2004 in der Rechtssache C‑195/02, Kommission/Spanien, Slg. 2004,
I‑7857, Randnr. 82).
26            Somit  kann  das  von  der  Italienischen  Republik  vorgetragene  Argument,  dass  das  Problem  der
Anerkennung der erworbenen Rechte der ehemaligen Lektoren im Licht des italienischen Systems zur
Regelung des Arbeitsverhältnisses, das auf Tarifverhandlungen beruhe, beurteilt werden müsse, nicht
durchgreifen.
27      Außerdem liegt der maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung einer Vertragsverletzung im Sinne von
Artikel 228 EG nach ständiger Rechtsprechung am Ende der Frist, die in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme,  die  nach  dieser  Bestimmung  abgegeben  wird,  gesetzt  wurde  (vgl.  Urteile  vom  12.  Juli
2005 in der Rechtssache C‑304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, I‑6263, Randnr. 30, und vom 14.
März 2006 in der Rechtssache C‑177/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 20).
28            Im  vorliegenden  Fall  steht  fest,  dass  die  Italienische  Republik  bei  Ablauf  der  Frist,  die  in  der  mit
Gründen  versehenen  Stellungnahme  vom  30.  April  2003  gesetzt  worden  war,  noch  nicht  alle
Maßnahmen ergriffen hatte, die sich aus dem Urteil Kommission/Italien ergeben.
29            Wie  sich  aus  den  Randnummern  21  und  22  des  Urteils  Kommission/Italien  ergibt,  verlangte  der  in
Artikel 39 EG niedergelegte Grundsatz der Gleichbehandlung, dass die ehemaligen Lektoren, die einen
befristeten  Arbeitsvertrag  hatten,  bei  der  Ersetzung  dieses  Vertrages  durch  einen  unbefristeten
Vertrag alle ihre seit ihrer ersten Einstellung erworbenen Rechte behalten. Diese Garantie wirkte sich
nicht  nur  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Erhöhung  der  Vergütungen,  sondern  auch  in  Bezug  auf  das
Dienstalter und die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber aus.
30            Aus  den  Akten  ergibt  sich,  dass  die  Italienische  Republik  zur  Durchführung  des  Urteils
Kommission/Italien in einer ersten Phase folgende Maßnahmen durchgeführt hat:
–        An der Universität Mailand hatte ein am 27. November 1999 unterzeichneter Tarifvertrag über
die  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  und  Experten  vorgesehen,  dass  die  von  ihnen  als
Fremdsprachenlektoren  ausgeübte  Tätigkeit  bei  der  Festlegung  ihrer  Vergütung  zu
berücksichtigen  ist;  im  weiteren  Verlauf  teilte  diese  Universität  der  italienischen  Regierung  mit
Schreiben  vom  7.  Mai  2002  mit,  dass  die  Vergütung  der  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter
und  Experten  erhöht  und  das  nachzuzahlende  Entgelt  auf  der  Grundlage  einer  Obergrenze  von
450 Jahresunterrichtsstunden berechnet worden sei;
–                an  der  Universität  Pisa  kommen  die  ehemaligen  Lektoren  aufgrund  von  Entscheidungen  des
Verwaltungsdirektors vom 13. März 2002 und des Rektors vom 10. Mai 2002 in den Genuss von
Entgeltnachzahlungen in Bezug auf drei Dienstaltersstufen;
–                mit  Entscheidung  des  Verwaltungsdirektors  der  Universität  „La  Sapienza“  in  Rom  vom  17.  Mai
2002 wurde geregelt, dass das Dienstalter der ehemaligen Lektoren auf der Grundlage von 400
Jahresunterrichtsstunden berechnet wird;
–        die Universität Palermo kündigte mit Schreiben vom 27. Mai 2002 an, dass sie die Vergütung der
ehemaligen  Lektoren  auf  der  Grundlage  von  Berechnungen,  die  gerade  angestellt  würden,
anpassen werde;
–                mit  Entscheidung  des  Rektors  des  Istituto  universitario  orientale  Neapel  vom  20.  Mai  2002
kamen  die  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  und  Experten  in  den  Genuss  von
Entgeltnachzahlungen,  die  auf  der  Grundlage  von  318  Jahresunterrichtsstunden  berechnet
wurden;
–                eine  Entscheidung  des  Verwaltungsdirektors  der  Universität  der  Basilicata  vom  22.  Mai  2002
legte  das  Dienstalter  der  sprachwissenschaftlichen  Mitarbeiter  und  Experten  in  Bezug  auf  fünf
Dienstaltersstufen auf einer pauschalen Basis von 400 Jahresunterrichtsstunden fest.
