Urteil des EuG vom 07.11.2007

EuG: kommission, betreiber, mitgliedstaat, zahl, vereinigtes königreich, anpassung, wörtliche auslegung, historische auslegung, teleologische auslegung, kontrolle

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)
7. November 2007)
„Umwelt – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Zertifikaten für Treibhausgasemissionen –
Nationaler Zuteilungsplan Deutschlands für Emissionszertifikate – Maßnahmen zur nachträglichen
Anpassung der Zahl der für Anlagen zugeteilten Zertifikate – Ablehnende Entscheidung der
Kommission – Gleichbehandlung – Begründungspflicht“
In der Rechtssache T‑374/04
Bundesrepublik Deutschland,
C. Schulze-Bahr, dann durch Schulze-Bahr und M. Lumma als Bevollmächtigte im Beistand der
Rechtsanwälte D. Sellner und U. Karpenstein,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Beklagte,
wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2004) 2515/2 endg. der Kommission vom 7. Juli
2004 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von der
Bundesrepublik Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in
der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32) übermittelt
wurde, soweit die Kommission darin bestimmte Maßnahmen zur nachträglichen Anpassung von
Zuteilungen als mit den Kriterien 5 und 10 des Anhangs III der genannten Richtlinie unvereinbar
ablehnt,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN
GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, der Richterin V. Tiili, des Richters J. Azizi, der Richterin
E. Cremona sowie des Richters O. Czúcz,
Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2006
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1 Mit der am 25. Oktober 2003 in Kraft getretenen Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments
und
des
Rates
vom
13.
Oktober
2003
über
ein
System
für
den
Handel
mit
Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des
Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32) wird ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in
der Gemeinschaft (im Folgenden: Emissionshandelssystem) geschaffen, um auf kosteneffiziente und
wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen, vor allem von
Kohlendioxid (im Folgenden: CO
2
), hinzuwirken (Art. 1 der Richtlinie 2003/87). Der Richtlinie liegen die
Verpflichtungen der Gemeinschaft aus dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über
Klimaänderungen und dem Kyoto-Protokoll zugrunde. Letzteres wurde mit der Entscheidung des Rates
2002/358/EG vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum
Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen
Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen (ABl. L 130,
S. 1) genehmigt und trat am 16. Februar 2005 in Kraft.
2 Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten verpflichteten sich, ihre gemeinsamen anthropogenen
Treibhausgasemissionen, die in Anhang A des Kyoto-Protokolls aufgeführt sind, im Zeitraum 2008 bis
2012 gegenüber dem Stand von 1990 um 8 % zu senken (vierter Erwägungsgrund der Richtlinie
2003/87).
3 Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie 2003/87 im Wesentlichen vor, dass Treibhausgasemissionen aus
in ihrem Anhang I aufgeführten Anlagen der Vorabgenehmigung und der Zuteilung von Zertifikaten
nach nationalen Zuteilungsplänen (im Folgenden: NZP) unterliegen. Gelingt es einem Betreiber, seine
Emissionen zu senken, kann er die überschüssigen Zertifikate an andere Betreiber verkaufen.
Umgekehrt kann der Betreiber einer Anlage, von der überhöhte Emissionen ausgehen, die
erforderlichen Zertifikate von einem Betreiber erwerben, der über Überschüsse verfügt.
4 Die Richtlinie 2003/87 sieht eine erste Phase von 2005 bis 2007 (im Folgenden: erste
Zuteilungsperiode) vor, die dem ersten Verpflichtungszeitraum des Kyoto-Protokolls vorangeht, und
anschließend eine zweite Phase von 2008 bis 2012 (im Folgenden: zweite Zuteilungsperiode), die dem
ersten Verpflichtungszeitraum entspricht (Art. 11 der Richtlinie 2003/87).
5 Zur Erfüllung der mit der Entscheidung 2002/358 und dem Kyoto-Protokoll eingegangenen
Verpflichtungen ist in Kriterium 1 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 Folgendes ausgeführt:
„Die Gesamtmenge der Zertifikate, die im jeweiligen Zeitraum zugeteilt werden sollen, muss mit der in
der Entscheidung [2002/358] und im Kyoto-Protokoll enthaltenen Verpflichtung des Mitgliedstaats zur
Begrenzung seiner Emissionen in Einklang stehen … Die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate
darf nicht höher sein als der wahrscheinliche Bedarf für die strikte Anwendung der Kriterien dieses
Anhangs. Bis 2008 muss die Menge so groß sein, dass sie mit einem Weg zur Erreichung oder
Übererfüllung der Zielvorgaben jedes Mitgliedstaats gemäß der Entscheidung [2002/358] und dem
Kyoto-Protokoll vereinbar ist.“
6 Konkreter beruht das Emissionshandelssystem zum einen auf der Vorabgenehmigungspflicht für
Treibhausgasemissionen (Art. 4 bis 8 der Richtlinie 2003/87) und zum anderen auf Zertifikaten, die
dem daraus berechtigten Betreiber die Emission einer bestimmten Treibhausgasmenge erlauben,
wofür er jährlich eine den Gesamtemissionen seiner Anlage entsprechende Anzahl von Zertifikaten
abzugeben hat (Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87).
7 Die Voraussetzungen und Verfahren, nach denen die zuständigen nationalen Behörden den
Betreibern von Anlagen auf der Grundlage eines NZP Zertifikate zuteilen, sind in den Art. 9 bis 11 der
Richtlinie 2003/87 vorgesehen.
8 So bestimmt Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87:
„Die Mitgliedstaaten stellen für jeden in Artikel 11 Absätze 1 und 2 genannten Zeitraum einen [NZP]
auf, aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum zuzuteilen
beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken. Dieser [NZP] ist auf objektive und
transparente Kriterien zu stützen, einschließlich der in Anhang III genannten Kriterien, wobei die
Bemerkungen der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen sind. Die Kommission erarbeitet
unbeschadet des Vertrags bis spätestens 31. Dezember 2003 eine Anleitung zur Anwendung der in
Anhang III aufgeführten Kriterien.
Für den in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitraum wird der [NZP] spätestens am 31. März 2004
veröffentlicht und der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten übermittelt …“
9 Die Kommission erließ die genannte Anleitung im Rahmen ihrer Mitteilung KOM(2003) 830 endg. vom
7. Januar 2004 über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang
III der Richtlinie 2003/87 aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer
Gewalt (im Folgenden: Hinweise der Kommission).
10 Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 bestimmt:
„Innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung eines [NZP] durch einen Mitgliedstaat gemäß Absatz 1
kann die Kommission den [NZP] oder einen Teil davon ablehnen, wenn er mit den in Anhang III
aufgeführten Kriterien oder mit Artikel 10 unvereinbar ist. Der Mitgliedstaat trifft eine Entscheidung
nach Artikel 11 Absatz 1 oder 2 nur dann, wenn Änderungsvorschläge von der Kommission akzeptiert
werden. Ablehnende Entscheidungen sind von der Kommission zu begründen.“
11 Nach Art. 10 der Richtlinie 2003/87 müssen die Mitgliedstaaten für die erste Zuteilungsperiode
mindestens 95 % der Zertifikate und für die zweite Zuteilungsperiode mindestens 90 % der Zertifikate
kostenlos zuteilen.
12 Art. 11 („Zuteilung und Vergabe von Zertifikaten“) der Richtlinie 2003/87 sieht vor:
„(1) Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum entscheidet jeder Mitgliedstaat
über die Gesamtzahl der Zertifikate, die er für diesen Zeitraum zuteilen wird, sowie über die Zuteilung
dieser Zertifikate an die Betreiber der einzelnen Anlagen. Diese Entscheidung wird mindestens drei
Monate vor Beginn des Zeitraums getroffen, und zwar auf der Grundlage des gemäß Artikel 9
aufgestellten [NZP], im Einklang mit Artikel 10 und unter angemessener Berücksichtigung der
Bemerkungen der Öffentlichkeit.
(3) Entscheidungen gemäß Absatz 1 oder 2 müssen im Einklang mit dem Vertrag, insbesondere mit
den Artikeln 87 und 88, stehen. Bei der Entscheidung über die Zuteilung berücksichtigen die
Mitgliedstaaten die Notwendigkeit, neuen Marktteilnehmern den Zugang zu Zertifikaten zu
ermöglichen.
(4) Die zuständige Behörde vergibt einen Teil der Gesamtmenge der Zertifikate bis zum 28. Februar
jeden Jahres des in Absatz 1 … genannten Zeitraums.“
13 Anhang III der Richtlinie 2003/87 nennt elf Kriterien, die für die NZP gelten.
14 Kriterium 1 des Anhangs III lautet:
„Die Gesamtmenge der Zertifikate, die im jeweiligen Zeitraum zugeteilt werden sollen, muss mit der in
der Entscheidung [2002/358] und im Kyoto-Protokoll enthaltenen Verpflichtung des Mitgliedstaats zur
Begrenzung seiner Emissionen in Einklang stehen unter Berücksichtigung des Anteils der
Gesamtemissionen, dem diese Zertifikate im Vergleich zu Emissionen aus Quellen entsprechen, die
nicht unter diese Richtlinie fallen, sowie der nationalen energiepolitischen Maßnahmen; ferner sollte
sie dem nationalen Klimaschutzprogramm entsprechen. Die Gesamtmenge der zuzuteilenden
Zertifikate darf nicht höher sein als der wahrscheinliche Bedarf für die strikte Anwendung der Kriterien
dieses Anhangs. Bis 2008 muss die Menge so groß sein, dass sie mit einem Weg zur Erreichung oder
Übererfüllung der Zielvorgaben jedes Mitgliedstaats gemäß der Entscheidung [2002/358] und dem
Kyoto-Protokoll vereinbar ist.“
15 Kriterium 5 des Anhangs III sieht vor:
„Gemäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere der Artikel 87 und 88, darf der [NZP]
Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln, dass bestimmte
Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden.“
16 Kriterium 9 des Anhangs III lautet:
„Der [NZP] muss Vorschriften für die Möglichkeit von Bemerkungen der Öffentlichkeit sowie Angaben
darüber enthalten, wie diese Bemerkungen angemessen berücksichtigt werden, bevor eine
Entscheidung über die Zuteilung der Zertifikate getroffen wird.“
17 Hierzu ist in den Hinweisen Nrn. 93 bis 96 der Kommission insbesondere ausgeführt:
„93. Dieses Kriterium ist obligatorisch.
94. … Wenn der [NZP] zur Verfügung gestellt wird, ist dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit
wirksam und frühzeitig Stellung nehmen kann. …
95. Die Mitgliedstaaten sollten diesbezüglich einen realistischen Zeitrahmen vorsehen und die Frist
für
das
Vorbringen
von
Bemerkungen
der
Öffentlichkeit
auf
das
nationale
Entscheidungsverfahren abstimmen, so dass vor der Entscheidung über den [NZP]
Bemerkungen angemessen Rechnung getragen werden kann. „Angemessen Rechnung tragen“
heißt, dass Bemerkungen mit einem Bezug auf die Kriterien von Anhang III oder auf andere
objektive und transparente Kriterien, die der betreffende Mitgliedstaat in seinem [NZP]
anwendet, berücksichtigt werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Kommission über alle im
Anschluss an die Einbeziehung der Öffentlichkeit geplanten Änderungen nach Veröffentlichung
und Mitteilung des [NZP] und vor Erlass der endgültigen Entscheidung gemäß Artikel 11 [der
Richtlinie 2003/87] unterrichten. Die Öffentlichkeit sollte in allgemeiner Form über die getroffene
Entscheidung und die wichtigsten zugrunde liegenden Überlegungen informiert werden.
96. Die Möglichkeit der Öffentlichkeit, im Rahmen dieses Kriteriums Bemerkungen zum [NZP]
vorzubringen, ist eine zweite Runde der Öffentlichkeitskonsultation. Gemäß Artikel 9(1) der
Richtlinie [2003/87] sind Bemerkungen aus einer ersten Konsultation zum [Entwurf des NZP] –
sofern sinnvoll – bereits vor Mitteilung des [NZP] an die Kommission und die anderen
Mitgliedstaaten in den [NZP] einzubeziehen. Soll die Beteiligung der Öffentlichkeit insgesamt
gesehen (d.h. Konsultation und Berücksichtigung der Bemerkungen) wirksam gestaltet werden,
so ist die erste Konsultationsrunde von besonderer Bedeutung. Die unter diesem Kriterium
beschriebenen Regeln sollten auch in der ersten Konsultationsrunde angewandt werden.
Die Mitgliedstaaten sollten die Kommission über geplante Änderungen nach Veröffentlichung
und Mitteilung des [NZP] und vor Erlass der endgültigen Entscheidung gemäß Artikel 11 [der
Richtlinie 2003/87] unterrichten.“
18 Kriterium 10 des Anhangs III lautet: „Der [NZP] muss eine Liste der unter diese Richtlinie fallenden
Anlagen unter Angabe der Anzahl Zertifikate enthalten, die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden
sollen.“
19 Zu Kriterium 10 heißt es in den Hinweisen Nrn. 97 bis 100 der Kommission:
„97. Ziel dieses Kriterium[s] ist die Transparenz des [NZP]. Die Anzahl Zertifikate pro Anlage soll bei
Übermittlung des [NZP] an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten angegeben und
damit für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden.
98. Dieses Kriterium gilt als erfüllt, wenn ein Mitgliedstaat seiner Verpflichtung zur Auflistung der
unter die Richtlinie [2003/87] fallenden Anlagen nachgekommen ist …
100. Die Mitgliedstaaten müssen die Gesamtmenge der Zertifikate angeben, die jeder Anlage
zugeteilt werden sollen, sowie die Menge der jedes Jahr an die einzelnen Anlagen gemäß Artikel
11(4) [der Richtlinie 2003/87] ausgegebenen Zertifikate.“
20 Nach den Hinweisen Nrn. 60 bis 74 der Kommission kann ein Mitgliedstaat eine Reserve von
Zertifikaten schaffen (im Folgenden: Reserve), zu der er insbesondere neuen Marktteilnehmern auf der
Grundlage transparenter und objektiver Regeln und Verfahren kostenlos Zugang bieten kann. Der
Umfang der Reserve ist im NZP in Bezug auf die darin vorgesehene Gesamtzahl der Zertifikate
mitzuteilen.
21 Nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 sind Zertifikate zwischen natürlichen und juristischen
Personen innerhalb der Gemeinschaft und auf natürliche und juristische Personen in Drittländern
übertragbar. Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 bestimmt, dass der Betreiber für jede Anlage vor
dem 1. Mai jedes Jahres eine Anzahl von Zertifikaten an die zuständige Behörde abgibt, die den
Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht, und dass diese Zertifikate
anschließend gelöscht werden.
22 Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 bestimmt:
„… können die Mitgliedstaaten bei der Kommission beantragen, dass für bestimmte Anlagen in Fällen
höherer Gewalt zusätzliche Zertifikate vergeben werden dürfen. Die Kommission stellt fest, ob
nachweislich höhere Gewalt vorliegt, und gestattet in diesem Fall die Vergabe zusätzlicher, nicht
übertragbarer Zertifikate durch den betreffenden Mitgliedstaat an die Betreiber der betreffenden
Anlagen.“
23 Art. 38 („Nationale Zuteilungstabelle [für die erste Zuteilungsperiode]“) der Verordnung (EG) Nr.
2216/2004 der Kommission vom 21. Dezember 2004 über ein standardisiertes und sicheres
Registrierungssystem gemäß der Richtlinie [2003/87] sowie der Entscheidung 280/2004/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 386, S. 1) bestimmt in Abs. 2:
„Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede Korrektur ihrer [NZP] sowie die entsprechenden
Korrekturen der nationalen Zuteilungstabellen mit. Stützt sich die Korrektur der nationalen
Zuteilungstabelle auf den der Kommission übermittelten [NZP] (und dieser wurde von der Kommission
nicht nach Art. 9 Abs. 3 der [Richtlinie 2003/87] abgelehnt bzw. die Kommission hat die
vorgeschlagenen Änderungen akzeptiert), und befindet sie sich im Einklang mit den Verfahren des
[NZP] bzw. ergibt sie sich aus präziseren Daten, weist die Kommission den Zentralverwalter an, die
Korrektur der Tabelle in die unabhängige Transaktionsprotokolliereinrichtung der Gemeinschaft zu
übernehmen … In allen anderen Fällen teilt der Mitgliedstaat der Kommission die Korrektur seines
[NZP] mit, und wenn die Kommission diese Korrektur nicht ablehnt (s. Verfahren nach Artikel 9 Absatz
3 der Richtlinie [2003/87]), weist die Kommission den Zentralverwalter an, die Korrektur in die
nationale
Zuteilungstabelle
in
der
unabhängigen
Transaktionsprotokolliereinrichtung
der
Gemeinschaft zu übernehmen …“
Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien
24 Am 31. März 2004 übermittelte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission nach Art. 9 Abs. 1 der
Richtlinie 2003/87 den deutschen NZP für die erste Zuteilungsperiode (im Folgenden: deutscher NZP).
25 Der deutsche NZP besteht aus einem „Makroplan“ und einem „Mikroplan“. Der Makroplan enthält die
Aufteilung des nationalen Emissionsbudgets und legt die Gesamtzahl der zuzuteilenden Zertifikate im
Einklang mit den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zur Emissionssenkung fest. Der
Mikroplan regelt die Zuteilung von Zertifikaten an die Betreiber der einzelnen Anlagen und sieht die
Bildung einer Reserve von Zertifikaten für neue Marktteilnehmer vor.
26 Für die Festlegung, wie viele Zertifikate den einzelnen Anlagen zuzuteilen sind, unterscheidet der NZP
im Abschnitt „Mikroplan“ zwischen drei Zeiträumen und sieht je nach dem Zeitpunkt der
Inbetriebnahme der Anlage drei unterschiedliche Methoden vor.
27 Bei Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2002 in Betrieb genommen wurden, wird die Zahl der
kostenlos zuzuteilenden Zertifikate auf der Grundlage des Jahresdurchschnitts ihrer früheren CO
2
-
Emissionen nach der Berechnungsmethode des „Grandfathering“ ermittelt. Die Zahl der zuzuteilenden
Zertifikate wird durch Multiplikation der historischen Emissionsdaten mit einem „Erfüllungsfaktor“
bestimmt, der sich nach der zu erreichenden Emissionssenkung richtet. Der Erfüllungsfaktor ist daher
in der Regel kleiner als Eins, um eine Senkung gegenüber dem vorherigen Emissionsniveau zu
ermöglichen und letztlich die Gesamtzahl der zuzuteilenden Zertifikate zu begrenzen.
28 Bei Anlagen, die vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 in Betrieb genommen wurden, wird die
Zahl der kostenlos zuzuteilenden Zertifikate auf der Grundlage des von den Betreibern gemeldeten
Jahresdurchschnitts ihrer CO
2
-Emissionen ermittelt. Der Betreiber muss seinem Antrag auf Zuteilung
von Zertifikaten ein Sachverständigengutachten über die maßgeblichen Eigenschaften der Anlage
beifügen. Sowohl der Antrag als auch das Gutachten müssen Angaben zu der Kapazität der Anlage,
dem geplanten Einsatz von Rohstoffen sowie der geplanten Auslastung der Anlage enthalten. Für
diese Anlagen wird als Erfüllungsfaktor für einen Zeitraum von 12 Jahren ein Wert von Eins angesetzt.
29 Für neue, ab dem 1. Januar 2005 in Betrieb genommene Anlagen, also „neue Marktteilnehmer“, wird
in Ermangelung historischer Daten die Zahl der kostenlos zuzuteilenden Zertifikate nach der
Berechnungsmethode des „Benchmarking“ ermittelt, d. h. als rechnerisches Produkt aus dem
voraussichtlichen Jahresdurchschnitt der Produktionsmenge in den Jahren 2005 bis 2007, den
voraussichtlichen Emissionen der Anlage je Produkteinheit sowie der Anzahl der Kalenderjahre, in
denen die Anlage während der Zuteilungsperiode betrieben werden soll. Die voraussichtlichen
Emissionen je Produkteinheit werden nach dem Kriterium („Benchmark“) des Stands der „besten
verfügbaren Technik“ ermittelt. Für diese neuen Anlagen beträgt der Erfüllungsfaktor für die ersten 14
Betriebsjahre unveränderlich Eins.
