Urteil des EuG vom 20.03.2002

EuG: kommission, stille gesellschaft, markt, verordnung, wirtschaftliche einheit, kartell, anhörung, juristische person, zusammenarbeit, mildernde umstände

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
20. März 2002
„Wettbewerb - Kartell - Fernwärmerohre - Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) - Boykott - Geldbuße -
Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Einrede der Rechtswidrigkeit -
Rückwirkungsverbot - Verteidigungsrechte - Mitteilung über Zusammenarbeit“
In der Rechtssache T-9/99
HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG
(Deutschland),
HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH, Verwaltungsgesellschaft,
Sitz in Rosenheim,
Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH
Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH
Isoplus Fernwärmetechnik GmbH
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Krömer und F. Nusterer, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerinnen,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem
Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S.
1), hilfsweise wegen Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerinnen festgesetzten
Geldbuße,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten P. Mengozzi sowie der Richterin V. Tiili und des Richters R. M. Moura
Ramos,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2000,
folgendes
Urteil
Sachverhalt
1.
Die Klägerinnen sind Gesellschaften deutschen und österreichischen Rechts, die in der
Fernwärmebranche tätig sind; sie werden von der Kommission der „Gruppe Henss/Isoplus“
zugeordnet.
2.
Bei den Fernwärmesystemen wird das an einem zentralen Ort erwärmte Heizwasser durch im
Erdboden verlegte Rohrleitungen auf die zu heizenden Gebäude verteilt. Da die Temperatur des
Heizwassers (bzw. des Wasserdampfes) sehr hoch ist, müssen die Rohrleitungen zur effizienten und
sicheren Verteilung gedämmt sein. Die verwendeten vorgedämmten Rohre bestehen in der Regel aus
einem Stahlrohr, das von einem Kunststoffrohr umgeben ist, wobei der Zwischenraum zwischen beiden
mit einer Schaumstoffdämmung ausgefüllt ist.
3.
Fernwärmerohre sind Gegenstand eines umfangreichen Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Die
größten Inlandsmärkte der Europäischen Union sind Deutschland mit 40 % des Gesamtverbrauchs in
der Gemeinschaft und Dänemark mit 20 %. Mit 50 % der Fertigungskapazität in der Europäischen
Union ist Dänemark deren Haupterzeugerland, das alle Mitgliedstaaten beliefert, in denen
Fernwärmesysteme genutzt werden.
4.
Mit einer Beschwerde vom 18. Januar 1995 teilte das schwedische Unternehmen Powerpipe AB der
Kommission mit, dass die übrigen Hersteller und Anbieter von Fernwärmerohren ein Kartell gebildet
hätten, mit dem sie den europäischen Markt unter sich aufgeteilt hätten, und dass sie aufeinander
abgestimmte Maßnahmen ergriffen hätten, um das Geschäft der Beschwerdeführerin zu schädigen,
ihre Aktivitäten auf den schwedischen Markt zu beschränken und/oder sie ganz aus dem Geschäft zu
drängen.
5.
Am 28. Juni 1995 führten Kommissionsbeamte und Vertreter der Wettbewerbsbehörden der
betreffenden Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer Entscheidung der Kommission vom 12. Juni 1995
gleichzeitig und unangekündigt Nachprüfungen bei zehn Unternehmen und
Unternehmensvereinigungen der Fernwärmebranche durch, zu denen auch einige Betriebe der
Klägerinnen gehörten.
6.
Anschließend richtete die Kommission an die meisten vom streitgegenständlichen Sachverhalt
betroffenen Unternehmen Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom
6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962,
Nr. 13, S. 204).
7.
Am 20. März 1997 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an einige
Klägerinnen und die anderen betroffenen Unternehmen. Eine Anhörung dieser Unternehmen fand
sodann am 24. und 25. November 1997 statt.
8.
Am 21. Oktober 1998 erließ die Kommission die Entscheidung 1999/60/EG in einem Verfahren
gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1),
die vor ihrer Veröffentlichung durch Entscheidung vom 6. November 1998 berichtigt wurde (C[1998]
3415 endg.) (im Folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung); darin stellte siefest,
dass verschiedene Unternehmen, darunter einige der Klägerinnen, an miteinander verbundenen
Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1
EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) mitgewirkt hätten (im Folgenden: Kartell).
9.
In der Entscheidung wird ausgeführt, dass sich die vier dänischen Hersteller von Fernwärmerohren
Ende 1990 auf die Grundsätze für eine allgemeine Zusammenarbeit auf ihrem Inlandsmarkt geeinigt
hätten. An dieser Vereinbarung hätten die dänische Tochtergesellschaft des schwedisch-
schweizerischen Industriekonzerns ABB Asea Brown Boveri Ltd, ABB IC Møller A/S (im Folgenden: ABB),
die auch unter dem Namen Starpipe bekannte Dansk Rørindustri A/S (im Folgenden: Dansk
Rørindustri), die Løgstør Rør A/S (im Folgenden: Løgstør) und die Tarco Energi A/S (im Folgenden:
Tarco) teilgenommen (im Folgenden gemeinsam: dänische Hersteller). Eine der ersten Maßnahmen
sei die Koordinierung einer Preiserhöhung sowohl auf dem dänischen Markt als auch auf den
Auslandsmärkten gewesen. Zur Aufteilung des dänischen Marktes seien Quoten vereinbart und
sodann von einer aus den Verkaufsleitern der betreffenden Unternehmen bestehenden
„Kontaktgruppe“ angewandt und überwacht worden. Bei jedem geschäftlichen Projekt (im Folgenden:
Projekt) habe das Unternehmen, dem der Auftrag von der Kontaktgruppe zugeteilt worden sei, die
anderen Beteiligten darüber informiert, zu welchem Preis es ein Angebot abzugeben gedenke, und
diese hätten dann Angebote mit einem höheren Preis abgegeben, um den vom Kartell vorgesehenen
Anbieter zu schützen.
10.
Ab Herbst 1991 hätten auch zwei deutsche Hersteller - die Gruppe Henss/Isoplus und die Pan-Isovit
GmbH (im Folgenden: Pan-Isovit) - an den regelmäßigen Treffen der dänischen Hersteller
teilgenommen. Bei diesen Treffen hätten Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes
stattgefunden, die im August 1993 zu Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten für
jedes beteiligte Unternehmen geführt hätten.
11.
Zwischen all diesen Herstellern seien 1994 Quoten für den gesamten europäischen Markt
vereinbart worden. Dieses europaweite Kartell habe eine zweistufige Struktur gehabt. Der
„Geschäftsführer-Klub“, dem die Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer der am Kartell beteiligten
Hersteller angehört hätten, habe die Quoten festgelegt, die jedem Unternehmen sowohl auf dem
Gesamtmarkt als auch auf den einzelnen Inlandsmärkten - insbesondere Dänemark, Deutschland,
Finnland, Italien, Niederlande, Österreich und Schweden - zugeteilt worden seien. Für bestimmte
Inlandsmärkte seien „Kontaktgruppen“ eingerichtet worden, die in der Regel aus den jeweiligen
Verkaufsleitern bestanden hätten; diesen sei die Aufgabe übertragen worden, die Vereinbarungen
durch Zuteilung einzelner Aufträge und durch Koordinierung der Angebote umzusetzen.
12.
Zum deutschen Markt heißt es in der Entscheidung, nach einem Treffen der sechs größten
europäischen Hersteller (ABB, Dansk Rørindustri, die Gruppe Henss/Isoplus, Løgstør, Pan-Isovit und
Tarco) und der Brugg Rohrsysteme GmbH(im Folgenden: Brugg) am 18. August 1994 habe am 7.
Oktober 1994 das erste Treffen der Kontaktgruppe für Deutschland stattgefunden. Die Treffen dieser
Kontaktgruppe seien noch lange nach den Ende Juni 1995 vorgenommenen Nachprüfungen der
Kommission fortgeführt worden, auch wenn sie von diesem Zeitpunkt an außerhalb der Europäischen
Union, in Zürich, stattgefunden hätten. Die Treffen in Zürich seien bis zum 25. März 1996 fortgesetzt
worden, d. h. bis einige Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem an eine Reihe dieser Unternehmen
Auskunftsverlangen der Kommission gerichtet worden seien.
13.
Als Bestandteil des Kartells wird in der Entscheidung u. a. die Vereinbarung und Durchführung
aufeinander abgestimmter Maßnahmen genannt, um mit Powerpipe das einzige nicht am Kartell
beteiligte Unternehmen von Bedeutung auszuschalten. Bestimmte Teilnehmer des Kartells hätten
wichtige Mitarbeiter von Powerpipe abgeworben und Powerpipe klargemacht, dass sie sich vom
deutschen Markt zurückziehen solle. Nachdem Powerpipe im März 1995 den Zuschlag für ein
bedeutendes deutsches Projekt erhalten habe, habe in Düsseldorf ein Treffen stattgefunden, an dem
die sechs genannten Hersteller und Brugg teilgenommen hätten. Bei diesem Treffen sei ein kollektiver
Boykott der Kunden und Zulieferer von Powerpipe beschlossen worden, der anschließend
durchgeführt worden sei.
14.
Die Kommission legt in ihrer Entscheidung die Gründe dar, aus denen nicht nur die ausdrückliche
Aufteilung der Marktanteile unter den dänischen Herstellern ab Ende 1990, sondern auch die
Wettbewerbsverstöße ab Oktober 1991 insgesamt als eine verbotene „Vereinbarung“ im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag betrachtet werden könnten. Das „dänische“ und das „europaweite“
Kartell seien nur Ausprägungen eines einzigen Kartells, das in Dänemark begonnen habe, dessen
längerfristiges Ziel aber von Beginn an die Ausdehnung der Kontrolle der Teilnehmer auf den
gesamten Markt gewesen sei. Die fortdauernde Vereinbarung zwischen den Herstellern habe eine
merkliche Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten gehabt.
15.
Aus diesen Gründen enthält die Entscheidung folgenden verfügenden Teil:
ABB Asea Brown Boveri Ltd, Brugg Rohrsysteme GmbH, Dansk Rørindustri A/S, die Gruppe
Henss/Isoplus, KE KELIT Kunststoffwerk Ges.mbH, Oy KWH Pipe AB, Løgstør Rør A/S, Pan-Isovit GmbH,
Sigma Tecnologie Di Rivestimento S.r.l. und Tarco Energi A/S haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-
Vertrag verstoßen, indem sie in der in der Begründung ausgeführten Weise und dem genannten
Umfang an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten
Verhaltensweisen im Sektor der vorisolierten Rohre mitgewirkt haben, die im November/Dezember
1990 von den vier dänischen Herstellern eingeleitet und anschließend auf andere nationale Märkte
ausgeweitet wurden und Pan-Isovit sowie Henss/Isoplus einbezogen haben, und Ende 1994 aus
einemumfassenden Kartell bestanden, das sich auf den gesamten Gemeinsamen Markt erstreckte.
Die Dauer der Zuwiderhandlungen war wie folgt:
...
- im Falle [der Gruppe] Henss/Isoplus zwischen Oktober 1991 bis [wenigstens März/April 1996]
...
Die wesentlichen Merkmale der Zuwiderhandlungen waren:
- Aufteilung der nationalen Märkte und schließlich des gesamten europäischen Marktes anhand von
Quoten;
- Zuteilung von nationalen Märkten an einzelne Hersteller und Vorkehrungen für den Rückzug
anderer Hersteller;
- Vereinbarung von Preisen für vorgedämmte Rohre und für einzelne Vorhaben;
- Zuteilung einzelner Vorhaben an ausgewählte Hersteller und Manipulierung der
Ausschreibungsverfahren für diese Vorhaben, um zu gewährleisten, dass der vorgesehene Hersteller
den Zuschlag erhält;
- Vereinbarung und Durchführung aufeinander abgestimmter Maßnahmen, um das Kartell vor dem
Wettbewerb des einzigen großen Nichtmitglieds Powerpipe AB zu schützen, dessen Geschäft zu
behindern und zu schädigen bzw. dieses Unternehmen aus dem Markt zu verdrängen.
...
Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 genannten
Zuwiderhandlungen folgende Geldbußen festgesetzt:
...
d) Henss/Isoplus-Gruppe eine Geldbuße von 4 950 000 ECU,
wofür die nachstehend aufgeführten Unternehmen gesamtschuldnerisch haften, nämlich
- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG;
- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH Verwaltungsgesellschaft;
- Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH (vormals Dipl.-Kfm. Walter Henss GmbH
Rosenheim);
- Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Sondershausen;
- Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH - Stille Gesellschaft;
- Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH, Hohenberg,
...
Diese Entscheidung ist gerichtet an:
...
d) die Gruppe Henss/Isoplus, vertreten durch:
- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG, Aisingerstraße 12, D-
83026 Rosenheim;
- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH Verwaltungsgesellschaft,
Aisingerstraße 12, D-83026 Rosenheim.
- Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Aisingerstraße 12, D-83026 Rosenheim;
- Isoplus Fernwärmetechnik Ges.mbH, Furthoferstraße 1A, A-3192 Hohenberg;
- Isoplus Fernwärmetechnik Ges.mbH - Stille Gesellschaft, Furthoferstraße 1A, A-3192 Hohenberg;
- Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Glückaufstraße 34, D-99706 Sondershausen;
...“
16.
Die Entscheidung wurde den Klägerinnen mit Schreiben vom 12. November 1998 zugestellt und ging
bei ihnen am folgenden Tage ein.
Verfahren und Anträge der Parteien
17.
Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 18. Januar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
18.
Sieben der neun anderen für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogenen Unternehmen
haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben (Rechtssachen T-15/99, T-16/99, T-17/99, T-
21/99, T-23/99, T-28/99 und T-31/99).
19.
Mit besonderem Schriftsatz, der am 10. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,
haben die Klägerinnen einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Artikel 3 Buchstabe d und 4 der
angefochtenen Entscheidung und einen Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung dieser
Bestimmungen gestellt (Rechtssache T-9/99 R). Mit Beschluss vom 9. Juli 1999 hat der Präsident des
Gerichts den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen (HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, II-
2429). Das dagegen eingelegte Rechtsmittel ist durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes
vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P(R) (HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705)
zurückgewiesen worden.
20.
Das schriftliche Verfahren ist am 30. September 1999 abgeschlossen worden.
21.
Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche
Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert,
schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind diesen
Aufforderungen nachgekommen.
22.
Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 20. Oktober 2000 mündlich verhandelt und
mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
23.
Die Klägerinnen beantragen,
- die Entscheidung für nichtig zu erklären;
- hilfsweise, die Geldbuße herabzusetzen;
- die Beklagte zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
24.
Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Beziehungen zwischen den Unternehmen, die der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet
wurden
25.
Zu den Unternehmen, die die Kommission der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet hat und die am
vorliegenden Verfahren beteiligt sind, gehört die HFB Holding für Fernwärmetechnik
Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: HFB KG), eine am 15. Januar 1997 errichtete
Kommanditgesellschaft deutschen Rechts. Ihr persönlich haftender Komplementär ist die HFB Holding
für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH, Verwaltungsgesellschaft (im Folgenden: HFB
GmbH), eine ebenfalls am 15. Januar 1997 errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Kommanditisten der HFB KG, die nur in Höhe ihrer Einlage haften, sind Herr und Frau Henss sowie Herr
und Frau Papsdorf. Herr Henss ist Mehrheitskommanditist der HFB KG und hält auch die
Anteilsmehrheit an der HFB GmbH.
26.
Die Klägerin Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH (im Folgenden: Isoplus
Rosenheim), die vor dem 1. Januar 1997 als Dipl.-Kfm. Walter Henss GmbH (im Folgenden: Henss
Rosenheim) firmierte, ist eine Gesellschaft deutschen Rechts. Nachdem die Geschäftsanteile von
Herrn und Frau Henss an Isoplus Rosenheim und die Geschäftsanteile von Herrn und Frau Papsdorf
an der Dipl.-Kfm. Walter Henss Fernwärmerohrleitungsbau GmbH, Berlin (im Folgenden: Henss Berlin),
in die HFB KG eingebracht worden waren, hielt die HFB KG 100 % der Anteile an diesen beiden
Unternehmen und nahm am 3. Dezember 1997 eine Verschmelzung von Henss Berlin mit Isoplus
Rosenheim vor.
27.
Die Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH, Hohenberg (im Folgenden: Isoplus Hohenberg), ist
ein österreichisches Unternehmen, an dem Herr Henss über einen Treuhänder die Mehrheit der
Geschäftsanteile hält.
28.
Die Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Sondershausen (im Folgenden: Isoplus Sondershausen), ist
ein deutsches Unternehmen, dessen Anteile nominell alle von Isoplus Hohenberg gehalten werden;
diese hält sie in gewissem Umfang treuhänderisch für Dritte.
29.
Isoplus Rosenheim ist auf dem Fernwärmemarkt hauptsächlich als Vertriebsgesellschaft tätig.
Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen sind Produktionsunternehmen. Die HFB KG und die
HFB GmbH treten nur als Beteiligungsgesellschaften auf.
30.
Die Kommission hat die Unternehmen Isoplus Rosenheim, Henss Berlin, Isoplus Hohenberg und
Isoplus Sondershausen in ihrer Entscheidung als faktischen Konzern „Henss/Isoplus“ angesehen. Sie
hat an diese vier Unternehmen die Mitteilung der Beschwerdepunkte gesandt, nachdem sie
festgestellt hatte, dass sie alle mit Herrn Henss verbunden seien, der an den Treffen des
Geschäftsführer-Clubs teilgenommen habe. Der Entscheidung zufolge hat die Kommission erst
nachÜbersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte von einem in das Handelsregister
aufgenommenen „Einbringungsvertrag“ vom 15. Januar 1997 erfahren, aus dem sich ergebe, dass die
Eheleute Henss und Papsdorf ihre Beteiligungen in die HFB KG eingebracht hätten.
31.
Durch diesen Einbringungsvertrag habe die Kommission erfahren, dass Herr Henss auch
Eigentümer einer stillen Gesellschaft, der Isoplus Fernwärmetechnik Ges. mbH - Stille Gesellschaft (im
Folgenden: Isoplus stille Gesellschaft), sei, deren Beteiligungen von einem Treuhänder gehalten
worden seien.
32.
In Bezug auf Isoplus Hohenberg habe die Kommission durch den Einbringungsvertrag erfahren,
dass Herr Henss an dieser Gesellschaft über Treuhänder eine Beteiligung gehalten habe, obwohl die
Rechtsberater der Klägerinnen dies im Verwaltungsverfahren in Abrede gestellt hätten. Im
vorliegenden Verfahren ist zwischen den Parteien nicht mehr streitig, dass Herr Henss tatsächlich die
Mehrheit des Stammkapitals von Isoplus Hohenberg hielt.
33.
Bezüglich der Beteiligung von Isoplus Hohenberg an Isoplus Sondershausen habe die Kommission
durch den Einbringungsvertrag erfahren, dass ein Drittel des Stammkapitals von Isoplus
Sondershausen, das Isoplus Hohenberg als Treuhänder für Herrn und Frau Papsdorf gehalten habe,
an die HFB KG abgetreten worden sei. Im vorliegenden Verfahren geben die Klägerinnen an, dass
Isoplus Hohenberg ein weiteres Drittel des Stammkapitals von Isoplus Sondershausen treuhänderisch
gehalten habe. Die Klägerinnen räumen ein, dass dies der Kommission im Verwaltungsverfahren nicht
mitgeteilt worden sei.
Zum Antrag auf Beweiserhebung
34.
Gemäß Artikel 68 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragen die Klägerinnen, Herrn Boysen,
Herrn B. Hansen, Herrn N. Hansen, Herrn Hybschmann, Herrn Jespersen und Herrn Volandt als
Zeugen zu vernehmen „zum Nachweis dafür, dass die Kläger[innen] bzw. die .Gruppe Henss/Isoplus'
vor Oktober 1994 an einem rechtswidrigen Verhalten/Maßnahmen und dergleichen im Sinn des
Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag nicht beteiligt waren“. Die Klägerinnen erklären sich insoweit bereit,
einen Vorschuss zur Deckung der voraussichtlichen Kosten zu hinterlegen.
35.
Ferner beantragen sie, der Kommission die Vorlage der gesamten Verfahrensakten einschließlich
der Beilagen sowie des Berichts des Anhörungsbeauftragten in der vorliegenden Rechtssache
aufzugeben.
36.
Nach Artikel 68 § 1 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag
der Parteien nach Anhörung der Parteien und des Generalanwalts die Vernehmung von Zeugen über
bestimmte Tatsachen anordnen. Nach Artikel 68 § 1 Absatz 3 hat die Partei in ihrem Antrag die
Tatsachen zu bezeichnen, überdie die Vernehmung stattfinden soll, und die Gründe anzugeben, die
die Vernehmung rechtfertigen.
37.
Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen zwar in ihren Schriftsätzen, insbesondere in den
Nummern 20, 40, 50, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 94, 96, 125 und 142 der Klageschrift, bestimmte
Personen genannt, die als Zeugen für die dort geschilderten Tatsachen auftreten können; die Namen
der sechs Personen, deren Vernehmung durch das Gericht ausdrücklich beantragt wird, befinden sich
jedoch nicht darunter. Für diese sechs Personen haben die Klägerinnen daher in keiner Weise die
Tatsachen bezeichnet, über die die Zeugenvernehmung angeordnet werden soll.
38.
Daher ist der Antrag auf Zeugenvernehmung zurückzuweisen, ohne dass die Zweckmäßigkeit der
Anhörung der sechs genannten Personen geprüft zu werden braucht.
39.
Zur Vorlage der Verfahrensakten ist festzustellen, dass die Kommission von sich aus mit Schreiben
vom 26. Juli 1997 die Verwaltungsakten in allen fraglichen Rechtssachen übermittelt hat. Die
Klägerinnen wurden darüber und über die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Akten bei der Kanzlei
unterrichtet. Unter diesen Umständen hat sich der Antrag der Klägerinnen auf Vorlage der Akten
erledigt.
40.
Der Bericht des Anhörungsbeauftragten, dessen Vorlage die Klägerinnen beantragt haben, ist ein
rein internes Schriftstück der Kommission, das für sie nur den Wert eines Gutachtens hat; er dient
nicht dem Zweck, neue Beschwerdepunkte zu formulieren oder neue Beweismittel gegen die
Unternehmen zu liefern, und ist deshalb kein entscheidender Faktor, den der Gemeinschaftsrichter
bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hätte (Beschluss des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1986 in
der Rechtssache 212/86 R, ICI/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 5
bis 8; Urteile des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission,
Slg. 1991, II-1087, Randnrn. 53 und 54, und vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-9/89,
Hüls/Kommission, Slg. 1992, II-499, Randnrn. 86 und 87). Nach ständiger Rechtsprechung können
interne Unterlagen der Kommission den Klägerinnen nur dann zugänglich gemacht werden, wenn sie
ernsthafte Anhaltspunkte dafür geliefert haben, dass die außergewöhnlichen Umstände des
konkreten Falles dies erfordern (Beschluss des Gerichtshofes vom 18. Juni 1986 in den Rechtssachen
142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1986, 1899, Randnr. 11; Urteil des Gerichts
vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-35/92, Deere/Kommission, Slg. 1994, II-957, Randnr. 31;
Beschluss des Gerichts vom 10. Dezember 1997 in den Rechtssachen T-134/94, T-136/94 bis T-138/94,
T-141/94, T-145/94, T-147/94, T-148/94, T-151/94, T-156/94 und T-157/94, NMH Stahlwerke u.
a./Kommission, Slg. 1997, II-2293, Randnr. 35). Diese Beschränkung der Einsichtnahme in interne
Unterlagen ist durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Funktionsfähigkeit des betreffendenOrgans
im Bereich der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages
sicherzustellen (Beschluss NMH Stahlwerke u. a./Kommission, Randnr. 36). Da die Klägerinnen nicht
dargetan haben, inwiefern zur Wahrung der Verteidigungsrechte ein Interesse an der Vorlage des
Berichts des Anhörungsbeauftragten bestehen könnte, ist ihr Antrag auch insoweit zurückzuweisen,
als er die Vorlage dieses Berichts betrifft.
41.
Aus diesen Gründen gibt das Gericht dem Beweiserhebungsantrag der Klägerinnen nicht statt.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung
42.
Die Klagegründe lassen sich nach ihrem Gegenstand gliedern: erstens Klagegründe in Bezug auf
die Gruppe Henss/Isoplus, zweitens Klagegründe in Bezug auf die HFB KG und die HFB GmbH, drittens
Klagegründe in Bezug auf die Isoplus stille Gesellschaft und viertens Klagegründe in Bezug auf alle
Klägerinnen.
I -
43.
Bezüglich der Gruppe Henss/Isoplus machen die Klägerinnen drei Klagegründe geltend, mit denen
sie erstens die falsche Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, zweitens eine Verletzung
wesentlicher Formvorschriften und drittens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht rügen.
A -
1. Vorbringen der Parteien
44.
Die Klägerinnen führen aus, die Kommission habe Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag falsch angewandt,
da sie sie der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet habe, gegen die wegen Beteiligung an
wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen eine Geldbuße verhängt worden sei, für die alle Klägerinnen
gesamtschuldnerisch hafteten.
45.
Unternehmen im Sinne der Artikel 85 EG-Vertrag und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) könnten nur
natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften sein, die so zu behandeln seien, als hätten
sie eigene Rechtspersönlichkeit („quasijuristische Personen“). Die von der Kommission angenommene
Gruppe Henss/Isoplus besitze aber keine eigene Rechtspersönlichkeit oder Quasi-
Rechtspersönlichkeit.
46.
Mangels einer Mutter- oder Holdinggesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit könnten die
Klägerinnen auch weder als Konzern im Sinne des Gesellschaftsrechts noch - wie die Kommission in
den Randnummern 15 und 157 der Entscheidung annehme - als „faktischer Konzern“ im Sinne
rechtlich selbständiger Unternehmenangesehen werden, deren Verhalten ein anderes Unternehmen
wirtschaftlich bestimmen könne.
47.
Von den beiden Holdingunternehmen sei die HFB GmbH ausschließlich als Kommanditist der HFB KG
tätig. Die HFB KG habe zwar zur Zeit des Erlasses der Entscheidung 100 % des Stammkapitals von
Isoplus Rosenheim gehalten, besitze aber nur ein Drittel des Stammkapitals von Isoplus
Sondershausen. Zudem sei die HFB KG entgegen den Ausführungen in Randnummer 159 der
Entscheidung weder selbst noch über Treuhänder Gesellschafter von Isoplus Hohenberg oder stiller
Gesellschafter im Rahmen einer solchen Gesellschaft mit Isoplus Hohenberg als „Geschäftsinhaberin“
gewesen.
48.
Die Kommission übersehe bei ihrer Behauptung, dass die der Gruppe Henss/Isoplus zugeordneten
Unternehmen alle derselben einheitlichen Leitung durch Herrn Henss unterstanden hätten, dass Herr
Henss zwar Mehrheitsgesellschafter von Henss Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim) und über
Treuhandgesellschaften Mehrheitsgesellschafter von Isoplus Hohenberg gewesen sei, aber weder
Gesellschafter von Henss Berlin noch von Isoplus Sondershausen. Herr Henss könne als
Gesellschafter auch kein Unternehmen im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag sein.
49.
Von einer Beherrschung von Isoplus Sondershausen durch Isoplus Hohenberg könne im Hinblick auf
deren Treuhänderstellung nicht gesprochen werden. Isoplus Hohenberg habe bis zum 21. Oktober
1998 nur ein Drittel des Gesellschaftskapitals von Isoplus Sondershausen im eigenen Namen und ein
weiteres Drittel als Treuhänder gehalten. Mit Rücksicht auf das Geschäftsgeheimnis hätten Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen die Kommission nicht von dieser Treuhänderstellung von
Isoplus Hohenberg unterrichtet. Im Übrigen belieferten Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen teilweise dieselben Märkte, was bei einem Konzern in der Regel nicht der Fall sei.
50.
Die Eigenschaft als „Konzern“ könne auch nicht, wie die Kommission meine, aus der Erwähnung der
„Fa. Henss GmbH, Isoplus-Gruppe“ in einem Vermerk von Herrn Henss vom 21. April 1995
(Zusatzdokument Nr. 17 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) geschlossen werden, da es sich um
eine Erklärung im Namen von Henss Rosenheim handele, in der das Komma vor dem Begriff „Isoplus-
Gruppe“ nur bedeute, dass das Unternehmen Henss Rosenheim zu der losen Gruppe gehört habe, zu
der die anderen Kartellteilnehmer die Klägerinnen aufgrund der Handelsvertretungsverträge zwischen
ihnen zusammengefasst hätten. Die Existenz eines Bevollmächtigten oder Sprechers einer solchen
Gruppe mache diese noch nicht zu einem Konzern.
51.
Im Übrigen enthalte die Entscheidung keine Gesichtspunkte, auf deren Grundlage die Klägerinnen
ohne Vorliegen eines zumindest faktischen Konzerns wechselseitig für ihr jeweiliges
wettbewerbswidriges Verhalten haften würden.
52.
Die Beklagte trägt vor, der Begriff des Konzerns bezeichne die von den vier am Kartell beteiligten
Gesellschaften Henss Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim), Henss Berlin, Isoplus Hohenberg und
Isoplus Sondershausen gebildete wirtschaftliche Einheit; diese Unternehmen hätten insbesondere
hinsichtlich der Beteiligung am Kartell derselben einheitlichen Kontrolle unterlegen. Herr Henss sei
Geschäftsführer von Henss Berlin und Henss Rosenheim gewesen und habe über direkte oder
indirekte Beteiligungen die letztgenannte Gesellschaft sowie Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen beherrscht. Außerdem habe er auf den Treffen des Geschäftsführer-Clubs, bei denen
die Unternehmen der Gruppe eine einheitliche Quote erhalten hätten, die Interessen jedes dieser
Unternehmen gleichermaßen definiert und vertreten.
53.
Da alle personellen, materiellen und immateriellen Faktoren, die formal den Unternehmen der
Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet gewesen seien, einer größeren Einheit angehört hätten, deren
wirtschaftliche Zwecke einheitlich bestimmt worden seien, habe im Sinne des Wettbewerbsrechts ein
einziges Unternehmen in Form eines „Konzerns“ vorgelegen. Diese Schlussfolgerung werde nicht
dadurch beeinträchtigt, dass diese Einheit nicht von einem Holdingunternehmen geleitet worden sei.
Es komme ferner nicht darauf an, ob die leitende natürliche oder juristische Person auch im eigenen
Namen unternehmerisch tätig sei.
2. Würdigung durch das Gericht
54.
Das den Unternehmen in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag u. a. auferlegte Verbot von Vereinbarungen
und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu
beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des
Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, richtet sich an
wirtschaftliche Einheiten, die jeweils in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und
immaterieller Mittel bestehen, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird
und die an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein kann (Urteile des Gerichts
vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-11/89, Shell/Kommission, Slg. 1992, II-757, Randnr. 311, und
vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II-1989,
Randnr. 87).
55.
Im vorliegenden Fall wurden zur Zeit der Zuwiderhandlung die Gesellschaften Henss Berlin und
Henss Rosenheim (im Folgenden auch: Henss-Gesellschaften) sowie die Gesellschaften Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen (im Folgenden auch: Isoplus-Gesellschaften) in der einen oder
anderen Weise von Herrn Henss beherrscht.
56.
