Urteil des EuG vom 04.12.2014

Muster Und Modelle, Beschwerdekammer, Begriff, Verordnung

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)
4. Dezember 2014
)
„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftsbildmarke WATT und
Gemeinschaftswortmarke WATT – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender
Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“
In den verbundenen Rechtssachen T‑494/13 und T‑495/13
Sales & Solutions GmbH
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin K. Gründig-Schnelle,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin
vor dem Gericht:
Inceda Holding GmbH
Rechtsanwältinnen J. Wald und D. Thrun,
betreffend in der Rechtssache T‑494/13 eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten
Beschwerdekammer vom 15. Juli 2013 (Sache R 1192/2012-4) und in der Rechtssache
T‑495/13 eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer vom
15. Juli 2013 (Sache R 1193/2012‑4) zu Nichtigkeitsverfahren zwischen der INCEDA
Holding GmbH und der Sales & Solutions GmbH
erlässt
DAS GERICHT (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) sowie der Richter
F. Dehousse und A. M. Collins,
Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,
aufgrund der am 16. und 17. September 2013 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangenen Klageschriften,
aufgrund der am 23. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung des HABM,
aufgrund der am 20. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung der Streithelferin,
aufgrund des Beschlusses vom 20. November 2013, die Rechtssachen T‑494/13 und
T‑495/13 zu gemeinsamem schriftlichen Verfahren, zu gemeinsamem mündlichen
Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden,
auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2014
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 5. Januar 2001 trug das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster
und Modelle) (HABM) zugunsten der Watt AG Schweiz, deren Rechtsnachfolgerin die
Klägerin, die Sales & Solutions GmbH, ist, die Wortmarke WATT (Rechtssache
T‑495/13) ein.
2
Die Marke wurde für folgende Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 42 des
Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und
geänderter Fassung eingetragen:
– Klasse 35: „Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens, nämlich
wirtschaftliche Beratung auf dem Gebiet des Einkaufs von Energie, insbesondere
der Bildung von Einkaufsgemeinschaften, der Bündelung von Abnehmergruppen
oder der Bezugsoptimierung, der Beschaffung, der Bewirtschaftung und des An-
und Verkaufs von Energie, insbesondere des Handels mit Energie, Optimierung
des Energiemixes des Kunden (Energieportfoliomanagement), einschließlich
Managementberatung in Energiefragen, Energiecontrolling, Managementberatung
bzgl. des Handels mit elektrischer Energie, des Transports und der Verteilung von
Energie, Managementberatung im Energiebereich; wirtschaftliche Beratung Dritter
auf dem Gebiet der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer
Energie, insbesondere in Fragen der Betriebsführung von energietechnischen
Anlagen, wie Anlagen zur Energieerzeugung, Energieverteilung und
Energieanwendung“;
– Klasse 39: „Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens, nämlich
Versorgung von Unternehmen, von Kommunen und Haushalten mit elektrischer
Energie“;
– Klasse 42: „Technische Beratung Dritter auf dem Gebiet der Erzeugung,
Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie, insbesondere in Fragen
der Betriebsführung von energietechnischen Anlagen, wie Anlagen zur
Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieanwendung; Entwicklung
ganzheitlicher
Energiekonzepte;
Energiemanagement,
nämlich
Umweltzertifizierung von Unternehmen und Lastmanagement“.