30 In Anwendung von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/87 sieht der deutsche NZP vor, dass die
Zertifikate für die erste Zuteilungsperiode in gleichen Jahrestranchen jeweils spätestens zum 28.
Februar jedes Jahres ausgegeben werden.
31 Der deutsche NZP, wie er der Kommission übermittelt wurde, sieht nachträgliche Anpassungen der
Zahl der zugeteilten Zertifikate in folgenden Fällen vor:
– Erhebliche Verringerung der Kapazitätsauslastung und Stilllegung der Anlage (Regel der
„De‑facto-Stilllegung“): Wird der Betrieb einer Anlage eingestellt, so hat der Betreiber die ihm
zugeteilten Zertifikate, soweit sie überschüssig geworden sind, zurückzugeben. Von einer
Einstellung des Betriebs ist auszugehen, wenn eine Anlage in einem Jahr weniger als 10 % der
durchschnittlichen jährlichen Emissionen der Basisperiode emittiert hat. Unterschreiten diese
Emissionen 60 % der durchschnittlichen jährlichen Emissionen der Basisperiode, so wird die für
das fragliche Jahr ausgegebene Tranche von Zertifikaten nachträglich proportional
entsprechend dem Rückgang der Kapazitätsauslastung, d. h. des Aktivitätsniveaus, reduziert.
Für die Folgejahre wird die Tranche der Zertifikate entsprechend der ursprünglichen
Zuteilungsentscheidung ausgegeben, vorbehaltlich einer späteren erneuten Anwendung der
Regel der nachträglichen Anpassung.
– Übertragung von Zertifikaten bei Stilllegung und bei Ersetzung der Anlage
(„Übertragungsregel“): Auf Antrag werden für eine stillgelegte Anlage erteilte Zertifikate nicht
entzogen, wenn der Betreiber innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Stilllegung der alten
Anlage eine neue Anlage in Betrieb nimmt. Die Zuteilung erfolgt in diesem Fall für vier Jahre
unter Zugrundelegung der historischen Emissionen der stillgelegten Anlage und wird
anschließend für 14 Jahre mit einem Erfüllungsfaktor von Eins berechnet; diese Regelung soll für
den Betreiber einen Anreiz zur Stilllegung veralteter und ineffizienter Anlagen schaffen. Ist jedoch
die Kapazität der neuen Anlage geringer als die der stillgelegten, so wird die Differenz der
Kapazitäten als Anlagenstilllegung behandelt und der auf diese Differenz entfallende Anteil wird
bei der nächsten Zuteilung von Zertifikaten nicht mehr ausgegeben. Dagegen wird bei höherer
Kapazität der neuen Anlage die Regel für neue Marktteilnehmer angewandt, und für den
Kapazitätszuwachs
werden
zusätzliche
Zertifikate
ausgegeben
(vgl.
unten,
vierter
Gedankenstrich).
– Bestehende Anlagen, die in den Jahren 2003 oder 2004 in Betrieb genommen wurden: Die Zahl
der diesen Anlagen zugeteilten Emissionszertifikate wird angepasst, sofern während des
Betriebs der fraglichen Anlage die tatsächliche Produktionsmenge geringer oder höher ausfällt
als die zur Ermittlung der ursprünglich zugeteilten Zahl von Zertifikaten angemeldeten
Produktionsmengen. Je nachdem wird bei der Ausgabe der Tranche für das Folgejahr die Zahl
der Zertifikate proportional reduziert oder erhöht. Fällt die Produktionsmenge höher aus,
werden die zusätzlichen Zertifikate aus der Reserve entnommen.
– Neue Marktteilnehmer mit Erst-Inbetriebnahme ab dem 1. Januar 2005 oder Erweiterungen der
Kapazitäten von bestehenden Anlagen: Die Zahl der diesen Anlagen zugeteilten
Emissionszertifikate wird angepasst, sofern während des Betriebs der fraglichen Anlage das
tatsächliche Aktivitätsniveau geringer oder höher ausfällt als das zur Ermittlung der ursprünglich
zugeteilten Zahl von Zertifikaten angemeldete Aktivitätsniveau. Je nachdem wird bei der
Ausgabe der Tranche für das Folgejahr die Zahl der Zertifikate proportional reduziert oder
erhöht.
– Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zur gleichzeitigen Erzeugung von Elektrizität und Wärme: Diese
Anlagen erhalten Emissionszertifikate im Wege einer Sonderzuteilung, deren Umfang im ersten
Zuteilungsjahr dem tatsächlichen Volumen der erzeugten Elektrizität entspricht. Ihre Zahl kann
jedoch später gemäß dem im nächsten Jahr nachgewiesenen Volumen der erzeugten Elektrizität
korrigiert werden.
32 Der deutsche Zuteilungsplan sieht außerdem vor, dass nicht ausgegebene oder entzogene
Zertifikate der Reserve zugeführt werden. Die reservierten Zertifikate sind für neue Marktteilnehmer
vorgesehen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, dass die Reserve nur
Betreibern von Anlagen im deutschen Hoheitsgebiet offenstehe (Sitzungsprotokoll, S. 2).
33 Mit Schreiben vom 8. Juni 2004 antworteten die zuständigen deutschen Behörden auf bestimmte
Fragen der Kommission.
34 In den Antworten auf diese Fragen führten die deutschen Behörden u. a. aus, dass nach dem
Zuteilungsgesetz 2007 (Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-
Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 [erste Zuteilungsperiode] vom 26.
August 2004, BGBl. I S. 2211, im Folgenden: ZuG oder Zuteilungsgesetz) die nachträglichen
Anpassungen entgegen den Angaben im deutschen NZP, wie er der Kommission übermittelt worden
sei, keinesfalls zu einer Erhöhung der Zahl der den betreffenden Anlagen zugeteilten Zertifikate
führen könnten. Ferner wiesen die deutschen Behörden für den Bereich der Kraft-Wärme-
Kopplungsanlagen darauf hin, dass durch die Möglichkeit einer nachträglichen Anpassung nach unten
verhindert werden könne, dass für die Betreiber solcher Anlagen ein „kontraproduktiver“ – d. h.
ökologisch unerwünschter – Anreiz zur Absenkung des Niveaus der Energieerzeugung entstehe; diese
Möglichkeit diene somit dazu, die Rechtfertigung für die Sonderzuteilung von Zertifikaten für diese
Anlagen
aufrechtzuerhalten.
Während
nämlich
eine
solche
Absenkung
innerhalb
des
Emissionshandelssystems
emissionsmindernd
wirke
und
einen
geringeren
Bedarf
an
Emissionszertifikaten zur Folge habe, führe sie im Regelfall außerhalb dieses Systems zu zusätzlichen
Emissionen.
35 Entsprechend den Erläuterungen der deutschen Behörden (siehe vorstehende Randnr. 34) sieht das
Zuteilungsgesetz ausschließlich nachträgliche Anpassungen nach unten vor. Sie sind in folgenden
Bestimmungen des Zuteilungsgesetzes geregelt: § 7 Abs. 9 (Zuteilung für bestehende Anlagen auf
Basis historischer Daten), § 8 Abs. 4 (Zuteilung für bestehende Anlagen auf Basis angemeldeter
Emissionen), § 9 Abs. 1 und 4 (Stilllegung von Anlagen), § 10 Abs. 2 und 4 (Zuteilung für Neuanlagen
als Ersatzanlagen), § 11 Abs. 5 in Verbindung mit § 8 Abs. 4 (Zuteilung für neue Marktteilnehmer) und
§ 14 Abs. 5 (Sonderzuteilung für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen). Schließlich sieht § 6 Abs. 2 ZuG vor,
dass die nach den genannten Bestimmungen entzogenen Zertifikate der Reserve zufließen.
36 Mit der Entscheidung K(2004) 2515/2 endg. vom 7. Juli 2004 über den deutschen NZP, wie er von der
Klägerin übermittelt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), die auf Art. 9 Abs. 3 der
Richtlinie 2003/87 gestützt ist, lehnte die Kommission den deutschen NZP insoweit ab, als er
bestimmte Maßnahmen zur nachträglichen Anpassung der Zuteilung von Emissionszertifikaten vorsah,
die sie für mit den Kriterien 5 und 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 unvereinbar erklärte (Art. 1
der angefochtenen Entscheidung) und deren Abschaffung sie von der Klägerin verlangte (Art. 2 der
angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stellte der Klägerin jedoch frei, Zertifikate vor der
Umsetzung der in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung genannten Änderungen zu vergeben (Art. 3
Abs. 4 der angefochtenen Entscheidung). Die fraglichen nachträglichen Anpassungen waren die für
– neue Marktteilnehmer (Art. 1 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung);
– Neuanlagen, die nach Übertragung der ursprünglich für eine stillgelegte Anlage zugeteilten
Zertifikate betrieben werden (Art. 1 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung);
– Anlagen, deren Kapazitätsauslastung geringer ist als ursprünglich erwartet (Art. 1 Buchst. c,
erste Alternative, der angefochtenen Entscheidung);
– Anlagen, deren jährliche Emissionen unter 40 % ihrer Emissionen im Basiszeitraum liegen (Art. 1
Buchst. c, zweite Alternative, der angefochtenen Entscheidung);
– Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die weniger Energie produzieren als im Basiszeitraum (Art. 1
Buchst. c, dritte Alternative, der angefochtenen Entscheidung).
37 Im vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erklärt die Kommission, dass
nachträgliche Anpassungen für neue Marktteilnehmer Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie
2003/87 widersprächen, da neue Marktteilnehmer gegenüber den bereits im deutschen NZP erfassten
Anlagenbetreibern, für die in der ersten Zuteilungsperiode keine nachträglichen Anpassungen
zulässig seien, ungerechtfertigt bevorzugt würden.
38 Im fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass
Anpassungen der Zahl der für eine Neuanlage zugeteilten Zertifikate nach Stilllegung einer Altanlage
Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 widersprächen, wonach die Zahl der den einzelnen
im nationalen Zuteilungsplan aufgeführten Anlagen während des in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie
2003/87 genannten Handelszeitraums zuzuteilenden Zertifikate ex-ante festzulegen sei.
39 Im sechsten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung weist die Kommission darauf hin,
dass Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 ferner Anpassungen widersprächen, die für
folgende Anlagen vorgesehen seien: (a) Anlagen, deren Kapazitätsauslastung geringer als
ursprünglich erwartet sei; (b) Anlagen, deren jährliche Emissionen weniger als 40 % ihrer Emissionen
im Basiszeitraum ausmachten; (c) Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die eine geringere Menge Energie
als im Basiszeitraum erzeugten.
40 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission klargestellt, dass die zweite Alternative von Art. 1
Buchst. c und der sechste Erwägungsgrund (siehe vorstehende Randnr. 39 Buchst. b) der
angefochtenen Entscheidung in Wirklichkeit Anlagen beträfen, deren jährliche Emissionen weniger als
60 % ihrer Emissionen im Basiszeitraum ausmachten und dass die Nennung von 40 % in der
angefochtenen Entscheidung auf einem Irrtum beruhe (Sitzungsprotokoll, S. 2).
41 In ihrer Mitteilung KOM(2004) 500 endgültig an den Rat und an das Europäische Parlament vom 7. Juli
2004 zu den Entscheidungen der Kommission vom 7. Juli 2004 über die nationalen Pläne für die
Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, die von Dänemark, Deutschland, Irland, den
Niederlanden, Österreich, Slowenien, Schweden und dem Vereinigten Königreich gemäß der Richtlinie
2003/87/EG mitgeteilt wurden (im Folgenden: Mitteilung der Kommission vom 7. Juli 2004), führte die
Kommission in Nr. 3.2 zu nachträglichen Anpassungen folgendes aus:
„Nach Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie [2003/87] sowie nach deren Artikel 11 müssen die
Mitgliedstaaten die Menge der insgesamt vergebenen und den einzelnen Betreibern zugeteilten
Zertifikate vorab (d.h. vor Beginn des Handels) festlegen. Diese Entscheidung kann nicht mehr
revidiert werden, und eine Neuzuteilung von Zertifikaten ist nicht möglich, indem Zertifikate zu der den
einzelnen Betreibern auf der Grundlage eines Regierungsbeschlusses oder vorab bestimmter Regeln
zugewiesenen Menge hinzugefügt oder von ihr abgezogen werden. Die Richtlinie [2003/87] gestattet
ausdrücklich Ex-post-Anpassungen in Fällen höherer Gewalt nach dem Verfahren des Artikels 29.
Außerdem gilt:
– die getroffenen Entscheidungen lassen jederzeit Korrekturen bei der vorgesehenen Zuteilung
der Zertifikate aufgrund der Datenqualität zu, bevor die Zuteilungsentscheidung nach Artikel 11
Absatz 1 verabschiedet ist;
– die Richtlinie [2003/87] schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat im Falle der Stilllegung einer
Anlage in dem betreffenden Zeitraum zu dem Schluss kommt, dass die jeweiligen Zertifikate
nicht an einen anderen Betreiber vergeben werden; und
– bei Zuteilungen aus einer Reserve für neue Marktteilnehmer wird die genaue Menge für jeden
neuen Marktteilnehmer nach der Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 1 [festgelegt].
Laut Kriterium 10 muss die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate an bestehende Anlagen in dem
[NZP] vor Beginn [der Zuteilungsperiode] festgelegt werden. Die Prüfung der Zulässigkeit von Ex-post-
Anpassungen durch die Kommission erfolgte unabhängig von der Frage, ob eine beabsichtigte
Anpassung oder ihr Umfang aufgrund des Verhaltens eines Betreibers erfolgt oder von seinem
Verhalten unabhängig ist, dessen Zuteilung für den betreffenden Zeitraum geändert werden soll.
Aufgrund von Kriterium 5 des Anhangs III gilt das gleiche Prinzip für neue Marktteilnehmer. Hat ein
Mitgliedstaat im Laufe des Handelszeitraums die Zahl der Zertifikate für einen neuen Marktteilnehmer
aus den Reserven festgelegt, kann er diese Entscheidung nicht mehr ändern. Andernfalls könnten
einige Unternehmen ungerechtfertigt bevorzugt oder diskriminiert werden durch die Anwendung eines
Prinzips, das für bestehende Anlagen nicht anwendbar ist.
Ex-post-Anpassungen würden außerdem für die Betreiber zu Unsicherheiten führen und sich schädlich
sowohl auf Investitionsentscheidungen als auch den Handelsmarkt selbst auswirken. Bei Ex-post-
Anpassungen werden effizientere Lösungen direkt am Markt durch Verwaltungsprozesse ersetzt, deren
Anwendung schwerfällig wäre. Selbst Ex-post-Anpassungen nach unten, bei denen positive
Auswirkungen für die Umwelt geltend gemacht werden könnten, sind schädlich für die Sicherheit, die
Unternehmen bei Investitionsentscheidungen benötigen, die auf Emissionsreduzierungen abzielen.
Nach Auffassung der Kommission widersprechen die [im deutschen und im österreichischen NZP]
vorgesehenen Ex-post-Anpassungen … Kriterium 5 und/oder [Kriterium] 10.
Die Kommission kommt außerdem zu dem Schluss, dass der deutsche [NZP] im Widerspruch zu
Kriterium 10 steht, da [die Bundesrepublik Deutschland] beabsichtigt, die pro Anlage zugewiesene
Menge für [die erste Zuteilungsperiode] (möglicherweise) zu ändern, wenn: i) bestehende Anlagen, die
ihren Betrieb seit dem 1. Januar 2003 aufgenommen haben, eine geringere Kapazitätsauslastung
verzeichnen; ii) die jährlichen Emissionen bestehender Anlagen unter 40 % der Emissionen im
Basiszeitraum liegen; iii) bestehende Anlagen zusätzliche Zertifikate durch Übertragung von
Zertifikaten erhalten, die für stillgelegte Anlagen vorgesehen waren; iv) bestehende Anlagen oder
neue Marktteilnehmer, die zusätzliche Zuteilungen für [Kraft-Wärme-Kopplung] erhalten, weniger
Energie durch [Kraft-Wärme-Kopplung] produzieren als im Basiszeitraum. Die Absicht [der
Bundesrepublik Deutschland], möglicherweise die Zuteilung von Zertifikaten für neue Marktteilnehmer
anzupassen, verstößt gegen Kriterium 5, nach dem gemäß dem EG-Vertrag Diskriminierungsfreiheit
gefordert wird, da derartige Ex-post-Anpassungen neue Marktteilnehmer gegenüber den Betreibern
anderer Anlagen begünstigen würden, für die nach der Richtlinie [2003/87] keine Ex-post-
Anpassungen zulässig sind.
…“
42 Die Klägerin hat mit am 20. September 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift
die vorliegende Klage erhoben.
43 Gemäß Art. 14 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht auf Vorschlag der Dritten Kammer nach
Anhörung der Parteien gemäß Art. 51 der Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten
Spruchkörper verwiesen.
44 Das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die
mündliche Verhandlung zu eröffnen; es hat im Rahmen verfahrensleitender Maßnahmen gemäß Art. 64
der Verfahrensordnung die Parteien ersucht, vor der Sitzung schriftliche Fragen zu beantworten, und
die Kommission aufgefordert, vor der Sitzung ein Schriftstück vorzulegen. Die Parteien haben die
Fragen fristgemäß beantwortet, und die Kommission hat das Schriftstück fristgemäß vorgelegt.
45 Die Parteien haben in der Sitzung vom 21. Juni 2006 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des
Gerichts beantwortet.
46 Die Klägerin beantragt,
– Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;
– Art. 2 dieser Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als er in den Buchst. a bis c der
Klägerin die Vornahme und Mitteilung bestimmter Änderungen des deutschen NZP aufgibt;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
47 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
48 Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Klagegründe: erstens einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 in
Verbindung mit Anhang III der Richtlinie 2003/87, zweitens einen Verstoß gegen Art. 176 EG und
drittens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art. 253 EG im Hinblick auf Art. 1 Buchst. a
und Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung.
1. Vorbringen der Klägerin
a) Vorbemerkung
49 Mit ihrem ersten Klagegrund wendet sich die Klägerin gegen die Feststellungen der Kommission in der
angefochtenen Entscheidung, dass die nachträglichen Anpassungen, wie sie im deutschen NZP
vorgesehen seien, mit den Kriterien 5 und 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 unvereinbar seien.
Diese Feststellungen stünden im Widerspruch zu Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang III der
Richtlinie 2003/87, wonach es den Mitgliedstaaten nicht untersagt sei, nachträgliche Anpassungen
vorzunehmen. Im Gegenteil hindere der Standpunkt der Kommission die Mitgliedstaaten daran, der
Richtlinie 2003/87 und insbesondere den in ihrem Anhang III aufgeführten Kriterien effektiv
nachzukommen.
b) Zur Einhaltung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
50 Die Klägerin trägt vor, die angefochtene Entscheidung sei mit Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 unvereinbar, da sie weder dem Wortlaut noch dem Regelungszusammenhang dieses
Kriteriums entspreche. Insbesondere lasse sich diesem Kriterium nicht entnehmen, dass die Zahl der
Zertifikate, die in dem in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 genannten Zeitraum für die einzelnen in
dem NZP bezeichneten Anlagen zuzuteilen seien, ex ante festzulegen sei (fünfter Erwägungsgrund der
angefochtenen Entscheidung).
