Urteil des EuG vom 12.02.2015

Verordnung, Marke, Beschwerdekammer, Muster Und Modelle

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)
12. Februar 2015
)
„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke LIFEDATA –
Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1
Buchst. b und Art. 75 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Mangelnde Einzelfallprüfung –
Begründungspflicht“
In der Rechtssache T‑318/13
Vita Phone GmbH
Rechtsanwalt P. Ruess und Rechtsanwältin A. Doepner‑Thiele,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
vertreten durch G. Marten und G. Schneider als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des
HABM vom 26. März 2013 (Sache R 1072/2012‑1) über die Anmeldung des
Wortzeichens LIFEDATA als Gemeinschaftsmarke
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richterin
I. Wiszniewska‑Białecka und des Richters I. Ulloa Rubio (Berichterstatter),
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 13. Juni 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 25. Juli 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung,
aufgrund der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts,
aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach
der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer
mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters
gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne
mündliche Verhandlung zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 23. Dezember 2011 meldete die Klägerin, die Vita Phone GmbH, nach der
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die
Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt
(Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.
2
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen LIFEDATA.
3
Die Marke wurde – nach den während des Verfahrens vor dem HABM vorgenommenen
Einschränkungen – für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 10 und 44 im
Sinne des Abkommens von Nizza über die Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und
geänderter Fassung angemeldet:
– Klasse 10: „Ärztliche und telemedizinische Apparate und Instrumente zur
Erfassung und Übertragung von Körperfunktionswerten und Biosignalen, sämtliche
vorgenannten Waren ausschließlich für den Bereich der Telemedizin“;
– Klasse 44: „Telemedizinische Dienstleistungen; Dienstleistungen eines
telemedizinischen Servicecenters, telemedizinisches Monitoring, telemedizinische
Betreuung von Patienten, telemedizinische Diagnostik, insbesondere über
elektronische Kommunikationsmittel, telefonische ärztliche Betreuung und
telefonischer Notfalldienst im Bereich der Telemedizin“.
4
Mit Bescheid vom 10. April 2012 wies der Prüfer die Anmeldung nach Art. 7 Abs. 1
Buchst. b und c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 mit der Begründung zurück,
dass das streitige Zeichen keine Unterscheidungskraft besitze und beschreibend sei.
5
Am 1. Juni 2012 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim HABM
eine Beschwerde gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 ein.
6
Mit Entscheidung vom 26. März 2013 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies
die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie war insbesondere
der Auffassung, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 aufweise.
7
Die Beschwerdekammer stellte zunächst fest, dass sich die in Rede stehenden Waren
und Dienstleistungen im Bereich der Telemedizin an ein medizinisches Fachpublikum
und an die Patienten richteten, die sie in Anspruch nähmen; diese Personen verfügten im
Allgemeinen über gute Englischkenntnisse und zeigten einen erhöhten
Aufmerksamkeitsgrad.
Aufmerksamkeitsgrad.
8
Sodann führte sie aus, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke
unmittelbar als Zusammensetzung aus den englischen Wörtern „life“ (auf Deutsch:
Leben) und „data“ (auf Deutsch: Daten, Messwerte, Angaben) erkennen würden und
dass diese Zusammensetzung, da sie eine nicht ungewöhnliche Aneinanderreihung
zweier Wörter des englischen Grundwortschatzes darstelle, von jedem Verbraucher, der
über Mindestkenntnisse dieser Sprache verfüge, als „Lebensdaten“ verstanden werde,
ohne dass es einer Auslegung bedürfe. Ferner wies die Beschwerdekammer darauf hin,
dass die angemeldete Marke dieselbe Bedeutung wie bestimmte Fachbegriffe im
telemedizinischen Bereich habe, und zwar die Begriffe „Biosignal“ und „Vitalparameter“.
