Urteil des EuG vom 16.09.2004

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URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
16. September 2004
„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Reichweite der Prüfungspflicht – Umwandlung in nationale
Markenanmeldung – Artikel 58 der Verordnung (EG) Nr. 40/94“
In der Rechtssache T-342/02
Metro-Goldwyn-Mayer Lion Corp.
Rechtsanwälte F. de Visscher, E. Cornu, E. De Gryse und D. Moreau,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
S. Laitinen und D. Botis als Bevollmächtigte,
Beklagter,
andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:
Moser Grupo Media, SL
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des HABM vom 5. September
2002 (Sache R 437/2001-3), mit der die Beschwerde gegen eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung in
einem Widerspruchsverfahren zwischen der Moser Grupo Media, SL und der Metro-Goldwyn-Mayer Lion Corp.
für unzulässig erklärt wurde,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal, der Richterin V. Tiili und des Richters M. Vilaras,
Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,
aufgrund der Klageschrift, eingegangen bei der Kanzlei des Gerichts am 8. November 2002,
aufgrund der Klagebeantwortung, eingegangen bei der Kanzlei des Gerichts am 7. Mai 2003,
auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2004,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 7. November 1996 meldete die Moser Grupo Media, SL gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates
vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der geänderten Fassung
beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine
Gemeinschaftsmarke an.
2
Die Marke, die zur Eintragung angemeldet wurde, ist die folgende Bildmarke:
3
Die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung angemeldet wurde, gehören zu den Klassen 9, 16,
38, 39 und 41 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation
von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner revidierten und geänderten
Fassung und entsprechen folgender Beschreibung:
„Belichtete Filme; CDs (Ton, Bild); Film-, optische und photographische Apparate und –instrumente“ in
Klasse 9;
„Zeitschriften, Photographien, Plakate, Druckereierzeugnisse und Veröffentlichungen“ in Klasse 16;
„Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen“ in Klasse 38;
„Vertrieb von Publikationen, Videos und Filmen aller Art“ in Klasse 39;
„Filmproduktion, Videofilmproduktion; Verleih von Videofilmen und Kinofilmen; Zusammenstellung von
Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Dienstleistungen eines Filmsstudios“ in Klasse 41.
4
Diese Anmeldung wurde am 9. März 1998 im Nr. 16/1998 veröffentlicht.
5
Am 9. Juni 1998 erhob die Metro-Goldwyn-Mayer Lion Corp. (im Folgenden: Klägerin) nach Artikel 42 der
Verordnung Nr. 40/94 für alle Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezog, Widerspruch
gegen die angemeldete Eintragung. Der Widerspruch stützte sich auf die ältere nationale Marke MGM, die in
Dänemark (Klassen 9, 16 und 41), Finnland (Klassen 9 und 41), Frankreich (Klassen 9, 15, 16, 35, 38 und
41), Deutschland (Klasse 9), Italien (Klassen 9, 15, 16, 35, 38 und 41), Portugal (Klasse 9), Spanien (Klasse
9), Schweden (Klasse 9), den Benelux-Ländern (Klassen 9, 15, 16, 20 und 41), Griechenland (Klassen 9, 15
und 16), im Vereinigten Königreich (Klassen 9, 35 und 41) und in Österreich (Klassen 9, 16 und 41)
eingetragen ist, und auf die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 141820 vom 1. April 1996 für Waren und
Dienstleistungen in den Klassen 9, 38 und 41.