3
Am 29. Februar 2008 trug das HABM zugunsten der Watt Deutschland GmbH, deren
Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, die nachstehend aufgeführte Bildmarke
(Rechtssache T‑494/13) ein:
4
Die Anmeldung war für folgende Dienstleistungen, ebenfalls der Klassen 35, 39 und 42
im Sinne des genannten Abkommens von Nizza, erfolgt:
– Klasse 35: „Dienstleistungen eines Energie- und
Wasserversorgungsunternehmens, nämlich wirtschaftliche Beratung auf dem
Gebiet des Einkaufs von Energie, insbesondere der Bildung von
Einkaufsgemeinschaften, der Bündelung von Abnehmergruppen oder der
Bezugsoptimierung, der Beschaffung, der Bewirtschaftung und des An- und
Verkaufs von Energie, insbesondere des Handels mit Energie, Optimierung de[r]
Energieversorgung des Kunden durch eine bedarfsorientierte Zusammenstellung
von
Energieprodukten
(Energieportfoliomanagement),
einschließlich
betriebswirtschaftlicher Beratung in Energiefragen, beim Energiehandel und beim
Transport der Verteilung von Energie; wirtschaftliche Beratung Dritter auf dem
Gebiet der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie,
insbesondere in Fragen der Betriebsführung von energietechnischen Anlagen, wie
Anlagen zur Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieanwendung“;
– Klasse 39: „Dienstleistungen eines Energie- und
Wasserversorgungsunternehmens, nämlich Verteilung und Lieferung von Energie
und Wasser an Unternehmen, Kommunen und Haushalte“;
– Klasse 42: „Technische Beratung Dritter auf dem Gebiet der Erzeugung,
Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie, insbesondere in Fragen
der Betriebsführung von energietechnischen Anlagen, wie Anlagen zur
Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieanwendung; Entwicklung von
Energiekonzepten; Energiemanagement, nämlich Umweltzertifizierung von
Unternehmen und Lastmanagement; Analyse, Darstellung, Kontrolle, und
Steuerung des individuellen Energieverbrauchs (Energiecontrolling)“.
5
Am 2. November 2010 (Rechtssache T‑495/13) bzw. 4. November 2010 (Rechtssache
T‑494/13) stellte die Streithelferin, die Inceda Holding GmbH, Anträge auf
Nichtigerklärung der oben genannten Marken für die von diesen erfassten
Dienstleistungen. Diese Anträge wurden auf die in Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung
mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und d der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom
26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78 S. 1) angeführten Gründe
26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78 S. 1) angeführten Gründe
gestützt.
6
Am 21. Mai 2012 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die angegriffenen Marken für nichtig,
da sie entgegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 eingetragen
worden seien. Es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen den eingetragenen
Zeichen und den erfassten Dienstleistungen, da der Begriff „Watt“ eine
Beschaffenheitsangabe darstelle, die im Rahmen von Energiedienstleistungen im weiten
Sinne verwendet werde. Elektrischer Strom werde in Wattstunden oder Kilowattstunden
gemessen, und den Abnehmern werde eine gewisse Leistung, gemessen in Watt, zur
Verfügung gestellt.
7
Am 27. Juni 2012 legte die Klägerin gegen die Entscheidungen der
Nichtigkeitsabteilung Beschwerden ein.
8
Mit Entscheidungen vom 15. Juli 2013 wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM
sowohl in der Sache R 1192/2012-4 (Rechtssache T‑494/13, im Folgenden: erste
angefochtene Entscheidung) als auch in der Sache R 1193/2012-4 (Rechtssache
T‑495/13, im Folgenden: zweite angefochtene Entscheidung) diese Beschwerden mit
der Begründung zurück, dass die streitigen Marken beschreibend seien und für die in
Rede stehenden Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft hätten.
9
Zunächst prüfte die Beschwerdekammer die für das gesamte Gebiet der Europäischen
Union vorgebrachten absoluten Eintragungshindernisse. Sie stellte auch fest, dass die in
Rede stehenden Dienstleistungen sich an Haushalte sowie an Gewerbetreibende
richteten, die einen Energiebedarf hätten.
10
Anschließend führte die Beschwerdekammer aus, dass der Begriff „Watt“ universell
verständlich und international genormt sei und insbesondere einer Maßeinheit
elektrischer Leistung entspreche. Daher ging sie davon aus, dass eine beschreibende
Bedeutung des Begriffs für alle Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 42 bestehe, für
die die in Rede stehenden Marken eingetragen seien. Dass in der Energiebranche
neben dem Begriff „Watt“ auch die Begriffe „Wattstunde“ und „Kilowattstunde“ verwendet
würden, ändere nichts an dieser Beurteilung.
11
Außerdem stellte die Beschwerdekammer fest, dass es auch an der nach Art. 7 Abs. 1
Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 erforderlichen Unterscheidungskraft fehle.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
12
Die Klägerin beantragt,
– die erste angefochtene Entscheidung (Rechtssache T‑494/13) aufzuheben;
– die zweite angefochtene Entscheidung (Rechtssache T‑495/13) aufzuheben;
– der Streithelferin die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Verfahren vor der
Beschwerdekammer angefallenen Kosten aufzuerlegen.
