Urteil des EuG vom 08.07.2004
EuG: kommission, unternehmen, markt, zusammenarbeit, klagegrund, hersteller, nichtigerklärung, verordnung, vereinigtes königreich, abstimmung
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
8. Juli 2004
„Wettbewerb – Kartelle – Markt der nahtlosen Stahlrohre – Dauer der Zuwiderhandlung – Geldbußen“
In der Rechtssache T-48/00
Corus UK Ltd,
J. Pheasant und M. Readings, Solicitors, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
dann durch M. Erhart und A. Whelan als Bevollmächtigte, Beistand: N. Khan, Barrister, Zustellungsanschrift
in Luxemburg,
Beklagte
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem
Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/E-1/35.860-B – Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1),
hilfsweise wegen Herabsetzung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,
Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19., 20. und 21. März 2003
folgendes
Urteil
Sachverhalt und Verfahren
1
Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999
in einem Verfahren nach Artikel 81 EG (Sache IV/E‑1/35.860‑B – Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1,
im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
2
Die Kommission richtete die angefochtene Entscheidung an acht Unternehmen, die unlegierte nahtlose
Stahlrohre herstellen (im Folgenden: Adressaten der angefochtenen Entscheidung). Zu diesen
Unternehmen gehören vier europäische Unternehmen (im Folgenden: europäische Hersteller oder
Gemeinschaftshersteller), nämlich die Mannesmannröhren-Werke AG (im Folgenden: Mannesmann), die
Vallourec SA, die Corus UK Ltd (ehemals British Steel plc, dann British Steel Limited, im Folgenden: Corus
oder Klägerin) und die Dalmine SpA. Die übrigen vier Adressaten der Entscheidung sind japanische
Unternehmen (im Folgenden: japanische Hersteller): die NKK Corp., die Nippon Steel Corp. (im Folgenden:
Nippon), die Kawasaki Steel Corp. (im Folgenden: Kawasaki) und die Sumitomo Metal Industries Ltd (im
Folgenden: Sumitomo).
3
Mit Entscheidung vom 17. November 1994 ermächtigte die Überwachungsbehörde der Europäischen
Freihandelszone (EFTA) gemäß Artikel 8 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum, genehmigt durch den Beschluss 94/1/EGKS, EG des Rates und der
Kommission vom 13. Dezember 1993 über den Abschluss des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten sowie der Republik
Österreich, der Republik Finnland, der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich
Norwegen, dem Königreich Schweden und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (ABl. 1994, L 1, S. 1, im
Folgenden: EWR-Abkommen oder EWR), ihr für Wettbewerbssachen zuständiges Mitglied, die Kommission um
die Durchführung einer Untersuchung auf dem Gebiet der Gemeinschaft zu ersuchen, um festzustellen, ob
im Hinblick auf unlegierte nahtlose Stahlrohre, die die norwegische Erdölindustrie als Bohr- und
Leitungsrohre einsetzt, möglicherweise wettbewerbswidrige Praktiken vorliegen.
4
Mit einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 25. November 1994 (Sache IV/35.304), der als Seite 3 in der
Kommissionsakte enthalten ist und auf der doppelten Rechtsgrundlage von Artikel 14 Absatz 3 der
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG]
und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), und der Entscheidung der EFTA‑Überwachungsbehörde vom 17.
November 1994 erging, entschied die Kommission, eine Untersuchung durchzuführen. Diese Untersuchung
sollte sich mit den in der Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde vom 17. November 1994 genannten
Praktiken befassen, soweit diese einen möglichen Verstoß nicht nur gegen Artikel 53 EWR, sondern auch
gegen Artikel 81 EG darstellten. Die Kommission richtete ihren Beschluss vom 25. November 1994 an acht
Unternehmen, darunter Mannesmann, Corus, Vallourec und eine Gesellschaft des Sumitomo-Konzerns, die
Sumitomo Deutschland GmbH. Am 1. und 2. Dezember 1994 nahmen Beamte der Kommission und Vertreter
der Wettbewerbsbehörden der jeweiligen Mitgliedstaaten bei diesen Unternehmen aufgrund dieses
Beschlusses Nachprüfungen vor.
5
Mit Beschluss vom 6. Dezember 1995 stellte die EFTA-Überwachungsbehörde fest, dass die bei ihr
anhängige Sache, da eine erhebliche Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten der
Gemeinschaft vorliege, nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe c EWR in die Zuständigkeit der Kommission falle.
Sie überwies die Sache daher gemäß Artikel 10 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des EWR-Abkommens an die
Kommission; diese gab der Sache ab diesem Datum ein neues Aktenzeichen (IV/E-1/35.860).
6
Zwischen September 1996 und Dezember 1997 nahm die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 17 bei Vallourec, Dalmine und Mannesmann zusätzliche Nachprüfungen vor. Insbesondere
führte sie am 17. September 1996 eine Nachprüfung bei Vallourec durch, bei der Herr Verluca, der
Vorstandsvorsitzende der Vallourec Oil & Gas, eine auf Seite 6356 der Kommissionsakte wiedergegebene
Erklärung (im Folgenden: Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996) abgab, auf die sich die
Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat. Anschließend richtete die Kommission an alle
Adressaten der angefochtenen Entscheidung und einige weitere Unternehmen Auskunftsersuchen nach
Artikel 11 der Verordnung Nr. 17.
7
Da Dalmine und die argentinischen Unternehmen Siderca SAIC (im Folgenden: Siderca) und Techint Group
einige der angeforderten Auskünfte verweigerten, richtete die Kommission am 6. Oktober 1997 an sie eine
Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 (C[1997] 3036, IV/35.860, Stahlrohre, nicht
veröffentlicht). Siderca und Dalmine erhoben gegen diese Entscheidung Nichtigkeitsklage beim Gericht
erster Instanz. Die von Dalmine erhobene Nichtigkeitsklage wurde mit Beschluss vom 24. Juni 1998
(Rechtssache T-596/97, Dalmine/Kommission, Slg. 1998, II-2383) als offensichtlich unzulässig abgewiesen,
während die Nichtigkeitsklage von Siderca nach ihrer Rücknahme durch dieses Unternehmen mit Beschluss
vom 7. Juni 1998 (Rechtssache T‑8/98, Siderca/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht)
aus dem Register des Gerichts gestrichen wurde.
8
Auch Mannesmann verweigerte verschiedene von der Kommission verlangte Auskünfte. Trotz einer gegen sie
ergangenen Entscheidung der Kommission vom 15. Mai 1998 (C[1998] 1204, IV/35.860, Stahlrohre, nicht
veröffentlicht) gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 blieb Mannesmann bei ihrer Weigerung und
erhob ebenfalls gegen diese Entscheidung Klage beim Gericht. Mit Urteil vom 20. Februar 2001
(Rechtssache T-112/98, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Slg. 2001, II-729) erklärte das Gericht die
Entscheidung für teilweise nichtig und wies die Klage im Übrigen ab.
9
Im Januar 1999 erließ die Kommission zwei Mitteilungen von Beschwerdepunkten, von denen die eine
geschweißte, die andere nahtlose unlegierte Stahlrohre betraf. Sie teilte somit das Verfahren, wobei die
Sache IV/E‑1/35.860‑A unlegierte geschweißte Stahlrohre, die Sache IV/E‑1/35.860‑B unlegierte nahtlose
Stahlrohre betrifft.
10
In der nahtlose Stahlrohre betreffenden Sache sandte die Kommission ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte
an die acht Unternehmen, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet ist, sowie an Siderca und das
mexikanische Unternehmen Tubos de Acero de México SA. Diese Unternehmen erhielten in der Zeit vom 11.
Februar bis 20. April 1999 Einsicht in die Akten, die die Kommission in dieser Sache zusammengestellt hatte.
Außerdem übersandte die Kommission mit Schreiben vom 11. Mai 1999 Kopien der Nachprüfungsbeschlüsse
vom November 1994 an die Unternehmen, an die diese Beschlüsse nicht gerichtet worden waren und die sie
daher noch nicht kannten.
11
Nach Einreichung ihrer schriftlichen Stellungnahmen wurden die Adressaten der beiden Mitteilungen der
Beschwerdepunkte von der Kommission in der Sache der unlegierten geschweißten Stahlrohre am 9. Juni
1999 und in der die unlegierten nahtlosen Stahlrohre betreffenden Sache am 10. Juni 1999 angehört. Im Juli
1999 teilte die Kommission den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte in der unlegierte
geschweißte Stahlrohre betreffenden Sache IV/E‑1/35.860‑A mit, dass sie dieses Verfahren eingestellt habe.
Die Sache IV/E‑1/35.860‑B wurde hingegen weiter betrieben.
12
Am 8. Dezember 1999 erließ die Kommission sodann die angefochtene Entscheidung.
13
Die Produkte, um die es in der Sache IV/E‑1/35.860‑B geht, sind unlegierte nahtlose Stahlrohre, die in der
Erdöl- und Gasindustrie verwendet werden und zu denen zwei große Produktgruppen gehören.
14
Die erste Produktgruppe sind die Ölfeldrohre, die gemeinhin als „Oil Country Tubular Goods“ oder „OCTG“
bezeichnet werden. Diese Rohre werden entweder ohne Gewinde (so genannte Glattendrohre) oder als
Gewinderohre verkauft. Das Gewindeschneiden dient dazu, die OCTG-Rohre miteinander verbinden zu
können. Das Gewinde kann entweder in einer vom American Petroleum Institute (API) normierten
Standardausführung (nach dieser Norm hergestellte Gewinderohre werden im Folgenden als OCTG-
Standardrohre bezeichnet) oder in Spezialausführungen nach in der Regel patentgeschützten Techniken
geschnitten werden. Im letzteren Fall spricht man von „erstklassigen“ oder „Premiumgewinden“ oder
gegebenenfalls „erstklassigen“ oder „Premiumverbindungen“ (Gewinderohre in einer solchen Ausführung
werden im Folgenden als „OCTG‑Premiumrohre“ bezeichnet).
15
Die zweite Produktgruppe besteht aus den Leitungsrohren für Öl und Gas („line pipe“) aus unlegiertem
nahtlosem Stahl, bei denen unterschieden wird zwischen Rohren in einer Standardausführung und den für
bestimmte Projekte maßgefertigten Rohren (im Folgenden: projektbezogene Leitungsrohre).
16
In der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission erstens davon aus, dass die acht Adressaten
dieser Entscheidung eine Übereinkunft getroffen hätten, die neben anderen Punkten den gegenseitigen
Schutz ihrer Heimatmärkte zum Gegenstand gehabt habe (Randnrn. 62 bis 67 der angefochtenen
Entscheidung). Nach dieser Übereinkunft habe jedes Unternehmen davon Abstand genommen,
OCTG‑Standardrohre und projektbezogene Leitungsrohre auf dem Heimatmarkt eines anderen an der
Übereinkunft beteiligten Unternehmens zu verkaufen. Diese Übereinkunft sei im Rahmen von Sitzungen, die
von Herstellern der Gemeinschaft und von Herstellern aus Japan abgehalten worden seien, geschlossen
worden, wobei diese Zusammenkünfte unter der Bezeichnung „Europäisch‑Japanischer Club“ bekannt
gewesen seien. Der Grundsatz des Schutzes der Heimatmärkte sei mit dem Ausdruck „Grundregeln“
(„fundamentals“) bezeichnet worden. Hilfsweise weist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung
darauf hin, dass die Grundregeln tatsächlich respektiert worden seien und die Übereinkunft folglich
wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt gehabt habe (Randnr. 68 der
angefochtenen Entscheidung).
17
Die Kommission sah in dieser Übereinkunft einen Verstoß gegen den Verbotstatbestand des Artikels 81
Absatz 1 EG (Randnr. 109 der angefochtenen Entscheidung). Sie stellte daher in Artikel 1 der
angefochtenen Entscheidung einen Verstoß gegen diese Bestimmung fest und verhängte gegen die acht
Adressaten der angefochtenen Entscheidung Geldbußen.
18
Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung ging die Kommission davon aus, dass zwar der
Europäisch‑Japanische Club bereits seit 1977 Sitzungen veranstaltet habe (Randnr. 55 der angefochtenen
Entscheidung), dass aber für die Festsetzung der Geldbußen als Beginn der Zuwiderhandlung das Jahr 1990
anzusetzen sei, weil zwischen 1977 und 1990 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Japan
Abkommen über eine Selbstbeschränkung bei den Ausfuhren (im Folgenden:
Selbstbeschränkungsabkommen) bestanden hätten (Randnr. 108 der angefochtenen Entscheidung). Nach
Auffassung der Kommission endete die Zuwiderhandlung im Jahr 1995 (Randnrn. 96 und 97 der
angefochtenen Entscheidung).
19
Im Rahmen der Bemessung der gegen die acht Adressaten der angefochtenen Entscheidung verhängten
Geldbußen stufte die Kommission die Zuwiderhandlung als äußerst schweren Verstoß ein, weil die fragliche
Vereinbarung über den Schutz der Heimatmärkte das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes
beeinträchtigt habe (Randnrn. 161 und 162 der angefochtenen Entscheidung). Sie wies allerdings darauf
hin, dass die Adressaten der Entscheidung in den vier betroffenen Mitgliedstaaten jährlich unlegierte
nahtlose Stahlrohre nur in Höhe von etwa 73 Millionen Euro abgesetzt hätten. Aufgrund dessen bezifferte
die Kommission das Bußgeld nach Maßgabe der Schwere des Verstoßes für jedes der acht Unternehmen auf
10 Millionen Euro. Da es sich durchweg um Großunternehmen handelte, hielt die Kommission eine Abstufung
der Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht für notwendig (Randnrn. 162, 163 und 165 der
angefochtenen Entscheidung).
20
Da die Kommission von einem Verstoß von mittlerer Dauer ausging, wandte sie zur Bemessung des
Grundbetrags der gegen jedes der beteiligten Unternehmen zu verhängenden Geldbuße einen Aufschlag
von 10 % für jedes Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf den nach Maßgabe der Schwere des
Verstoßes festgesetzten Betrag an (Randnr. 166 der angefochtenen Entscheidung). Da sich aber die
Stahlrohrproduktion in einer langjährigen Krisensituation befunden und sich die Branchensituation seit 1991
noch weiter verschlechtert hatte, minderte die Kommission den Grundbetrag wiederum um 10 % wegen
mildernder Umstände (Randnrn. 168 und 169 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich setzte die
Kommission gemäß Abschnitt D Nummer 2 ihrer Mitteilung 96/C 207/04 über die Nichtfestsetzung oder die
niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über
die Zusammenarbeit) die gegen Vallourec zu verhängende Geldbuße um 40 % und die gegen Dalmine zu
verhängende Geldbuße um 20 % niedriger fest, um der Kooperation dieser beiden Unternehmen im
Verwaltungsverfahren mit der Kommission Rechnung zu tragen (Randnrn. 170 bis 173 der angefochtenen
Entscheidung).
21
Die Höhe der gegen die betroffenen Unternehmen jeweils verhängten Geldbußen, die sich aus der in den
beiden vorstehenden Randnummern dargelegten Berechnung ergibt, ist in Artikel 4 der angefochtenen
Entscheidung aufgeführt (siehe unten, Randnr. 33).
22
Zweitens stellte die Kommission in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung fest, dass auch die Verträge
zwischen den Gemeinschaftsherstellern über den Verkauf von Glattendrohren auf dem britischen Markt eine
rechtswidrige Handlung darstellten (Randnr. 116 der angefochtenen Entscheidung). Sie verhängte jedoch
wegen dieses Verstoßes keine zusätzliche Geldbuße, weil die Verträge nur ein Mittel zur Durchführung des im
Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs vereinbarten Prinzips des Heimatmarktschutzes gewesen seien
(Randnr. 164 der angefochtenen Entscheidung).
23
In der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt, dass der Europäisch-Japanische Club von 1977 bis
1994 in der Regel zweimal jährlich zusammengekommen sei (Randnr. 60 der angefochtenen Entscheidung).
Nach der Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996 hätten solche Sitzungen am 14. April 1992 in
Florenz, am 23. Oktober 1992 in Tokio, am 19. Mai 1993 in Paris, am 5. November 1993 in Tokio und am 16.
März 1994 in Cannes stattgefunden. Nach dem Vermerk „Einige Informationen zum Europäisch-Japanischen
Club“ von Vallourec vom 4. November 1991 (S. 4350 der Kommissionsakte) und dem Vermerk vom 24. Juli
1990 mit dem Titel „Sitzung vom 24. Juli 1990 mit British Steel“ (S. 15586 der Kommissionsakte, im
Folgenden: Sitzungsvermerk vom 24. Juli 1990) seien auch in den Jahren 1989 und 1991 weitere Sitzungen
des Europäisch-Japanischen Clubs abgehalten worden.
24
Die im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs getroffene Übereinkunft habe auf drei Säulen geruht,
nämlich erstens den (oben in Randnr. 16 erwähnten) Grundregeln des Heimatmarktschutzes, die den
Verstoß nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung bildeten, zweitens der Festlegung der Preise für die
Ausschreibungen und der Mindestpreise auf den so genannten „Sondermärkten“ („special markets“) und
drittens der Aufteilung der restlichen Weltmärkte, außer Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika,
mittels Verteilerschlüsseln („sharing keys“) (Randnr. 61 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission
führte für das Vorliegen der Grundregeln ein Bündel von schriftlichen Indizien, die in den Randnummern 62
bis 67 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben sind, sowie die Tabelle in deren Randnummer 68
an. Dieser Tabelle sei zu entnehmen, dass der Anteil des jeweiligen heimischen Herstellers an den
Lieferungen von OCTG- und Leitungsrohren, die die Adressaten der angefochtenen Entscheidung in Japan
und auf den Heimatmärkten der vier Gemeinschaftshersteller erbracht hätten, sehr hoch gewesen sei.
Hieraus sei zu schließen, dass die heimischen Märkte von den Parteien der Übereinkunft insgesamt
durchaus respektiert worden seien. Die Beweise für die anderen beiden Säulen der Übereinkunft legte die
Kommission in den Randnummern 70 bis 77 der angefochtenen Entscheidung dar.
25
Als Corus im Jahr 1990 ihre Produktion von Glattendrohren habe einstellen wollen, hätten sich die
Gemeinschaftshersteller die Frage gestellt, wie der in den vorgenannten Grundregeln festgelegte
Heimatmarktschutz für den Markt des Vereinigten Königreichs beibehalten werden könne. Daraufhin hätten
Vallourec und Corus ein Konzept von „verbesserten Grundregeln“ („fundamentals improved“) vorgeschlagen,
deren Zweck es gewesen sei, die Zugangsbeschränkungen der japanischen Hersteller für den britischen
Markt trotz des Rückzugs von Corus aufrechtzuerhalten. Im Juli 1990 hätten sich Vallourec und Corus
anlässlich der Verlängerung des Lizenzvertrags für die VAM Gewindeschneidetechnik schließlich in diesem
Sinne dahin geeinigt, dass die künftige Versorgung von Corus mit Glattendrohren den Unternehmen
Vallourec, Mannesmann und Dalmine vorbehalten bleiben solle (Randnr. 78 der angefochtenen
Entscheidung).