6
Mit Entscheidung vom 19. Februar 2001 (im Folgenden: Entscheidung der Widerspruchsabteilung) gab die
Widerspruchsabteilung dem Widerspruch für alle betroffenen Waren und Dienstleistungen statt. Bei der
Prüfung der Sache berücksichtigte die Widerspruchsabteilung bestimmte ältere nationale Marken, nämlich
die für Österreich, Griechenland und das Vereinigte Königreich beanspruchten Rechte, und die
Gemeinschaftsmarkenanmeldung nicht. Die betreffenden nationalen Marken wurden aus folgenden Gründen
nicht berücksichtigt: Erstens gehe aus dem Dokument, das die nationale Eintragung in Österreich belegen
sollte, hervor, dass nicht die Klägerin, sondern die Metro-Goldwyn-Mayer Film Corp. Inhaberin des fraglichen
Rechts sei. Zweitens sei die Übersetzung der nationalen Eintragung in Griechenland weder korrekt noch
ausreichend und sei daher nicht berücksichtigt worden. Drittens beruhe der Nachweis der Inhaberschaft
nationaler Eintragungen im Vereinigten Königreich lediglich auf Angaben aus einer privaten Datenbank und
reiche somit nicht aus.
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Die Entscheidung der Widerspruchsabteilung stützte sich auf Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8
Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 und führte aus, da dem Widerspruch aufgrund dieser
Bestimmung stattgegeben werde, erübrige sich eine Prüfung der Argumente, die sich auf andere
Widerspruchsgründe nach Artikel 8 Absätze 4 und 5 stützten.
8
Am 4. April 2001 legte die Klägerin nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 Beschwerde gegen die
Entscheidung der Widerspruchsabteilung beim HABM ein. Sie machte geltend, die Widerspruchsabteilung
hätte ihre älteren nationalen Rechte in Österreich, Griechenland und dem Vereinigten Königreich sowie die
Gemeinschaftsmarkenanmeldung berücksichtigen und die Gemeinschaftsmarkenanmeldung für die gesamte
Europäische Union zurückweisen müssen, um eine eventuelle Umwandlung der
Gemeinschaftsmarkenanmeldung in eine nationale Anmeldung nach Artikel 108 der Verordnung Nr. 40/94 zu
verhindern.
9
Mit Entscheidung vom 5. September 2002 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die dritte
Beschwerdekammer die Beschwerde als unzulässig zurück, weil die Klägerin von der Entscheidung der
Widerspruchsabteilung nicht im Sinne von Artikel 58 der Verordnung Nr. 40/94 beschwert sei. Die Klägerin
habe weder ausdrücklich noch implizit eine Entscheidung beantragt, die die Moser Grupo Media, SL daran
hindere, ihre Gemeinschaftsmarkenanmeldung in eine nationale Anmeldung umzuwandeln. Außerdem sei es
nach Artikel 42 der Verordnung Nr. 40/94 nicht Zweck des Widerspruchsverfahrens, die Kollision von Marken
auf nationaler Ebene zu regeln, sondern die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke zu verhindern, die im
Widerspruch zu älteren Rechten stehe. Eine Verpflichtung zur Prüfung des Widerspruchs über die Frage der
Eintragung der Gemeinschaftsmarke hinaus stünde im Widerspruch zur Hauptfunktion des
Widerspruchsverfahrens und zum Grundsatz der Verfahrensökonomie.
10
Am 7. Oktober 2002 wurde das Wortzeichen MGM zugunsten der Klägerin als Gemeinschaftsmarke
eingetragen.
Verfahren und Anträge der Parteien
11
Mit Klageschrift, die am 8. November 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die
vorliegende Klage erhoben.
12
Die Klägerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
die Entscheidung der Widerspruchsabteilung zu bestätigen, soweit darin dem Widerspruch für alle von
der Anmeldung der Moser Grupo Media, SL erfassten Waren und Dienstleistungen stattgegeben und
die Anmeldung wegen der älteren nationalen eingetragenen Marken MGM vollständig zurückgewiesen
wird;
die Entscheidung der Widerspruchsabteilung aufzuheben, soweit sie die
Gemeinschaftsmarkenanmeldung der Klägerin nicht berücksichtigt oder, hilfsweise, soweit sie die
älteren eingetragenen nationalen Marken in Österreich, Griechenland und dem Vereinigten Königreich
nicht berücksichtigt;
dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
13
Das HABM beantragt,
die Klage abzuweisen;
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
14
Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf den Klagegrund des Verstoßes gegen Artikel 42 Absatz 1
Buchstabe a, Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 58 der Verordnung Nr. 40/94.