Es ist unstreitig, dass Herr Henss stets 90 % der Geschäftsanteile von Henss Rosenheim hielt,
wobei die übrigen Anteile von seiner Ehefrau gehalten wurden, und dass er der Geschäftsführer
dieses Unternehmens war, bis es am 1. Januar 1997 in Isoplus Rosenheim umbenannt wurde. Zu
diesem Zeitpunkt traten HerrHenss und seine Ehefrau ihre Anteile an die HFB KG ab, deren
Mehrheitsaktionär Herr Henss jedoch blieb und die als Muttergesellschaft von Isoplus Rosenheim
fungiert und deren gesamtes Gesellschaftskapital hält.
57.
In Bezug auf Henss Berlin ist unstreitig, dass Herr Henss bei ihrer Gründung im August 1990 90 %
des Gesellschaftskapitals erwarb. Als am 1. Januar 1997 sämtliche Anteile an Henss Berlin auf die HFB
KG übertragen wurden, befanden sie sich in den Händen von Herrn Papsdorf, dem Geschäftsführer
von Isoplus Rosenheim, und dessen Ehefrau. Auch wenn aus den Akten nicht hervorgeht, wann sie
diese Anteile von Herrn Henss übernahmen, steht fest, dass Herr Henss ab Februar 1994 selbst
Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim war. Zudem ist erwiesen, dass Henss Berlin schon im
Dezember 1990 beim Abschluss eines Handelsvertretungsvertrags mit Isoplus Hohenberg durch Herrn
Henss als „einzigen Geschäftsführer“ vertreten wurde.
58.
In Bezug auf Isoplus Hohenberg bestreiten die Klägerinnen in ihrer Klageschrift nicht mehr, dass die
Mehrheit der Geschäftsanteile zumindest ab Oktober 1991 über einen Treuhänder von Herrn Henss
gehalten wurde.
59.
Im Fall von Isoplus Sondershausen wurden sämtliche Geschäftsanteile nominell von Isoplus
Hohenberg gehalten. Auch wenn diese nur ein Drittel der Anteile für eigene Rechnung hielt, steht
fest, dass ein weiteres Drittel der Anteile für Rechnung von Herrn Papsdorf, dem damaligen
Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim, und dessen Ehefrau gehalten wurde, die ihre Beteiligung
durch den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 an die HFB KG abtraten.
60.
Darüber hinaus vertrat Herr Henss bei den Treffen des Geschäftsführer-Clubs die Henss- und die
Isoplus-Gesellschaften. Aus den Notizen einiger Teilnehmer an den Gesprächen über die Aufteilung
des deutschen Marktes geht hervor, dass Marktanteile für „Isoplus“ (vgl. Anhänge 39, 40, 44, 45 und
49 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), für „Isoplus/Henss“ (vgl. Anhänge 48 und 53 der Mitteilung
der Beschwerdepunkte) oder für „Isoplus“ und „Henze“ (vgl. Anhang 37 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte) vorgesehen waren. Zudem heißt es in der Einladung, die ABB als Vorsitzende des
Herstellerverbandes „European Heating Pipe Manufacturers Association“ (EuHP) für das Treffen am
11. August 1992 versandte (Anhang 38 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), ausdrücklich, dass
Herr Henss dort „Isoplus“ vertrete. Schließlich steht fest, dass den Henss- und den Isoplus-
Gesellschaften bei der Verteilung europaweiter Quoten durch das Kartell eine einzige Quote zugeteilt
wurde.
61.
Unter diesen Umständen hat die Kommission die Handlungen der Vertriebsgesellschaften Henss
Berlin und Henss Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim) sowie der Produktionsunternehmen Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen im Rahmen des Kartells zu Recht als das Verhalten einer
einzigenwirtschaftlichen Einheit unter einheitlicher Kontrolle angesehen, die dauerhaft einen
gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck verfolgte.
62.
Zudem wird das Vorliegen einer einzigen, gemeinsame Interessen verfolgenden wirtschaftlichen
Einheit durch interne Unterlagen der fraglichen Gesellschaften bestätigt. So wird im Protokoll einer
Beiratssitzung der Isoplus-Gesellschaften vom 3. Februar 1994 (Zusatzdokument Nr. 21 zur Mitteilung
der Beschwerdepunkte) eine „Isoplus-Gruppe“ erwähnt, deren Umsatz insbesondere von „Hohenberg“
und „Sondershausen“ zusammen mit „Henss“ gebildet wurde. Ferner ergibt sich aus dem Vermerk von
Herrn Henss vom 21. April 1995, dass er sich bereit erklärte, im Namen der „Fa. Henss GmbH, Isoplus-
Gruppe“ an einem Plan zur Übernahme von Powerpipe teilzunehmen (Zusatzdokument Nr. 17 zur
Mitteilung der Beschwerdepunkte).
63.
Im Übrigen kann dem Vorbringen der Klägerinnen, die Verbindung zwischen den Henss-
Gesellschaften und den Isoplus-Gesellschaften sei damit zu erklären, dass Erstere die
Handelsvertreter Letzterer seien, nicht gefolgt werden. Henss Rosenheim war im gesamten fraglichen
Zeitraum auch als Handelsvertreter der deutschen Tochtergesellschaft von ABB, ABB Isolrohr GmbH
(im Folgenden: ABB Isolrohr), tätig. In Anbetracht der Zuteilung einer einzigen europaweiten Quote für
die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften und der Rolle, die Herr Henss sowohl als Vertreter aller
dieser Gesellschaften bei den Geschäftsführer-Treffen als auch als deren Geschäftsführer oder
Gesellschafter spielte, liegt es auf der Hand, dass die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften auf dem
Markt gemeinsam als eine wirtschaftliche Einheit auftraten.
64.
Zu der Tatsache, dass Herr Henss die Interessen von Henss Berlin ebenso vertrat wie die von
Henss Rosenheim, ist noch darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf das Projekt in Leipzig-Lippendorf aus
dem Protokoll eines Kartelltreffens am 10. Januar 1995, an dem Herr Henss teilnahm, hervorgeht
(Anhang 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), dass beschlossen wurde, dieses Projekt ABB
Isolrohr, Pan-Isovit und „Henz“ zukommen zu lassen, ohne dass angegeben wird, ob es sich um Henss
Berlin oder Henss Rosenheim handelte. Es ist unstreitig, dass das Angebot für dieses Projekt sodann
von Henss Berlin und nicht von Henss Rosenheim abgegeben wurde, obwohl Herr Henss nominell nicht
Anteilseigner des ersteren, wohl aber des letzteren Unternehmens war. Zudem sind in einer von ABB
erstellten Projektliste vom 22. März 1995 die drei Unternehmen ABB, Pan-Isovit und „Isoplus“ als
Favoriten für das Projekt in Leipzig-Lippendorf aufgeführt (Anhang 71 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte); auch dies bestätigt, dass die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften der gleichen
wirtschaftlichen Einheit zugerechnet wurden.
65.
Dass Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen auf demselben Markt tätig waren, schließt ihre
Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe nicht aus. Im Übrigen trat Isoplus Sondershausen im
Verwaltungsverfahren vor der Kommission noch als 100%ige Tochtergesellschaft von Isoplus
Hohenberg auf.
66.
Entgegen der Behauptung der Klägerinnen braucht eine als „Gruppe“ eingestufte wirtschaftliche
Einheit keine eigene Rechtspersönlichkeit zu besitzen. Im Rahmen des Wettbewerbsrechts ist unter
dem Begriff des Unternehmens eine im Hinblick auf den jeweiligen Vertragsgegenstand bestehende
wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren
natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1984 in der
Rechtssache 170/83, Hydrotherm, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11). Gibt es an der Spitze der Gruppe
keine juristische Person, der als Verantwortlicher für die Koordinierung von deren Tätigkeit die
Zuwiderhandlungen der verschiedenen Gesellschaften der Gruppe hätten zugerechnet werden
können, so ist die Kommission berechtigt, diese Gesellschaften gemeinsam für sämtliche Handlungen
der Gruppe haftbar zu machen, um zu verhindern, dass aufgrund der formellen Trennung dieser
Gesellschaften, die sich aus ihrer gesonderten Rechtspersönlichkeit ergibt, ihr Verhalten auf dem
Markt bei Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht als Einheit angesehen werden könnte (in diesem
Sinne auch Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg.
1972, 619, Randnr. 140).
67.
Da die Kommission die Gruppe Henss/Isoplus als das Unternehmen angesehen hat, das die
Zuwiderhandlung beging, für die die Gesellschaften der Gruppe zur Verantwortung gezogen werden,
ist es im vorliegenden Fall unerheblich, ob Herr Henss persönlich als Unternehmen im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag angesehen werden kann.
68.
Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen.
B -
1. Vorbringen der Parteien
69.
Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe die insbesondere in der Verordnung Nr. 17
vorgesehenen wesentlichen Formvorschriften dadurch verletzt, dass sie die „Gruppe Henss/Isoplus“
als Adressaten der Entscheidung angegeben habe. Der Gruppe Henss/Isoplus komme mangels
Rechtspersönlichkeit bzw. Quasi-Rechtspersönlichkeit keine Parteifähigkeit in einem Verfahren nach
Artikel 85 EG-Vertrag in Verbindung mit der Verordnung Nr. 17 und insbesondere vor dem Gericht
erster Instanz zu.
70.
In Artikel 1 der Entscheidung führe die Kommission aus, dass die „Gruppe Henss/Isoplus“ gegen
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen habe. In Artikel 2 der Entscheidung heiße es dann, dass die
in Artikel 1 genannten Unternehmen die beschriebene Zuwiderhandlung unverzüglich einzustellen
hätten, falls dies noch nicht erfolgt sein sollte. In Artikel 3 der Entscheidung werde hinzugefügt:
„Gegen die nachstehend angeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1genannten
Zuwiderhandlungen folgende Geldbußen festgesetzt: ... d) Henss/Isoplus-Gruppe eine Geldbuße von 4
950 000 ECU, wofür die nachstehend aufgeführten Unternehmen gesamtschuldnerisch haften ...“
Schließlich sei die Entscheidung nach Artikel 5 Buchstabe d an die „Gruppe Henss/Isoplus, vertreten
durch ...“, gerichtet. Die Kommission habe somit verfahrensrechtlich die Gruppe Henss/Isoplus als
Adressaten der Entscheidung angesehen und nicht die in Artikel 5 der Entscheidung genannten
Unternehmen, die nur im Hinblick auf ihre gesamtschuldnerische Haftung für die Geldbuße der
Henss/Isoplus-Gruppe aufgenommen worden seien.
71.
Die vorliegende Klage könne nicht dahin verstanden werden, dass die Klägerinnen mit ihrer
Erhebung anerkennen würden, dass die Entscheidung in diesem Punkt verständlich sei. Sie wollten
damit vielmehr ihre eigenen Rechte und vorsorglich die Rechte der von der Kommission so genannten
„Gruppe Henss/Isoplus“ geltend machen. Ihre Anträge würden daher sowohl im eigenen Namen als
auch im Namen der Gruppe Henss/Isoplus gestellt, unter dem die Kommission sie zusammengefasst
habe.
72.
Die Beklagte führt aus, die Adressaten der Entscheidung seien, soweit hier von Belang, die in
Artikel 5 der Entscheidung eindeutig identifizierten Gesellschaften. Die Klägerinnen hätten die
Entscheidung auch in diesem Sinne aufgefasst, da sie im eigenen Namen die Klageschrift eingereicht
und sich selbst als Adressaten der Entscheidung bezeichnet hätten.
73.
Bezüglich der Bezeichnung „Henss/Isoplus“ oder „Gruppe Henss/Isoplus“ in der Entscheidung
müsse unterschieden werden zwischen der Frage, welches Unternehmen, gegebenenfalls in Form
eines Konzerns, eine Zuwiderhandlung begangen habe, und der Frage, welche natürliche oder
juristische Person als Träger von Rechten und Pflichten für einen derartigen Verstoß formal zur
Verantwortung zu ziehen sei. Auch wenn die in Artikel 5 Buchstabe d der Entscheidung enthaltene
Formulierung „Gruppe Henss/Isoplus, vertreten durch ...“, nicht besonders glücklich sei, könne ihr
nicht entnommen werden, dass die Gruppe Henss/Isoplus als solche Schuldner der Geldbuße sei, da
in dieser Bestimmung auf genau die Gesellschaften Bezug genommen werde, die in Artikel 3
Buchstabe d der Entscheidung als Gesamtschuldner der Geldbuße aufgeführt seien.
74.
Schließlich sei die Entscheidung durch getrennte Schreiben den fünf Klägerinnen bekannt gegeben
worden und nicht der „Gruppe Henss/Isoplus“.
2. Würdigung durch das Gericht
75.
Wie oben in Randnummer 66 festgestellt, ist die Kommission mangels einer juristischen Person an
der Spitze der Gruppe Henss/Isoplus, der als Verantwortlicher für die Koordinierung von deren
Tätigkeit die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Gesellschaften der Gruppe hätten zugerechnet
werden können,berechtigt, diese Gesellschaften gemeinsam für sämtliche Handlungen der Gruppe
haftbar zu machen.
76.
Insoweit wird in Artikel 1 der Entscheidung die „Gruppe Henss/Isoplus“ zu den Unternehmen
gezählt, die die dort beschriebene Zuwiderhandlung begangen haben. In Artikel 2 der Entscheidung
heißt es, dass die „in Artikel 1 genannten Unternehmen“ die Zuwiderhandlung unverzüglich
einzustellen hätten, falls dies noch nicht erfolgt sein sollte.
77.
In den Artikeln 3 und 5 der Entscheidung hat die Kommission dann angegeben, welche juristischen
Personen für die von der „Gruppe Henss/Isoplus“ begangene Zuwiderhandlung einstehen müssen
und deshalb gesamtschuldnerisch für die gegen diese Gruppe festgesetzte Geldbuße haften.
78.
Da die Gruppe Henss/Isoplus keine Rechtspersönlichkeit besitzt, können die Artikel 3 und 5 der
Entscheidung nur so verstanden werden, dass die Entscheidung an die Klägerinnen in ihrer
Eigenschaft als Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus gerichtet wird. Aus der Nennung der
Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus folgt, dass es dieser nicht an Rechtsschutz mangeln kann.
Sie kann ihre Interessen nämlich gegebenenfalls über diese Gesellschaften verteidigen.
79.
Im Übrigen steht außer Zweifel, dass die Klägerinnen als Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus
die Adressaten der Entscheidung waren, da diese jeder von ihnen gesondert und nicht der lediglich in
Artikel 1 der Entscheidung als Zuwiderhandelnde genannten Gruppe Henss/Isoplus bekannt gegeben
wurde.
80.
Da die Entscheidung an die Klägerinnen in ihrer Eigenschaft als Gesellschaften der Gruppe
Henss/Isoplus gerichtet wurde, ist der von ihnen geltend gemachte Klagegrund einer Verletzung der
Verordnung Nr. 17 zurückzuweisen.
C -
1. Vorbringen der Parteien
81.
Die Klägerinnen rügen, dass die Kommission die Begründungspflicht aus Artikel 190 EG-Vertrag
(jetzt Artikel 253 EG) verletzt habe, da die Entscheidung keine Begründung dafür enthalte, dass die
„Gruppe Henss/Isoplus“ Partei in einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 und deshalb Adressat
einer Entscheidung gemäß dieser Verordnung sein könne. Die Ausführungen der Kommission in
Randnummer 160 der Entscheidung, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte an den Henss/Isoplus-
Konzern gerichtet worden sei und dass wegen des Fehlens einer Holdinggesellschaft die vier
namentlich genannten Betriebsgesellschaften für amtliche und rechtliche Zwecke als Vertreter des
Konzerns anzusehen gewesen seien, seien in Anbetracht ihrer Angaben in Randnummer 15 der
Entscheidung,dass es sich bei der Gruppe Henss/Isoplus um einen „De-facto-Konzern“ ohne eigene
Rechtspersönlichkeit und ohne Parteifähigkeit handele, unzureichend.
82.
Die Beklagte führt aus, sie habe in den Randnummern 157 bis 160 der Entscheidung dargelegt,
dass die unter dem Namen „Gruppe Henss/Isoplus“ zusammengefassten Unternehmen als faktischer
Konzern gehandelt hätten, so dass die Klägerinnen gesamtschuldnerisch für die Geldbuße haften
müssten. Da die Gruppe Henss/Isoplus nicht Verfahrenspartei gewesen sei, habe es insoweit auch
keiner Begründung bedurft.
2. Würdigung durch das Gericht
83.
Die Klägerinnen stützen sich auf eine Auslegung der Entscheidung, nach der die Gruppe
Henss/Isoplus als die in das Verwaltungsverfahren einbezogene Person angesehen wurde. Diese
Auslegung ist aber als falsch zurückgewiesen worden, da in den Artikeln 3 und 5 der Entscheidung die
Gesellschaften genannt sind, die gesamtschuldnerisch für die Geldbuße haften, die wegen der von
der Gruppe Henss/Isoplus begangenen Zuwiderhandlung festgesetzt wurde, und an die in ihrer
Eigenschaft als Gesellschaften dieser Gruppe sich die Entscheidung deshalb richtet (siehe oben,
Randnrn. 75 bis 80).
84.
Zu der von der Gruppe Henss/Isoplus begangenen Zuwiderhandlung und der Tatsache, dass die
Klägerinnen als Gesellschaften dieser Gruppe für die Umsetzung der Entscheidung verantwortlich
gemacht wurden, ist auf deren Randnummern 157 bis 160 zu verweisen.
85.
Zunächst hat die Kommission in Randnummer 157 der Entscheidung ausgeführt: „Die
Henss/Isoplus-Unternehmen handeln faktisch als Konzern.“ Zur Stützung dieser Behauptung hat sie
darauf verwiesen, dass Herr Henss Mehrheitsaktionär von Isoplus Hohenberg, die das gesamte Kapital
von Isoplus Sondershausen halte, und Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer von Henss
Rosenheim sowie Geschäftsführer (nicht aber eingetragener Gesellschafter) von Henss Berlin sei, die
als Handelsvertreter für Isoplus in Deutschland tätig seien. In derselben Randnummer ihrer
Entscheidung stellt die Kommission Folgendes fest: „Aus der Tatsache, dass Herr Dr. Henss
persönlich Henss/Isoplus auf den Treffen des Geschäftsführer-Clubs vertreten hat, geht eindeutig
hervor, dass es ungeachtet der eigentumsrechtlichen Verbindungen Herr Dr. Henss ist, der Isoplus
kontrolliert, und dass die Henss- und Isoplus-Unternehmen zusammen einen De-facto-Konzern
bildeten.“ Sie fügt hinzu: „In der Branche war allgemein bekannt, dass Henss die treibende Kraft hinter
Isoplus war.“
86.
In Randnummer 158 der Entscheidung führt die Kommission aus, da es, als die Mitteilung der
Beschwerdepunkte übersandt worden sei, ihres Wissens keine Muttergesellschaft gegeben habe, an
die sie hätte gerichtet werden können, sei diese Mitteilung an den Henss/Isoplus-Konzern ergangen,
vertreten durch die vier in der Gemeinschaft ansässigen Hauptunternehmen Isoplus Hohenberg,
IsoplusSondershausen, Henss Rosenheim und Henss Berlin. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte
sei ausdrücklich aufgeführt worden, „dass sie an den Henss/Isoplus-Konzern gerichtet war und wegen
des Fehlens einer Holdinggesellschaft die vier genannten Betriebsgesellschaften für amtliche und
rechtliche Zwecke als Vertreter des Konzerns anzusehen waren“ (Randnr. 160 Absatz 4 der
Entscheidung).
87.
Schließlich erklärt die Kommission, nachdem sie durch den Einbringungsvertrag vom 15. Januar
1997 von der Gründung der Holdinggesellschaften HFB GmbH und HFB KG, auf die die Beteiligungen
an Isoplus Rosenheim und Isoplus Hohenberg übergegangen seien, und der Gründung der Isoplus
stille Gesellschaft erfahren habe, habe sie die Entscheidung nicht nur an Isoplus Hohenberg, Isoplus
Sondershausen und Isoplus Rosenheim gerichtet, sondern auch an die HFB GmbH und die HFB KG
sowie an die Isoplus stille Gesellschaft (Randnr. 160 der Entscheidung).
88.
Folglich hat die Kommission die Gründe dargelegt, aus denen sie die Henss- und Isoplus-
Unternehmen als De-facto-Konzern angesehen hat. Ferner hat sie erläutert, dass die Gruppe mangels
einer ihre Existenz zum Ausdruck bringenden Holdinggesellschaft zu Zwecken der Zustellung und der
Zahlung der Geldbuße über die zu ihr gehörenden Gesellschaften habe erfasst werden müssen.
89.
Daher ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
II -
90.
In Bezug auf die HFB GmbH und die HFB KG machen die Klägerinnen drei Klagegründe geltend, die
erstens die falsche Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, zweitens eine Verletzung der
Verteidigungsrechte und drittens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht betreffen.
A - Vorbringen der Parteien
91.
Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe die HFB GmbH und die HFB KG im Rahmen der
Gruppe Henss/Isoplus zu Unrecht als Gesamtschuldner mit den übrigen Klägerinnen zur Zahlung der
Geldbuße verpflichtet.
92.
Der Entscheidung zufolge habe die Zuwiderhandlung spätestens im März/April 1996 geendet. Da
die HFB GmbH und die HFB KG erst am 15. Januar 1997 gegründet worden seien und rechtlich erst mit
ihrer am 10. und 27. Februar 1997 erfolgten Eintragung in das Handelsregister entstanden seien,
hätten sie sich daran nicht beteiligen können. Da sie rechtlich vor 1997 nicht bestanden hätten,
könnten sie auch nicht für etwaige wettbewerbswidrige Verhaltensweisen anderer Unternehmen der
Gruppe Henss/Isoplus haftbar gemacht werden. Aufgrund der Unschuldsvermutung dürften Geldbußen
gegen Unternehmen in einem Verfahrennach Artikel 85 EG-Vertrag gemäß der Verordnung Nr. 17 nur
bei erwiesener schuldhafter oder zumindest fahrlässiger Beteiligung verhängt werden.
93.
Nur wenn ein Unternehmen in ein anderes umgewandelt oder - jeweils im Rahmen einer
Gesamtrechtsnachfolge - eingegliedert werde, könne mangels Änderung der wirtschaftlichen Identität
des Unternehmens dieses neue Unternehmen für Wettbewerbsverstöße des alten haftbar gemacht
werden. Die HFB KG habe ihre Beteiligungen an Isoplus Rosenheim und Isoplus Sondershausen von
natürlichen Personen, nämlich von Herrn und Frau Henss (Isoplus Rosenheim) sowie von Herrn und
Frau Papsdorf (Isoplus Sondershausen) erworben. Ein Unternehmen könne aber nicht als
Rechtsnachfolger natürlicher Personen haftbar gemacht werden, die Anteile an der Gesellschaft
besäßen, die die Zuwiderhandlung begangen habe, und als bloße Anteilseigner selbst kein
Unternehmen im Sinne der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag dargestellt hätten.
94.
Entgegen dem Vorbringen der Kommission habe es keineswegs unzählige ständige Ausformungen
der Gruppe Henss/Isoplus unter der Leitung von Herrn Henss gegeben. Beweggrund für die Errichtung
der HFB GmbH und damit auch der HFB KG sei eine etwaige leichtere Veräußerung diverser
Beteiligungen an Fernwärmetechnikunternehmen als Einheit gewesen. Gewisse
Stammkapitalerhöhungen und Einbringungsmaßnahmen hätten ausschließlich bilanzielle Gründe
gehabt. Diese Kapitalerhöhungen und Maßnahmen seien nach Beendigung der Zuwiderhandlung und
teilweise sogar nach Erlass der Entscheidung erfolgt.
95.
Die Beklagte trägt vor, die HFB GmbH und die HFB KG könnten für die Zuwiderhandlungen der
Gruppe Henss/Isoplus unabhängig davon mitverantwortlich gemacht werden, dass sie nicht selbst
gegen Wettbewerbsregeln verstoßen hätten und auch nicht Gesamtrechtsnachfolgerinnen von
Unternehmen seien, die derartige Verstöße begangen hätten.
96.
Eine juristische Person könne nämlich für Zuwiderhandlungen einer Gesellschaft, deren Kontrolle
sie übernommen habe, verantwortlich gemacht werden, auch wenn diese Zuwiderhandlungen vor
Erlangung der Kontrolle stattgefunden hätten (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der
Rechtssache T-308/94, Cascades/Kommission, Slg. 1998, II-925). Da die Kommission die HFB GmbH
und die HFB KG für die fraglichen Verstöße habe mitverantwortlich machen können, habe sie sie auch
in den Kreis der Schuldner der Geldbuße einbeziehen können (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in
den Rechtssachen T-339/94 bis T-342/94, Metsä-Serla u. a./Kommission, Slg. 1998, II-1727).
97.
Sie habe dadurch, dass sie die HFB GmbH und die HFB KG für die Zuwiderhandlungen haftbar
gemacht habe, keineswegs gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. Im vorliegenden Fall hätten die
Umstrukturierungen, über die die HFB GmbH und die HFB KG von Herrn Henss bestimmte
Beteiligungen und damit die unmittelbare Kontrolle über IsoplusRosenheim erworben hätten,
Umschichtungen innerhalb ein und desselben Unternehmens dargestellt, die von dessen einheitlicher
Leitung kontrolliert worden seien.
98.
Dass die Gesellschafter als solche keine Unternehmen seien, sei ohne Belang. Unternehmen
könnten aus verschiedenen Komponenten bestehen, von denen einige Betriebsfunktionen und
andere Leitungsfunktionen wahrnähmen. Im vorliegenden Fall habe die letztere Funktion in den
Händen von Herrn Henss gelegen und liege auch weiterhin dort; Herr Henss habe jedoch einen Teil
dieser Funktion an die HFB KG delegiert, die er selbst kontrolliere.
99.
Die Kommission wäre berechtigt gewesen, auch Herrn Henss persönlich für die Zuwiderhandlungen
von Isoplus Rosenheim zur Verantwortung zu ziehen, da diese Gesellschaft während des Zeitraums der
Zuwiderhandlungen ihre Politik nicht unabhängig von ihm habe bestimmen können; dies gelte umso
mehr, als andere Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus ebenfalls an der Zuwiderhandlung
teilgenommen hätten. Da Herr Henss die HFB GmbH über seine Kapitalbeteiligung kontrolliere und
nach wie vor deren Geschäftsführer sei, müssten sich diese Gesellschaft und auch die HFB KG sein
Wissen um die Zuwiderhandlungen der erworbenen Gesellschaft zurechnen lassen. Überdies könnte
der Wert der erworbenen Anteile durch die Zuwiderhandlung beeinflusst worden sein.
100.
Schließlich seien das legitime Interesse der Kommission, in die Vermögenswerte des Konzerns
unabhängig von Restrukturierungen der vorliegenden Art vollstrecken zu können, sowie die
Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die ihr im Fall einer Vollstreckung gegen Privatpersonen
entstehen könnten. Eine Restrukturierung wie sie mit der Gründung der HFB GmbH und der HFB KG
erfolgt sei, bei der Herr Henss als Veräußerer und Erwerber auf beiden Seiten des Geschäfts
gestanden habe, dürfe nicht dazu führen, dass die Kommission die Möglichkeit verliere, gegen den
neuen Inhaber der betreffenden Kapitalbeteiligungen vorzugehen.
B - Würdigung durch das Gericht
101.
Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission die Henss- und Isoplus-Gesellschaften als De-facto-
Konzern eingestuft, der als das an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen angesehen wurde.
Wegen des Fehlens einer die Gruppe Henss/Isoplus vertretenden Muttergesellschaft oder einer für die
Koordinierung der Tätigkeit dieser Gruppe verantwortlichen Gesellschaft hat die Kommission die
Verantwortung für die Zuwiderhandlung den Gesellschaften auferlegt, aus denen die Gruppe zum
Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bestand; dazu gehören auch die HFB GmbH und die HFB KG.
102.
Da aber die HFB GmbH und die HFB KG noch nicht bestanden, als die Zuwiderhandlung begangen
wurde, kann ihnen die Verantwortung dafür nicht mitder Begründung auferlegt werden, dass sie die
beanstandeten Tätigkeiten der übrigen Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus angeregt oder
koordiniert hätten (vgl. dazu Urteil Shell/Kommission, Randnr. 312).
103.
Die Verantwortung für die Zuwiderhandlung kann der HFB GmbH und der HFB KG auch nicht allein
wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe Henss/Isoplus zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung
auferlegt werden. Grundsätzlich muss die natürliche oder juristische Person, die das fragliche
Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, für diese einstehen, auch wenn zu
dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergeht, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird, eine
andere Person für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist (Urteile des Gerichtshofes vom
16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P, Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnr.
78, und in der Rechtssache C-297/98 P, SCA Holding/Kommission, Slg. 2000, I-10101, Randnr. 27).
Auch wenn man im vorliegenden Fall unterstellt, dass die HFB GmbH und die HFB KG als
Holdinggesellschaften für die gesamte Gruppe Henss/Isoplus oder einen Teil davon fungieren, trat
diese Situation erst nach der Zuwiderhandlung ein, so dass diesen beiden Gesellschaften die
Zuwiderhandlungen der Gruppe Henss/Isoplus vor deren vollständigem oder teilweisem Erwerb nicht
zugerechnet werden können.
104.
Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die für den Betrieb des Unternehmens
verantwortlichen juristischen Personen nach der Begehung der Zuwiderhandlung aufgehört hätten,
rechtlich zu existieren (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P,
Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 145). Die zum Zeitpunkt der Begehung der
Zuwiderhandlung verantwortlichen Gesellschaften bestehen aber unstreitig noch immer.
105.
Nach den Akten macht die Kommission die HFB GmbH und die HFB KG vor allem deshalb
gesamtschuldnerisch für die von der Gruppe Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung haftbar, weil
sie von Herrn Henss die von diesem ausgeübte Kontrolle über die Unternehmen der Gruppe und
insbesondere die direkte Kontrolle über Isoplus Rosenheim erlangt haben. Insoweit genügt der
Hinweis, dass die Kommission in der Entscheidung Herrn Henss nicht persönlich für die von der
Gruppe Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht hat, so dass der HFB
GmbH und der HFB KG nicht als wirtschaftlichen Nachfolgern eine Verantwortung auferlegt werden
kann, die bewusst zuvor nicht festgestellt wurde.
106.
Es trifft zu, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln unter bestimmten
Umständen dem wirtschaftlichen Nachfolger einer juristischen Person, die sie begangen hat, auch
dann zugerechnet werden kann, wenn diese Person zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, in
der diese Zuwiderhandlung festgestellt wird, nicht zu existieren aufgehört hat, damit die praktische
Wirksamkeit dieser Regeln nicht durch Änderungen insbesondere an der Rechtsform der betreffenden
Unternehmen in Frage gestellt wird (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. März 1999in der Rechtssache T-
134/94, NMH Stahlwerke/Kommission, Slg. 1999, II-239, Randnr. 127). Im Unterschied zu der
Rechtssache, die zum Urteil NMH Stahlwerke/Kommission führte, haben jedoch im vorliegenden Fall die
an der Zuwiderhandlung beteiligten natürlichen und juristischen Personen ihre wirtschaftlichen
Tätigkeiten in vollem Umfang fortgesetzt, während die HFB GmbH und die HFB KG zur Zeit der
Zuwiderhandlung noch nicht existierten.
107.
Zudem kann aus den dem Gericht im schriftlichen Verfahren und später in der mündlichen
Verhandlung gelieferten Informationen nicht geschlossen werden, dass es Machenschaften speziell
mit dem Ziel gab, den wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln verhängten Sanktionen zu entgehen
(vgl. Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 146).
108.