13
Das HABM beantragt,
13
Das HABM beantragt,
– die Klagen abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
14
Die Streithelferin beantragt,
– die Klagen abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
15
Die Klägerin stützt ihre Klagen auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen
Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen
Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung rügt. Sie bringt im
Wesentlichen vor, die Beschwerdekammer habe ihrer Entscheidung ein falsches
Verständnis des Begriffs „Watt“ zugrunde gelegt, da Strommengen weder in „Watt“
angegeben noch abgerechnet würden.
Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung
Nr. 207/2009
16
Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind „Marken, die
ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur
Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der
geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der
Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung
dienen können“, von der Eintragung ausgeschlossen.
17
Nach der Rechtsprechung verhindert Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung
Nr. 207/2009, dass die dort genannten Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung
als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden. Diese Vorschrift verfolgt
somit das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass solche Zeichen oder Angaben von
allen frei verwendet werden können (Urteile vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley,
C‑191/01 P, Slg, EU:C:2003:579, Rn. 31, und vom 7. Juli 2011, Cree/HABM
[TRUEWHITE], T‑208/10, EU:T:2011:340, Rn. 12).
18
Außerdem werden Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von
Merkmalen der Ware oder Dienstleistung dienen können, für die die Eintragung
beantragt wird, gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 als
ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, die darin
besteht, die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu identifizieren, um es
dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung
erwirbt, damit zu ermöglichen, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon
abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (Urteile
HABM/Wrigley, oben in Rn. 17 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 30, und TRUEWHITE,
oben in Rn. 17 angeführt, EU:T:2011:340, Rn. 13).
19
Folglich fällt ein Zeichen unter das in dieser Bestimmung aufgestellte Verbot, wenn es
zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und
konkreten Bezug aufweist, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht,
unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden
Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil
TRUEWHITE, oben in Rn. 17 angeführt, EU:T:2011:340, Rn. 14 und die dort angeführte
Rechtsprechung).
20
Ob ein Zeichen beschreibend ist, kann ferner nur im Hinblick auf seine Wahrnehmung
durch die maßgeblichen Verkehrskreise und in Bezug auf die betroffenen Waren und
Dienstleistungen beurteilt werden (Urteile vom 27. Februar 2002, Eurocool
Logistik/HABM [EUROCOOL], T‑34/00, EU:T:2002:41, Rn. 38, und TRUEWHITE, oben
in Rn. 17 angeführt, EU:T:2011:340, Rn. 17).
21
Ferner ist festzustellen, dass es für die Zurückweisung einer Anmeldung durch das
HABM nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 genügt, wenn das
fragliche Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in
Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (Urteil HABM/Wrigley, oben
in Rn. 17 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 32).
22
Im Licht dieser Grundsätze ist das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zu der von der
Beschwerdekammer in der ersten und der zweiten angefochtenen Entscheidung
vorgenommenen Beurteilung zu prüfen.
23
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer jeweils in Rn. 15 der ersten
und der zweiten angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass sich die fraglichen
Dienstleistungen an Privathaushalte sowie an Gewerbetreibende aus sämtlichen
Industriezweigen, die einen Energiebedarf haben, richteten. Sie hat ferner in denselben
Randnummern ausgeführt, dass der Begriff „Watt“ neben den von der
Nichtigkeitsabteilung in Bezug genommenen Sprachen, d. h. Deutsch und Englisch, in
identischer Form und mit identischem Bedeutungsgehalt in allen Sprachen der Union
existiere und es sich um einen universell verständlichen und international genormten
Begriff handele. Es gibt keinen Grund, diese Ausführungen, denen die Klägerin im
Übrigen nicht entgegengetreten ist, in Frage zu stellen.
24
In ihren Klagen wendet sich die Klägerin nämlich hauptsächlich gegen die von der
Beschwerdekammer
ihrer
Feststellung
des
Vorliegens
eines
absoluten
Eintragungshindernisses nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009
zugrunde gelegte Bedeutung des Begriffs „Watt“. Im Wesentlichen wirft die Klägerin der
Beschwerdekammer vor, nicht zwischen der allgemeinen physikalischen Größe
Leistung, also Watt (W), und den verschiedenen Energiemengeneinheiten, wie
beispielsweise der Wattstunde (Wh) oder der Kilowattstunde (kWh), unterschieden zu
haben. Nach Auffassung der Klägerin ist dem Verkehr für den Bereich der
Energieversorgung bekannt, dass Strommengen in Kilowattstunden angegeben würden,
und nicht in Watt. Wegen dieses Unterschieds zwischen den beiden Begriffen falle der
Begriff „Watt“ nicht unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009
aufgestellte Verbot.