15
Nach Auffassung der Klägerin hat die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen, dass die Entscheidung
der Widerspruchsabteilung sie nicht beschwere. Die Entscheidung der Widerspruchsabteilung habe ihrem
Begehren nicht vollständig entsprochen und ihr den Anspruch auf eingehende Prüfung ihres Falles
abgeschnitten. Da die Widerspruchsabteilung weder ihre in Österreich, Griechenland und dem Vereinigten
Königreich eingetragenen nationalen Marken noch ihre Gemeinschaftsmarkenanmeldung berücksichtigt
habe, die sich damals in Bearbeitung befunden habe, könne Moser Grupo Media, SL ihre
Gemeinschaftsmarkenanmeldung in den Mitgliedstaaten, für die sie von der Widerspruchsabteilung nicht
aufgrund der älteren Rechte der Klägerin zurückgewiesen worden sei, immer noch nach Artikel 108 der
Verordnung Nr. 40/94 in eine nationale Markenanmeldung umwandeln. Diese Möglichkeit wäre
ausgeschlossen, wenn die Widerspruchsabteilung pflichtgemäß entweder alle älteren nationalen Rechte der
Klägerin oder deren Gemeinschaftsmarkenanmeldung berücksichtigt hätte. Die Gründe, auf die sich die
Entscheidung der Widerspruchsabteilung stütze, beschränkten somit die Wirkungen der Zurückweisung der
Anmeldung der Moser Grupo Media, SL.
16
Gegenüber der Behauptung, sie habe nicht ausdrücklich eine möglichst weitgehende Zurückweisung
beantragt, macht die Klägerin geltend, dass ein solcher Antrag weder erforderlich noch durch die
Verordnung Nr. 40/94 geboten sei. Da sie ihren Widerspruch gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr.
40/94 auf mehrere ältere nationale Rechte und auf ihre Gemeinschaftsmarkenanmeldung gestützt habe, sei
ihr Antrag auf eine weitestmögliche Zurückweisung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung gerichtet
gewesen.
17
Die Widerspruchsabteilung hätte nach Regel 20 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission
vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) das
Widerspruchsverfahren bis zur endgültigen Eintragung der Gemeinschaftsmarke MGM aussetzen müssen, um
ihre Entscheidung anschließend auf die eingetragene Marke zu stützen.
18
Außerdem beruhe die Entscheidung der Widerspruchsabteilung, die in Österreich, Griechenland oder dem
Vereinigten Königreich eingetragenen älteren nationalen Rechte nicht zu berücksichtigen, nicht auf einem
legitimen Grund.
19
Der Nachweis der Eintragung der Marke MGM in Österreich sei zurückgewiesen worden, weil er unter dem
Namen Metro-Goldwyn-Mayer Film Corp. vorgelegt worden sei anstatt unter dem Namen der Klägerin. Es
handele sich jedoch um dieselbe juristische Person. Die Klägerin verweist insoweit auf das Verzeichnis ihrer
Tochter- und Schwestergesellschaften in Anlage 6 der Klageschrift.
20
Die Eintragung der griechischen Marke sei nicht berücksichtigt worden, weil die in der Übersetzung
genannte Nummer nicht mit der in der Eintragungsbescheinigung genannten übereinstimme. Es handele
sich um ein Missverständnis, da die Übersetzung, die den ersten Erklärungen zur Begründung des
Widerspruchs beigefügt gewesen sei, die fragliche Nummer nicht einmal erwähne.