51 Nach dem Wortlaut von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 sei es nicht untersagt,
nachträgliche Anpassungen vorzunehmen, wenn sich herausstelle, dass einzelne Zuteilungen auf
fehlerhaften Einschätzungen des Betreibers beruhten. Nach diesem Kriterium müsse der NZP eine
Liste der unter die Richtlinie 2003/87 fallenden Anlagen unter Angabe der Anzahl Zertifikate enthalten,
die den einzelnen Anlagen „zugeteilt werden sollen“. Folglich entsprächen die in der Liste
anzugebenden Zuteilungsmengen nur den Mengen, die der Mitgliedstaat voraussichtlich zuzuteilen
„gedenkt“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie. Weder aus der deutschen noch aus anderen
Sprachfassungen der Richtlinie 2003/87 ergebe sich, dass für die in dem NZP bezeichneten Anlagen
ein Anspruch auf Zuteilung exakt so vieler Zertifikate bestehe, wie der Kommission mitgeteilt worden
sei.
52 Zum Regelungszusammenhang von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 ist die Klägerin
der Ansicht, dass nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 aus dem NZP lediglich hervorgehen müsse,
„wie viele Zertifikate [die Mitgliedstaaten] insgesamt für diesen Zeitraum zuzuteilen beabsichtigen und
wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken“. Weiter gehe aus Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie hervor, dass
die Einzelzuteilung der Zertifikate erst nach Beteiligung der Öffentlichkeit und Übermittlung des NZP an
die Kommission und an die anderen Mitgliedstaaten erfolge. Folglich müsse es, da diese Übermittlung
und diese Beteiligung der Öffentlichkeit sonst sinnlos wären, zwischen der Zahl der Zertifikate, die vom
Mitgliedstaat nach Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 „zugeteilt werden sollen“, und
der nach Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie „auf der Grundlage des [NZP]“ tatsächlich zugeteilten Menge
eine Differenz geben können. Daher gehe das Argument der Kommission fehl, dass nach Kriterium 10
des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 jegliche nachträgliche Anpassung der im NZP vorgesehenen
Zuteilungen durch den Mitgliedstaat ausgeschlossen sei. Außerdem setze sich die Kommission mit
ihrer Auffassung in Widerspruch zu Art. 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2216/2004, wonach
nachträgliche Korrekturen der Zuteilungsentscheidungen nach unten ohne weitere Prüfung zulässig
seien, soweit diese Korrekturen auf präziseren Daten beruhten oder im Einklang mit den Verfahren des
nationalen Zuteilungsplans stünden.
53 Zur teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 trägt die
Klägerin vor, der Zweck dieses Kriteriums bestehe, wie die Kommission in ihren Hinweisen ausgeführt
habe, darin, die Transparenz des NZP zu gewährleisten, damit die Unternehmen, die Öffentlichkeit, die
Kommission und die anderen Mitgliedstaaten auf die Mengen an Zertifikaten, die der Mitgliedstaat
voraussichtlich zuzuteilen gedenke, reagieren könnten (Hinweise der Kommission, S. 23). Diese
Auslegung werde durch die in der Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2003/87 für die Einfügung
dieses Kriteriums gegebene Begründung bestätigt, wonach es wichtig sei, „über Daten verfügen zu
können, die einen Überblick, auch in quantitativem Sinne, über die Situation des Handels mit
Emissionsberechtigungen
geben“
(Ausschuss
für
Umweltfragen,
Volksgesundheit
und
Verbraucherpolitik, Sitzungsdokument A5-0303/2002, Teil I, S. 48, Änderungsantrag 73). Die Klägerin
folgert daraus, dass Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 lediglich ein formales
Erfordernis aufstelle, wonach der Mitgliedstaat der Kommission einen NZP zu übermitteln habe, der
eine Liste der unter diese Richtlinie fallenden Anlagen unter Angabe der jeweils intendierten
Einzelzuteilung enthalte. Schließlich habe die Kommission hierzu in ihrer eigenen Anleitung (Hinweise
der Kommission, S. 23 und 24) keine weiteren Anforderungen vorgesehen.
c) Zur Einhaltung von Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
54 Die Klägerin trägt vor, die im deutschen NZP vorgesehenen nachträglichen Anpassungen seien
entgegen der Auffassung der Kommission auch mit Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
vereinbar, wonach der NZP gemäß den Anforderungen des EG-Vertrags bestimmte Unternehmen oder
Tätigkeiten nicht ungerechtfertigt bevorzugen dürfe. Wären die Mitgliedstaaten daran gehindert,
Zertifikate zu entziehen, obwohl sie auf falschen oder übertriebenen Produktionsprognosen beruhten,
z. B. im Fall eines neuen Marktteilnehmers, so würde dies aufgrund der Möglichkeit, überschüssige
Zertifikate gewinnbringend auf dem Markt zu verkaufen, ganz im Gegenteil zu einem ungerechtfertigten
Wettbewerbsvorteil
des
betreffenden
Betreibers
und
damit
zu
ungerechtfertigten
Wettbewerbsnachteilen anderer Betreiber führen. In einer solchen Situation seien nachträgliche
Anpassungen nach unten ein geeignetes und notwendiges Mittel, um solchen Kriterium 5
zuwiderlaufenden Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen und den Vorteil auszugleichen, den neue
Marktteilnehmer dadurch erhielten, dass sich die Zuteilung von Zertifikaten an der von ihnen selbst
prognostizierten Kapazitätsauslastung orientiere.
55 Ohne die Möglichkeit solcher nachträglicher Anpassungen zur Vermeidung von „Überallokationen“
könne die Klägerin ihrer Verpflichtung aus Kriterium 1 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 nicht
nachkommen, wonach sie zu gewährleisten habe, dass die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate
nicht höher sei als der wahrscheinliche Bedarf für die strikte Anwendung der Kriterien dieses Anhangs.
Die Kommission verkenne den grundlegenden Unterschied zwischen nachträglichen Anpassungen
nach unten und nachträglichen Anpassungen nach oben. Während die Letztgenannten gegen Anhang
III der Richtlinie 2003/87 verstießen, soweit damit die zuzuteilende Gesamtmenge überschritten würde
(Kriterium 1), stehe keines der Kriterien nachträglichen Korrekturen nach unten entgegen. Im
Gegenteil erforderten es die Kriterien 1 und 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87, Überzuteilungen
im begründeten Einzelfall zu widerrufen.
56 Schließlich widerspricht die Klägerin dem Argument der Kommission, die Möglichkeit nachträglicher
Anpassungen könne sich zu Lasten der Präzision und der Sorgfalt bei den Vorabkontrollen der von den
Betreibern zur ursprünglichen Zuteilung der Zertifikate vorgelegten Berechnungen und Prognosen
auswirken. Auch wenn nämlich Prognosen auf einer bestmöglichen Abschätzung der künftigen
Kapazitätsauslastung beruhten, könne in Bezug auf sie keine völlige Sicherheit bestehen. Wegen des
Risikos einer überhöhten, d. h. über den tatsächlichen Bedarf des betreffenden Betreibers
hinausgehenden Zuteilung von Zertifikaten sei es daher erforderlich, nachträgliche Anpassungen
vorzunehmen. Zudem müssten die ursprünglichen Prognosen so gewissenhaft und vollständig wie
möglich überprüft werden, da jede anfängliche Überzuteilung zu einer Unterzuteilung bei anderen
Betreibern führen könne.
d) Zum Umfang der Kontrollbefugnis der Kommission nach Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang III
der Richtlinie 2003/87 und zum Spielraum, den diese Richtlinie den Mitgliedstaaten lässt
57 Die Klägerin stellt allgemein in Frage, in welchem Umfang die Kommission den NZP kontrollieren darf.
Nach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 sei die Befugnis der Kommission zur Prüfung des NZP auf den
alleinigen Maßstab der im Anhang III enthaltenen Kriterien und der Bestimmungen des Art. 10 dieser
Richtlinie beschränkt. Eine Ablehnung des NZP sei daher nur insoweit möglich, als er mit diesen
Kriterien oder diesen Bestimmungen unvereinbar sei. Insbesondere sei eine extensive Auslegung von
Kriterium 10 anhand eines Gesamtzusammenhangs und des allgemeinen Systems der Richtlinie
2003/87 unzulässig. Sollte die Kommission die nationalen Zuteilungsregeln aufgrund anderer
Überlegungen beanstanden wollen, müsse sie auf ihre allgemeinen Überwachungsbefugnisse, wie sie
in den Art. 211 EG und 226 EG vorgesehen seien, zurückgreifen.
58 Zudem untersage weder die Richtlinie 2003/87 noch ihr Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit ihrem Anhang
III die Vornahme nachträglicher Anpassungen, da diese den Mitgliedstaaten freigestellt seien. Im
Gegenteil hätte der Ausschluss einer solchen Möglichkeit in Sonderfällen zur Folge, dass die Klägerin
nicht mehr in der Lage wäre, den in Anhang III aufgeführten Kriterien effektiv nachzukommen. Im
Übrigen könnten die Mitgliedstaaten gemäß Art. 9 Abs. l Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2003/87 in
ihren nationalen Zuteilungsplänen neben den Kriterien des Anhangs III zusätzliche Kriterien vorsehen,
solange sie objektiv und transparent seien. Sämtliche nachträglichen Anpassungen des deutschen
NZP erfüllten diese Anforderungen an Objektivität und Transparenz, da jeder Betreiber schon bei der
Zuteilung der Zertifikate erfahre, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihm diese
entzogen werden könnten.
59 Im Übrigen könne aus Art. 29 der Richtlinie 2003/87 kein allgemeines Verbot von Maßnahmen zur
nachträglichen Anpassung nach unten abgeleitet werden, da diese Bestimmung die Möglichkeit, im
Fall höherer Gewalt zusätzliche Zertifikate zu gewähren, lediglich als Ausnahme vorsehe. Art. 29 der
Richtlinie 2003/87 verfolge also das Ziel, die Vergabe zusätzlicher Zertifikate durch die Mitgliedstaaten,
d. h. eine nachträgliche Anpassung nach oben, nach Beginn des Emissionshandels strikt zu
begrenzen, damit es nicht zu einer Erhöhung der in einem Mitgliedstaat zugeteilten Gesamtmenge
komme. Den umgekehrten Fall von nachträglichen Anpassungen nach unten erfasse diese
Bestimmung nicht.
60 Die Klägerin schließt daraus, dass die im deutschen NZP vorgesehenen nachträglichen Anpassungen
mit den Zielen und dem Wortlaut der Richtlinie 2003/87 im Einklang stünden.
e) Zu den ökonomischen Argumenten der Kommission
61 Die Klägerin macht geltend, ihre Auffassung werde entgegen dem Vorbringen der Kommission sowohl
durch die ökologischen als auch durch die wirtschaftlichen Ziele der Richtlinie 2003/87 bestätigt, d. h.,
die Verringerung von Treibhausgasemissionen auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise
(Art. 1 der Richtlinie 2003/87), die Erhaltung der Integrität des Binnenmarktes und der Bedingungen
des Wettbewerbs (siebter Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87) und die Berücksichtigung des
Potenzials bei Tätigkeiten industrieller Verfahren, die Emissionen zu verringern (achter
Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87).
62 Die von der Kommission beanstandeten nachträglichen Anpassungen nach unten dienten nämlich der
Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt, indem sie gegen Missbräuche und gegen
für Wettbewerber schädliche Überzuteilungen Abhilfe böten. Ferner ermöglichten sie die Korrektur bei
fehlerhaften Prognosen, bei von diesen Prognosen abweichenden Reduktionen der Produktionsmenge
und im Fall von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bei umweltpolitisch kontraproduktivem Missbrauch
einer Sonderzuteilung von Zertifikaten.
63 In diesem Zusammenhang widerspricht die Klägerin dem Argument der Kommission, dass die
nachträglichen Anpassungen schädlich für die Sicherheit seien, die Unternehmen bei
Investitionsentscheidungen benötigten, die auf Emissionsreduzierungen abzielten (Mitteilung der
Kommission vom 7. Juli 2004, S. 8). Diese Anpassungen setzten nämlich keine Verringerung der
Emissionen voraus, sondern im Fall der Abweichung von der prognostizierten Produktion eine
Minderung der tatsächlichen Produktion der Anlage. Im Gegenteil förderten die nachträglichen
Anpassungen einen funktionsfähigen Markt und erhöhten die Investitionssicherheit, u. a. bei
Investitionen zur Substitution CO
2
-intensiver Brennstoffe. Sie veranlassten nämlich den Betreiber, seine
Entscheidung, Zertifikate zu verkaufen oder zuzukaufen, von der Effizienz seiner Anlage abhängig zu
machen, und setzten nicht verwendete Zertifikate für neue Anlagen frei. Zudem treffe das Argument
der Kommission nicht zu, dass die nachträglichen Anpassungen und die Rückführung von Zertifikaten
in die Reserve die Investitionsentscheidungen neuer Marktteilnehmer beeinträchtigten, da diese durch
die im NZP festgelegte und in Art. 6 Abs. 3 Zuteilungsgesetz vorgesehene Verpflichtung des Staates
zum Zukauf von Zertifikaten uneingeschränkte Investitionssicherheit erhielten. Die Aufstockung der
Reserve durch Rückflüsse aus diesen Anpassungen diene im Übrigen dazu, den Umfang dieser
Zukaufverpflichtung gering zu halten.
64 Zu dem Argument der Kommission, die nachträglichen Anpassungen seien nicht erforderlich, um
Missbräuche und fehlerhafte Prognosen zu verhindern, und Fehlinformationen müssten bis zur
Zuteilungsentscheidung korrigiert werden, weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Fehlerhaftigkeit
dieser Prognosen erst nach dieser Entscheidung herausstelle, nämlich auf der Grundlage eines
Vergleichs der tatsächlichen mit der ursprünglich prognostizierten Produktion. Unter diesen
Umständen sei die nachträgliche Anpassung das einzige Mittel, um das sich daraus ergebende Risiko
einer Überzuteilung und folglich einer Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Funktionierens des
Emissionshandelssystems zu vermeiden. Überdies unterscheide die Richtlinie 2003/87 insoweit nicht
nach der Schwere des Verschuldens des Betreibers. Folglich seien auch fahrlässige Fehlprognosen
nachträglich zu korrigieren, und die innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung vorsätzlichen
Missbrauchs reichten hierzu entgegen der Auffassung der Kommission nicht aus.
65 Die Klägerin fügt hinzu, dass die einzige von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung als
rechtmäßig anerkannte Maßnahme, nämlich der Widerruf der Zuteilung von Zertifikaten nach der
Stilllegung einer Anlage, ebenfalls eine nachträgliche Anpassung sei. Sie widerspricht insoweit dem
Argument der Kommission, dass mit der Stilllegung einer Anlage diese entfalle und damit kein
Betreiber mehr vorhanden sei. Zum einen ende der rechtliche Bestand eines Betreibers nicht schon
mit der Stilllegung einer Anlage. Zum anderen habe der Betreiber nach deutschem Umweltrecht nach
der Stilllegung weitreichende Nachsorgepflichten. In dieser Situation könnte der Betreiber seine nicht
mehr benötigten Zertifikate aber gewinnbringend veräußern. Daher sei die von der Kommission
unbeanstandete Entziehung der Zertifikate im Fall einer Anlagenstilllegung in Wirklichkeit eine
nachträgliche Anpassung nach unten.
2. Vorbringen der Kommission
a) Zur Bedeutung der Kriterien des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 als Prüfungsmaßstab für die
von der Kommission nach Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie ausgeübte Kontrolle
66 Die Kommission trägt vor, ihre Befugnis zur Kontrolle des NZP, wie sie in Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie
2003/87 vorgesehen sei, beziehe sich insbesondere auf die Kriterien des Anhangs III dieser Richtlinie,
die unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs und des gesamten Systems der Richtlinie
auszulegen seien. Streitgegenstand sei die Vereinbarkeit der angefochtenen Entscheidung mit dieser
Richtlinie und insbesondere mit den Kriterien ihres Anhangs III, deren allgemeiner Zweck es sei, den
Betreibern auf der Grundlage von klaren und feststehenden Zertifikaten einen ökonomischen Anreiz
zur Verringerung ihrer Emissionen zu bieten. Die angefochtene Entscheidung sei rechtmäßig, wenn der
NZP, den sie betreffe, seinerseits nicht mit diesen Kriterien in Einklang stehe. Folglich hänge die
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung wie auch des NZP von der Bedeutung der
genannten Kriterien ab.
b) Zur Vereinbarkeit des deutschen NZP mit Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
67 Die Kommission trägt vor, eine nachträgliche Anpassung sei selbst dann nicht mit Kriterium 10,
ausgelegt im Gesamtzusammenhang der Art. 9 und 11 der Richtlinie 2003/87, vereinbar, wenn sie
nach vorher festgelegten Regeln erfolge. Sei die Zuteilungsentscheidung nach Art. 11 Abs. 1 dieser
Richtlinie einmal ergangen, könne keine solche Anpassung mehr vorgenommen werden. Der Grund
dafür sei, dass die zugeteilten Zertifikate an die Betreiber zu vergeben seien (Art. 11 Abs. 4) und
innerhalb der Gemeinschaft übertragbar seien (Art. 12 Abs. 1). Vom Zeitpunkt der
Zuteilungsentscheidung an komme in vollem Umfang der allgemeine Zweck der Richtlinie 2003/87 zur
Geltung, den Betreibern auf der Grundlage von vorher festgelegten Zertifikaten einen ökonomischen
Anreiz zur Verringerung ihrer Emissionen zu bieten.
68 Zu der von der Klägerin behaupteten Notwendigkeit, Missbrauch und Fehlprognosen zu verhindern,
weist die Kommission zunächst darauf hin, dass Fehlinformationen bis zur Entscheidung über die
Zuteilung nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 noch korrigiert werden könnten. Außerdem seien
mit einem System wie dem von der Klägerin gewählten zwangsläufig gewisse Risiken und – z. B. bei den
Prognosen, die neue Marktteilnehmer abgeben müssten – eine bestimmte Fehlermarge verbunden, die
nicht als Rechtfertigung für eine Missachtung der Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 dienen
könnten. Im Übrigen glaubten außer der Klägerin nur sehr wenige Mitgliedstaaten oder hätten
zunächst geglaubt, auf nachträgliche Anpassungen nicht verzichten zu können. Ohnehin bestünden in
den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung vorsätzlichen Missbrauchs allgemeine Rechtsvorschriften.
69 Gegen das Argument der Klägerin, die nachträglichen Anpassungen nach unten dienten dazu, den
Ausstoß von Treibhausgasen auf das Nötigste zu begrenzen, und leisteten so einen zusätzlichen
Beitrag zum Klimaschutz, wendet die Kommission ein, dass dieser Effekt nur erreichbar sei, wenn
mangels Nachfrage die Reserve nicht aufgebraucht werde und die Zertifikate gelöscht würden. Dann
handele es sich aber nur um eine unbeabsichtigte Nebenfolge, die darauf zurückzuführen sei, dass die
erwartete Anzahl neuer Marktteilnehmer unterschritten werde. Hätte die Klägerin dieses Umweltziel
verfolgen wollen, hätte sie entweder von vornherein zur Vermeidung von Überzuteilungen eine
geringere Gesamtzahl von Zertifikaten oder jedenfalls die sofortige Löschung nachträglich entzogener
Zertifikate vorsehen müssen. Nachträgliche Anpassungen seien unter Umweltgesichtspunkten
neutral, da die Gesamtzahl der Zertifikate unverändert bleibe. Sie könnten jedoch sogar die Anreize
zur Verringerung der Emissionen beseitigen, da die Betreiber die Möglichkeit verlören, die durch ihre
eigenen wirtschaftlichen Entscheidungen, wie etwa solche zur Produktionsdrosselung, freigewordenen
Zertifikate auf dem Handelsmarkt zu veräußern.
