Urteil des EuG vom 05.12.2002

EuG: muster und modelle, harmonisierungsamt für den binnenmarkt, unterscheidungskraft, wortzeichen, identifikation, verordnung, gericht erster instanz, lebewesen, bestandteil, wortmarke

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
5. Dezember 200
„Gemeinschaftsmarke - Bildmarke, die das Wortzeichen BioID enthält - Absolute Eintragungshindernisse -
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94“
In der Rechtssache T-91/01
BioID AG
Rechtsanwalt A. Nordemann,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)
S. Bonne und G. Schneider als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts
für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 20. Februar 2001 (Sache R 538/1999-2) über die
Anmeldung einer Bildmarke, die das Wortzeichen BioID enthält,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,
Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2002,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1.
Am 8. Juli 1998 reichte die Klägerin unter ihrer früheren Firma D.C.S. Dialog Communication Systems
AG beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: Amt)
gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die
Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung die Anmeldung einer
Gemeinschaftsmarke ein. Die Anmeldung ging beim Amt am 10. Juli 1998 ein.
2.
Die Eintragung wurde für das folgende Zeichen beantragt:
3.
Die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung der Marke beantragt wurde, gehören zu den
Klassen 9, 38 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in ihrer revidierten und geänderten
Fassung. Sie entsprechen nach der Anmeldung folgender Umschreibung:
- „Computersoftware, Computerhardware und deren Teile, optische, akustische sowie elektronische
Geräte und deren Teile, sämtliche vorstehenden Waren insbesondere zur und im Zusammenhang mit
der Kontrolle von Zugangsberechtigungen, für die Kommunikation von Computern untereinander
sowie zur computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder
mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen“ in Klasse 9;
- „Telekommunikationsdienstleistungen; Sicherheitsdienstleistungen im Zusammenhang mit der
Kommunikation von Computern, dem Zugang zu Datenbanken, dem elektronischen Zahlungsverkehr,
der Überprüfung von Zugangsberechtigungen sowie der computergestützten Identifikation bzw.
Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder mehreren spezifischen biometrischen
Merkmalen“ in Klasse 38;
- „Zurverfügungstellung von Software über das Internet und andere Kommunikationsnetze, Online-
Wartung von Computerprogrammen, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, sämtliche
vorstehende Dienstleistungen insbesondere zur und im Zusammenhang mit der Kontrolle von
Zugangsberechtigungen, mit der Kommunikation von Computern untereinander sowie mit der
computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder
mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen; technische Entwicklung von Systemen zur Kontrolle
von Zugangsberechtigungen, für die Kommunikation von Computern untereinander sowie von
Systemen zur computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem
oder mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen“ in Klasse 42.
4.
Mit Entscheidung vom 25. Juni 1999 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Artikel 38 der
Verordnung Nr. 40/94 mit der Begründung zurück, dass die angemeldete Marke im Sinne von Artikel 7
Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 für die beanspruchten Waren beschreibend
sei und jeder Unterscheidungskraft entbehre.
5.
Am 20. August 1999 legte die Klägerin gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 beim Amt gegen
die Entscheidung des Prüfers Beschwerde ein.
6.
Mit Entscheidung vom 20. Februar 2001, die der Klägerin am 23. Februar 2001 zugestellt wurde,
wies die Zweite Beschwerdekammer die Beschwerde zurück (im Folgenden: angefochtene
Entscheidung). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass das Wortzeichen BioID in seiner
Gesamtheit eine Abkürzung der Wörter „biometric identification“ („biometrische Identifikation“) sei.
Daher sei die angemeldete Marke, da sie die Merkmale der durch sie erfassten Waren und
Dienstleistungen beschreibe, nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 von der
Eintragung ausgeschlossen. Was die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke angehe, so seien
die grafischen Elemente zu vernachlässigen und könnten der Marke daher keine
Unterscheidungskraft verleihen.
7.
Die Umfirmierung der Klägerin, die seither „BioID AG“ heißt, wurde am 13. März 2001 beim
Amtsgericht Charlottenburg in das Handelsregister eingetragen.