Folglich ist festzustellen, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen hat, als sie die HFB KG
und die HFB GmbH gesamtschuldnerisch für die Geldbuße wegen der Beteiligung der Gruppe
Henss/Isoplus an der Zuwiderhandlung haftbar machte. Daher braucht über den zweiten und den
dritten die HFB GmbH und die HFB KG betreffenden Klagegrund, mit denen eine Verletzung der
Verteidigungsrechte und der Begründungspflicht gerügt werden, nicht mehr entschieden zu werden.
109.
Die Artikel 3 Buchstabe d und 5 Buchstabe d der Entscheidung sind daher für nichtig zu erklären,
soweit sie die HFB KG und die HFB GmbH betreffen.
III -
A - Vorbringen der Parteien
110.
Die Klägerinnen und insbesondere Isoplus Hohenberg rügen, dass die Kommission die
Entscheidung auch an die Isoplus stille Gesellschaft als Unternehmen der Gruppe Henss/Isoplus
gerichtet habe. Die Isoplus stille Gesellschaft sei nach österreichischem Recht weder eine juristische
Person noch eine Handelsgesellschaft gewesen, sondern lediglich eine Innengesellschaft, die als
solche nicht selbständig Träger von Rechten und Pflichten habe sein können; verpflichtet worden sei
nur der Geschäftsinhaber. Außerdem sei die Isoplus stille Gesellschaft im September 1997 ohne
Liquidation aufgelöst worden; ihre Aktiva seien zum Zweck der Kapitalverstärkung auf Isoplus
Hohenberg übertragen worden.
111.
In diesem Rahmen sei zunächst gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstoßen worden, da die
Entscheidung an eine stille Gesellschaft gerichtet worden sei, die kein Unternehmen im Sinne der
Artikel 85 und 86 EG-Vertrag sei, weil sie keine juristische oder quasijuristische Person sei, und daher
nicht Adressat einer Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag
habe sein können.
112.
Ferner seien wesentliche Formvorschriften verletzt worden, da die Kommission in ihrer Entscheidung
eine Geldbuße gegen ein Unternehmen festgesetzt habe, dem als stille Gesellschaft keine
Parteifähigkeit im Sinne des österreichischen Rechts zukomme und das daher nicht habe gerichtlich
vorgehen können. Außerdem könne eine solche Entscheidung nicht an ein Unternehmen gerichtet
werden, das unabhängig von seiner rechtlichen Qualifikation zum Zeitpunkt des Erlasses der
Entscheidung rechtlich nicht mehr existiert habe, da es aufgelöst worden sei.
113.
Die Isoplus stille Gesellschaft habe auch keine Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten. Im
Rahmen der Anhörung vom 24. und 25. November 1997 hätten die Frage, ob einer stillen Gesellschaft
nach österreichischem Recht Rechtspersönlichkeit oder Quasi-Rechtspersönlichkeit und damit im
Prozessrecht Parteifähigkeit zukomme, sowie der Umstand der Auflösung der stillen Gesellschaft nicht
erörtert werden können, da der Anhörungsbeauftragte trotz eines entsprechenden Antrags ihres
Rechtsvertreters keine getrennte Anhörung zu diesen Punkten durchgeführt habe. In ihrer Antwort
vom 30. März 1998 auf das Auskunftsverlangen vom 24. Februar 1998 (im Folgenden: Schreiben vom
30. März 1998) sei auf die Problematik dieser stillen Gesellschaft daher nicht eingegangen worden.
Erst mit Schreiben an die Kommission vom 22. Oktober 1998 sei diese Problematik in den Raum
gestellt worden.
114.
Schließlich habe die Kommission gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, da die Entscheidung
keine Erläuterungen dazu enthalte, warum eine stille Gesellschaft österreichischen Rechts Adressat
einer Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag sein könne.
115.
Die Beklagte trägt vor, die Isoplus stille Gesellschaft habe, wie Isoplus Hohenberg selbst angebe,
beim Erlass der Entscheidung bereits nicht mehr existiert. Die Entscheidung sei daher insoweit ins
Leere gegangen. Hieraus lasse sich aber kein Klagegrund gegen die Entscheidung ableiten. Dasselbe
würde auch gelten, wenn die stille Gesellschaft beim Erlass der Entscheidung noch bestanden hätte.
Wie Isoplus Hohenberg selbst einräume, habe diese Gesellschaft keine Rechtspersönlichkeit, so dass
die Entscheidung ihr gegenüber keine Rechtswirkung habe entfalten und sie somit auch nicht habe
beschweren können.
B - Würdigung durch das Gericht
116.
Da die Isoplus stille Gesellschaft zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits aufgelöst
war, konnte diese ihr gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten. Folglich hat die Entscheidung
keine Rechtswirkungen entfaltet, soweit sie sich an die Isoplus stille Gesellschaft richtete.
117.
Da Isoplus Hohenberg, die stets Trägerin aller Rechte und Pflichten in Bezug auf die Isoplus stille
Gesellschaft war, selbst zu den Adressaten der Entscheidung gehört, hatte deren Aufnahme in den
Kreis der Adressaten der Entscheidung für Isoplus Hohenberg auch keine Rechtswirkungen, die über
die Tatsachehinausgingen, dass die Entscheidung an sie gerichtet wurde und dass sie
gesamtschuldnerisch für die gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzte Geldbuße haftbar gemacht
wurde.
118.
Da die Entscheidung ins Leere geht, soweit sie sich an die Isoplus stille Gesellschaft richtet und auf
diese bezieht, ist die Klage insoweit gegenstandslos, so dass über sie nicht entschieden zu werden
braucht.
IV -
119.
In Bezug auf alle Klägerinnen werden fünf Klagegründe geltend gemacht. Mit dem ersten
Klagegrund werden Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bei der Anwendung von Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag gerügt. Der zweite Klagegrund hat die Verletzung der Verteidigungsrechte zum
Gegenstand. Mit dem dritten Klagegrund wird geltend gemacht, die Leitlinien für das Verfahren zur
Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel
65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: neue Leitlinien oder
Leitlinien), seien rechtswidrig. Der vierte Klagegrund betrifft Verstöße gegen die Regeln über
Geldbußen in Wettbewerbssachen und gegen allgemeine Grundsätze sowie Beurteilungsfehler bei der
Ermittlung der Geldbuße. Mit dem fünften Klagegrund wird eine Verletzung der Begründungspflicht
gerügt.
A -
1. Zur Beteiligung an der Zuwiderhandlung vor Oktober 1994
120.
Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe zu Unrecht eine Zuwiderhandlung gegen
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag in der Zeit von Oktober 1991 bis Oktober 1994 angenommen. Insoweit
wenden sie sich erstens gegen die tatsächlichen Feststellungen und die damit zusammenhängende
Beweiswürdigung und zweitens gegen die rechtliche Würdigung durch die Kommission.
a) Zu den tatsächlichen Feststellungen und der Beweiswürdigung
Vorbringen der Parteien
121.
Die Klägerinnen tragen vor, die tatsächlichen Feststellungen erlaubten nicht die in Randnummer 41
der Entscheidung gezogene Schlussfolgerung, dass sich Henss/Isoplus und Pan-Isovit im Oktober
1991 der Zusammenarbeit zwischen den dänischen Herstellern angeschlossen hätten.
122.
Erstens könne aus der Teilnahme von Herrn Henss an verschiedenen Treffen des Geschäftsführer-
Clubs mit wettbewerbswidrigem Gegenstand nicht abgeleitetwerden, dass die Klägerinnen oder die
Gruppe Henss/Isoplus von Oktober 1991 bis Oktober 1994 an einem Kartell teilgenommen hätten.
123.
Was die in Randnummer 42 der Entscheidung genannten Treffen des Geschäftsführer-Clubs
anbelange, so könne Herr Henss bei den Besprechungen vom 9. oder 10. Oktober 1991, 1. April 1992,
11. November 1992 und 8. oder 9. September 1993 nicht anwesend gewesen sein. Vom 9. bis 12.
Oktober 1991 und vom 30. März bis 1. April 1992 habe er sich aus beruflichen Gründen in Budapest
befunden. Am Vorabend des 11. November 1992 habe er Brüssel verlasen, um am folgenden Tag
Gespräche mit seinen Anwälten am Sitz von Henss Rosenheim und anschließend mit einem
potenziellen Kunden zu führen. Vom 8. bis 10. September 1993 habe Herr Henss Termine in Frankfurt,
Prag und Opatovice (Tschechische Republik) wahrgenommen. Die Kommission könne nicht behaupten,
dass die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren die Teilnahme von Herrn Henss an diesen Treffen nicht
bestritten hätten. Eine Aufstellung aller Reisen von Herrn Henss in den Jahren 1991 bis 1996 sei der
Kommission bereits in der Antwort der Henss-Gesellschaften vom 22. April 1996 auf das
Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 (im Folgenden: Antwort der Henss-Gesellschaften) übermittelt
worden. In der Stellungnahme von Henss Rosenheim und Henss Berlin vom 30. Juni 1997 zur Mitteilung
der Beschwerdepunkte sei bestritten worden, dass am 10. Oktober 1991 überhaupt ein Treffen
stattgefunden habe.
124.
Bezüglich der Teilnahme von Herrn Henss an anderen als den oben genannten Besprechungen mit
ABB Isolrohr oder anderen Unternehmen von ABB sei festzustellen, dass zwischen Henss Rosenheim
und ABB Isolrohr ein Handelsvertretungsvertrag bestanden habe; Herr Henss habe daher als
Geschäftsführer von Henss Rosenheim an verschiedenen Besprechungen teilnehmen müssen, um ABB
Isolrohr über den Markt zu informieren.
125.
Zweitens sei zu den Preisen auf dem deutschen Markt zu sagen, dass sich Henss Rosenheim Ende
1991 durch Einschaltung ihres Rechtsanwalts und durch Erhebung einer Schiedsgerichtsklage gegen
die von ABB Isolrohr angekündigte Preiserhöhung um 6 % für die Lieferungen ihrer Produkte ab 1.
Januar 1992 gewehrt habe. Trotz des Abschlusses eines Schiedsvergleichs im Mai 1992 habe die
Festsetzung des Agentur- bzw. Verkaufspreises von ABB Isolrohr Ende 1993 wiederum zu
Auseinandersetzungen geführt, die Anfang 1994 noch nicht beendet gewesen seien. Daraus folge,
dass 1993 und 1994 auf dem deutschen Markt mit Sicherheit kein Preiskartell bestanden habe,
jedenfalls aber kein Kartell, an dem die Klägerinnen oder die Gruppe Henss/Isoplus beteiligt gewesen
seien. Außerdem sei es nicht zutreffend, wenn die Kommission ausführe, dass die
Auseinandersetzungen über die Erhöhung der Agenturpreise eingesetzt hätten, bevor es zu der
Preisvereinbarung zum 1. Januar 1992 gekommen sei, und dass Ähnliches für die
Auseinandersetzungen von 1993 und 1994 gelte. Nach den Handelsvertretungsverträgen habe ABB
Isolrohr zunächst ihre Preiserhöhungen ankündigen müssen, zu denen sich die Handelsvertreter
hätten äußern müssen.
126.
In Bezug auf die Bemerkung der Kommission in Randnummer 45 der Entscheidung, dass von einem
Mitarbeiter von ABB IC Møller für 1992 anhand von Angaben von Herrn Henss und einer Preisliste „K 3“
von ABB eine Preisliste für den deutschen Markt erstellt worden sei, sei festzustellen, dass Henss
Rosenheim als Handelsvertreter vertraglich verpflichtet gewesen sei, über die allgemeine
Preissituation laufend zu berichten. Die K-Preislisten seien lediglich für Handelsvertreter von ABB
Isolrohr bestimmte Einkaufslisten gewesen und hätten daher mit den in der Entscheidung erwähnten
„Europa-Preislisten“ von 1994 und 1995 nichts zu tun. Die Weitergabe von Informationen für die
Erstellung von Preislisten sei im Hinblick auf die Rechtsstellung des Handelsvertreters auch unter
Berücksichtigung der Bekanntmachung der Kommission vom 24. Dezember 1962 über
Alleinvertriebsverträge mit Handelsvertretern (ABl. 1962, Nr. 139, S. 2921) wettbewerbsrechtlich
unbedenklich.
127.
In ihrer Erwiderung führen die Klägerinnen aus, die Kommission habe nicht dargetan, dass auf der
Grundlage einer Buchprüfung im August 1993 eine Vereinbarung über die Marktaufteilung getroffen
worden sei. Anhang 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, der in einem Schreiben vom 19. August
1993 an ABB und den EuHP bestehe, das eine Aufstellung der Marktanteile der betreffenden
Unternehmen im Jahr 1992 und der vorgesehenen Marktanteile für 1994 enthalte, und auf den sich
die Kommission in Randnummer 50 ihrer Entscheidung stütze, könne nicht als Beweis für eine solche
Vereinbarung angesehen werden. Dieses Schreiben enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich
um das Ergebnis einer Buchprüfung handele. Und selbst wenn eine Buchprüfung stattgefunden
haben sollte, gehe aus Anhang 53 nicht hervor, dass die Klägerinnen oder die Gruppe Henss/Isoplus
oder auch sonstige Unternehmen mit Ausnahme von ABB IC Møller und des EuHP an dieser
Buchprüfung oder der Erstellung dieses Schriftstücks mitgewirkt hätten. Auch aus anderen der
Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten Unterlagen wie deren Anhängen 44 und 45 ergebe sich
nichts, das gegen den Standpunkt der Klägerinnen spreche, da sie nur handschriftliche
Aufzeichnungen über Marktanteile enthielten, die keinen Beweis darstellten.
128.
Im Übrigen spreche auch der Preisverfall außerhalb des dänischen Marktes zwischen 1990 und
1994 gegen die Annahme eines Kartells auf dem deutschen Markt. Insoweit könne nicht geltend
gemacht werden, dass der Preisrückgang allenfalls Zweifel am Erfolg des Kartells wecke. Ab dem
Zeitpunkt, zu dem angeblich ein europaweites Kartell tatsächlich gebildet worden sei, hätte nämlich
ein moderater Preisanstieg auf dem deutschen Markt und auf anderen Märkten eintreten müssen.
129.
Drittens hätten andere vom vorliegenden Verfahren betroffene Unternehmen, insbesondere
Løgstør, Tarco und Pan-Isovit, in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte
bestritten, dass ab Herbst 1990 ein fortgesetztes Kartell bestanden habe, und angegeben, dass die
Klägerinnen oder die GruppeHenss/Isoplus nicht am ersten Kartell dänischer Hersteller beteiligt
gewesen seien, sondern erst ab Oktober 1994 am zweiten, europaweiten Kartell. In Anbetracht
dessen, dass Løgstør und Tarco den Klägerinnen im vorliegenden Verfahren in anderer Hinsicht eine
Vielzahl wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorgeworfen hätten, hätten diese Angaben
entscheidende Beweiskraft. Das finnische Unternehmen Oy KWH Tech AB (im Folgenden: KWH), das
nach Angaben der Kommission am Kartell teilgenommen habe, habe in seiner Stellungnahme zur
Mitteilung der Beschwerdepunkte ebenfalls erklärt, nichts darüber zu wissen, dass die Firmen Henss
und Pan-Isovit mit den dänischen Unternehmen seit Anfang der neunziger Jahre kooperiert haben
sollten.
130.
Was die angebliche Beteiligung am Kartell vor 1994 angehe, so hätten die Unternehmen der
Gruppe Henss/Isoplus im Oktober 1991 schon allein aufgrund ihrer Marktposition eine wirtschaftlich
untergeordnete Rolle gespielt und seien damit uninteressant für eine Einbeziehung in das dänische
Kartell gewesen. Henss Rosenheim und Henss Berlin, die auch Handelsvertreterverträge mit Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen geschlossen hätten, hätten deutlich mehr Umsatz mit ABB-
Isolrohr-Produkten gemacht bzw. vermittelt als mit Produkten der Isoplus-Unternehmen. Isoplus
Hohenberg sei 1990 erstmals auf dem Markt, vor allem in Österreich, aufgetreten, während Isoplus
Sondershausen, die 1991 von Isoplus Hohenberg erworben worden sei, erst 1992 als Produzent
vorisolierter Fernwärmerohre auf dem deutschen Markt aufgetreten sei. Zur Behauptung der
Kommission in ihrer Klagebeantwortung, der Umsatz der Isoplus-Unternehmen sei höher als der von
ABB Isolrohr, sei festzustellen, dass sich der für Isoplus angegebene Umsatz auf den europäischen
Markt beziehe, während der für ABB Isolrohr genannte Umsatz nur den deutschen Markt betreffe.
131.
Die Teilnahme der zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Unternehmen an einem Kartell vor 1994 sei
außerdem in Anbetracht ihres Verhaltens in Bezug auf den dänischen Markt ausgeschlossen. Isoplus
Hohenberg habe 1992 beiläufig Kenntnis von einer Kartellabsprache zwischen den dänischen
Herstellern erhalten, die es ihnen ermöglicht habe, höhere Preise auf dem dänischen Markt zu
verlangen und Isoplus Hohenberg auf dem österreichischen und dem deutschen Markt bei den
Preisen unter Druck zu setzen. Aus diesem Grund habe Isoplus Hohenberg in Dänemark die Isoplus
Fjernvarmeteknik A/S gegründet, über die sie Preise unter dem in Dänemark üblichen Niveau
angeboten habe. Dieses aggressive Auftreten auf dem dänischen Markt habe in Verbindung mit dem
Eindringen von Pan-Isovit, die ebenfalls niedrigere Preise angewandt habe, in diesen Markt bewirkt,
dass das Kartell der dänischen Hersteller 1993 zusammengebrochen sei.
132.
Wie die Kommission in Randnummer 48 ihrer Entscheidung bestätige, habe ABB IC Møller im März
1993 über Vertreter bei Isoplus Hohenberg wegen einer Kooperation, Beteiligung oder Übernahme
angefragt. Durch Vermittlung von Herrn Henss habe auch ABB Isolrohr am 15. April 1993 ein Gespräch
mit der Geschäftsleitung von Isoplus Hohenberg geführt, in dessen Verlauf Isoplus Hohenberg
aufgefordert worden sei, sich vom dänischen Markt zurückzuziehen;falls sie sich weigere, würden ABB
IC Møller und Løgstør die anderen dänischen Hersteller veranlassen, in Österreich ebenfalls eine
eigene Niederlassung zu gründen, die eine aggressive Preispolitik verfolgen werde. Nachdem Isoplus
Hohenberg es bei diesem Gespräch abgelehnt habe, sich vom dänischen Markt zurückzuziehen, seien
Tarco und Dansk Rørindustri tatsächlich auf dem österreichischen Markt aufgetreten, wenn auch
durch Vertreter. Dies habe dazu geführt, dass auf dem österreichischen Markt 1994 ein aggressiver
Preiskampf eingetreten sei, der Isoplus Hohenberg in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten
gebracht habe.
133.
Insoweit könnten weder das aggressive Auftreten von Isoplus Fjernvarmeteknik noch die
Reaktionen von ABB IC Møller darauf als bloße Machtkämpfe innerhalb des Kartells eingestuft werden.
In einem rechtswidrigen Preis- und Quotenkartell sei es ausgeschlossen, dass ein Kartellmitglied
außerhalb der ihm zugewiesenen Quoten oder Gebiete den Markt störe und Produkte zu Kampfpreisen
anbiete.
134.
Viertens komme noch hinzu, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften bis Sommer 1995 nicht in
den EuHP aufgenommen worden seien, der zu Zwecken des unlauteren Wettbewerbs gegen diese
Unternehmen eingesetzt worden sei. Auch dies zeige, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften vor
Oktober 1994 nicht an Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 EG-Vertrag teilgenommen hätten. Es
hätte aller wirtschaftlichen Vernunft widersprochen, einem Teilnehmer am Kartell die Aufnahme in
einen Verband wie den EuHP, dem die anderen Kartellmitglieder angehörten, zu verwehren, da in
diesem Verband Informationen ausgetauscht worden seien, die jedes Kartellmitglied habe erhalten
können. Es wäre auch widersinnig gewesen, den EuHP gegen Kartellmitglieder einzusetzen oder es
diesen zu verwehren, sich auf die Einhaltung der vom Verband geförderten Qualitätsnormen zu
berufen. Die Aufnahme in den EuHP im Sommer 1995 sei letztlich deshalb erfolgt, weil die Isoplus-
Gesellschaften im Oktober 1994 unter dem Druck der Marktverhältnisse und von ABB dem
europäischen Kartell beigetreten seien. Was die Rolle von Herrn Henss anbelange, so erkläre sich
sein Eintreten für Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen beim EuHP, das fallweise auch nach
dessen offiziellen Sitzungen erfolgt sei, damit, dass Henss Rosenheim auch den Vertrieb der Produkte
der Isoplus-Gesellschaften übernommen habe.
135.
Schließlich habe sich die Kommission mit pauschalen Tatsachenangaben begnügt und von ganz
wenigen Ausnahmen abgesehen keine Beweiswürdigung vorgenommen; damit habe sie gegen die in
Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK) verankerte Unschuldsvermutung verstoßen.
136.
Die Beklagte trägt vor, sie habe klar festgestellt, dass sich die Gruppe Henss/Isoplus ab Oktober
1991 an der Zusammenarbeit der dänischen Hersteller in Bezug auf den deutschen Markt beteiligt
habe. Da diese Schlussfolgerung auf den in den Randnummern 41 ff. der Entscheidung dargelegten
Gesichtspunkteneinschließlich derjenigen beruhe, die die Klägerinnen ihres Erachtens entlasteten,
habe die Kommission nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.
Würdigung durch das Gericht
137.
Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit
wettbewerbswidrigem Zweck teil und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen, so dass
es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt
und sich daran halten wird, so kann nach ständiger Rechtsprechung der Nachweis als erbracht
angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat
(vgl. Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules
Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 232, vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-
12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnr. 98, und vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-
141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnrn. 85 und 86).
138.
Herr Henss nahm vor Oktober 1994 an einer Reihe von Treffen mit den dänischen Herstellern und
Pan-Isovit teil. So ist unstreitig, dass er bei den in Randnummer 42 der Entscheidung genannten
Treffen vom 10. Dezember 1991, 6. März 1992, 30. Juni 1992, 11. August 1992, 20. April 1993, 30. Juni
1993 und 18. oder 19. August 1993 anwesend war.
139.
Zu den Treffen, an denen Herr Henss nach Angaben der Klägerinnen nicht teilnahm, ist
festzustellen, dass die Übersicht über seine Reisen außerhalb Deutschlands, die die Klägerinnen ihrer
Antwort vom 22. April 1996 auf das Auskunftsverlangen beigefügt haben und auf die sie sich zum
Nachweis der Abwesenheit von Herrn Henss bei bestimmten Treffen stützen, mehrere
Ungenauigkeiten aufweist. So ist in der Übersicht für den 10. November 1992 eine Reise nach Brüssel
zwecks „Vertragsauflösung“ mit „ABB, Herr Bruun??“ aufgeführt. Angesichts der an Herrn Henss
gerichteten Einladungen für ein Treffen am 10. November 1992 in Brüssel nach einer Sitzung des
EuHP (Anhänge 42 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) handelte es sich jedoch
höchstwahrscheinlich in Wirklichkeit nicht um ein bilaterales Treffen mit ABB, sondern um ein Treffen
mit den übrigen Kartellteilnehmern in Anwesenheit des Koordinators des Kartells, Herrn Brun Hansen,
wie durch handschriftliche Notizen, die bei diesem Treffen angefertigt wurden (Anhang 44 der
Mitteilung der Beschwerdepunkte), sowie durch die Antwort von ABB vom 4. Juni 1996 auf das
Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 (im Folgenden: Antwort von ABB) bestätigt wird. Ferner enthält
die Übersicht für einige Treffen Informationen, mit denen die Anwesenheit von Herrn Henss in Abrede
gestellt wird, obwohl sie in der Klageschrift nicht mehr bestritten wird; dies gilt für das Treffen in
Kopenhagen am 30. Juni 1993, für den in der Übersicht eine Reise nach Budapest aufgeführt ist, und
für das Treffen in Zürich am 18. oder 19. August 1993, an denen der Übersicht zufolge eine „private“
Reise stattfand. Zudem hat die Kommission darauf hingewiesen, dass in der Übersicht für den
Zeitraum, in dem die Teilnahme amKartell nicht mehr bestritten wird, bestimmte Angaben über Treffen
fehlen, deren Gegenstand das Vorliegen eines Kartells hätte aufdecken können.
140.
In diesem Kontext sind für die Zeit von Oktober 1991 bis Oktober 1994 die von der Kommission in
den Randnummern 38 ff. der Entscheidung gesammelten Beweise und daraus gezogenen Schlüsse zu
prüfen.
141.
Erstens ist zu prüfen, ob die Kommission in den Randnummern 34 und 44 ihrer Entscheidung
zutreffend die Ansicht vertreten hat, dass sich Henss/Isoplus der Vereinbarung angeschlossen habe,
die im Herbst 1991 zwischen den dänischen Herstellern über eine Anhebung der Preise für 1992
außerhalb Dänemarks getroffen worden sei.
142.
Dass es eine Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise in Deutschland für 1992 gab,
haben sowohl ABB in ihrer Antwort als auch Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte anerkannt, auch wenn ABB erklärt, dass eine solche Vereinbarung bei dem Treffen
am 9. oder 10. Oktober 1991 in Frankfurt geschlossen worden sei, während sie nach Angaben von
Løgstør bei dem Treffen am 10. Dezember 1991 in Hamburg zustande kam. Zudem sind die von ABB in
ihrer oben genannten Antwort geschilderten und in Randnummer 44 der Entscheidung erwähnten
entscheidenden Bestandteile der Vereinbarung in kurzen handschriftlichen Vermerken von Løgstør
zum Treffen vom 10. Dezember 1991 (Anhang 36 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu finden, in
denen u. a. die „Mindestpreisliste für Kunden“, Preise „ab Werk + 7 %“, „Monatliche Treffen“ und die
„Liste 13.1.92“ erwähnt werden. Auf der Grundlage aller dieser Gesichtspunkte war die Kommission zu
der Annahme berechtigt, dass spätestens um den 10. Dezember 1991 zumindest eine Vereinbarung
über die Erhöhung der Bruttopreise in Deutschland getroffen wurde.
143.
Zur Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an dieser Vereinbarung ist festzustellen, dass nach den
Angaben von Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte das Treffen am 9.
oder 10. Oktober 1991 das erste Treffen war, an dem auch die „deutschen Hersteller“ teilnahmen,
während ABB in ihrer Antwort die Anwesenheit von Herrn Henss bei den Treffen am 9. oder 10.
Oktober 1991 und am 10. Dezember 1991 erwähnt. Angesichts dieser Angaben ist die Teilnahme von
Herrn Henss an den Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 und am 10. Dezember 1991 hinreichend
erwiesen. Die übereinstimmenden Angaben zu seiner Anwesenheit beim erstgenannten Treffen
können nicht durch die oben genannte Übersicht über seine Reisen entkräftet werden, da die darin
enthaltenen Informationen nicht sehr glaubhaft sind und der dort erwähnte Aufenthalt von Herrn
Henss in Budapest vom 9. bis 12. Oktober 1991 jedenfalls nicht ausschließt, dass er am 9. Oktober
1991 noch vor seiner Abreise nach Budapest an einem Treffen teilnahm.
144.
Angesichts des Inhalts der Gespräche am 9. oder 10. Dezember 1991 und am 10. Dezember 1991,
der durch die Angaben von ABB und Løgstør sowie durch die in Anhang 36 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte enthaltenen Vermerke von Løgstør bestätigt wird, hat die Kommission aus der
Anwesenheit von Herrn Henss bei diesen Treffen zutreffend geschlossen, dass er und folglich die
Gruppe Henss/Isoplus an der Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise in Deutschland
teilnahmen.
145.
Zweitens hat die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen, dass die Gruppe Henss/Isoplus in den
Jahren 1992 und 1993 am Informationsaustausch über die Marktanteile teilnahm, der Ende 1993 zu
einer Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes führte.
146.
Zunächst ergibt sich aus einem Vermerk, der von Dansk Rørindustri bei einem Treffen im Jahr 1992
verfasst wurde (Anhang 37 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), und aus ihrer Antwort vom 23. Mai
1996 auf das Auskunftsverlangen, dass Informationen über die 1992 bestehenden und die für das
folgende Jahr erwarteten Marktanteile der dänischen Hersteller, von Pan-Isovit und von Henss/Isoplus
ausgetauscht wurden. An dem Treffen am 10. November 1992, bei dem nach den dort von Tarco
angefertigten Notizen (Anhang 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) Zahlen über die Marktanteile
ausgetauscht wurden, nahm Herr Henss teil, wie durch die Einladungsschreiben zu diesem Treffen
(Anhänge 42 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und durch Tarco in ihrer Antwort vom 31.
Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen bestätigt wird. Ferner ergibt sich aus dieser Antwort von Tarco,
dass die in Anhang 49 der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Zahlenangaben zu den
Marktanteilen der Unternehmen auf den verschiedenen nationalen Märkten, einschließlich der
Marktanteile von „Isoplus“, am 19. April 1993 ausgetauscht wurden, also einen Tag vor dem Treffen
am 20. April 1993, an dem Herr Henss unstreitig teilnahm.
147.
Überdies hat ABB in Bezug auf die Aufteilung des deutschen Marktes eingeräumt, dass die
Hersteller nach einer Buchprüfung zur Ermittlung ihrer Umsatzzahlen für 1992 am 18. August 1993
eine Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes entsprechend den Marktanteilen im
Jahr 1992, über die Erstellung einer neuen einheitlichen Preisliste und über die spätere Ausarbeitung
eines Planes für Sanktionen getroffen hätten (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Die Verhandlungen
über die Verteilung der Marktanteile seien bei den Treffen am 8. oder 9. September 1993 in
Kopenhagen und dann in Frankfurt fortgesetzt worden (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996).
148.
Hinsichtlich der Buchprüfung zur Ermittlung der Umsatzzahlen für 1992 entspricht die Darstellung
von ABB den Schlüssen, die aus einem Vermerk von ABB IC Møller vom 19. August 1993 (Anhang 53
der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu ziehen sind, der eine Tabelle enthält, in der für die
dänischen Hersteller sowie für Pan-Isovit und „Isoplus/Henss“ Umsatz und Marktanteil für 1992 sowie
eine den für 1994 vorgesehenen Marktanteil repräsentierende Zahl angegeben sind.Nach Angaben
von ABB wurden die Daten über Umsätze und Marktanteile der betreffenden Unternehmen von einer
Schweizer Prüfungsgesellschaft geliefert (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Løgstør hat in ihrer
Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass es eine Buchprüfung durch eine
Schweizer Prüfungsgesellschaft gab. Sie behauptet zwar, dass sie nur eine Prüfung der Verkäufe ihres
Vertriebshändlers in Deutschland verlangt habe, um zuverlässige Daten über das Gesamtvolumen des
deutschen Marktes zu liefern, doch ist es schwer vorstellbar, dass ein Unternehmen mit einer
Prüfungsgesellschaft zusammenarbeitet und ihr seine Umsatzzahlen allein deshalb zur Verfügung
stellt, um anschließend seinen eigenen Anteil am Gesamtmarkt ermitteln zu können, während die
übrigen Unternehmen, die derselben Prüfung zugestimmt haben, davon ausgehen, dass ihnen alle
Informationen über die Marktanteile übermittelt werden.