70 Die Kommission sieht keinen Widerspruch ihrer Auffassung zu Art. 38 Abs. 2 der Verordnung Nr.
2216/2004, da diese Bestimmung lediglich Korrekturen im Einklang mit der im NZP vorgesehenen
Zuteilungsmethode erlaube und diese Methode ihrerseits mit den Kriterien des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 vereinbar sein müsse. Zudem werde durch die in dieser Bestimmung enthaltene
Verweisung auf Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 lediglich bestätigt, dass die Kriterien des Anhangs
III und die anderen Bestimmungen dieser Richtlinie der maßgebliche Prüfungsmaßstab für die
Beurteilung der Vereinbarkeit des NZP seien.
71 Entgegen den Behauptungen der Klägerin sei die Entziehung von Zertifikaten im Fall von
Anlagenstilllegungen kein Fall nachträglicher Anpassung, da Zertifikate anlagenbezogen seien. Eine
stillgelegte Anlage benötige keine Zertifikate mehr. Folglich entfalle mit der Stilllegung einer Anlage
das Ziel, einen Anreiz zur Verringerung der Emissionen zwecks Freisetzung von Zertifikaten zu schaffen,
und der Mitgliedstaat dürfe folglich diese Zertifikate, die von der stillgelegten Anlage nicht mehr
benötigt würden, entziehen. Daher stelle in einem solchen Fall die Entziehung von Zertifikaten keine
nachträgliche Korrektur dar, die mit den nachträglichen Anpassungen des deutschen NZP
vergleichbar wäre.
c) Zur Vereinbarkeit des deutschen NZP mit Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
72 Nach Auffassung der Kommission ist die angefochtene Entscheidung auch unter dem Blickwinkel von
Kriterium 5 nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit nachträglicher Anpassungen nach unten könne zu
einer ungerechtfertigten Bevorzugung neuer Marktteilnehmer in dem Sinne führen, dass sie eine
höhere Zahl von Zuteilungen erhielten, als es ohne diese Möglichkeit der Fall wäre; dies benachteilige
die anderen Betreiber, für die diese mit der anfänglichen Zuteilung verbundene Korrekturmöglichkeit
nicht bestehe. Da neue Marktteilnehmer selbst das zu erwartende Auslastungsniveau und die zu
erwartende Produktionsmenge schätzen müssten, sei für sie der Anreiz zur Lieferung präziser Daten
und zur Kontrolle geringer, als wenn die Zuteilung von vornherein unwiderruflich festgelegt werde. Eine
zu hohe Erstzuteilung könne jedoch einen neuen Marktteilnehmer ungerechtfertigt bevorzugen, wenn
sich herausstelle, dass er aufgrund höherer Nachfrage mehr Produkte absetzen könne, ohne dass für
den Zukauf von Zertifikaten Zusatzkosten entstünden. Dagegen müsse ein Betreiber einer
bestehenden Anlage für jede zusätzliche Einheit an unerwarteter Produktion Zertifikate auf dem Markt
hinzukaufen.
73 Ein System für den Handel mit Emissionszertifikaten, die einen Mehrjahreszeitraum abdeckten, könne
nur auf der Basis einer maßgeblich auf Prognosen beruhenden Ex-ante-Perspektive effizient
funktionieren. Abgesehen davon, dass die Möglichkeit nachträglicher Anpassungen tendenziell zu
einem Nachlassen der Sorgfalt und der Genauigkeit der Beteiligten im Zeitpunkt der Erstellung des
NZP führe, dürfe aber die endgültige Zuteilung nach der Argumentation der Klägerin erst am Ende der
Zuteilungsperiode vorgenommen werden, wenn alle Informationen über die tatsächlichen Emissionen
verfügbar seien. Daher würden nachträgliche Anpassungen dazu führen, dass die Einhaltung von
Kriterium 5 erst ex post sichergestellt werden könnte. Die nach diesem Kriterium vorzunehmende
Prüfung, ob eine eventuelle Diskriminierung einzelner Anlagen bestehe, müsse jedoch ex ante
erfolgen, d. h., zum Zeitpunkt der Erstellung des NZP oder des Erlasses der Entscheidung der
Kommission. Daraus ergebe sich, dass die nachträglichen Anpassungen der Grundidee und dem
Funktionieren des Zuteilungs- und Emissionshandelssystems zuwiderliefen. Überdies sei es einem auf
Prognosen aufbauenden System immanent, dass die Wirklichkeit, wie sie später eintrete, von den
Prognosen abweiche. Die auf eine Ex-ante-Prüfung gestützte Zuteilungsentscheidung, die
wirtschaftliche Anreize zur Emissionsminderung schaffen solle, dürfe aber durch spätere Entwicklungen
nicht mehr in Frage gestellt werden. Die Entziehung von Zertifikaten, die durch Emissionsminderungen
überflüssig geworden seien, aber gleichwohl verkauft werden könnten, sei nämlich gleichbedeutend
mit der Beseitigung eines Teils des Anreizes zu solchen Minderungen. Dadurch würde die Effektivität
des Emissionshandelssystems entscheidend beeinträchtigt.
74 Dabei mache es keinen Unterschied, ob sich die nachträglichen Anpassungen insoweit auf das
Emissions- oder das Produktionsvolumen bezögen, da diese beiden Parameter positiv miteinander
korrelierten: Sie beeinflussten parallel die wirtschaftliche Entscheidung, den Gewinn aus der
Produktion der Anlage zu maximieren. Durch Bindung der nachträglichen Anpassungen an das
Produktionsvolumen werde Unsicherheit in das wirtschaftliche Kalkül hineingetragen, ob es sich lohne,
die Emissionen über Effizienzverbesserungen oder über die Reduzierung des Produktionsvolumens zu
senken, um überschüssige Zertifikate verkaufen zu können. Dagegen veranlasse diese durch die
nachträglichen Anpassungen geschaffene Unsicherheit die Betreiber der Anlagen dazu, weniger in
saubere Produktionstechnologien zu investieren und von einer wesentlicheren Reduktion ihrer
Produktion abzusehen. Dies sei jedoch gerade das, was die Kommission vermeiden wolle. Zudem habe
diese Beeinträchtigung des Anreizmechanismus möglicherweise sogar negative Umwelteffekte,
während die von der Klägerin behaupteten etwaigen positiven Umwelteffekte nur unter besonderen
hypothetischen Umständen einträten, insbesondere wenn es nicht genug neue Marktteilnehmer gebe.
75 Zum Argument der Klägerin, entzogene Zertifikate würden der Reserve zugeführt und so neuen
Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt, trägt die Kommission vor, die Klägerin müsse, wenn sie eine
Erhöhung der Reserve für erforderlich halte, im deutschen NZP von vornherein eine umfangreichere
Reserve vorsehen. Zudem sei die Menge der aus nachträglichen Anpassungen gewonnenen
Zertifikate
ungewiss
und
gewähre
daher
den
neuen
Marktteilnehmern,
wenn
sie
Investitionsentscheidungen träfen, keine zusätzliche Rechtssicherheit. Im Übrigen bestätige die im NZP
und in § 6 Abs. 3 ZuG vorgesehene Möglichkeit, die Reserve durch Zertifikatkäufe einer privaten Stelle
und kostenlose Abgabe an die mit der Reservehaltung betrauten Behörde aufzustocken, dass die
Zuführung von Zertifikaten in die Reserve mittels nachträglicher Anpassungen nicht erforderlich sei.
Schließlich sei eine Reserve für neue Marktteilnehmer nicht unerlässlich, da diese sich die
erforderlichen Zertifikate am Markt besorgen könnten (siehe auch Hinweis Nr. 56 der Kommission).
76 Aus all diesen Gründen ist die Kommission der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung mit den
Kriterien des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 im Einklang stehe und der Klagegrund des Verstoßes
gegen Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang III der Richtlinie 2003/87 zurückzuweisen sei.
1. Zur Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den
Mitgliedstaaten und zum Umfang der gerichtlichen Nachprüfung
77 Vorab ist daran zu erinnern, dass die Klägerin hauptsächlich geltend macht, die im deutschen NZP
vorgesehenen nachträglichen Anpassungen verstießen entgegen den Feststellungen der Kommission
in der angefochtenen Entscheidung weder gegen Kriterium 5 noch gegen Kriterium 10 des Anhangs III
der Richtlinie 2003/87. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien insbesondere über die Frage,
ob
diese
nachträglichen
Anpassungen
das
ordnungsgemäße
Funktionieren
des
Emissionshandelssystems behindern oder nicht, und folglich darüber, ob diese Kriterien mit den Zielen
und der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2003/87, in deren Licht sie zu verstehen sind, vereinbar
sind. In diesem Zusammenhang hat das Gericht die Grenzen zwischen dem Umfang der Kontroll- und
Entscheidungsbefugnisse der Kommission insbesondere nach der Richtlinie 2003/87, einerseits, und
dem Umfang des Spielraums, über den der Mitgliedstaat bei der Umsetzung der Richtlinie in das
nationale Recht im Einklang mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts verfügt, andererseits, zu
berücksichtigen.
78 Zur Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten
bei der Umsetzung einer Richtlinie im Bereich Umwelt bestimmt Art. 249 Abs. 3 EG: „Die Richtlinie ist für
jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich,
überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ Daraus ergibt sich,
dass, wenn in einer Richtlinie die Form und die Mittel für die Erreichung eines bestimmten Ziels nicht
vorgegeben sind, die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Wahl der für die Erreichung dieses
Ziels geeigneten Formen und Mittel grundsätzlich unbeschränkt bleibt. Die Mitgliedstaaten sind jedoch
im Rahmen der ihnen durch Art. 249 Abs. 3 EG zuerkannten Freiheit verpflichtet, diejenigen Formen
und Mittel zu wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinien am
geeignetsten sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. September 2005, Yonemoto, C‑40/04, Slg. 2005,
I‑7755, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner ergibt sich daraus, dass bei
Fehlen einer klaren und genauen gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe der Form und der Mittel, die die
Mitgliedstaaten zu verwenden haben, es der Kommission im Rahmen der Ausübung ihrer
Kontrollbefugnis u. a. nach den Art. 211 EG und 226 EG obliegt, rechtlich hinreichend zu beweisen,
dass die vom Mitgliedstaat hierzu eingesetzten Instrumente gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen.
79 Zudem kann nur unter Anwendung dieser Grundsätze das in Art. 5 Abs. 2 EG verankerte
Subsidiaritätsprinzip gewahrt werden, das die Gemeinschaftsorgane bei der Wahrnehmung ihrer
Regelungsaufgaben zu beachten haben und das beim Erlass der Richtlinie 2003/87 als beachtet gilt
(30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87). Nach diesem Prinzip wird die Gemeinschaft in den
Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele
der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht
werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf
Gemeinschaftsebene erreicht werden können. In einem Bereich wie dem der Umwelt, der in den
Art. 174 EG bis 176 EG geregelt ist und in dem die Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der
Mitgliedstaaten geteilt sind, obliegt daher die Beweislast dafür, in welchem Umfang die
Zuständigkeiten des Mitgliedstaats und damit sein Spielraum unter Berücksichtigung der oben in
Randnr. 78 genannten Voraussetzungen beschränkt sind, der Gemeinschaft, d. h. im vorliegenden Fall
der Kommission.
80 Zur Kontrollbefugnis der Kommission nach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 ist klarzustellen, dass
die Kommission, obwohl der Mitgliedstaat für die Umsetzung dieser Richtlinie über einen gewissen
Spielraum verfügt, zum einen ermächtigt ist, nachzuprüfen, ob die Maßnahmen des Mitgliedstaats mit
den Kriterien des Anhangs III und den Bestimmungen des Art. 10 der Richtlinie 2003/87 im Einklang
stehen, und zum anderen bei der Ausübung dieser Kontrolle selbst über ein Ermessen verfügt, soweit
diese Kontrolle komplexe wirtschaftliche und ökologische Bewertungen erfordert, bei denen der
allgemeine Zweck einer Verringerung von Treibhausgasemissionen mittels eines kosteneffizienten und
wirtschaftlich effizienten Emissionshandelssystems zu berücksichtigen ist (Art. 1 und fünfter
Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87).
81 Folglich prüft der Gemeinschaftsrichter im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit in diesem
Zusammenhang umfassend nach, ob die Kommission die maßgeblichen Rechtsvorschriften, deren
Bedeutung anhand der von der Rechtsprechung anerkannten Auslegungsmethoden zu bestimmen ist,
ordnungsgemäß angewandt hat. Dagegen darf sich das Gericht nicht an die Stelle der Kommission
setzen, wenn sie in diesem Zusammenhang komplexe wirtschaftliche und ökologische Bewertungen
anzustellen hat. Es hat sich hierbei auf die Prüfung zu beschränken, ob die fragliche Maßnahme mit
einem offensichtlichen Irrtum oder Ermessensmissbrauch behaftet ist, ob die zuständige Behörde die
Grenzen ihres Ermessensspielraums offensichtlich überschritten hat und ob die Verfahrensgarantien,
denen in diesem Zusammenhang eine umso größere Bedeutung zukommt, vollauf beachtet worden
sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat,
T‑13/99, Slg. 2002, II‑3305, Randnrn. 166 und 171, und Alpharma/Rat, T‑70/99, Slg. 2002, II‑3495,
Randnrn. 177 und 182, sowie vom 21. Oktober 2003, Solvay Pharmaceuticals/Rat, T‑392/02, Slg. 2003,
II‑4555, Randnr. 126).
82 Zur hier fraglichen Kontrolle der Vereinbarkeit der streitigen nachträglichen Anpassungen u. a. mit
den Kriterien 5 und 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87, die von der Kommission nach Art. 9
Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 ausgeübt wird, ist hervorzuheben, dass zur Ausübung dieser Kontrolle in
erster Linie die Bedeutung der maßgeblichen Rechtsvorschriften bestimmt werden muss und erst in
zweiter Linie komplexe wirtschaftliche und ökologische Bewertungen erforderlich sind, insbesondere
wenn die praktischen Auswirkungen dieser Anpassungen auf das Funktionieren des
Emissionshandelssystems zu beurteilen sind. Daher ist zunächst zu prüfen, ob die Kommission bei der
Ausübung dieser Kontrolle die Grenzen der maßgeblichen Rechtsvorschriften, wie diese vom Gericht
ausgelegt werden, beachtet hat, um festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung mit einem
Rechtsfehler behaftet ist. Erst danach, wenn sich erweist, dass die Kommission die maßgeblichen
Rechtsvorschriften richtig angewandt oder dass sie die Beweise erbracht hat, die ihr nach den oben in
den Randnrn. 78 und 79 angeführten Beweislastregeln obliegen, stellt sich die Frage, ob ihre
Beurteilung in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nachvollziehbar oder offensichtlich fehlerhaft
ist.
83 Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Frage der Zulässigkeit der streitigen
nachträglichen Anpassungen in der Richtlinie 2003/87 nicht ausdrücklich behandelt wird. Unter diesen
Umständen ist davon auszugehen, dass diese Anpassungen unter die Freiheit der Mitgliedstaaten bei
der Wahl der Formen und Mittel zur Umsetzung dieser Richtlinie fallen und es daher der Kommission
obliegt, zu beweisen, dass diese Anpassungen die praktische Wirksamkeit ihrer Bestimmungen
beeinträchtigen könnten.
84 Das Gericht hält es für angebracht, zuerst die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im
Hinblick auf die Zulässigkeit bestimmter nachträglicher Anpassungen nach Kriterium 10 des Anhangs
III der Richtlinie 2003/87 zu prüfen, da die Bedeutung dieses Kriteriums, wie die Kommission sie
versteht, untrennbar mit der Frage der Vereinbarkeit dieser Anpassungen mit den Zielen und der
allgemeinen Systematik des Emissionshandelssystems nach der genannten Richtlinie zusammenhängt.
2. Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf Kriterium 10 des Anhangs III
der Richtlinie 2003/87
a) Zu den streitigen nachträglichen Anpassungen
85 Vorab ist in Erinnerung zu rufen, welche nachträglichen Anpassungen nach Ansicht der Kommission
gegen Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 verstoßen.
86 Insoweit scheint die Kommission in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung auf den ersten Blick
sämtliche in diesem Artikel aufgezählten nachträglichen Anpassungen für unvereinbar mit Kriterium 10
des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 zu erklären. Aus den Erwägungsgründen 4 bis 6 der
angefochtenen Entscheidung, in deren Licht der verfügende Teil zu verstehen ist (vgl. in diesem Sinne
Urteil des Gerichtshofs vom 12. Mai 2005, Kommission/Griechenland, C‑415/03, Slg. 2005, I‑3875,
Randnr. 41, und Urteil des Gerichts vom 18. Januar 2005, Confédération nationale du Crédit
mutuel/Kommission, T‑93/02, Slg. 2005, II‑143, Randnr. 74), geht jedoch hervor, dass diese Beurteilung
nicht für nachträgliche Anpassungen für neue Marktteilnehmer, wie sie in Art. 1 Buchst. a der
angefochtenen Entscheidung genannt sind, gilt, die nach Ansicht der Kommission lediglich gegen
Kriterium 5 verstoßen. Daher ist, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat
(Sitzungsprotokoll, S. 2), der Einleitungssatz von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung wie folgt zu
verstehen:
„Folgende Elemente des deutschen [NZP] sind mit den Kriterien 5 und/oder 10 von Anhang III der
Richtlinie 2003/87/EG unvereinbar …“
87 In Art. 1 Buchst. b und im fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erklärt die
Kommission die aufgrund der Übertragungsregel vorgenommenen nachträglichen Anpassungen für
rechtswidrig. Die Kommission beanstandet zwar die Übertragungsregel nicht als solche, soweit sie
einem Betreiber einer neuen Anlage die Übertragung der Zertifikate einer von ihm früher betriebenen
und dann stillgelegten Anlage gestattet (siehe insbesondere die Mitteilung der Kommission vom 7. Juli
2004, Nr. 3.3), verweigert aber solchen Anpassungen die Anerkennung als rechtmäßig, wenn die
Produktionskapazität der neuen Anlage unter der der stillgelegten Anlage liegt.
88 In der ersten Alternative des Art. 1 Buchst. c und des sechsten Erwägungsgrundes der
angefochtenen Entscheidung erklärt die Kommission ferner die nachträglichen Anpassungen für
rechtswidrig, die vorgenommen werden, weil die Kapazitätsauslastung der Anlage geringer ist als vom
Betreiber prognostiziert. Nach den zusätzlichen Erläuterungen in der Mitteilung der Kommission vom 7.
Juli 2004 (S. 8, letzter Absatz) betrifft eine solche Rechtswidrigkeit nur die nachträglichen Anpassungen
für Anlagen, die ihren Betrieb seit dem 1. Januar 2003 aufgenommen haben, und nicht die
nachträglichen Anpassungen für neue Marktteilnehmer. In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des
Gerichts hat die Kommission diese Auslegung bestätigt, dabei jedoch ausgeführt, dass diese
Rechtswidrigkeit in ihrer Mitteilung vom 7. Juli 2004 versehentlich nur für nachträgliche Anpassungen
für Anlagen bejaht worden sei, die ihren Betrieb seit dem 1. Januar 2003 aufgenommen hätten, und
dass die angefochtene Entscheidung daher auch die nachträglichen Anpassungen für vor diesem
Zeitpunkt in Betrieb genommene Anlagen erfasse.
89 Im Übrigen erklärt die Kommission in der zweiten Alternative des Art. 1 Buchst. c und des sechsten
Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung, wie sie in der mündlichen Verhandlung
berichtigt worden sind (siehe oben, Randnr. 40), die nachträglichen Anpassungen nach unten für
rechtswidrig, die für den Fall vorgesehen sind, dass die jährlichen Emissionen der Anlage weniger als
60 % ihrer Emissionen im Basiszeitraum betragen (De-facto-Stilllegung).
90 In der dritten Alternative des Art. 1 Buchst. c und des sechsten Erwägungsgrundes der
angefochtenen Entscheidung erklärt die Kommission schließlich die nachträglichen Anpassungen der
Sonderzuteilung von Zertifikaten für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen für rechtswidrig, die vorgenommen
werden, wenn das Volumen der erzeugten Elektrizität unter dem der Basisperiode liegt.