Verfahren und Anträge der Parteien
8.
Mit Klageschrift, die am 25. April 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin
die vorliegende Klage erhoben. Am 6. August 2001 hat das Amt eine Klagebeantwortung eingereicht.
9.
Die Klägerin beantragt,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
- das Amt anzuweisen, die angemeldete Marke zur Veröffentlichung zuzulassen;
- dem Amt die Kosten aufzuerlegen.
10.
Das Amt beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
11.
Nachdem die Klägerin dem Gericht in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hatte, dass über ihr
Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, ersuchte sie der Präsident um Klarstellung bis
zum 15. September 2002, ob sie das Verfahren fortführen wolle. Mit Schreiben vom 13. September
2002 erklärte der Insolvenzverwalter, dass er das von der Klägerin eingeleitete Verfahren fortführe.
Die mündliche Verhandlung wurde sodann vom Präsidenten für geschlossen erklärt.
12.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren zweiten Antrag, dem Amt die Veröffentlichung
der angemeldeten Marke aufzugeben, zurückgenommen; dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt
worden. Sie hat außerdem verschiedene Schriftstücke vorgelegt. Das Amt hat nichts dagegen
eingewandt, dass sie zu den Akten genommen werden.
Entscheidungsgründe
13.
Die Klägerin macht die beiden Klagegründe eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c
und eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 geltend.
Vorbringen der Parteien
14.
Die Klägerin verweist generell darauf, dass bereits ein geringer Grad von Unterscheidungskraft
genüge, um das absolute Eintragungshindernis des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung
40/94 zu überwinden. Sie bezieht sich insoweit auf die Randnummern 39 und 40 des Urteils des
Gerichts vom 5. April 2001 in der Rechtssache T-87/00 (Bank für Arbeit und Wirtschaft/HABM
[EASYBANK], Slg. 2001, II-1259).
15.
Das Wortzeichen BioID beschreibe die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar,
sondern sei allenfalls von suggestiver Art. Außerdem sei es ein Phantasiewort, das weder lexikalisch
nachweisbar sei noch überhaupt, außer von ihr selbst als Marke, tatsächlich benutzt werde.
16.
Selbst wenn der Bestandteil „ID“ im Sinne von „Identifikation“ zu verstehen sei, gebe das
Wortzeichen BioID nicht an, wie diese Identifikation erfolge. Dies gelte unabhängig davon, welchen
Sinngehalt man dem Bestandteil „Bio“ beilege (etwa eine Beziehung mit dem Leben im Allgemeinen,
mit dem organischen Leben oder mit der Natur). Dabei sei hervorzuheben, dass die betroffenen
Waren und Dienstleistungen, die zum Bereich der Informatik gehörten, keinerlei Bezug zu der Biologie,
der Natur oder dem organischen Leben hätten.
17.
Nach ihrer grafischen Gestaltung sei die angemeldete Marke so eigentümlich, dass die
angesprochenen Verkehrskreise sie als unterscheidungskräftiges Zeichen wahrnähmen.
18.
Ferner sei das Wortzeichen BioID in Deutschland als Wortmarke eingetragen für die Waren und
Dienstleistungen „auf Datenträger aller Art aufgespielte Computersoftware, Druckereierzeugnisse,
Telekommunikation, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“. Das Deutsche Patent- und
Markenamt handhabe das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft relativ streng.
19.
Schließlich habe auch das Amt in verschiedenen Entscheidungen die Eintragungsfähigkeit anderer
Wortmarken mit der Vorsilbe „Bio“ anerkannt, so im Fall der Marken BIOWIRE, BIOTAG, BIOWATT,
BIOSELECT, BIOPLOT, BIOSPRINT, BIOTECT, BIOSLIM, BIOPRIME und BIOSTAR. Diese Entscheidungen
beträfen Marken, die der hier fraglichen durchaus vergleichbar seien und sprächen daher indiziell für
deren Schutzfähigkeit.
20.
Das Amt vertritt die Auffassung, dass keines der Elemente, aus denen das Wortzeichen BioID
zusammengesetzt sei, im Hinblick auf die durch die Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen
Unterscheidungskraft habe und dass die Art ihrer Kombination an dieser Beurteilung nichts ändere.