149.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist die Erstellung einer detaillierten Übersicht, wie sie der
Vermerk von ABB IC Møller enthält, ein hinreichender Beleg dafür, dass die Gruppe Henss/Isoplus zum
Austausch von Informationen der auf dem deutschen Markt tätigen Unternehmen über ihre
bestehenden und voraussichtlichen Marktanteile beigetragen hat. Die Behauptung der Klägerinnen,
ABB sei über den Absatz der Henss-Unternehmen wegen des zwischen ihnen bestehenden
Handelsvertretungsvertrags informiert gewesen, ändert nichts an der Feststellung, dass ABB über
genaue Umsatzzahlen von „Henss/Isoplus“ verfügte, deren Richtigkeit nicht in Abrede gestellt worden
ist; sie erstreckten sich somit auch auf die Tätigkeiten der Isoplus-Gesellschaften und gingen folglich
über die bloße Tätigkeit der Henss-Gesellschaften als Handelsvertreter von ABB hinaus.
150.
Da die Mitwirkung der Gruppe Henss/Isoplus an der Erstellung der im Vermerk von ABB IC Møller
wiedergegebenen Übersicht erwiesen ist, braucht die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerinnen,
es sei nicht dargetan, dass sich diese Übersicht auf die Ergebnisse einer Buchprüfung beziehe, nicht
geprüft zu werden.
151.
Drittens wird hinsichtlich des Abschlusses einer Grundsatzvereinbarung über die Aufteilung des
deutschen Marktes die von ABB in ihrer Antwort vertretene These, dass sich die Unternehmen im
August 1993 über die Aufteilung des deutschen Marktes geeinigt hätten, auch wenn die genauen
Marktanteile jedes Beteiligten noch Gegenstand von Verhandlungen gewesen seien, die von Treffen
zu Treffen fortgesetzt worden seien, nicht nur durch die Nennung der Marktanteile für 1994 im oben
genannten Vermerk von ABB IC Møller, sondern auch durch einen Vermerk von Pan-Isovit vom 18.
August 1993 (Anhang 52 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und durch ein Schriftstück von ABB
(Anhang 7 der Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, die
zusammengenommen zeigen, dass im August und im September 1993 weiter über die Aufteilung der
Marktanteile in Deutschland verhandelt wurde.
152.
Zum einen werden solche Verhandlungen durch den oben genannten Vermerk vom 18. August
1993 bestätigt, den Pan-Isovit für ihre Muttergesellschaft über einen Besuch bei Løgstør am 3. August
1993 erstellte und aus dem hervorgeht, dass Pan-Isovit darüber informiert wurde, dass Løgstør „an
Preisabsprachen grundsätzlich interessiert [ist], aber nur wenn [ihr] Marktanteil ... stimmt“, und dass
sie „in Absprache mit ABB Anstrengungen [unternimmt,] um Tarco in DK und D unter Kontrolle zu
bringen“.
153.
Zum anderen wird durch das Schriftstück in Anhang 7 der Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung
der Beschwerdepunkte bestätigt, dass im September 1993 hinsichtlich der Marktaufteilung nur noch
die Höhe der individuellen Quoten erörtert zu werden brauchte. Bei dem fraglichen Schriftstück, das
ein auf der Buchprüfung in Bezug auf die Umsätze, den bei Überschreitung der zugeteilten Quoten zu
leistenden Zahlungen und einer einheitlichen Preisliste beruhendes System zur Aufteilung des
deutschen Marktes beschreibt, handelt es sich nach den Angaben, die Løgstør in ihrer Stellungnahme
zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht hat, um einen Vorschlag von ABB, der im September
1993 bei ihr einging und von Pan-Isovit und der Gruppe Henss/Isoplus unterstützt wurde. Die in diesem
Vorschlag enthaltenen Prozentsätze der Marktanteile entsprechen den Zahlen im oben genannten
Vermerk von ABB IC Møller („26“ für Pan-Isovit, „25“ für ABB Isolrohr, „12“ für Løgstør, „4“ für Dansk
Rørindustri), außer bei Tarco und Henss/Isoplus, denen im letztgenannten Schriftstück „17“ und „16“
zugeteilt werden, während im Vorschlag von ABB „17,7 %“ und „15,3 %“ aufgeführt sind. Zur Erhöhung
des Anteils von Tarco ist festzustellen, dass nach den Angaben in der Antwort von ABB die Zahlen für
1994 im Vermerk von ABB IC Møller „die bei dem Treffen am 18. August [1993] getroffene
Vereinbarung widerspiegeln, nach der diese Marktanteile mit geringen Anpassungen im Anschluss an
die Erörterungen bei diesem Treffen für 1994 beibehalten werden sollten“, und der Gegenstand des
Treffens am 8. oder 9. September 1993 „die Fortsetzung der Verhandlungen über die Zuteilung der
Marktanteile nach dem Bericht der [Schweizer Prüfungsgesellschaft] gewesen zu sein [scheint]: Tarco
bestand offenbar darauf, 18 % des deutschen Marktes zu erhalten.“ Aus der Übereinstimmung
zwischen den Angaben von ABB und der von ABB, Pan-Isovit und Henss/Isoplus im September 1993
vorgeschlagenen Erhöhung des Marktanteils von Tarco gegenüber dem im August 1993 im Vermerk
von ABB IC Møller genannten Anteil ist zu schließen, dass es nach den Treffen im August und
September 1993 zumindest zwischen bestimmten Unternehmen eine Vereinbarung über die Aufteilung
des deutschen Marktes gab, auch wenn die Diskussion über die Quoten noch fortgesetzt wurde.
154.
Die aufeinander folgenden Treffen, bei denen die Unternehmen die Aufteilung der Marktanteile
erörterten, wären nämlich nicht möglich gewesen, wenn zu dieser Zeit bei den Teilnehmern an diesen
Treffen kein gemeinsamer Wille bestanden hätte, die Verkäufe auf dem deutschen Markt durch eine
Aufteilung der Marktanteile auf die einzelnen Wirtschaftsteilnehmer zu beschränken.
155.
Unter diesen Umständen hat die Kommission aus der Fortsetzung von Treffen über die Aufteilung
der Marktanteile im August und September 1993 zutreffend geschlossen, dass es zwischen den
Teilnehmern an diesen Treffen eine Vereinbarung gab, die sich zumindest auf eine grundsätzliche
Aufteilung des deutschen Marktes erstreckte.
156.
Eine solche Schlussfolgerung ist nicht mit der von den Klägerinnen angeführten Erklärung von ABB
IC Møller unvereinbar, sie sei überzeugt, dass es vor 1994/95 keine Vereinbarung zwischen den auf
dem deutschen Markt tätigen Lieferanten über die Marktanteile in Deutschland gegeben habe
(Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Diese Erklärung ist im Zusammenhang mit den übrigen
Abschnitten des fraglichen Schriftstücks zur Erörterung der Aufteilung des deutschen Marktes zu
sehen. Darin heißt es, bei dem Treffen am 30. Juni 1993 sei vereinbart worden, eine
Prüfungsgesellschaft mit der Prüfung der Verkäufe von 1992 zu beauftragen, auf deren Grundlage
eine endgültige Vereinbarung über die Marktanteile geschlossen werde; die Kosten dieser Prüfung
würden unter den Gesellschaften anhand ihrer von der Prüfungsgesellschaft ermittelten Marktanteile
aufgeteilt. Ferner sei am 18. August 1993 vereinbart worden, die Aufteilung der Marktanteile im
Bericht der Prüfungsgesellschaft in groben Zügen für 1994 beizubehalten, womit Tarco nicht
einverstanden gewesen sei. Die Zahlen für 1994 spiegelten die bei dem Treffen am 18. August 1993
getroffene Vereinbarung wider, nach der diese Marktanteile mit geringen Anpassungen im Anschluss
an die Erörterungen bei diesem Treffen für 1994 beibehalten werden sollten. Die Verhandlungen über
die Aufteilung der Marktanteile seien insbesondere bei dem Treffen am 8. oder 9. September 1993
fortgesetzt worden, und am Abend des gleichen Tages habe offenbar ein weiteres Treffen in Frankfurt
stattgefunden; aus den von ABB IC Møller geführten Gesprächen gehe aber nicht klar hervor, ob bei
diesem Treffen eine Vereinbarung über die Quoten zustande gekommen sei. Zu dieser Zeit habe
allerdings die Absicht bestanden, eine schriftliche Vereinbarung mit allen Anbietern auf dem
deutschen Markt zu treffen, sobald eine Einigung über die Marktanteile erzielt worden sei, um die
Durchführung der Aufteilung zu vereinfachen. Tatsächlich sei keine schriftliche Vereinbarung
unterzeichnet worden, und der Konsens, der sich im September abgezeichnet habe, sei jedenfalls nur
von kurzer Dauer gewesen.
157.
Daraus folgt, dass es, auch wenn die Teilnehmer an den Verhandlungen zu keiner Vereinbarung
über die jedem von ihnen zuzuteilenden Marktanteile kamen, gleichwohl zu einem bestimmten
Zeitpunkt einen „Konsens“ über die grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes gab.
158.
Zur Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an dieser Vereinbarung ist festzustellen, dass Herr Henss
unstreitig an den Treffen am 30. Juni 1993 in Kopenhagen und am 18. oder 19. August 1993 in Zürich
teilnahm. Zudem sind die Angaben von ABB, dass am 8. oder 9. September 1993 ein Treffen mit Herrn
Henss in Frankfurt stattgefunden habe (Antwort vom 4. Juni 1996), nicht mit der Behauptung
derKlägerinnen unvereinbar, dass Herr Henss am 8. September 1993 einen Termin in Frankfurt und
am 9. September 1993 in Prag gehabt habe. Angesichts der Anwesenheit von Herrn Henss bei den
genannten Treffen und der Tatsache, dass die Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen
Marktes, wie aus dem Vermerk von ABB IC Møller hervorgeht, einen Marktanteil für Henss/Isoplus
umfassten, ist es als erwiesen anzusehen, dass die Gruppe Henss/Isoplus an den Verhandlungen
teilnahm, die etwa im September 1993 zu einem Konsens über die grundsätzliche Aufteilung des
deutschen Marktes führten.
159.
Viertens hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Gruppe Henss/Isoplus nach dem Treffen
am 3. Mai 1994 an einer Vereinbarung über eine Preisliste für den deutschen Markt teilnahm.
160.
Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie bei dem Treffen am 3. Mai 1994 vertreten waren. Insoweit
wird die Erklärung von ABB, dass es eine Preisliste gab, die nach diesem Treffen bei allen Lieferungen
an deutsche Anbieter angewandt werden sollte (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996), durch das
Schreiben vom 10. Juni 1994 bestätigt, mit dem der Koordinator des Kartells Herrn Henss und die
Geschäftsführer von ABB, Dansk Rørindustri, Løgstør, Pan-Isovit und Tarco zu einem für den 18. August
1994 vorgesehenen Treffen einlud (Anhang 56 der Mitteilung der Beschwerdepunkte); darin heißt es:
„[Der] Termin für die vereinbarte Besprechung über [die] Marktsituation in [der BRD] ist jetzt auf
Donnerstag 11 Uhr, den 18. August 1994, ... festgelegt.
Da die Liste vom 9. Mai 1994 in einigen Positionen unvollständig ist und es somit bei
Angebotsvergleichen zu erheblichen Konfrontationen und Interpretationsunterschieden geführt hat,
erlaube ich mir, die fehlenden Positionen durch beiliegende Liste zu ergänzen.“
161.
Aus diesem Schreiben geht hervor, dass es eine Preisliste gab, die bei der Abgabe von Angeboten
angewandt werden sollte und bereits angewandt wurde, auch wenn dabei Probleme aufgetreten
waren. Die Existenz einer solchen Liste wird durch Tarco bestätigt, die eine vom Koordinator des
Kartells den Geschäftsführern „vermutlich im Mai 1994“ übermittelte Preisliste erwähnt (Antwort von
Tarco vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen). Nach den Angaben von ABB wurden sodann bei
dem Treffen am 18. August 1994 in Kopenhagen Maßnahmen zur „Verbesserung“ des Preisniveaus in
Deutschland erörtert (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996); die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie
bei diesem Treffen vertreten waren. Unter diesen Umständen durfte die Kommission aus der
Anwesenheit der Klägerinnen bei den Treffen am 3. Mai und am 18. August 1994 auf ihre Beteiligung
am Preislistensystem schließen.
162.
Fünftens ist zur späteren Beteiligung der Klägerinnen am Kartell darauf hinzuweisen, dass sie die
Angaben zur Teilnahme von Herrn Henss am Treffen vom 7. Oktober 1994 in Hamburg (Antwort von
Tarco vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen) und am Treffen vom 16. November 1994
(Antwort von ABB vom 4. Juni 1996) nicht in Abrede gestellt haben. Nach den Angaben von ABB
(Antwort vom 4. Juni 1996) und von Tarco (Antwort vom 31. Mai 1996) war das Treffen am 7. Oktober
1994 aber das erste einer Reihe von Treffen, bei denen die deutsche Kontaktgruppe zusammentrat
und in deren Rahmen Verhandlungen über die Preise und die Aufteilung des deutschen Marktes
stattfanden. Zum zweiten Treffen geht aus den Angaben von ABB (Antwort vom 4. Juni 1996) und von
Pan-Isovit (Antwort vom 17. Juni 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996) hervor, dass es
sich um ein Treffen des Geschäftsführer-Clubs handelte, bei dem die betroffenen Unternehmen eine
Aufteilung der Marktanteile auf europäischer Ebene beschlossen.
163.
Angesichts der Angaben der Klägerinnen in ihren Schriftsätzen, sie hätten im Oktober 1994 erklärt,
„noch im Oktober 1994 grundsätzlich diesem rechtswidrigen europaweiten Kartell ... beizutreten“, ist
es als erwiesen anzusehen, dass sie sich durch ihre Anwesenheit bei den Treffen der deutschen
Kontaktgruppe ab Oktober 1994 der Zusammenarbeit zwischen den Herstellern anschlossen, die
Gegenstand dieser Treffen war.
164.
Keines der übrigen von den Klägerinnen vorgetragenen Argumente ist geeignet, diese aus der
Anwesenheit von Herrn Henss bei den Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand gezogenen
Schlüsse in Frage zu stellen.
165.
Das erste Argument, die übrigen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen hätten die
Kartellteilnahme der Klägerinnen vor 1994 nicht anerkannt oder nichts von ihr gewusst, ist irrelevant.
Nach dem Vorstehenden ergeben sich sowohl der wettbewerbswidrige Charakter der genannten
Treffen als auch die Anwesenheit von Herrn Henss bei den entscheidenden Zusammenkünften aus
einer Reihe von Beweisen, insbesondere aus mehreren bei den betreffenden Unternehmen
gefundenen Schriftstücken und aus Aussagen einiger dieser Unternehmen. Insoweit ist darauf
hinzuweisen, dass Løgstør und Tarco die Anwesenheit der Klägerinnen bei den besagten Treffen am 9.
oder 10. Oktober 1991 und am 10. November 1992 ausdrücklich bestätigt haben. Zudem reicht die
bloße Tatsache, dass andere Unternehmen bestreiten, dass es auf dem deutschen Markt vor 1994
ein Kartell gab, nicht aus, um ein anderes Licht auf die Beweise für die Teilnahme der Klägerinnen an
diesem Kartell zu werfen.
166.
Angesichts der Beweise für die Kartellteilnahme der Klägerinnen ab Oktober 1991 kann ihre
Teilnahme für die Zeit bis Herbst 1993 nicht unter Hinweis darauf bestritten werden, dass das Kartell
ab Oktober 1993 für einige Monate ausgesetzt worden sei. Da die Kommission eine solche
„Aussetzung“ des Kartells in Randnummer 153 ihrer Entscheidung anerkannt und diesen
Zeitraumausgenommen hat, als sie die Dauer der Beteiligung der Klägerinnen an der
Zuwiderhandlung berechnete, kann ihr hinsichtlich des fraglichen Zeitraums nicht vorgeworfen
werden, einen Fehler bei der Würdigung der Beweise für diese Beteiligung begangen zu haben.
167.
Auch das zweite Argument, es sei nach keiner Preisabsprache tatsächlich zu einer Erhöhung der
Marktpreise gekommen, greift nicht durch. Bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
brauchen die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich
ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb
des Gemeinsamen Marktes bezweckte (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den
Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 390,
Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 99, und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-199/92 P,
Hüls/Kommission, Slg. 1999, I-4287, Randnr. 178; Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den
Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 87). Im
Übrigen kann die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, das mit anderen Unternehmen an Treffen
teilgenommen hat, bei denen Beschlüsse über die Preise gefasst wurden, nicht an die vereinbarten
Preise hält, den wettbewerbswidrigen Zweck dieser Treffen und folglich auch die Beteiligung des
betreffenden Unternehmens an den Absprachen nicht beseitigen, sondern würde allenfalls beweisen,
dass es die fraglichen Vereinbarungen nicht durchgeführt hat (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in
der Rechtssache T-148/89, Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 79).
168.
Das dritte, die Rolle von Henss Rosenheim als Handelsvertreter von ABB Isolrohr auf dem deutschen
Markt betreffende Argument kann ebenfalls nichts an den Schlussfolgerungen der Kommission zu den
oben genannten Tätigkeiten der Gruppe Henss/Isoplus ändern.
169.
Die Behauptung der Klägerinnen, sowohl der Informationsaustausch über die Preise als auch die
Anwesenheit von Herrn Henss bei den fraglichen Treffen seien darauf zurückzuführen, dass er als
Geschäftsführer von Henss Rosenheim verpflichtet gewesen sei, ABB Isolrohr über den Markt zu
informieren, ist nicht glaubhaft, denn auch wenn man unterstellt, dass Herr Henss diese
Informationen liefern musste, geht aus den Akten hervor, dass ABB Isolrohr selbst bei mehreren der
fraglichen Treffen unmittelbar vertreten war. Dass Herr Henss der Handelsvertreter von ABB Isolrohr
war, schließt im Übrigen nicht aus, dass er ein gesondertes Interesse in Bezug auf alle Henss/Isoplus-
Gesellschaften hatte, die er bei solchen Treffen vertrat.
170.
Die Klägerinnen können insoweit ihren Beitritt zu einer Vereinbarung über die Erhöhung der Preise
auch nicht unter Hinweis darauf in Abrede stellen, dass es Ende 1991 und Ende 1993
Auseinandersetzungen zwischen Henss Rosenheim und ABB Isolrohr wegen des Preisniveaus auf dem
deutschen Markt gegeben habe.
171.
Zum einen begann die Auseinandersetzung über die (Henss Rosenheim von ABB Isolrohr in
Rechnung gestellten) Agenturpreise für 1992 damit, dass ABB Isolrohr am 11. September 1991 - also
vor dem Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991, in dessen Rahmen von den dänischen Herstellern und
den deutschen Gesellschaften eine Preiserhöhung erörtert wurde - die Erhöhung ihrer Preise
ankündigte. ABB räumt zwar in ihrer Antwort ein, dass ABB Isolrohr im August 1991 versucht habe,
Henss Rosenheim mit der Behauptung, dass mit Løgstør und Tarco eine Preiserhöhung abgesprochen
worden sei, dazu zu bewegen, sich ihr anzuschließen, doch führt sie in dieser Antwort auch aus, dass
eine solche Vereinbarung von den dänischen Herstellern, Pan-Isovit und Henss bei dem Treffen am
10. Oktober 1991 tatsächlich geschlossen worden sei. Was den späteren Konflikt über die
Agenturpreise anbelangt, so hat Henss Rosenheim ihre Forderung nach einer Senkung der
Agenturpreise mit Schreiben vom 22. September 1993 und vom 7. Oktober 1993 zum Ausdruck
gebracht, also kurz nachdem eine Einigung über die Aufteilung des deutschen Marktes erzielt worden
war, aber zu einem Zeitpunkt, zu dem sich nach den Angaben in Randnummer 52 der Entscheidung
die Umsetzung dieser Vereinbarung als unmöglich erwies und die Preise weiter fielen.
172.
Zum anderen geht aus den Akten hervor, dass die Auseinandersetzungen zwischen Henss
Rosenheim und ABB Isolrohr allein die Agenturpreise betrafen. Nach dem der Klageschrift beigefügten
Vertrag zwischen ABB Isolrohr und Henss Rosenheim bestand die Provision des Handelsvertreters im
Differenzbetrag zwischen dem Agenturpreis und dem vom Handelsvertreter festgelegten Preis für den
Verkauf an Endabnehmer. Folglich war das Interesse von Henss Rosenheim, sich einer Erhöhung des
an ABB Isolrohr zu zahlenden Agenturpreises allein für das von ihrem Handelsvertretungsvertrag
erfasste Gebiet zu widersetzen, keineswegs mit ihrem Interesse unvereinbar, auf dem gesamten
deutschen Markt eine Erhöhung der Verkaufspreise zu erreichen. Dies wird im Übrigen durch
Bemerkungen von ABB Isolrohr in ihrer Antwort auf das Schreiben von Henss Rosenheim vom 7.
Oktober 1993 bestätigt, wonach Henss Rosenheim ihren Aktivitäten in den neuen deutschen
Bundesländern und im Ausland so viel Aufmerksamkeit widme, dass sich ihre Anstrengungen im
Vertragsgebiet verringert habe (der Klageschrift beigefügtes Schreiben vom 29. Oktober 1993).
173.
Da die Kartellteilnahme der Gruppe Henss/Isoplus aufgrund der Anwesenheit von Herrn Henss bei
einer Reihe von Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand hinreichend erwiesen ist, geht das
vierte Argument der Klägerinnen, dass die Gruppe Henss/Isoplus für die übrigen Kartellteilnehmer kein
wirtschaftlich interessanter Partner gewesen sei, ins Leere. Im Übrigen kann eine solche Feststellung,
wie auch die Kommission hervorhebt, nicht aus der Prüfung der Marktposition der Henss- und Isoplus-
Gesellschaften abgeleitet werden.
174.
Auch mit dem fünften Argument, dass Isoplus Hohenberg in den dänischen Markt eingedrungen sei
und deshalb von den dänischen Herstellern auf demösterreichischen Markt unter Druck gesetzt
worden sei, kann die Kartellteilnahme der Klägerinnen nicht in Abrede gestellt werden.
175.
Das Vorliegen einer Vereinbarung, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des
Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt bezweckt, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eines
der Kartellmitglieder auf einem benachbarten Markt ein Wettbewerbsverhalten zeigt, das die
wirtschaftlichen Interessen der übrigen Mitglieder schädigen und die auf dem letztgenannten Markt
bestehenden wettbewerbswidrigen Vereinbarungen verletzen kann. Überdies hört ein Preiskartell
nicht allein dadurch zu existieren auf, dass das eine oder andere der beteiligten Unternehmen
versucht, seine Marktposition zu stärken, indem es zu niedrigeren als den vereinbarten Preisen
verkauft, und dass einige andere darauf reagieren, namentlich wenn die Unternehmen
Verhandlungen ins Auge fassen, die zu einer Marktaufteilung führen sollen, sofern diese Unternehmen
nicht ihren gemeinsamen Willen verlieren, sich auf dem Markt im Rahmen des Kartells in bestimmter
Weise zu verhalten.
176.
Ferner ist zum Eintritt von Isoplus Hohenberg in den dänischen Markt festzustellen, dass die
Aktivitäten der Klägerinnen über ihre Tochtergesellschaft in Dänemark nicht der einzige Grund für den
zeitweiligen Wirksamkeitsverlust des Kartells auf dem dänischen Markt Ende 1993 waren. Wie aus den
Erklärungen von ABB und Løgstør hervorgeht, waren die Spannungen, die zu dieser Zeit zu einem
solchen Wirksamkeitsverlust führten, auch auf das aggressive Verhalten von Løgstør zurückzuführen,
die einen größeren Marktanteil verlangte (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte; Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Dies wird durch Bemerkungen während der
Beiratssitzung der Henss/Isoplus-Gesellschaften am 3. Februar 1994 bestätigt (Zusatzdokument Nr.
21 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte), bei der darüber gesprochen wurde, dass Løgstør mit
äußerst niedrigen Preisen einen wichtigen Kunden von ABB abgeworben habe, um ABB dazu zu
bewegen, ihr Marktanteile zu überlassen.
177.
Aus diesem Schriftstück geht klar hervor, dass die Strategie der Gruppe Henss/Isoplus auf dem
dänischen Markt eher dahin ging, sich mit den dänischen Herstellern abzustimmen, als dahin, den
freien Wettbewerb auf diesem Markt zu wahren. Unter diesen Umständen hat die Kommission zu Recht
die Ansicht vertreten, dass die Gruppe Henss/Isoplus nur deshalb in den dänischen Markt
eingedrungen sei, um ein stärkeres Druckmittel für die Verhandlungen über die Aufteilung des
deutschen Marktes zur Verfügung zu haben (Randnr. 48 der Entscheidung).
178.
Zu dem Druck, dem Isoplus Hohenberg ausgesetzt gewesen sein soll, ist festzustellen, dass sich
ein Unternehmen, das mit anderen an wettbewerbswidrigen Handlungen zur Festsetzung von Preisen
und Quoten teilnimmt, nicht darauf berufen kann, dies unter dem Zwang der übrigen Teilnehmer
getan zu haben. Es hätte nämlich, statt an diesen Handlungen teilzunehmen, den ausgeübten Druck
bei den zuständigen Behörden zur Anzeige bringen und bei der Kommission eineBeschwerde nach
Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 einlegen können (Urteil Hüls/Kommission vom 10. März 1992, Randnrn.
123 und 128; Urteil Tréfileurope/Kommission, Randnr. 58). Im Übrigen gibt es keinen Anhaltspunkt
dafür, dass Herr Henss im Rahmen seiner Vertretung der Interessen der Henss- und Isoplus-
Gesellschaften zu den fraglichen Treffen unter dem Druck eines anderen Unternehmens geladen
wurde oder dass die Gruppe Henss/Isoplus gezwungen war, die Ergebnisse dieser Treffen zu
akzeptieren. Dass ABB auf Herrn Henss Druck ausgeübt haben soll, wird durch einen von ABB ihrer
Antwort beigefügten Vermerk des Geschäftsführers von ABB IC Møller vom 4. Juni 1992, in dem es
heißt, es sei für ABB wichtig, „Henss .steuern/kontrollieren' zu können“, nicht bestätigt, denn aus
demselben Vermerk ergibt sich, dass dessen Gegenstand das weitere Vorgehen nach einem Anruf
von Herrn Henss war, in dem dieser sich selbst zu einer besseren Zusammenarbeit mit ABB Isolrohr
bereit erklärt hatte.
179.
Das sechste Argument, dass sich der EuHP bis 1994 geweigert habe, die Henss/Isoplus-
Gesellschaften als Mitglieder aufzunehmen, spricht nicht gegen die Beteiligung der Gruppe
Henss/Isoplus am Kartell während dieser Zeit. Die Aktivitäten des EuHP deckten sich nämlich
unstreitig nicht mit dem Wirkungskreis des Kartells, da die betreffenden Unternehmen eine Trennung
zwischen den offiziellen Treffen im Rahmen des EuHP und den Kartelltreffen vornahmen und da einige
Kartellmitglieder nie dem EuHP angehörten. So bestreiten die Klägerinnen nicht, dass die Gruppe
Henss/Isoplus ab Oktober 1994 am Kartell teilnahm, obwohl keine der Gesellschaften dieser Gruppe
vor Sommer 1995 in den EuHP aufgenommen wurde.
180.
Schließlich haben die Klägerinnen keine weiteren entlastenden Gesichtspunkte genannt, deren
Würdigung die Kommission bei ihrer Untersuchung unterlassen haben soll. Da die Kommission ihre
Schlüsse nach einer sachgerechten Würdigung der Beweismittel und auf der Grundlage aller Beweise
gezogen hat, die zum einen aus mehreren bei den betroffenen Unternehmen gefundenen
Schriftstücken und zum anderen aus Aussagen einiger dieser Unternehmen bestehen, kann nicht
geltend gemacht werden, dass die Kommission im vorliegenden Verfahren gegen die
Unschuldsvermutung verstoßen habe.
181.
Folglich hat die Kommission der Gruppe Henss/Isoplus zu Recht die Beteiligung an einem Kartell in
der Zeit von Oktober 1991 bis Oktober 1994 zur Last gelegt.
b) Zur rechtlichen Würdigung
182.
Hinsichtlich der rechtlichen Würdigung des für die Zeit bis Oktober 1994 festgestellten
Sachverhalts durch die Kommission erheben die Klägerinnen im Wesentlichen sechs Rügen. Erstens
rügen sie die Einstufung der Zuwiderhandlung als „miteinander verbundene Vereinbarungen und
aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“. Zweitens wenden sie sich dagegen, dass die
festgestellten Verhaltensweisen als Vereinbarung angesehen wurden. Drittens beanstanden sieden
von der Kommission verwendeten Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Viertens
machen sie geltend, die Kommission habe die Rechtsfolgen der Teilnahme an einem Treffen mit
wettbewerbswidrigem Gegenstand falsch beurteilt. Fünftens tragen sie vor, die Kommission habe
einen Fehler in Bezug auf die Beweislast für die Beteiligung an einem Gesamtkartell begangen.
Sechstens werfen sie der Kommission vor, die individuelle Verantwortung der zur Gruppe Henss/Isoplus
gezählten Gesellschaften nicht geprüft zu haben.
i) Zur Einstufung der Zuwiderhandlung als „miteinander verbundene Vereinbarungen und aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen“
Vorbringen der Parteien
183.
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Ausführungen der Kommission in den Randnummern 131
und 132 ihrer Entscheidung, dass sie im Fall eines komplexen Kartells von langer Dauer, bei dem die
aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und die geschlossenen Vereinbarungen Teil einer Reihe
von gemeinsam getätigten Versuchen mit dem Zweck seien, den Wettbewerb zu verhindern oder zu
verzerren, das Verhalten der Unternehmen als eine kontinuierliche Zuwiderhandlung werten könne.
Die Kommission gehe zu Unrecht davon aus, dass es für sie in einem solchen Fall nicht erforderlich
sei, die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder anderen Erscheinungsform - Vereinbarung
oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zuzuordnen.
184.
Weder bei einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag noch bei einem
„Gentlemen's agreement“, mit dem der Wettbewerb eingeschränkt werden solle, müsse das Vorliegen
einer tatsächlichen Wettbewerbsbeschränkung nachgewiesen werden. Bei aufeinander abgestimmten
Verhaltensweisen müsse die Kommission dagegen, falls es sich nicht um eine willentliche
Koordinierung des Verhaltens mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung handele, nachweisen,
dass die abgestimmten Verhaltensweisen tatsächlich eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt hätten.
In Anbetracht des Unterschieds zwischen den Begriffen der Vereinbarung und der abgestimmten
Verhaltensweisen dürfe die Kommission keine einheitliche Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1
EG-Vertrag annehmen, wenn die Verstöße gegen diese Bestimmung verschiedene Formen aufwiesen.
Um der Unschuldsvermutung zu genügen, müssten in einer Entscheidung gemäß der Verordnung Nr.
17 alle Tatbestandselemente einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag genau
angegeben werden.
185.
Die Beklagte weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Vereinbarungen und abgestimmten
Verhaltensweisen im fraglichen Zeitraum Teil eines Systems regelmäßiger Sitzungen gewesen seien,
die der Regulierung des Marktes durch die Festlegung von Preisen und Quoten gedient hätten. Da
sich dieses Verhalten zum Teil in Vereinbarungen und zum Teil in abgestimmten Verhaltensweisen
geäußert habe, sei die Kommission berechtigt gewesen, in Artikel 1 der Entscheidung dasVorliegen
einer Vereinbarung und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen festzustellen. Damit habe sie
weder die Begriffe der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise verkannt noch gegen
allgemeine Rechtsgrundsätze verstoßen.