26
Im April 1991 habe Corus ihr Werk in Clydesdale (Vereinigtes Königreich) geschlossen, in dem sie zuvor
ungefähr 90 % ihrer Glattendrohre hergestellt habe. Anschließend habe Corus Verträge über die Lieferung
von Glattendrohren für ursprünglich fünf Jahre – mit stillschweigender Verlängerung bis zur Kündigung unter
Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten – mit Vallourec (am 24. Juli 1991), Dalmine (am 4. Dezember 1991)
und Mannesmann (am 9. August 1993) geschlossen (im Folgenden: Lieferverträge). Diese drei Verträge, die
in der Kommissionsakte auf den Seiten 12867, 12910 und 12948 enthalten sind, weisen den begünstigten
Unternehmen jeweils eine Lieferquote von 40 %, 30 % und 30 % des Bedarfs von Corus an diesen Rohren zu;
davon ausgenommen sind Rohre mit kleinem Durchmesser (Randnrn. 79 bis 82 der angefochtenen
Entscheidung).
27
Im Jahr 1993 hätten drei Faktoren zu einer Revision der Grundsätze geführt, nach denen der
Europäisch‑Japanische Club funktioniert habe. Erstens habe sich damals eine Umstrukturierung der
europäischen Stahlindustrie vollzogen. So habe im Vereinigten Königreich Corus ihre letzten
Produktionsbereiche, nämlich die von nahtlosen Gewinderohren, aufgeben wollen. In Belgien sei zum 31.
Dezember 1993 das Unternehmen New Tubemeuse (im Folgenden: NTM), dessen geschäftlicher
Schwerpunkt der Export nach dem Mittleren und Fernen Osten gewesen sei, liquidiert worden. Zweitens
habe der Zugang der lateinamerikanischen Hersteller zum Gemeinschaftsmarkt den Fortbestand der im
Rahmen des Europäisch‑Japanischen Clubs vereinbarten Verteilerschlüssel bedroht. Drittens und letztens sei
auf dem Weltmarkt bei Rohren zur Erdöl- und Gasprospektierung und ‑förderung trotz bleibender starker
regionaler Unterschiede die Nachfrage nach geschweißten Rohren stark gestiegen (Randnrn. 83 und 84 der
angefochtenen Entscheidung).
28
Vor diesem Hintergrund hätten sich die Mitglieder des Europäisch-Japanischen Clubs am 5. November 1993
in Tokio getroffen, um zu versuchen, eine neue Marktaufteilungsvereinbarung mit den lateinamerikanischen
Herstellern zu treffen. Der Inhalt der getroffenen Übereinkunft lasse sich einem Dokument entnehmen, das
insbesondere einen „Verteilerschlüssel“ („Sharing key“) enthalte und der Kommission am 12. November
1997 von einem nicht am Verfahren beteiligten Informanten übergeben worden sei (S. 7320 der
Kommissionsakte). Nach Aussage des Informanten stamme das Dokument von einem Handelsvertreter eines
der Teilnehmer an dieser Sitzung. Was die Folgen der Umstellung der europäischen Stahlindustrie angehe,
so habe die Schließung von NTM den Gemeinschaftsherstellern Zugeständnisse der japanischen und
südamerikanischen Hersteller gebracht, die vom Rückzug von NTM aus den Exportmärkten am meisten
profitiert hätten (Randnrn. 85 bis 89 der angefochtenen Entscheidung).
29
Corus habe sich ihrerseits entschieden, ihre letzte noch verbliebene Erzeugung von nahtlosen Rohren
einzustellen. Am 22. Februar 1994 habe Vallourec die Kontrolle über die Gewindeschneide- und
Rohrproduktionsanlagen von Corus übernommen und zu diesem Zweck das Unternehmen Tubular Industries
Scotland gegründet (im Folgenden: TISL); dieses Unternehmen habe zum 31. März 1994 die Lieferverträge
für Glattendrohre übernommen, die Corus mit Dalmine und Mannesmann geschlossen habe. Am 24. April
1997 sei der mit Mannesmann geschlossene Vertrag noch in Kraft gewesen. Am 30. März 1999 habe Dalmine
den Liefervertrag mit Tubular Industries Scotland beendet (Randnrn. 90 bis 92 der angefochtenen
Entscheidung).
30
Die Kommission meint, die Gemeinschaftshersteller hätten mit diesen Verträgen die Lieferquoten für
Glattendrohre für den britischen Markt, auf den mehr als die Hälfte des Gemeinschaftsverbrauchs an
OCTG‑Rohren entfalle, untereinander aufgeteilt; die Verträge seien daher eine nach Artikel 81 Absatz 1 EG
verbotene Übereinkunft (vgl. oben, Randnr. 22).
31
Nach Artikel 1 Absatz 1 der angefochtenen Entscheidung haben die acht Adressaten der angefochtenen
Entscheidung „gegen die Bestimmungen des Artikels 81 Absatz 1 EG‑Vertrag aufgrund der Beteiligung an
einer Übereinkunft, die unter anderem den Schutz der Heimatmärkte für nahtlose [OCTG‑Standardrohre] und
[projektbezogene Leitungsrohre] vorsah, … verstoßen“.
32
Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der angefochtenen Entscheidung erstreckte sich die Zuwiderhandlung im Fall von
Mannesmann, Vallourec, Dalmine, Sumitomo, Nippon, der Kawasaki Steel Corp. und der NKK Corp. auf den
Zeitraum 1990 bis 1995 und im Fall von Corus auf den Zeitraum von 1990 bis Februar 1994.
33
Die weiteren einschlägigen Bestimmungen des Tenors der angefochtenen Entscheidung lauten:
(1)
[Mannesmann], [Vallourec], [Corus] und [Dalmine] haben gegen Artikel 81 Absatz 1 EG Vertrag
verstoßen, indem sie im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung Verträge abgeschlossen
haben, die zu einer Aufteilung der Glattendrohrlieferungen an [Corus] (ab 1994 [Vallourec]) geführt
haben.
(2)
Im Falle von [Corus] dauerte die Zuwiderhandlung vom 24. Juli 1991 bis Februar 1994, im Falle von
[Vallourec] vom 24. Juli 1991 bis 30. März 1999, im Falle von [Dalmine] vom 4. Dezember 1991 bis 30.
März 1999 und im Falle von [Mannesmann] vom 9. August 1993 bis 24. April 1997.
…
Gegen die in Artikel 1 genannten Unternehmen werden wegen der dort bezeichneten Zuwiderhandlung
folgende Geldbußen verhängt:
1. [Mannesmann] 13 500 000 EUR
2. [Vallourec] 8 100 000 EUR
3. [Corus] 12 600 000 EUR
4. [Dalmine] 10 800 000 EUR
5. [Sumitomo] 13 500 000 EUR
6. [Nippon] 13 500 000 EUR
7. [Kawasaki Steel Corp.] 13 500 000 EUR
8. [NKK Corp.] 13 500 000 EUR
...“
34
Mit sieben Klageschriften, die zwischen dem 28. Februar und 3. April 2000 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen sind, haben Mannesmann, Corus, Dalmine, die NKK Corp., Nippon, Kawasaki und Sumitomo
gegen die angefochtene Entscheidung Klagen erhoben.
35
Mit Beschluss vom 18. Juni 2002 sind die sieben Rechtssachen gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung des
Gerichts nach Anhörung der Parteien zu gemeinsamem mündlichem Verfahren verbunden worden. Nach der
Verbindung konnten die Klägerinnen in den sieben Rechtssachen sämtliche Akten des vorliegenden
Verfahrens bei der Kanzlei des Gerichts einsehen. Es wurden ferner prozessleitende Maßnahmen erlassen.
36
Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung
zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 19., 20. und 21. März 2003 mündlich verhandelt und
Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
37
Die Klägerin beantragt,
–
Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;
–
Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;
–
die Geldbuße, die gegen die Klägerin wegen der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung
festgestellten Zuwiderhandlung verhängt worden ist, für nichtig zu erklären;
–
hilfsweise, die Geldbuße, die gegen die Klägerin wegen der in Artikel 1 der angefochtenen
Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung verhängt worden ist, herabzusetzen;
–
die Kommission zu verurteilen, der Klägerin den Betrag der Geldbuße, hilfsweise den Betrag, um den
die Geldbuße herabgesetzt worden ist, zuzüglich Zinsen auf den gesamten oder gegebenenfalls auf
den Betrag, um den die Geldbuße herabgesetzt worden ist, vom Zeitpunkt der von Corus geleisteten
Zahlung an bis zum Tag der Erstattung durch die Kommission zurückzuzahlen;
–
der Kommission die Kosten und Auslagen der Klägerin in diesem Verfahren aufzuerlegen;
–
alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung des Urteils anzuordnen.
38
Die Kommission beantragt,
–
die Klage abzuweisen;
–
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zu dem Antrag auf Nichtigerklärung des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung
Vorbringen der Parteien
39
Corus bestreitet, dass die Lieferverträge über Glattendrohre mit Vallourec, Mannesmann und Dalmine eine
Zuwiderhandlung dargestellt hätten. Sie seien nämlich aufgrund rechtmäßiger geschäftlicher Erwägungen
geschlossen und getrennt und unabhängig ausgehandelt worden. Die Kommission habe die Teilnahme der
Klägerin an einer Abstimmung nicht nachweisen können.
40
Die Klägerin macht geltend, sie habe das Unternehmen Imperial, das die OCTG-Gewinderohre fertiggestellt
habe, bis März 1994 behalten, um es als eigenständiges Unternehmen zu verkaufen. Nach Schließung ihrer
Fabrik in Clydesdale habe die Klägerin im April 1991 keine internen Bezugsquellen für nahtlose Glattendrohre
mehr gehabt, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes von Imperial erforderlich gewesen seien. Um den
Wert dieses Unternehmens zu erhalten und es für etwaige Erwerber so attraktiv wie möglich zu machen, sei
es für Corus daher wichtig gewesen, mit dritten Unternehmen Verträge abzuschließen und so die
zuverlässige Belieferung mit hochwertigen Glattendrohren sicherzustellen, um langfristig die Nachfrage der
auf dem britischen Festlandsockel tätigen Erdölunternehmen nach OCTG-Gewinderohren befriedigen zu
können. Die Qualität der Produkte sei wegen der Risiken, die mit dem Einsatz des Endprodukts insbesondere
aufgrund der klimatischen und geologischen Bedingungen auf dem britischen Festlandsockel in der Nordsee
verbunden seien, ein entscheidender Punkt gewesen.
41
Um dies zu belegen, hat Corus einen 1992 mit dem Erdölunternehmen Conoco geschlossenen Vertrag sowie
das dazugehörige Lastenheft vorgelegt. Daraus ergibt sich nach Ansicht der Klägerin, dass sie verpflichtet
gewesen sei, die Vorgaben von Conoco namentlich hinsichtlich der Qualität der für die Herstellung ihrer
OCTG-Gewinderohre verwendeten Glattendrohre zu erfüllen. Das Verfahren zur Kontrolle der Produkte habe
sogar eine unabhängige Kontrolle der Stahlwerke umfasst, die Glattendrohre für Corus hergestellt hätten.
42
Die drei Verträge, die Corus mit Vallourec, Dalmine und Mannesmann jeweils für einen Zeitraum von
ursprünglich fünf Jahren mit der Möglichkeit der stillschweigenden Verlängerung geschlossen habe und die
angeblich die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung genannte Zuwiderhandlung darstellten, könnten
keine einheitliche Vereinbarung sein, da sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterzeichnet worden seien,
nämlich am 24. Juli 1991, am 4. Dezember 1991 und am 9. August 1993.
43
Corus habe es für sachgerecht gehalten, ihren Bedarf an Glattendrohren bei drei verschiedenen Lieferanten
zu decken. Bei einer größeren Zahl von Lieferanten hätte sie den Präferenzen ihrer Kunden nicht
entsprechen können. Diese beschränkten die Zahl der Lieferanten, die an der Herstellung der von ihnen
bestellten Rohre beteiligt seien, gewöhnlich deshalb gerne, weil die von ihnen durchgeführten
Qualitätskontrollen wegen der herausragenden Bedeutung der Sicherheit der Produkte in ihrem
Tätigkeitsfeld sehr kostspielig seien. Corus dagegen habe mehrere Lieferanten gebraucht, um sich gegen
negative finanzielle Folgen bei eventuellen Streiks oder Unfällen im Walzwerk abzusichern und den
Schwankungen bei der Nachfrage nach OCTG-Rohren Rechnung zu tragen.
44
Außerdem würden die OCTG-Rohre im Rahmen langfristiger Lieferverträge grundsätzlich maßgefertigt.
Fünfjährige Lieferverträge mit der Möglichkeit der stillschweigenden Verlängerung seien folglich im
vorliegenden Fall nichts Ungewöhnliches. Jede Bestellung von Rohren enthalte nämlich genaue Angaben zur
Qualität und zu den Abmessungen dieser Rohre, so dass Verkäufe unmittelbar vom Lager praktisch
ausgeschlossen seien. Zudem legten die Unternehmen im Erdölbereich Wert darauf, dass die bestellten
Rohre insbesondere wegen der hohen Betriebskosten einer Bohrinsel genau in der Frist, in der sie benötigt
würden, verfügbar seien.
45
Angesichts der vorstehend genannten Qualitätserfordernisse sei der Hinweis der Kommission in
Randnummer 152 der angefochtenen Entscheidung auf die strukturelle Überkapazität im Stahlrohrsektor zur
Zeit des Abschlusses der Lieferverträge und insbesondere auf die Möglichkeit der Einfuhr solcher Rohre aus
Ungarn, Polen, der Tschechoslowakei und aus Kroatien nicht erheblich, da die Qualität der Rohre aus diesen
Ländern nicht zufrieden stellend gewesen sei und die politischen Verhältnisse in diesen Staaten außerdem
zu dieser Zeit wenig stabil gewesen seien. Was andere mögliche Lieferquellen betreffe, so hätten die
lateinamerikanischen Erzeugnisse dieselben Qualitätsprobleme wie die aus Osteuropa gehabt, während
Nordamerika nicht in Betracht gekommen sei, weil die Erzeuger dort kein Interesse an der Ausfuhr ihrer
Erzeugnisse gezeigt hätten. Bei den japanischen Erzeugnissen hätten die Transportkosten und die
Lieferfristen angesichts der verhältnismäßig niedrigen Preise für OCTG-Rohre in Europa Einfuhren verhindert.
Geschäftlich gesehen sei daher die Wahl von drei Lieferanten aus der Gemeinschaft sachgerecht gewesen.
46
Corus bestreitet die Behauptung der Kommission in Randnummer 152 der angefochtenen Entscheidung, die
Lieferfristen hätten für die Klägerin keine große Bedeutung gehabt, weil die Lieferverträge eine Lieferfrist von
fünf bis sechs Wochen vorgesehen hätten und im Fall von Lieferverzug als Sanktion lediglich die Einrechnung
der nicht gelieferten Menge in das dem Lieferanten zugesicherte jährliche Auftragsvolumen vorgesehen
hätten.
47
Wegen der Instabilität der Nachfrage bei OCTG-Rohren auf dem Festlandsockel des Vereinigten Königreichs
sei der einzig praktikable Weg zur Deckung ihres Gesamtbedarfs gewesen, die von den drei Lieferanten zu
liefernden Glattendrohrmengen in prozentualen Anteilen und nicht in festen Mengen festzulegen. Nur bei
diesem System sei es nämlich möglich gewesen, der Sättigung oder dem Mangel auf dem Markt, für den die
Glattendrohre bestimmt gewesen seien, Rechnung zu tragen.
48
Im Übrigen habe die Vereinbarung einer Formel, mit der die von ihr gezahlten Rohrpreise an die Preise der
von ihr verkauften OCTG-Rohre gekoppelt worden seien, es möglich gemacht, den durch diese Instabilität
der Nachfrage bedingten erheblichen Preisschwankungen Rechnung zu tragen. Geschäftlich gesehen wäre
es insoweit überaus schwierig gewesen, mit den Lieferanten einen festen Preis zu vereinbaren, der so
niedrig gewesen wäre, dass die Klägerin die nachgelagerten Verkäufe ihrer OCTG-Rohre unterhalb der
Rentabilitätsschwelle mit Sicherheit hätte ausschließen können. Die Informationen über die von ihr
verkauften Rohrmengen und über die von ihren Kunden gezahlten Preise seien nicht an ihre Lieferanten
weitergegeben worden, obwohl sie in der besagten Formel berücksichtigt worden seien. Lediglich die sich
daraus ergebenden Preise der Glattendrohre seien an die Lieferanten weitergegeben worden, die im
Übrigen das Recht gehabt hätten, die richtige Anwendung der Formel durch einen unabhängigen
Wirtschaftsprüfer kontrollieren zu lassen.
49
Das Argument der Kommission, dass der einzelne Liefervertrag für sich allein keinen Sinn ergebe, weil die
Verträge jedem Lieferanten einen prozentualen Anteil des Lieferbedarfs von Corus zuteilten, sei unerheblich.
Damit sei keineswegs dargetan, dass die Lieferverträge aus einer Abstimmung zwischen den vier
europäischen Herstellern herrührten, gegen die mit der angefochtenen Entscheidung vorgegangen worden
sei. Corus habe vielmehr jeden dieser Verträge auf der Grundlage der von ihr eigenständig festgelegten
Strategie einer Gesamtversorgung beschlossen.
50
Corus macht geltend, ihre Erläuterung der den betreffenden Lieferverträgen zugrunde liegenden
geschäftlichen Erwägungen biete eine andere Erklärung für ihr Verhalten, so dass die Kommission die
Abstimmung zwischen den vier betroffenen Unternehmen anders als durch diese Verträge beweisen müsse
(Schlussanträge des Generalanwalts M. Darmon zum Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den
Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström
Osakeyhtiö u. a./Kommission, „Zellstoff II“, Slg. 1993, I‑1307, I‑1445, Nr. 195). Eine Parallelität der
Verhaltensweisen könne erst dann als Beweis für eine Abstimmung betrachtet werden, wenn die
Abstimmung die einzig einleuchtende Erklärung dafür darstelle (Urteil Zellstoff II, Randnr. 71).
51
Jedenfalls habe die Kommission mit ihren Ausführungen in der Klagebeantwortung, wonach die in den
vorstehenden Randnummern untersuchten Klauseln der Lieferverträge Wettbewerbsbeschränkungen
enthielten, nicht dargetan, dass die besondere in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung genannte
Zuwiderhandlung begangen worden sei. Selbst wenn diese Klauseln tatsächlich wettbewerbsbeschränkend
wären, könnte dies für sich allein jedenfalls kein Beweis dafür sein, dass die vier europäischen Hersteller
sich mit dem Ziel abgestimmt hätten, die japanischen Hersteller vom britischen Markt auszuschließen.
52
Außerdem sprächen die von der Kommission insbesondere in den Randnummern 91 und 147 der
angefochtenen Entscheidung zum Beweis ihrer Behauptungen herangezogenen Schriftstücke nicht für eine
Absprache zwischen Corus und anderen europäischen Rohrherstellern. Die Kommission selbst sei sich nicht
sicher gewesen, ob sie sich in ihrer Klagebeantwortung voll auf diese Beweise stützen solle. Die Analyse der
Beweisstücke durch die Kommission sei nicht schlüssig, da sie insbesondere nicht erkläre, inwiefern und aus
welchen Gründen die zweiseitige Absprache zwischen Corus und Vallourec, die angeblich durch die Vermerke
aus dem Jahr 1990 belegt sei, in eine mehrseitige Vereinbarung zwischen den vier europäischen Herstellern
umgewandelt worden sei. Die Kommission müsse eine abgestimmte Verhaltensweise zwischen den
europäischen Herstellern, auf deren Grundlage diese die Lieferverträge über Glattendrohre geschlossen
hätten, nachweisen, wenn sie die Nichtigerklärung des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung
vermeiden wolle.