91 Allgemeiner ergibt sich aus den Erwägungsgründen 4 und 5 der angefochtenen Entscheidung und
aus Nr. 3.2 Absatz 1 der Mitteilung der Kommission vom 7. Juli 2004 (siehe oben, Randnr. 41), dass
nach Auffassung der Kommission die Zahl der in einem NZP den einzelnen Anlagen zuzuteilenden
Zertifikate vor der ersten Zuteilungsperiode festgelegt werden muss und jedenfalls nach Erlass der
Entscheidung nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 durch den Mitgliedstaat nicht mehr geändert
werden kann. Die Klägerin behauptet dagegen im Wesentlichen, dass Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 nur eine formale Bedingung enthalte, nach der dem NZP eine Liste der Anlagen mit
Angabe der jeweiligen Menge an Zertifikaten, die der Mitgliedstaat voraussichtlich zuzuteilen gedenke,
beigefügt werden müsse, und dass sich die Zahl der auf diese Weise jeweils zugeteilten Zertifikate in
einer späteren Phase der Durchführung der Zuteilungsentscheidung nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie
2003/87 ändern könne.
92 Um die Argumente der Parteien auf ihre Richtigkeit zu prüfen, hält es das Gericht für geboten, die
Bedeutung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 durch eine wörtliche, historische,
systematische und teleologische Auslegung zu bestimmen (vgl. zur Methode Urteile des Gerichts vom
20. November 2002, Lagardère und Canal+/Kommission, T‑251/00, Slg. 2002, II‑4825, Randnrn. 72 ff.,
und vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und
T‑23/02, Slg. 2005, II‑4065, Randnr. 41 ff.).
b) Zur wörtlichen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
93 Zunächst ist durch wörtliche Auslegung zu bestimmen, ob der Wortlaut von Kriterium 10 des Anhangs
III der Richtlinie 2003/87 den im deutschen NZP vorgesehenen Maßnahmen zur nachträglichen
Anpassung entgegensteht.
94 Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 wie
folgt lautet: „Der [NZP] muss eine Liste der unter diese Richtlinie fallenden Anlagen unter Angabe der
Anzahl Zertifikate enthalten, die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen.“ Danach geht aus
dem Wortlaut dieses Kriteriums hervor, dass der NZP eine Liste der unter die Richtlinie 2003/87
fallenden Anlagen enthalten muss und dass in dieser Liste für jede einzelne Anlage die Zahl der
Zertifikate angegeben sein muss, „die … zugeteilt werden sollen“. Daher ist insbesondere zu
untersuchen, welche Bedeutung der Wendung „die … zugeteilt werden sollen“ zukommt.
95 Im Rahmen einer wörtlichen Auslegung ist zu berücksichtigen, dass Gemeinschaftsrechtstexte in
mehreren Sprachen abgefasst werden und dass die verschiedenen Sprachfassungen gleichermaßen
verbindlich sind; die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts setzt daher einen Vergleich
der Sprachfassungen voraus (Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 1982, Cilfit, 283/81, Slg. 1982,
3415, Randnr. 18). Die in der französischen Fassung gebrauchte Wendung „que l’on souhaite …
allouer“ findet sich entsprechend auch in der spanischen („que se prevé asignar“) und der
portugiesischen Fassung („que se pretende de atribuir“); alle drei drücken aus, dass die Zuteilung an
die einzelnen Anlagen subjektiven, mit einem bestimmten Maß an Willensfreiheit verbundenen
Charakter hat. Dieser Charakter wird zu einer bloßen Absicht abgeschwächt in der englischen
(„intended to be allocated“), der dänischen („hensigten“), der finnischen („aiotaan myöntää“) und der
schwedischen Fassung („som avses“), wo diese Wendung einen etwas anderen Sinn, nämlich „deren
Zuteilung der Mitgliedstaat beabsichtigt“, hat. In der deutschen („zugeteilt werden sollen“) und der
niederländischen Fassung („bestemd om te worden toegewezen“) mit der Bedeutung „zur Zuteilung
bestimmt“ hat die Zuteilung der Emissionszertifikate an die einzelnen Anlagen eher neutralen und
objektiven Charakter. Dieser neutrale und objektive Charakter wird in der griechischen („pou prokeitai
na diatethoun“) und der italienischen Fassung („saranno assegnate“) noch etwas stärker betont, in
denen die individuelle Zuteilung der Emissionszertifikate einfach als zukünftiges Ereignis dargestellt
wird („zugeteilt werden“).
96 Dieser Befund lässt erhebliche Nuancen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen von Kriterium
10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87, die alle verbindlich sind, erkennen. Je nach den verwendeten
Begriffen hat die individuelle Zuteilung von Emissionszertifikaten eher subjektiven und
Absichtscharakter oder aber mehr oder weniger objektiven und neutralen Charakter. Folglich sprechen
diese Sprachfassungen in ihrer Gesamtheit weder für den Standpunkt der Kommission, wonach im NZP
und in der Zuteilungsentscheidung für die einzelnen aufgeführten Anlagen die endgültige Zahl der
zuzuteilenden Zertifikate angegeben sein muss, noch für den Standpunkt der Klägerin, wonach die
Mitgliedstaaten insoweit über ein weites Ermessen verfügen. Nach den genannten Wendungen kann
jedoch auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten
eine bestimmte Flexibilität oder sogar ein bestimmtes Ermessen eröffnen wollte, indem er ihnen die
Möglichkeit ließ, die in der Liste der Anlagen im Anhang des NZP vorgesehene Zahl der Zertifikate
nach der Umsetzung der Richtlinie 2003/87 zu ändern.
97 Daher ist diese wörtliche Auslegung und dieser Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen von
Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 um eine historische Auslegung zu ergänzen.
c) Zur historischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
98 In der Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2003/87 erscheint Kriterium 10 ihres Anhangs III erst
relativ spät, nämlich im Rahmen des Gemeinsamen Standpunkts (EG) Nr. 28/2003 des Rates vom 18.
März 2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/87 (ABl. C 125E, S. 72). Wie von der Klägerin
vorgetragen, wurde dieses Kriterium in den Richtlinienentwurf auf einen Änderungsantrag des
Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik des Europäischen Parlaments
vom 13. September 2002 eingefügt, der damit begründet war, dass „[e]s … wichtig [ist], über Daten
verfügen zu können, die einen Überblick, auch in quantitativem Sinne, über die Situation des Handels
mit Emissionsberechtigungen geben“ (Sitzungsdokument A5-0303/2002, Teil I, S. 48, Änderungsantrag
73).
99 Folglich erbringt die historische Auslegung keine zusätzlichen Gesichtspunkte, die zu einer Änderung
der oben in Randnr. 96 gezogenen Schlussfolgerung führen könnten.
100 Es bedarf daher einer systematischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie
2003/87.
d) Zur systematischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
Zu den maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 und der Verordnung Nr. 2216/2004
i) Zu den Art. 9 und 11 der Richtlinie 2003/87
101 Im Rahmen der systematischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 ist
zunächst auf Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 zu verweisen, der die Rechtsgrundlage für die
Aufstellung der NZP durch die Mitgliedstaaten bildet. Dort ist insbesondere vorgesehen, dass „[d]ie
Mitgliedstaaten … einen [NZP] auf[stellen], aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für
diesen Zeitraum zuzuteilen beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken“, und dass
„[d]ieser Plan … auf objektive und transparente Kriterien zu stützen [ist], einschließlich der in Anhang
III genannten Kriterien, wobei die Bemerkungen der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen
sind“.
102 Insoweit ist festzustellen, dass hinsichtlich der Frage, ob die Zuteilung der Zertifikate durch die
Mitgliedstaaten im NZP endgültig oder aber nur vorläufig ist, der in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87
verwendete Ausdruck („zuzuteilen beabsichtigen“) in allen oben in Randnr. 95 geprüften
Sprachfassungen im Wesentlichen der Wendung entspricht, die in Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 gebraucht wird („zugeteilt werden sollen“). Diese Wendungen müssen jedoch nicht
bedeuten, dass die Mitgliedstaaten für die Umsetzung über einen weiten Handlungsspielraum
verfügen. Sie können auch als Konsequenz dessen aufgefasst werden, dass der NZP einer Kontrolle
durch die Kommission nach 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 unterliegt und dass daher jede in der dem
NZP beigefügten Liste der Anlagen vorgesehene – und damit vom Mitgliedstaat „beabsichtigte“ –
Zuteilung von Zertifikaten nur vorläufig ist, bis die Kommission sie akzeptiert oder sie ablehnt und
dabei Änderungen verlangt.
103 Sodann ist auf Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 zu verweisen, wonach „die Kommission den [NZP]
oder einen Teil davon ablehnen [kann], wenn er mit den in Anhang III aufgeführten Kriterien oder mit
Artikel 10 unvereinbar ist“, und „[d]er Mitgliedstaat … eine Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 1 …
nur dann [trifft], wenn Änderungsvorschläge von der Kommission akzeptiert werden“. Ferner ist an den
Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 zu erinnern, wonach „jeder Mitgliedstaat über die
Gesamtzahl der Zertifikate, die er … zuteilen wird, [entscheidet] sowie über die Zuteilung dieser
Zertifikate an die Betreiber der einzelnen Anlagen“. Ferner heißt es in dieser Bestimmung, dass
„[d]iese Entscheidung … auf der Grundlage des … [NZP], … unter angemessener Berücksichtigung
der Bemerkungen der Öffentlichkeit [getroffen wird]“.
104 In diesem Zusammenhang sind die einzelnen Abschnitte des in Art. 9 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit
Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 beschriebenen Verfahrens in Erinnerung zu rufen. Art. 9 Abs. 3
sieht nämlich mehrere Abschnitte vor, und zwar die Übermittlung des NZP, dessen Fertigstellung und
den Erlass der Zuteilungsentscheidung durch den Mitgliedstaat. Er sieht zudem für die Kommission
mindestens zwei Gelegenheiten vor, den NZP zu kontrollieren und abzulehnen. Der erste, unerlässliche
Verfahrensabschnitt besteht in der ersten Übermittlung des NZP durch den Mitgliedstaat nach Art. 9
Abs. 1 und der Prüfung des NZP durch die Kommission. Diesem ersten Abschnitt folgt gegebenenfalls
ein zweiter. In diesem kann der NZP geändert werden, und zwar auf Verlangen der Kommission oder
auf Vorschlag des Mitgliedstaats, der von der Kommission akzeptiert oder abgelehnt werden kann. Erst
nach Abschluss des ersten – und gegebenenfalls des zweiten – Abschnitts darf der Mitgliedstaat im
Rahmen eines dritten Abschnitts und auf der Grundlage seines NZP seine Entscheidung über die
Zuteilung der Zertifikate nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 erlassen (Urteil des Gerichts vom
23. November 2005, Vereinigtes Königreich/Kommission, T‑178/05, Slg. 2005, II‑4807, Randnr. 56). Im
Übrigen ergibt sich aus den Art. 9 Abs. 1 und 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 für den Mitgliedstaat die
Verpflichtung, „die Bemerkungen der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen“, und zwar sowohl
im NZP, d. h., nach einer ersten öffentlichen Anhörung, als auch in der Zuteilungsentscheidung, die
nach einer zweiten öffentlichen Anhörung ergeht. Hierzu heißt es in Kriterium 9 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87: „Der [NZP] muss Vorschriften für die Möglichkeit von Bemerkungen der
Öffentlichkeit sowie Angaben darüber enthalten, wie diese Bemerkungen angemessen berücksichtigt
werden, bevor eine Entscheidung über die Zuteilung der Zertifikate getroffen wird.“
105 In Anbetracht des Vorstehenden weist das Gericht erstens darauf hin, dass die
Zuteilungsentscheidung des Mitgliedstaats nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 im Rahmen
dieser Richtlinie keiner besonderen Prüfung durch die Kommission wie der in Art. 9 dieser Richtlinie für
den NZP vorgesehenen mehr unterliegt. Dass Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 den Mitgliedstaat
verpflichtet, seine Zuteilungsentscheidung auf der Grundlage seines NZP zu treffen, wie dieser von der
Kommission nach Art. 9 der Richtlinie 2003/87 geprüft und gegebenenfalls auf deren Verlangen
geändert worden ist, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass eine spätere Änderung der
individuellen Zuteilungen von Zertifikaten nicht mehr möglich wäre. Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 a. E. in
Verbindung mit Kriterium 9 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 hängt nämlich der Inhalt der
Zuteilungsentscheidung auch von der zweiten öffentlichen Anhörung ab. Diese findet jedoch erst nach
der Prüfung des übermittelten NZP durch die Kommission statt und muss zu einer Änderung der
Zuteilung, die der Mitgliedstaat in seiner Zuteilungsentscheidung festzulegen beabsichtigt, führen
können, da sonst dieser Anhörung ihr Zweck genommen würde und die Bemerkungen der
Öffentlichkeit rein theoretischen Wert hätten (Urteil Vereinigtes Königreich/Kommission, oben in
Randnr. 104 angeführt, Randnr. 57). Folglich könnte zwar grundsätzlich jede Änderung des
wesentlichen Rahmens des NZP nach Abschluss des Prüfungsverfahrens nach Art. 9 Abs. 3 der
Richtlinie 2003/87 das damit eingeführte System der Vorabkontrolle wirkungslos machen, doch würde
durch ein absolutes Verbot, im NZP festgesetzte individuelle Zuteilungen zu ändern, die praktische
Wirksamkeit der zweiten öffentlichen Anhörung beeinträchtigt, wie sie nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 a. E.
in Verbindung mit Kriterium 9 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 vorgesehen ist (vgl. in diesem
Sinne Urteil Vereinigtes Königreich/Kommission, oben in Randnr. 104 angeführt, Randnr. 58). Zudem
scheint die Kommission selbst, wie aus ihren Hinweisen Nrn. 93, 95 und 96 hervorgeht, von dem
Grundsatz auszugehen, dass angesichts des zwingenden Charakters der Einbeziehung der
Öffentlichkeit etwaige Änderungen, die sich nach der zweiten öffentlichen Anhörung als erforderlich
erwiesen, in den NZP eingearbeitet werden können, sofern der Mitgliedstaat die Kommission vor Erlass
der genannten Entscheidung davon unterrichtet.
106 Zweitens ist hervorzuheben, dass die relevante Passage von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87
(„entscheidet jeder Mitgliedstaat über die Gesamtzahl der Zertifikate, die er … zuteilen wird, sowie
über die Zuteilung dieser Zertifikate an die Betreiber der einzelnen Anlagen“) eher offen und
zukunftsgerichtet formuliert ist und dass diese Bestimmung eine spätere Änderung der Zahl der
individuell zugeteilten Zertifikate, wie sie in der dem NZP beigefügten Liste genannt ist, nicht
ausdrücklich verbietet. Ebenso verweist Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87, in dem die
Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines NZP festgelegt sind, nicht ausschließlich auf die
Kriterien des Anhangs III dieser Richtlinie, sondern gestattet es, den NZP auf andere
Zuteilungskriterien zu stützen, sofern diese „objektiv und transparent“ sind. Da gemäß Art. 11 Abs. 1
spätere Änderungen der individuellen Zuteilung nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind, ergibt sich
daraus zum einen, dass der NZP und die Zuteilungsentscheidung eine solche Änderungsmöglichkeit
ausdrücklich vorsehen können, sofern die Kriterien für ihre Durchführung objektiv und transparent
sind. Da diese zusätzlichen Kriterien nicht solche des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 sind, ergibt
sich daraus zum anderen, dass die Kontrollbefugnis der Kommission nach Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie
notwendigerweise beschränkt und auf die Frage begrenzt ist, ob diese – vom Mitgliedstaat in
Ausübung des ihm bei der Umsetzung der Richtlinie zugestandenen Ermessens eingeführten –
zusätzlichen Kriterien die Voraussetzungen der Objektivität und Transparenz erfüllen. Dem ist
hinzuzufügen, dass eine spätere, nach der Zuteilungsentscheidung im Sinne des Art. 11 Abs. 1 der
Richtlinie 2003/87 erfolgende Änderung der individuellen Zuteilungen von Zertifikaten nicht zur Folge
hat, dass die Kommission jede Kontrollmöglichkeit verliert. Dies beruht auf der ständigen Aufsicht, die
sie
dank
der
in
der
Verordnung
Nr.
2216/2004
vorgesehenen
Verwaltungs-
und
Überprüfungsinstrumente ausübt, und ihrer allgemeinen Aufsichtszuständigkeit gemäß den Art. 211
EG und 226 EG, die es ihr gestattet, im Fall eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht jederzeit tätig
zu werden.
ii) Zu Art. 29 der Richtlinie 2003/87
107 Gemäß Art. 29 der Richtlinie 2003/87 kann ausnahmsweise und abweichend von der vorgesehenen
Gesamtmenge an Zertifikaten die Zahl der individuell zugeteilten Zertifikate später erhöht werden.
Dies bestätigt, dass der Mitgliedstaat grundsätzlich nicht berechtigt ist, zusätzliche Zertifikate
zuzuteilen. Die Richtlinie 2003/87 enthält jedoch keine ausdrückliche Bestimmung, wonach der
Spielraum des Mitgliedstaats bei der Verwaltung der individuellen Zuteilung von Zertifikaten
beschränkt wäre, sofern diese nicht zu einer Erhöhung, sondern ausschließlich zu einer nachträglichen
Korrektur nach unten führt. Im letztgenannten Fall besteht nämlich keine Gefahr, dass über die im NZP
vorgesehene Gesamtzahl hinaus Zertifikate zugeteilt werden, was gegen die Verpflichtung des
Mitgliedstaats zur Verringerung der Emissionen verstoßen würde. In diesem Zusammenhang ist
außerdem hervorzuheben, dass die Klägerin bei der Beantwortung eines Fragebogens der Kommission
während des Verwaltungsverfahrens darauf hingewiesen hat, dass die nach Art. 11 Abs. 1 der
Richtlinie 2003/87 erlassene Zuteilungsentscheidung entgegen dem ursprünglich mitgeteilten NZP
lediglich nachträgliche Anpassungen nach unten enthielt und keine Maßnahmen, durch die individuelle
Zuteilungen erhöht wurden (siehe oben, Randnr. 34).
iii) Zu Art. 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2216/2004
108 Wie von der Kommission vorgetragen, stellt Art. 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2216/2004 lediglich eine
Verfahrensregelung technischer Art dar, die der ordnungsgemäßen Verwaltung und der zentralen
Führung des standardisierten und gesicherten Registrierungssystems auf europäischer Ebene dient,
das u. a. die nationalen Zuteilungstabellen mit den Daten der einzelnen von den Mitgliedstaaten
übermittelten NZP enthält. Diese Regelung legt die Voraussetzungen fest, unter denen Korrekturen
gemeldet und in die nationale Zuteilungstabelle übernommen werden können, wobei diese
Korrekturen jedoch die Wahrung des in Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 vorgesehenen Verfahrens
der Übermittlung und der Kontrolle durch die Kommission voraussetzen. Folglich besagen diese
Änderungsmöglichkeiten nichts darüber, ob die fraglichen Korrekturen rechtmäßig oder gerechtfertigt
sind, und sie haben jedenfalls keinen Einfluss auf die Bedeutung der verschiedenen maßgeblichen
Bestimmungen der Richtlinie 2003/87. Dagegen bestätigt die Formulierung in Art. 38 Abs. 2 Satz 2 der
Verordnung Nr. 2216/2004 „befindet … sich [diese Korrektur] im Einklang mit den Verfahren des
[NZP]“ zumindest mittelbar, dass eine nachträgliche Änderung möglich ist, vorausgesetzt, die Methode
für eine solche Korrektur ist im NZP selbst ausdrücklich geregelt. Der genannten Regelung liegt damit
die Annahme zugrunde, dass der Mitgliedstaat im NZP Korrekturmechanismen vorsehen kann, sofern
sie objektiv und transparent im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 sind.