9
Die Beschwerdekammer gelangte schließlich zu dem Schluss, dass man nicht davon
ausgehen könne, dass sich eine so leicht verständliche Wortkombination, die sich
zudem auf den Gegenstand der betroffenen Waren und Dienstleistungen beziehe, in der
Erinnerung der angesprochenen Verbraucher unmittelbar als Hinweis auf die
betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen einprägen
werde.
Verfahren und Anträge der Parteien
10
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem HABM die Kosten aufzuerlegen.
11
Das HABM beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
12
Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen
Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 und
zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung rügt.
Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 75 der Verordnung
Nr. 207/2009
13
Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen, mit denen ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1
Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 und ein Verstoß gegen Art. 75 dieser Verordnung
geltend gemacht werden.
Erster Teil: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009
14
Mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes wirft die Klägerin der Beschwerdekammer
vor, die Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens im Sinne von Art. 7 Abs. 1
vor, die Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens im Sinne von Art. 7 Abs. 1
Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in Bezug auf die von der Anmeldung erfassten
Waren und Dienstleistungen verkannt zu haben. Sie erhebt insoweit drei Rügen: Das
angemeldete Zeichen könne den betroffenen Verkehrskreisen keine konkrete und
eindeutige Botschaft vermitteln, zwischen dem angemeldeten Zeichen und dem
Gegenstand der beanspruchten Waren und Dienstleistungen bestehe keine Beziehung,
und die Beschwerdekammer habe bei ihrer Beurteilung die frühere Praxis des HABM
und des Patent- und Markenamts der Vereinigten Staaten von Amerika nicht hinreichend
berücksichtigt.
15
Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
16
Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine
Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Nach Art. 7 Abs. 2 der
Verordnung Nr. 207/2009 genügt es, dass dieses absolute Eintragungshindernis in
einem Teil der Europäischen Union vorliegt.
17
Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Marke Unterscheidungskraft im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, wenn sie geeignet ist, die Waren
oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten
Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen somit
von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012,
Smart Technologies/HABM, C‑311/11 P, Slg, EU:C:2012:460, Rn. 23 und die dort
angeführte Rechtsprechung). Den maßgeblichen Verkehrskreisen soll es ermöglicht
werden, bei einem späteren Erwerb der betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihre
Entscheidung davon abhängig zu machen, ob sie beim ersten Erwerb gute oder
schlechte Erfahrungen gemacht haben (Urteil vom 12. März 2008, Compagnie générale
de diététique/HABM [GARUM], T‑341/06, EU:T:2008:70, Rn. 29).
18
Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder
Dienstleistungen, für die die Eintragung der Marke beantragt wurde, und zum anderen im
Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen
(Urteil Smart Technologies/HABM, oben in Rn. 17 angeführt, EU:C:2012:460, Rn. 24).
19
Im vorliegenden Fall ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die Definition der
maßgeblichen Verkehrskreise in Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung nicht in
Abrede stellt. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise
einerseits aus Fachleuten des medizinischen oder medizintechnischen Bereichs und
andererseits aus Patienten bestehen, die die betreffenden Waren und Dienstleistungen
in Anspruch nehmen. Sodann handelt es sich, da sich das angemeldete Zeichen aus
englischen Wörtern zusammensetzt, bei den maßgeblichen Verkehrskreisen
insbesondere um englischsprachige Verbraucher, obwohl man in Übereinstimmung mit
der Beschwerdekammer davon ausgehen darf, dass die maßgeblichen Fachverbraucher
anderer Mitgliedstaaten ebenfalls über hinreichende Englischkenntnisse verfügen
können, um die Bedeutung der angemeldeten Marke zu verstehen (vgl. in diesem Sinne
Urteil vom 29. März 2012, Kaltenbach & Voigt/HABM [3D eXam], T‑242/11,
EU:T:2012:179, Rn. 26). Da die Feststellung der Beschwerdekammer demnach nicht mit
einem Fehler behaftet ist, ist sie bei der Prüfung der vorliegenden Klage zu
berücksichtigen.
berücksichtigen.