53
Da Dalmine vorgeworfen werde, an der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung angeführten
Zuwiderhandlung von Dezember 1991 an beteiligt gewesen zu sein, seien die Dokumente aus dem Jahr 1993
ohne Bedeutung für die angebliche Umwandlung der Grundregeln in die verbesserten Grundregeln.
Außerdem sei die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte davon ausgegangen, dass die
Vermerke von 1990 eine Übereinkunft zwischen den vier europäischen Herstellern belegten, während sie in
der angefochtenen Entscheidung diese Auffassung nicht mehr vertreten habe.
54
Corus prüft sodann einige der in den Randnummern 78 bis 81 der angefochtenen Entscheidung
untersuchten und dann in Randnummer 147 herangezogenen Vermerke, nämlich den vom 23. März 1990
„Überlegungen zur Verlängerung des VAM-Vertrages“ (S. 15622 der Kommissionsakte, im Folgenden:
Vermerk „Überlegungen zum VAM-Vertrag“), den vom 2. Mai 1990 „Strategische Überlegungen zu den
Beziehungen der VLR“ (S. 15610 der Kommissionsakte, im Folgenden: „Vermerk Strategische
Überlegungen“) und den Sitzungsvermerk vom 24. Juli 1990. Zu dem auf Seite 15596 der Kommissionsakte
wiedergegebenen undatierten Vermerk „Unterredung mit BSC“, der in Randnummer 62 der angefochtenen
Entscheidung und in Nummer 56 der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt worden ist, nimmt Corus
nicht ausdrücklich Stellung. Sie verweist darauf, dass die Vermerke „Überlegungen zum VAM-Vertrag“ und
„Strategische Überlegungen“ von Angestellten von Vallourec verfasst worden seien und nur die persönliche
Meinung ihrer Verfasser zum Ausdruck brächten. Sie seien daher kein Beweis für eine Übereinkunft zwischen
Vallourec und Corus. Die Kommission habe zu Unrecht darauf abgestellt, dass diese beiden Vermerke neben
anderen Optionen eine Lösung vorschlügen, die der angeblichen Übereinkunft entspreche, von der sie in
Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung ausgegangen sei. Der Verfasser des Vermerks Überlegungen
zum VAM-Vertrag“ habe diese Lösung ausdrücklich mit der Begründung verworfen, dass sie kaum
durchführbar sei, und habe eine andere Lösung vorgeschlagen, aufgrund deren Corus ihre Lieferquellen für
Glattendrohre habe frei wählen können.
55
Was den Sitzungsvermerk vom 24. Juli 1990 angehe, so seien die Angestellten von Corus, die an dieser
Sitzung teilgenommen hätten, seit August 1997 im Ruhestand, so dass die Klägerin dieses Schriftstück nur
begrenzt beurteilen könne. Aus dem Vermerk ergebe sich nicht klar, welche Aufzeichnungen den Inhalt der
Sitzung und welche die persönliche Meinung des Verfassers des Protokolls wiedergäben. Auch lasse sich
aus dem Vermerk nicht der Schluss ziehen, dass Corus und Vallourec sich über eine bestimmte
Vorgehensweise abgestimmt hätten. Soweit er von der Kommission als Beweis für eine Übereinkunft
zwischen den vier europäischen Herstellern herangezogen worden sei, sei zu beachten, dass keine Beweise
für weitere Erörterungen vorlägen, an denen Dalmine und Mannesmann teilgenommen hätten.
56
Zu dem Fernschreiben „BS Kooperationsvertrag“ („BS cooperation agreement“, ein Schreiben vom 21.
Januar 1993 und ein ihm beigefügter vertraulicher Vermerk von 13 Seiten) von Corus an Vallourec vom 22.
Januar 1993, dass auf Seite 4626 der Kommissionsakte aufgeführt und in Randnummer 91 der
angefochtenen Entscheidung untersucht worden ist, trägt die Klägerin vor, dass es kein Beleg für eine
Abstimmung sei. Es sei Teil der Verhandlungen, die Corus mit Vallourec, Dalmine und Mannesmann geführt
habe, um die Möglichkeit eines koordinierten Rationalisierungsplans zu prüfen, und beweise in keiner Weise
eine rechtswidrige Abstimmung. Insbesondere habe dieses Fernschreiben vor irgendwelchen Abschlüssen
die Konsultation der nationalen Aufsichtsbehörden vorgesehen.
57
Im Übrigen ergebe sich aus dem Fernschreiben „BS Kooperationsvertrag“, dass Corus ihre Präsenz auf dem
Markt für nahtlose Rohre auf eine marginale Rolle habe beschränken wollen, so dass das Dokument
entgegen der Behauptung der Kommission kein Beweis für ein rechtswidriges Verhalten der Klägerin sein
könne. Corus habe nämlich an den betreffenden Lieferverträgen kein geschäftliches Interesse mehr gehabt,
nachdem sie im März 1994 das Unternehmen Imperial an Vallourec verkauft habe.
58
Zu dem Schriftstück „System für nahtlose Stahlrohre in Europa und Marktentwicklung“ („Seamless Steel
tube System in Europe and Market Evolution“), das auf Seite 2051 der Kommissionsakte aufgeführt und in
Randnummer 91 der angefochtenen Entscheidung untersucht worden ist (im Folgenden: „Stahlrohrsystem“),
vertritt Corus die Ansicht, dass es sich um ein internes Schriftstück von Dalmine handele, das eine
Teilnahme von Corus an Gesprächen, die eine rechtswidrige Abstimmung darstellten, nicht belege.
59
Die Kommission macht zunächst geltend, dass die Randnummer 71 des oben in Randnummer 50
angeführten Urteils Zellstoff II, auf das Corus sich berufe, nur die Fälle betreffe, in denen die Kommission
sich zum Beweis einer abgestimmten Verhaltensweise ausschließlich auf den Nachweis eines
Parallelverhaltens stütze. Im vorliegenden Fall brächten die Bedingungen der Lieferverträge selbst eindeutig
die Absicht der Parteien zum Ausdruck, sicherzustellen, das Corus ein inländischer Hersteller im Sinne der
Grundregeln bleibe. Dies werde durch eine Kette schriftlicher Beweise bestätigt.
60
Im Übrigen werde die Behauptung, dass die drei Lieferverträge über Glattendrohre getrennt und unabhängig
ausgehandelt worden seien, dadurch widerlegt, dass jeder Vertrag dem einzelnen Lieferanten einen festen
prozentualen Anteil an den Rohren zuweise, die Corus kaufe.
61
Die Behauptung von Corus, sie habe Lieferverträge nur mit Gemeinschaftsherstellern schließen können, sei
wenig glaubhaft. Ebenso werde ihr Vorbringen zur Bedeutung der Lieferfristen durch die Bedingungen ihrer
eigenen Verträge widerlegt. Die Behauptungen zur Bedeutung der Qualität würden dadurch widerlegt, dass
die Klägerin selbst vorgeschlagen habe, Glattendrohre bei Drittlandherstellern zu kaufen, wie sich aus der
angefochtenen Entscheidung ergebe (Randnr. 78).
62
Nach Randnummer 152 der angefochtenen Entscheidung hätten auch innerhalb der Gemeinschaft
strukturelle Überkapazitäten bestanden, so dass das Vorbringen von Corus zur unzureichenden Qualität der
von den osteuropäischen Herstellern angebotenen Rohre unerheblich sei.
63
Jedenfalls gingen die Argumente, mit denen Corus beweisen wolle, dass es sachgerecht gewesen sei, mit
den drei Gemeinschaftsherstellern zu verhandeln, ins Leere, da die rechtswidrige Abstimmung gerade in dem
Einverständnis von Corus und diesen Herstellern bestehe, die Tätigkeiten der Klägerin als ein gemeinsames
Gut zu behandeln, das mit Hilfe der Lieferverträge unter ihnen aufgeteilt werden solle.
64
Selbst wenn Corus nachweisen könnte, dass es ihr geschäftliche Vorteile gebracht habe, dass sie jedem der
drei Lieferanten einen prozentualen Anteil an den Glattendrohrlieferungen zugeteilt habe, bliebe die
entsprechende Klausel in den einzelnen Verträgen dennoch eine Wettbewerbsbeschränkung, wie dies in
Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung dargelegt worden sei.
65
Jedenfalls sei es nicht richtig, dass die prozentuale Aufteilung der Lieferungen an Corus für die Klägerin der
einzige Weg gewesen sei, ihren schwankenden Gesamtbedarf an Glattendrohren sicher zu decken. Mit
mehreren Rahmenvereinbarungen, die Einheitspreise mit Lieferanten festgelegt hätten, hätte das gleiche
geschäftliche Ziel erreicht werden können.
66
Zu der Klausel in den Lieferverträgen, die den Preis für Glattendrohre an den Preis koppelt, den Corus für
den Verkauf der Gewinderohre erzielt, trägt die Kommission vor, dass jeder Hersteller, der ein Produkt kaufe,
um es nach Fertigstellung weiterzuverkaufen, das Risiko eines Preisverfalls auf dem Markt dieser
fertiggestellten Produkte trage. Corus habe nicht erläutert, warum im vorliegenden Fall dieses Risiko hätte
ausgeschaltet werden müssen. Ebenso habe sie nicht erklärt, warum die Lieferanten der Glattendrohre eine
Aufteilung dieses Geschäftsrisikos hätten akzeptieren sollen.
67
Was die in Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung beschriebene Tatsache betreffe, dass die
Preisfestsetzungsformel für Glattendrohre einen Austausch von Geschäftsinformationen beinhaltet habe, die
nach der Rechtsprechung hätten vertraulich bleiben müssen (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999 in der
Rechtssache T-141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 403, und in der Rechtssache T-
151/94, British Steel/Kommission, Slg. 1999, II‑629), so sei das Vorbringen von Corus zur Verteidigung der
Verwendung dieser Formel nicht überzeugend. Zu dem von Corus erzielten Absatz bei Gewinderohren
bemerkt die Kommission, dass die Lieferanten den entsprechenden Gesamtabsatz von Corus leicht hätten
errechnen können, da jeder von ihnen einen festen prozentualen Anteil des Bedarfes des Unternehmens
geliefert habe.
68
Die in den Randnummern 78 bis 81 der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise aus den Jahren
1990 und 1993 seien von der Kommission nicht als Beweis für eine feste Vereinbarung angeführt worden,
sondern um die Gründe für den Abschluss der Lieferverträge aufzuzeigen, auf die sich die Kommission zum
Nachweis der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung unmittelbar
gestützt habe.
69
Zu dem Vorbringen der Klägerin, in der angefochtenen Entscheidung sei nicht klar dargelegt, wie die
Übereinkunft zwischen Corus und Vallourec später in eine Übereinkunft zwischen vier Parteien umgewandelt
worden sei, trägt die Kommission vor, dass diese zweite Übereinkunft im Rahmen der in Artikel 1 der
angefochtenen Entscheidung festgestellten umfassenderen Übereinkunft über die Einhaltung der
Grundregeln ausgearbeitet worden sei, an der die betreffenden vier europäischen Hersteller seit 1990
beteiligt gewesen seien. Corus und Vallourec hätten folglich 1990 die in Artikel 2 der angefochtenen
Entscheidung festgestellte Vereinbarung geschlossen und von Anfang an vorgesehen, Dalmine und
Mannesmann daran zu beteiligen. Dalmine und Mannesmann müssten dieser zweiten Übereinkunft vor dem
Abschluss der Lieferverträge beigetreten sein, doch habe die Kommission in Ermangelung von Beweisen für
den genauen Zeitpunkt dieses Beitritts im Fall dieser Unternehmen erst die Unterzeichnung dieser Verträge
als Beginn der Zuwiderhandlung genommen. Daher sei klar, dass jedenfalls Corus und zumindest Vallourec
an der Übereinkunft von 1990 an beteiligt gewesen seien. Die vier Parteien des Übereinkommens hätten
sich im Übrigen 1993 getroffen und seien von diesem Zeitpunkt an alle der Übereinkunft beigetreten
gewesen.
70
Zu dem Argument, dass die geltend gemachten Wettbewerbsbeschränkungen in den Bestimmungen der
Lieferverträge nicht die Beschränkungen seien, die die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung
festgestellte Zuwiderhandlung bildeten, weist die Kommission darauf hin, dass diese Beschränkungen nur
den schriftlichen Teil der Übereinkunft darstellten, während der andere Teil nicht in einem Schriftstück
festgehalten sei.
Würdigung durch das Gericht
71
Zunächst ist das Vorbringen von Corus zurückzuweisen, sie habe für die geschäftlichen Erwägungen, die den
in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung genannten Lieferverträgen zugrunde lägen, eine Erklärung
gegeben, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lasse
und daher eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermögliche, in denen die Kommission eine
Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln gesehen habe (in diesem Sinne Urteil
des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und
Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 16; Urteil Zellstoff II, zitiert oben in Randnr. 50, Randnrn. 126
und 127; Urteil des Gerichts vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-
316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94 Limburgse Vinyl Maatschaapij u. a./Kommission,
„PVC II“, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 725). Das Argument, die Kommission müsse im vorliegenden Fall die
Übereinkunft zwischen den in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung genannten Unternehmen anders
als durch die Lieferverträge beweisen, liegt neben der Sache.
72
Die von Corus hierfür angeführte Rechtsprechung bezieht sich auf eine Fallkonstellation, in der sich die
Kommission für ihre Feststellung, dass eine Zuwiderhandlung vorliegt, ausschließlich auf das Marktverhalten
der Unternehmen stützt (in diesem Sinne Urteil PVC II, zitiert oben in Randnr. 71, Randnrn. 727 f.).
Insbesondere greift der in Randnummer 71 des Urteils Zellstoff II genannte Beweisgrundsatz (oben Randnr.
50) nur in dem Fall, wenn die Kommission sich ausschließlich auf ein Parallelverhalten stützt, um eine
abgestimmte Verhaltensweise nachzuweisen. Dies ist hier nicht der Fall, da die Zuwiderhandlung aus den
Bedingungen der Lieferverträge selbst hergeleitet worden ist, die einen Verstoß gegen die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft darstellen (Randnrn. 110 ff. der angefochtenen Entscheidung), und
da die Kommission im Übrigen zur Untermauerung hierfür ein Bündel zusätzlicher schriftlicher Beweise
herangezogen hat (vgl. Randnrn. 78 ff. der angefochtenen Entscheidung).
73
Selbst wenn der Klägerin der Nachweis gelungen wäre, dass der Abschluss der drei Lieferverträge mit
Vallourec, Dalmine und Mannesmann objektiv ihren Geschäftsinteressen gedient habe, würde dies nicht die
Feststellung der Kommission entkräften, dass diese Verträge rechtswidrig sind. Wettbewerbswidrige
Praktiken sind nämlich sehr oft im – zumindest kurzfristigen – geschäftlichen Interesse von Unternehmen.
74
Zweck und Wirkung der Lieferverträge beschreibt die Kommission in Randnummer 111 der angefochtenen
Entscheidung wie folgt:
„Gegenstand dieser Verträge war die Versorgung des Marktführers für OCTG im Nordseeraum mit
Glattendrohren, um im Vereinigten Königreich einen heimischen Hersteller zu bewahren und so die
Einhaltung der im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs vereinbarten ‚fundamentals‘ erreichen zu
können. Diese Verträge bewirkten, dass sich [Mannesmann], Vallourec und Dalmine die Deckung des
Glattendrohrbedarfs ihres Konkurrenten [Corus] (Vallourec von 1994 an) teilten. Des Weiteren erfolgte eine
Anbindung der Glattendrohrpreise an die [Corus-]Verkaufspreise für Gewinderohre. Die Verträge schränkten
auch die Lieferfreiheit von [Corus] (Vallourec ab Februar 1994) ein, da [Corus] sich verpflichten musste,
seine Konkurrenten über Verkaufspreise und Absatzmengen zu informieren. [Mannesmann], Vallourec (bis
Februar 1994) und Dalmine verpflichteten sich ihrerseits zur Belieferung eines Konkurrenten ([Corus] bzw. ab
März 1994 Vallourec), ohne im Voraus den genauen Bedarf zu kennen.“
75
Die Bedingungen der dem Gericht vorgelegten Lieferverträge bestätigen im Wesentlichen die tatsächlichen
Feststellungen in der Randnummer 111 und in den Randnummern 78 bis 82 und 153 der angefochtenen
Entscheidung. Sie sehen insbesondere die Aufteilung des Bedarfes von Corus an Glattendrohren auf die drei
anderen europäischen Hersteller vor (40 % für Vallourec, 30 % für Dalmine und 30 % für Mannesmann) sowie
die Festsetzung des von Corus für die Glattendrohre gezahlten Preises aufgrund einer Rechenformel, in die
der Preis einging, den sie für Gewinderohre erzielte.
76
Aufgrund dessen genügt die Feststellung, dass Zweck und Wirkung der Lieferverträge waren, den mit
Risiken verbundenen Wettbewerb zumindest zwischen den vier europäischen Herstellern durch die
ausgehandelte Aufteilung des Gewinns aus dem Verkauf von Gewinderohren zu ersetzen, der auf dem
britischen Markt erzielt werden konnte (analog zu den abgestimmten Verhaltensweisen Urteil des Gerichts
vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95
bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95,
Cimenteries CBR u. a./Kommission, „Zement“, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 3150).
77
Corus band durch jeden dieser Lieferverträge ihre Konkurrenten in der Weise, dass jeder tatsächliche
Wettbewerb unter ihnen auf dem inländischen Markt und auch die Perspektive eines solchen Wettbewerbs
verschwand.
78
Corus hat nämlich ihre Stellung auf dem inländischen Markt zum Preis der Aufgabe ihrer Einkaufsfreiheit
verstärkt, da drei ihrer möglichen Wettbewerber auf dem britischen Markt für Gewinderohre sich in der Weise
an sie gebunden hatten, dass sie weniger Glattendrohre verkauften, wenn Corus weniger Gewinderohre
verkaufte. Außerdem verringerte sich die Gewinnspanne bei den Verkäufen von Glattendrohren, zu denen
die drei Lieferanten sich verpflichtet hatten, ebenfalls, wenn Corus für Gewinderohre niedrigere Preise
erzielte. Unter diesen Umständen war es praktisch unvorstellbar, dass die drei Hersteller anstreben
könnten, Corus auf dem britischen Markt für Gewinderohre einen wirksamen Wettbewerb, besonders
hinsichtlich der Preise, zu liefern (vgl. Randnr. 153 der angefochtenen Entscheidung).
79
Umgekehrt sicherten sich die Wettbewerber von Corus in der Gemeinschaft durch den Abschluss dieser
Verträge eine mittelbare Beteiligung am heimischen Markt der Klägerin sowie einen Anteil der sich daraus
ergebenden Gewinne. Wegen dieser Vorteile verzichteten sie faktisch auf die Möglichkeit, Gewinderohre auf
dem britischen Markt zu verkaufen und – vor allem nach der Unterzeichnung des dritten Vertrages am 9.
August 1993 über die Zuteilung der verbleibenden 30 % an Mannesmann – Corus einen höheren Anteil an
Glattendrohren zu liefern als ihnen im Voraus jeweils zugeteilt worden war. Darüber hinaus akzeptierten sie
die für sie teuere – und damit geschäftlich anormale – Verpflichtung, ihrem Wettbewerber Corus Rohre in
Mengen zu liefern, die im Voraus nur durch die Bindung an den von der Klägerin erzielten Gewinderohrabsatz
festgelegt waren.