Zur Bedeutung der Hinweise der Kommission
i) Zur Selbstbeschränkungswirkung der Hinweise der Kommission
109 Soweit die Hinweise der Kommission als Teil des maßgeblichen rechtlichen Rahmens angesehen
werden können, ist ihre Tragweite zu beurteilen und sind diejenigen ihrer Bestimmungen zu prüfen, die
für die Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 relevant sind.
110 Zur Rechtsnatur dieser Hinweise ist festzustellen, dass für sie zwar mit Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz
3, wonach „[d]ie Kommission … eine Anleitung zur Anwendung der in Anhang III aufgeführten Kriterien
[erarbeitet]“, eine ausdrückliche Rechtsgrundlage besteht, dass sie aber keiner der Handlungen des
abgeleiteten Gemeinschaftsrechts nach Art. 249 EG entsprechen (vgl. entsprechend Urteil des
Gerichtshofs vom 6. April 2000, Spanien/Kommission, C‑443/97, Slg. 2000, I‑2415, Randnrn. 28 ff.,
sowie Urteile Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 81 angeführt, Randnr. 119, und Alpharma/Rat,
oben in Randnr. 81 angeführt, Randnr. 140). Daraus ergibt sich jedoch die Befugnis der Kommission,
vorab in Form dieser Hinweise zu erarbeiten und öffentlich mitzuteilen, welchen Inhalt und welche
Bedeutung diese Kriterien des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 aus ihrer Sicht haben und wie sie
beabsichtigt, die ihr nach Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie obliegende Kontrolle der Vereinbarkeit der von
den Mitgliedstaaten erlassenen Umsetzungsmaßnahmen mit diesen Kriterien auszuüben. Die Hinweise
gehören daher zu der Kategorie von Regeln, die als solche grundsätzlich keine eigene zwingende
Drittwirkung besitzen und deren sich die Kommission in ihrer Verwaltungspraxis häufig bedient, um die
Ausübung ihres Ermessens und ihrer Überwachungsbefugnis zu strukturieren und transparenter zu
machen.
111 Insoweit ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach das fragliche Organ dadurch, dass es
Normen für die Verwaltungspraxis, die Außenwirkungen entfalten sollen, erlassen und durch ihre
Veröffentlichung angekündigt hat, dass es sie von nun an auf die von diesen Normen erfassten Fälle
anwenden werde, die Ausübung seines Ermessens beschränkt und nicht von diesen Normen
abweichen kann, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine
Rechtsgrundsätze wie die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit oder des
Vertrauensschutzes
geahndet
würde.
Daher
ist
nicht
auszuschließen,
dass
derartige
Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung unter bestimmten Voraussetzungen und je nach ihrem
Inhalt Rechtswirkungen entfalten können und dass die Verwaltung von ihnen im Einzelfall nicht ohne
Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind
(vgl. zu den Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen auf dem Gebiet
des Wettbewerbs Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission,
C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P, C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 209 bis
211, vgl. ferner zu den Leitlinien der Kommission auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen Urteil des
Gerichts vom 30. April 1998, Cityflyer Express/Kommission, T‑16/96, Slg. 1998, II‑757, Randnr. 57),
sofern ein solches Vorgehen nicht gegen andere höherrangige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts
verstößt. Insbesondere hat das Gericht auf den Gebieten der Landwirtschaft, der Gesundheit und der
Umwelt anerkannt, dass sich die Gemeinschaftsorgane bei der Ausübung ihres Ermessens durch nicht
in Art. 249 EG vorgesehene Maßnahmen, insbesondere durch Mitteilungen, selbst binden können,
sofern diese Maßnahmen Regeln enthalten, denen sich die von diesen Organen zu verfolgende Politik
entnehmen lässt, und nicht von Normen des Vertrags abweichen (vgl. Urteile Pfizer Animal Health/Rat,
Randnr. 81 oben, Randnr. 119, und Alpharma/Rat, Randnr. 81 oben, Randnr. 140 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
112 Somit hat sich die Kommission durch ihre Hinweise in der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis nach Art. 9
der Richtlinie 2003/87 selbst so beschränkt, dass sie von ihnen nicht abweichen kann, ohne
gegebenenfalls gegen bestimmte allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Grundsätze der
Gleichbehandlung, des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit zu verstoßen. Folglich muss sich
die Kommission, wenn sie Maßnahmen ergreift, die ihren Hinweisen zuwiderlaufen, diese insbesondere
von den Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet sind, entgegenhalten lassen.
ii) Zur Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 im Licht der Hinweise der
Kommission
113 Wie bereits erwähnt, hat sich die Kommission zum Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
in den Hinweisen Nrn. 97 bis 100 wie folgt geäußert:
„97. Ziel dieses Kriterium[s] ist die Transparenz des [NZP]. Die Anzahl Zertifikate pro Anlage soll bei
Übermittlung des [NZP] an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten angegeben und
damit für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden.
98. Dieses Kriterium gilt als erfüllt, wenn ein Mitgliedstaat seiner Verpflichtung zur Auflistung der
unter die Richtlinie [2003/87] fallenden Anlagen nachgekommen ist …
100. Die Mitgliedstaaten müssen die Gesamtmenge der Zertifikate angeben, die jeder Anlage
zugeteilt werden sollen, sowie die Menge der jedes Jahr an die einzelnen Anlagen gemäß
Art. 11(4) [der Richtlinie 2003/87] ausgegebenen Zertifikate.“
114 In Hinweis Nr. 97 der Kommission kommt derselbe Normzweck zum Ausdruck wie derjenige, auf dem
die vom Ausschuss des Parlaments gegebene Begründung des Vorschlag zur Aufnahme von Kriterium
10 in die Richtlinie 2003/87 (siehe oben, Randnr. 98) beruht. Nach dieser Begründung soll nämlich für
die Öffentlichkeit und die an der Verwaltung des Emissionshandelssystems beteiligten Behörden
gewährleistet werden, dass im NZP transparent ist, wie viele Zertifikate je Anlage zugeteilt werden.
Ebenso spricht die Formulierung „dieses Kriterium gilt als erfüllt“ in Hinweis Nr. 98 der Kommission
dafür, dass diese selbst zum Ausdruck bringen wollte, dass der Verpflichtung in Kriterium 10 des
Anhangs III der Richtlinie 2003/87 lediglich die Bedeutung einer formalen Verpflichtung zur
Übermittlung der „Auflistung der unter die Richtlinie [2003/87] fallenden Anlagen“ zukommt. Im Übrigen
wird in Hinweis Nr. 100 der Kommission ebenso wie in der Formulierung von Kriterium 10 vom
Mitgliedstaat nur verlangt, „die Gesamtmenge der Zertifikate an[zu]geben, die jeder Anlage zugeteilt
werden sollen“. Die Formulierung zur Angabe des Spielraums, über den der Mitgliedstaat für die
Zuteilung der Zertifikate verfügt („zugeteilt werden sollen“), deckt sich also mit der in Kriterium 10
(„zugeteilt werden sollen“) und weicht nur geringfügig von der in den anderen einschlägigen
Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 ab (siehe oben, Randnrn. 101 bis 106).
115 Daraus ergibt sich, dass die Kommission in ihren Hinweisen gegenüber dem Wortlaut der
einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 keine zusätzlichen Erläuterungen zur Bedeutung
von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 gibt, die geeignet wären, ihre Auslegung zu
stützen, dass die streitigen Maßnahmen zur nachträglichen Anpassung mit diesem Kriterium
unvereinbar seien. Die Hinweise der Kommission enthalten auch keinen Anhaltspunkt für die
Beantwortung der Frage, ob der Mitgliedstaat die individuelle Zuteilung von Zertifikaten nach Erlass
seines NZP oder der Zuteilungsentscheidung nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 ändern darf.
116 Da jedoch die Hinweise der Kommission ihre Verwaltungs- und Kontrollpraxis konkretisieren und den
Umfang des Spielraums, über den der Mitgliedstaat bei der Umsetzung der Kriterien des Anhangs III
der Richtlinie 2003/87 verfügt, beschreiben sollen, hat die Kommission diese Hinweise, insbesondere
deren wesentliche Aspekte, möglichst klar und genau abzufassen. Dies gilt umso mehr, als die von der
Kommission nach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 ausgeübte Befugnis, die NZP zu kontrollieren und
abzulehnen, eng begrenzt, nämlich auf die Prüfung der Vereinbarkeit der NZP allein mit den Kriterien
des Anhangs III und den Bestimmungen von Art. 10 der Richtlinie 2003/87 beschränkt ist. Da die
Hinweise der Kommission keine Aussagen zur Frage der Rechtmäßigkeit von nachträglichen
Anpassungen der Zahl der individuell zugeteilten Zertifikate nach unten und zum Spielraum, über den
der Mitgliedstaat dabei verfügt, enthalten, kann die Kommission dem Mitgliedstaat nicht wirksam
entgegenhalten, dass solche Anpassungen verboten seien, ohne gegen die Grundsätze der
Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes zu verstoßen, sondern muss sich umgekehrt selbst von
dem Mitgliedstaat das Fehlen solcher Aussagen entgegenhalten lassen, sofern dies nicht anderen,
insbesondere höherrangigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zuwiderläuft.
iii) Zur Bedeutung der Mitteilung der Kommission vom 7. Juli 2004
117 Auch die Mitteilung der Kommission vom 7. Juli 2004, in der die Begründung der am selben Tag
erlassenen angefochtenen Entscheidung und insbesondere die Gründe, aus denen die Kommission
die streitigen nachträglichen Anpassungen für unvereinbar mit Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 hält, wiederholt und ergänzt werden, kann nicht zu einer anderen Auslegung der
Hinweise der Kommission als in den vorstehenden Randnrn. 114 und 116 führen. Diese Mitteilung ist
zwar ein wichtiges Element des unmittelbaren Kontexts, in dem die angefochtene Entscheidung
erlassen wurde, und stellt damit eine Ergänzung zu der in dieser Entscheidung enthaltenen
Begründung dar, die der Gemeinschaftsrichter bei seiner Nachprüfung der Rechtmäßigkeit zu
berücksichtigen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2003, Verband der freien
Rohrwerke u. a./Kommission, T‑374/00, Slg. 2003, II‑2275, Randnrn. 122 bis 124). Doch lag diese
Mitteilung vor der Ausarbeitung des deutschen NZP noch nicht vor, was der Bundesrepublik
Deutschland hätte helfen können, die Kriterien des Anhangs III zu beachten, und sie ist auch nicht auf
Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/87 gestützt, so dass sie die Bedeutung der von der
Kommission gemäß dieser Bestimmung erarbeiteten Hinweise nicht beeinflussen kann.
Ergebnis der systematischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
118 Nach alledem gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine systematische Auslegung von Kriterium
10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 im Licht der übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie und der
Hinweise der Kommission nicht zu einer klaren und genauen Antwort auf die Frage führen kann, ob der
Mitgliedstaat nach Genehmigung seines NZP durch die Kommission und Erlass der
Zuteilungsentscheidung die individuelle Zuteilung der Zertifikate an die Anlagen nach unten anpassen
darf.
e) Zur teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
Vorbemerkung
119 Zur teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 sind
insbesondere die Ziele und die allgemeine Systematik dieser Richtlinie, zu deren Verwirklichung bzw.
Funktionieren die Kriterien des Anhangs III beitragen sollen, heranzuziehen. In diesem Zusammenhang
ist insbesondere zu fragen, ob die wirksame Verfolgung der Ziele dieser Richtlinie und damit die
praktische Wirksamkeit der maßgeblichen Bestimmungen, die zur Erreichung dieser Ziele dienen
sollen, darunter die Kriterien des Anhangs III, der Anerkennung nachträglicher Anpassungen der
Zuteilungen von Zertifikaten nach unten als rechtmäßig entgegenstehen (siehe oben, Randnrn. 93 bis
118).
120 Daher sind zunächst die Ziele der Richtlinie 2003/87 zu bestimmen, deren Verfolgung möglicherweise
durch die Anerkennung der Rechtmäßigkeit der streitigen nachträglichen Anpassungen behindert
wird.
Zu den Zielen der Richtlinie 2003/87
121 Gemäß Art. 1 der Richtlinie 2003/87 besteht deren Hauptziel darin, „ein System für den Handel mit
Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft … [zu schaffen], um auf kosteneffiziente und
wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinzuwirken“. Hierzu
sieht Kriterium 1 a. E. des Anhangs III dieser Richtlinie vor, dass die Gesamtmenge der zuzuteilenden
Zertifikate für den fraglichen Zeitraum „nicht höher sein [darf] als der wahrscheinliche Bedarf für die
strikte Anwendung der Kriterien dieses Anhangs“ und „bis 2008 … so groß sein [muss], dass sie mit
einem Weg zur Erreichung oder Übererfüllung der Zielvorgaben jedes Mitgliedstaats gemäß der
Entscheidung [2002/358] und dem Kyoto-Protokoll vereinbar ist“. Im vierten Erwägungsgrund der
Richtlinie 2003/87 sind ferner die Verpflichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten aus dem
Kyoto-Protokoll erwähnt, ihre anthropogenen Treibhausgasemissionen zu senken.
122 Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 heißt es: „Diese Richtlinie soll dazu beitragen, dass
die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten durch einen effizienten
europäischen Markt für Treibhausgasemissionszertifikate effektiver und unter möglichst geringer
Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage erfüllt werden.“ Nach
dem siebten Erwägungsgrund sind „Gemeinschaftsvorschriften für die Zuteilung der Zertifikate durch
die Mitgliedstaaten … notwendig, um die Integrität des Binnenmarktes zu erhalten und
Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden“.
123 Dem 20. Erwägungsgrund zufolge wird „[d]iese Richtlinie … den Einsatz energieeffizienterer
Technologien, einschließlich der Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie, mit geringeren Emissionen je
Produktionseinheit fördern“. Darüber hinaus sollten laut dem 25. Erwägungsgrund „Politik und
Maßnahmen … auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft in allen Wirtschaftssektoren …
durchgeführt werden, um zu erheblichen Emissionsverringerungen zu gelangen“.
124 Folglich ist es das erklärte Hauptziel der Richtlinie 2003/87, die Treibhausgasemissionen erheblich zu
verringern, damit die Verpflichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten aus dem Kyoto-
Protokoll eingehalten werden können. Dieses Ziel soll unter Einhaltung einer Reihe von „Unterzielen“
und durch Einsatz bestimmter Instrumente erreicht werden. Hauptinstrument hierfür ist das System für
den Handel mit Treibhausgasemissionsrechten in der Gemeinschaft (Art. 1 und zweiter
Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87), dessen Funktionieren durch bestimmte „Unterziele“ bedingt
wird, nämlich Durchführung auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise, Schutz der
wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage und Schutz der Integrität des Binnenmarktes
und der Wettbewerbsbedingungen (Art. 1 und die Erwägungsgründe 5 und 7 der Richtlinie 2003/87).
Überdies wird nach der Richtlinie 2003/87 ein Instrument besonderer Art gefördert, nämlich der Einsatz
energieeffizienterer
Technologien
mit
geringeren
Emissionen
je
Produktionseinheit
(20.
Erwägungsgrund der genannten Richtlinie).
125 Zudem ist Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87, das sich auf die Zuteilung von
Zertifikaten an die im NZP aufgeführten Anlagen bezieht, gerade eine Gemeinschaftsvorschrift für die
Zuteilung der Zertifikate durch die Mitgliedstaaten im Sinne des siebten Erwägungsgrundes und zielt
somit darauf ab, „die Integrität des Binnenmarktes zu erhalten und Wettbewerbsverzerrungen zu
vermeiden“. Daher kommt im Rahmen der teleologischen Auslegung von Kriterium 10 und damit bei der
Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung den „Unterzielen“ des Schutzes der
Integrität des Binnenmarktes und der Wettbewerbsbedingungen besondere Bedeutung zu.
126 Somit sind zur teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 diese
„Unterziele“ heranzuziehen.
Zur Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 im Licht der Ziele dieser
Richtlinie
i) Wesentliches Vorbringen der Parteien
127 Die Kommission macht insoweit im Rahmen ihres Vorbringens zu Kriterium 5 geltend, dass die
nachträglichen Anpassungen den Anreiz für die Betreiber beeinträchtigten, sich entsprechend den
Zielen der Richtlinie 2003/87 zu verhalten und ihre Emissionsmengen im Ergebnis zu verringern. Zur
Begründung ihrer Auffassung trägt sie im Wesentlichen vor, dass sich diese Emissionsminderung nach
Wahl der Betreiber durch Investitionen in energieeffizientere Technologien, die zu geringeren
Emissionen je Produktionseinheit führten, oder durch Drosselung der Produktion, was zu einem
proportionalen Rückgang der Emissionen führe, erreichen lasse. Dagegen schüfen nachträgliche
Anpassungen Unsicherheit oder hielten die Betreiber sogar von Investitionen ab, so dass die
Verbesserung der Produktionstechnologie und die Produktionssenkungen geringer ausfielen als ohne
Anpassungen.
128 Die Klägerin trägt dagegen vor, ein System nachträglicher Anpassungen, das die Betreiber davon
abhalte, ihren Bedarf an Zertifikaten zu hoch anzusetzen, und damit „Überallokationen“ vermeide, sei
eine unerlässliche Voraussetzung zur Erreichung der Ziele der Richtlinie 2003/87, nämlich die
Treibhausgasemissionen auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise zu verringern. Dass die
nachträglichen Anpassungen an Abweichungen der tatsächlichen von der prognostizierten
Produktionsmenge anknüpften und nicht an die Senkung der Emissionsmenge, habe gerade zur Folge,
dass die wirtschaftlichen Entscheidungen des Betreibers, Zertifikate hinzuzukaufen oder zu verkaufen,
von der Effizienz seiner Anlage abhingen. Daher würden durch die nachträglichen Anpassungen weder
der Anreiz für die Betreiber zur Verringerung ihrer Emissionen noch die Sicherheit der dafür getätigten
Investitionen beeinträchtigt; das Gegenteil sei der Fall.
ii) Zu den relevanten Prüfungskriterien
129 Die relevanten Prüfungskriterien für die teleologische Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 und seine Anwendung auf die streitigen nachträglichen Anpassungen sind
insbesondere erstens das Verhältnis zwischen Produktionsvolumen und Emissionsmenge in Bezug auf
das Ziel der Verringerung der Emissionen, zweitens das Verhältnis zwischen diesem Ziel und dem Ziel
der Wahrung der Bedingungen der Kosteneffizienz und der wirtschaftlichen Effizienz (Art. 1 der
Richtlinie 2003/87), drittens das Ziel der Verringerung der Emissionen durch technologische
Verbesserungen (20. Erwägungsgrund dieser Richtlinie) und viertens das Ziel des Schutzes der
Integrität des Binnenmarktes und der Wettbewerbsbedingungen (siebter Erwägungsgrund dieser
Richtlinie).
Zum Verhältnis zwischen Produktionsvolumen und Emissionsmenge in Bezug auf das Ziel der
Verringerung der Emissionen
130 Vorab ist festzustellen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die fraglichen nachträglichen
Anpassungen hauptsächlich auf Änderungen des Produktionsvolumens beruhen, d. h. auf der
Änderung der Zahl der produzierten Einheiten, und nicht auf einer Änderung der Emissionsmenge
einer Anlage. Wie die Klägerin in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts – seitens der
Kommission unwidersprochen – ausgeführt hat, gilt dies auch für die im deutschen NZP vorgesehene
Regel der „De-facto-Stilllegung“ (siehe oben, Randnr. 31, erster Gedankenstrich), die in Art. 7 Abs. 9
Satz 1 ZuG umgesetzt wurde; die Anwendung dieser Regel hängt in der Sache von einem Rückgang
des Produktionsvolumens ab, während der Rückgang der Emissionen der Anlage auf weniger als 10 %
bzw. 60 % der durchschnittlichen jährlichen Emissionen der Basisperiode nur der Anlass für eine
besondere Überprüfung dieses Sachverhalts durch die Behörde ist.