20
Mit der ersten Rüge macht die Klägerin erstens geltend, dass das Zeichen LIFEDATA
aus einer Kombination von Begriffen bestehe, die keine Information übermitteln könne,
die hinreichend spezifisch sei, um ohne weitere Überlegung von den maßgeblichen
Verkehrskreisen verstanden werden zu können. Insbesondere ergebe sich dieses
Zeichen aus einer für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen unüblichen
Wortkombination, die weder in englischen Wörterbüchern nachweisbar sei noch den
Grammatikregeln dieser Sprache entspreche. Das streitige Zeichen veranlasse daher die
Verbraucher, eine aufmerksame Prüfung vorzunehmen und über seinen Sinngehalt
nachzudenken, ohne es unmittelbar als „Lebensdaten“ auffassen und auslegen zu
können. Die Klägerin kommt zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Marke unter
diesen Umständen sehr wohl geeignet sei, auf die betriebliche Herkunft der mit der
Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinzuweisen.
21
Es ist hervorzuheben, dass sich das streitige Zeichen, wie die Beschwerdekammer in
Rn. 13 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, aus zwei Substantiven, nämlich
den Begriffen „life“ und „data“, zusammensetzt, die ohne Leerschritt oder Bindestrich
zusammengeschrieben werden. Es handelt sich zudem um zwei einfache und im
Englischen gebräuchliche Wörter. In semantischer Hinsicht werden sie in der
elektronischen Fassung des Oxford English Dictionary, das das HABM in Rn. 26 seiner
Klagebeantwortung anführt, dahin definiert, dass sie u. a. zum einen auf die Bedingung,
lebend zu sein, und zum anderen auf zusammenhängende, insgesamt betrachtete Daten
über Informationen, die üblicherweise auf wissenschaftlicher Arbeit beruhen und als
Referenzdaten, zur Analyse oder zur Berechnung verwendet werden, verweisen.
22
Es ist daher davon auszugehen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise dem Begriff
„lifedata“ entgegen der Auffassung der Klägerin einen besonderen Inhalt werden
zuschreiben können und dem angemeldeten Zeichen eine genaue Bedeutung zuweisen
werden. Insbesondere wird, wie die Beschwerdekammer in Rn. 15 der angefochtenen
Entscheidung zu Recht festgestellt hat, das angemeldete Zeichen von diesen
Verkehrskreisen als „Lebensdaten“ verstanden werden. Da die beiden Begriffe zum
englischen Grundwortschatz gehören und in einer gebräuchlichen lexikalischen
Verbindung verwendet werden, die von den Benutzern, die über die grundlegendsten
Kenntnisse dieser Sprache verfügen, leicht erkannt werden kann, konnte die
Beschwerdekammer im Übrigen fehlerfrei feststellen, dass die angemeldete Marke von
den maßgeblichen Verkehrskreisen sofort ohne zusätzliche Überlegung verstanden wird.
23
Dieses Ergebnis kann nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt werden,
der Begriff „lifedata“ entspreche nicht den englischen Grammatikregeln. Wie nämlich das
HABM zutreffend festgestellt hat, sind zusammengesetzte Wörter – auf Englisch
„compound nouns“ – in der englischen Grammatik üblich und ergeben sich aus der
Verbindung von mindestens zwei Wörtern zur Bildung eines einzigen Substantivs.
Insoweit steht das Fehlen eines Leerschritts zwischen den Begriffen „life“ und „data“ in
der angemeldeten Marke dem nicht entgegen, dass die betroffenen Verkehrskreise die
Bedeutung der Wörter leicht erkennen können. Auch wenn zusammengesetzte Wörter
manchmal mit Bindestrich oder Leerschritt geschrieben werden, ist es nämlich auch
üblich, sie ohne diese Zeichen zusammenzuschreiben.
üblich, sie ohne diese Zeichen zusammenzuschreiben.