Da es sich bei dem maßgeblichen Publikum um spezialisierte Verkehrskreise handele, die
englischsprachig seien oder zumindest über Englischkenntnisse verfügten, werde es das Wortzeichen
im Sinne von „biometric identification“ („biometrische Identifikation“) und damit als Angabe der Art
oder der Bestimmung dieser Waren und Dienstleistungen auffassen, auf die sich die Anmeldung
beziehe. Der Ausdruck „biometric identification“ werde zudem von den Wettbewerbern der Klägerin
tatsächlich als Gattungsbegriff verwendet.
21.
Was die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke anbelange, so bediene sie sich der
allgemein weit verbreiteten Standardschrift „Arial“. Auch die Tatsache, dass die Strichstärke in den
beiden Silben unterschiedlich sei, könne nichts an der Gesamtwahrnehmung des Zeichens durch den
Verbraucher ändern. Die Verwendung von Großbuchstaben in der zweiten Silbe verstärke noch die
beschreibende Bedeutung des Zeichens, weil der Bestandteil „ID“ - allgemein gebräuchlich als
Abkürzung für „Identifizierung“ - unmittelbar als Abkürzung erkannt werde. Die grafische Gestaltung
der angemeldeten Marke ändere daher nichts an deren ausschließlich beschreibendem Charakter
und verleihe ihr als solche keinerlei Unterscheidungskraft.
Würdigung durch das Gericht
22.
Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sind „Marken, die keine
Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen. Nach Artikel 7 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 40/94 finden die Vorschriften des Absatzes 1 „auch dann Anwendung, wenn die
Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliegen“.
23.
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 erfasst nach der Rechtsprechung
insbesondere Marken, die aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise im geschäftlichen Verkehr für
die Präsentation der fraglichen Waren oder Dienstleistungen gewöhnlich verwendet werden oder für
die zumindest aufgrund konkreter Hinweise anzunehmen ist, dass sie in dieser Weise verwendet
werden können. Solche Marken ermöglichen es den maßgeblichen Verkehrskreisen im Übrigen nicht,
bei einem späteren Erwerb, wenn ihre Erfahrung beim ersten Erwerb positiv war, die gleiche Wahl
oder, wenn sie negativ war, eine andere Wahl zu treffen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27.
Februar 2002 in der Rechtssache T-79/00, Rewe Zentral AG/HABM [LITE], Slg. 2002, II-705, Randnr.
26).
24.
Demzufolge lässt sich die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen nur für die Waren und
Dienstleistungen, für die die Eintragung begehrt wird, und zum anderen nur danach beurteilen, wie
die maßgeblichen Verkehrskreise sie auffassen.
25.
Bei den maßgeblichen Verkehrskreisen handelt es sich nach Auffassung des Amtes hier um
„spezialisierte Verbraucher, die über die Waren, die auf dem Markt angeboten werden, gut informiert
sind“. Dem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten, dass auch generell die
Nutzer von Computern und des Internets zu den maßgeblichen Verkehrskreisen gehörten. Im Licht
dieser Stellungnahmen und angesichts des Spektrums der fraglichen Waren und Dienstleistungen ist
das Gericht der Auffassung, dass die maßgeblichen Verkehrskreise jedenfalls aus Personen
bestehen, die über den Bereich dieser Waren und Dienstleistungen gut unterrichtet sind.
26.
Die angemeldete Marke enthält nicht nur einen Wortbestandteil, das Wortzeichen BioID, sondern
mit dessen typografischen Merkmalen auch Bildelemente, die als solche keinen Sinngehalt haben.
Außerdem umfasst sie zwei dem Wortzeichen BioID nachfolgende grafische Elemente, nämlich einen
Punkt („[]“) und ein Zeichen („®“).