31      Diese Maßnahmen konnten im Hinblick auf die Durchführung des Urteils Kommission/Italien weder als
ausreichend noch als endgültig angesehen werden, und die italienische Regierung hat dies auch nicht
getan.
32            Somit  ist  festzustellen,  dass  die  Vertragsverletzung  ungeachtet  der  in  Randnummer  30  des
vorliegenden Urteils aufgeführten Maßnahmen bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme gesetzt worden war, fortbestanden hat.
33            Da  die  Kommission  die  Verurteilung  der  Italienischen  Republik  zur  Zahlung  eines  Zwangsgelds
beantragt hat, ist zu klären, ob die gerügte Vertragsverletzung bis zur Prüfung des Sachverhalts durch
den  Gerichtshof  angedauert  hat  (vgl.  Urteile  vom  12.  Juli  2005,  Kommission/Frankreich,  Randnr.  31,
und vom 14. März 2006, Kommission/Frankreich, Randnr. 21).
34      Am 14. Januar 2004 hat die Italienische Republik das Decreto-legge Nr. 2/2004 erlassen, mit dem das
Ziel  verfolgt  wurde,  den  erforderlichen  rechtlichen  und  finanziellen  Rahmen  bereitzustellen,  um  jede
der betroffenen Universitäten endlich in die Lage zu versetzen, die Laufbahn der ehemaligen Lektoren
genau wiederherzustellen.
35            Der  mit  dem  Decreto-legge  Nr.  2/2004  geschaffene  rechtliche  Rahmen  beruht  auf  zwei  Prinzipien,
wonach, vorbehaltlich einer eventuellen Besserstellung,
–        die Wiederherstellung der Laufbahn der ehemaligen Lektoren unter Heranziehung der Vergütung
von auf einer Teilzeitstelle fest angestellten Forschern als Bezugsgröße vorgenommen wird;
–                diese  Vergütung  den  ehemaligen  Lektoren  entsprechend  den  geleisteten  Arbeitsstunden
gewährt  wird,  wobei  zugrunde  gelegt  wird,  dass  eine  Vollzeitbeschäftigung  500
Jahresunterrichtstunden entspricht.
36            Das  Kriterium  der  500  Stunden  pro  Jahr  beruht  auf  der  Zahl  der  von  den  sprachwissenschaftlichen
Mitarbeitern  und  Experten  (ehemaligen  Lektoren)  geleisteten  Stunden,  wie  sie  der  CCNL  für  den
Zeitraum  1994–1997  vorgesehen  hatte.  Es  handelt  sich  um  ein  objektives  Kriterium,  mit  dem  den
Schwierigkeiten, die mit einer Einzelfallbeurteilung der Laufbahn aller ehemaligen Lektoren verbunden
sind, begegnet werden kann. Insoweit genügt der Hinweis, dass nicht alle Universitäten das Bestehen
von  Tarifverträgen  erwähnt  hatten,  in  denen  die  zur  genauen  Wiederherstellung  der  Laufbahn  der
ehemaligen Lektoren erforderlichen Kriterien aufgestellt worden wären.
37            Was  die  Wahl  der  Laufbahn  der  auf  einer  Teilzeitstelle  fest  angestellten  Forscher  als  der  Kategorie
inländischer Arbeitnehmer anbelangt, die als Bezugsgröße für die Wiederherstellung der Laufbahn der
ehemaligen Lektoren dient, so ist festzustellen, dass eine derartige Entscheidung in die Zuständigkeit
der nationalen Behörden fällt. Aus dem Urteil Kommission/Italien ergibt sich nicht, dass die Italienische
Republik  verpflichtet  gewesen  wäre,  eine  Kategorie  von  mit  den  ehemaligen  Lektoren  vergleichbaren
Arbeitnehmern  zu  bestimmen  und  die  Behandlung  der  ehemaligen  Lektoren  vollständig  an  die  dieser
Kategorie anzupassen.
38            In  Anbetracht  dessen  ist  der  Gerichtshof  auf  der  Grundlage  der  von  der  Kommission  gelieferten
Angaben  nicht  in  der  Lage,  die  Unangemessenheit  der  in  den  Randnummern  36  und  37  des
vorliegenden  Urteils  angegebenen  Parameter  festzustellen,  zumal  ihre  Anwendung  es  offenbar  nicht
ausschließt, dass die Wiederherstellung der Laufbahn ehemaliger Fremdsprachenlektoren im Einzelfall
auf der Grundlage einer günstigeren Behandlung vorgenommen werden kann.