Würdigung durch das Gericht
186.
Bei einer komplexen Zuwiderhandlung, an der mehrere Hersteller über mehrere Jahre beteiligt
waren und deren Ziel die gemeinsame Regulierung des Marktes war, kann nach ständiger
Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie die Zuwiderhandlung für jedes
Unternehmen zu den einzelnen Zeitpunkten entweder als Vereinbarung oder abgestimmte
Verhaltensweise qualifiziert, da jedenfalls beide Formen der Zuwiderhandlung von Artikel 85 EG-
Vertrag umfasst werden. Die Kommission ist daher berechtigt, eine solche einheitliche
Zuwiderhandlung als „Vereinbarung und abgestimmte Verhaltensweise“ oder als Vereinbarung
„und/oder“ abgestimmte Verhaltensweise zu qualifizieren, wenn diese Zuwiderhandlung sowohl
Einzelakte aufweist, die als Vereinbarung anzusehen sind, als auch Einzelakte, die als abgestimmte
Verhaltensweise einzustufen sind (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 264). Es wäre
gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und
darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen (Urteil Hercules Chemicals/Kommission,
Randnr. 263).
187.
In einem solchen Fall ist die doppelte Qualifizierung nicht so zu verstehen, dass für jeden Einzelakt
gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, dass er sowohl die Tatbestandsmerkmale
einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfüllt; sie bezieht sich vielmehr
auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarung und andere als abgestimmte
Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen sind, der ja für diesen Typ
einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Qualifizierung vorschreibt (Urteil Hercules
Chemicals/Kommission, Randnr. 264).
188.
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag stellt den Begriff „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“
neben die Begriffe „Vereinbarungen zwischen Unternehmen“ und „Beschlüsse von
Unternehmensvereinigungen“, um durch seine Verbotsvorschrift verschiedene Formen der
Koordinierung und der Kollusion zwischen Unternehmen zu erfassen (Urteil ICI/Kommission, Randnr.
64). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass mehrere Handlungen mit ein und demselben
wettbewerbswidrigen Ziel, von denen jede für sich betrachtet den Begriff der Vereinbarung, der
abgestimmten Verhaltensweise oder des Beschlusses einer Unternehmensvereinigung erfüllt, nicht
unterschiedliche Ausdrucksformen einer einzigen Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-
Vertrag sein können. Daher kann eine Reihe von Verhaltensweisen mehrerer Unternehmen Ausdruck
einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung sein, die teils den Begriff derVereinbarung und teils
den Begriff der abgestimmten Verhaltensweise erfüllt (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn.
112 bis 114).
189.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen durfte die Kommission davon ausgehen, dass es für sie
in einem solchen Fall nicht erforderlich ist, die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder
anderen Erscheinungsform - Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise -
zuzuordnen.
190.
Der Vergleich zwischen den Begriffen der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise im
Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zeigt, dass beide in subjektiver Hinsicht Formen der Kollusion
erfassen, die in ihrer Art übereinstimmen, und dass sie sich nur in ihrer Intensität und ihren
Ausdrucksformen unterscheiden. Somit umfassen diese Begriffe teilweise unterschiedliche Merkmale,
sind aber untereinander nicht unvereinbar. Daher braucht die Kommission nicht jede der
festgestellten Handlungen als Vereinbarung oder als abgestimmte Verhaltensweise einzustufen,
sondern kann einige dieser Handlungen als Vereinbarungen und andere subsidiär als abgestimmte
Verhaltensweisen einstufen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 131 und 132).
191.
Eine solche Auslegung hat keine inakzeptablen Folgen für die Beweisführung. Zum einen bleibt es
dabei, dass die Kommission für jede festgestellte Handlung nachzuweisen hat, dass sie als
Vereinbarung, abgestimmte Verhaltensweise oder Beschluss einer Unternehmensvereinigung unter
das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. Zum anderen können die Unternehmen, denen eine
Teilnahme an der Zuwiderhandlung zur Last gelegt wird, in Bezug auf jede dieser Handlungen gegen
die Subsumtion oder die Subsumtionen, die die Kommission vorgenommen hat, einwenden, dass die
Kommission nicht die Erfüllung des Tatbestands der verschiedenen geltend gemachten
Zuwiderhandlungsformen nachgewiesen habe (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 134
bis 136).
192.
Folglich hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie die fragliche Zuwiderhandlung in
Artikel 1 der Entscheidung als „miteinander verbundene Vereinbarungen und aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen“ einstufte, ohne sie der einen oder anderen Erscheinungsform
zuzuordnen.
ii) Zur Einstufung der festgestellten Handlungen als Vereinbarung
Vorbringen der Parteien
193.
Die Klägerinnen tragen vor, bezüglich des Begriffes der Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz
1 EG-Vertrag ergebe sich aus der in Artikel 85 Absatz 2 EG-Vertrag angeordneten Sanktion der
Nichtigkeit, dass für eine solche Vereinbarung eine rechtliche Bindung erforderlich sei. Ein
„Gentlemen's agreement“ komme daher nicht einer Vereinbarung gleich. Solange zwischen den
Unternehmen keine Übereinstimmung bestehe, könne ihr Verhalten nur als Versuch
einerVereinbarung gewertet werden, der im gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht nicht mit einer
Geldbuße belegt werden könne.
194.
Es habe im fraglichen Zeitraum keine Vereinbarung gegeben, denn erst im Herbst 1994 sei eine
Vereinbarung über Preise und Quoten geschlossen worden.
195.
Bezüglich der Quotenregelung, die der Kommission zufolge im August oder September 1993
getroffen worden sein solle, habe die Kommission selbst in Randnummer 51 ihrer Entscheidung zu den
Zielen auf dem deutschen Markt für 1994 ausgeführt, dass „scheinbar“ ein allgemeiner Konsens
gefunden worden sei, was heiße, dass kein Konsens vorgelegen habe. Nach den Feststellungen in
derselben Randnummer habe Tarco Vorbehalte gegen Quoten gehabt. In Randnummer 52 der
Entscheidung stelle die Kommission zudem klar, dass eine solche Vereinbarung tatsächlich nicht
zustande gekommen sei. Unabhängig davon, dass die Klägerinnen eine solche Vereinbarung weder
geschlossen noch daran mitgewirkt hätten, könne in dem von der Kommission geschilderten
Sachverhalt höchstens der Versuch einer Vereinbarung gesehen werden.
196.
Die Kommission behaupte in Randnummer 137 ihrer Entscheidung zu Unrecht, dass „embryonale,
lose und bruchstückhafte“ Vereinbarungen über Märkte außerhalb Dänemarks vor 1994 auf jeden Fall
Verstöße gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellten. Embryonale Vereinbarungen seien
Vereinbarungen, die noch nicht zustande gekommen seien, da es zwischen den beteiligten
Unternehmen noch zu keiner Willenseinigung gekommen sei. Solche bruchstückhaften, embryonalen
Abmachungen stellten nur den Versuch von Vereinbarungen dar, der nicht mit Geldbußen belegt
werden dürfe.
197.
Jedenfalls hätten sich Henss Rosenheim und damit die Gruppe Henss/Isoplus nicht nur den
Ergebnissen der in der Entscheidung erwähnten Sitzungen nicht gebeugt, sondern seien sogar offen
gegen diese Ergebnisse aufgetreten. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts und die Erhebung einer
Schiedsgerichtsklage durch Henss Rosenheim gegen ABB Isolrohr seien nichts anderes als ein im
Sinne der Rechtsprechung offenes Auftreten gegen die Ergebnisse dieser Sitzungen.
198.
Die Beklagte trägt vor, für die Annahme einer Vereinbarung reiche es nach der Rechtsprechung
aus, dass die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen, sich auf dem Markt in
bestimmter Weise zu verhalten, zum Ausdruck gebracht hätten. Die Parteien müssten keineswegs eine
rechtliche Bindung schaffen. In diesem Kontext hätten die im Oktober oder Dezember 1991
beschlossene Preiserhöhung, die im August oder September 1993 getroffene Quotenregelung und
die im Mai und August 1994 beschlossene Preisliste den Charakter einer Vereinbarung.
Würdigung durch das Gericht
199.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-
Vertrag schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum
Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des
Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970,
661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78,
Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86; Urteil des Gerichts vom 24. Oktober
1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867, Randnr. 120).
200.
Dies ist der Fall, wenn zwischen mehreren Unternehmen ein Gentlemen's Agreement besteht, das
einen derartigen gemeinsamen Willen getreu zum Ausdruck bringt und eine Beschränkung des
Wettbewerbs zum Gegenstand hat (Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, und
Tréfileurope/Kommission, Randnr. 96). Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob
sich die Unternehmen für - rechtlich, tatsächlich oder moralisch - verpflichtet hielten, sich
absprachegemäß zu verhalten (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-347/94,
Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751, Randnr. 65).
201.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann aus der in Artikel 85 Absatz 2 EG-Vertrag
vorgesehenen Sanktion der Nichtigkeit, die für die Fälle gilt, in denen eine tatsächliche rechtliche
Verpflichtung besteht, kein gegenteiliger Schluss gezogen werden. Die Tatsache, dass diese Sanktion
ihrem Wesen nach nur auf Vereinbarungen mit zwingendem Charakter Anwendung finden kann,
bedeutet nicht, dass Vereinbarungen, die keinen solchen Charakter haben, von dem in Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag aufgestellten Verbot ausgenommen werden müssen.
202.
Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnummer 137 der Entscheidung zu den
Vereinbarungen über Märkte außerhalb Dänemarks vor 1994 die Ansicht vertreten, dass es im August
1993 zumindest eine ausdrückliche Vereinbarung über die Erhöhung der Preise in Deutschland ab 1.
Januar 1992, über die Preisvorgaben und die Aufteilung von Projekten in Italien und über eine
Quotenregelung für die Marktanteile gegeben habe. In Bezug auf die Kartellteilnahme der Klägerinnen
vor Oktober 1994 steht fest, dass die Kommission erstens die im Oktober und Dezember 1991
beschlossene Preiserhöhung auf dem deutschen Markt für 1992, zweitens die im August oder
September 1993 vereinbarte Quotenregelung und drittens die im Mai und August 1994 beschlossene
Preisliste als Vereinbarung angesehen hat.
203.
Hierzu ist oben in den Randnummern 137 bis 181 festgestellt worden, dass die Kommission auf der
Grundlage aller von ihr gesammelten Beweise die Auffassung vertreten durfte, dass sich die Gruppe
Henss/Isoplus der spätestens am 10. Dezember 1991 getroffenen Vereinbarung über die Erhöhung
der Bruttopreise in Deutschland, einer spätestens im September 1993 vereinbarten Aufteilung
desdeutschen Marktes und einer bei den Treffen im Mai und August 1994 geschlossenen
Vereinbarung über eine Preisliste angeschlossen hatte.
204.
Insoweit kann der Widerstand von Henss Rosenheim gegen die von ABB Isolrohr festgesetzten
Erhöhungen der Agenturpreise nicht als Distanzierung gegenüber den anderen Kartellteilnehmern
angesehen werden, da dieser Widerstand nur die im Rahmen der Handelsvertretung durch Henss
Rosenheim verwendeten Agenturpreise betraf und nicht die von den betreffenden Unternehmen für
den deutschen Markt festgelegten Verkaufspreise.
205.
In Bezug auf die im August 1993 vereinbarte Aufteilung des deutschen Marktes kann nicht geltend
gemacht werden, dass die Kommission das Fehlen eines gemeinsamen Willens festgestellt habe, als
sie in Randnummer 51 der Entscheidung ausführte, dass „scheinbar“ ein Konsens über die
Quotenregelung gefunden worden sei. An dieser Stelle kann das Wort „scheinbar“ nur so verstanden
werden, dass die Kommission ihre Überzeugung zum Ausdruck bringen wollte, dass nach den
Umständen des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt ein allgemeiner Konsens über eine Quotenregelung
gefunden worden war. Ebenso konnte die Tatsache, dass Tarco Vorbehalte hinsichtlich ihres
Marktanteils äußerte, die Kommission nicht an der Feststellung hindern, dass eine grundsätzliche
Vereinbarung zustande gekommen war. Aus der Antwort von ABB geht hervor, dass sich Tarco bei den
Verhandlungen über eine Preisabsprache im April und Mai 1993 „weigerte, an einer Preisabsprache
ohne gleichzeitige Einigung über die Marktanteilsquoten mitzuwirken“, weil es ihr „nicht gelungen war,
ohne aggressiven Preiswettbewerb Aufträge zu erhalten“. Wie oben in Randnummer 153 ausgeführt,
kam der Standpunkt von Tarco in der Forderung nach einer höheren Quote als den auf der Grundlage
der Buchprüfung vorgesehenen 17 % zum Ausdruck, was in einem späteren Vorschlag zur Einräumung
eines höheren Marktanteils führte. Aus diesem Standpunkt von Tarco kann aber nicht geschlossen
werden, dass sie sich einer Aufteilung des deutschen Marktes grundsätzlich widersetzt hätte.
206.
Entgegen der Behauptung der Klägerinnen kann der von der Kommission geschilderte Sachverhalt
nicht als bloßer Versuch einer Vereinbarung eingestuft werden. Aus den aufeinander folgenden
Treffen, bei denen Gespräche über die Aufteilung der Marktanteile geführt wurden, ergibt sich, dass
die fraglichen Unternehmen zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren gemeinsamen Willen zum
Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten. Wie oben in den
Randnummern 151 bis 157 ausgeführt, beherrschte ein gemeinsamer Wille, den Wettbewerb auf dem
deutschen Markt durch feste Marktanteile jedes Wirtschaftsteilnehmers zu beschränken, im Jahr 1993
für gewisse Zeit die Verhandlungen, auch wenn es keine Einigung über alle Gesichtspunkte gab, die
Gegenstand der Verhandlungen waren.
207.
In diesem Kontext können die Ausführungen der Kommission in Randnummer 137 der Entscheidung,
wonach „es durchaus zutreffen mag, dass [die Vereinbarungen]embryonal, lose und bruchstückhaft
waren“, nicht dahin verstanden werden, dass es hinsichtlich des von der Kommission als Vereinbarung
eingestuften Sachverhalts bei den betreffenden Unternehmen noch keinen gemeinsamen Willen
gegeben habe, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten. Die Ausführungen der
Kommission, die zugleich angibt, dass sich die Vereinbarungen nicht immer auf alle den Gegenstand
der Verhandlungen bildenden Gesichtspunkte und alle denkbaren Einzelheiten erstreckt und einen
sporadischen und keinen kontinuierlichen Charakter gehabt hätten, schließen nicht aus, dass die
betreffenden Unternehmen eine Einigung über einen oder mehrere Punkte erzielten, mit denen eine
Beschränkung des Wettbewerbs auf dem fraglichen Markt bezweckt wurde.
208.
Folglich ist die Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.
iii) Zum Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen
Vorbringen der Parteien
209.
Die Klägerinnen tragen zu den aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen vor, falls es sich nicht
um eine willentliche Koordinierung des Verhaltens mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung
handele, habe die Kommission nachzuweisen, dass die aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen
tatsächlich eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt hätten. Im vorliegenden Fall habe die Kommission
jedoch für den Zeitraum vor Oktober 1994 selbst eingeräumt, dass die Preise außerhalb des
dänischen Marktes, vor allem auf dem deutschen Markt, ab Oktober 1990 kontinuierlich gefallen
seien.
210.
Die Beklagte führt aus, sie habe sich auf die Definition der abgestimmten Verhaltensweisen in der
Rechtsprechung gestützt. In diesem Kontext habe sie in Randnummer 138 der Entscheidung
festgestellt, dass im vorliegenden Fall der Austausch von Geschäftsinformationen, die normalerweise
als vertraulich angesehen würden, die Voraussetzungen einer abgestimmten Verhaltensweise erfülle.
Dass es im fraglichen Zeitraum in Deutschland einen Preisverfall gegeben habe, spreche in
rechtlicher Hinsicht nicht gegen die Existenz abgestimmter Verhaltensweisen, sondern könne
allenfalls Zweifel am Erfolg des Kartells begründen. Im Übrigen habe sie Beweismittel vorgelegt, die
sich direkt auf die kollusiven Kontakte zwischen den Parteien bezögen.
Würdigung durch das Gericht
211.
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der abgestimmten Verhaltensweise um eine
Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines
Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die
Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile des Gerichtshofes vom 16.
Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73,113/73 und
114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 26, und vom 8. Juli 1999,
Hüls/Kommission, Randnr. 158).
212.
Nach dieser Rechtsprechung sind die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit im Sinne
des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder
Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu
betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat nimmt den Wirtschaftsteilnehmern zwar nicht das
Recht, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten auf intelligente Weise
anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen
Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder
potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu
dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die
Fühlungnahme bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf
die Art der Waren oder der erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten
Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht dessen normalen
Bedingungen entsprechen (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 173 und 174, vom 8. Juli
1999, Hüls/Kommission, Randnrn. 159 und 160, und Rhône-Poulenc/Kommission, Randnr. 121).
213.
Zudem setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise, wie sich schon aus dem Wortlaut von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ergibt, über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein
dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden
voraus (vgl. Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 118, und Hüls/Kommission, Randnr. 161).
214.
In diesem Kontext sind die Ausführungen der Kommission in Randnummer 138 Absatz 2 der
Entscheidung zu beurteilen, wo es heißt: „Selbst wenn der Begriff der .Vereinbarung' auf einzelne
Stufen des Verhandlungsprozesses, der zur umfassenden Vereinbarung führt, nicht anwendbar ist,
fällt das fragliche Verhalten als abgestimmte Verhaltensweise dennoch unter das Verbot des Artikels
85.“ Die Kommission kennzeichnet die regelmäßigen Treffen als „Forum für ... den Austausch
normalerweise vertraulicher geschäftlicher Informationen[, das] zwangsläufig ein bestimmtes Maß an
gegenseitigem Einverständnis, Reziprozität und bedingter oder partieller Einigung über [das]
Verhalten bewirkt haben muss“, und hebt hervor, dass „die Beteiligten keinesfalls umhin [konnten],
die bei diesen regelmäßigen Treffen erhaltenen Informationen direkt oder indirekt zu
berücksichtigen“.
215.
Für die Zeit vor Oktober 1994 bestätigen mehrere Schriftstücke, dass die Gruppe Henss/Isoplus
1992 und 1993 mehrfach an einem Informationsaustausch über die Marktanteile teilnahm. Dabei
handelt es sich, wie oben in den Randnummern 146,148 und 149 ausgeführt, um die Schriftstücke in
den Anhängen 37, 44, 49 und 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte.
216.
Vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises besteht die
Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen
Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres
Marktverhaltens berücksichtigen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 121, und vom 8. Juli
1999, Hüls/Kommission, Randnr. 162). Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines
langen Zeitraums regelmäßig stattfindet, wie es hier der Fall war (vgl. Urteile Kommission/Anic
Partecipazioni, Randnr. 121, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, Randnr. 162).
217.
Zudem fällt nach der Rechtsprechung eine abgestimmte Verhaltensweise selbst dann unter Artikel
85 Absatz 1 EG-Vertrag, wenn auf dem Markt keine wettbewerbswidrigen Wirkungen eintreten. Aus
dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen ebenso
wie Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen
unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn mit ihnen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt
wird. Ferner setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der
beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, dass sich dieses Verhalten
konkret in einer Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt (vgl.
Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 122 bis 124, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission,
Randnrn. 163 bis 165).
218.
Nach dem Vorstehenden hat die Kommission, soweit sie der Gruppe Henss/Isoplus für die Zeit vor
Oktober 1994 die Mitwirkung an „miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander
abgestimmten Verhaltensweisen“ vorwirft, keinen Rechtsfehler begangen, als sie den Austausch
geschäftlicher Informationen hilfsweise als abgestimmte Verhaltensweise einstufte.
219.
In diesem Punkt ist die Rüge der Klägerinnen daher ebenfalls zurückzuweisen.
iv) Zu den Rechtsfolgen der Teilnahme an einem Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand
Vorbringen der Parteien
220.
Die Klägerinnen tragen vor, die Rechtsprechung, wonach ein Unternehmen, das sich den
Ergebnissen von Sitzungen mit wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beuge, für eine
Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zur Verantwortung gezogen werden könne, sofern es
sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert habe, sei einschränkend auszulegen, wie die
Urteile des Gerichts vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89 (BPB Industries und British
Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389) und des Gerichtshofes vom 6. April 1995in der Rechtssache C-
310/93 P (BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865) zeigten, nach denen eine
gewisse Zurückhaltung der Kommission, bestimmte in der Akte enthaltene Schreiben von Kunden des
Unternehmens mit beherrschender Stellung offen zu legen, berechtigt sei.
221.
In Kartellen, an denen Unternehmen mit marktbeherrschender oder zumindest mit starker
wirtschaftlicher Stellung beteiligt seien, bedeute die Tatsache, dass sich wirtschaftlich schwächere
Unternehmen nicht offen vom kartellwidrigen Ergebnis einer Sitzung distanzierten, keineswegs, dass
diese Unternehmen gleichwohl kartellrechtlich das Ergebnis dieser Sitzung verantworten müssten. Für
unbedeutendere Unternehmen sei es nämlich oft leichter, bei Sitzungen, zu denen sie vom
Marktführer aufgrund dessen wirtschaftlicher Dominanz geladen würden, vorerst zu schweigen und
dann nicht nach den gefassten Beschlüssen zu handeln.
222.
Die Beklagte macht geltend, für die rechtliche Beurteilung eines Kartells spiele es keine Rolle, ob
sich ein Unternehmen freiwillig oder unter Zwang daran beteilige, da es stets die Möglichkeit habe,
das Kartellverhalten anzuzeigen. Die angeführten Urteile beruhten auf der Überlegung, dass die
Kommission möglichst vermeiden sollte, selbst Ursachen für Wettbewerbsverstöße zu setzen, und
änderten nichts an der Rechtsprechung, nach der ein Unternehmen, das sich den Ergebnissen von
Sitzungen mit wettbewerbswidrigem Zweck nicht beuge, zur Verantwortung gezogen werden könne,
sofern es sich nicht offen vom Inhalt dieser Sitzungen distanziert habe.
Würdigung durch das Gericht
223.
Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit
wettbewerbswidrigem Zweck teil und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen, so dass
es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt
und sich daran halten wird, so kann, wie oben in Randnummer 137 ausgeführt, der Nachweis als
erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache
beteiligt hat.
224.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen spielt es insoweit keine Rolle, ob sich das fragliche
Unternehmen mit anderen Unternehmen zusammenschließt, die eine marktbeherrschende oder
zumindest eine starke wirtschaftliche Stellung auf dem Markt haben.
225.
Zum einen betrifft die von den Klägerinnen angeführte Rechtsprechung die Pflicht der Kommission,
im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zur Anwendung des Wettbewerbsrechts die Vertraulichkeit
bestimmter Unterlagen in den Verwaltungsakten zu beachten. In diesem Kontext ist entschieden
worden, dass die Kommission den Unternehmen, denen zur Last gelegt wurde, ihre beherrschende
Stellung missbraucht zu haben, die Einsicht in bestimmte Korrespondenzen mitdritten Unternehmen
wegen ihres vertraulichen Charakters verweigern durfte, da dies ein Unternehmen, an das eine
Mitteilung von Beschwerdepunkten gerichtet wird und das eine beherrschende Stellung auf dem Markt
einnimmt, dazu veranlassen könnte, Vergeltungsmaßnahmen gegen Konkurrenzunternehmen,
Lieferanten oder Kunden zu ergreifen, die an der Untersuchung der Kommission mitgewirkt haben
(Urteil vom 1. April 1993, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Randnr. 33, im
Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil vom 6. April 1995, BPB Industries und British
Gypsum/Kommission, Randnrn. 26 und 27). Da diese Rechtsprechung den ganz anderen Kontext der
Pflicht der Kommission zur Gewährung von Akteneinsicht betrifft, liefert sie keine relevanten
Anhaltspunkte für die Frage, inwieweit die Ergebnisse von Treffen mit wettbewerbswidrigem Charakter
den an diesen Treffen teilnehmenden Unternehmen zugerechnet werden können.
226.
Zum anderen hat ein Unternehmen, das an Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand
teilnimmt, auch wenn es dies unter dem Zwang anderer Teilnehmer mit größerer Wirtschaftsmacht
tut, stets die Möglichkeit, bei der Kommission Beschwerde einzulegen, um die fraglichen
wettbewerbswidrigen Handlungen zur Anzeige zu bringen, statt weiter an den Treffen teilzunehmen
(siehe oben, Randnr. 178).
227.
Folglich hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie sich im vorliegenden Fall auf die
Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag stützte, nach der ein Unternehmen, das an Treffen von
Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt, ohne sich offen von deren Inhalt zu
distanzieren, als Teilnehmer an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache angesehen werden
kann.
v) Zur Beweislast für die Beteiligung an einem Gesamtkartell
Vorbringen der Parteien
228.
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Behauptung der Kommission in Randnummer 134 der
Entscheidung, es sei „nicht erforderlich nachzuweisen, dass jeder angeblich an der Vereinbarung
Beteiligte in jedem einzelnen Aspekt oder jeder einzelnen Ausprägung während seiner Zugehörigkeit
zum gemeinsamen Plan beteiligt war, dazu seine ausdrückliche Zustimmung gab oder sich dieser
Aspekte oder Ausprägungen überhaupt bewusst war“. Diese Rechtsauffassung werde durch die
Rechtsprechung nicht gedeckt und widerspreche vor allem Artikel 6 Absatz 2 EMRK und dem
Schuldprinzip als allgemeinem Rechtsgrundsatz. Sie führe letztlich zu einer Umkehr der Beweislast.
229.
Ein Unternehmen könne auch dann, wenn feststehe, dass es nur an einem oder mehreren
Bestandteilen eines Gesamtkartells unmittelbar mitgewirkt habe, für dieses Kartell zur Verantwortung
gezogen werden, sofern es gewusst habe oder zwangsläufig hätte wissen müssen, dass die
Absprache, an der es sich beteiligt habe,Teil eines Gesamtplans gewesen sei und dass sich dieser
Gesamtplan auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckt habe (Urteil des Gerichts vom 14. Mai
1998 in der Rechtssache T-310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 140).
Auch wenn diese Rechtsprechung im Wesentlichen zu Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1
EG-Vertrag ergangen sei und daher nicht ohne weiteres auf aufeinander abgestimmte
Verhaltensweisen im Sinne dieser Bestimmung übertragen werden könne, bedeute sie doch, dass in
der Entscheidung der Kommission dezidierte Feststellungen dazu enthalten sein müssten, welche Art
der Vereinbarung getroffen worden sei und was das betroffene Unternehmen tatsächlich gewusst
habe bzw. zwangsläufig hätte wissen müssen. Vor allem werde die Zurechnung zu einem Gesamtkartell
weder für einen Zeitraum vor demjenigen, in dem das betreffende Unternehmen an der
Zuwiderhandlung teilgenommen habe, noch für einen Markt erfolgen können, auf dem es nie tätig
gewesen sei.
230.
Die Beklagte führt aus, Randnummer 134 der Entscheidung betreffe den einheitlichen Charakter
des Kartells, nicht jedoch den Umfang des Vorwurfs, der gegenüber jedem einzelnen Unternehmen
erhoben werde. Aus der Entscheidung folge eindeutig, dass die Kommission von der Frage, ob ein
einziger fortdauernder Verstoß vorliege, deutlich das Problem getrennt habe, in welchem Umfang
jedes einzelne Unternehmen für das Kartell zur Verantwortung gezogen werde.
Würdigung durch das Gericht
231.
Nach der Rechtsprechung kann ein Unternehmen auch dann, wenn feststeht, dass es nur an
einem oder mehreren Bestandteilen eines Gesamtkartells unmittelbar mitgewirkt hat, für dieses
Kartell zur Verantwortung gezogen werden, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass
die Absprache, an der es sich beteiligte, Teil eines Gesamtplans war und dass sich dieser Gesamtplan
auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckte (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der
Rechtssache T-295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II-813, Randnr. 121, und Urteil Gruber +
Weber/Kommission, Randnr. 140). Ebenso kann ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen,
die zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an
einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die ganze Zeit seiner Beteiligung an
der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere
Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legten, wenn das betreffende
Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten wusste oder es
vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu
nehmen. Eine solche Schlussfolgerung läuft nicht dem Prinzip zuwider, wonach die Verantwortlichkeit
für solche Zuwiderhandlungen von persönlicher Art ist, und mit ihr wird nicht unter Verletzung der
Beweisregeln die Einzeluntersuchung der belastenden Beweise vernachlässigt oder gegen die
Verteidigungsrechte derbeteiligten Unternehmen verstoßen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni,
Randnr. 203).
232.
Nach Ansicht der Klägerinnen geht aus Randnummer 134 Absatz 6 der Entscheidung hervor, dass
die Kommission die aus dieser Rechtsprechung hervorgehenden Grundsätze nicht beachtet habe.
233.
Dieses Vorbringen beruht jedoch auf einem falschen Verständnis von Randnummer 134 der
Entscheidung.
234.
Der fragliche Abschnitt gehört zu den Erwägungen unter der Überschrift „Vereinbarungen und
aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“, in deren Rahmen die Kommission zunächst ihre
Auslegung der Begriffe „Vereinbarung“ und „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ darstellt
(Randnrn. 129 und 130 der Entscheidung) und dann die Gründe erläutert, aus denen sie sich für
berechtigt hielt, das Verhalten der Unternehmen als eine kontinuierliche Zuwiderhandlung zu werten,
ohne die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder anderen Erscheinungsform - Vereinbarung
oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zuordnen zu müssen (Randnrn. 131 bis 133 der
Entscheidung). Sodann führt sie in Randnummer 134 der Entscheidung aus, es sei möglich, dass es
nicht über alle Bestandteile des Kartells einen Konsens gegeben habe, dass keine förmliche Einigung
über sämtliche Fragen zustande gekommen sei und dass die Beteiligten im Kartell unterschiedlich
stark engagiert seien; keiner dieser Faktoren bedeute jedoch, dass das entsprechende Verhalten
keine Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1
darstelle, wenn es einen einzigen gemeinsamen und fortdauernden Zweck gebe. Nach dem
letztgenannten Abschnitt wird noch darauf hingewiesen, dass dem Kartell im Lauf der Zeit Mitglieder
beitreten oder es verlassen könnten, ohne dass es so zu behandeln wäre, als wäre jede Änderung
des Kreises der Beteiligten gleichbedeutend mit einer neuen Vereinbarung.
235.
Der von den Klägerinnen angeführte Abschnitt kann folglich nur als Klarstellung der Bedingungen
verstanden werden, unter denen ein Kartell nach Ansicht der Kommission als einheitliche
fortdauernde Zuwiderhandlung angesehen werden kann, ohne dass sich die Kommission jedoch zu
der Frage äußert, inwieweit eine solche Zuwiderhandlung den daran beteiligten Unternehmen
zugerechnet werden kann.
236.
Diese Auslegung der Entscheidung wird auch durch deren Randnummer 148 Absatz 2 Buchstabe b
bestätigt, wo es ausdrücklich heißt: „Es wird nicht behauptet, dass jeder Adressat dieser
Entscheidung in jedem Aspekt an den dargelegten wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligt war
oder während der gesamten Dauer des Verstoßes beteiligt war. Die Rolle der einzelnen Unternehmen
und der Umfang ihrer Mitwirkung werden in dieser Entscheidung vollständig beschrieben ...“
237.