27.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der
Verordnung Nr. 40/94 nicht zwischen verschiedenen Arten von Marken unterscheidet. Die
Unterscheidungskraft von Marken, die aus Bildelementen oder aus einer Kombination von Wort- und
Bildelementen bestehen, ist nicht nach anderen Kriterien zu beurteilen als die von Marken anderer
Art. Da hier eine aus mehreren Elementen zusammengesetzte Marke (im Folgenden: komplexe Marke)
in Frage steht, ist diese zudem, um ihre Unterscheidungskraft zu beurteilen, in ihrer Gesamtheit zu
betrachten. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass die verschiedenen Elemente, aus denen die
Marke zusammengesetzt ist, nacheinander geprüft werden.
28.
Das Wortzeichen BioID ist aus zwei Bestandteilen gebildet („Bio“ und „ID“). Im Englischen ist das
Element „ID“, wie die Beschwerdekammer in Randnummer 16 der angefochtenen Entscheidung
dargelegt hat, eine übliche Abkürzung für das Substantiv („identification“ [Identifizierung]). Die
Vorsilbe „Bio“ kann als Abkürzung entweder für ein Adjektiv („biological“ [biologisch], („biometrical“
[biometrisch]) oder für ein Substantiv („biology“ [Biologie]) stehen. Damit weicht das Wortzeichen
BioID, das aus zum Wortschatz der Bezugssprache gehörenden Abkürzungen besteht, nicht von den
lexikalischen Regeln dieser Sprache ab und hat keine ungewöhnliche Struktur.
29.
Angesichts der durch die Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen ist überdies
anzunehmen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise das Wortzeichen BioID im Sinne von „biometrical
identification“ (biometrische Identifikation) verstehen. Die Behauptung der Klägerin, dass sich der
Bestandteil „Bio“ in seinen verschiedenen Bedeutungen auf den Begriff des Lebens, nicht aber auf die
fraglichen Waren und Dienstleistungen beziehe, ist deshalb nicht stichhaltig.
30.
Was zunächst die Waren der Kategorien „Computersoftware, Computerhardware und deren Teile,
optische, akustische sowie elektronische Geräte und deren Teile, sämtliche vorstehenden Waren
insbesondere zur und im Zusammenhang mit der Kontrolle von Zugangsberechtigungen, für die
Kommunikation von Computern untereinander sowie zur computergestützten Identifikation bzw.
Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder mehreren spezifischen biometrischen
Merkmalen“ (Klasse 9) angeht, so umfasst die biometrische Identifikation von Lebewesen den Einsatz
dieser Waren und erfordert ihn sogar. Genauer gesagt handelt es sich bei der biometrischen
Identifikation um eine technische Funktion - wenn auch nur eine von mehreren - und nicht nur um
einen Einsatzbereich dieser Waren. Im Übrigen wird deren Nutzung im Kontext von Methoden, die auf
der biometrischen Identifikation beruhen, in der Anmeldung ausdrücklich, wenn auch nur erläuternd,
genannt. Damit ist aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise anzunehmen, dass das
Wortzeichen BioID für die Präsentation dieser Waren im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet
werden kann.
31.
Was weiterhin die Dienstleistungen der Kategorien „Sicherheitsdienstleistungen im Zusammenhang
mit der Kommunikation von Computern, dem Zugang zu Datenbanken, dem elektronischen
Zahlungsverkehr, der Überprüfung von Zugangsberechtigungen sowie der computergestützten
Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder mehreren spezifischen
biometrischen Merkmalen“ (Klasse 38) und „technische Entwicklung von Systemen zur Kontrolle von
Zugangsberechtigungen, für die Kommunikation von Computern untereinander sowie von Systemen
zur computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder
mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen“ (Klasse 42) betrifft, so bezieht sich das Wortzeichen
BioID, da diese Dienstleistungen durch eine biometrische Identifikation erbracht werden oder die
Entwicklung von Systemen für solche Identifikationen bezwecken, unmittelbar auf eine Eigenschaft der
Dienstleistungen, die für die maßgeblichen Verkehrskreise bei der Auswahl unter ihnen von
Bedeutung sein kann. Damit ist aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise anzunehmen, dass
das Wortzeichen BioID auch für die Präsentation dieser Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr
gewöhnlich verwendet werden kann.
32.