25
Hierzu hat die Beschwerdekammer jeweils in Rn. 16 der ersten und der zweiten
angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Begriff „Watt“ die im internationalen
Einheitensystem für Leistung verwendete Maßeinheit sei. In diesem System ist ein Watt
nämlich definiert als die Leistung, die zur Erzeugung einer Energie von einem Joule pro
Sekunde führt. Dieser im Übrigen von der Klägerin nicht bestrittene Bedeutungsgehalt ist
nicht in Frage zu stellen.
26
Die Beschwerdekammer hat in denselben Randnummern ferner festgestellt, dass das
Wort oder der Wortbestandteil „Watt“ eine Maßeinheit elektrischer Leistung und eine
international und national normierte Energieeinheit bezeichnet. Zum Beleg für ihre
Auffassung hat die Beschwerdekammer zum einen die Definitionen des Begriffs „Watt“
sowohl in der Online-Ausgabe des englischen Wörterbuchs Oxford English Dictionary
als auch in der Online-Ausgabe des deutschen Wörterbuchs Duden und zum anderen
die internationale Norm ISO 1000 sowie die deutsche Norm DIN 1301 angeführt.
27
Diese Darlegungen, die im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet werden, haben
Berücksichtigung zu finden. In ihren Klageschriften erkennt die Klägerin außerdem an,
dass ein Zusammenhang zwischen dem Begriff „Watt“ und elektrischen Geräten bestehe.
In der mündlichen Verhandlung hat sie sogar ausgeführt, dass die in Rede stehenden
Marken für diese Art von Geräten nicht eintragbar seien, weil sie für diese Waren
beschreibend seien.
28
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es zwar zutrifft, dass sich der Begriff „Watt“
nicht ausschließlich auf Elektrizität bezieht, sondern in umfassenderer Weise die
Quantifizierung der Leistung eines Energie erzeugenden Systems erlaubt, doch
widerspricht dies nicht der Tatsache, dass dieser Begriff im Bereich der Elektrizität
allgemein verwendet wird.
29
Die Klägerin kann somit nicht behaupten, dass der Begriff „Watt“ nicht mit Elektrizität
oder Energie im Allgemeinen zusammenhänge, sondern nur mit einem abstrakteren
Begriff einer physikalischen Größe.
30
Ebenso wenig kann der Klägerin gefolgt werden, wenn sie die Auffassung vertritt, dass
der von ihr geltend gemachte Unterschied zwischen Watt (W) und beispielsweise
Wattstunde (Wh) oder Kilowattstunde (kWh) derart groß sei, dass diese Begriffe nicht
verwechselt werden könnten, was bei der Beurteilung der beschreibenden Bedeutung
des Begriffs „Watt“ für die eingetragenen Dienstleistungen hätte berücksichtigt werden
müssen.
31
Im täglichen Leben kann ein Watt nämlich als eine kleine Einheit angesehen werden.
Ein Watt entspricht der Leistung eines Energie erzeugenden Systems, in dem eine
Energie von einem Joule gleichförmig während einer Sekunde übertragen wird. Andere
Größenordnungen werden häufig verwendet, um die Leistung pro Sekunde zu messen
(Kilowatt, Megawatt, Gigawatt) oder um dem Faktor Zeit Rechnung zu tragen, womit es
ermöglicht wird, die in einem bestimmten Zeitraum erzeugte oder verbrauchte Energie zu
bewerten (Wattstunde, Kilowattstunde).
32
Folglich ist, wie das HABM im Übrigen in der Klagebeantwortung einräumt, der Begriff
32
Folglich ist, wie das HABM im Übrigen in der Klagebeantwortung einräumt, der Begriff
„Watt“ zwar streng genommen nicht die beim Verkauf von Elektrizität verwendete
Größeneinheit, jedoch ist er mit dieser sowohl unmittelbar als auch über seine Varianten
Wattstunde oder Kilowattstunde untrennbar verbunden.