Zur Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an der Zuwiderhandlung, von der die Kommission
ausgeht, ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen im Rahmen dieser Rüge nicht angegeben
haben, inwiefern die Kommission ihnen eine Mitwirkung an einem Gesamtkartell für einen Zeitraum vor
ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung oder für einen Markt, auf dem sie nie tätig waren, zur Last
gelegt haben soll. Insoweit ist an die obige Feststellung zu erinnern, dass die Kommission der Gruppe
Henss/Isoplus in der Entscheidung zutreffend eine Beteiligung an der Zuwiderhandlung ab Oktober
1991 zur Last gelegt hat und dass eine solche Beteiligung für die Zeit vor Oktober 1994 nur in ihrem
Beitritt zum Kartell zwischen den dänischen Herstellern in Bezug auf den deutschen Markt gesehen
wurde.
238.
Folglich ist die Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.
vi) Zur individuellen Verantwortung der der Gruppe Henss/Isoplus zugeordneten Gesellschaften
Vorbringen der Parteien
239.
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Behauptung der Kommission, sie müsse nicht die
Mitwirkung jedes Unternehmens der Gruppe Henss/Isoplus an deren Verhalten auf dem Markt vor
Oktober 1994 nachweisen. Da die Klägerinnen insoweit als rechtlich selbständig anzusehen seien, weil
es keine Gruppe Henss/Isoplus gegeben habe, fehle es in der Entscheidung an Feststellungen zu der
Frage, weshalb jede einzelne Klägerin für die Beteiligung am rechtswidrigen Kartell verantwortlich
gemacht werde. Außerdem habe die Kommission bei der Verwendung der Bezeichnung „Henss“ in
ihrer Entscheidung nicht klargestellt, ob damit Herr Henss persönlich, die Gruppe Henss/Isoplus oder
eine Henss-Gesellschaft wie Henss Rosenheim oder Henss Berlin gemeint sei.
240.
Bezüglich Isoplus Hohenberg tragen die Klägerinnen vor, dass es sich um eine Gesellschaft
österreichischen Rechts handele, dass Österreich erst seit 1. Januar 1995 Mitglied der Europäischen
Gemeinschaft sei und dass die Wettbewerbsregeln von Artikel 53 des EWR-Abkommens erst seit 1. Juli
1994 gälten. Auch unter Berücksichtigung der Problematik des Territorialitätsprinzips im
Wettbewerbsrecht sei darauf hinzuweisen, dass in der Entscheidung Sachverhaltsfeststellungen
hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Isoplus Hohenberg nach Artikel 85 EG-Vertrag oder Artikel 53
des EWR-Abkommens für wettbewerbswidrige Praktiken vor Oktober 1994 fehlten.
241.
Die Beklagte führt aus, die vier Betriebsgesellschaften seien als Einheit, vertreten durch Herrn
Henss, aufgetreten. Ihre Beteiligung habe einem offenkundigen Interesse entsprochen, da sie sich
auf dem deutschen Markt betätigt hätten, dessen Preise auf niedrigerem Niveau angesiedelt
gewesen seien. Aus diesen Gründen seiauch das Vorbringen zurückzuweisen, die Kommission habe,
da Isoplus Hohenberg in Österreich ansässig sei, deren Teilnahme am Kartell nicht hinreichend belegt.
Würdigung durch das Gericht
242.
Wie oben in den Randnummern 54 bis 66 ausgeführt wurde, hat die Kommission zu Recht
festgestellt, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften als eine wirtschaftliche Einheit am Kartell
teilnahmen, die in der Entscheidung mit „Gruppe Henss/Isoplus“ oder „Henss/Isoplus“ bezeichnet wird.
Folglich war es nicht immer relevant, in der Entscheidung anzugeben, ob mit dem Wort „Henss“ eine
Henss-Gesellschaft oder die Gruppe Henss/Isoplus gemeint ist. Ebenso gelten Bezugnahmen auf
Herrn Henss in der Entscheidung auch für seine Eigenschaft als Vertreter aller Henss- und Isoplus-
Gesellschaften, die er kontrollierte und im Rahmen des Kartells vertrat.
243.
Für die Zeit vor 1994 ist darauf hinzuweisen, dass Herr Henss, auch wenn er bei den Treffen des
Geschäftsführer-Clubs für die Gesellschaften Henss Rosenheim und Henss Berlin im Rahmen ihrer
Handelsvertreterverträge auf dem deutschen Markt aufgetreten sein mag, dennoch zugleich die
eigenen Interessen dieser beiden Gesellschaften und der Gesellschaften Isoplus Hohenberg und
Isoplus Sondershausen vertrat. Wie oben in Randnummer 60 festgestellt wurde, geht aus den Notizen
anderer Teilnehmer hervor, dass alle Henss- und Isoplus-Gesellschaften bei den Gesprächen über die
Aufteilung des deutschen Marktes als Einheit unter der Bezeichnung „Isoplus“ oder „Isoplus/Henss“
zusammengefasst wurden.
244.
Folglich hat die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass jede der Henss- und Isoplus-
Gesellschaften zur Gruppe Henss/Isoplus gehörte und als solche für die von dieser Gruppe begangene
Zuwiderhandlung verantwortlich ist.
245.
Isoplus Hohenberg gehörte schon vor 1994 zur Gruppe Henss/Isoplus. Da die Kommission aus
diesem Grund Isoplus Hohenberg die von der Gruppe Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung in
Form eines Kartells, das sich für diese Gruppe auf den deutschen Markt erstreckte, zur Last gelegt
hat, kann nicht geltend gemacht werden, die Kommission habe ihr Handlungen zugerechnet, die
wegen ihres Sitzes außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs von Artikel 85 EG-Vertrag
vorgenommen worden seien.
246.
Folglich ist die vorliegende Rüge ebenfalls zurückzuweisen.
2. Zur Beteiligung an den aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe
Vorbringen der Parteien
247.
Die Klägerinnen wenden sich gegen die tatsächlichen Feststellungen und die Rechtsausführungen,
die unter Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zudem Schluss geführt hätten, dass sie an
aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zur Ausschaltung von Powerpipe oder an einem Boykott
dieses Unternehmens teilgenommen hätten.
248.
Ihnen sei auch im Zusammenhang mit der Handelsvertretertätigkeit von Henss Rosenheim für ABB
Isolrohr weder der strategische Plan von ABB zur Verdrängung von Powerpipe vom Markt noch die ab
1993 von ABB - teilweise gemeinsam mit Løgstør - begonnenen und durchgeführten Abwerbungen von
Mitarbeitern von Powerpipe bekannt gewesen. Außerdem seien sie nie auf den schwedischen Markt
vorgedrungen, auf dem Powerpipe tätig sei.
249.
Was ihr Verhalten gegenüber Powerpipe anbelange, so habe Powerpipe Anfang 1994 Vorschläge
für eine gegen das Kartell der dänischen Hersteller gerichtete Zusammenarbeit zwischen ihr und den
Henss/Isoplus-Unternehmen unterbreitet. Herr Henss habe diese Vorschläge allerdings abgelehnt.
Diese Kontakte zeigten im Übrigen, dass die Klägerinnen auf jeden Fall bis 1994 an keinem
rechtswidrigen Verhalten gegen Powerpipe beteiligt gewesen seien, da solche Kontakte andernfalls
nicht möglich gewesen wären.
250.
Das Projekt in Neubrandenburg, auf das Powerpipe nach den Angaben in Randnummer 95 der
Entscheidung zugunsten von Henss Berlin habe verzichten sollen, sei Anfang Oktober 1994
ausgeschrieben worden, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerinnen durch ABB massiv unter
Druck gesetzt worden seien, dem europaweiten Kartell beizutreten, jedoch noch keine endgültige
Antwort gegeben hätten. Das Angebot von Henss Berlin für das Projekt in Neubrandenburg habe
zunächst nichts mit der Teilnahme der Klägerinnen am europaweiten Kartell zu tun gehabt, die erst am
1. Januar 1995, nach der Festlegung der Quoten am 16. November 1994, in Kraft getreten sei.
251.
Das Telefonat zwischen Herrn Henss und Powerpipe über das Projekt in Neubrandenburg habe sich
im Wesentlichen an das von den Klägerinnen zuvor abgelehnte Kooperationsangebot angeschlossen,
um letztlich durch eine etwaige Vergabe des Projekts in Neubrandenburg an Henss Berlin eine
entsprechende Kooperation doch noch möglich zu machen. Außer diesem und einem weiteren
Telefonat, in dem ein Mitarbeiter von Isoplus Hohenberg möglicherweise darauf hingewiesen habe,
dass die Gespräche über die Kooperation fortgeführt werden könnten, falls dieses Projekt Henss
Berlin zugeschlagen werde, hätten die Klägerinnen mit Powerpipe keinen Kontakt aufgenommen und
hätten auch keine anderen Hersteller wie Løgstør oder ABB aufgefordert, irgendwie Druck auf
Powerpipe auszuüben. Da zu diesem Zeitpunkt die europaweite Kartellvereinbarung noch nicht
endgültig fertig gestellt gewesen sei, sei es für die Klägerinnen gar nicht möglich gewesen, im
Rahmen eines solchen Kartells Druck auszuüben.
252.
Nach Ansicht der Klägerinnen steht ihre Sachverhaltsdarstellung nicht in Widerspruch zum Inhalt
des Telefax, das Herr Henss am 25. Oktober 1994 an Powerpipe gesandt habe (Anhang 133 der
Mitteilung der Beschwerdepunkte). Bei den Anhängen 126 bis 132 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte handele es sich um Aktennotizen von Dezember 1994 über Telefonate, die im
Oktober 1994 geführt worden sein sollten und von denen es keine wörtlichen Übertragungen gebe.
Die Klägerinnen hätten insoweit bereits im Verwaltungsverfahren dargetan, dass verschiedene von
Powerpipe vorgelegte Dokumente nicht echt und richtig sein könnten.
253.
Es treffe zu, dass in Bezug auf das Projekt in Leipzig-Lippendorf im Rahmen des europaweiten
Kartells eine Bietergemeinschaft, bestehend aus ABB Isolrohr, Pan-Isovit und Henss Berlin (mit
Produkten von Isoplus Sondershausen), gebildet worden sei, um den Auftrag für dieses Projekt zu
erhalten. Es habe aber im Zusammenhang mit der Durchführung der Auftragsvergabe überhaupt
keine rechtswidrige Vorgehensweise oder rechtswidrige abgestimmte Verhaltensweise seitens Henss
Berlin und Isoplus Sondershausen gegeben.
254.
Der Grund dafür, dass der betreffende Auftraggeber, die VEAG, ersucht worden sei, bei Isoplus
Sondershausen eine Werksbesichtigung durchzuführen, habe darin gelegen, dass, nachdem sich
ergeben habe, dass Powerpipe das beste Angebot abgegeben habe, vor der endgültigen
Auftragsvergabe nochmals eingehend habe überprüft werden müssen, ob Powerpipe auch
qualitätsmäßig in der Lage sei, diesen Auftrag durchzuführen, wobei diese Überprüfungen gleichzeitig
auch bei dem zweitbesten Bieter hätten durchgeführt werden müssen. Die Richtigkeit dieser Angaben
ergebe sich auch aus der Antwort der VEAG vom 29. September 1995 auf das Auskunftsverlangen
vom 18. August 1995, in der es heiße, dass die VEAG auch bei Powerpipe eine Werksbesichtigung
durchgeführt habe. Aus dieser Antwort ergebe sich ferner, dass der Gesamtauftrag Leipzig-Lippendorf
an einen Generalunternehmer vergeben worden sei, wobei allerdings bezüglich der Verlegung der
vorisolierten Fernwärmerohre samt Nachisolierung im Auftrag vorgesehen gewesen sei, dass der
Generalunternehmer einen Subauftrag abzuschließen habe. Da der Generalunternehmer den
Zuschlag von der VEAG Ende März 1995 erhalten habe, müssten der Vertragsschluss mit Powerpipe
und damit der Zuschlag an Powerpipe etwas später erfolgt sein.
255.
Bezüglich der Sitzung vom 24. März 1995, bei der nach Angaben der Kommission ein Boykott von
Powerpipe erörtert worden sein solle, seien die Beweismittel für den Besprechungstermin oder
zumindest für die dort angeblich beschlossenen Boykottmaßnahmen anfechtbar, da sich dieser
Termin aus der Aufstellung der Treffen der deutschen Kontaktgruppe in Anlage 2 zur Antwort von
Brugg vom 9. August 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 9. Juli 1996 (im Folgenden: Antwort von
Brugg) ergebe, während aus der Stellungnahme von Brugg zur Mitteilung der Beschwerdepunkte
hervorgehe, dass sie an Besprechungen, die das Projekt in Leipzig-Lippendorf oder allgemeine
Maßnahmen gegen Powerpipe zum Inhalt gehabt hätten, nicht teilgenommen habe. Außerdem sei in
dieser Aufstellung fürden 24. März 1995 bezüglich der Gruppe Henss/Isoplus die Anwesenheit von
Herrn Papsdorf und Herrn Putz, nicht jedoch von Herrn Henss vermerkt.
256.
Herr Henss habe von ABB oder Løgstør nicht gefordert, irgendwelche Boykottmaßnahmen gegen
Powerpipe durchzuführen. Sofern ein Boykott tatsächlich von ABB und Løgstør beschlossen worden
sei, sei Herr Henss für die Isoplus-Unternehmen an dieser Vereinbarung und den entsprechenden
Gesprächen nicht beteiligt gewesen. Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen seien außerdem
wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen, irgendeine Art von Druck auf ihre Lieferanten auszuüben. Die
Lieferanten von Isoplus Hohenberg hätten sich im Wesentlichen in Österreich befunden und seien als
Lieferanten für Powerpipe gar nicht in Frage gekommen. Auch die wirtschaftliche Macht von Isoplus
Sondershausen habe nicht ausgereicht.
257.
Außerdem sei die der Gruppe Henss/Isoplus zugeschriebene Boykottabsicht nur schwer mit der
Tatsache in Einklang zu bringen, dass die Isoplus-Gesellschaften, als bei der Durchführung des
Projekts in Leipzig- Lippendorf diverse Probleme aufgetreten seien, die Firma Mannesmann Seiffert im
Rahmen der Mängelbeseitigung gegenüber dem Auftraggeber VEAG mit Fernwärmerohren beliefert
hätten. Gerade dies habe dazu geführt, dass Mannesmann Seiffert und die VEAG gegenüber
Powerpipe auf Schadensersatzforderungen verzichtet hätten.
258.
Auch im Zusammenhang mit dem Projekt in Leipzig-Lippendorf hätten die Klägerinnen bereits im
Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass verschiedene von Powerpipe vorgelegte Dokumente nicht
echt und richtig sein könnten.
259.
Folglich könnten die Klägerinnen nicht für aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zur
Ausschaltung von Powerpipe oder einen Boykott von Powerpipe verantwortlich gemacht werden.
Soweit bezüglich des Projekts in Neubrandenburg Vorwürfe gegen die Gruppe Henss/Isoplus erhoben
würden, könne ihr Verhalten nur als Versuch einer wettbewerbswidrigen Praxis gewertet werden, für
den nach Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag keine Sanktion vorgesehen sei. Auf jeden Fall habe diese
Maßnahme wettbewerbsrechtlich keine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt, weil Powerpipe den
Auftrag sowieso erhalten habe. Zum Projekt in Leipzig-Lippendorf sei festzustellen, dass in der
Entscheidung insoweit Ausführungen zu einer Vereinbarung oder einem Gentlemen's agreement über
Boykottmaßnahmen sowie zum genauen Kreis der beteiligten Unternehmen fehlten. Da das im Herbst
1994 gebildete Kartell keine Boykottmaßnahmen oder rechtswidrigen Verhaltensweisen gegenüber
Powerpipe umfasst habe, könne den Klägerinnen im Zusammenhang mit Powerpipe kein
wettbewerbswidriges Verhalten zur Last gelegt werden. Schließlich könnten die Klägerinnen nicht für
Handlungen auf dem schwedischen und dem dänischen Markt zur Verantwortung gezogen werden,
von denen sie weder Kenntnis gehabt hätten noch hätten haben müssen.
260.
Die Kommission trägt vor, die Darstellung des Sachverhalts in der Entscheidung entspreche den
zum Nachweis angeführten Unterlagen, die zeigten, dass sich Henss/Isoplus an einem Boykott von
Powerpipe beteiligt habe. Die Klägerinnen könnten nicht behaupten, dass es sich nur um den Versuch
einer Wettbewerbsbeschränkung gehandelt habe. Die Maßnahmen gegen Powerpipe seien Teil eines
Planes zur Aufteilung der Märkte gewesen und hätten der Absicherung dieses Planes gegenüber
einem außerhalb des europaweiten Kartells stehenden Unternehmen gedient.
Würdigung durch das Gericht
261.
Zu den aufeinander abgestimmten Maßnahmen zur Verdrängung von Powerpipe vom Markt ist
zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission der Gruppe Henss/Isoplus in der Entscheidung
nicht vorwirft, am strategischen Plan von ABB zur generellen Ausschaltung von Powerpipe oder an der
Abwerbung wichtiger Mitarbeiter dieses Unternehmens beteiligt gewesen zu sein.
262.
Da die den Klägerinnen zur Last gelegten Tätigkeiten Handlungen zur Vertreibung von Powerpipe
vom deutschen Markt sind, können sie sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf dem dänischen
und dem schwedischen Markt nicht tätig gewesen seien.
263.
Was die Handlungen zur Vertreibung von Powerpipe vom deutschen Markt anbelangt, so hat die
Kommission zu Recht festgestellt, dass die Gruppe Henss/Isoplus an diesen Handlungen teilnahm, und
sich dabei erstens auf die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Projekt in Neubrandenburg im
Oktober 1994 gestützt.
264.
Die durch interne Vermerke von Powerpipe (Anhänge 126 und 127 der Mitteilung der
Beschwerdepunkte) gestützte Behauptung von Powerpipe, die dem Kartell angehörenden
Unternehmen hätten vereinbart, dass das Projekt in Neubrandenburg an Henss/Isoplus gehen solle,
wird durch die Erklärung von Løgstør untermauert, ihr Geschäftsführer habe Kontakt zu Powerpipe
aufgenommen, dieser bestätigt, dass es eine gewisse Verständigung zwischen den
Wirtschaftsteilnehmern dieser Branche gebe, und ihr vorgeschlagen, zu einer gütlichen Einigung mit
Henss zu kommen (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte). Selbst wenn
das Projekt in Neubrandenburg nicht zuvor der Gruppe Henss/Isoplus zugeteilt worden sein sollte,
zeigen zudem die von Løgstør unternommenen Schritte, dass die dem Kartell angehörenden
Unternehmen im Oktober 1994 zu der Überzeugung gekommen waren, dass die Gruppe Henss/Isoplus
diesen Auftrag erhalten sollte.
265.
Insoweit können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass sie damals dem Kartell der
dänischen Hersteller noch nicht angehört hätten. Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission
dargetan, dass die Gruppe Henss/Isoplus ab Oktober 1991 an einem Kartell auf dem deutschen Markt
mitwirkte, sich bei denTreffen im Mai und August 1994 an einer Vereinbarung über eine Preisliste
beteiligte und am 7. Oktober 1994 am ersten Treffen der deutschen Kontaktgruppe teilnahm. Zudem
räumen die Klägerinnen in ihrer Klageschrift ein, im Oktober 1994 erklärt zu haben, „noch im Oktober
1994 grundsätzlich diesem rechtswidrigen europaweiten Kartell ... beizutreten“ (siehe oben, Randnrn.
137 bis 181).
266.
Angesichts dieser Feststellungen ist die Behauptung der Klägerinnen zurückzuweisen, dass die
Gespräche mit Powerpipe zur Zeit der Abgabe von Geboten für das Projekt in Neubrandenburg den
Aufbau einer gegen das Kartell der dänischen Hersteller gerichteten Kooperation betroffen hätten. Mit
den Angaben der Klägerinnen lässt sich auch der Inhalt des Telefax nicht erklären, das Herr Henss am
25. Oktober 1994 an den Geschäftsführer von Powerpipe schickte und in dem er ausführte (Anhang
133 der Mitteilung der Beschwerdepunkte): „[D]a Sie sich bis 16.00 Uhr nicht gemeldet haben, muss
ich Ihnen mitteilen, dass das Gespräch mit den gewünschten Personen nicht zustande kommen wird
und eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit von allen Beteiligten abgelehnt wird.“ Diese Korrespondenz
ergibt nur in Verbindung mit den Vermerken von Powerpipe und insbesondere dem in Anhang 128 der
Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Vermerk Sinn, wonach Henss Powerpipe ein Ultimatum
für den Verzicht auf das Projekt in Neubrandenburg gestellt habe, der die Vorbedingung für die
Herstellung des Kontakts zu ABB und Løgstør gewesen sei. Entgegen der Behauptung der Klägerinnen
kann der Beweiswert der Vermerke von Powerpipe zu ihren Telefonaten mit der Gruppe Henss/Isoplus
nicht allein deshalb in Frage gestellt werden, weil sie erst im Dezember 1994 verfasst wurden, zumal
ihr Inhalt durch die Erklärung von Løgstør bestätigt wird, dass Henss starken Druck auf sie ausgeübt
habe, damit sie Powerpipe davon überzeuge, sich vom Projekt in Neubrandenburg zurückzuziehen
(Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).
267.
Zweitens ist zum Verhalten der Klägerinnen bei der Vergabe des Projekts in Leipzig-Lippendorf
festzustellen, dass die Schlussfolgerungen der Kommission auf den Ergebnissen des Treffens in
Düsseldorf am 24. März 1995 beruhen.
268.
Die Klägerinnen bestreiten insoweit nicht, dass es innerhalb des Kartells eine Vereinbarung gab,
nach der das Projekt in Leipzig-Lippendorf ABB, Henss/Isoplus und Pan-Isovit zugedacht war.
269.
Ferner ergibt sich aus den Aufzeichnungen von Tarco über das Treffen am 24. März 1995 (Anhang
143 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), dass die Vergabe des Projekts in Leipzig-Lippendorf an
Powerpipe Anlass zur Erörterung einer Reihe von Maßnahmen war. In diesen Aufzeichnungen heißt es:
„[Powerpipe] hat offenbar den Zuschlag für [das Projekt] Leipzig-Lippendorf erhalten.
- Keine Belieferung von L-L, IKR, Mannesmann-Seiffert, VEAG durch irgendeinen Hersteller.
- Alle Auskunftsersuchen über das Projekt sind [X] mitzuteilen.
- Keiner unserer Zulieferer darf für [Powerpipe] arbeiten; wenn sie dies tun, wird die künftige
Zusammenarbeit eingestellt.
- Wir werden versuchen zu verhindern, dass [Powerpipe] Lieferungen von (z. B.) Kunststoff erhält.
- EuHP soll prüfen, ob wir uns darüber beschweren können, dass eine nicht qualifizierte Firma den
Zuschlag erhielt.“
270.
Der wettbewerbswidrige Charakter der bei diesem Treffen erörterten Maßnahmen wird auch durch
die Erklärung von Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass
Henss auf kollektive Maßnahmen gegen Powerpipe gedrängt habe.
271.
Zur Teilnahme der Gruppe Henss/Isoplus am Treffen vom 24. März 1995 ist festzustellen, dass die
Anwesenheit von Herrn Putz und Herrn Papsdorf durch die Tabelle in Anlage 2 zur Antwort von Brugg
bestätigt wird. Angesichts der Aufzeichnungen von Tarco über dieses Treffen und der Tatsache, dass
Brugg ihre eigene Anwesenheit bei diesem Treffen ausdrücklich eingeräumt hat, versuchen die
Klägerinnen vergeblich - ohne ihre Anwesenheit bei dem Treffen förmlich zu bestreiten -, den
Beweiswert der genannten Tabelle unter Hinweis darauf in Frage zu stellen, dass Brugg während des
Verwaltungsverfahrens bestritten habe, an Maßnahmen gegen Powerpipe oder an Treffen zum Projekt
in Leipzig-Lippendorf teilgenommen zu haben.
272.
Nimmt ein Unternehmen an einem Treffen mit offensichtlich wettbewerbswidrigem Zweck teil, ohne
sich offen von dessen Inhalt zu distanzieren, so gibt es den anderen Teilnehmern Anlass zu der
Annahme, dass es dem Ergebnis des Treffens zustimmt und sich daran halten wird (vgl. die oben in
Randnr. 137 angeführte Rechtsprechung). Unter solchen Umständen reicht die Tatsache, dass bei
dem Treffen, an dem das fragliche Unternehmen teilnahm, eine rechtswidrige Absprache erörtert
wurde, als Beweis für seine Beteiligung an dieser Absprache aus.
273.
Da bei dem Treffen am 24. März 1995 wettbewerbswidrige Maßnahmen erörtert wurden, sind alle
Unternehmen, die an diesem Treffen teilnahmen, ohne sich offen zu distanzieren, als Beteiligte an der
aus den fraglichen Maßnahmen bestehenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise
anzusehen.
274.
Folglich hat die Kommission einen stichhaltigen Nachweis für die Beteiligung der Gruppe
Henss/Isoplus an einer Vereinbarung zur Schädigung von Powerpipeerbracht, da die Klägerinnen nicht
dargetan haben, dass sie sich vom Ergebnis des fraglichen Treffens distanziert hatten.
275.
Insoweit greift das Argument nicht durch, an dem Treffen vom 24. März 1995 hätten keine
hochrangigen Vertreter der fraglichen Unternehmen, sondern nur deren Verkaufsleiter teilgenommen.
Zur Anwendung von Artikel 15 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17, der die Kommission ermächtigt,
gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Geldbußen festzusetzen, wenn sie „vorsätzlich
oder fahrlässig“ Zuwiderhandlungen begangen haben, bedarf es keiner Handlung und nicht einmal
einer Kenntnis der Inhaber oder Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens von der
Zuwiderhandlung, sondern es genügt die Handlung einer Person, die berechtigt ist, für das
Unternehmen tätig zu werden (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80
bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 97).
276.
Da sich die Verantwortung der Klägerinnen für die aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen
Powerpipe bereits daraus ergibt, dass Vertreter der Gruppe Henss/Isoplus an dem Treffen vom 24.
März 1995 teilnahmen, ohne sich offen von den beschlossenen Maßnahmen zu distanzieren, spielt es
auch keine Rolle, ob die Gruppe Henss/Isoplus damals versuchte, bei Kontakten mit der VEAG diese
davon zu überzeugen, sich von Powerpipe zu trennen, ob es die Klägerinnen waren, die von ABB oder
Løgstør verlangten, Boykottmaßnahmen durchzuführen, und ob das Projekt in Leipzig-Lippendorf zum
Zeitpunkt des Treffens vom 24. März 1995 oder des Besuchs der VEAG in der Fabrik von Isoplus
Sondershausen bereits an Powerpipe vergeben worden war, was die Klägerinnen bestreiten. Auch
wenn der Vertrag zwischen der VEAG und Powerpipe möglicherweise erst nach dem genannten Treffen
unterzeichnet wurde, geht jedenfalls aus dem Schreiben der VEAG vom 21. März 1995 an den
Generalunternehmer des Projekts (Anhang 142 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) sowie aus der
Antwort der VEAG vom 29. September 1995 hervor, dass die Entscheidung des Auftraggebers
zugunsten von Powerpipe am 21. März 1995 gefallen war, also vor dem fraglichen Treffen und vor dem
Besuch der VEAG in der Fabrik von Isoplus Sondershausen.
277.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann das Verhalten der Gruppe Henss/Isoplus nach dem
Treffen vom 24. März 1995 nicht als Distanzierung von den Ergebnissen dieses Treffens eingestuft
werden. Im Licht der Tatsache, dass die Gruppe zu dem Konsortium gehörte, dem das Kartell das
Projekt in Leipzig-Lippendorf zugedacht hatte, und somit ein so großes Interesse an der Angelegenheit
besaß, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie sich auf ein passives Verhalten
beschränkte, ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben genannten Antwort der VEAG Vertreter von
Isoplus Ende März während des Besuchs bei Isoplus Sondershausen versuchten, Zweifel an den
technischen und finanziellen Möglichkeiten von Powerpipe zu wecken. Nach Angaben der Klägerinnen
nahm Herr Henss persönlich an diesem Besuch teil. Zudem geht aus den handschriftlichen Notizen
auf einem Telefax (Zusatzdokument Nr. 8 zurMitteilung der Beschwerdepunkte), in dem ein Anbieter
Lieferungen zur Durchführung des Projekts in Leipzig-Lippendorf forderte, hervor, dass diese an Pan-
Isovit gerichtete Forderung Gegenstand von Gesprächen zwischen dessen Geschäftsführer, Herrn
Henss und dem Geschäftsführer von ABB Isolrohr war. Die Notizen lauten:
„Herren Feldmann
Dr. Henss
Ihre Reaktion auf dieses Fax? :)
lehmann
Pan-Isovit
Bitte auch mit Henss besprechen
Mit H. Henss gespr.
Zur Diskussion 4.[?]5.95
H. Feldmann nicht err.
[Unterschrift unleserlich] 2.5.95“
278.
Dieser Meinungsaustausch fand zwischen den drei Unternehmen statt, die als „Favoriten“ für das
fragliche Projekt ausgewählt worden waren. Nach Angaben von Løgstør fand aber am 5. Mai 1995 ein
Treffen des Geschäftsführer-Clubs statt, bei dem ABB und Isoplus auf einem abgestimmten Vorgehen
gegen Powerpipe bestanden hätten, um ihr jede Belieferung zu erschweren (Stellungnahme von
Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte). Diese verschiedenen Anhaltspunkte führen zu dem
Schluss, dass Herr Henss, statt sich von den Maßnahmen zu distanzieren, die Powerpipe schädigen
konnten, selbst in die Erörterung solcher Maßnahmen einbezogen blieb.
279.
Diese Schlussfolgerung wird auch durch das Argument der Klägerinnen nicht in Frage gestellt, sie
wären wegen der geografischen Lage von Isoplus Hohenberg und der fehlenden Möglichkeit, auf die
Lieferanten von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen Druck auszuüben, ohnehin zu einem
Boykott von Powerpipe nicht in der Lage gewesen.
280.
Ein Boykott kann einem Unternehmen auch dann zugerechnet werden, wenn es sich nicht
tatsächlich an dessen Durchführung beteiligt hat oder beteiligen konnte. Andernfalls würden
Unternehmen, die Boykottmaßnahmen zugestimmt haben, aber keine Gelegenheit hatten, selbst zu
ihrer Durchführung beizutragen, von jeder Verantwortung für ihre Beteiligung an der Vereinbarung
befreit.
281.
Ein Unternehmen, das sich an einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung durch eigene
Handlungen beteiligt hat, die den Begriff der auf einwettbewerbswidriges Ziel gerichteten
Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
erfüllen und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollen, kann für die
gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten
verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legen,
wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen
Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann und bereit ist, die daraus erwachsende
Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 203).
282.
Da die Gruppe Henss/Isoplus bei dem Treffen am 24. März 1995 vertreten war, kannte sie die
Maßnahmen, mit denen die Geschäftstätigkeit von Powerpipe behindert werden sollte. Da sie sich
nicht von diesen Maßnahmen distanzierte, gab sie den anderen Teilnehmern an dem Treffen Anlass zu
der Annahme, dass sie dessen Ergebnis zustimme und sich daran halten werde und dass sie bereit
sei, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.
283.
Schließlich können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass die innerhalb des Kartells
erörterten Maßnahmen jedenfalls nicht zu einer Beschränkung des Wettbewerbs geführt hätten, da
Powerpipe die fraglichen Aufträge erhalten habe, und daraus ableiten, dass diese Maßnahmen
allenfalls als versuchte Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag eingestuft werden könnten.
284.