80
Ohne die Lieferverträge hätten die drei anderen europäischen Hersteller neben Corus in der Gemeinschaft
normalerweise, lässt man die Grundregeln außer Betracht, ein wirkliches oder zumindest potenzielles
wirtschaftliches Interesse daran gehabt, auf dem britischen Gewinderohrmarkt mit der Klägerin in
Wettbewerb zu treten oder bei ihrer Belieferung mit Glattendrohren miteinander zu konkurrieren.
81
Außerdem ist jeder der Lieferverträge für ursprünglich fünf Jahre geschlossen worden, was verhältnismäßig
lange ist und den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Verträge bestätigt und verstärkt.
82
Darüber hinaus setzte die Preisfestsetzungsformel für Glattendrohre gemäß den drei Lieferverträgen, wie die
Kommission ausgeführt hat, einen unzulässigen Austausch von Geschäftsinformationen voraus (vgl. Randnr.
153 und auch Randnr. 111 der angefochtenen Entscheidung), die vertraulich bleiben mussten, um die
Selbständigkeit der Geschäftspolitik der konkurrierenden Unternehmen nicht zu gefährden (vgl. in diesem
Sinne Urteile Thyssen Stahl/Kommission, zitiert oben in Randnr. 67, Randnr. 403, und British
Steel/Kommission, zitiert oben in Randnr. 67, Randnrn. 383 ff.).
83
Corus kann sich unter diesen Umständen durch die Behauptung, die Informationen über die von ihr
verkauften Rohrmengen und die von ihren Kunden gezahlten Preise ihren Lieferanten nicht mitgeteilt zu
haben, nicht entlasten.
84
Die von Corus verkauften Gewinderohrmengen konnten die Lieferanten leicht errechnen, da jeder von ihnen
grundsätzlich einen festen prozentualen Anteil des Bedarfes von Corus lieferte.
85
Zwar teilte Corus die Preise an sich, die sie für ihre Gewinderohre erzielte, ihren Vertragspartnern nicht mit.
Daher übertreibt die Kommission in Randnummer 111 der angefochtenen Entscheidung mit ihrer
Behauptung, dass das Unternehmen nach den Lieferverträgen „sich verpflichten musste, seine
Konkurrenten über Verkaufspreise … zu informieren“, den Umfang der entsprechenden vertraglichen
Verpflichtungen. Jedoch hat die Kommission in Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung und auch
vor dem Gericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Preise der Gewinderohre in einem bestimmten
mathematischen Verhältnis zu den für die Glattendrohre gezahlten Preisen standen, so dass die drei
betroffenen Lieferanten genaue Angaben über die Richtung, den Zeitpunkt und den Umfang jeder
Preisfluktuation bei den von Corus verkauften Gewinderohren erhielten.
86
Die Mitteilung dieser Informationen an Wettbewerber verstößt nicht nur gegen Artikel 81 Absatz 1 EG,
sondern darüber hinaus ist auch die Art des Verstoßes die gleiche, ob die Preise für Gewinderohre nun
selbst oder nur Informationen über deren Schwankungen mitgeteilt werden. Unter diesen Umständen ist die
in der vorangegangenen Randnummer festgestellte Ungenauigkeit in dem umfassenderen Kontext der
Zuwiderhandlung nach Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung ohne Bedeutung und wirkt sich daher
nicht auf die Feststellung dieser Zuwiderhandlung aus.
87
Was das allgemeinere Vorbringen von Corus betrifft, die in den vorangegangenen Randnummern
festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen seien nicht die, die die von der Kommission in Artikel 2 der
angefochtenen Entscheidung angeführte besondere Zuwiderhandlung bildeten, so ist festzustellen, dass
diese Beschränkungen in den Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung, in denen diese
Zuwiderhandlung beschrieben wird, insbesondere in der oben in Randnummer 74 ausführlich zitierten
Randnummer 111, klar dargestellt sind. Wenn es in Artikel 2 Absatz 1 der angefochtenen Entscheidung
heißt, dass die Lieferverträge „im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung“ geschlossen worden
sind, folgt daraus eindeutig, dass der Abschluss dieser wettbewerbswidrigen Verträge an sich die
Zuwiderhandlung nach Artikel 2 darstellt.
88
Die Richtigkeit dieser Auslegung wird dadurch bestätigt, dass die Kommission in Artikel 2 Absatz 2 der
angefochtenen Entscheidung die Dauer der dem einzelnen europäischen Hersteller zur Last gelegten
Zuwiderhandlung danach bestimmt, wie lange der oder die Verträge, an denen der betreffende Hersteller
beteiligt war, in Kraft waren.
89
Diese Feststellungen genügen, um auch das Argument von Corus zu entkräften, die Kommission habe nicht
dargetan, dass die europäischen Hersteller sich zu viert in der in der angefochtenen Entscheidung
beschriebenen Weise abgestimmt hätten. Was auch immer der wirkliche Grad der Abstimmung zwischen den
vier europäischen Herstellern gewesen sein mag, festzustellen ist, dass jeder von ihnen einen der
Lieferverträge, die die ihnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung darstellen, unterzeichnet hat – mit Ausnahme
von Corus, die drei Verträge unterzeichnet hat – und dass die Verträge den Wettbewerb einschränken und
im Rahmen der Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG gemäß Artikel 2 der angefochtenen
Entscheidung geschlossen worden sind.
90
Unter diesen Umständen hat sich die Kommission nur der Vollständigkeit halber auf ein Bündel von Indizien,
die sich nicht aus den Lieferverträgen ergeben, gestützt, um die Zuwiderhandlung nach Artikel 2 der
angefochtenen Entscheidung darzutun. Im vorliegenden Fall braucht daher bei der Behandlung dieses
Klagegrundes nicht auf alle Argumente eingegangen zu werden, die die Klägerin hierzu vorgetragen hat.
91
Jedoch sind im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes und in dem Maße, in dem der Grad der Abstimmung
zwischen den vier Gemeinschaftsherstellern bei der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung genannten
Zuwiderhandlung für die Prüfung einiger anderer Rügen von Bedeutung ist, bestimmte Dokumente des
vorliegenden Falles für die Beurteilung des Arguments von Corus zu prüfen, dass die betreffenden drei
Lieferverträge zu verschiedenen Zeitpunkten geschlossen worden seien, so dass die Kommission daraus
nicht eine einzige Zuwiderhandlung herleiten könne, an der die vier europäischen Hersteller beteiligt
gewesen seien.
92
In diesem Zusammenhang ist das Schriftstück „Überlegungen zum VAM-Vertrag“ vom 23. März 1990
besonders aufschlussreich. Unter dem Titel „Szenario II“ untersucht Herr Verluca dort die Möglichkeit, dass
„die Japaner dazu gebracht werden können, dass sie sich vom britischen Markt fernhalten und den
Europäern gestatten, das Problem unter sich zu regeln“. Er fährt dort fort: „In diesem Fall würden sich
[Mannesmann], [Vallourec] und Dalmine die Glattendrohrlieferungen teilen.“ Im folgenden Satz weist er
darauf hin, dass es „[d]ann … wahrscheinlich günstig [wäre], die [Vallourec]-Lieferungen an den Preis und
die Menge der von [Corus] verkauften VAM zu koppeln“. Da dieser letzte Vorschlag genau die wesentlichen
Bedingungen des 16 Monate später zwischen Vallourec und Corus geschlossenen Vertrages widerspiegelt,
ist es eindeutig, dass diese Strategie von Vallourec tatsächlich beschlossen und der Vertrag zur
Durchführung der Strategie unterzeichnet worden ist.
93
Ebenso ist das Argument von Corus zurückzuweisen, dass die Verstärkung der Grundregeln, soweit sie die
Respektierung der europäischen Heimatmärkte durch die japanischen Hersteller betroffen hätten, nicht der
Lösung entsprochen habe, der Herr Verluca von den drei Lösungen, die in den Vermerken „Strategische
Überlegungen“ und „Überlegungen zum VAM-Vertrag“ ins Auge gefasst worden seien, im Ergebnis den
Vorzug gegeben habe. Dem Wortlaut der beiden Vermerke ist nämlich klar zu entnehmen, dass ihr Verfasser
sich für diese Lösung aussprach und sie nur widerstrebend mit der Begründung verwarf, sie sei nicht zu
verwirklichen. So bestand insbesondere nach dem Vermerk „Strategische Überlegungen“ die „günstigste
Lösung für [Vallourec]“ darin, dass die „Europäer von den Japanern [erreichten], dass sie das UK bei
Buttress und Premium respektieren“. Herr Verluca verwarf diese Lösung in dem Vermerk nur deshalb, weil er
„leider nicht [glaube], dass diese Lösung funktionieren“ könne. Da diese Lösung von 1991 an praktiziert
wurde, ist der vorübergehende Verzicht auf diesen Plan in diesen Vermerken ohne Bedeutung.
94
Da der praktisch gleiche Vertrag daraufhin zwischen Corus auf der einen Seite und zunächst Vallourec, dann
Dalmine und schließlich Mannesmann auf der anderen Seite geschlossen wurde, so dass die Deckung des
Bedarfes von Corus an Glattendrohren tatsächlich von 1993 an unter diesen drei Unternehmen
entsprechend dem Plan von Herrn Verluca aufgeteilt war, bestätigt dies, dass diese drei Verträge
geschlossen worden sein mussten, um eine gemeinsame europäische Strategie zu verfolgen. Wie die
Kommission festgestellt hat, hatte Vallourec zunächst diese Strategie entworfen und in der ersten Zeit
einen Liefervertrag mit Corus geschlossen. Dann schlossen sich ihnen Dalmine und Mannesmann an, was
durch den Abschluss eines Liefervertrags zwischen diesen beiden Unternehmen und Corus belegt wird.
95
Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon
ausgegangen ist, dass die Lieferverträge die den Betroffenen in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung
zur Last gelegte Zuwiderhandlung darstellen und das Vorliegen dieser Zuwiderhandlung auch rechtlich
hinreichend beweisen. Rein vorsorglich ist ebenfalls festzustellen, dass die von der Kommission
herangezogenen zusätzlichen Beweise die Richtigkeit ihrer Auffassung bestätigen, wonach diese Verträge im
Rahmen einer umfassenderen gemeinsamen Politik geschlossen wurden.
96
Somit ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
97
Nach Auffassung von Corus weicht die Beurteilung der in den Randnummern 78 bis 81 der angefochtenen
Entscheidung genannten Vermerke von 1990 in der Mitteilung der Beschwerdepunkte von der Würdigung in
der angefochtenen Entscheidung ab, da die Kommission in Randnummer 147 der Entscheidung nicht mehr
davon ausgehe, dass diese Beweise eine Vereinbarung über Glattendrohre zwischen den vier europäischen
Herstellern belegten.
98
Im Übrigen habe die Kommission die Schriftstücke von 1993 (Fernschreiben „Kooperationsvertrag BS“ von
Corus an Vallourec und das Dokument Stahlrohrsystem), die in Randnummer 91 der angefochtenen
Entscheidung genannt würden, erstmals in der angefochtenen Entscheidung zum Beweis einer
rechtswidrigen Übereinkunft aufgrund der Lieferverträge aufgeführt. Da Corus somit keine Gelegenheit
gehabt habe, im Verwaltungsverfahren zu der Würdigung Stellung zu nehmen, die in der angefochtenen
Entscheidung zugrunde gelegt worden sei, seien ihre Verteidigungsrechte verletzt worden.
99
Die Kommission hält dem entgegen, die endgültige Entscheidung müsse nicht notwendig in allen Punkten
mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte übereinstimmen. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die
angefochtene Entscheidung enthielten beide die Schlussfolgerung, dass Corus zusammen mit zumindest
einem Unternehmen seit 1990 und mit ihren drei europäischen Lieferanten seit 1993 an einer Vereinbarung
beteiligt gewesen sei, die die ihr in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung zur Last gelegte
Zuwiderhandlung darstelle. Selbst wenn aber die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die angefochtene
Entscheidung voneinander abwichen, hätte sich dies auf die Verteidigungsrechte von Corus nicht
ausgewirkt. Eine solche Abweichung würde nämlich die Nichtigerklärung der Entscheidung nur rechtfertigen,
wenn „eine Möglichkeit bestünde, dass das Verwaltungsverfahren ohne diesen Verfahrensfehler zu einem
anderen Ergebnis geführt hätte“ (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78,
Distillers/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26). Zum Nachweis einer Verletzung der Verteidigungsrechte
müsse Corus somit dartun, dass die angefochtene Entscheidung möglicherweise anders ausgefallen wäre,
wenn das Unternehmen Gelegenheit gehabt hätte, das Vorliegen einer Vereinbarung zu bestreiten, an dem
statt nur einem drei andere Unternehmen beteiligt gewesen seien. Da Corus überhaupt das Vorliegen einer
Vereinbarung bestreite, hätte an dieser Haltung auch die Zahl von Unternehmen, die an der betreffenden
Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien, nichts geändert, so dass die Klägerin in der Lage gewesen sei,
sich angemessen zu verteidigen.
Würdigung durch das Gericht
100
Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und
der endgültigen Entscheidung nur verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener
Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte so unzulänglich dargestellt worden war, dass sich die
Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten (vgl. in diesem Sinne Zement-Urteil, zitiert oben in Randnr.
76, Randnrn. 852 bis 860).
101
Die Würdigung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist oft knapper als die in der endgültig erlassenen
Entscheidung, da sie nur eine vorläufige Stellungnahme der Kommission darstellt. Unterschiede in der
Formulierung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung aufgrund
des unterschiedlichen Zweckes dieser beiden Dokumente können daher die Verteidigungsrechte
grundsätzlich nicht verletzen. So ist es im vorliegenden Fall nur natürlich, dass die Mitteilung der
Beschwerdepunkte keine Entsprechung zu Randnummer 147 der angefochtenen Entscheidung enthält, in
der die Kommission ausdrücklich ihre Schlüsse aus den in den Randnummern 78 bis 81 und 91 der
Entscheidung untersuchten Beweisen zieht. Ein solcher Abschnitt mit Schlussfolgerungen hätte zum
Zeitpunkt der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Gegenteil als verfrüht angesehen werden können.
102
Die Kommission hat in Randnummer 78 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass „Vallourec und
[Corus] … den Begriff der ‚fundamentals improved‘ (nachgebesserte Fundamentals) eingeführt [haben]“,
während sie in Nummer 63 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt hatte, das „die Europäer“ dies
getan hatten. Somit hält sie in der angefochtenen Entscheidung nicht mehr die Behauptung aufrecht, dass
die Vermerke von Vallourec eine Übereinkunft zwischen sämtlichen vier europäischen Herstellern über die
auf dem britischen Markt vertriebenen Glattendrohre schon von 1990 an belegten.
103
Mit dieser veränderten Beurteilung hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nur die
Tatsachen festgehalten, für die sie ihrer Meinung nach insbesondere nach den Antworten der Adressaten
der Mitteilung der Beschwerdepunkte über angemessene Beweise verfügte. Da die genannten Vermerke nur
Vallourec und Corus betrafen, entschied sich die Kommission dafür, die Randnummer 78 der angefochtenen
Entscheidung vorsichtiger zu formulieren als die entsprechende Nummer 63 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte.
104
Jedenfalls bringt dieser Unterschied in der Abfassung des Textes, der den Interessen der Adressaten der
Mitteilung der Beschwerdepunkte keineswegs zuwiderläuft, zum Ausdruck, dass die Kommission den
Vermerken von Vallourec als belastenden Beweisen für das Vorliegen der in Artikel 2 festgestellten
Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung einen begrenzteren Beweiswert zuerkennt als in der
Mitteilung der Beschwerdepunkte. Daher kann von einer Verletzung der Verteidigungsrechte aufgrund
dieses Unterschieds keine Rede sein.
105
Zu den Argumenten bezüglich der Fernkopie „Kooperationsabkommen BS“ von Corus an Vallourec und des
Dokuments Stahlrohrsysteme genügt die Feststellung, dass Nummer 118 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte genau gleich wie Randnummer 91 der angefochtenen Entscheidung formuliert ist und
somit auf diese beiden Beweisstücke in gleicher Weise und in gleichem Zusammenhang wie die
Entscheidung Bezug nimmt. Zudem wird entgegen der Behauptung von Corus sowohl in der Mitteilung der
Beschwerdepunkte als auch in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Fernkopie
„Kooperationsabkommen BS“ auf die in Artikel 2 der Entscheidung beanstandeten Verträge verweist: „Einer
der Vorschläge lautete, Vallourec die Produktion von OCTG zu überlassen und dabei die bestehenden
Verträge über die Lieferung von Glattendrohren zwischen [Corus] einerseits und Vallourec, [Mannesmann]
und Dalmine andererseits in den gleichen Größenordnungen aufrechtzuerhalten“ (Nr. 118 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte und Randnr. 91 der angefochtenen Entscheidung).
106
Infolgedessen greift dieser Klagegrund nicht durch, und der Antrag auf Nichtigerklärung des Artikels 2 der
angefochtenen Entscheidung ist daher zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung des Artikels 1 der angefochtenen Entscheidung
Vorbringen der Parteien
107
Nach Ansicht der Klägerin liegen für den Fall, dass Artikel 2 für nichtig erklärt werden sollte, keine
ausreichenden Beweise dafür vor, dass Corus seit 1991 an der in Artikel 1 angeführten Zuwiderhandlung
beteiligt gewesen sei.
108
Die Klägerin legt zunächst dar, dass die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte
Zuwiderhandlung in Randnummer 164 der Entscheidung als Mittel zur Durchführung des Prinzips des
Schutzes der Heimatmärkte im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs beschrieben sei. Wenn Artikel 2
der angefochtenen Entscheidung für nichtig erklärt werde, beschränke sich der Nachweis der Beteiligung
der Klägerin an der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf ihre
Teilnahme an den Sitzungen dieses Clubs.
109
Ihre Teilnahme an diesen Sitzungen sei indessen nur Teil ihrer Strategie für den Rückzug vom Markt für
nahtlose Rohre gewesen, die sie 1987 beschlossen und mit der Schließung ihrer Fabrik in Clydesdale im April
1991, wo sie diese Rohre hergestellt habe, durchgeführt habe. Das auf Seite 4902 der Kommissionsakte
angeführte „Arbeitspapier für die Vorstandsvorsitzenden“ („Paper for Presidents“), das die Kommission als
Beweis für die Teilnahme der Klägerin an diesen Sitzungen herangezogen habe, belege, dass bei diesen
Sitzungen die mögliche Neustrukturierung der europäischen Industrie geprüft worden sei. Im Kontext dieser
Neustrukturierung habe Corus versucht, über die Reduzierung ihrer letzten Tätigkeiten auf dem
Glattendrohrmarkt zu verhandeln. Es gebe keinen Beleg dafür, dass ihre Teilnahme an diesen Sitzungen zu
der rechtswidrigen Abstimmung geführt habe, die die Kommission ihr in Artikel 1 der angefochtenen
Entscheidung anlaste.
110
Die Kommission macht geltend, dass die in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellte
Zuwiderhandlung auf anderen Beweismitteln als denen beruhe, die zum Nachweis der in Artikel 2
festgestellten Zuwiderhandlung herangezogen worden seien. Außerdem habe Corus diese Beweise nicht in
Frage gestellt und auch nicht das Vorliegen der Grundregeln zur Aufteilung des Marktes bestritten.