24
Zweitens ist zu der Behauptung der Klägerin, der Umstand, dass der Begriff „lifedata“
nicht für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen verwendet werde,
unterstütze die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke, darauf hinzuweisen, dass
nach ständiger Rechtsprechung Zeichen, die bei der Vermarktung der betreffenden
Waren oder Dienstleistungen üblicherweise verwendet werden, als ungeeignet gelten,
auf die Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (Urteil
GARUM, oben in Rn. 17 angeführt, EU:T:2008:70, Rn. 29). Jedoch kann dies nicht im
Umkehrschluss bedeuten, dass die angemeldete Marke Unterscheidungskraft besitzt,
wenn sie für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen kaum verwendet wird.
Nach der Rechtsprechung ist die Unterscheidungskraft einer Gemeinschaftsmarke nicht
anhand der Originalität oder der mangelnden Benutzung der entsprechenden Marke im
Bereich der betreffenden Waren und Dienstleistungen zu beurteilen (vgl. in diesem
Sinne Beschluss vom 14. Mai 2012, Timehouse/HABM, C‑453/11 P, EU:C:2012:291,
Rn. 19). Im vorliegenden Fall ist daher der von der Beschwerdekammer in Rn. 16 der
angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilung beizupflichten, wonach es für
die Feststellung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke unerheblich ist, dass
das Zeichen LIFEDATA im Bereich der telemedizinischen Waren und Dienstleistungen
nicht benutzt werde.
25
Drittens ist der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, bei der angemeldeten
Marke handele es sich um eine Wortneuschöpfung, nicht dazu angetan, als solcher
automatisch die Unterscheidungskraft des fraglichen Zeichens zu belegen und daher
dessen Eintragung zu ermöglichen. Dazu müsste nämlich die Bedeutung des Zeichens
insgesamt über die Bedeutung der einzelnen Bestandteile, aus denen es sich
zusammensetzt, hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Mai 2008,
Eurohypo/HABM, C‑304/06 P, Slg, EU:C:2008:261, Rn. 45, und vom 29. April 2010,
Kerma/HABM [BIOPIETRA], T‑586/08, EU:T:2010:171, Rn. 31 bis 33).
26
Im vorliegenden Fall besteht jedoch, selbst wenn man davon ausgeht, dass die
Kombination „lifedata“ als Ganzes eine sprachliche Neuschöpfung darstellt, kein
merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer
Bestandteile im Sinne der in der vorstehenden Rn. 25 angeführten Rechtsprechung.
Denn es ist offensichtlich, dass der Ausdruck „lifedata“, dessen Bestandteile im
englischen Grundwortschatz belegt sind, als Ganzes „Lebensdaten“ bedeutet.
27
Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht die Auffassung vertreten, dass die
angemeldete Marke auf einer leicht verständlichen Wortkombination beruhe, die sich
nicht unmittelbar in der Erinnerung der maßgeblichen Verkehrskreise einpräge und es
diesen Verkehrskreisen in diesem Zusammenhang nicht ermögliche, sie als Hinweis auf
die betriebliche Herkunft der von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen
zu erkennen.
28
Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.
29
Mit einer zweiten Rüge wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, die
Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke auch aus dem Grund verneint zu haben,
dass diese den Gegenstand der von der Anmeldung erfassten Waren und
dass diese den Gegenstand der von der Anmeldung erfassten Waren und
Dienstleistungen beschreibe.
30
Soweit die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Rüge erneut geltend macht, dass das
angemeldete Zeichen nicht als „Lebensdaten“ zu verstehen sei, genügt zunächst die
Feststellung, dass die Beschwerdekammer, wie aus Rn. 22 des vorliegenden Urteils
hervorgeht, fehlerfrei angenommen hat, dass das angemeldete Zeichen von den
maßgeblichen Verkehrskreisen im Sinne einer solchen Bedeutung verstanden werde.