Insoweit braucht die Kommission nicht den Beweis zu erbringen, dass eine Vereinbarung
Auswirkungen hatte, wenn sich ergibt, dass die Vereinbarung eine Verhinderung, Einschränkung oder
Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckte (Urteile Consten und
Grundig/Kommission, S. 390, Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 99, und vom 8. Juli 1999,
Hüls/Kommission, Randnr. 178; Urteil CB und Europay/Kommission, Randnr. 87). Ferner setzt der Begriff
der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus,
verlangt aber nicht notwendigerweise, dass sich dieses Verhalten konkret in einer Einschränkung,
Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt (vgl. Urteile vom 8. Juli 1999,
Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 122 bis 124, und Hüls/Kommission, Randnrn. 163 bis 165).
Aus dem Vorstehenden folgt aber, dass es im Rahmen des Kartells, u. a. in Bezug auf die Vergabe der
Projekte in Neubrandenburg und Leipzig-Lippendorf, solche Vereinbarungen oder abgestimmten
Verhaltensweisen gab.
285.
Überdies sind die von den Mitgliedsunternehmen des Kartells beschlossenen wettbewerbswidrigen
Maßnahmen gegen Powerpipe im Zusammenhang mit der Vereinbarung zu beurteilen, die es damals
auf dem europäischen Markt gab und mit der die übrigen Unternehmen auf diesem Markt gezwungen
werden sollten, sich ebenfalls dem Kartell anzupassen. Unabhängig davon, dass die Maßnahmen,die
bei dem Treffen am 24. März 1995 beschlossen wurden, selbst als Vereinbarung oder abgestimmte
Verhaltensweise der Teilnehmer dieses Treffens angesehen werden können, war die Kommission
berechtigt, in Randnummer 143 ihrer Entscheidung die Ansicht zu vertreten, dass die Maßnahmen zur
Schädigung von Powerpipe oder zu deren Vertreibung vom Markt einen Aspekt des Kartells auf dem
europäischen und dem deutschen Markt dargestellt hätten, an dem die Gruppe Henss/Isoplus
mitgewirkt habe.
286.
Aus all diesen Gründen ist der Klagegrund der Klägerinnen auch hinsichtlich der Beteiligung der
Gruppe Henss/Isoplus an aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe zurückzuweisen.
B -
1. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Beteiligung an der Zuwiderhandlung von
Oktober 1993 bis März 1994
Vorbringen der Parteien
287.
Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, sie habe in Artikel 1 der Entscheidung eine
Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EG-Vertrag auch für den Zeitraum von Oktober 1993 bis März 1994
festgestellt, obwohl sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt habe, die Aussetzung der
Absprachen in diesem Zeitraum berücksichtigen zu wollen.
288.
Nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung
nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268)
ziehe die Kommission in ihrer Entscheidung nur die Beschwerdepunkte in Betracht, zu denen die
Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Gelegenheit zur Äußerung gehabt hätten. Wenn
daher die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte den beteiligten Unternehmen
ankündige, dass sie beabsichtige, im Zusammenhang mit der Dauer des Verstoßes festzustellen,
dass die kartellwidrigen Absprachen für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt worden seien, könne
sie in der Entscheidung nicht ohne ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem Ergebnis
kommen, dass es in diesem Zeitraum dennoch ein wettbewerbswidriges Verhalten gegeben habe.
289.
Vorliegend habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt, sie
beabsichtige „festzustellen, dass die Beteiligung der verschiedenen Unternehmen am Verstoß von
folgender Dauer war: ... Isoplus ab Oktober 1991 und mit Ausnahme des oben genannten Zeitraums
der Aussetzung bis mindestens März oder April 1996“. Ferner habe die Kommission dort angegeben,
dass die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßenden Absprachen „[f]ür den Zeitraum von sechs
Monaten vom Oktober 1993 bis zum März 1994 ... als suspendiert gelten [können]“. In Artikel 1 der
Entscheidung werde aber in Bezug auf Henss/Isoplus als Dauer der Zuwiderhandlung die Zeit von
Oktober 1991 bis März/April 1996angegeben, ohne den Sonderstatus des Zeitraums von Oktober
1993 bis März 1994 zu erwähnen.
290.
Die Kommission behaupte zu Unrecht, sie habe an ihrer Darstellung in der Mitteilung der
Beschwerdepunkte festgehalten, dass die Aussetzung der Tätigkeiten für sechs Monate nichts am
kontinuierlichen Charakter der Zuwiderhandlung ändere. In der Zusammenfassung der
Beschwerdepunkte habe sie nämlich nicht ausdrücklich mitgeteilt, dass sie auch in diesem Zeitraum
einen Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag festzustellen beabsichtige. Die der Zusammenfassung der
Beschwerdepunkte hinsichtlich des Zeitraums der Zuwiderhandlung vorangegangenen Überlegungen
seien insoweit unbeachtlich.
291.
Die Kommission führe zwar in Randnummer 153 der Entscheidung aus, dass die Absprachen
möglicherweise von Oktober 1993 bis etwa März 1994 ausgesetzt worden seien. Den Feststellungen in
Artikel 1 der Entscheidung komme jedoch ausschlaggebende Bedeutung gegenüber der Begründung
in Randnummer 153 der Entscheidung zu, da die Gründe der Entscheidung die in den Artikeln 1 bis 5
enthaltene Entscheidung selbst nicht ändern könnten. Auch wenn der verfügende Teil einer
Entscheidung der Kommission im Licht der Gründe auszulegen sei, gehe bei Widersprüchen zwischen
beiden der verfügende Teil vor. Die Begründung könne niemals den verfügenden Teil einer
Entscheidung der Kommission korrigieren.
292.
Zur Behauptung der Kommission, den besonderen Charakter dieses sechsmonatigen Zeitraums bei
der Ermittlung der Geldbuße berücksichtigt zu haben, sei in Randnummer 178 der Entscheidung
nichts zu finden. Die unterschiedliche Gewichtung der Dauer der Zuwiderhandlung in Randnummer
178 der Entscheidung habe in Wirklichkeit ihre Ursache darin, dass den Unternehmen Tarco, Dansk
Rørindustri und Pan-Isovit im Gegensatz zur Gruppe Henss/Isoplus eine Zuwiderhandlung bereits ab
November/Dezember 1990 zur Last gelegt worden sei.
293.
Die Beklagte führt aus, in der Entscheidung werde die gleiche These wie in der Mitteilung der
Beschwerdepunkte vertreten, nach der es sich um einen vorübergehend ausgesetzten
kontinuierlichen Verstoß handele. Sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der
Entscheidung werde festgestellt, dass die Aussetzung der Absprachen in der Zeit von Oktober 1993
bis März 1994 nichts am kontinuierlichen Charakter der Zuwiderhandlung ändere. Im Übrigen habe sie
dem besonderen Charakter dieses Sechsmonatszeitraums bei der Gewichtung der Dauer der
Zuwiderhandlung im Rahmen der Berechnung der Geldbuße Rechnung getragen.
Würdigung durch das Gericht
294.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts ist, das unter
allen Umständen, insbesondere aber in allen Verfahren, die zu Sanktionen führen können, zu
beachten ist, selbst wenn es sich dabei um ein Verwaltungsverfahren handelt, verlangt, dass die
betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des
Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt werden, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der
Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände angemessen Stellung
zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La
Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 11; Urteil Shell/Kommission, Randnr. 39).
295.
Nach der Rechtsprechung müssen die Beschwerdepunkte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte,
sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Betroffenen tatsächlich
erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt. Nur unter dieser
Voraussetzung kann die Mitteilung der Beschwerdepunkte nämlich den ihr durch die
Gemeinschaftsverordnungen zugewiesenen Zweck erfüllen, der darin besteht, den Unternehmen und
Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen, damit sie sich
sachgerecht verteidigen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt (Urteil
des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-
117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307, Randnr.
42; Urteil Mo och Domsjö/Kommission, Randnr. 63).
296.
Da die Dauer der Zuwiderhandlung zu den Kriterien gehört, die gemäß Artikel 15 Absatz 2
Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigen sind, muss
die Kommission, wenn sie die Verhängung von Geldbußen beabsichtigt, als wesentlichen Faktor die
Dauer angeben, die sie aufgrund der ihr bei Abfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte
verfügbaren Informationen festgestellt hat. Die Kommission darf den auf diese Weise angegebenen
Zeitraum ausdehnen, wenn zusätzliche, im Lauf des Verwaltungsverfahrens gewonnene Informationen
dies rechtfertigen, vorausgesetzt, die Unternehmen hatten Gelegenheit, sich dazu zu äußern (Urteil
Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 15).
297.
Im vorliegenden Fall ist zunächst zu klären, ob und in welchem Umfang die Kommission in ihrer
Entscheidung der Gruppe Henss/Isoplus vorwirft, an der Zuwiderhandlung in der Zeit von Oktober
1993 bis März 1994 teilgenommen zu haben.
298.
In Artikel 1 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Entscheidung wird Henss/Isoplus eine
Zuwiderhandlung „zwischen Oktober 1991 bis [wenigstens März/April 1996]“ zur Last gelegt.
299.
Ferner heißt es in Randnummer 152 Absatz 1 der Entscheidung: „Für den Zeitraum von sechs
Monaten vom Oktober 1993 bis zum März 1994 können die Absprachen als suspendiert gelten, wobei
(nach Aussage von ABB) zweiseitige und dreiseitige Gespräche fortgesetzt wurden.“ In Randnummer
153 der Entscheidung wird hinzugefügt: „Die Beteiligung der verschiedenen Unternehmen am Verstoß
war demnach von folgender Dauer: ... c) Isoplus ab Oktober 1991 und mit Ausnahme des oben
genannten Zeitraums der Aussetzung bis mindestens März oder April 1996 ...“
300.
Aus den Gründen der Entscheidung geht somit klar hervor, dass die Kommission, als sie der Gruppe
Henss/Isoplus die Beteiligung an einem Kartell für den gesamten Zeitraum von Oktober 1991 bis
März/April 1996 zur Last legte, gleichwohl berücksichtigte, dass dieses Kartell während der genannten
sechs Monate ausgesetzt war. Nach gefestigter Rechtsprechung ist der verfügende Teil der
Entscheidung im Licht ihrer Gründe zu verstehen (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 122
bis 124). Außerdem wird der Gruppe Henss/Isoplus ihre Beteiligung an der fraglichen Zuwiderhandlung
nach Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung „in der in der Begründung ausgeführten Weise und dem
genannten Umfang“ vorgeworfen.
301.
Im Übrigen wird die Tatsache, dass die Kommission einen Zeitraum der Aussetzung des Kartells
berücksichtigt hat, durch die Beurteilung der Dauer der den Klägerinnen zur Last gelegten
Zuwiderhandlung im Rahmen der Berechnung der Geldbuße bestätigt. Der Ausgangspunkt der
Geldbuße der Gruppe Henss/Isoplus wurde aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung von Oktober
1991 bis März/April 1996 um den Faktor 1,25 erhöht, während bei ABB, Løgstør, Dansk Rørindustri und
Tarco wegen ihrer Beteiligung am Kartell von November/Dezember 1990 bis März/April 1996 eine
Erhöhung um den Faktor 1,4 vorgenommen wurde. Auch wenn die Entscheidung in Bezug auf die
Geldbuße von Henss/Isoplus keine speziellen Erläuterungen zu diesem Punkt enthält, geht aus ihren
Randnummern 170, 175 und 178 zusammen genommen hervor, dass sowohl bei Henss/Isoplus als
auch bei den genannten anderen Unternehmen eine stärkere Erhöhung erfolgt wäre, wenn der
Zeitraum der Aussetzung keine Berücksichtigung gefunden hätte. Aus den Randnummern 175 und
178 der Entscheidung ergibt sich, dass die Dauer der Zuwiderhandlung bei Løgstør, Dansk Rørindustri
und Tarco anhand der bei ABB herangezogenen Dauer ermittelt wurde. Zu der bei ABB
herangezogenen Dauer heißt es aber in Randnummer 170 der Entscheidung, dass die Aussetzung der
Vorkehrungen zwischen 1993 und Anfang 1994 zu den Faktoren gehöre, die von der Kommission
berücksichtigt worden seien, als sie bei einer mehr als fünfjährigen Zuwiderhandlung die Erhöhung
wegen der Dauer auf 1,4 festgesetzt habe.
302.
Unter diesen Umständen zeigt sich, dass die Kommission in ihrer Entscheidung eine Aussetzung der
Tätigkeiten des Kartells von Oktober 1993 bis März 1994 berücksichtigt hat, ohne dass geprüft zu
werden braucht, ob die Einschätzung inden Randnummern 140 und 141 der Entscheidung zutrifft,
dass dieses Kartell gleichwohl eine kontinuierliche Zuwiderhandlung dargestellt habe.
303.
Somit entspricht die Dauer der in der Entscheidung angenommenen Beteiligung, d. h. der gesamte
Zeitraum von Oktober 1991 bis März/April 1996 mit Ausnahme des sechsmonatigen Zeitraums der
Aussetzung, der den Klägerinnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Last gelegten Dauer, zu
der sie sich äußern konnten.
304.
In der Mitteilung der Beschwerdepunkte heißt es nämlich unter der Überschrift „Dauer des
Verstoßes“: „Für den Zeitraum von sechs Monaten vom Oktober 1993 bis zum März 1994 können die
Absprachen als suspendiert gelten, wobei nach Aussage von ABB zweiseitige und dreiseitige
Gespräche fortgesetzt wurden.“ Ferner führt die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte
unter der gleichen Überschrift aus, sie beabsichtige daher „festzustellen, dass die Beteiligung der
verschiedenen Unternehmen am Verstoß von folgender Dauer war: ... Isoplus ab Oktober 1991 und
mit Ausnahme des oben genannten Zeitraums der Aussetzung bis mindestens März oder April 1996“.
305.
Des Weiteren hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass ihres
Erachtens die Aussetzung der Tätigkeiten des Kartells nicht daran hindere, vom Vorliegen einer
kontinuierlichen Zuwiderhandlung auszugehen. Folglich konnten sich die Klägerinnen auch zu dieser
Einschätzung äußern.
306.
Die Rüge der Klägerinnen ist somit zurückzuweisen, soweit sie die Verletzung des rechtlichen
Gehörs in Bezug auf ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung von Oktober 1993 bis März 1994 betrifft.
2. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Anwendung der Leitlinien zur Festsetzung
von Geldbußen
Vorbringen der Parteien
307.
Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, ihnen kein rechtliches Gehör gewährt zu haben, da sie
zur Frage der Anwendung der Leitlinien nicht hätten Stellung nehmen können.
308.
In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 19. März 1997 habe die Kommission im
Zusammenhang mit der beabsichtigten Verhängung von Geldbußen Ausführungen gemacht, die ihrer
Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung entsprochen hätten. Die Klägerinnen hätten sich zur
Berechnungsmethode in den neuen Leitlinien, die erst am 14. Januar 1998 veröffentlicht worden
seien, nicht äußern können, obwohl die Leitlinien in rechtswidriger Weise von der Ermittlung der
Geldbußen nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 abwichen. In ihrem Schriftsatz vom 30. März
1998 hätten Isoplus Hohenberg und IsoplusSondershausen aber unter Bezugnahme auf das
Rückwirkungsverbot erklärt, dass die Leitlinien im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gebracht
werden könnten.
309.
Die Beklagte trägt vor, wenn die Festsetzung einer Geldbuße in Betracht komme, genüge es, wenn
sie im Verwaltungsverfahren darauf hinweise, dass sie aufgrund von Schwere und Dauer des
Verstoßes eine Geldbuße zu verhängen gedenke; dies habe sie in ihrer Mitteilung der
Beschwerdepunkte getan. Die Wahrung des rechtlichen Gehörs setze nicht voraus, dass sie die
Kriterien und Erwägungen der Bemessung bereits im Verwaltungsverfahren angebe.
Würdigung durch das Gericht
310.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die gegen die Klägerinnen festgesetzte
Geldbuße unstreitig anhand der in den Leitlinien angekündigten allgemeinen Methode für die
Berechnung von Geldbußen ermittelt hat.
311.
Nach ständiger Rechtsprechung erfüllt die Kommission ihre Verpflichtung zur Wahrung des
Anhörungsrechts der Unternehmen, wenn sie in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich
darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen
festzusetzen seien, und die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen
und rechtlichen Gesichtspunkte wie Schwere und Dauer der vermuteten Zuwiderhandlung sowie den
Umstand anführt, ob diese „vorsätzlich oder fahrlässig“ begangen worden sei. Damit macht sie
gegenüber den Unternehmen die Angaben, die diese für ihre Verteidigung nicht nur gegen die
Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern auch gegen die Festsetzung einer Geldbuße benötigen
(Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 21).
312.
Folglich sind bei der Bemessung der Geldbußen die Verteidigungsrechte der betroffenen
Unternehmen gegenüber der Kommission dadurch gewahrt, dass sie sich zu Dauer, Schwere und
Vorhersehbarkeit des wettbewerbswidrigen Charakters der Zuwiderhandlung äußern können.
Außerdem verfügen die Unternehmen bezüglich der Bemessung der Geldbußen über eine zusätzliche
Garantie, weil das Gericht mit Befugnis zu uneingeschränkter Nachprüfung entscheidet und u. a. die
Geldbuße gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 aufheben oder herabsetzen kann (Urteil des
Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755,
Randnr. 235).
313.
Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in der den Klägerinnen übersandten Mitteilung der
Beschwerdepunkte erläutert hat, von welcher Dauer der Zuwiderhandlung sie in ihrem Fall
auszugehen beabsichtigte.
314.
Sodann hat sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Gründe, aus denen es sich im
vorliegenden Fall ihres Erachtens um einen besonders schweren Verstoß handelt, sowie die
erschwerenden Umstände dargelegt: Manipulation derAusschreibungsverfahren, aggressive
Durchsetzung des Kartells, um die Befolgung durch alle an den Vereinbarungen Beteiligten zu
gewährleisten und den einzigen nicht daran teilnehmenden Konkurrenten von Bedeutung
auszuschalten, sowie Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach den Untersuchungen.
315.
Zugleich hat die Kommission dort ausgeführt, dass sie bei der Bemessung der Geldbuße der
einzelnen Unternehmen u. a. deren Rolle bei den wettbewerbswidrigen Praktiken, alle wesentlichen
Unterschiede bei der Dauer ihrer Beteiligung, ihre Bedeutung in der Fernwärmebranche, ihren Umsatz
in diesem Sektor, gegebenenfalls ihren Gesamtumsatz, um Größe und Wirtschaftskraft des fraglichen
Unternehmens zu erfassen und die nötige Abschreckungswirkung zu gewährleisten, und schließlich
alle mildernden Umstände berücksichtigen werde.
316.
Zudem hat die Kommission in Bezug auf die Klägerinnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte
angekündigt, sie werde berücksichtigen, dass Henss/Isoplus eine aktive Rolle dabei gespielt habe, die
Einhaltung der Kartellabsprachen durch die anderen Hersteller zu gewährleisten.
317.
Damit hat die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte die tatsächlichen und
rechtlichen Gesichtspunkte angegeben, auf die sie sich bei der Berechnung der Geldbuße der Gruppe
Henss/Isoplus stützen würde, so dass das Anhörungsrecht der Klägerinnen insoweit gebührend
beachtet wurde.
318.
Da die Kommission die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben hatte, auf die sich
ihre Berechnung der Geldbußen stützte, brauchte sie nicht zu erläutern, in welcher Weise sie jeden
dieser Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße heranziehen würde. Angaben zur Höhe der
beabsichtigten Geldbußen wären nämlich, solange den Unternehmen keine Gelegenheit gegeben
wurde, zu den gegen sie in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen, eine nicht
sachgerechte Vorwegnahme der Entscheidung der Kommission (Urteil Musique diffusion française u.
a./Kommission, Randnr. 21, und Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache
322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 19).
319.
Folglich war die Kommission auch nicht verpflichtet, den betroffenen Unternehmen während des
Verwaltungsverfahrens mitzuteilen, dass sie eine neue Methode für die Berechnung der Geldbußen
anzuwenden beabsichtigte.
320.
Insbesondere brauchte die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht auf die
Möglichkeit einer Änderung ihrer Politik bezüglich des Niveaus der Geldbußen hinzuweisen, eine
Möglichkeit, die von allgemeinen wettbewerbspolitischen Erwägungen abhing, die mit den
Besonderheiten der vorliegenden Fälle nicht in unmittelbarem Zusammenhang standen (Urteil
Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 22). Die Kommission ist nämlich nicht
verpflichtet, die Unternehmen zu warnen, indem sie ihnen ihre Absichtmitteilt, das allgemeine Niveau
der Geldbußen anzuheben (Urteil Solvay/Kommission, Randnr. 311).
321.
Folglich verpflichtete das Anhörungsrecht der Klägerinnen die Kommission nicht dazu, ihnen ihre
Absicht mitzuteilen, in ihrem Fall die neuen Leitlinien anzuwenden.
322.
Aus all diesen Gründen ist die Rüge einer Verletzung des Anhörungsrechts in Bezug auf die
Anwendung der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen zurückzuweisen.
3. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Übersetzung bestimmter Dokumente
Vorbringen der Parteien
323.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, da die
Kommission ihnen nicht alle Dokumente in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt habe. So hätten
sie keine Übersetzung bestimmter Schriftstücke erhalten, die der Mitteilung der Beschwerdepunkte,
der ergänzenden Mitteilung und den Antworten anderer Unternehmen auf Auskunftsverlangen der
Kommission beigefügt gewesen seien.
324.
Die Überlegungen des Gerichtshofes in seinem Urteil vom 24. November 1998 in der Rechtssache
C-274/96 (Bickel und Franz, Slg. 1998, I-7637), das den Anspruch der Unionsbürger auf Durchführung
eines Strafverfahrens in ihrer Muttersprache betreffe, müssten auch für ein nach der Verordnung Nr.
17 durchgeführtes Verfahren vor der Kommission gelten, das als Strafverfahren im Sinne der Artikel 5
und 6 EMRK einzustufen sei. Im Verfahren vor der Kommission gelte der Grundsatz der
Waffengleichheit, der verlange, dass nicht nur die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die
Entscheidung, sondern auch deren sämtliche Beilagen in der offiziellen Sprache am Sitz des
betroffenen Unternehmens oder in der von diesem gewünschten Verfahrenssprache zugestellt
würden. Auf jeden Fall müsse es eine Verpflichtung zur Übersetzung der übermittelten Unterlagen für
Schriftsätze anderer Unternehmen und des Beschwerdeführers geben, weil die Kommission selbst
diese Schriftstücke in die verschiedenen Amtssprachen der Gemeinschaft übersetzen müsse.
325.
Die Beklagte führt aus, die Verfahrensunterlagen im Sinne der Verordnung Nr. 17, d. h. die
Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Entscheidung, seien den Betroffenen im Einklang mit Artikel
3 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385) in deutscher Sprache zugestellt
worden. Die nicht von der Kommission stammenden Schriftstücke, die der Information und der
Verteidigung der Klägerinnen dienen sollten, seien ihnendagegen in der Originalfassung zu
übermitteln gewesen. Somit gebe es keine Rechtsgrundlage für die Behauptung der Klägerinnen, die
Kommission müsse diese Schriftstücke in die verschiedenen Amtssprachen der Gemeinschaft
übersetzen.
Würdigung durch das Gericht
326.
Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten nicht nur für die Unterlagen im Anhang der Mitteilung
der Beschwerdepunkte, sondern auch für die Anhänge zu den Antworten anderer Unternehmen auf
Auskunftsverlangen der Kommission eine Übersetzung erhalten müssen.
327.
Nach ständiger Rechtsprechung sind die Anhänge der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die nicht
von der Kommission stammen, keine „Schriftstücke“ im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1,
sondern sind als Beweisstücke anzusehen, auf die sich die Kommission stützt und die daher dem
Empfänger der Entscheidung so, wie sie sind, zu übermitteln sind, damit dieser ihre Auslegung durch
die Kommission, auf die sie sowohl ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch ihre Entscheidung
gestützt hat, in Erfahrung bringen kann (Urteil Tréfilunion/Kommission, Randnr. 21, und Urteil des
Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-338/94, Finnboard/Kommission, Slg. 1998, II-1617,
Randnr. 53). Folglich hat die Kommission, als sie diese Anhänge in ihrer Originalsprache übermittelte,
nicht gegen das Anhörungsrecht der betroffenen Unternehmen verstoßen.
328.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die den Klägerinnen in deutscher Sprache übersandt wurde,
enthält einschlägige Auszüge aus den ihr beigefügten Anhängen. Bei dieser Art der Darlegung
konnten die Klägerinnen somit genau erkennen, auf welchen Sachverhalt und auf welche rechtlichen
Erwägungen sich die Kommission gestützt hatte. Sie waren folglich in der Lage, ihre Rechte
angemessen zu verteidigen (vgl. auch Urteil Tréfilunion/Kommission, Randnr. 21).
329.
Das Gleiche gilt für die Unterlagen, die andere Unternehmen ihren Antworten auf
Auskunftsverlangen der Kommission beigefügt hatten. Zum einen verpflichtet keine Bestimmung des
Gemeinschaftsrechts die Kommission, eine Übersetzung solcher nicht von ihr stammender Unterlagen
zu liefern. Zum anderen müssen sie, da sie der Information und der Verteidigung der betroffenen
Unternehmen dienen sollen, diesen so, wie sie sind, übermittelt werden, damit die Unternehmen die
Auslegung der Unterlagen durch die Kommission, auf die sie ihre Entscheidung gestützt hat,
beurteilen können.
330.
Dadurch wird nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen, denn wie die Kommission
ausgeführt hat, stellt die Originalfassung der Unterlagen sowohl für sie als auch für die betroffenen
Unternehmen den allein maßgebenden Beweis dar.
331.
Die Klägerinnen versuchen vergeblich, aus dem Urteil Bickel und Franz eine andere als die
vorstehende Auslegung herzuleiten. Der Gerichtshof hat sich in diesem Urteil für die nicht
diskriminierende Anwendung einer Sprachenregelung ausgesprochen, die das Recht auf
Durchführung eines Strafverfahrens in der Muttersprache der Betroffenen verleiht. Die Frage, ob die
schriftlichen Beweise zur Wahrung der Verteidigungsrechte in die Verfahrenssprache übersetzt
werden müssen, wurde dort jedoch nicht angesprochen.
332.
Aus diesen Gründen ist die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die fehlende
Übersetzung von Dokumenten zurückzuweisen.
4. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Fristen zur Stellungnahme
Vorbringen der Parteien
333.
Die Klägerinnen tragen vor, ihre Verteidigungsrechte seien dadurch verletzt worden, dass die
Kommission ihnen keine angemessenen Fristen zur Stellungnahme zum gesamten Akteninhalt gewährt
habe.
334.
Nach der Übermittlung der Beschwerdepunkte habe die Kommission mit Schreiben vom 22. Mai
1997 zahlreiche weitere Unterlagen mit nicht in deutscher Sprache verfassten Beilagen zugestellt,
wobei die den Adressaten der Beschwerdepunkte gesetzte Frist für die Abgabe ihrer Stellungnahme
am 30. Juni 1997 abgelaufen sei. Ein Antrag der Klägerinnen auf Verlängerung dieser Frist sei von der
Kommission nicht beantwortet worden, so dass die Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist
abgegeben worden sei. Sodann seien den Klägerinnen mit Schreiben der Kommission vom 19.
September 1997 die Antworten anderer betroffener Unternehmen auf die Beschwerdepunkte und
deren Beilagen übermittelt worden, die nicht ins Deutsche übersetzte Unterlagen enthalten hätten;
die Kommission habe sie aufgefordert, dazu bis 10. Oktober 1997 Stellung zu nehmen. Die Klägerinnen
hätten außerdem Schreiben der Kommission vom 24. September und 9. Oktober 1997 mit ebenfalls
nicht übersetzten Unterlagen erhalten. Sie hätten am 12. und 17. November 1997 Stellung
genommen und dabei diese Vorgehensweise der Kommission gerügt. Trotz der Einwände der
Klägerinnen in der Anhörung vom 24. und 25. November 1997 habe der Anhörungsbeauftragte alle so
übermittelten Beweismittel zugelassen. Außerdem seien die letzten schriftlichen Stellungnahmen der
anderen Unternehmen den Klägerinnen nicht zur Kenntnis gebracht worden.
335.
Wenn man der Auffassung der Kommission folge, dass die Beilagen zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte und zu deren Ergänzungen nicht in der Sprache am Sitz des Unternehmens
zuzustellen seien, müssten die zahlreichen Dokumente in fremder Sprache im Fall der Klägerinnen
zunächst ins Deutsche übersetzt werden, was gewisse Zeit in Anspruch nehme.
336.
Zur Behauptung der Kommission, die Klägerinnen seien gleichwohl imstande gewesen, auch zu den
später übermittelten Unterlagen eine Stellungnahme abzugeben, sei festzustellen, dass sie zur
Wahrung ihrer Rechte gezwungen gewesen seien, innerhalb der gesetzten knappen Frist kurze
Stellungnahmen abzugeben, die nicht mit der entsprechenden Sorgfalt und Detailliertheit hätten
ausgearbeitet werden können. Sie hätten jedoch jeweils die zu knappen Fristen ausdrücklich gerügt.
337.
Schließlich habe der Vertreter der Kommission bei der Anhörung dem Rechtsanwalt von Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen den diesem damals gänzlich unbekannten
Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 vorgelegt und dazu verschiedene Erläuterungen verlangt.
Die Klägerinnen hätten dagegen protestiert, dass der Anhörungsbeauftragte dieses Beweismittel
zugelassen habe, zu dem ihnen keine Äußerungsfrist eingeräumt worden sei.
338.
Die Beklagte macht geltend, die gewährten Fristen seien ausreichend gewesen. Dem Schreiben
vom 22. Mai 1997 hätten nur sehr wenige Schriftstücke beigelegen, und es sei ohne weiteres möglich
gewesen, hierzu vor Ablauf der Frist Stellung zu nehmen. Das Gleiche gelte für die Stellungnahme zu
den von der Kommission nicht verwendeten Schriftstücken, die die Unternehmen untereinander
ausgetauscht hätten. Die Stellungnahmen anderer Unternehmen zu den von der Kommission
übermittelten Unterlagen habe sie den Klägerinnen nicht zugänglich machen müssen, da sich die
Entscheidung nicht auf sie stütze.
339.
Die Klägerinnen räumten ein, dass sie ihre Stellungnahme fristgerecht abgegeben hätten. Sie
hätten genügend Zeit gehabt, um auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu antworten und auf die
Schreiben der Kommission vom 19. und 24. September und vom 9. Oktober 1997 sowie auf die dort in
Bezug genommenen Unterlagen einzugehen. Die Klägerinnen hätten auch im Lauf des
Verwaltungsverfahrens, das erst durch die mündliche Anhörung abgeschlossen worden sei, nicht
mehr darauf bestanden, weitere schriftliche Erklärungen abzugeben. Im Übrigen sei die Anhörung vom
21./22. Oktober auf den 24./25. November 1997 verlegt worden, so dass hinreichend Zeit zur Abgabe
einer schriftlichen Stellungnahme bestanden habe.
340.