Würdigung durch das Gericht
111
Da der Antrag auf Nichtigerklärung des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung aus den vorstehend
genannten Gründen zurückzuweisen ist, kommt der vorliegende Klagegrund grundsätzlich nicht zum Tragen.
112
Dieser Klagegrund könnte nämlich nur durchgreifen, wenn die Kommission sich zu Unrecht auf das Vorliegen
der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung gestützt hätte, um die
Teilnahme der Klägerin an der Zuwiderhandlung nach Artikel 1 zu beweisen. Dies träfe erstens zu, wenn die
in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung bezüglich der Glattendrohre
rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen wäre oder zweitens nicht dargetan worden wäre, dass diese
Zuwiderhandlung in einer rechtswidrigen Abstimmung zwischen den vier europäischen Herstellern im
Rahmen der Zuwiderhandlung nach Artikel 1 bestand, die innerhalb des Europäisch-Japanischen Clubs
zusammen mit den japanischen Herstellern bezüglich des nachgelagerten Marktes der Gewinderohre
begangen worden war.
113
Wie aber oben in den Randnummern 71 bis 96 festgestellt worden ist, ist die Zuwiderhandlung nach Artikel 2
der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen worden. Außerdem ist oben in den
Randnummern 71 bis 96 festgestellt worden, dass die Verträge, die diese Zuwiderhandlung darstellen,
tatsächlich im Rahmen einer Abstimmung zwischen den vier europäischen Adressaten der angefochtenen
Entscheidung geschlossen wurden und namentlich der Stärkung der rechtswidrigen Übereinkunft dienten,
die im Europäisch-Japanischen Club getroffen worden war.
114
Jedenfalls ist festzustellen, dass die Kommission in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung keineswegs
nur angenommen hat, dass die Teilnahme von Corus an der dort angeführten Zuwiderhandlung sich allein
aus dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Klägerin auf dem vorgelagerten Markt der Glattendrohre, das
die in Artikel 2 angeführte Zuwiderhandlung darstellt, ergibt, sondern auch festgestellt hat, dass dieses
Unternehmen auch unmittelbar an der Übereinkunft über die Aufteilung des Gewinderohrmarktes mit den
anderen europäischen Herstellern und den japanischen Herstellern beteiligt gewesen ist.
115
Auch wenn die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung die von der
Kommission vorgenommene Würdigung der Zuwiderhandlung gemäß Artikel 1 bestätigt, beruhen die
letztgenannte Zuwiderhandlung und die Teilnahme von Corus an ihr im Wesentlichen auf anderen Beweisen
als denen, die zum Beleg der Zuwiderhandlung nach Artikel 2 herangezogen worden sind, nämlich
insbesondere auf den Zeugenaussagen von Herrn Verluca (vgl. insbesondere die Randnrn. 62 bis 67 der
angefochtenen Entscheidung). Corus hat diese Beweise, die die Zuwiderhandlung nach Artikel 1 der
angefochtenen Entscheidung belegen, nicht bestritten. Selbst wenn Artikel 2 der angefochtenen
Entscheidung trotz der vorstehend getroffenen Feststellungen für nichtig zu erklären wäre, würde dies nicht
zur Nichtigerklärung von Artikel 1 führen.
116
Was die Begründung der Klägerin für ihre Teilnahme an den Sitzungen des Europäisch-Japanischen Clubs
angeht, so kann, wenn ein Unternehmen selbst ohne irgendeine aktive Mitwirkung an Treffen von
Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt und sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen
distanziert, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der
Treffen zustimmt und sich daran halten wird, nach ständiger Rechtsprechung der Nachweis als erbracht
angesehen werden, dass dieses Unternehmen sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache
beteiligt hat (insbesondere Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T‑7/89, Hercules
Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 232).
117
Im vorliegenden Fall hat Corus ihre Teilnahme an den Sitzungen des Europäisch-Japanischen Clubs nicht
bestritten und, wie oben bereits festgestellt worden ist, nichts vorgetragen, was die Richtigkeit und
Beweiskraft der Beweise in Frage stellen könnte, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung für
das Vorliegen der in Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlung herangezogen hat.
118
Somit ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
119
Mit einem weiteren Klagegrund rügt Corus einen Fehler in der angefochtenen Entscheidung bezüglich der
Dauer der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung. Dieser Klagegrund müsse zur
teilweisen Nichtigkeit des Artikels 1 sowie zu einer Herabsetzung der gegen Corus festgesetzten Geldbuße
führen.
120
Corus trägt vor, die Kommission habe erklärt, die in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung genannte
Zuwiderhandlung wegen der vor 1990 geltenden Selbstbeschränkungsabkommen erst von diesem Zeitpunkt
an berücksichtigt zu haben (Randnr. 108 der angefochtenen Entscheidung). Corus behauptet, dass diese
Abkommen bis Anfang 1991 verlängert worden seien, so dass entsprechend der Argumentation der
Kommission vor 1991 keine Zuwiderhandlung vorliegen könne. Ein anderer Adressat der angefochtenen
Entscheidung werde den Beweis für diese Verlängerung erbringen. Nachdem Corus in der Klageschrift
beantragt hat, erforderlichenfalls vorweg eine Untersuchung durchzuführen, beantragt sie in der
Erwiderung, der Kommission oder einem Dritten aufzugeben, alle für das vorliegende Verfahren
einschlägigen Unterlagen, insbesondere jedes Schriftstück vorzulegen, das eine Verlängerung der
Selbstbeschränkungsabkommen belegt.
121
Die Kommission macht geltend, Corus habe keine Beweise für ihre Behauptung vorgelegt, dass die
Selbstbeschränkungsabkommen mit der japanischen Regierung 1991 noch nicht beendet gewesen seien.
Die Hoffnung, dass eine andere Partei diesen Beweis erbringen werde, könne den tatsächlichen Beweis
nicht ersetzen, so dass auf dieses Argument nicht weiter einzugehen sei. Jedenfalls stelle der Verzicht, für
die Zeit der Geltung der Selbstbeschränkungsabkommen keine Geldbuße zu verhängen, bereits ein
Entgegenkommen im Licht der Bekanntmachung der Kommission betreffend die Einfuhr japanischer
Erzeugnisse in die Gemeinschaft (ABl. 1972, C 111, S. 13) dar.
Würdigung durch das Gericht
122
Die Kommission hat in Randnummer 108 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sie als Beginn
der Zuwiderhandlung das Jahr 1977 hätte nehmen können, darauf aber wegen der
Selbstbeschränkungsabkommen verzichtet habe. Sie hat daher in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung
die Zuwiderhandlung erst vom Jahr 1990 an berücksichtigt. Dieses Vorgehen stellt ein Entgegenkommen der
Kommission gegenüber den Adressaten der angefochtenen Entscheidung dar.
123
Keine der Parteien hat vor dem Gericht geltend gemacht, dass dieses Zugeständnis im vorliegenden Fall in
Frage zu stellen sei. Das Gericht hat daher im vorliegenden Verfahren nicht die Frage zu prüfen, ob dieses
Zugeständnis rechtmäßig oder angezeigt war, sondern allein die Frage, ob die Kommission dieses
Zugeständnis, das sie in der Begründung der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich gemacht hat, im
vorliegenden Fall auch ordnungsgemäß umgesetzt hat. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission
genaue und übereinstimmende Beweise beibringen muss, die die feste Überzeugung begründen, dass die
Zuwiderhandlung begangen wurde, da ihr die Beweislast für deren Vorliegen und damit auch für deren
Dauer obliegt (Urteile CRAM und Rheinzink/Kommission, zitiert oben in Randnr. 71, Randnr. 20, und Zellstoff II,
zitiert oben in Randnr. 50, Randnr. 127, Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in den Rechtssachen T-
68/89, T-77/89 und T-78/89, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Randnrn. 193 bis 195, 198 bis 202, 205
bis 210, 220 bis 232, 249 und 250 sowie 322 bis 328, und vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T-62/98,
Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II-2707, Randnrn. 43 und 72).
124
So macht das vorstehend beschriebene Zugeständnis die behauptete Beendigung der
Selbstbeschränkungsabkommen zum entscheidenden Kriterium für die Feststellung, ob für das Jahr 1990
eine Zuwiderhandlung angenommen werden kann. Da es sich um internationale Abkommen zwischen der
japanischen Regierung, vertreten durch das Ministerium für Handel und Industrie, und der Gemeinschaft,
vertreten durch die Kommission, handelt, wäre es nach dem Grundsatz der guten Verwaltung Sache der
Kommission gewesen, die Dokumente zu archivieren, aus denen sich das Datum der Beendigung dieser
Abkommen ergibt. Sie hätte daher in der Lage sein müssen, diese Dokumente dem Gericht vorzulegen. Sie
hat jedoch vor dem Gericht vorgetragen, sie habe zwar ihre Archive durchsucht, aber keine Dokumente
finden können, die den Zeitpunkt der Beendigung dieser Abkommen belegten.
125
Auch wenn ein Kläger die Beweislast im Allgemeinen nicht auf den Beklagten abwälzen kann, indem er sich
auf Umstände beruft, die er selbst nicht beweisen kann, lässt sich das Prinzip der Beweislast im
vorliegenden Fall nicht zugunsten der Kommission anwenden, soweit es um den Zeitpunkt der Beendigung
der von ihr geschlossenen internationalen Verträge geht. Das unerklärliche Unvermögen der Kommission,
Beweise für eine sie so unmittelbar berührende Tatsache vorzulegen, macht es dem Gericht unmöglich,
seine Entscheidung in Kenntnis des Datums zu erlassen, zu dem die Abkommen ausliefen. Es widerspräche
dem Grundsatz der geordneten Rechtspflege, die Folgen dieses Unvermögens der Kommission den
Adressaten der Entscheidung aufzubürden, die im Gegensatz zu dem beklagten Organ den fehlenden
Nachweis nicht führen können.
126
Unter diesen Umständen ist ausnahmsweise festzustellen, dass es Sache der Kommission war, den
Zeitpunkt der Beendigung der Selbstbeschränkungsabkommen nachzuweisen. Die Kommission hat den
Beweis hierfür jedoch weder in der angefochtenen Entscheidung noch vor dem Gericht beigebracht.
127
Im Übrigen hat weder Corus noch gar die Kommission behauptet, dass die Selbstbeschränkungsabkommen
1991 noch in Geltung gewesen seien.
128
Unter diesen Umständen ist für dieses Verfahren festzustellen, dass die Selbstbeschränkungsabkommen
zwischen der Kommission und den japanischen Behörden nur bis Ende 1990 in Kraft geblieben sind.
129
Jedenfalls haben die japanischen Klägerinnen Beweisstücke vorgelegt, die die Verlängerung der
Selbstbeschränkungsabkommen bis zum 31. Dezember 1990 zumindest auf japanischer Ebene belegen, was
die Behauptung von Corus in diesem Verfahren bestätigt (Urteil des Gerichts vom heutigen Tag in den
Rechtssachen T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, JFE Engineering u. a./Kommission, Slg. 2004, II‑0000,
Randnr. 345). Das Gericht kann in verbundenen Rechtssachen, in denen alle Parteien Gelegenheit gehabt
haben, sämtliche Akten einzusehen, von Amts wegen die Beweise berücksichtigen, die in den Akten der
Parallelsachen enthalten sind (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der
Rechtssache T-113/89, Nefarma und Bond van Groothandelaren in het Farmaceutische Bedrijf/Kommission,
Slg. 1990, II-797, Randnr. 1, und in der Rechtssache T-116/89, Prodifarma u. a./Kommission, Slg. 1990, II-843,
Randnr. 1). Im vorliegenden Fall entscheidet das Gericht im Rahmen von Rechtssachen, die zu gemeinsamem
mündlichem Verfahren verbunden worden sind, ein und dieselbe Entscheidung betreffen und in denen alle
Klägerinnen beantragt haben, die Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße abzuändern.
130
Somit sind dem Gericht in der vorliegenden Rechtssache die von den vier japanischen Klägerinnen
vorgelegten Beweise förmlich bekannt, und es braucht nicht über den Antrag von Corus entschieden zu
werden, der Kommission die Vorlage dieser Schriftstücke in diesem Verfahren aufzugeben.
131
Corus hat nicht nur beantragt, dass das Gericht die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des
Anfangsdatums und insoweit der Dauer der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten
Zuwiderhandlung für nichtig erklärt, sondern auch, dass es in Ausübung der ihm durch Artikel 17 der
Verordnung Nr. 17 gemäß Artikel 229 EG verliehenen Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung
die Geldbuße herabsetzt, um dieser kürzeren Dauer der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen. Die Befugnis
zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung bedeutet, dass das Gericht bei der Abänderung des
angefochtenen Rechtsakts durch eine Neubezifferung der von der Kommission verhängten Geldbußen alle
relevanten Umstände des Sachverhalts berücksichtigen muss (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober
2002 in den Rechtssachen C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-
254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 692). Es wäre daher,
zumal alle Klägerinnen der Feststellung der Zuwiderhandlung durch die Kommission schon ab dem 1. Januar
1990 entgegentreten, nicht sachgerecht, wenn das Gericht die Lage jeder einzelnen Klägerin nach den
Umständen ihres jeweiligen Falles isoliert beurteilte und dabei nur die tatsächlichen Gesichtspunkte
berücksichtigte, die die jeweilige Klägerin zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat, und die Umstände
außer Betracht ließe, die die übrigen Klägerinnen oder die Kommission geltend gemacht haben.
132
Nach alledem greift das Argument der Kommission, Corus habe das vorliegende Angriffsmittel nicht
rechtswirksam geltend gemacht, unter den Umständen dieses konkreten Falles nicht durch.
133
Infolgedessen ist die Dauer der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten
Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung des Zugeständnisses der Kommission in dieser Entscheidung um
ein Jahr zu verkürzen. Daher ist Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit dort
festgestellt wird, dass sich die Corus vorgeworfene Zuwiderhandlung auf die Zeit vor dem 1. Januar 1991
erstreckte.
134
Im Übrigen ist die Klage auf Nichtigerklärung des Artikels 1 der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Geldbuße
135
Im Rahmen dieses Antrags macht Corus als einzigen Klagegrund eine Verletzung der Verteidigungsrechte
geltend. Nach der Rechtsprechung müssten in der Mitteilung der Beschwerdepunkte alle wesentlichen
Tatsachen, auf die die Kommission sich stütze, klar angeführt werden, damit die Adressaten der Mitteilung
die erforderlichen Hinweise erhielten, um sich nicht nur gegen die Feststellung der Zuwiderhandlung,
sondern gegebenenfalls auch gegen die Verhängung der Geldbuße verteidigen zu können. Die Kommission
sei daher zur Wahrung der Verteidigungsrechte der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte im
Stadium dieser Mitteilung zu hinreichenden Angaben zur Dauer und Schwere der behaupteten
Zuwiderhandlung und zur Frage ihrer vorsätzlichen oder fahrlässigen Begehung auf der Grundlage der ihr zur
Verfügung stehenden Unterlagen verpflichtet (Urteile des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den
Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn.
14, 15 und 21, vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461,
Randnr. 20, und vom 16. März 2000 in den Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P, Compagnie Maritime
Belge Transports u. a./Kommission, Slg. 2000, I-1365, Randnr. 142).
136
Bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung habe der Gerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass die
Kommission die Dauer angeben müsse, von der sie im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte
aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Informationen vorläufig ausgehe, und sich nicht mit dem Hinweis
begnügen dürfe, dass der Dauer der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Geldbuße Rechnung
getragen werde, wie die Kommission behaupte (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, zitiert
oben in Randnr. 135, Randnr. 15). Entsprechend bestehe die Verpflichtung zur Angabe der Schwere und der
Fahrlässigkeit oder Vorsätzlichkeit der Zuwiderhandlung, damit die Adressaten einer Mitteilung der
Beschwerdepunkte sich hiergegen gebührend verteidigen könnten. Das Gericht habe diese Auslegung in
dem oben in Randnummer 76 zitierten Zement-Urteil (Randnrn. 483 und 484) bestätigt. Andernfalls würde
diese Verpflichtung ihres wesentlichen Gehalts beraubt, da in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dann
lediglich die maßgeblichen Kriterien dargelegt werden müssten, die sich ohnehin aus Artikel 15 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 17 ergäben.
137
Im vorliegenden Fall habe die Kommission gegen diese Pflicht bei der Frage der Schwere und der
vorsätzlichen oder fahrlässigen Begehung der Zuwiderhandlung verstoßen, da die Nummern 153 und 154
der Mitteilung der Beschwerdepunkte hierzu keine Angaben enthielten. Corus habe die Kommission auf
diesen Mangel im Abschnitt 6.7 ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (Anlage 11 zur
Klageschrift) hingewiesen, doch habe die Kommission ihr keine ergänzenden Informationen hierzu
übermittelt.
138
Corus habe somit keine Gelegenheit gehabt, sich zu der Beurteilung dieser Fragen seitens der Kommission
zu äußern, bevor diese dann die angefochtene Entscheidung erlassen habe, der zufolge Corus eine äußerst
schwere Zuwiderhandlung begangen habe und sich der Unrechtmäßigkeit ihres Handelns voll bewusst
gewesen sei (Randnr. 161 der angefochtenen Entscheidung). Daher seien die Verteidigungsrechte von
Corus verletzt worden, so dass die Geldbuße, die gegen sie verhängt worden sei, für nichtig erklärt werden
müsse.
139
Nach Auffassung der Kommission hat Corus das Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission (zitiert
oben in Randnr. 135, Randnr. 21) falsch ausgelegt, soweit sie ihm entnehme, dass die Kommission in der
Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre vorläufige Beurteilung derjenigen Umstände wiedergeben müsse, die
sie für die Bemessung der Geldbuße berücksichtigen wolle. In Wirklichkeit habe der Gerichtshof bloß
verlangt, dass die Kommission angebe, welche Bemessungskriterien sie anwende. Die von Corus vertretene
Auslegung des Urteils Musique diffusion française u. a./Kommission sei mit der Auslegung dieses Urteils im
Urteil Michelin/Kommission (zitiert oben in Randnr. 135, Randnr. 19) unvereinbar, wonach Angaben zur Höhe
der in Aussicht genommenen Geldbußen eine nicht sachgerechte Vorwegnahme der Entscheidung der
Kommission wären, solange dem Unternehmen, gegen das ermittelt werde, keine Gelegenheit gegeben
worden sei, zu den gegen es in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen.
140
Das auf die Randnummern 483 und 484 des oben in Randnummer 76 zitierten Zement-Urteils gestützte
Vorbringen von Corus sei unerheblich, da diese Randnummern die Frage betroffen hätten, ob die
Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Absicht mitgeteilt habe, gegen bestimmte
Unternehmen eine Geldbuße zu verhängen. Im vorliegenden Fall stehe hingegen fest, dass in Nummer 154
der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Absicht der Kommission, gegen Corus eine Geldbuße zu
verhängen, klar zum Ausdruck gekommen sei.
141
Wie sich aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ergebe, müsse die Kommission hierzu zwangsläufig
die Schwere und die Dauer der zur Last gelegten Zuwiderhandlung berücksichtigen. Corus hätte sich daher
der Erheblichkeit der entsprechenden Parameter bewusst sein müssen. Da Vorsatz oder Fahrlässigkeit der
begangenen Zuwiderhandlung Voraussetzung für die Verhängung einer Geldbuße aufgrund dieser
Bestimmung sei, habe dieser Hinweis genügt, um Corus den Standpunkt der Kommission hierzu klar zu
machen. Da die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2
der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3,
im Folgenden: Leitlinien), vor der Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Adressaten
veröffentlicht worden seien, hätte Corus diesen entnehmen können, dass die ihr vorgeworfene Übereinkunft
über die Marktaufteilung einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG dargestellt habe.