31
Ferner trägt die Klägerin vor, selbst wenn das angemeldete Zeichen im Sinne von
„Lebensdaten“ verstanden würde, führte dies nicht notwendigerweise zu dem Schluss,
dass die maßgeblichen Verkehrskreise diese Bedeutung mit den von der Anmeldung
erfassten Begriffen Biosignale und Vitalparameter gleichsetzten, sondern eher mit dem
Begriff Biografie.
32
Zwar ist es, wie die Klägerin vorbringt, nicht ausgeschlossen, dass das angemeldete
Zeichen Bedeutungen haben kann, die nicht mit dem medizinischen Bereich verbunden
sind, insbesondere die Bedeutung „Biografie“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli
2012, medi/HABM [medi], T‑470/09, EU:T:2012:369, Rn. 29).
33
Im vorliegenden Fall geht es bei den fraglichen Waren und Dienstleistungen darum,
Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln. Die maßgeblichen
Verkehrskreise bestehen aus einem medizinischen Fachpublikum und dessen
Patienten. Daher kann nicht, wie die Klägerin behauptet, davon ausgegangen werden,
dass die zwischen dem medizinischen Personal und den Patienten mit Hilfe der
fraglichen Waren und Dienstleistungen übermittelten Informationen dazu dienen, die
Lebensgeschichte der Patienten, d. h. deren Biografie, zu erzählen. Da die betreffenden
Waren und Dienstleistungen in einem medizinischen Zusammenhang beansprucht
werden, kann die angemeldete Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen nämlich
nur im Sinne von „Biosignale“ oder „Daten über den Gesundheitszustand von Patienten“
verstanden werden.
34
Die Beschwerdekammer ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die
angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft hat, da sie sich –angesichts dessen,
dass die maßgeblichen Verkehrskreise das Zeichen in dem medizinischen
Zusammenhang auslegten, in dem die fraglichen Waren und Dienstleistungen stünden –
auf den Gegenstand der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beziehe, so dass
sie es nicht ermögliche, diese als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu
kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
35
Die zweite Rüge ist zurückzuweisen.
36
Mit einer dritten Rüge wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, zu dem Ergebnis
gelangt zu sein, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe, ohne
frühere Eintragungen sowohl beim HABM als auch beim Patent- und Markenamt der
Vereinigten Staaten von Amerika zu berücksichtigen.
37
Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach den Grundsätzen der
Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung das HABM zwar die bereits
zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen zu berücksichtigen und
zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen zu berücksichtigen und
besonderes Augenmerk auf die Frage zu richten hat, ob im gleichen Sinne zu
entscheiden ist oder nicht, dass aber die Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot
rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss. Im Übrigen muss aus
Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die
Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerechtfertigte
Eintragung von Marken zu verhindern. Demgemäß muss diese Prüfung in jedem
Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt nämlich von
besonderen, im Rahmen der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls anwendbaren
Kriterien ab, anhand deren zu ermitteln ist, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein
Eintragungshindernis fällt (vgl. Urteil vom 14. Juli 2014, NIIT Insurance
Technologies/HABM [SUBSCRIBE], T‑404/13, EU:T:2014:645, Rn. 48 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
38
Darüber hinaus sind nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungen, die die
Beschwerdekammern gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 über die Eintragung eines
Zeichens als Gemeinschaftsmarke zu treffen haben, gebundene Entscheidungen und
keine Ermessensentscheidungen. Ob ein Zeichen als Gemeinschaftsmarke eingetragen
werden kann, ist daher nur auf der Grundlage dieser Verordnung in ihrer Auslegung
durch den Unionsrichter zu überprüfen und nicht auf der Grundlage einer früheren Praxis
der Beschwerdekammern (vgl. Urteile vom 2. Mai 2012, Universal Display/HABM
[UniversalPHOLED], T‑435/11, EU:T:2012:210, Rn. 37 und die dort angeführte
Rechtsprechung, und vom 30. April 2013, Boehringer Ingelheim International/HABM
[RELY-ABLE], T‑640/11, EU:T:2013:225, Rn. 33 und die dort angeführte
Rechtsprechung).