131 Angesichts der Ausführungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung braucht daher im
Rahmen der teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 lediglich
geprüft zu werden, ob dieses Kriterium nachträglichen Anpassungen der Zuteilungen von Zertifikaten,
die an einen Rückgang des Produktionsvolumens gebunden sind, entgegensteht.
132 Es ist festzustellen, dass, wie die Kommission in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts
dargelegt hat, im Fall eines Rückgangs des Produktionsvolumens die Emissionen einer Anlage
abnehmen und der Betreiber somit über Zertifikate verfügt, die er, sofern sie nicht zurückzugeben und
zu löschen sind, entweder auf dem Handelsmarkt veräußern oder behalten kann. Jedoch nimmt in
einem solchen Fall die Emissionsmenge nicht je Produktionseinheit, sondern nur absolut gesehen ab,
und zwar proportional zum Rückgang des Produktionsvolumens. Daraus ergibt sich auch, dass nach
einem solchen Produktionsrückgang nicht zwangsläufig die gesamte Emissionsmenge der in Anhang I
der Richtlinie 2003/87 erfassten Industriezweige abnimmt, da die freigewordenen Zertifikate später
vom Betreiber selbst oder von anderen Betreibern, die sie auf dem Handelsmarkt gekauft haben,
verwendet werden können. Daher ist die Senkung des Produktionsvolumens zwar unerlässlich, um dem
Handelsmarkt Emissionszertifikate zuzuführen, gewährleistet jedoch für sich allein noch nicht die
Erreichung des Hauptziels der Richtlinie 2003/87, die Gesamtmenge der Treibhausgasemissionen in
der Gemeinschaft wesentlich zu verringern.
133 Jedoch wird, wie die Kommission geltend gemacht hat, das Wissen des Betreibers, dass jeder von
seinen Prognosen abweichende Produktionsrückgang durch nachträgliche Anpassungen bestraft wird,
den Anreiz für ihn zur Senkung seiner Produktion, um Zertifikate freizusetzen, selbst dann verringern
oder gar beseitigen, wenn auf dem Handelsmarkt die Nachfrage anderer Betreiber, die zusätzliche
Zertifikate kaufen wollen, steigt. Geht man davon aus, dass in einem ordnungsgemäß
funktionierenden Emissionshandelssystem die Deckung dieser Nachfrage möglich sein muss, erscheint
der Schutz der Freiheit des Betreibers, seine Produktion zu senken und die so freigewordenen
Zertifikate auf dem Handelsmarkt anzubieten, wichtig, um ihm eine kurzfristige Reaktion auf einen
solchen Anstieg der Nachfrage anderer Betreiber zu ermöglichen. Schließlich sind zwar nachträgliche
Anpassungen, die wie bei der „De-facto-Stilllegung“ (siehe oben, Randnr. 3, erster Gedankenstrich)
einen sehr erheblichen Produktionsrückgang voraussetzen, kaum geeignet, den Anreiz zu spontanen
und begrenzten Senkungen des Produktionsvolumens als Reaktion auf Änderungen der Nachfrage auf
dem Handelsmarkt zu verringern, doch verhält es sich anders bei nachträglichen Anpassungen, die
bereits im Fall eines relativ geringen Produktionsrückgangs eingreifen, wie dies für Anlagen, die seit
2003 in Betrieb sind, und für neue Marktteilnehmer gilt (siehe oben, Randnr. 31, dritter und vierter
Gedankenstrich).
134 Folglich hat die Kommission nachgewiesen, dass bestimmte der streitigen nachträglichen
Anpassungen dadurch, dass sie die Betreiber von einer Senkung des Produktionsvolumens ihrer
Anlagen abhalten, die Erreichung des Ziels des effektiven Funktionierens des Handelsmarkts im Sinne
von Art. 1 und des fünften Erwägungsgrundes der Richtlinie 2003/87 beeinträchtigen könnten. Die
Kommission hat jedoch nichts vorgetragen, was als Nachweis geeignet wäre, dass diese Anpassungen
das Hauptziel der Richtlinie 2003/87, nämlich die Gesamtmenge der Treibhausgasemissionen gemäß
dieser Bestimmung zu verringern, beeinträchtigen.
135 Daher ist zu prüfen, ob die streitigen nachträglichen Anpassungen mit den in den vorstehenden
Randnrn. 124 bis 126 genannten „Unterzielen“ der Richtlinie 2003/87 vereinbar sind, mit denen die
Verwirklichung des Hauptziels der Verringerung der Gesamtmenge der Treibhausgasemissionen in
Einklang gebracht werden muss.
Zur Abstimmung des Ziels der Verringerung der Emissionen mit dem Ziel der Wahrung der
Bedingungen der Kosteneffizienz und der wirtschaftlichen Effizienz
136 Gemäß ihrem Art. 1 dient die Richtlinie 2003/87 dem Ziel der Verringerung der Emissionen durch
Schaffung eines Systems für den Handel mit Zertifikaten auf kosteneffiziente und wirtschaftlich
effiziente Weise. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, gelten die
Kriterien der Kosteneffizienz und der wirtschaftlichen Effizienz nicht nur für das Funktionieren des
Handelsmarkts selbst, sondern auch für die in Anhang I der Richtlinie 2003/87 erfassten
Tätigkeitsbereiche, die dem Ziel der Verringerung der Emissionen unterliegen, wie den Sektor der
Stahlproduktion oder den Energiesektor. Diese Feststellung wird zumindest mittelbar bestätigt durch
den fünften Erwägungsgrund a. E. der Richtlinie 2003/87, wonach die Beeinträchtigung der
wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage durch den Handelsmarkt möglichst gering
sein soll, und durch den siebten Erwägungsgrund, wonach Gemeinschaftsvorschriften für die Zuteilung
der Zertifikate durch die Mitgliedstaaten notwendig sind, um die Integrität des Binnenmarktes zu
erhalten und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
137 Insoweit ist daran zu erinnern, dass eine Senkung des Produktionsvolumens es zwar ermöglichen
kann, das dem Handelsmarkt Emissionszertifikate zugeführt werden, aber nicht zwangsläufig eine
Abnahme der gesamten Emissionsmenge zur Folge hat (siehe oben, Randnr. 132). Zudem könnte
dieser Rückgang des Produktionsvolumens zu einer Unterversorgung auf dem fraglichen Gütermarkt
führen, soweit die Produktion nicht mehr ausreicht, um die Nachfrage auf diesen Märkten zu decken,
eine Situation, die insbesondere dann eintreten kann, wenn auf dem Handelsmarkt ein strukturelles
Defizit des Angebots an Zertifikaten besteht und die Preise für Zertifikate weit über dem Gewinn
liegen, den der Betreiber durch den Absatz der unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Zertifikate
produzierten Güter erzielen könnte. Eine solche Situation folgt zwar aus der wirtschaftlichen Logik des
Handelsmarktes, ließe sich aber wohl kaum in Einklang bringen mit der Wahrung der Bedingungen der
Kosteneffizienz und der wirtschaftlichen Effizienz hinsichtlich der Tätigkeitsbereiche und Gütermärkte,
wie sie in Anhang I der Richtlinie 2003/87 genannt sind. Daher können entgegen der Auffassung der
Kommission nachträgliche Anpassungen angesichts ihrer positiven Auswirkungen auf das
Funktionieren der betreffenden Gütermärkte nicht als dem Ziel des Art. 1 der Richtlinie 2003/87
zuwiderlaufend angesehen werden, weil sie die Betreiber von der Senkung ihres Produktionsvolumens
abhalten.
138 Folglich hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass die abschreckende Wirkung von nachträglichen
Anpassungen, die an einen Rückgang des Produktionsvolumens gebunden sind, dem Ziel der
Wahrung der Bedingungen der Kosteneffizienz und der wirtschaftlichen Effizienz hinsichtlich der
fraglichen Tätigkeitsbereiche und Gütermärkte, die unter Anhang I der Richtlinie 2003/87 fallen,
entgegensteht.
Zum Ziel der Verringerung der Emissionen durch technologische Verbesserungen
139 Ferner ist zu prüfen, ob die streitigen nachträglichen Anpassungen mit dem im 20. Erwägungsgrund
der Richtlinie 2003/87 genannten „Unterziel“ vereinbar sind, wonach diese Richtlinie „den Einsatz
energieeffizienterer Technologien … mit geringeren Emissionen je Produktionseinheit fördern [wird]“.
Hierzu hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung nach Auffassung des Gerichts zu Unrecht
behauptet, dass in diesem Erwägungsgrund lediglich eine erwünschte zukünftige Auswirkung der
Durchführung der Richtlinie 2003/87 „festgestellt“ werde und dass es sich allenfalls um ein „Nebenziel“
handele. Obzwar dieser Erwägungsgrund im Futur („wird … fördern“) und als Feststellung einer
Tatsache formuliert ist, kann der Einsatz neuer ökologisch effizienterer Produktionstechnologien durch
die Verringerung der Emissionen je Produkteinheit nämlich zum einen wesentlich zu dem Hauptziel der
Verringerung der Emissionen beitragen und zum anderen Bedingungen der Kosteneffizienz und der
wirtschaftlichen Effizienz wahren, und zwar sowohl auf dem Handelsmarkt als auch auf den fraglichen
Gütermärkten, da der Einsatz solcher Technologien nicht mit einem Rückgang des
Produktionsvolumens verbunden ist, durch den das ordnungsgemäße Funktionieren dieser Märkte
beeinträchtigt würde (siehe oben, Randnr. 137). Dies zeigt außerdem, dass die Investition in
energieeffizientere Technologien ein Instrument ist, das dem der Senkung des Produktionsvolumens
zumindest gleichwertig, wenn nicht gar überlegen ist, um das Ziel der wesentlichen Verringerung der
Emissionen mit dem der Wahrung von Bedingungen der Kosteneffizienz und der wirtschaftlichen
Effizienz sowohl auf dem Handelsmarkt als auch auf dem fraglichen Gütermarkt in Einklang zu bringen.
140 Überdies wird entgegen der Ansicht der Kommission durch die streitigen nachträglichen
Anpassungen, auch wenn sie die Betreiber davon abhalten könnten, ihr Produktionsvolumen zur
Verringerung der Emissionen zu senken, weder das Ziel, die Betreiber zu veranlassen, in die
Entwicklung energieeffizienterer Technologien zu investieren, noch die Sicherheit solcher Investitionen
beeinträchtigt. Vielmehr sind solche Anpassungen, da sie die Betreiber davon abhalten, ihre
Produktion entgegen ihren eigenen Prognosen zu senken, angesichts der beschränkten Menge an
verfügbaren Emissionszertifikaten dazu geeignet, den Anreiz zu verstärken, die Emissionen durch
Investitionen in die Verbesserung der Energieeffizienz der Produktionstechnologie zu verringern.
141 Insoweit kann die Kommission nicht mit Erfolg geltend machen, die streitigen nachträglichen
Anpassungen seien nicht geeignet, dem Ziel der Verringerung der Emissionen zu dienen, da die
freigesetzten Zertifikate nicht sofort gelöscht, sondern der Reserve zugeführt würden, um für neue
Marktteilnehmer verfügbar zu sein, mit der Folge, dass die Gesamtzahl der Zertifikate unverändert
bleibe. Zum einen trägt diese Behauptung nicht dem Umstand Rechnung, dass im Fall einer
Freisetzung von Zertifikaten infolge eines Rückgangs des Produktionsvolumens zum Zweck des
Verkaufs nicht verwendeter Emissionszertifikate nicht notwendigerweise eine andere Situation
bestünde (siehe oben, Randnr. 132). Zum anderen wäre gerade in diesem letztgenannten Fall der
Anreiz, in die Entwicklung einer effizienteren Technologie zu investieren, zumindest schwächer, da sich
den Betreibern ein anderer Weg zur Verringerung ihrer Emissionen böte, der kurzfristig weniger kosten
würde. Das Argument der Kommission, die nachträglichen Anpassungen seien unter dem Blickwinkel
des Umweltschutzes neutral oder gar schädlich, geht daher fehl. Überdies scheint die Kommission
damit ihren eigenen Äußerungen in ihrer Mitteilung vom 7. Juli 2004 (S. 8) zu widersprechen, wo es
heißt, dass bei nachträglichen Anpassungen nach unten „positive Auswirkungen für die Umwelt
geltend gemacht werden könnten“. Es ist jedoch festzustellen, dass die positive Auswirkung
nachträglicher Anpassungen zugunsten des Ziels der wesentlichen Verringerung der Emissionen
deutlich stärker wäre, wenn die entzogenen Zertifikate, statt der Reserve zugeführt zu werden, sofort
gelöscht würden.
142 Folglich verstoßen die streitigen nachträglichen Anpassungen entgegen den Behauptungen der
Kommission nicht gegen das Ziel einer Verringerung der Emissionen durch Investitionen in
energieeffizientere Technologien im Sinne des 20. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2003/87.
Zum Ziel des Schutzes der Integrität des Binnenmarktes und der Wettbewerbsbedingungen
143 Schließlich ist auch die Frage zu prüfen, ob die streitigen nachträglichen Anpassungen zu den Zielen
im Sinne des siebten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2003/87 beitragen, die Integrität des
Binnenmarktes zu erhalten und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, denen im Rahmen der
Auslegung von Kriterium 10 dieser Richtlinie besondere Bedeutung zukommt (siehe oben, Randnr.
125).
144 Wie die Klägerin vorträgt, werden Betreiber naturgemäß anstreben, möglichst viele Zertifikate zu
erhalten, so dass sie stark dazu neigen werden, ihren eigenen Bedarf an Emissionszertifikaten – und
sei es auch aufgrund mangelnder Sorgfalt – zu überschätzen. Daraus ergibt sich eine Gefahr der
„Überallokation“ zugunsten bestimmter Betreiber, vor allem derjenigen, bei denen sich eine
Überprüfung anhand historischer Produktionsdaten als schwierig oder unmöglich erweist (siehe oben,
Randnr. 31, dritter und vierter Gedankenstrich). In diesem Zusammenhang trägt die Kommission,
abgesehen von ihrem allgemeinen Postulat, dass die Zahl der Zertifikate vorab festgelegt werden
müsse, kein konkretes Gegenargument zum Vorbringen der Klägerin vor, dass nachträgliche
Anpassungen
geradezu
einen
Beitrag
zur
Beibehaltung
und
Wiederherstellung
der
Wettbewerbsbedingungen darstellten, indem durch sie vermieden werde, dass bestimmte Betreiber im
Wege einer „Überallokation“ von Zertifikaten gegenüber anderen Betreibern ungerechtfertigt
bevorteilt würden.
145 Zudem ist festzustellen, dass die Kommission selbst von dem Grundsatz auszugehen scheint, wie er in
ihrem Schreiben vom 17. März 2004 an die Mitgliedstaaten betreffend die Anwendung der
Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet der Beihilfen zu den NZP erwähnt ist, dass solche
„Überallokationen“ gegen Art. 87 Abs. 1 EG verstoßen könnten und möglicherweise den Wettbewerb
verfälschten oder zu verfälschen drohten. Unter diesen Umständen ist die kaum substantiierte
Behauptung der Kommission, das Emissionshandelssystem beruhe auf Prognosen und umfasse
Mechanismen zur Selbstkorrektur, die die Chancengleichheit der Betreiber sicherstellten, so dass
Verzerrungen des Wettbewerbs von vornherein ausgeschlossen seien, nicht nachvollziehbar und daher
zurückzuweisen.
146 Die Kommission hat auch weder im Verwaltungsverfahren noch in der angefochtenen Entscheidung,
noch in ihrer Mitteilung vom 7. Juli 2004 und nicht einmal im schriftlichen Verfahren vor dem Gericht
ausreichende Anhaltspunkte angeführt, um die Rechtmäßigkeit der streitigen nachträglichen
Anpassungen im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der Integrität des Binnenmarktes in Frage zu
stellen. Wie die Kommission selbst in ihrer Antwort auf eine präzise Frage des Gerichts eingeräumt hat,
hat ihre erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Auffassung, der freie Handel mit
Emissionszertifikaten werde innerhalb der Gemeinschaft unzulässig beschränkt – weil dem
Handelsmarkt Zertifikate entzogen und der Reserve zugeführt würden, die nur den Betreibern von in
Deutschland gelegenen Anlagen zugänglich seien –, in der Begründung der angefochtenen
Entscheidung und in den das Verwaltungsverfahren betreffenden Schriftstücken der Akte keinerlei
Niederschlag gefunden. Jedenfalls reichen die sehr allgemeinen Hinweise in Nr. 2 der
Klagebeantwortung auf die Möglichkeit nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87, Emissionszertifikate
innerhalb der Gemeinschaft zu übertragen, sowie in den Nrn. 5 und 6 der Gegenerwiderung auf die
Notwendigkeit, die Effektivität des Emissionshandelssystems zu schützen, nicht aus, um als eine dahin
gehende Rüge betrachtet zu werden. Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass diese Beurteilung
einer etwaigen Prüfung der streitigen nachträglichen Anpassungen im Licht der im Vertrag
verankerten Grundfreiheiten, insbesondere des freien Warenverkehrs nach Art. 28 EG und der
Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG, nicht vorgreift; eine solche Prüfung fehlt jedoch sowohl in der
angefochtenen Entscheidung als auch in der Mitteilung der Kommission vom 7. Juli 2004 völlig. Da
hierzu kein klares und präzises Verteidigungsvorbringen der Kommission vorliegt und angesichts der
Notwendigkeit, die Zuständigkeitsverteilung und das institutionelle Gleichgewicht zwischen der
Verwaltung und der rechtsprechenden Gewalt zu wahren, kann sich das Gericht im vorliegenden Fall
nicht an die Stelle der Kommission setzen, was die Prüfung in der Phase des Verwaltungsverfahrens
angeht, ob die maßgeblichen Regelungen des deutschen NZP mit den Grundfreiheiten des Vertrags im
Einklang stehen.
147 Folglich hat die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die streitigen
nachträglichen Anpassungen gegen die Ziele des Schutzes der Integrität des Binnenmarktes und der
Aufrechterhaltung der Wettbewerbsbedingungen verstoßen.
Ergebnis der teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
148 Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission die Bedeutung von Kriterium 10
des Anhangs III der Richtlinie 2003/87, wie es im Licht der Ziele dieser Richtlinie, insbesondere der in
ihrem siebten Erwägungsgrund formulierten, zu verstehen ist, verkannt hat, indem sie die streitigen
nachträglichen Anpassungen als der Systematik und der allgemeinen Struktur dieser Richtlinie
widersprechende Maßnahmen einstufte. Insoweit reicht der Umstand, dass die streitigen
nachträglichen Anpassungen die Betreiber davon abhalten könnten, ihr Produktionsvolumen und
damit ihre Emissionsmengen zu senken, für sich allein nicht aus, um ihre Rechtmäßigkeit im Hinblick
auf die Gesamtheit der Ziele der Richtlinie 2003/87 in Frage zu stellen. Zudem ergibt sich aus der
Selbstbeschränkungswirkung der Hinweise der Kommission, dass diese sich von der Klägerin den
Mangel an Klarheit und Genauigkeit hinsichtlich der Frage, ob die streitigen nachträglichen
Anpassungen im Licht der Ziele dieser Richtlinie verboten sind, entgegenhalten lassen muss (siehe
oben, Randnrn. 112 und 116).
f) Ergebnis in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf
Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
149 Daher ist auf der Grundlage einer wörtlichen, historischen, systematischen und teleologischen
Auslegung im Ergebnis festzustellen, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass Kriterium 10
des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 den Spielraum des Mitgliedstaats bei der Wahl der Formen und
Mittel zur Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht in dem Sinne beschränkt, dass es der
Anwendung der streitigen nachträglichen Anpassungen entgegenstünde. Folglich ist die
angefochtene Entscheidung insoweit rechtsfehlerhaft.