21
Schließlich seien die im Vereinigten Königreich eingetragenen Marken nicht berücksichtigt worden, weil die
vorgelegten Dokumente Kopien aus privaten Datenbanken gewesen seien. Die am 20. Februar 2000 von den
Rechtsanwälten der Klägerin auf ergänzendes Auskunftsersuchen des HABM vorgelegten Dokumente
(Erneuerungsbescheinigungen) stammten jedoch aus der Datenbank des Patentamts des Vereinigten
Königreichs und seien vor örtlichen Markenämtern zugelassen.
22
Was das Argument angehe, wonach es nicht Zweck des Widerspruchsverfahrens sei, die Kollision von
Marken auf nationaler Ebene zu lösen, so habe die Beschwerdekammer nicht berücksichtigt, dass sich das
Umwandlungsverfahren aus der Verordnung Nr. 40/94 selbst ergebe, insbesondere aus deren Artikel 108.
23
Daher hätten die Beschwerdekammer und die Widerspruchsabteilung die Möglichkeit für die Moser Grupo
Media, SL berücksichtigen müssen, ihre Gemeinschaftsmarkenanmeldung in eine nationale
Markenanmeldung umzuwandeln, und deshalb ihre Zurückweisung der angemeldeten Marke auf alle geltend
gemachten älteren nationalen Marken und auf die Gemeinschaftsmarke der Klägerin stützen müssen.
24
Die Klägerin fügt hinzu, da die Marke MGM schließlich am 7. Oktober 2002 eingetragen worden sei, müsse
das Verfahren nicht mehr ausgesetzt werden und das Gericht könne die Eintragung berücksichtigen. Da die
Widerspruchsabteilung zu Recht entschieden habe, dass zwischen der Marke MGM der Klägerin und der
Bildmarke Moser Grupo Media, SL Verwechslungsgefahr bestehe, gelte dies auch für die nunmehr
eingetragene Gemeinschaftsmarke MGM.
25
Dem HABM zufolge hat die Klägerin weder ausdrücklich noch implizit eine Entscheidung beantragt, die den
Anmelder der Gemeinschaftsmarke daran hindere, seine Anmeldung in eine nationale Markenanmeldung
umzuwandeln.
26
Was die Frage betreffe, ob das HABM verpflichtet war, den Widerspruch in möglichst weitreichender Weise zu
prüfen, so sei es Hauptzweck des Widerspruchsverfahrens, den Inhabern älterer Rechte ein Mittel zur
Verfügung zu stellen, um die Eintragung von Gemeinschaftsmarken zu verhindern, die im Widerspruch zu
ihren älteren Rechten stünden, nicht aber, Markenrechte zu schützen oder Konflikte zwischen Marken auf
nationaler Ebene zu lösen.
27
Aus Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 folge lediglich, dass das HABM die
Zurückweisung des Widerspruchs nicht darauf stützen könne, dass eine Marke noch nicht eingetragen sei.
Keinesfalls verpflichte Regel 20 Absatz 6 der Verordnung Nr. 2868/95 das HABM zur Aussetzung des
Widerspruchsverfahrens.
28
Außerdem begründeten die Artikel 108 bis 110 der Verordnung Nr. 40/94, die Regeln für die Umwandlung
von Gemeinschaftsmarkenanmeldungen in nationale Markenanmeldungen aufstellten, kein rechtliches
Interesse der Widerspruchsführer an einer Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Umwandlung in
eine nationale Markenanmeldung im Widerspruchsverfahren. Das von der Klägerin behauptete rechtliche
Interesse hätte bereits zum Zeitpunkt des Widerspruchsverfahrens unmittelbar und aktuell sein müssen.
29
Die Widerspruchsabteilung sei in der Praxis bemüht, so viele ältere Rechte zu berücksichtigen wie möglich
oder, hilfsweise, Entscheidungen mit einem größtmöglichen geographischen Geltungsbereich zu erlassen,
sofern dies das Verfahren nicht verzögere.