39
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der in den Rn. 20 bis 35 des vorliegenden Urteils
vorgenommenen Prüfung, dass die Beschwerdekammer auf der Grundlage einer
umfassenden Beurteilung und unter Berücksichtigung der Wahrnehmung der
maßgeblichen
Verkehrskreise
zutreffend
festgestellt
hat,
dass
der
Gemeinschaftsmarkenanmeldung der Klägerin das absolute Eintragungshindernis von
Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 entgegensteht. Nach der vorstehend
in den Rn. 37 und 38 angeführten Rechtsprechung kann diese Beurteilung daher nicht
allein aus dem Grund in Frage gestellt werden, dass die Beschwerdekammer im
vorliegenden Fall nicht der früheren Entscheidungspraxis des HABM gefolgt sein soll.
40
Zweitens ist das Vorbringen zur Entscheidungspraxis des Patent- und Markenamts der
Vereinigten Staaten von Amerika ebenfalls zurückzuweisen. Die Gemeinschaftsregelung
für Marken ist nämlich ein aus einer Gesamtheit von Vorschriften bestehendes
autonomes System, mit dem ihm eigene Zielsetzungen verfolgt werden und dessen
Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Ob ein Zeichen als
Gemeinschaftsmarke eingetragen werden kann, ist daher nur auf der Grundlage des
einschlägigen Gemeinschaftsrechts zu beurteilen. Das HABM und gegebenenfalls der
Unionsrichter sind nicht an eine in einem Drittstaat ergangene Entscheidung gebunden,
dass dieses Zeichen als nationale Marke eingetragen werden kann (Urteil vom 5.
Dezember 2000, Messe München/HABM [electronica], T‑32/00, Slg, EU:T:2000:283,
Rn. 47).
41
Die dritte Rüge ist zurückzuweisen.
42
Nach alledem ist die Beschwerdekammer zutreffend davon ausgegangen, dass die
angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009 besitzt. Die Beschwerdekammer hat die Eintragung des
Zeichens LIFEDATA für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen daher zu
Recht abgelehnt.
43
Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist als unbegründet zurückzuweisen.
Zweiter Teil: Verstoß gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009
44
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer habe es
versäumt, die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke für jede der in Rede
stehenden Waren und Dienstleistungen zu beurteilen. Ihre pauschale Prüfung verstoße
gegen die Begründungspflicht gemäß Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009.
45
Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
46
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen des HABM gemäß Art. 75
der Verordnung Nr. 207/2009 mit Gründen zu versehen sind. Zu dieser
Begründungspflicht, die sich auch aus Art. 296 AEUV ergibt, gibt es eine ständige
Rechtsprechung, nach der die Begründung die Überlegungen des Urhebers des
Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass der jeweilige
Betroffene sein Recht auf gerichtliche Überprüfung der Entscheidung über die
Zurückweisung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung wirksam wahrnehmen kann
(Urteil vom 23. Januar 2014, Novartis/HABM [CARE TO CARE], T‑68/13, EU:T:2014:29,
Rn. 27).
47
Darüber hinaus ist die Eintragungsfähigkeit der Marke für jede der beanspruchten
Waren und Dienstleistungen zu prüfen und zu begründen. Wenn jedoch dasselbe
Eintragungshindernis einer Kategorie oder Gruppe von Waren oder Dienstleistungen
entgegengehalten wird, genügt insoweit eine pauschale Begründung (Urteil vom 15.
Oktober 2013, Electric Bike World/HABM – Brunswick [LIFECYCLE], T‑379/12,
EU:T:2013:529, Rn. 31). Damit diese pauschale Begründung ausreichen kann, müssen
die betreffenden Waren oder Dienstleistungen eine homogene Kategorie oder Gruppe
darstellen, wofür es nicht ausreicht, dass diese Waren oder Dienstleistungen zu
derselben Klasse im Sinne des Abkommens von Nizza gehören (Beschluss vom 18.