33
Außerdem ist daran zu erinnern, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen sowohl
für Privathaushalte als auch für Gewerbetreibende bestimmt sind. Da zu den
maßgeblichen Verkehrskreisen auch Privatpersonen gehören, kann nicht davon
ausgegangen werden, dass diese Verkehrskreise in der Lage sind, die von der Klägerin
vorgebrachte Unterscheidung zwischen der allgemeinen physikalischen Größe der
Leistung und den verschiedenen in der Praxis verwendeten Energiemengeneinheiten
vorzunehmen. Der Schwerpunkt ist hier auf die praktische Wahrnehmung des Begriffs
„Watt“ im täglichen Leben und nicht auf dessen exakte wissenschaftliche Definition zu
legen.
34
Wie die Streithelferin geltend macht, liegt eine der Ursachen, warum der Verkehr gerade
keine Unterscheidung zwischen Maßeinheit und Energiemengeneinheit vornimmt, darin
begründet, dass Glühbirnen mit „Watt“ gekennzeichnet werden, so dass der Verkehr die
Bezeichnung „Watt“ mit Energie gleichsetzt. Wie von der Beschwerdekammer in den
angefochtenen Entscheidungen ausgeführt worden ist, ist somit vielmehr anzunehmen,
dass der Begriff „Watt“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen als ein unmittelbarer
Hinweis auf eine im Bereich der Energie, und insbesondere der elektrischen Energie,
verwendete Maßeinheit aufgefasst werden kann.
35
Aus diesen Gründen kann die Unterscheidung zwischen Watt und beispielsweise
Wattstunde oder Kilowattstunde, wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird, nicht
ausreichen, um die Analyse der Beschwerdekammer in den angefochtenen
Entscheidungen in Frage zu stellen.
36
Schließlich ist auch der Umstand nicht erheblich, dass der Begriff „Watt“ nicht nur eine
Bezeichnung für eine Maßeinheit ist, sondern darüber hinaus auch andere Bedeutungen
haben kann (Bezeichnung einer Art von Küstenbereich und des dort vorherrschenden
Bodentyps, Nachname des schottischen Erfinders James Watt). Für die Feststellung,
dass ein Begriff beschreibend ist, genügt es nämlich, wenn das in Rede stehende
Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage
stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. oben, Rn. 21).
37
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Argumente der Klägerin, die darauf
abzielen, den von der Beschwerdekammer im Rahmen ihrer Prüfung des Art. 7 Abs. 1
Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 festgestellten Bedeutungsgehalt in Frage zu
stellen, zurückzuweisen sind.
38
Daher kann, wie in den angefochtenen Entscheidungen (Rn. 24 bis 26 der ersten
angefochtenen Entscheidung, Rn. 21 bis 23 der zweiten angefochtenen Entscheidung)
festgestellt worden ist, der Begriff „Watt“ in Bezug auf die von den fraglichen Marken
erfassten Dienstleistungen der Klasse 35 tatsächlich als beschreibend angesehen
werden, gleichviel, ob diese Dienstleistungen in der Energieversorgung, in der
wirtschaftlichen Beratung im Energiebereich oder in Beratungsleistungen auf dem Gebiet
der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie bestehen.
der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie bestehen.