30
Was schließlich den Umstand betreffe, dass die Widerspruchsabteilung die in Österreich, Griechenland und
dem Vereinigten Königreich eingetragenen nationalen Marken der Klägerin nicht berücksichtigt habe, so
werde die österreichische Marke nicht von der Klägerin, sondern von einer Gesellschaft desselben Konzerns
gehalten, bei der es sich um eine andere juristische Person handele. Was die griechische Marke angehe, so
sei die Registernummer in der Eintragungsbescheinigung nicht dieselbe wie die in deren Übersetzung
erscheinende. Die Nachweise, die belegen sollten, dass die Marken im Vereinigten Königreich der Klägerin
zustünden, seien einer privaten Datenbank entnommen. Es sei deshalb nicht gewährleistet, dass die
Angaben zuträfen und aktuell seien. Die Widerspruchsabteilung habe die fraglichen nationalen Marken somit
zu Recht nicht berücksichtigt.
31
Die Klägerin wirft dem HABM im Wesentlichen vor, dass die Moser Grupo Media, SL ihre
Gemeinschaftsmarkenanmeldung in den Mitgliedstaaten, für die sie von der Widerspruchsabteilung nicht
aufgrund älterer Marken der Klägerin zurückgewiesen worden sei, immer noch nach Artikel 108 der
Verordnung Nr. 40/94 in eine nationale Markenanmeldung umwandeln könne, da die Widerspruchsabteilung
weder ihre in Österreich, Griechenland und dem Vereinigten Königreich eingetragenen nationalen Marken
noch ihre Gemeinschaftsmarkenanmeldung berücksichtigt habe, die sich damals in Bearbeitung befunden
habe.
32
Gemäß Artikel 58 der Verordnung Nr. 40/94 steht „die Beschwerde … denjenigen zu, die an einem Verfahren
beteiligt waren, das zu einer Entscheidung geführt hat, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind“.
33
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Beschwerdekammer die Beschwerde mit der angefochtenen
Entscheidung für unzulässig erklärt hat, weil die Klägerin von der Entscheidung der Widerspruchsabteilung
nicht im Sinne von Artikel 58 der Verordnung Nr. 40/94 beschwert sei.
34
Das Widerspruchsverfahren hat den Zweck, die Eintragung von Gemeinschaftsmarken zu verhindern, die im
Widerspruch zu älteren Marken oder Rechten stehen. Nur diese Auslegung ist uneingeschränkt geeignet,
die Ziele der Verordnung Nr. 40/94 zu erreichen. Gemäß der zweiten Begründungserwägung der Verordnung
Nr. 40/94 ermöglicht das Markensystem der Gemeinschaft es den Unternehmen nämlich, in einem einzigen
Verfahren Gemeinschaftsmarken zu erwerben, die einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten
Gebiet der Gemeinschaft wirksam sind, wobei der hier aufgestellte Grundsatz der Einheitlichkeit der
Gemeinschaftsmarke gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.
35
Folglich ist festzustellen, dass es Zweck des Widerspruchsverfahrens ist, den Unternehmen die Möglichkeit
zu geben, nach einem einheitlichen Verfahren Gemeinschaftsmarkenanmeldungen zu widersprechen, die
eine Gefahr der Verwechslung mit ihren älteren Marken oder Rechten begründen könnten, nicht aber, im
Voraus mögliche Konflikte auf nationaler Ebene zu regeln.
36
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass dem Widerspruch der Klägerin für alle betroffenen Waren und
Dienstleistungen stattgegeben wurde und dass die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke Moser Grupo
Media, SL zurückgewiesen wurde. Die Entscheidung der Widerspruchsabteilung beschwerte die Klägerin also
nicht.
37
Des Weiteren ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, der Umstand, dass die Widerspruchsabteilung weder
ihre in Österreich, Griechenland oder dem Vereinigten Königreich eingetragenen älteren Marken noch ihre
Gemeinschaftsmarkenanmeldung geprüft hat, habe unabhängig vom Ausgang der Sache nachteilige
rechtliche Folgen für sie gehabt.