Die Dienstleistungen der Kategorien „Telekommunikationsdienstleistungen“ (Klasse 38) und
„Zurverfügungstellung von Software über Internet und andere Kommunikationsnetze, Online-Wartung
von Computerprogrammen, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, sämtliche
vorstehenden Dienstleistungen insbesondere zur und im Zusammenhang mit der Kontrolle von
Zugangsberechtigungen, mit der Kommunikation von Computern untereinander sowie mit der
computergestützten Identifikation und bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder
mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen“ (Klasse 42) schließlich stehen in einem engen
funktionellen Zusammenhang mit den oben in den Randnummern 30 und 31 genannten Waren und
Dienstleistungen. Für die zur Klasse 42 gehörenden Kategorien von Dienstleistungen wird überdies in
der Anmeldung ausdrücklich, wenn auch nur erläuternd, angegeben, dass sie im Kontext von
Methoden erbracht werden, die auf biometrischer Identifikation beruhen. Unter diesen Umständen ist
anzunehmen, dass das Wortzeichen BioID im geschäftlichen Verkehr auch für die Präsentation dieser
Dienstleistungen gewöhnlich verwendet werden kann.
33.
Selbst wenn im Übrigen das Wortzeichen BioID nicht für die Präsentation aller Waren und
Dienstleistungen, die unter die in der Anmeldung aufgeführten Kategorien fallen, im geschäftlichen
Verkehr gewöhnlich verwendet werden könnte, hat doch die Klägerin die Eintragung dieses
Wortzeichens für alle diese Kategorien beantragt, ohne zwischen den verschiedenen darunter
fallenden Waren und Dienstleistungen zu unterscheiden. Daher ist die Beurteilung der
Beschwerdekammer, die sich auf diese Kategorien von Waren und Dienstleistungen in ihrer
Gesamtheit bezieht, zu bestätigen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2001 in der
Rechtssache T-359/99, DKV/HABM [EuroHealth], Slg. 2001, II-1645, Randnr. 33).
34.
Da somit aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise anzunehmen ist, dass das Wortzeichen BioID
im geschäftlichen Verkehr für die Präsentation der Waren und Dienstleistungen, die unter die in der
Anmeldung aufgeführten Kategorien fallen, gewöhnlich verwendet werden kann, hat es für diese
Kategorien von Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft.
35.
Was zweitens das Bildzeichen angeht, das aus den typografischen Merkmalen des Wortzeichens
BioID (Schriftart „Arial“, unterschiedliche Strichstärke der Buchstaben bei den beiden Silben „Bio“ und
„ID“) gestaltet ist, so lässt sich der Randnummer 21 der angefochtenen Entscheidung implizit die
Auffassung der Beschwerdekammer entnehmen, dass eine komplexe Marke keine
Unterscheidungskraft hat, wenn der Wortbestandteil für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen
beschreibend ist und das Gewicht der Bildbestandteile im Verhältnis zu dem Wortbestandteil
vernachlässigt werden kann.
36.
Hierzu ist festzustellen, dass sich die fehlende Unterscheidungskraft einer komplexen Marke nicht
anhand des Gewichts bestimmter ihrer Bestandteile im Verhältnis zu bestimmten anderen
Bestandteilen der Marke feststellen lässt, deren fehlende Unterscheidungskraft feststeht. Eine
komplexe Marke kann nämlich nicht unter Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94
fallen, wenn nur einer ihrer Bestandteile im Hinblick auf die fraglichen Waren oder Dienstleistungen
unterscheidungskräftig ist. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn der einzige
unterscheidungskräftige Bestandteil der komplexen Marke gegenüber ihren übrigen Bestandteilen
nicht dominiert. Für die Anwendung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 darf
daher kein Bestandteil einer komplexen Marke außer Betracht gelassen werden. Die Dienststellen des
Amtes können folglich von der Prüfung bestimmter Bestandteile der komplexen Marke nicht mit der
Begründung absehen, dass ihr Gewicht im Verhältnis zu den übrigen Bestandteilen vernachlässigt
werden könne. Die Unterscheidungskraft einer komplexen Marke ist vielmehr anhand sämtlicher
Bestandteile zu beurteilen, aus denen die Marke besteht.