39
Soweit in dem Verzeichnis der Dienstleistungen der Klasse 35, die von der
Gemeinschaftsbildmarke WATT (Rechtssache T‑494/13) erfasst sind, nicht bloß
„Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens“, sondern „Dienstleistungen
eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens“ enthalten sind, ist daran zu
erinnern, dass die Beschwerdekammer in Rn. 23 der ersten angefochtenen
Entscheidung Folgendes ausgeführt hat:
„Beschreibend ist der Begriff [‚Watt‘] gleichermaßen [wie in Bezug auf die Verteilung und
Lieferung von Energie] für die Dienstleistungen eines Wasserversorgungsunternehmens,
nämlich die Verteilung und Lieferung von Wasser an Unternehmen, Kommunen und
Haushalte. Das gelieferte Wasser wird je nach Kundenbedarf meist vor dessen
Weiterverwendung und Verbrauch gekühlt oder erwärmt, beispielsweise durch Einsatz
eines Warmwasserboilers für den Haushalt oder einer Warmwasserversorgungsanlage
zu Heizzwecken. Kühlung und Heizung des Wassers erfordern den Einsatz von Energie,
die in ‚Watt‘ gemessen wird. Zur Angabe und Abrechnung des entstandenen Verbrauchs
ist die Angabe in ‚Watt‘ beziehungsweise der ‚Wattstunden‘ und ‚Kilowattstunden‘
unverzichtbar.“
40
Insoweit ist zwar festzustellen, dass, wie die Klägerin ausgeführt hat, die Angabe und
Abrechnung des Wasserverbrauchs nicht in Kilowattstunden und auch nicht in Watt
erfolgen. Doch ist im vorliegenden Fall nicht zwischen den Dienstleistungen eines
Energieversorgungsunternehmens einerseits und den Dienstleistungen eines
Wasserversorgungsunternehmens andererseits zu unterscheiden, da die in Rede
stehenden
Dienstleistungen
unter
„Dienstleistungen
eines
Energie-
und
Wasserversorgungsunternehmens“ fallen und somit durchaus auf die von der
Beschwerdekammer genannte Bedeutung des Begriffs „Watt“ Bezug genommen werden
kann. Die vorstehend wiedergegebene Beschreibung der Dienstleistungen weist
nämlich nicht den Grad an Klarheit und Präzision auf, der erforderlich wäre, um dem
Gericht die Feststellung zu ermöglichen, dass die Beschwerdekammer den
beschreibenden Charakter des in Rede stehenden Zeichens allein in Bezug auf die
Dienstleistungen eines Wasserversorgungsunternehmens hätte beurteilen müssen.
41
Wie die Streithelferin geltend macht, ist vielmehr im Gegenteil festzustellen, dass hinter
den „Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens“ im
Verzeichnis der von der Gemeinschaftsbildmarke WATT (Rechtssache T‑494/13)
erfassten Dienstleistungen der Klasse 35 unmittelbar das Wort „nämlich“ steht, das hier
verwendet wird, um die in Rede stehenden Dienstleistungen aufzuzählen, die nicht mit
Wasser, sondern mit Energie im Zusammenhang stehen (vgl. oben, Rn. 4).
42
In gleicher Weise hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass der auch in
den Begriffen „Kilowatt“, „Wattstunde“ und „Kilowattstunde“ enthaltene Begriff „Watt“ als
Maßeinheit elektrischer Leistung für die in Klasse 39 enthaltenen „Dienstleistungen
eines Energieversorgungsunternehmens, nämlich Versorgung von Unternehmen, von
Kommunen und Haushalten mit elektrischer Energie“ (Rechtssache T‑495/13) oder
„Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens, nämlich
Verteilung und Lieferung von Energie und Wasser an Unternehmen, Kommunen und
Haushalte“, ohne dass zwischen den Dienstleistungen der Lieferung von Energie und
Haushalte“, ohne dass zwischen den Dienstleistungen der Lieferung von Energie und
denen der Lieferung von Wasser differenziert werden müsste (Rechtssache T‑494/13,
vgl. oben, Rn. 40), oder für die verschiedenen Dienstleistungen der Klasse 42 der
fraglichen Marken beschreibend ist (Rn. 22 und 27 der ersten angefochtenen
Entscheidung, 20 und 24 der zweiten angefochtenen Entscheidung).
43
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass zwischen erstens der
Gemeinschaftswortmarke WATT (Rechtssache T‑495/13) und zweitens dem in einer
leicht stilisierten Schrift in roten Kleinbuchstaben wiedergegebenen Wortbestandteil
„Watt“ in der Gemeinschaftsbildmarke WATT (Rechtssache T‑494/13), deren grafische
Bestandteile, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, nicht geeignet sind,
ihr Unterscheidungskraft zu verleihen (Rn. 21 der ersten angefochtenen Entscheidung),
und der Art oder der Beschaffenheit aller von der einen oder der anderen Marke
erfassten Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 42 sehr wohl ein hinreichend direkter
und konkreter Zusammenhang besteht (Rn. 20 der ersten angefochtenen Entscheidung,
Rn. 19 der zweiten angefochtenen Entscheidung).