März 2010, CFCMCEE/HABM, C‑282/09 P, Slg, EU:C:2010:153, Rn. 38, und Urteil vom
12. April 2011, Euro-Information/HABM [EURO AUTOMATIC PAYMENT], T‑28/10, Slg,
EU:T:2011:158, Rn. 54 bis 57).
48
Im vorliegenden Fall ergibt sich zum einen hinsichtlich der Waren der Klasse 10 ihre
Homogenität insbesondere aus dem Umstand, dass diese Waren alle die gleiche
Funktion haben, etwa die Erfassung und Übertragung von Körperfunktionswerten und
Biosignalen. Die Verwendung dieser Waren ermöglicht es den maßgeblichen
Verkehrskreisen nämlich, trotz räumlicher Entfernung Gesundheitsdaten von Patienten
zu übermitteln und darauf Zugriff zu nehmen.
49
Zum anderen beziehen sich die Dienstleistungen der Klasse 44 sämtlich auf
telemedizinische Dienstleistungen zur drahtlosen Aufzeichnung der Lebenszeichen von
Patienten sowie verschiedener anderer medizinischer Informationen und ermöglichen
die Übertragung dieser Daten zwischen den Patienten und den für ihre Beobachtung
verantwortlichen Personen.
50
Darüber hinaus ist im Hinblick auf die in den Rn. 48 und 49 des vorliegenden Urteils
dargelegten Merkmale festzustellen, dass die telemedizinischen Dienstleistungen der
Klasse 44 nur mit Hilfe von Spezialausstattungen, insbesondere denjenigen der Klasse
10, erbracht werden können.
51
Da zum einen mit allen diesen Waren und Dienstleistungen, die sich an dasselbe
Publikum richten, nämlich ein medizinisches Fachpublikum und die Patienten, die sie in
Anspruch nehmen, bezweckt wird, Informationen und Daten über den
Gesundheitszustand der Patienten aus der Ferne zu erfassen, zu speichern, zu
verarbeiten, zu übertragen und zurückzuübertragen, und diese Dienstleistungen zum
anderen nur unter Verwendung der betreffenden Waren erbracht werden können, stellen
diese Waren und Dienstleistungen aufgrund ihrer ähnlichen oder sogar identischen
Funktionen eine homogene Gruppe dar, die Gegenstand einer pauschalen Begründung
sein kann (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Mai 2009, CFCMCEE/HABM [P@YWEB
CARD und PAYWEB CARD], T‑405/07 und T‑406/07, Slg, EU:T:2009:164, Rn. 77 und
78).
52
Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist festzustellen, dass aufgrund der
Homogenität der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen eine pauschale
Begründung der Beschwerdekammer ausreichend war und dass diese daher nicht
gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen hat.
53
Der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt
sind als unbegründet zurückzuweisen.
Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009
54
Mit dem zweiten Klagegrund rügt die Klägerin, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht
davon ausgegangen sei, dass das angemeldete Zeichen beschreibend im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sei.
55
Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
56
Wie sich aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, ist ein Zeichen bereits
dann von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke ausgeschlossen, wenn nur eines der
dort genannten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (vgl. Urteil vom 13. September
2012, Sogepi Consulting y Publicidad/HABM [ESPETEC], T‑72/11, EU:T:2012:424,
Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
57
Da die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen des
Eintragungshindernisses nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009
festgestellt hat, ist die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung nicht zu
prüfen.
prüfen.
58
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer, wie aus Rn. 21 der
angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ihrer ablehnenden Entscheidung allein Art. 7
Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde gelegt hat.
59
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
60
Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihren Anträgen
unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Vita Phone GmbH trägt die Kosten.
Van der Woude
Wiszniewska-Białecka
Ulloa Rubio
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Februar 2015.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.