38
Hierzu ist daran zu erinnern, dass zwar Regel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 bestimmt, dass
„Widerspruch … aufgrund einer oder mehrerer älterer Marken im Sinne des Artikels 8 Absatz 2 der
Verordnung (‚ältere Marken‘) oder eines oder mehrerer sonstiger älterer Rechte im Sinne des Artikels 8
Absatz 4 der Verordnung (‚ältere Rechte‘) erhoben werden“ kann.
39
Außerdem ergibt sich aus der Verordnung Nr. 40/94 und insbesondere aus Artikel 108 Absatz 1 Buchstabe a
in der zur Zeit des der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts geltenden Fassung,
dass „[d]er Anmelder oder Inhaber einer Gemeinschaftsmarke … beantragen [kann], dass seine Anmeldung
oder seine Gemeinschaftsmarke in eine Anmeldung für eine nationale Marke umgewandelt wird, … soweit die
Anmeldung der Gemeinschaftsmarke zurückgewiesen wird oder zurückgenommen worden ist oder als
zurückgenommen gilt“.
40
Auch trifft es zu, dass die Gründe für die Zurückweisung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung bestimmen,
ob die Gemeinschaftsmarke auf nationaler Ebene eingetragen werden kann. Artikel 108 Absatz 2
Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sieht nämlich vor, dass die Umwandlung nicht stattfindet, wenn
Schutz in einem Mitgliedstaat begehrt wird, in dem gemäß der Entscheidung des HABM oder des
einzelstaatlichen Gerichts der Anmeldung oder der Gemeinschaftsmarke ein Eintragungshindernis oder ein
Verfalls- oder Nichtigkeitsgrund entgegensteht.
41
Es steht jedoch fest, dass das Verfahren der Umwandlung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung in eine
nationale Markenanmeldung nur eine Option für den Anmelder einer Gemeinschaftsmarke ist. Dieses
Verfahren gibt den Anmeldern keinen Anspruch auf positive Bescheidung ihrer Anmeldungen durch die
zuständigen nationalen Behörden. Die Entscheidung über eine eventuelle nationale Eintragung ist im
Gegenteil den zuständigen nationalen Behörden vorbehalten. Überdies haben die Widerspruchsführer die
Möglichkeit, ihre Rechte vor diesen nationalen Behörden geltend zu machen.
42
Im Übrigen hindert nichts einen Anmelder, dessen Gemeinschaftsmarkenanmeldung infolge eines
Widerspruchsverfahrens zurückgewiesen worden ist, bei den nationalen Behörden gleichartige Anmeldungen
einzureichen, ohne auf das Umwandlungsverfahren zurückzugreifen.
43
Folglich ist festzustellen, dass das Interesse, auf das die Klägerin sich beruft, eine zukünftige Rechtslage
betrifft, deren Eintritt ungewiss ist.
44
In dieser Hinsicht ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass die Nichtigkeitsklage einer natürlichen
oder juristischen Person nur insoweit zulässig ist, als der Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung der
angefochtenen Handlung hat (Urteile des Gerichts vom 14. September 1995 in den Rechtssachen T‑480/93
und T‑483/93, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1995, II‑2305, Randnr. 59, vom 25. März 1999 in der
Rechtssache T‑102/96, Gencor/Kommission, Slg. 1999, II‑753, Randnr. 40, und vom 30. Januar 2002 in der
Rechtssache T‑212/00, Nuove Industrie Molisane/Kommission, Slg. 2002, II‑347, Randnr. 33). Dieses
Interesse muss bestehen und gegenwärtig sein (Urteil des Gerichts vom 17. September 1992 in der
Rechtssache T‑138/89, NBV und NVB/Kommission, Slg. 1992, II‑2181, Randnr. 33), wofür auf den Tag der
Klageerhebung abzustellen ist (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1963 in der Rechtssache 14/63,
Forges de Clabecq/Hohe Behörde, Slg. 1963, 769, 799, und des Gerichts vom 24. April 2001 in der
Rechtssache T‑159/98, Torre u. a./Kommission, Slg. ÖD 2001, I‑A‑83 und II‑395, Randnr. 28). Der Kläger muss,
wenn das von ihm geltend gemachte Interesse eine zukünftige Rechtssituation betrifft, nachweisen, dass die
Beeinträchtigung dieser Rechtssituation bereits feststeht. Er kann daher zur Rechtfertigung seines
Interesses an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung keine zukünftigen und ungewissen
Situationen anführen (Urteil NBV und NVB/Kommission, Randnr. 33).