44
Die in den angefochtenen Entscheidungen enthaltene Beurteilung steht nicht im
Widerspruch zu der Eintragung des Wortzeichens WATT in Deutschland (Eintragung
Nr. 39852926) und zu der Entscheidung des Deutschen Patent‑ und Markenamts
(DPMA) vom 7. Juni 2013 zu einem von der Streithelferin gegen die Klägerin
eingeleiteten Löschungsverfahren, in der das DPMA die Frage der physikalischen Größe
Leistung anders beurteilt habe als die Beschwerdekammer und zu dem Schluss gelangt
sei, dass der Begriff „Watt“ keine beschreibende Angabe für die Dienstleistungen der
Energieversorgung darstelle.
45
Nach der Rechtsprechung stellen nämlich in einem Mitgliedstaat der Union bereits
vorliegende Eintragungen einen Umstand dar, der für die Eintragung einer
Gemeinschaftsmarke lediglich berücksichtigt werden kann, ohne entscheidend zu sein.
Keine Vorschrift der Verordnung Nr. 207/2009 verpflichtet das HABM oder im Fall einer
Klage das Gericht, zu den gleichen Ergebnissen zu gelangen wie die nationalen Ämter
in einem gleichartigen Fall (vgl. Urteil vom 8. November 2007, MPDV Mikrolab/HABM
[manufacturing score card], T‑459/05, EU:T:2007:336, Rn. 27 und die dort angeführte
Rechtsprechung).
46
Im vorliegenden Fall kann der bloße Umstand, dass das DPMA in einem gleichartigen
Fall und unter Berücksichtigung einer Argumentation, die dem Vorbringen der Klägerin in
den vorliegenden Rechtssachen ähnelt, zu einem anderen Ergebnis gelangt sein mag
als die Beschwerdekammer, das Gericht nicht dazu verpflichten, ebenfalls zu diesem
Ergebnis zu gelangen. Für das Gericht sind im vorliegenden Fall im Wesentlichen der
Bedeutungsgehalt des Begriffs „Watt“, wie er von der Beschwerdekammer festgestellt
wurde, und die Tatsache, dass die Unterscheidung zwischen Watt und Kilowattstunde
keine Auswirkungen auf die maßgeblichen Verkehrskreise hat, für die Frage
entscheidend, ob dieser Begriff für die in Rede stehenden Dienstleistungen als
beschreibend anzusehen ist (vgl. oben, Rn. 25 bis 43), nicht hingegen die Erkenntnisse,
die sich der von der Klägerin angeführten Entscheidung des DPMA entnehmen lassen
könnten.
47
Außerdem ist festzustellen, dass die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung
47
Außerdem ist festzustellen, dass die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung
hierzu ausgeführt hat, ohne dass die Klägerin ihr widersprochen hätte, dass gegen die
genannte Entscheidung des DPMA ein Rechtsbehelf bei Gericht eingelegt worden sei
und dass dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, was jedenfalls geeignet
erscheint, die mögliche Tragweite dieser Entscheidung im Rahmen der vorliegenden
Rechtssache zu relativieren.
48
Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der
Verordnung Nr. 207/2009 unbegründet.
Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung
Nr. 207/2009
49
Gemäß ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 207/2009 eindeutig, dass das in Rede stehende Zeichen bereits dann
von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke ausgeschlossen ist, wenn nur eines der in
dieser Vorschrift genannten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (Urteile vom 19.
September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, Slg, EU:C:2002:506, Rn. 29, und vom 21.
November 2013, Heede/HABM [Matrix-Energetics], T‑313/11, EU:T:2013:603, Rn. 68).
50
Da bereits festgestellt worden ist, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem
Ergebnis gelangt ist, dass das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c
der Verordnung Nr. 207/2009 die Nichtigerklärung der eingetragenen Marken
rechtfertigte, ist es somit nicht erforderlich, über die Begründetheit des vorliegenden
Klagegrundes zu entscheiden, mit dem die Klägerin der Beschwerdekammer vorwirft, die
Unterscheidungskraft der fraglichen Zeichen verkannt zu haben.
51
Nach alledem sind die Klagen insgesamt abzuweisen.
Kosten
52
Gemäß Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr
gemäß dem Antrag des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2 . Die Sales & Solutions GmbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des
Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)
(HABM) und der Inceda Holding GmbH in den verbundenen Rechtssachen
T‑494/13 und T‑495/13.
Frimodt Nielsen
Dehousse
Collins
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Dezember 2014.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.