37.
Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die aus den typografischen Merkmalen des
Wortzeichens BioID bestehenden Bildbestandteile für die fraglichen Waren- und
Dienstleistungskategorien keine Unterscheidungskraft haben. Der Klagebeantwortung des Amtes und
seinen Antworten auf entsprechende Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ist zu
entnehmen, dass die Schriftart „Arial“ und Buchstaben unterschiedlicher Strichstärke für die
Präsentation von Waren und Dienstleistungen aller Art im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich
verwendet werden. Somit ist anzunehmen, dass diese Bildbestandteile auch in Bezug auf die von der
Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen in dieser Weise verwendet werden können. Das
Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die
angemeldete Marke wegen dieser Bestandteile als Herkunftshinweis auffassen würden, ist deshalb
nicht stichhaltig. Die aus den typografischen Merkmalen des Wortzeichens BioID bestehenden
Bildbestandteile haben daher für die fraglichen Waren und Dienstleistungen keine
Unterscheidungskraft.
38.
Zu dem Punkt („[]“) hat die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass dieses
Element als das letzte von mehreren Elementen einer Wortmarke gewöhnlich verwendet werde, um
darauf hinzuweisen, dass eine Abkürzung vorliege.
39.
Hinsichtlich des Zeichens „®“ hat das Amt zutreffend in der mündlichen Verhandlung ausgeführt,
dass erstens seine Funktion sich in der Angabe erschöpft, dass es sich um eine für ein bestimmtes
Schutzgebiet eingetragene Marke handelt, und dass zweitens dann, wenn eine derartige Eintragung
in Wirklichkeit nicht besteht, die Verwendung dieses grafischen Elements die Gefahr einer Irreführung
des Verkehrs begründet. Im Übrigen wird dieses Element in Verbindung mit einem oder mehreren
anderen Zeichen im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich für die Präsentation von Waren und
Dienstleistungen aller Art verwendet.
40.
Daher ist anzunehmen, dass die oben in den Randnummern 38 und 39 genannten grafischen
Elemente für die Präsentation der von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen im
geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet werden können. Sie haben somit für diese Waren und
Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft.
41.
Da von jedem der Bestandteile, aus denen die angemeldete Marke zusammengesetzt ist,
anzunehmen ist, dass er für die Präsentation der Waren und Dienstleistungen, die unter die in der
Anmeldung aufgeführten Kategorien fallen, im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet werden
kann, hat keiner dieser Bestandteile hinsichtlich dieser Waren und Dienstleistungen
Unterscheidungskraft.
42.
Weiterhin erlaubt nach der Rechtsprechung die Tatsache, dass eine komplexe Marke nur aus
Bestandteilen zusammengesetzt ist, die in Bezug auf die betreffenden Waren und Dienstleistungen
keine Unterscheidungskraft haben, die Annahme, dass auch die Marke als Ganze für die Präsentation
dieser Waren oder Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet werden kann.
Dieser Schluss kann nur durch konkrete Anhaltspunkte - wie insbesondere die Art und Weise, in der
die verschiedenen Bestandteile miteinander kombiniert sind - entkräftet werden, die darauf hinweisen,
dass die komplexe Marke in ihrer Gesamtheit mehr darstellt als die Summe ihrer Bestandteile (in
diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer vom 31. Januar 2002 in der
Rechtssache C-363/99, Koninklijke KPN Nederland und PTT Nederland, noch nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht, Randnr. 65).
43.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sind solche Anhaltspunkte im vorliegenden Fall nicht
ersichtlich. Denn die Struktur der angemeldeten Marke, die im Wesentlichen durch die Kombination
eines beschreibenden Wortzeichens mit den oben in Randnummer 37 genannten typografischen
Merkmalen und den oben in den Randnummern 38 und 39 erwähnten grafischen Elementen
gekennzeichnet ist, ändert nichts daran, dass von der Marke als Ganzer anzunehmen ist, dass sie für
die Präsentation der Waren und Dienstleistungen, die unter die in der Anmeldung aufgeführten
Kategorien fallen, im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet werden kann.