45
Die Entscheidung der Widerspruchsabteilung, dem Widerspruch der Klägerin für alle betroffenen Waren und
Dienstleistungen stattzugeben, beschwerte die Klägerin daher nicht, auch wenn dem Widerspruch nicht
aufgrund aller zu seiner Begründung angeführten Marken stattgegeben wurde.
46
Was die behauptete Notwendigkeit angeht, die Gemeinschaftsmarkenanmeldung der Klägerin zu
berücksichtigen, so macht das HABM zu Recht verfahrensökonomische Erwägungen geltend. Da dem
Widerspruch aufgrund mehrerer älterer nationaler Marken stattgegeben werden konnte, war es nicht
erforderlich, das Verfahren durch eine Aussetzung nach Regel 20 Absatz 6 der Verordnung Nr. 2868/95 zu
verlängern, um die Eintragung der Gemeinschaftsmarke abzuwarten. Regel 20 Absatz 6 der Verordnung Nr.
2868/95 sieht nämlich vor, dass „[d]as Amt … jedes Widerspruchsverfahren in den Fällen, in denen der
Widerspruch auf einer Anmeldung gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung beruht, bis zu einer
abschließenden Entscheidung in dem betreffenden Verfahren oder in Fällen aussetzen [kann], wo diese
Aussetzung aufgrund anderer Umstände zweckmäßig ist“. Somit besteht nur eine Befugnis des HABM zur
Aussetzung, von der dieses nur Gebrauch macht, wenn es dies für gerechtfertigt hält.
47
Folgte man dagegen der Auffassung der Klägerin, dass das HABM verpflichtet sei, jedes auf eine Anmeldung
im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 gestützte Widerspruchsverfahren bis
zu einer endgültigen Entscheidung über diese Anmeldung auszusetzen, so könnte es zu einer Kettenreaktion
kommen. Es wäre nämlich möglich, dass gegen die Anmeldung im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b
der Verordnung Nr. 40/94 ihrerseits Widerspruch erhoben würde, der sich auf eine andere Anmeldung
stützte und der nach Auffassung der Klägerin ebenfalls ausgesetzt werden müsste.
48
Was die Frage betrifft, ob die Klägerin ausdrücklich oder implizit eine Bescheidung des Widerspruchs mit
möglichst weit reichender Wirkung beantragt hat, d. h. eine Entscheidung, die alle älteren nationalen
Marken, auf die sie ihren Widerspruch stützte, sowie die Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfasst, so kann
der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt werden. Da die Widerspruchsabteilung aus den oben
ausgeführten Gründen jedenfalls nicht verpflichtet ist, sämtliche älteren Marken oder Rechte zu prüfen,
entbehrt die Frage nach der Auswirkung der Reichweite des Widerspruchsantrags auf eine solche
Verpflichtung jeder Relevanz.
49
Aus den gleichen Gründen ist es auch nicht mehr erforderlich, zu prüfen, ob die Anmeldung der Marke MGM
auf Gemeinschaftsebene und das Bestehen der Marken in Österreich, Griechenland und dem Vereinigten
Königreich taugliche Gründe für einen Widerspruch dargestellt hätten.
50
Folglich ist die Klage abzuweisen.
Kosten
51
Nach Artikel 87 Absatz 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem
Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Legal
Tiili
Vilaras
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. September 2004.
H. Jung
H. Legal
Verfahrenssprache: Englisch.