142
Soweit das Gericht in dem oben in Randnummer 76 zitierten Zement-Urteil festgestellt habe, dass die
Mitteilung der Beschwerdepunkte Angaben zur Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit und zur Schwere der
Zuwiderhandlung enthalten müsse, könnten diese im laufenden Text der Mitteilung der Beschwerdepunkte
wiedergegeben werden und bräuchten nicht unbedingt in dem Teil enthalten zu sein, der Artikel 15 Absatz 2
der Verordnung Nr. 17 betreffe. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, das Corus die Informationen in
der Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Dauer der Zuwiderhandlung für ausreichend gehalten habe. Da
diese Informationen in Teilen der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten gewesen seien, die nicht der
Festsetzung einer Geldbuße gewidmet gewesen seien, habe Corus den Grundsatz akzeptiert, dass insoweit
die gesamte Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigt werden müsse. Die Mitteilung der
Beschwerdepunkte enthalte aber eine eingehende Beschreibung der Zuwiderhandlung, aus der sich
ergebe, dass die Kommission sie für bedeutend halte (insbesondere Nr. 147 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte). Was die Vorsätzlichkeit einer Zuwiderhandlung angehe, so müsse die Kommission nach
der Rechtsprechung nicht einen gezielten Vorsatz nachweisen, sondern lediglich, dass die Parteien hätten
wissen müssen, dass ihr Verhalten gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoße (Urteil des Gerichtshofes vom 14.
Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnr. 299).
Infolgedessen habe in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Angabe genügt, dass das Verhalten der
Parteien objektiv als vorsätzlich oder fahrlässig angesehen werden könne.
143
Jedenfalls habe Corus in den Abschnitten 1.6, 3.14 und 3.15 ihrer Antwort auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte ausdrücklich Argumente vorgetragen, die die Schwere der Zuwiderhandlung hätten
abschwächen sollen, und in den Abschnitten 6.3, 6.4 und 6.7 ausdrücklich auf diesen Punkt hingewiesen. In
den Abschnitten 3.12, 3.15 und 4.5 bis 4.9 ihrer Antwort habe Corus die Rechtfertigungsgründe für ihr
Verhalten dargelegt, bevor sie in den Abschnitten 6.1 und 6.2 unter der Überschrift „Fragen zu den
Geldbußen“ einen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verneint habe. Sie habe somit jegliche
Zuwiderhandlung und erst recht jegliche vorsätzliche Zuwiderhandlung geleugnet. Dies lasse den Schluss
zu, dass Corus Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu sämtlichen Fragen bezüglich der Geldbußen gehabt
und diese auch genutzt habe, so dass ihre Verteidigungsrechte nicht verletzt worden seien. Da die von
Corus geltend gemachte Verletzung ihrer Verteidigungsrechte keine negativen Auswirkungen auf ihre
Möglichkeit gehabt habe, sich tatsächlich zu verteidigen, dürfe die Entscheidung jedenfalls aus diesem
Grund nicht für nichtig erklärt werden (in diesem Sinne Urteil PVC II, zitiert oben in Randnr. 71, Randnr.
1020).
144
Zunächst ist festzustellen, dass in der Mitteilung der Beschwerdepunkte alle wesentlichen Tatsachen, auf
die sich die Kommission stützt, klar angegeben werden müssen, damit die Adressaten der Mitteilung die
erforderlichen Angaben erhalten, um sich nicht nur gegen die Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern
gegebenenfalls auch gegen die Festsetzung von Geldbußen verteidigen zu können. Die Kommission ist daher
zur Wahrung der Rechte der Adressaten im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu hinreichenden
Angaben zur Dauer und zur Schwere der behaupteten Zuwiderhandlung und zur Frage der Vorsätzlichkeit
oder Fahrlässigkeit auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen verpflichtet (Urteile
Musique diffusion française u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 135, Randnrn. 14, 15 und 21,
Michelin/Kommission, zitiert oben in Randnr. 135, Randnr. 20, und Compagnie Maritime Belge Transports
u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 135, Randnr. 142).
145
Die Verpflichtung zu Angaben zur Schwere und zur Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit der Zuwiderhandlung
hätte keine Bedeutung mehr, wenn sie schon bei einer bloßen Umschreibung des Artikels 15 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 17 erfüllt wäre (in diesem Sinne das oben in Randnr. 76 zitierte Zement-Urteil, Randnrn. 483
und 484). Es ergäbe nämlich keinen Sinn, wenn die Kommission zur Vermeidung der Nichtigerklärung ihrer
Entscheidung über die Zuwiderhandlung bloß die Pflicht träfe, die Adressaten einer Mitteilung der
Beschwerdepunkte über die Bestimmungen der Verordnung Nr. 17 zu unterrichten, deren Kenntnis ohnehin
von ihnen erwartet wird.
146
Aufgrund dessen ist festzustellen, dass die Kommission entgegen der von ihr vertretenen Ansicht in der
Mitteilung der Beschwerdepunkte eine knappe vorläufige Beurteilung der Dauer und der Schwere der
behaupteten Zuwiderhandlung sowie der Frage, ob die Zuwiderhandlung im konkreten Fall vorsätzlich oder
fahrlässig begangen wurde, treffen musste. Die Angemessenheit dieser vorläufigen Beurteilung, die die
Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte in die Lage versetzen soll, sich hiergegen zu verteidigen,
ist nicht nur anhand des Wortlauts des in Rede stehenden Rechtsakts, sondern auch anhand seines
Kontextes sowie sämtlicher einschlägigen Rechtsvorschriften zu beurteilen (analog zum Urteil des Gerichts
vom 25. Juni 1998 in den Rechtssachen T-371/94 und T-394/94, British Airways u. a./Kommission, Slg. 1998,
II‑2405, Randnr. 89 ff.).
147
Zur Frage der Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit der Zuwiderhandlung ist im vorliegenden Fall festzustellen,
dass die Informationen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte den Anforderungen der Rechtsprechung
genügen.
148
Die Kommission hat in der Mitteilung der Beschwerdepunkte (insbesondere Nrn. 129 und 137) mehrfach
klargestellt, dass die Übereinkunft im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs eine Aufteilung des
Gewinderohrmarktes sowie eine Beschränkung des Wettbewerbs zum Ziel hatte. Die Kommission braucht in
einer Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird, nur nachzuweisen,
dass eine objektiv rechtswidrige Handlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist, damit die
Festsetzung einer Geldbuße nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zulässig ist. Es ist offenkundig,
dass der Abschluss einer Übereinkunft über die Marktaufteilung, wie sie in Artikel 1 der angefochtenen
Entscheidung festgestellt worden ist, zwangsläufig vorsätzlich ist, da ein Unternehmen eine solche
Übereinkunft nicht aus Versehen schließen kann.
149
Somit ist festzustellen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte im vorliegenden Fall keinen Raum für
Zweifel gelassen hat, dass die Kommission in diesem Verfahrensstadium die später in Artikel 1 der
angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung als vorsätzlich begangen angesehen hat.
150
Dagegen sind die Argumente der Kommission zur vorläufigen Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung
wenig überzeugend.
151
Die Kommission hat in den Nummern 153 und 154 der Mitteilung der Beschwerdepunkte lediglich erklärt,
dass sie die Festsetzung einer Geldbuße beabsichtige, wobei sie auf Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr.
17 verwiesen hat. Zwar hat sie in Nummer 147 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, es handle sich
um eine Übereinkunft über eine Marktaufteilung, die eine erhebliche („appreciable“)
Wettbewerbsbeschränkung zur Folge habe. Diese Feststellung lässt jedoch nicht erkennen, ob es sich nach
Ansicht der Kommission um einen „schweren“ oder einen „sehr schweren“ Verstoß im Sinne ihrer Leitlinien
gehandelt hat.
152
Ebenso wenig überzeugend ist das Argument der Kommission, dass diese Leitlinien veröffentlicht gewesen
seien. Würde das Gericht die Ansicht vertreten, dass diese Veröffentlichung allein ausreiche, damit die
Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte anhand der Beschreibung der Art der Zuwiderhandlung
feststellen könnten, in welche Kategorie die Kommission diese einstufe, hätte die sich aus der
Rechtsprechung ergebende Verpflichtung zu Angaben bezüglich der Schwere der Zuwiderhandlung keine
praktische Bedeutung (oben Randnr. 145).
153
Somit ist die Mitteilung der Beschwerdepunkte im vorliegenden Fall fehlerhaft, da die Kommission dort nicht
angegeben hat, wie sie die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung vorläufig einstuft.
154
Diese Feststellung allein führt jedoch nicht schon zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung. Die
Verpflichtung, in die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine knappe vorläufige Beurteilung der Dauer und der
Schwere der behaupteten Zuwiderhandlung sowie der Frage der Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit
aufzunehmen, ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, den Adressaten einer Mitteilung der
Beschwerdepunkte in die Lage zu versetzen, sich gebührend zu verteidigen (oben Randnr. 146 sowie analog
das Zement‑Urteil, zitiert oben in Randnr. 76, Randnr. 156).
155
Diese Verpflichtung ist daher untrennbar mit dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte
verbunden und wird durch ihn bedingt (analog zum Zement-Urteil, zitiert oben in Randnr. 76, Randnr. 156,
und die zitierte Rechtsprechung). Es gibt keinen Grund für den Gemeinschaftsrichter, die gemeinschaftlichen
Maßnahmen aufgrund von Versäumnissen in einem vorbereitenden Schriftstück wie der Mitteilung der
Beschwerdepunkte für nichtig zu erklären, wenn diese Versäumnisse keine Folgen für die Verteidigung der
betroffenen Unternehmen gehabt haben. Somit ist zu prüfen, ob die Verteidigung von Corus durch den oben
in Randnummer 153 festgestellten Mangel beeinträchtigt worden ist.
156
Im vorliegenden Fall hat Corus in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, namentlich in Teil 6,
Argumente vorgetragen, um die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung zu verharmlosen. Insbesondere
ergibt sich für sie aus dem Kontext der in Rede stehenden Übereinkunft über die Marktaufteilung, dass eine
eventuell von ihr begangene Zuwiderhandlung nicht schwerwiegend genug sei, um die Festsetzung einer
Geldbuße zu rechtfertigen (Abschnitt 6.3 der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte), dass sie
dabei gewesen sei, sich von den Märkten der nahtlosen OCTG-Rohre und der nahtlosen Leitungsrohre
zurückzuziehen und ihre Bedeutung auf diesen Märkten zum Zeitpunkt der angeblichen Zuwiderhandlung
somit zurückgegangen sei (Abschnitt 6.4 Absatz 3 der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte) und
dass schließlich die räumliche Ausdehnung ihrer Beteiligung und die Kategorie der von der Zuwiderhandlung
betroffenen Erzeugnisse begrenzt gewesen seien (Abschnitte 6.4 Absatz 2 bzw. 6.5 der Antwort auf die
Mitteilung der Beschwerdepunkte). Außerdem hat Corus in Teil 3 ihrer Antwort auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte hierzu detaillierte Argumente tatsächlicher Art vorgetragen.
157
Infolgedessen hat Corus nicht dargetan, inwiefern der Ablauf des Verwaltungsverfahrens und der Inhalt der
angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Schwere der Zuwiderhandlung und damit die Höhe der
Geldbuße anders ausgefallen wären, wenn die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte
angegeben hätte, in welche Kategorie entsprechend dem Grad der Schwere sie die Zuwiderhandlung
einordne, die sich aus der Übereinkunft über die Marktaufteilung im Rahmen des Europäisch-Japanischen
Clubs ergeben hat (in diesem Sinne Urteil PVC II, zitiert oben in Randnr. 71, Randnr. 1021, und die zitierte
Rechtsprechung). Die bloße Behauptung von Corus in Abschnitt 6.7 dieser Antwort, sie glaube, dass sie
noch einmal Gelegenheit gehabt hätte, sich zu den in den Leitlinien genannten Kriterien für die Berechnung
der Geldbußen zu äußern, kann an ihrer rechtlichen Lage insoweit nichts ändern.
158
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass diese Schlussfolgerung dadurch bestätigt wird,
dass Corus vor dem Gericht ganz wesentlich die gleichen Argumente (nachstehend Randnr. 161 ff.) wie die
in Teil 6 ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (zitiert oben in Randnr. 156) vorgetragen hat,
um speziell die in den Randnummern 159 bis 165 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Würdigung
der Schwere der in Artikel 1 dieser Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung in Frage zu stellen. Der
Gemeinschaftsrichter kann aber im Rahmen der unbeschränkten Ermessensprüfung die Höhe der nach
Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen neu festsetzen. Eine Partei kann daher, wenn sie
der Ansicht ist, dass einer der die Schwere betreffenden Umstände von der Kommission unzutreffend
gewürdigt worden ist, vor dem Gericht alles vortragen, was seine Ansicht stützen könnte.
159
Selbst wenn die Kommission ihre vorläufige Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung in der Mitteilung
der Beschwerdepunkte dargelegt hätte, spricht nichts dafür, dass Corus in ihrer Antwort hierauf wesentlich
andere Argumente vorgetragen hätte als die, die sie in Teil 6 dieser Antwort tatsächlich angeführt hat.
160
Nach alledem sind der vorliegende Klagegrund und damit der Antrag auf Nichtigerklärung der Geldbuße
zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße
Vorbringen der Parteien
161
Nach Ansicht von Corus wäre selbst dann, wenn sie an der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung
angeführten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen wäre, ihre geschäftliche Lage anders gewesen als die der
anderen mit Geldbußen belegten Hersteller, weil sie dabei gewesen sei, sich vom Markt der nahtlosen Rohre
zurückzuziehen. Die Kommission hätte die Zuwiderhandlung im Fall von Corus daher als weniger schwer
ansehen und dementsprechend die gegen sie verhängte Geldbuße niedriger bemessen müssen als im Fall
der anderen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen.
162
Im Übrigen seien die Tätigkeiten von Corus traditionell auf den Markt des Vereinigten Königreichs
ausgerichtet gewesen, der nach Ansicht der Kommission (Randnr. 62 der angefochtenen Entscheidung) nur
„teilgeschützt“ gewesen sei und auf dem es eine bedeutende Konkurrenz der japanischen Hersteller
gegeben habe. Außerdem habe es sich bei den von Corus auf diesem Markt verkauften nahtlosen OCTG-
Rohren im Wesentlichen um Premiumgewinderohre und nicht um die in Artikel 1 der angefochtenen
Entscheidung genannten Gewinderohre in Standardausführung gehandelt. Auch dem hätte die Kommission
bei der Würdigung der Schwere der von ihr begangenen Zuwiderhandlung Rechnung tragen müssen.
163
Die Kommission habe die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung als
akzessorisch zu der nach Artikel 1 angesehen. Daher müsste die etwaige Nichtigerklärung des Artikels 2 sich
zwangsläufig auf die Schwere der angeblichen Beteiligung der Klägerin an der Hauptzuwiderhandlung nach
Artikel 1 auswirken.
164
Die Kommission weist darauf hin, dass sie in den Randnummern 106 und 162 der angefochtenen
Entscheidung ausdrücklich dem Umstand Rechnung getragen habe, dass die in Artikel 1 festgestellte
Zuwiderhandlung nur begrenzte Auswirkungen gehabt habe, und dass sie den Betrag der Geldbuße
dementsprechend niedriger festgesetzt habe. Das Vorbringen von Corus, ihre Beteiligung an der
Zuwiderhandlung habe nur begrenzte Auswirkungen gehabt, sei daher im Rahmen dieses Verfahrens
unerheblich.
165
Im Übrigen könnte eine eventuelle Nichtigerklärung des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung keine
Auswirkung auf die Höhe der Geldbuße haben, da aufgrund dieses Artikels, wie Corus selbst erklärt habe,
keine gesonderte Geldbuße verhängt worden sei.
Würdigung durch das Gericht
166
Einleitend ist festzustellen, dass die Kommission die Leitlinien in der angefochtenen Entscheidung zwar nicht
ausdrücklich angeführt hat, die Geldbußen jedoch gleichwohl nach der dort festgelegten
Berechnungsmethode bemessen hat (vgl. dazu Urteil Hercules Chemicals/Kommission, zitiert oben in Randnr.
116, Randnr. 53, bestätigt durch das auf ein Rechtsmittel hin ergangene Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli
1999 in der Rechtssache C-51/92 P, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I‑4235, und die zitierte
Rechtsprechung).
167
Nach Abschnitt 1 A der Leitlinien sind bei „der Ermittlung der Schwere des Verstoßes … seine Art und die
konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden
räumlichen Marktes zu berücksichtigen“. In Randnummer 159 der angefochtenen Entscheidung hat die
Kommission darauf hingewiesen, dass sie gerade diese drei Kriterien für die Bestimmung der Schwere der
Zuwiderhandlung berücksichtigt habe.
168
Die Kommission hat sich in Randnummer 161 der angefochtenen Entscheidung zur Einstufung der in Artikel 1
der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung als „äußerst schwer“ im Wesentlichen auf
die Art des rechtswidrigen Verhaltens aller Unternehmen gestützt. Zur Begründung hat sie darauf
verwiesen, dass die beanstandete Übereinkunft über die Aufteilung der Märkte einen schweren
Wettbewerbsverstoß dargestellt und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt
habe, dass die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen worden sei und dass es sich um ein geheimes und
institutionalisiertes System zur Wettbewerbsbeschränkung gehandelt habe. In derselben Randnummer hat
die Kommission auch berücksichtigt, dass „der überwiegende Teil des Verbrauchs an nahtlosen OCTG[-
Rohren] und [Leitungsrohren] in der Gemeinschaft auf die vier von der Übereinkunft betroffenen
Mitgliedstaaten [entfällt], die somit einen räumlich ausgedehnten Markt [darstellen]“.
169
Dagegen hat die Kommission in Randnummer 160 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die
„konkreten Auswirkungen des Verstoßes auf den Markt … begrenzt“ seien, weil die beiden von dem Verstoß
betroffenen Produktarten, nämlich OCTG-Standardrohre und projektbezogene Leitungsrohre, nur 19 % des
gesamten Gemeinschaftsverbrauchs an nahtlosen OCTG-Rohren und Leitungsrohren ausmachten und weil
wegen des technischen Fortschritts ein Teil der Nachfrage nach nahtlosen Rohren inzwischen durch
geschweißte Rohre gedeckt werden könne.
170
So berücksichtigte die Kommission dann in Randnummer 162 der angefochtenen Entscheidung, nachdem
sie die Zuwiderhandlung auf der Grundlage der in Randnummer 161 genannten Faktoren als „äußerst
schwer“ eingestuft hatte, den relativ begrenzten Umfang der Verkäufe der fraglichen Produkte durch die
Adressaten der angefochtenen Entscheidung in den vier betroffenen Mitgliedstaaten (73 Millionen Euro
jährlich). Diese Bezugnahme auf die Größe des betroffenen Marktes entspricht im Wesentlichen der
vorgenannten Beurteilung bezüglich der begrenzten Marktauswirkungen der Zuwiderhandlung in
Randnummer 160 der angefochtenen Entscheidung. Daher hat die Kommission den Betrag nach Maßgabe
der Schwere der Zuwiderhandlung auf nur 10 Millionen Euro festgesetzt. Die Leitlinien sehen für eine
Zuwiderhandlung, die zur Kategorie der besonders schweren Verstöße gehört, grundsätzlich eine Geldbuße
von „oberhalb von 20 Mio. [Euro]“ vor. Diese Herabsetzung des nach Maßgabe der Schwere festgesetzten
Betrages um 50 % des für einen „besonders schweren“ Verstoß gewöhnlich festgesetzten Mindestbetrags
trägt der begrenzten Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt im vorliegenden Fall angemessen
Rechnung.