39            Es  kann  daher  nicht  davon  ausgegangen  werden,  dass  das  Decreto-legge  Nr.  2/2004  keinen
korrekten rechtlichen Rahmen bereitgestellt hätte, um jede der betroffenen Universitäten in die Lage
zu versetzen, die Laufbahn der ehemaligen Lektoren genau wiederherzustellen.
40            Zu  prüfen  bleibt,  ob  mit  den  von  den  betroffenen  Universitäten  nach  Erlass  des  Decreto-legge
Nr. 2/2004 durchgeführten Maßnahmen die angekündigten Ziele erreicht wurden.
41            Nach  der  Rechtsprechung  des  Gerichtshofes  ist  es  Sache  der  Kommission,  im  Rahmen  des
vorliegenden  Verfahrens  dem  Gerichtshof  die  Angaben  zu  liefern,  die  erforderlich  sind,  um  zu
bestimmen,  welchen  Stand  der  Durchführung  eines  Vertragsverletzungsurteils  ein  Mitgliedstaat
erreicht hat (Urteil vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C‑387/97, Kommission/Griechenland, Slg. 2000,
I‑5047,  Randnr.  73).  Ferner  ist  es,  wenn  die  Kommission  hinreichende  Anhaltspunkte  für  den
Fortbestand  der  Vertragsverletzung  geliefert  hat,  Sache  des  betroffenen  Mitgliedstaats,  die
vorgelegten Angaben und deren Konsequenzen substanziiert und ausführlich zu bestreiten (Urteil vom
12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, Randnr. 56).
42            Es  ist  festzustellen,  dass  die  italienische  Regierung  neben  den  Erklärungen  der  betroffenen
Universitäten,  mit  denen  versichert  wird,  dass  die  erworbenen  Rechte  der  ehemaligen  Lektoren  in
vollem  Umfang  anerkannt  worden  seien,  detaillierte  Aufstellungen  über  die  Durchführung  dieser
Anerkennung an jeder dieser Universitäten vorgelegt hat.
43      Zwar wurden die zu den Akten genommenen Zahlungserklärungen von den Universitäten und nicht
von den Gläubigern vorgelegt, und im Fall des Istituto universitario orientale Neapel wurde die Zahlung
auf einen Zeitpunkt nach Ablauf des Monats, in dem die Erklärung aufgesetzt wurde (Oktober 2004),
festgesetzt.
44            Doch  können  die  dem  Gerichtshof  gelieferten  Angaben  die  in  Randnummer  42  des  vorliegenden
Urteils erwähnten Informationen nicht in Zweifel ziehen.
45            Unter  diesen  Umständen  liegen  keine  hinreichenden  Anhaltspunkte  vor,  die  dem  Gerichtshof  die
Schlussfolgerung  ermöglichen  würden,  dass  die  Vertragsverletzung  im  Zeitpunkt  der  von  ihm
vorgenommenen Prüfung des Sachverhalts fortbesteht.
46      Daher ist die Verhängung eines Zwangsgelds nicht gerechtfertigt.
47      Nach alledem ist festzustellen, dass die Italienische Republik nicht alle Maßnahmen durchgeführt hat,
die sich aus dem Urteil Kommission/Italien ergeben haben, und damit gegen ihre Verpflichtungen aus
Artikel 228 EG verstoßen hat, indem sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme
gesetzten  Frist  nicht  für  die  Anerkennung  der  von  den  ehemaligen  Lektoren,  die  sodann  als
sprachwissenschaftliche  Mitarbeiter  und  Experten  tätig  waren,  erworbenen  Rechte  gesorgt  hat,
obwohl allen inländischen Arbeitnehmern eine solche Anerkennung zuteil wurde.
Kosten
48      Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung wird die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten verurteilt. Da die Kommission die Verurteilung der Italienischen Republik beantragt hat und die
Vertragsverletzung festgestellt worden ist, sind der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1.      Die  Italienische  Republik  hat  nicht  alle  Maßnahmen  durchgeführt,  die  sich  aus  dem
Urteil  vom  26.  Juni  2001  in  der  Rechtssache  C‑212/99  (Kommission/Italien)  ergeben
haben, und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen, indem sie
bei  Ablauf  der  in  der  mit  Gründen  versehenen  Stellungnahme  gesetzten  Frist  nicht
für die Anerkennung der von den ehemaligen Fremdsprachenlektoren, die sodann als
muttersprachliche  sprachwissenschaftliche  Mitarbeiter  und  Experten  tätig  waren,
erworbenen  Rechte  gesorgt  hat,  obwohl  allen  inländischen  Arbeitnehmern  eine
solche Anerkennung zuteil wurde.
2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.      Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Italienisch.