44.
Die angemeldete Marke hat daher in Bezug auf die betreffenden Kategorien von Waren und
Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft.
45.
Die Klägerin hat sich in der Klageschrift auf die Eintragung der Wortmarke Bioid in Deutschland und
in der mündlichen Verhandlung auf die Eintragung einer mit der hier angemeldeten Marke identischen
Bildmarke in den Vereinigten Staaten von Amerika berufen. Nach der Rechtsprechung ist die
Gemeinschaftsregelung für Marken indessen ein autonomes System, das aus einer Gesamtheit von
Vorschriften besteht, mit dem ihm eigene Ziele verfolgt werden und dessen Anwendung von jedem
nationalen System unabhängig ist (Urteil des Gerichts vom 5. Dezember 2000 in der Rechtsache T-
32/00, Messe München/HABM [electronica], Slg. 2000, II-3829, Randnr. 47). Die Eintragungsfähigkeit
eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke ist somit allein auf der Grundlage der einschlägigen
gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Daher sind das Amt und gegebenenfalls der
Gemeinschaftsrichter nicht an Entscheidungen auf der Ebene eines Mitgliedstaats oder eines
Drittlands gebunden, mit denen die Eintragungsfähigkeit des gleichen Zeichens als nationale Marke
bejaht wird. Dies gilt selbst dann, wenn eine solche Entscheidung auf der Grundlage nationaler
Rechtsvorschriften ergangen ist, die gemäß der Richtlinie 89/104 harmonisiert wurden.
46.
Soweit sich die Klägerin nur auf das bloße Vorliegen der Eintragungen in Deutschland und in den
Vereinigten Staaten von Amerika beruft, ist ihr Vorbringen deshalb unschlüssig. Darüber hinaus hat
sie aber kein inhaltliches Argument vorgetragen, das sich diesen nationalen Entscheidungen
entnehmen ließe und ihren Klagegrund stützen könnte.
47.
Soweit sich die Klägerin weiterhin auf Entscheidungen der Beschwerdekammern beruft, in denen
andere Marken mit dem Bestandteil „Bio“ als eintragungsfähig beurteilt wurden, ist darauf
hinzuweisen, dass in einer früheren Entscheidung angeführte Gründe tatsächlicher oder rechtlicher
Art Argumente darstellen können, auf die eine Rüge gestützt werden kann, mit der ein Verstoß gegen
eine Vorschrift der Verordnung Nr. 40/94 geltend gemacht wird. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin
jedoch keine in diesen Entscheidungen enthaltenen Gründe angeführt, die gegen die vorstehende
Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke sprächen.
48.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin schließlich geltend gemacht, dass das Amt die
Wortmarke „Bioid“ für die Waren- und Dienstleistungskategorien „Druckereierzeugnisse“,
„Telekommunikation“ und „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ eingetragen habe.
Anders als die Klägerin offenbar meint, sind aber die hier fragliche Bildmarke und die Wortmarke
„Bioid“ nicht austauschbar und unterscheidet sich, worauf das Amt zu Recht verwiesen hat, die
Wortmarke „Bioid“ besonders wegen der Kleinschreibweise der Buchstaben „id“ dem Sinngehalt nach
von dem Wortzeichen „BioID“, wie es in der angemeldeten Marke enthalten ist.
49.
Der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ist
daher hinsichtlich aller angemeldeten Kategorien von Waren und Dienstleistungen zurückzuweisen.
50.
Der weitere Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr.
40/94 braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden. Nach gefestigter Rechtsprechung
kann ein Zeichen nämlich schon dann nicht als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden, wenn eines
der absoluten Eintragungshindernisse eingreift (Urteil des Gerichts vom 31. Januar 2001 in der
Rechtsache T-24/00, Sunrider/HABM [VITALITE], Slg. 2001, II-449, Randnr. 28).
51.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Kosten
52.
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag
des Amtes die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten.
Moura Ramos
Pirrung
Meij
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Dezember 2002.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
R. M. Moura Ramos
Verfahrenssprache: Deutsch.