171
Schließlich hat die Kommission in Randnummer 165 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass alle
Unternehmen, an die die Entscheidung sich richtet, Großunternehmen seien, so dass eine Abstufung der
Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht notwendig sei.
172
Dazu ist festzustellen, dass die Kommission sich bei dieser Würdigung weitgehend auf die Art der
Zuwiderhandlung gestützt hat, um sie als sehr schwerwiegend einzustufen. Nach den insbesondere in den
Randnummern 62, 67, 78 und 80 der angefochtenen Entscheidung angeführten Vermerken von Vallourec
war die Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und diesem Unternehmen aber besonders eng.
173
Zu dem Argument von Corus, sie sei dabei gewesen, sich vom Markt der OCTG-Rohre und der Leitungsrohre
zurückzuziehen, und habe sich daher in einer anderen geschäftlichen Lage befunden als alle anderen
Adressaten der angefochtenen Entscheidung, ist festzustellen, dass die subjektiven Gründe eines
Unternehmens für eine von ihm begangene Zuwiderhandlung im Rahmen der Würdigung der objektiven
Schwere dieser Handlung nicht von Bedeutung sind. Solange Corus sich von dem relevanten Markt nicht
zurückgezogen hatte und weiterhin aktiv an der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung beteiligt war, ist es
ohne Bedeutung, dass sie auf diesen Märkten zeitlich nur begrenzt vertreten war.
174
Dagegen hat die Kommission in Randnummer 92 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass Corus
ihre Geschäftstätigkeiten im Bereich Gewinderohre am 22. Februar 1994 an Vallourec verkauft hatte und in
ihrem Fall die Zuwiderhandlung laut Artikel 1 Absatz 2 dieser Entscheidung sich nur auf den Zeitraum
zwischen 1990 und Februar 1994 erstreckte. Wie sich aus Randnummer 166 der angefochtenen
Entscheidung ergibt, wurde die Corus zur Last gelegte Zuwiderhandlung nur für einen Zeitraum von vier
Jahren, von 1990 bis 1994, berücksichtigt, was durch die Festsetzung des Grundbetrags auf 14 Millionen
Euro für Corus in Randnummer 167 bestätigt wird. Betrachtet man die angefochtene Entscheidung in ihrer
Gesamtheit, zeigt sich, dass bei dieser Berechnung das Jahr 1990 eingeschlossen und das Jahr 1994
ausgeschlossen worden ist.
175
Daher besteht kein Grund, insbesondere angesichts der genannten engen Zusammenarbeit zwischen Corus
und Vallourec, das rechtswidrige Verhalten von Corus im vorliegenden Fall als seiner Art nach weniger
schwerwiegend anzusehen als das der anderen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen. Die in
der vorangegangenen Randnummer beschriebene Berücksichtigung der kürzeren Dauer der in Artikel 1 der
angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung im Fall von Corus trägt dem Umstand
ausreichend Rechnung, dass sich das Unternehmen im Februar 1994 vom Markt der Gewinderohre
zurückgezogen hat.
176
Sodann ist daran zu erinnern, dass ein Unternehmen für ein Gesamtkartell zur Verantwortung gezogen
werden kann, auch wenn es nachweislich nur an einem oder mehreren Bestandteilen dieses Kartells
unmittelbar mitgewirkt hat, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass die Absprache, an der
es insbesondere durch die Teilnahme an regelmäßig über Jahre stattfindenden Sitzungen beteiligt war, Teil
eines Gesamtsystems war, das auf die Verfälschung des normalen Wettbewerbs gerichtet war, und dass
sich dieses System auf sämtliche Bereiche des Kartells erstreckte (Urteil PVC II, zitiert oben in Randnr. 71,
Randnr. 773). Angesichts der oben festgestellten besonders engen Zusammenarbeit zwischen Corus und
Vallourec (vgl. auch Randnrn. 62, 67, 78 und 80 der angefochtenen Entscheidung) ist offenkundig, das
Corus an der Ausarbeitung der im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs beschlossenen gemeinsamen
Strategie unmittelbar beteiligt gewesen war und alle Einzelheiten der Übereinkunft der Marktaufteilung
kannte, die die ihr zur Last gelegte Zuwiderhandlung darstellt. Somit besteht im vorliegenden Fall kein
Grund, Corus von ihrer Verantwortlichkeit für das Kartell in seiner Gesamtheit freizusprechen.
177
Was den Umstand betrifft, dass der britische Offshore-Markt, ein wichtiger Bereich des Heimatmarktes von
Corus, nur teilgeschützt war, so ergibt sich aus den Vermerken von Vallourec (vgl. Randnrn. 62, 67, 78 und
80 der angefochtenen Entscheidung) und den Schriftstücken „Arbeitspapier für die Vorstandsvorsitzenden“
und „g) Japaner“ („[g] Japanese“, wiedergegeben auf Seite 4909 der Kommissionsakte) (vgl. Randnr. 84), die
von Angestellten von Corus verfasst waren, dass die Klägerin versuchte, die japanischen Verkäufe auf
diesem Markt so weit wie möglich zu beschränken. Unter diesen Umständen kann sich Corus nicht auf
diesen Teilschutz für seine Behauptung berufen, dass die von ihr begangene Zuwiderhandlung nicht
„besonders schwer“ gewesen sei. Im Übrigen spricht die Begrenztheit des Schutzes des britischen Offshore-
Marktes keineswegs gegen die Feststellung der Kommission in Randnummer 161 der angefochtenen
Entscheidung, wonach der betroffene geografische Markt ein räumlich ausgedehnter Markt gewesen sei.
178
Was die Argumente von Corus betrifft, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nur begrenzte
Auswirkungen auf die in Rede stehenden Märkte gehabt habe, da es auf ihrem Heimatmarkt vor allem eine
japanische Konkurrenz gegeben habe und sie selbst im Wesentlichen OCTG-Rohre in Premium‑ statt in
Standardausführung verkauft habe, so ist in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinzuweisen, dass
die Kommission den begrenzten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die Märkte durch die Herabsetzung
des nach Maßgabe der Schwere bemessenen Betrages auf 50 % des für einen „besonders schweren“
Verstoß gewöhnlich festgesetzten Mindestbetrags Rechnung getragen hat (oben Randnr. 170).
179
Zwar sieht Abschnitt 1 Buchstabe A Absatz 6 der Leitlinien die Möglichkeit vor, dass „in bestimmten Fällen
die innerhalb der einzelnen vorstehend beschriebenen Gruppen [von Zuwiderhandlungen] festgesetzten
Beträge gewichtet werden, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes
jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen“. Nach diesem Absatz ist diese
Vorgehensweise „vor allem“ dann angezeigt, „wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr
unterschiedlicher Größe beteiligt waren“.
180
Allerdings ist den Ausdrücken „in bestimmten Fällen“ und „vor allem“ in den Leitlinien zu entnehmen, dass
eine Gewichtung nach der individuellen Unternehmensgröße kein durchgehend zu vollziehender
Berechnungsschritt ist, zu dem sich die Kommission verpflichtet hat, sondern eine Anpassungsmöglichkeit,
die sie sich in Sachen, die dies erfordern, vorbehält. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung
zu verweisen, nach der die Kommission über ein Ermessen verfügt, dass es ihr erlaubt, für die Bemessung
der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls
bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofes
vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I‑1611, Randnr. 54, und
Urteile des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission,
Slg.1997, I‑4411, Randnrn. 32 und 33, und Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, zitiert oben in
Randnr. 131, Randnr. 465; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der
Rechtssache T-309/94, KNP BT/Kommission, Slg. 1998, II‑1007, Randnr. 68). Unter Berücksichtigung des
genannten Abschnitts 1 Buchstabe A Absatz 6 der Leitlinien ist davon auszugehen, dass der Kommission
hinsichtlich der Frage, ob eine Gewichtung der Geldbußen nach der Größe des einzelnen Unternehmens
angezeigt ist, ein gewisses Ermessen verbleibt.
181
Insoweit ist auch daran zu erinnern, dass Geldbußen eine abschreckende Wirkung entfalten sollen (vgl.
Abschnitt 1 Buchstabe A Absatz 4 der Leitlinien). Da es sich bei den Adressaten der angefochtenen
Entscheidung nach der Feststellung in Randnummer 165 der angefochtenen Entscheidung um
Großunternehmen handelt, hätte eine wesentlich stärkere Herabsetzung des nach der Schwere
festgesetzten Betrages den Geldbußen ihre abschreckende Wirkung nehmen können.
182
Somit hat die Kommission durch die Nichtanwendung des Abschnitts 1 Buchstabe A Absatz 6 der Leitlinien
die Grenzen des Ermessens, das ihr nach den Ausführungen oben in Randnummer 180 zusteht, nicht
überschritten.
183
Zu dem Argument von Corus, eine etwaige Nichtigerklärung des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung
müsse sich auf die Bemessung der Geldbuße auswirken, die zur Ahndung der in Artikel 1 festgestellten
Zuwiderhandlung verhängt worden sei, genügt der Hinweis, dass für die in Artikel 2 der angefochtenen
Entscheidung genannte Zuwiderhandlung keine Geldbuße verhängt worden ist und die Kommission diesen
Verstoß bei der Bemessung der Geldbuße, die tatsächlich gegen Corus verhängt worden ist, außer Betracht
gelassen hat (Randnr. 164 der angefochtenen Entscheidung). Infolgedessen greift dieses Argument nicht
durch.
184
Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
185
Corus macht geltend, die Kommission habe durch die Ablehnung einer Herabsetzung der Geldbuße ihr
berechtigtes Vertrauen verletzt, dass durch Abschnitt D 2 der Mitteilung über die Zusammenarbeit
begründet worden sei. Nach dieser Vorschrift könne die Höhe der Geldbuße eines Unternehmens, das den
in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellten Sachverhalt nicht bestreite, um 10 bis 50 % niedriger
festgesetzt werden als die Geldbuße, die ohne seine Zusammenarbeit verhängt worden wäre. Die
Kommission habe in der Mitteilung über die Zusammenarbeit ausdrücklich anerkannt, dass diese
berechtigte Erwartungen bei den Unternehmen wecken könne. Schließlich gelte analog das oben in
Randnummer 116 zitierte Urteil vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache Hercules Chemicals.
186
Gegenüber dem Argument der Kommission, die Mitteilung über die Zusammenarbeit habe bei Corus keine
berechtigten Erwartungen wecken können, da diese Mitteilung erst 1996 veröffentlicht worden sei, genüge
der Hinweis, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte erst 1999 an die Klägerin gerichtet worden sei. Im
Übrigen habe sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung bei der Herabsetzung der gegen
Vallourec und Dalmine verhängten Geldbußen ausdrücklich auf die Mitteilung über die Zusammenarbeit
berufen.
187
Wie sich aus der Rechtsprechung ergebe, beruhe die Herabsetzung der Geldbuße, die gegen ein
Unternehmen verhängt worden sei, das erklärt habe, den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre
Beschuldigungen stütze, nicht zu bestreiten, auf der Erwägung, dass diese Anerkennung der behaupteten
Tatsachen als Beweis für deren Richtigkeit angeführt werden könne und damit zur Erleichterung der Aufgabe
der Kommission beitrage, die in der Feststellung und Verfolgung von Verstößen gegen die
Wettbewerbsregeln bestehe (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-308/94,
Cascades/Kommission, Slg. 1998, II-925, Randnr. 256).
188
Im vorliegenden Fall habe Corus in Abschnitt 1.5 ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte
erklärt, dass sie den Sachverhalt bezüglich der später in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung
angeführten Zuwiderhandlung im Wesentlichen nicht bestreite, wohl aber, dass eine Zuwiderhandlung
vorliege. Es müsse zwischen den Tatsachenbehauptungen und deren rechtlicher Qualifizierung
unterschieden werden. Wenn ein Unternehmen die rechtliche Qualifizierung angreife, verringere dies daher
nicht den Umfang und den Nutzen der Zusammenarbeit, die es mit der Anerkennung des Sachverhalts
gezeigt habe. In anderen Entscheidungen über rechtswidrige Absprachen habe die Kommission die
Geldbußen von Unternehmen herabgesetzt, obwohl diese die Abstimmung, die die Zuwiderhandlung
dargestellt habe, geleugnet oder behauptet hätten, an dieser nicht teilgenommen zu haben (vgl.
Entscheidung 98/247/EGKS der Kommission vom 21. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-
Vertrag [Sache IV/35.814 – Legierungszuschlag] [ABl. L 100, S. 55], Randnrn. 98 bis 100, und Entscheidung
1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 81 EG-Vertrag [Sache
IV/35.691/E‑4 – Fernwärmetechnik-Kartell] [ABl. L 24, S. 1], Randnr. 180). Corus hätte eine Herabsetzung der
gegen sie verhängten Geldbuße gewährt werden müssen.
189
Zu den Argumenten, die Corus aus ihrer angeblichen Zusammenarbeit herleitet, trägt die Kommission vor,
die Mitteilung über die Zusammenarbeit sei erst 1996 veröffentlicht worden. Da Corus die in der
angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen im Februar 1994 beendet habe, habe die
Mitteilung in diesem Zusammenhang keine Rolle gespielt.
190
Zudem habe Corus in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, insbesondere in Abschnitt
3.15 bezüglich der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung, nicht nur
der Sachverhaltswürdigung widersprochen, sondern auch die rechtswidrige Übereinkunft selbst geleugnet.
Dadurch habe sie die Kommission gezwungen, den Corus in der Mitteilung der Beschwerdepunkte
vorgeworfenen Sachverhalt im Einzelnen nachzuweisen. Die Haltung der Klägerin habe somit die Aufgabe der
Kommission nicht erleichtert. Daher könne sie nicht als eine Zusammenarbeit gelten, die eine Herabsetzung
der Geldbuße rechtfertige (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-347/94, Mayr-
Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751, Randnr. 309, und die zitierte Rechtsprechung sowie Randnr. 332).
Das Gericht habe ausdrücklich entschieden, dass ein Unternehmen, das seine Beteiligung an einem Verstoß
gegen Artikel 81 Absatz 1 EG leugne, keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit
verlangen könne (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-311/94, BPB de
Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 59, und in der Rechtssache T-338/94,
Finnboard/Kommission, Slg. 1998, II‑1617, Randnrn. 262 f.).
191
Die Kommission kommt aufgrund dessen zu dem Ergebnis, das Corus den in der angefochtenen
Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt vor dem Gericht nach wie vor bestreite. Daher müsste, wenn
Corus wegen der Zusammenarbeit einen Anspruch auf Herabsetzung ihrer Geldbuße gehabt haben sollte, im
Verfahren vor dem Gericht der Antrag gestellt werden, ihr diese Vergünstigung zu entziehen und die
betreffende Geldbuße folglich zu erhöhen. In diesem Fall wäre Corus nämlich ein Unternehmen, das,
nachdem es eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit erreicht habe, in der Klageschrift
dann die Richtigkeit des Sachverhalts bestritten habe, was nach dem letzten Satz der Mitteilung über die
Zusammenarbeit den Antrag auf Heraufsetzung der Geldbuße rechtfertige. Corus müsse daher gezwungen
werden, in diesem Verfahren zwischen den Klagegründen und Argumenten gegen das Vorliegen einer
Zuwiderhandlung und ihren auf die Mitteilung über die Zusammenarbeit gestützten Argumenten zu wählen,
da diese beiden Seiten ihrer Klageschrift miteinander unvereinbar seien.
Würdigung durch das Gericht
192
Zunächst ist festzustellen, dass die 1996 veröffentlichte Mitteilung über die Zusammenarbeit Corus zu ihrer
Erklärung in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 20. April 1999 bewegen konnte, dass
sie den Sachverhalt bezüglich des Europäisch-Japanischen Clubs „im Wesentlichen“ („substantially“) nicht
bestreite. Daher sprechen zeitliche Gründe nicht dagegen, dass die Mitteilung über die Zusammenarbeit bei
diesem Unternehmen berechtigte Erwartungen wecken konnte.
193
Bezüglich der Frage, ob eine Herabsetzung der gegen Corus verhängten Geldbuße im vorliegenden Fall
aufgrund der Mitteilung über die Zusammenarbeit gerechtfertigt war, so dass der Grundsatz des
berechtigten Vertrauens verletzt worden ist, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Verhalten dieses
Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert haben muss, Verstöße gegen die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festzustellen und zu verfolgen (Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, zitiert
oben in Randnr. 190, Randnr. 309, und die zitierte Rechtsprechung sowie Randnr. 332). Dabei reicht eine
allgemeine Erklärung des Unternehmens, dass es den festgestellten Sachverhalt gemäß dieser Mitteilung
nicht bestreite, nicht, wenn diese Erklärung im konkreten Fall ohne jeden Nutzen für die Kommission ist.
194
Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte u. a. behauptet, dass die
Mitglieder des Europäisch-Japanischen Clubs eine wettbewerbswidrige Übereinkunft getroffen hätten, die
eine Aufteilung der Märkte bezweckt und bewirkt habe. Corus hat zwar erklärt, den Sachverhalt insoweit
nicht zu bestreiten, hat aber in Abschnitt 1.7 und noch einmal in Abschnitt 3.15 Absatz 2 ihrer Antwort auf
die Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemacht, dass die wettbewerbswidrigen Auswirkungen einer
solchen Übereinkunft, falls es sie überhaupt gegeben habe, unbedeutend gewesen seien, so dass sich die
Frage nach dem geschäftlichen Zweck der Übereinkunft und damit nach der Übereinkunft selbst stelle. Sie
hat vor dem Gericht auf die Notwendigkeit hingewiesen, zwischen den Tatsachen als solchen, die sie nicht
bestreite, und deren rechtlicher Qualifizierung, der sie widerspreche, zu unterscheiden.
195
Im besonderen Fall einer Vereinbarung, die unabhängig von ihren etwaigen Wirkungen eine Aufteilung der
Märkte bezweckt, ist jedoch die Anerkennung der Richtigkeit der Tatsachen grundsätzlich ausreichend, um
zwei der für einen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG wesentlichen Voraussetzungen nachzuweisen,
nämlich das Vorliegen einer Vereinbarung und deren wettbewerbswidrigen Zweck.
196
Zudem hat die Kommission im vorliegenden Fall in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der
angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen die gleichen Beweise angeführt. Eine große Zahl von diesen,
insbesondere die Erklärungen von Herrn Verluca und die verschiedenen Vermerke von Vallourec betreffen
den Inhalt strategischer Diskussionen mit dem Ziel der Abstimmung zwischen den Mitgliedern des
Europäisch-Japanischen Clubs vor allem im Hinblick auf die Gemeinschaftsmärkte (vgl. u. a. Nrn. 56, 60, 63
und 65 der Mitteilung der Beschwerdepunkte und Randnrn. 62, 67, 73 und 78 der angefochtenen
Entscheidung).
197
Somit ist festzustellen, das Corus in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Beteiligung
an der Übereinkunft und an der wettbewerbswidrigen Zielsetzung, die die später in Artikel 1 der
angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung darstellen, nicht in Zweifel ziehen konnte, ohne
gleichzeitig die Tatsachen bezüglich der betreffenden Diskussionen und ihres Inhalts zu bestreiten.