150 Daraus ergibt sich, dass die Kommission bei der Anwendung von Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 einen Rechtsfehler begangen hat und dass der erste Teil des ersten Klagegrundes
der Klägerin durchgreift.
3. Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf Kriterium 5 des Anhangs III
der Richtlinie 2003/87
a) Allgemeines
151 Im vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission im Wesentlichen
aus, nachträgliche Anpassungen der Zahl der neuen Marktteilnehmern zugeteilten Zertifikate
verstießen gegen Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87, da die neuen Marktteilnehmer
gegenüber den vom deutschen NZP bereits erfassten Anlagenbetreibern, für die es keine solche
Anpassungen gebe, ungerechtfertigt bevorzugt würden. Ferner heißt es in der Mitteilung der
Kommission vom 7. Juli 2004: „Die Absicht [der Klägerin], … die Zuteilung von Zertifikaten für neue
Marktteilnehmer anzupassen, verstößt gegen Kriterium 5, nach dem gemäß dem EG-Vertrag
Diskriminierungsfreiheit gefordert wird, da derartige Ex-post-Anpassungen neue Marktteilnehmer
gegenüber den Betreibern anderer Anlagen begünstigen würden, für die nach der Richtlinie [2003/87]
keine Ex-post-Anpassungen zulässig sind.“
152 Insoweit ist der Wortlaut von Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 in Erinnerung zu rufen,
wonach „[g]emäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere der Artikel 87 und 88, … der Plan
Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln [darf], dass bestimmte
Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden“. Was das Diskriminierungsverbot
angeht, hat die Kommission zudem in ihrem Hinweis Nr. 51 zum Kriterium 6, das sich spezifisch auf
neue Marktteilnehmer bezieht, ausgeführt, dass Leitprinzip für deren Zugang zu Zertifikaten der
Grundsatz der Gleichbehandlung sei. Schließlich heißt es in Hinweis Nr. 61, dass, „[u]m das Prinzip der
Gleichbehandlung zu wahren, … das Verfahren für die Zuteilung von Zertifikaten an neue
Marktteilnehmer soweit möglich das Gleiche sein [sollte] wie bei vergleichbaren etablierten
Marktteilnehmern“, zugleich aber auch, dass „[a]us bestimmten Gründen … jedoch Anpassungen
vorgenommen werden [können]“.
153 Aus Vorstehendem geht hervor, dass die Kommission Kriterium 5, in dem ausdrücklich auf den Begriff
der unterschiedlichen Behandlung hingewiesen wird, zu Recht als Konkretisierung des allgemeinen
Gleichheitssatzes im Rahmen der Durchführung der Richtlinie 2003/87 durch die Mitgliedstaaten, d. h.
insbesondere im Rahmen der Zuteilung von Zertifikaten auf der Grundlage der NZP, betrachtet.
Zudem bezieht sich die Kommission in ihren Hinweisen ebenfalls zu Recht auf die Voraussetzungen für
die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, wie sie von der Rechtsprechung anerkannt
worden sind, nämlich insbesondere das Erfordernis, die Situationen der betreffenden Personen zu
vergleichen („bei vergleichbaren etablierten Marktteilnehmern“), und die Möglichkeit der objektiven
Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung („Anpassungen aus bestimmten Gründen“). Nach
der Rechtsprechung verlangt dieser Grundsatz nämlich, dass gleiche Sachverhalte nicht
unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn,
dass dies objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural
Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, Slg. 2005, I‑6451, Randnr. 115 und die dort angeführte
Rechtsprechung).
b) Zum Vergleich der Situationen der betroffenen Betreiber
154 Um festzustellen, ob die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung auf den vorliegenden Fall
richtig angewandt hat, ist zunächst die Frage zu prüfen, ob sie ordnungsgemäß nachgeprüft hat, ob
hinsichtlich der Anwendung der nachträglichen Anpassungen die Situation der neuen Marktteilnehmer
derjenigen der anderen Anlagenbetreiber entspricht oder nicht.
155 Hierzu ist daran zu erinnern, dass der deutsche NZP, anders als die Kommission anzunehmen scheint,
nachträgliche Anpassungen nicht nur für neue Marktteilnehmer, sondern auch für bestimmte
Anlagenbetreiber vorsieht, die bereits auf dem Markt sind und unter den deutschen NZP fallen.
156 Nach dem deutschen NZP können nachträgliche Anpassungen nämlich zum einen im Fall eines
wesentlichen Produktionsrückgangs oder einer „De-facto-Stilllegung“ (siehe oben, Randnr. 31, erster
Gedankenstrich, und Randnr. 89) bei sämtlichen Betreibern angewandt werden. Ohne geprüft zu
haben, ob sich diese unterschiedlichen Betreiber, die ebenfalls den Regeln der nachträglichen
Anpassungen unterworfen sind, in einer unterschiedlichen oder einer vergleichbaren Lage befinden,
kann die Kommission daher nicht in derart allgemeiner Weise mit Erfolg geltend machen, dass der
deutsche NZP für die anderen Betreiber gegenüber neuen Marktteilnehmern eine ungleiche
Behandlung vorsehe.
157 Zum anderen sieht der deutsche NZP für den Sonderfall der Anlagen, die in den Jahren 2003 oder
2004 in Betrieb genommen wurden (siehe oben, Randnr. 31, dritter Gedankenstrich, und Randnr. 88),
die Anwendung ähnlicher nachträglicher Anpassungen wie derjenigen für neue Marktteilnehmer vor.
Dies wird durch das Zuteilungsgesetz bestätigt, nach dem für die neuen Marktteilnehmer und die
Betreiber, die ihre Produktion nach 2002 aufgenommen haben, dieselbe Widerrufsregelung gilt (vgl.
zum einen § 8 Abs. 4 ZuG und zum anderen § 11 Abs. 5 in Verbindung mit § 8 Abs. 4 ZuG). Insoweit ist
festzustellen, dass die Klägerin, ebenso wie im Fall der nachträglichen Anpassungen für neue
Marktteilnehmer, die nachträglichen Anpassungen für in den Jahren 2003 oder 2004 in Betrieb
genommene Anlagen im Wesentlichen mit der Gefahr von „Überallokationen“ rechtfertigt, die sich
daraus ergebe, dass die betreffenden Betreiber im Rahmen des Zuteilungsverfahrens nach der
Berechnungsmethode des „Benchmarking“ veranlasst sein könnten, überhöhte Prognosen
abzugeben. Nach Auffassung der Klägerin besteht nämlich eine solche Gefahr nicht bei Anlagen, die
schon seit mindestens 2002 in Betrieb sind und für welche die Berechnungsmethode des
„Grandfathering“ angewandt wird, da bei dieser die Daten über die in der Vergangenheit erzielten
Produktionsvolumen relativ verlässlich seien.
158 Nach alledem ist das Vorbringen der Kommission, auf das sie ihre allgemeine Schlussfolgerung im
vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stützt, die nachträglichen Anpassungen für
neue Marktteilnehmer verstießen gegen Kriterium 5, weil sie diesen gegenüber anderen Betreibern,
die nicht den Bestimmungen über die nachträglichen Anpassungen unterlägen, einen Vorteil
verschaffen könnten, weder durch Tatsachen untermauert noch rechtlich begründet.
159 Erstens ergibt sich weder aus der angefochtenen Entscheidung noch aus den Äußerungen der
Kommission, warum und inwieweit sich neue Marktteilnehmer gegenüber den anderen Betreibern
hinsichtlich der Anwendung der nachträglichen Anpassungen in einer entsprechenden oder einer
anderen Lage befinden sollen. Im Gegenteil ist in der angefochtenen Entscheidung offensichtlich nicht
berücksichtigt, dass für Betreiber von Anlagen, die ihren Betrieb nach 2002 aufgenommen haben,
ähnliche oder sogar gleiche nachträgliche Anpassungen wie für neue Marktteilnehmer anwendbar
sind.
160 Zweitens ist, wie die Klägerin im Rahmen ihres dritten Klagegrundes vorträgt, das von der Kommission
während des Verfahrens vor dem Gericht vorgetragene Argument, eine Möglichkeit zur späteren
Korrektur der Zahl der zugeteilten Zertifikate sei für die neuen Marktteilnehmer insofern günstiger, als
diese bei der Einreichung des Zuteilungsantrags überhöhte Prognosen des Produktionsvolumens
abgeben könnten und die deutschen Behörden weniger aufmerksam kontrollierten, in mehrfacher
Hinsicht offensichtlich widersprüchlich und falsch.
161 Zum einen ist nämlich das Argument widersprüchlich, dass eine nachträgliche Korrektur der Zahl der
einem Betreiber zugeteilten Zertifikate nach unten – d. h. eine Entzugsmaßnahme, die ihm zum
Nachteil gereicht, weil ihm ein „Gut“ mit Handelswert genommen wird – diesem gegenüber den
anderen Betreibern, für die kein solcher Korrekturmechanismus gelte, einen „Vorteil“ verschaffen
könne. Zum anderen wird mit diesem Argument unterstellt, dass die anderen Betreiber, sofern sie sich
in einer vergleichbaren Situation befinden, nicht denselben „Vorteil“ erhalten, was jedenfalls nicht für
die Betreiber gilt, die nach 2002 in den Markt eintraten und demselben Korrekturmechanismus
unterliegen.
162 Zudem ist die Behauptung, der Anreiz für neue Marktteilnehmer zu überhöhten Prognosen sei bei
Bestehen einer Korrekturmöglichkeit höher als ohne eine solche, sehr spekulativ und ebenfalls
widersprüchlich. Das Gegenteil ist nämlich der Fall, da ein Betreiber, der bei Abgabe seines Antrags
weiß, dass eine nachträgliche Anpassung möglich ist, eher geneigt sein wird, dem zuvorzukommen.
Schließlich kann auch das Argument nicht überzeugen, dass die zuständigen Behörden weniger
Sorgfalt an den Tag legten, wenn sie nachträglich korrigieren könnten, da es im Interesse jeder
effektiven
Verwaltung
liegt,
spätere
Komplikationen,
insbesondere
zeitaufwendige
Entzugsmaßnahmen, die erhebliche Verwaltungsressourcen erfordern, von vornherein zu vermeiden.
163 Nach alledem ist der vierte Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung offensichtlich
widersprüchlich
und
falsch
und
stellt
eine
offensichtliche
Missachtung
der
Anwendungsvoraussetzungen des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar. Zudem kann die
Kommission, wenn sie nach Art. 9 der Richtlinie 2003/87 prüft, ob der Mitgliedstaat Kriterium 5
beachtet hat, nicht einfach eine Ungleichbehandlung behaupten, ohne zuvor mit aller gebotenen
Sorgfalt die dafür maßgeblichen Voraussetzungen, wie sie in der oben in Randnr. 153 angeführten
Rechtsprechung aufgestellt worden sind, geprüft und bei der Begründung ihres Ergebnisses
angemessen berücksichtigt zu haben.
164 Daraus ergibt sich, dass die Kommission bei der Anwendung von Kriterium 5 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87 einen Rechtsfehler begangen hat und dass der zweite Teil des ersten Klagegrundes
der Klägerin ebenfalls durchgreift.
165 Wegen seines engen Zusammenhangs mit dem ersten Klagegrund hält es das Gericht jedoch für
angebracht, den dritten Klagegrund zu prüfen.
166 Die Klägerin trägt vor, Art. 1 Buchst. a und Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung
beruhten auf einer Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 253 EG, da im vierten
Erwägungsgrund dieser Entscheidung gestützt auf Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
offensichtlich fehlerhaft festgestellt werde, dass durch die nachträglichen Anpassungen neue
Marktteilnehmer gegenüber anderen Betreibern ungerechtfertigt bevorzugt würden. Die Kommission
habe insoweit übersehen, dass zum einen der NZP nicht vorsehe, dass neue Marktteilnehmer
zusätzliche Zertifikate erhalten könnten, sondern nur, dass sie lediglich nachträglichen Anpassungen
nach unten unterlägen, und dass zum anderen die Entziehung von Zertifikaten nach einer solchen
Anpassung eine Belastung und keine Bevorzugung darstelle. Eine Bevorzugung könne auch nicht darin
gesehen werden, dass sich die Zuteilung für neue Marktteilnehmer anders als bei bestehenden
Anlagen an der voraussichtlichen Produktion orientiere, denn dieser Vorteil werde durch die
Möglichkeit nachträglicher Anpassungen nach unten gerade ausgeglichen. Daher seien Art. 1 Buchst.
a und Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung auch aus diesem Grund für nichtig zu
erklären.
167 Die Kommission verweist auf ihre Ausführungen zur Unbegründetheit der Rüge eines Verstoßes gegen
Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 und gelangt zu dem Ergebnis, dass die angefochtene
Entscheidung nicht gegen Art. 253 EG verstoße.
168 Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Beachtung der Begründungspflicht gemäß Art. 253 EG, wie
sie in Art. 9 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 2003/87 bekräftigt worden ist, bei Entscheidungen, mit denen
die Kommission einen NZP ganz oder teilweise ablehnt, eine umso größere Bedeutung zukommt, als
die Kommission bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis nach Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie 2003/87
komplexe wirtschaftliche und ökologische Bewertungen anzustellen hat und die Kontrolle der
Rechtmäßigkeit und Begründetheit dieser Bewertungen durch den Gemeinschaftsrichter beschränkt
ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität
München, C-269/90, Slg. 1991, I-5469, Randnr. 14).
169 Insoweit ist festzustellen, dass das Vorbringen, auf das die Klägerin diesen Klagegrund stützt, eher zur
materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung gehört, da es um die Anwendung von
Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 geht. Da das Verteidigungsmittel der Verletzung der
Begründungspflicht einen Gesichtspunkt darstellt, den der Gemeinschaftsrichter jedenfalls von Amts
wegen prüfen kann (Urteile des Gerichtshofs vom 20. Februar 1997 Kommission/Daffix, C-166/95 P, Slg.
1997, I-983, Randnr. 24, und vom 3. Juli 2003, Belgien/Kommission, C-457/00, Slg. 2003, I‑6931,
Randnr. 102), ist seine Begründetheit zu prüfen.
170 In Anbetracht der Erwägungen in den vorstehenden Randnrn. 158 bis 164 ist das Gericht der
Auffassung, dass die Kommission ihre Begründungspflicht nach Art. 253 EG verletzt hat, indem sie zur
Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung weder in der angefochtenen Entscheidung noch in
ihrer Mitteilung vom 7. Juli 2004, noch beim Erlass dieser Handlungen irgendeine Erläuterung gegeben
hat. Dieser Begründungsmangel betrifft insbesondere den in der angefochtenen Entscheidung
angeführten Grund, dass neue Marktbeteiligte im Hinblick auf die Anwendung nachträglicher
Anpassungen günstiger und anders gestellt seien als sonstige Betreiber, das Fehlen eines Vergleichs
in der angefochtenen Entscheidung zwischen der Lage neuer Marktteilnehmer und der Lage von
Betreibern, die ähnlichen nachträglichen Anpassungen unterliegen, und das fehlende Eingehen der
Kommission auf die Frage, ob eine etwaige Ungleichbehandlung möglicherweise gerechtfertigt ist.
171 Folglich greift dieser Klagegrund durch und Art. 1 Buchst. a und Art. 2 Buchst. a der angefochtenen
Entscheidung sind auch aus diesem Grund für nichtig zu erklären.
172 Da der erste und der dritte Klagegrund begründet sind und ausreichen, um den Anträgen der
Klägerin auf Nichtigerklärung stattzugeben, ist über den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß
gegen Art. 176 EG geltend gemacht wird, nicht zu entscheiden.
Kosten
173 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die
Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Art. 1 der Entscheidung K(2004) 2515/2 endg. der Kommission vom 7. Juli 2004 über den
nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von
der Bundesrepublik Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit
Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der
Richtlinie 96/61/EG des Rates übermittelt wurde, wird für nichtig erklärt.
2. Art. 2 Buchst. a bis c der genannten Entscheidung wird für nichtig erklärt, soweit
damit der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben wird, die dort erfassten
nachträglichen Anpassungen abzuschaffen und die Abschaffung der Kommission
mitzuteilen.
3. Die Kommission trägt die Kosten.
Jaeger
Tiili
Azizi
Cremona
Czúcz
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. November 2007.
Der Kanzler
Der Präsident
E. Coulon
M. Jaeger
Inhaltsverzeichnis
Rechtlicher Rahmen
Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien
Entscheidungsgründe
I – Vorbemerkung
II – Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit
Anhang III der Richtlinie 2003/87
A – Vorbringen der Parteien
1. Vorbringen der Klägerin
a) Vorbemerkung
b) Zur Einhaltung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
c) Zur Einhaltung von Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
d) Zum Umfang der Kontrollbefugnis der Kommission nach Art. 9 Abs. 3
in Verbindung mit Anhang III der Richtlinie 2003/87 und zum Spielraum,
den diese Richtlinie den Mitgliedstaaten lässt
e) Zu den ökonomischen Argumenten der Kommission
2. Vorbringen der Kommission
a) Zur Bedeutung der Kriterien des Anhangs III der Richtlinie 2003/87 als
Prüfungsmaßstab für die von der Kommission nach Art. 9 Abs. 3 dieser
Richtlinie ausgeübte Kontrolle
b) Zur Vereinbarkeit des deutschen NZP mit Kriterium 10 des Anhangs III
der Richtlinie 2003/87
c) Zur Vereinbarkeit des deutschen NZP mit Kriterium 5 des Anhangs III
der Richtlinie 2003/87
B – Würdigung durch das Gericht
1. Zur Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen der
Kommission und den Mitgliedstaaten und zum Umfang der gerichtlichen
Nachprüfung
2. Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf
Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
a) Zu den streitigen nachträglichen Anpassungen
b) Zur wörtlichen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87
c) Zur historischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87
d) Zur systematischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87
Zu den maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 und der
Verordnung Nr. 2216/2004
i) Zu den Art. 9 und 11 der Richtlinie 2003/87
ii) Zu Art. 29 der Richtlinie 2003/87
iii) Zu Art. 38 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2216/2004
Zur Bedeutung der Hinweise der Kommission
i) Zur Selbstbeschränkungswirkung der Hinweise der Kommission
ii) Zur Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie
2003/87 im Licht der Hinweise der Kommission
iii) Zur Bedeutung der Mitteilung der Kommission vom 7. Juli 2004
Ergebnis der systematischen Auslegung von Kriterium 10 des
Anhangs III der Richtlinie 2003/87
e) Zur teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der
Richtlinie 2003/87
Vorbemerkung
Zu den Zielen der Richtlinie 2003/87
Zur Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
im Licht der Ziele dieser Richtlinie
i) Wesentliches Vorbringen der Parteien
ii) Zu den relevanten Prüfungskriterien
Zum Verhältnis zwischen Produktionsvolumen und
Emissionsmenge in Bezug auf das Ziel der Verringerung der
Emissionen
Zur Abstimmung des Ziels der Verringerung der Emissionen mit
dem Ziel der Wahrung der Bedingungen der Kosteneffizienz und
der wirtschaftlichen Effizienz
Zum Ziel der Verringerung der Emissionen durch technologische
Verbesserungen
Zum Ziel des Schutzes der Integrität des Binnenmarktes und der
Wettbewerbsbedingungen
Ergebnis der teleologischen Auslegung von Kriterium 10 des Anhangs
III der Richtlinie 2003/87
f) Ergebnis in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Entscheidung im Hinblick auf Kriterium 10 des Anhangs III der Richtlinie
2003/87
3. Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf
Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie 2003/87
a) Allgemeines
b) Zum Vergleich der Situationen der betroffenen Betreiber
III – Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art.
253 EG
A – Vorbringen der Parteien
B – Würdigung durch das Gericht
IV – Ergebnis
Kosten
Verfahrenssprache: Deutsch.