198
Wenn sich für Corus in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die Frage nach dem Vorliegen
einer Übereinkunft stellt, kommen somit unter den Umständen des vorliegenden Falles Zweifel an dem Wert
ihrer Erklärung in dieser Antwort, dass sie den Sachverhalt nicht bestreite, auf, so dass die Bedeutung
dieser Erklärung nicht klar ist. Diese Unklarheit wird dadurch verstärkt, dass Corus ihre Erklärung, dass sie
den Sachverhalt nicht bestreite, durch die Verwendung des Wortes „substantially“ („im Wesentlichen“)
relativiert hat, ohne zu erläutern, welche konkreten Tatsachen von diesem Vorbehalt erfasst werden.
199
Unter diesen Umständen konnte die Kommission im Verwaltungsverfahren ebenso wenig wie das Gericht im
vorliegenden Verfahren die Tatsachen feststellen, die Corus konkret eingeräumt hat und durch die die
Zusammenarbeit des Unternehmens dazu beigetragen hat, die Aufgabe der Kommission zu erleichtern.
Infolgedessen kann die Anerkennung der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte behaupteten Tatsachen
durch Corus eine Herabsetzung ihrer Geldbuße aufgrund der Mitteilung über die Zusammenarbeit, wie sie in
der Rechtsprechung ausgelegt wird, nicht rechtfertigen.
200
Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
201
Corus weist zunächst darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung
verletzt sei, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte gleich
behandelt würden, sofern eine solche Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt sei (Urteile des
Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28,
und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I‑2681, Randnr. 25; ebenso Urteil des
Gerichts vom 15. März 1994 in der Rechtssache T‑100/92, La Pietra/Kommission, Slg. ÖD 1994, I‑A‑83 und
II‑275, Randnr. 50). Dieser Grundsatz werde bei der Verhängung von Geldbußen häufig angewandt (Urteile
des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache Hercules Chemicals/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 116, Randnr. 295, vom 6. April 1995 in der Rechtssache T‑141/89, Trefileurope/Kommission, Slg.
1995, II-791, Randnr. 185, in der Rechtssache T-142/89, Boël/Kommission, Slg. 1995, II-867, Randnrn. 128 bis
135, in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II‑917, Randnrn. 54 bis 56, in der
Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II‑1165, Randnrn. 57 bis 61, vom 11. Dezember 1996
in der Rechtssache T‑49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II‑1799, Randnr. 56, in der
Rechtssache Finnboard/Kommission, zitiert oben in Randnr. 190, und in der Rechtssache
Mayr‑Melnhof/Kommission, zitiert oben in Randnr. 190, Randnrn. 334 bis 336 und 352 bis 354).
202
Vallourec, deren Geldbuße um 40 % herabgesetzt worden sei, habe lediglich die Fragen, die ihr von Beamten
der Kommission bei einer Nachprüfung vor Ort gestellt worden seien, gemäß ihrer gesetzlichen Verpflichtung
beantwortet, was Corus ebenfalls getan habe. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin darauf, dass
die Erklärungen von Herrn Verluca Antworten auf Fragen gewesen seien, die die Kommission Vallourec
gestellt habe.
203
Dalmine, deren Geldbuße um 20 % herabgesetzt worden sei, habe der Kommission lediglich mitgeteilt, dass
sie den Sachverhalt nicht bestreite, ohne jedoch ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung anzuerkennen.
Der Umfang ihrer Zusammenarbeit sei daher nicht größer als der von Corus gewesen. Die
Ungleichbehandlung von Corus, die die Kommission in ihrer Klagebeantwortung nicht gerechtfertigt habe, sei
somit offenkundig. Dalmine sei sogar weniger zur Zusammenarbeit bereit gewesen als Corus, vor allem, weil
sie sich anfangs geweigert habe, der Kommission bestimmte Auskünfte, die diese verlangt habe, zu erteilen,
und dann sowohl in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch im Rahmen ihrer als
offensichtlich unzulässig abgewiesenen Klage, die sie gegen die von der Kommission gemäß Artikel 11 Absatz
5 der Verordnung Nr. 17 gegen sie getroffene Entscheidung erhoben habe, zur Rechtfertigung ihrer
Weigerung, auf bestimmte Fragen zu antworten, auf ihr Recht berufen habe, sich nicht selbst zu belasten.
Außerdem habe Dalmine die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen, auf deren Grundlage die Kommission im
Dezember 1994 Nachprüfungen vorgenommen habe, und damit das Recht der Kommission, die bei dieser
Gelegenheit sichergestellten Dokumente zu verwerten, in Frage gestellt (Randnr. 118 der angefochtenen
Entscheidung).
204
Zudem hätten die japanischen Klägerinnen, wie sich aus der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 174)
ergebe, keine echte Zusammenarbeit mit der Kommission erkennen lassen und im Verwaltungsverfahren die
Übereinkunft geleugnet, wodurch sich ihre Situation von der von Corus unterscheide. Ebenso wie Dalmine
hätten die japanischen Hersteller sowohl die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen, auf deren Grundlage die
Kommission im Dezember 1994 Nachprüfungen vorgenommen habe, in Frage gestellt als auch der
Verwendung der dabei sichergestellten Unterlagen durch die Kommission widersprochen. Mannesmann
habe, wie sich ebenfalls aus der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 174) ergebe, niemals deutlich
Stellung bezogen, ob sie den Sachverhalt bestreite, und sich geweigert, bestimmte Auskünfte zu erteilen,
die die Kommission durch Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 angefordert hatte.
Die Kommission habe daher den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, indem sie es abgelehnt habe, die
gegen Corus verhängte Geldbuße herabzusetzen, und das Unternehmen daher ebenso behandelt habe wie
Mannesmann und die vier japanischen Hersteller.
205
Die Kommission hält dem entgegen, sie verfüge bei der Festsetzung der Geldbußen über einen
Ermessenspielraum, wobei der Begriff der Gleichbehandlung im Bereich der Geldbußen im Licht dieser Regel
auszulegen sei (Urteil Martinelli/Kommission, zitiert oben in Randnr. 201, Randnr. 59). Jedenfalls gelte der
Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt würden
(Urteil vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache Hercules Chemicals/Kommission, zitiert oben in Randnr.
116, Randnr. 295).
206
Im vorliegenden Fall bestünden objektive Unterschiede zwischen der Situation von Corus und der der
anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung. Erstens habe Vallourec der Kommission eine
schriftliche Erklärung übergeben, die von großem Nutzen gewesen sei (Erklärung von Herrn Verluca vom 17.
September 1996, vgl. u. a. Randnrn. 53 und 170 der angefochtenen Entscheidung), und habe den
Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt habe, nicht bestritten.
Zweitens habe Dalmine die Tatsache nicht bestritten, auf die die Kommission ihre Entscheidung gestützt
habe (Randnr. 172 der angefochtenen Entscheidung), und habe dies ohne jeden Vorbehalt getan, während
Corus die Übereinkunft selbst in Frage gestellt habe. Aber selbst wenn die Kommission mit der Herabsetzung
der gegen Vallourec und Dalmine verhängten Geldbußen einen Fehler begangen hätte, wäre dies im
Rahmen des Antrags von Corus auf Herabsetzung der Geldbuße unerheblich. Schließlich spiele es keine
Rolle, dass im Fall von Corus die Geldbuße aus anderen Gründen als im Fall von Mannesmann und den
japanischen Herstellern nicht herabgesetzt worden sei, da die Klägerin unabhängig davon, wie die Situation
dieser anderen Unternehmen gewesen sei, die Voraussetzungen nicht erfüllt habe, die hierfür in der
Mitteilung über die Zusammenarbeit festgelegt seien.
Würdigung durch das Gericht
207
Nach ständiger Rechtsprechung darf die Kommission bei der Beurteilung der Kooperation der Unternehmen
den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht außer Acht lassen, der ein allgemeiner Grundsatz des
Gemeinschaftsrechts ist und der nach ständiger Rechtsprechung verletzt ist, wenn vergleichbare
Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, eine
solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den
Rechtssachen T-45/98 und T-47/98, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001,
II-3757, Randnr. 237, und die zitierte Rechtsprechung).
208
Ebenfalls ist daran zu erinnern, dass eine Herabsetzung der Geldbuße nur gerechtfertigt ist, wenn das
Verhalten eines Unternehmens der Kommission ihre Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festzustellen und zu verfolgen (Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, zitiert
oben in Randnr. 190, Randnr. 309, und zitierte Rechtsprechung, sowie Randnr. 332 und vorstehend
Randnr. 193).
209
Im vorliegenden Fall bestanden erhebliche objektive Unterschiede hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums
zwischen dem Fall von Corus und dem von Vallourec und Dalmine.
210
Erstens hat Vallourec nicht nur den Sachverhalt, auf den die Kommission die Mitteilung der
Beschwerdepunkte gestützt hat, nicht bestritten, sondern im Gegensatz zu Corus auch schriftliche
Erklärungen vorgelegt, die für die Kommission von großem Nutzen waren, insbesondere die von Herrn
Verluca vom 17. September und 14. Oktober 1996 (vgl. insbesondere Randnrn. 60, 62, 72 und 108 der
angefochtenen Entscheidung).
211
Kein Vertreter von Corus hat jemals eine Erklärung von vergleichbarem Beweiswert oder vergleichbarer
Bedeutung wie die von Herrn Verluca abgegeben. Die Antwort von Corus vom 31. Oktober 1997, die in
Randnummer 66 der angefochtenen Entscheidung genannt ist, ist nämlich nur von begrenzter Bedeutung
und begrenztem Beweiswert, zumal nicht klar ist, ob Corus sie bezüglich des Verfahrens für die nahtlosen
Rohre nicht durch das Schreiben vom 30. März 1999 an die Kommission zurücknehmen wollte (vgl. dazu Urteil
JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 129, Randnrn. 305 bis 308).
212
Zu dem Argument von Corus, die Erklärungen von Herrn Verluca seien die Antwort auf Fragen gewesen, die
die Kommission nur Vallourec gestellt habe, genügt die Feststellung, dass die Kommission nicht verpflichtet
ist, im Ermittlungsverfahren allen Unternehmen, die sie im Verdacht hat, an Zuwiderhandlungen beteiligt zu
sein, die gleichen Fragen vorzulegen. Eine solche Verpflichtung könnte die Handlungsfreiheit der Kommission
bei ihren Ermittlungen im Wettbewerbsbereich und damit die Wirksamkeit der Ermittlungen beeinträchtigen.
213
Soweit Unternehmen der Kommission im gleichen Abschnitt des Verwaltungsverfahrens unter vergleichbaren
Umständen ähnliche Informationen über den ihnen zur Last gelegten Sachverhalt zukommen lassen, haben
sie in vergleichbarem Umfang mit der Kommission zusammengearbeitet (Urteil Krupp Thyssen Stainless und
Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 207, Randnrn. 243 bis 246).
214
Für den vorliegenden Fall trifft dies jedoch offenkundig nicht zu (vgl. oben Randnr. 211). Daher ist diese
Rechtsprechung nicht übertragbar.
215
Was Dalmine betrifft, so ist sowohl in der vorliegenden Rechtssache als auch in der Rechtssache T-50/00,
Dalmine/Kommission, die mit der Erstgenannten für die Zwecke der mündlichen Verhandlung verbunden
worden ist, unbestritten, dass dieses Unternehmen den Sachverhalt, auf den die Kommission die
angefochtene Entscheidung gestützt hat, nicht bestritten hat, wie in Randnummer 172 der Entscheidung
festgestellt worden ist. Auch wenn Corus in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt
hat, dass sie die Tatsachen nicht bestreite, die die Kommission zu der Zuwiderhandlung gemäß Artikel 1 der
angefochtenen Entscheidung vorgetragen hat, so reicht diese Erklärung, wie oben in den Randnummern
192 bis 199 ausgeführt worden ist, wegen ihrer Unklarheit und Mehrdeutigkeit jedoch nicht aus, um eine
Herabsetzung der gegen Corus verhängten Geldbuße zu rechtfertigen.
216
Somit genügt die Feststellung, dass Dalmine ähnliche Unklarheiten bei der Anerkennung des Sachverhalts
nicht vorgeworfen werden können, um eine Ungleichbehandlung durch die Kommission zu verneinen. Die
anderen Umstände, die Corus angeführt hat, um zu belegen, dass Dalmine weniger kooperativ gewesen sei
als sie selbst, beziehen sich auf die Weigerung von Dalmine vor der Versendung der Mitteilung der
Beschwerdepunkte, auf Auskunftsverlangen zu antworten; für diesen Ermittlungsabschnitt hat die
Kommission aber auch keine Kooperation von Dalmine behauptet.
217
Somit konnte die Kommission zu Recht davon ausgehen, dass diese Umstände für die Anerkennung des
Sachverhalts durch Dalmine in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und damit für die
Herabsetzung der Geldbuße um 20 %, die die Kommission dem Unternehmen deshalb gemäß der Mitteilung
über die Zusammenarbeit gewährt hatte, keine Rolle spielten.
218
Schließlich ist es, wie die Kommission ausgeführt hat, ohne Bedeutung, dass Corus aus anderen Gründen
als Mannesmann und den japanischen Herstellern keine Herabsetzung der Geldbuße gewährt worden ist, da
vorstehend festgestellt worden ist, dass die Klägerin, unabhängig davon wie die Situation dieser anderen
Unternehmen gewesen ist, nicht die Voraussetzungen erfüllt hat, die in der Mitteilung über die
Zusammenarbeit hierfür festgelegt sind.
Zur Berechnung der Geldbuße
219
Nach dem oben Gesagten ist die gegen Corus festgesetzte Geldbuße herabzusetzen, um dem Umstand
Rechnung zu tragen, dass bei der festgestellten Zuwiderhandlung von einer Dauer von drei Jahren statt von
vier Jahren auszugehen ist.
220
Da die Methode zur Berechnung der Geldbußen, die in den Leitlinien festgelegt ist und von der Kommission
im vorliegenden Fall angewandt wurde, als solche nicht beanstandet worden ist, ist diese Methode auch vom
Gericht im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung im Hinblick auf die in der vorstehenden
Randnummer getroffene Feststellung anzuwenden.
221
Demnach ist der Grundbetrag der Geldbuße in Höhe von 10 Millionen Euro für jedes Jahr der
Zuwiderhandlung um 10 %, also insgesamt um 30 % zu erhöhen, womit sich ein Betrag von 13 Millionen Euro
ergibt. Dieser Betrag ist sodann gemäß den Randnummern 168 und 169 der angefochtenen Entscheidung
wegen mildernder Umstände um 10 % zu verringern, woraus für Corus ein Endbetrag von 11,7 Millionen Euro
statt 12,6 Millionen Euro folgt.
Zum Antrag, der Kommission aufzugeben, die Geldbuße oder hilfsweise den Betrag, um den die
Geldbuße herabgesetzt worden ist, zuzüglich der Zinsen, zurückzuzahlen
222
Wie in zahlreichen Fällen entschieden, ist das beklagte Organ nach einem Nichtigkeitsurteil, das ex tunc gilt
und damit der für nichtig erklärten Handlung rückwirkend ihren rechtlichen Bestand nimmt (Urteil des
Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, Asteris
u. a./Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnr. 30; Schlussanträge des Generalanwalts Léger zum Urteil des
Gerichtshofes vom 6. Juni 1996 in der Rechtssache C-127/94, Ecroyd, Slg. 1996, I-2731, I-2735, Randnr. 74;
Urteil des Gerichts vom 10. Oktober 2001 in der Rechtssache T-171/99, Corus UK/Kommission, Slg. 2001, II-
2967, Randnr. 50), verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Wirkungen der
festgestellten Rechtsverstöße zu ergreifen, wozu es im Fall eines bereits vollzogenen Rechtsakts geboten
sein kann, den Kläger wieder in den Stand zu versetzen, in dem er sich vor diesem Rechtsakt befand (Urteile
des Gerichtshofes vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Randnr.
60, vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, Randnr. 32, und
vom 17. Februar 1987 in der Rechtssache 21/86, Samara/Kommission, Slg. 1987, 795, Randnr. 7; Urteile des
Gerichts vom 14. September 1995 in den Rechtssachen T-480/93 und T-483/93, Antillean Rice Mills
u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2305, Randnrn. 59 und 60, und Corus UK/Kommission, Randnr. 50).
223
Zu den Maßnahmen gemäß Artikel 233 EG gehört somit im Fall eines Urteils, mit dem eine gegen ein
Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages verhängte Geldbuße für
nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, in erster Linie die Verpflichtung der Kommission, dem betroffenen
Unternehmen die gezahlte Geldbuße ganz oder teilweise, nämlich insoweit zurückzuerstatten, wie diese
Zahlung wegen der Nichtigkeitsentscheidung als rechtsgrundlos anzusehen ist. Diese Verpflichtung umfasst
nicht nur den Hauptbetrag der als rechtsgrundlos geleisteten Geldbuße, sondern auch die Verzugszinsen
auf diesen Betrag (Urteil Corus UK/Kommission, zitiert oben in Randnr. 222, Randnrn. 52 und 53).
224
Im vorliegenden Fall besteht kein Grund für die Annahme, dass die Kommission ihren Verpflichtungen aus
dem vorliegenden Urteil in Verbindung mit Artikel 233 EG nicht nachkommen wird.
225
Infolgedessen braucht über diesen Antrag im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden.
226
Ebenso ist festzustellen, dass aus dem gleichen Grund nicht über den Antrag von Corus zu entscheiden ist,
alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Urteils zu erlassen.
Kosten
227
Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede
Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da jede der Parteien im
vorliegenden Fall teils obsiegt hat und teils unterlegen ist, sind der Klägerin und der Kommission jeweils ihre
eigenen Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in
einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/E‑1/35.860‑B – Nahtlose Stahlrohre)
wird für nichtig erklärt, soweit dort festgestellt wird, dass die der Klägerin in diesem
Artikel zur Last gelegte Zuwiderhandlung vor dem 1. Januar 1991 vorlag.
2.
Die gegen die Klägerin in Artikel 4 der Entscheidung 2003/382 verhängte Geldbuße wird auf
11 700 000 Euro festgesetzt.
3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Forwood
Pirrung
Meij
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2004.
H. Jung
J. Pirrung
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt und Verfahren
Das Verwaltungsverfahren
Die betroffenen Produkte
Die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen
Der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellte wesentliche Sachverhalt
Der Tenor der angefochtenen Entscheidung
Verfahren vor dem Gericht
Anträge der Parteien
Zu dem Antrag auf Nichtigerklärung des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung
Zu dem Klagegrund, dass die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte
Zuwiderhandlung nicht vorgelegen habe
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte aufgrund der Abweichungen zwischen der
Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung bei der Würdigung der Beweise für
die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum Antrag auf Nichtigerklärung des Artikels 1 der angefochtenen Entscheidung
Zum Klagegrund der Folgen des Nichtvorliegens der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung
angeführten Zuwiderhandlung für die Feststellung der in Artikel 1 angeführten Zuwiderhandlung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum Klagegrund einer fehlerhaften Beurteilung der Dauer der in Artikel 1 der angefochtenen
Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Geldbuße
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße
Zu dem Klagegrund einer fehlerhaften Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum Klagegrund einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zur Berechnung der Geldbuße
Zum Antrag, der Kommission aufzugeben, die Geldbuße oder hilfsweise den Betrag, um den die Geldbuße
herabgesetzt worden ist, zuzüglich der Zinsen, zurückzuzahlen
Kosten
–
Verfahrenssprache: Englisch.