Die Klägerinnen könnten nicht behaupten, sie hätten sich zum Einbringungsvertrag vom 15. Januar
1997 nicht angemessen äußern können. Die Entscheidung stütze sich auf diesen Vertrag nur
insoweit, als er zum Nachweis dafür beitrage, dass die Klägerinnen einen Konzern unter der Leitung
von Herrn Henss bildeten. Zum letztgenannten Punkt seien die damaligen Betriebsgesellschaften im
schriftlichen Verfahren ausdrücklich befragt worden und hätten sich dahin gehend geäußert, dass sie
das Bestehen eines Konzerns, insbesondere jegliche Beteiligung von Herrn Henss an Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen, abgestritten hätten. Die Frage, ob Herr Henss diese
Gesellschaften kontrolliert habe und insbesondere ob der Einbringungsvertrag hierzu etwas aussagen
würde, habe auch in der Anhörung ohne weiteres beantwortet werden können.
341.
In den Abschnitten ihrer Schreiben vom 8. und 9. Dezember 1997, in denen die Klägerinnen auf den
Einbringungsvertrag eingegangen seien, hätten sie nur gerügt, dass die Kommission ihn in der
Anhörung offen gelegt habe, ohne auf die Frage der von Herrn Henss ausgeübten Kontrolle
einzugehen. Selbst wenn also das fragliche Verfahren nicht für eine ordnungsgemäße Stellungnahme
zu diesem Punkt ausgereicht hätte, wären dennoch die Verteidigungsrechte gewahrt.
Würdigung durch das Gericht
342.
Die Klägerinnen machen geltend, ihnen sei keine ausreichende Frist eingeräumt worden, um sich
erstens zu den vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten übersandten
Unterlagen, zweitens zu den anschließend übersandten Unterlagen, in Bezug auf die sie die
Kommission zur Äußerung bis 10. Oktober 1997 aufgefordert habe, und drittens zum
Einbringungsvertrag zu äußern, der in der Anhörung vorgelegt worden sei, ohne dass sie zuvor eine
Frist zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme erhalten hätten.
343.
Was erstens die am 22. Mai 1997 mit Schreiben der Kommission übersandten Unterlagen angeht,
so handelt es sich dabei um Schriftstücke, die diesem Schreiben zufolge von gewisser Bedeutung für
den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 20. März 1997 behandelten Sachverhalt sein
konnten. Da die Kommission für die Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten eine Frist von vierzehn
Wochen bis zum 1. Juli 1997 gesetzt hatte, hatten die Klägerinnen nach Erhalt des Schreibens vom 22.
Mai 1997 noch über einen Monat Zeit, ihren Standpunkt zu den fraglichen zusätzlichen Unterlagen
auszuarbeiten.
344.
Nach Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63, durch den sichergestellt werden soll, dass den
Adressaten der Beschwerdepunkte eine für die sachdienliche Ausübung ihrer Verteidigungsrechte
ausreichende Frist gewährt wird, muss die Kommission bei der Festsetzung dieser Frist, die
mindestens zwei Wochen betragen muss, dem für die Äußerung erforderlichen Zeitaufwand und der
Dringlichkeit des Falles Rechnung tragen. Die gewährte Frist ist konkret nach Maßgabe der
Schwierigkeit des Einzelfalls zu beurteilen. So hat der Gemeinschaftsrichter in einigen umfangreichen
Rechtssachen eine Frist von zwei Monaten für die Abgabe von Stellungnahmen zu den
Beschwerdepunkten als ausreichend angesehen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in
der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 272 und 273, und Urteil
Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 94 bis 99).
345.
Eine Frist von über einem Monat musste somit zur Abgabe von Stellungnahmen zu den am 22. Mai
1997 übersandten Unterlagen ausreichen, da es sich um nur wenige Unterlagen handelte (Anhänge
X1 bis X9), deren Relevanz zudem im Begleitschreiben erläutert wurde. Auch aus der Beschwerde von
Powerpipe, die mit ihren Anlagen ebenfalls dem Schreiben vom 22. Mai 1997 beigefügt war, waren
dieinkriminierendsten Passagen bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zitiert worden.
346.
Was zweitens die anschließend übersandten Schriftstücke angeht, so verfügten die Klägerinnen
über eine angemessene Frist bis zur Anhörung. Im Schreiben vom 19. September 1997, mit dem die
Antworten anderer Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wurden, führte
die Kommission aus, falls die Unternehmen zu diesen Antworten Stellung nehmen wollten, sollten ihre
Stellungnahmen bis zum 10. Oktober 1997 eingehen; sie hätten auf alle Fälle in der Anhörung
Gelegenheit, sich zu äußern. Als die Kommission dagegen mit Schreiben vom 24. September 1997 bei
Dansk Rørindustri gefundene Unterlagen übersandte, um eine vollständige Akteneinsicht zu
ermöglichen, erwähnte sie die Möglichkeit der Stellungnahme nicht und setzte dafür folglich auch
keine Frist. Auch als sie mit Schreiben vom 9. Oktober 1997 eine Reihe von Zusatzdokumenten zur
Mitteilung der Beschwerdepunkte (Nrn. 1 bis 28) und die Antworten von Løgstør, Powerpipe und DSD
auf Auskunftsverlangen der Kommission übersandte, war von der Möglichkeit zur Stellungnahme keine
Rede.
347.
Da die Klägerinnen jedenfalls spätestens am 24. und 25. November 1997, als die Anhörung
stattfand, Gelegenheit hatten, ihre Stellungnahmen zu den von der Kommission am 19. und 24.
September sowie am 9. Oktober 1997 übersandten Unterlagen abzugeben, verfügten sie über eine
Frist von fünf Wochen bis zwei Monaten, um sich zu diesen Unterlagen zu äußern. Unter den
Umständen des vorliegenden Falles reichte eine solche Frist zur sachgerechten Ausübung der
Verteidigungsrechte aus.
348.
In Bezug auf die am 9. Oktober 1997 übersandten Schriftstücke ist festzustellen, dass die Relevanz
all dieser Schriftstücke für die Beschwerdepunkte in den zusammen mit ihnen übersandten Tabellen
klar angegeben war und dass die meisten der fraglichen Zusatzdokumente zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte, wie im Begleitschreiben erläutert wird, Gegenstand des Austauschs von
Unterlagen zwischen den Unternehmen waren.
349.
Die Klägerinnen können sich auch nicht darauf berufen, dass sie zum Zeitpunkt des Eingangs der
am 19. und 24. September und am 9. Oktober 1997 übersandten Unterlagen noch nicht gewusst
hätten, dass sie bis zum 24. und 25. November 1997 Zeit haben würden, um ihre Stellungnahmen
auszuarbeiten. Selbst wenn die Klägerinnen ihre Stellungnahmen zu diesen Unterlagen in der
Annahme ausgearbeitet haben sollten, dass die Fristen kürzer seien, verfügten sie letztlich über
genügend Zeit zur Umgestaltung und Vertiefung ihrer Ausführungen; dies haben Isoplus Hohenberg
und Isoplus Sondershausen im Übrigen getan, indem sie ihre Stellungnahmen vom 14. Oktober 1997
am 12. November 1997 durch zusätzliche Stellungnahmen ergänzten.
350.
Was drittens den von der Kommission in der Anhörung vorgelegten Einbringungsvertrag vom 15.
Januar 1997 anbelangt, so können die Klägerinnennicht behaupten, dass sie nicht in der Lage
gewesen seien, sich sachgerecht zu äußern.
351.
Wie sich aus dem Protokoll der Anhörung und den Randnummern 159 und 160 der Entscheidung
ergibt, hat die Kommission diesen Einbringungsvertrag bei der Anhörung der Gesellschaften Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen herangezogen, um nachzuweisen, dass Herr Henss an Isoplus
Hohenberg und Isoplus stille Gesellschaft beteiligt war und dass es eine Muttergesellschaft, die HFB
KG, gab, die nach der Abtretung der von den Eheleuten Henss und Papsdorf gehaltenen Anteile
Beteiligungen an Isoplus Rosenheim, Isoplus Sondershausen, Isoplus Hohenberg und Isoplus stille
Gesellschaft hielt.
352.
Auch wenn die Klägerinnen keine Gelegenheit hatten, ihre Stellungnahmen zum
Einbringungsvertrag vor dessen Vorlage durch die Kommission in der Anhörung vorzubereiten, hatten
sie im vorliegenden Fall bereits im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit, sich zu den Schlüssen zu
äußern, die die Kommission aus den in diesem Vertrag enthaltenen Informationen ziehen konnte. Die
Kommission hatte in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte - zu einem Zeitpunkt, zu dem sie den
Einbringungsvertrag noch nicht entdeckt hatte - ausgeführt, dass Isoplus Hohenberg anscheinend
von Herrn Henss kontrolliert werde, der aber im örtlichen Handelsregister nicht als Gesellschafter
aufgeführt sei, und dass es keine Holdinggesellschaft gebe, die als Vertreter des Isoplus-Konzerns
angesehen werden könnte. Die Klägerinnen konnten der Mitteilung der Beschwerdepunkte daher zum
einen entnehmen, dass die Errichtung der HFB KG sowie die Einbringung von Anteilen in diese
Gesellschaft für die Kommission von Interesse wäre, da es sich um Bestätigungen ihrer These
handelte, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften zum gleichen Konzern gehören, und zum
anderen, dass die Kommission dies noch nicht wusste. Gleichwohl lieferten Isoplus Hohenberg und
Isoplus Sondershausen der Kommission in ihren Stellungnahmen vom 30. Juni 1997 zu den
Beschwerdepunkten weiterhin unzutreffende Informationen über diesen Punkt und insbesondere zur
Beteiligung von Herrn Henss an Isoplus Hohenberg.
353.
Die Klägerinnen haben jedenfalls nach der Anhörung mit Schreiben vom 8. und 9. Dezember 1997
und vom 13. Februar 1998 zu diesem Schriftstück und zu den Umständen, unter denen es ihnen
vorgelegt wurde, Stellung genommen. Somit hat die Kommission die Klägerinnen nicht daran
gehindert, sich sachgerecht zu dem fraglichen Schriftstück zu äußern.
354.
Aus alledem folgt, dass die Klägerinnen über die nötige Zeit verfügten, um ihren Standpunkt zu den
von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkten und Umständen vorzutragen.
355.
Folglich greift die Rüge nicht durch, soweit sie die Fristen zur Stellungnahme betrifft.
5. Zur Verletzung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen
Vorbringen der Parteien
356.
Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission und der Anhörungsbeauftragte hätten die Berufs- und
Geschäftsgeheimnisse im Sinne des Artikels 20 der Verordnung Nr. 17, zu denen auch Details der
Gesellschaftsverhältnisse und deren wirtschaftliche und rechtliche Gründe gehörten, nicht gewahrt.
357.
Der Anhörungsbeauftragte habe es den Klägerinnen in der Anhörung nicht ermöglicht, die
Rechtsbeziehungen zwischen Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen auf der einen und
Isoplus Rosenheim (damals die Gesellschaften Henss Rosenheim und Henss Berlin) auf der anderen
Seite vertraulich zu erörtern. Vielmehr sei der Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 im Beisein
sämtlicher Adressaten der Entscheidung und der Beschwerdeführerin vorgelegt worden. Mangels
Vertraulichkeit habe das eine oder andere Detail dazu weder vom Rechtsvertreter von Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen noch vor allem von Herrn Henss als Geschäftsführer von
Isoplus Rosenheim mitgeteilt werden können. Die fehlende Vertraulichkeit sei auch in den Schreiben
der Rechtsvertreter von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen sowie des Rechtsvertreters
von Isoplus Rosenheim vom 8. und 9. Dezember 1997 gerügt worden.
358.
Bei dem Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 handele es sich um eine rechtswidrig und
irrtümlich zum Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg gelangte und zwischenzeitlich aus der
Urkundensammlung des Handelsregisters herausgenommene Urkunde. Sie enthalte unter Artikel 20
der Verordnung Nr. 17 fallende Details über gesellschaftsrechtliche Verflechtungen. In dieser Urkunde
sei es um Treuhandverhältnisse gegangen, die vor allem aus Gründen des Wettbewerbs nicht hätten
offen gelegt werden sollen; als Geschäftsgeheimnis seien sie stets vertraulich zu behandeln, weil der
tatsächliche Eigentümer oder Gesellschafter in der Öffentlichkeit nicht bekannt sein solle. Die
Klägerinnen hätten in ihrer Klageschrift die näheren Umstände dargelegt, aus denen ein legitimes
Interesse an der Geheimhaltung dieser Treuhandverhältnisse bestanden habe.
359.
Die im Wettbewerbsverfahren vor der Kommission einschließlich des Anhörungsverfahrens zu
wahrende Geheimhaltung und Vertraulichkeit sei vorliegend nicht gewährleistet worden, da 1998
Auszüge aus der Anhörung in dänischen Zeitungen erschienen seien. Meldungen über vertrauliche
Teile des Verfahrens seien schon im Frühjahr 1996 in der Presse erschienen, wie die Klägerinnen
schon damals in der Antwort der Henss-Gesellschaften und in der Antwort von Isoplus Hohenberg vom
24. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 (im Folgenden: Antwort von Isoplus
Hohenberg) gerügt hätten.
360.
Die Beklagte trägt vor, sie habe im Zusammenhang mit der Erörterung des Einbringungsvertrags
vom 15. Januar 1997 nicht gegen Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 verstoßen, da dieser Vertrag im
Handelsregister für jedermann zugänglichgewesen sei. Außerdem habe Herr Henss in der Anhörung
selbst diese Einschätzung bestätigt und hinzugefügt, dass Geschäftsgeheimnis nur die Strategien
seien, die mit Hilfe der Konzernstruktur verwirklicht werden sollten.
361.
Im Übrigen hätten die Klägerinnen nicht dargetan, weshalb die im Einbringungsvertrag enthaltenen
Informationen ein Geschäftsgeheimnis darstellen sollten. Das Interesse an der Geheimhaltung von
Informationen, durch deren Weitergabe an Dritte die Interessen des Auskunftgebers beeinträchtigt
werden könnten, sei nur geschützt, soweit es sich um ein legitimes Interesse handele.
362.
Selbst wenn die Kommission in der Anhörung das Geschäftsgeheimnis verletzt hätte, würde dies
nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung an sich führen. Diese angebliche Verletzung, d. h. die
Tatsache, dass andere Unternehmen von den tatsächlichen Beteiligungsverhältnissen innerhalb der
Gruppe Henss/Isoplus erfahren hätten, habe den Inhalt der Entscheidung nicht beeinflusst. Es sei
noch darauf hinzuweisen, dass die Dienststellen der Kommission nichts über den Inhalt der Anhörung
nach außen hätten verlauten lassen.
Würdigung durch das Gericht
363.
Gemäß Artikel 214 EG-Vertrag (jetzt Artikel 287 EG) sind die Beamten und sonstigen Bediensteten
der Organe verpflichtet, in ihrem Besitz befindliche Auskünfte, die unter das Berufsgeheimnis fallen,
nicht preiszugeben. Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 führt diese Vorschrift für den Bereich des
Unternehmensrechts durch; sein Absatz 2 lautet: „Die Kommission und die zuständigen Behörden der
Mitgliedstaaten sowie ihre Beamten und sonstigen Bediensteten sind verpflichtet, Kenntnisse nicht
preiszugeben, die sie bei Anwendung dieser Verordnung erlangt haben und die ihrem Wesen nach
unter das Berufsgeheimnis fallen; die Artikel 19 und 21 bleiben unberührt.“
364.
Die Artikel 19 und 21 der Verordnung Nr. 17, deren Geltung somit unberührt bleibt, regeln die
Verpflichtungen der Kommission im Rahmen der Anhörungen und der Veröffentlichung von
Entscheidungen. Daraus ergibt sich, dass die Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses
nach Artikel 20 Absatz 2 gegenüber Dritten, die gemäß Artikel 19 Absatz 2 zu hören sind,
insbesondere also gegenüber Beschwerdeführern, eingeschränkt ist. An sie kann die Kommission
bestimmte unter das Berufsgeheimnis fallende Auskünfte weiterleiten, soweit dies für den
ordnungsgemäßen Ablauf der Untersuchung erforderlich ist. Diese Einschränkung gilt allerdings nicht
für alle Unterlagen, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen. Artikel 21, der die
Veröffentlichung bestimmter Entscheidungen regelt, verpflichtet die Kommission, den berechtigten
Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung zu tragen. Diese
Bestimmungen beziehen sich zwar auf Sonderfälle, müssen jedoch als Ausdruck eines allgemeinen
Grundsatzes aufgefasst werden, der auf das gesamte Verwaltungsverfahren Anwendung findet (Urteil
des Gerichtshofes vom 24. Juni1986 in der Rechtssache 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986,
1965, Randnrn. 27 und 28).
365.
Zum Ablauf der Anhörung heißt es in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63, dass die Sitzung
nichtöffentlich ist, dass die Personen einzeln oder in Anwesenheit anderer geladener Personen gehört
werden und dass im letzten Fall den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer
Geschäftsgeheimnisse Rechnung zu tragen ist.
366.
Die Klägerinnen haben nicht darzutun vermocht, inwieweit die Kommission bei der Anhörung von
Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in Anwesenheit des beschwerdeführenden
Unternehmens sowie anderer Unternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet
worden war, Geschäftsgeheimnisse preisgegeben haben soll.
367.
Was den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 anbelangt, so beschränken sich die Klägerinnen
auf die Behauptung, dass er irrtümlich in das Handelsregister gelangt sei, ohne anzugeben, wer für
diesen Irrtum verantwortlich ist, und dass seine Aufnahme rechtswidrig gewesen sei, ohne insoweit
den geringsten Beweis zu liefern. Unter diesen Umständen kann der Kommission kein Vorwurf daraus
gemacht werden, dass sie von diesem Beweismittel Gebrauch gemacht hat. Was den öffentlichen
Charakter der in diesem Vertrag enthaltenen Informationen anbelangt, so hat Herr Henss in seiner
Eigenschaft als Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim in der Anhörung bestätigt, dass es sich um
eine öffentliche Urkunde handelte, und hinzugefügt, dass nur die mit der Strategie der beteiligten
Unternehmen zusammenhängenden Gründe für die darin beschriebenen Vorgänge ein
Geschäftsgeheimnis seien. Weder der Geschäftsführer der Unternehmen Isoplus Hohenberg und
Isoplus Sondershausen noch deren Rechtsanwalt haben dem widersprochen.
368.
Zum Fehlen einer vertraulichen Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen
genügt der Hinweis, dass die Klägerinnen nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür liefern, dass die
Kommission bei dieser Anhörung Dritten Angaben zugänglich gemacht hat, die unter das
Geschäftsgeheimnis fallen. Insoweit kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, von den
Klägerinnen übermittelte vertrauliche Informationen verbreitet zu haben. Wie sich aus dem Protokoll
der Anhörung ergibt, hat die Kommission in ihren Fragen an Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen zu deren Verflechtungen mit den Henss-Gesellschaften nur Angaben zur Position
dieser Gesellschaften gemacht, auf die deren Rechtsanwalt in seinem einleitenden Vortrag bei der
Anhörung hingewiesen hatte, sowie - im Verlauf der Anhörung - aus öffentlichen Registern
entnommene Angaben.
369.
Zur Verbreitung vertraulicher Informationen, die im Verwaltungsverfahren benutzt wurden, in der
Presse ist festzustellen, dass die Klägerinnen keine näheren Angaben zu den vertraulichen
Informationen gemacht haben, die während desVerwaltungsverfahrens in den genannten
Presseartikeln veröffentlicht worden sein sollen.
370.
Selbst wenn man unterstellt, dass für das Durchsickern der von der Presse wiedergegebenen
Informationen Dienststellen der Kommission verantwortlich waren, was diese aber weder eingeräumt
noch die Klägerin nachgewiesen hat, so hätte dies jedenfalls keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit
der Entscheidung, da nicht erwiesen ist, dass die Entscheidung tatsächlich nicht erlassen worden
wäre oder einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn es die fraglichen Vorkommnisse nicht gegeben
hätte (Urteil United Brands/Kommission, Randnr. 286). Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen
keinen Anhaltspunkt geliefert, aus dem ein solcher Schluss gezogen werden könnte.
371.
Folglich ist die Rüge der Verletzung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen zurückzuweisen.
6. Zur Verletzung der Bestimmungen über die Anhörung von Zeugen
Vorbringen der Parteien
372.
Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, dadurch gegen Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr.
99/63 und Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 verstoßen zu haben, dass sie die beantragte
Zeugenvernehmung nicht durchgeführt habe.
373.
Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 99/63 könnten Unternehmen vorschlagen, dass die Kommission
Personen höre, die die vorgetragenen Tatsachen bestätigen könnten. Im Rahmen ihrer Antwort auf
die Mitteilung der Beschwerdepunkte hätten Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen mit
Schreiben vom 30. Juni 1997 beantragt, bestimmte Personen, darunter insbesondere Herrn Henss,
von der Kommission hören zu lassen. Isoplus Rosenheim habe mit Schreiben gleichen Datums
ebenfalls beantragt, bestimmte Personen als Zeugen zu vernehmen. Mit Schreiben vom 16.
September 1997 habe ihnen die Kommission jedoch geantwortet, dass es im Rahmen von Artikel 3
Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 Sache der Unternehmen selbst sei, die Anwesenheit der
betreffenden Personen während der Anhörung sicherzustellen und sie als Zeugen aufzurufen, da die
Kommission kein Gericht sei und nicht die Befugnis habe, Zeugen zur Teilnahme an einer Anhörung zu
zwingen; außerdem könne sie keine Vereidigung vornehmen. Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen hätten mit Schreiben vom 30. September 1997 klargestellt, dass die namhaft
gemachten Zeugen nicht zu ihren, sondern zu Konkurrenzunternehmen gehörten und daher nicht zum
Erscheinen gezwungen werden könnten. Auch alle von Isoplus Rosenheim benannten Zeugen hätten
nicht zu den Unternehmen der Klägerinnen, sondern zu Powerpipe und anderen
Konkurrenzunternehmen gehört. Dennoch seien die benannten Personen weder von der zuständigen
Wettbewerbsabteilung der Kommission noch vom Anhörungsbeauftragten als Zeugen geladen
worden. Mangels einer Ladung hättendiese Personen, die nicht erschienen seien, auch nicht von der
Kommission als Zeugen zu den Tatsachen vernommen werden können, zu denen sie von den
Klägerinnen benannt worden seien.
374.
Herr Henss sei, obwohl er als Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim an der Anhörung
teilgenommen habe, nicht förmlich vernommen worden, da er vom Anhörungsbeauftragten nicht
aufgerufen worden sei. Es sei zwar richtig, dass sich eine förmliche Vernehmung von Herrn Henss
infolge der vom Rechtsvertreter von Isoplus Rosenheim in der Anhörung abgegebenen Stellungnahme
teilweise erübrigt habe. Gleichwohl habe mangels einer vertraulichen Anhörung das eine oder andere
Detail von Herrn Henss nicht erwähnt werden können.
375.
Wären die Zeugen von der Kommission geladen und dann vernommen oder angehört worden, so
hätten ihre Aussagen dazu geführt, dass die Kommission zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass
Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen bzw. die Gruppe Henss/Isoplus
weder an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EG-Vertrag vor Ende 1994 noch an
Boykottmaßnahmen gegen Powerpipe teilgenommen hätten. Eine Zeugenvernehmung sei auch
beantragt worden, um zu bestätigen, dass die europäische Preisliste von 1994 nicht von Herrn Henss
oder Henss Rosenheim stamme.
376.
Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 stehe im Zusammenhang mit dem allgemeinen
Anhörungsrecht sowie mit dem in Artikel 6 EMRK, insbesondere dessen Absatz 3 Buchstabe d,
aufgestellten Grundsatz, der das Recht auf Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen sowie
das Recht vorsehe, Fragen an Belastungszeugen stellen zu dürfen. Wenn betroffene Unternehmen in
einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 Anträge gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr.
99/63 auf Ladung und Anhörung von Personen stellten, sei die Kommission grundsätzlich verpflichtet,
diese Personen zu laden und zu vernehmen, auch wenn sie bei deren Nichterscheinen keine
Sanktionen gegen sie verhängen könne. Lediglich in bestimmten begründeten Fällen könne die
Kommission mittels Einzelentscheidung solche Anträge ablehnen.
377.
Auch wenn die Kommission kein „Gericht“ im Sinne des Artikels 6 EMRK sei, bedeute dies nicht, dass
die übrigen Verfahrensgarantien dieses Artikels auf das Verfahren vor der Kommission nicht
anwendbar wären. Ein von der Kommission durchgeführtes Verfahren zur Abstellung eines
Wettbewerbsverstoßes und zur Verhängung einer Geldbuße habe strafrechtlichen Charakter im Sinne
des Artikels 6 EMRK. Diese Vorschrift sei daher von der Kommission insgesamt, also einschließlich
Absatz 3 Buchstabe d, zu beachten.
378.
Die Beklagte führt aus, sie werde durch die Verordnung Nr. 99/63 nicht ermächtigt, „Zeugen“ im
Rechtssinne zu vernehmen. Artikel 3 Absatz 3 dieser Verordnung beziehe sich nicht auf Zeugen,
sondern begründe lediglich das Recht der Betroffenen im Hinblick auf die Verwendung bestimmter
Beweismittel. DieKommission sei nicht berechtigt und erst recht nicht verpflichtet, etwaige
Entlastungszeugen, die ein betroffenes Unternehmen nicht selbst zu mündlichen Erklärungen
bewegen könne, vorzuladen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen habe die Kommission im
Übrigen die Anhörung der benannten Personen nicht abgelehnt.
379.
Die Kommission sei kein „Gericht“ im Sinne von Artikel 6 EMRK. Sie übe die ihr durch die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft übertragene Überwachungsaufgabe unter der Kontrolle des
Gerichts und des Gerichtshofes aus. Dass die einschlägigen Verfahrensregeln, namentlich die
Verordnung Nr. 17, nicht die Befugnis vorsähen, Entlastungszeugen zum Erscheinen zu verpflichten,
verstoße jedenfalls nicht gegen den Gedanken der Waffengleichheit in Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d
EMRK. Im Verfahren vor der Kommission gebe es nämlich auch keinen „Belastungszeugen“, denn die
wesentlichen Beweismittel, auf die die Kommission ihre Beschwerdepunkte stützen könne, seien
Dokumente und Auskünfte, die sie gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 von den zuständigen
Behörden der Mitgliedstaaten sowie von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen
könne.
380.
Außerdem habe das Gericht im Rahmen der Kontrolle, die es über die Kommission bezüglich der
Erfüllung ihrer Aufgaben ausübe, die Möglichkeit, Zeugen, insbesondere Entlastungszeugen, zum
Erscheinen zu verpflichten. De facto seien die Waffen vor dem Gericht ungleich verteilt, und zwar
zugunsten der betroffenen Unternehmen, da die Unternehmen dort Aussagen von Zeugen anführen
könnten, um die in der Entscheidung der Kommission erhobenen Vorwürfe zu entkräften, während sich
die Kommission nicht auf Zeugenaussagen berufen könne, um Vorwürfe zu stützen, die nicht schon
durch die in der Entscheidung und der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Beweismittel
belegt würden.
Würdigung durch das Gericht
381.
Beantragen Personen oder Personenvereinigungen ihre Anhörung, so ist diesem Antrag nach
Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 stattzugeben, wenn sie ein ausreichendes Interesse
glaubhaft machen. Nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 99/63 gibt ihnen die Kommission Gelegenheit,
sich schriftlich innerhalb einer von ihr bestimmten Frist zu äußern. Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung
Nr. 99/63 verpflichtet die Kommission, Personen, die dies in ihrer schriftlichen Äußerung beantragt
haben, Gelegenheit zur mündlichen Erläuterung zu geben, wenn sie ein ausreichendes Interesse
glaubhaft machen oder wenn die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld gegen sie
festsetzen will. Nach Artikel 7 Absatz 2 kann die Kommission auch in anderen Fällen Personen
Gelegenheit zur mündlichen Äußerung geben.
382.
Gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und den Artikeln 5 und 7 der Verordnung Nr.
99/63 ist die Kommission nur dann zur Anhörung von Personen oder Personenvereinigungen, die ein
ausreichendes Interesse glaubhaft machen, verpflichtet, wenn diese tatsächlich ihre Anhörung
beantragen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. Juli 1987 in der Rechtssache 43/85, Ancides/Kommission,
Slg. 1987, 3131, Randnr. 8). Im vorliegenden Fall haben die von den Klägerinnen als Zeugen
benannten Personen aber nie selbst den Wunsch geäußert, gehört zu werden.
383.
Nach Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 können die von einem Verfahren nach der
Verordnung Nr. 17 betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen „auch vorschlagen,
dass die Kommission Personen hört, die die vorgetragenen Tatsachen bestätigen können“. Für einen
solchen Fall ergibt sich aus Artikel 7 der Verordnung Nr. 99/63, dass die Kommission einen
angemessenen Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber hat, ob eine Anhörung der
Personen, deren Aussage für die Ermittlung des Sachverhalts wichtig sein kann, möglicherweise von
Interesse ist (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82,
VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 18). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt
nämlich nicht, dass die Kommission von den Betroffenen benannte Zeugen anhört, wenn sie den
Sachverhalt für hinreichend geklärt hält (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Mai 1984 in der
Rechtssache 9/83, Eisen und Metall Aktiengesellschaft/Kommission, Slg. 1984, 2071, Randnr. 32).
384.
Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen nichts vorgetragen, das dafür sprechen könnte, dass
die Kommission durch die unterlassene Anhörung der benannten Personen die Untersuchung der
Sache pflichtwidrig eingeschränkt und so die Möglichkeit für die Klägerinnen begrenzt hätte, die
verschiedenen Aspekte der in den Beschwerdepunkten der Kommission aufgeworfenen Probleme
erläutern zu lassen (vgl. Urteil VBVB und VBBB/Kommission, Randnr. 18).
385.
Die Klägerinnen haben in ihrer Klageschrift nicht angegeben, inwiefern die Anhörung der genannten
Zeugen hätte belegen können, dass die Gruppe Henss/Isoplus oder die Klägerinnen nicht ab 10.
Oktober 1991, sondern erst ab Ende 1994 an einem europaweiten Kartell teilnahmen. Selbst wenn die
beantragte Zeugenaussage bestätigt hätte, dass weder Herr Henss noch Isoplus Hohenberg oder
Isoplus Sondershausen vor ihrem Beitritt zum EuHP von diesem Verband interne Informationen
erlangten, hätte dies die von der Kommission gegenüber den Klägerinnen erhobenen Vorwürfe nicht
entkräften können. Das Gleiche gilt für die Frage, ob Herr Henss oder Henss Rosenheim an der
Erstellung der im Rahmen des europaweiten Kartells verwendeten Preisliste mitwirkte. Zudem war die
Kommission angesichts der oben in den Randnummern 264 bis 277 aufgeführten Beweise zu der
Annahme berechtigt, dass es der beantragten Zeugenanhörung zu der Frage, ob Powerpipe Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen zur Teilnahme an einem rechtswidrigen Kartell aufgefordert
hatte, nicht bedurfte.
386.
Soweit vorgeschlagen wurde, Herrn Henss als Zeugen zu hören, ist hinzuzufügen, dass er als
Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim an der Anhörung teilnahm, aber weder von deren
Rechtsanwalt noch vom Rechtsanwalt von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen zur
Zeugenaussage aufgefordert wurde. Wie dem Protokoll der Anhörung zu entnehmen ist, äußerte sich
Herr Henss nur bei der Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen im Anschluss an
eine vom Anhörungsbeauftragten gestellte Frage zum Einbringungsvertrag.
387.
Ferner ergibt sich aus dem Anhörungsprotokoll, dass die Klägerinnen nicht verlangten, Herrn Bech,
einen Mitarbeiter von Løgstør, dessen Vernehmung ebenfalls beantragt worden war, zu hören, obwohl
auch er an der Anhörung teilnahm.
388.
Nach alledem hat die Kommission, als sie den Vorschlägen zur Anhörung von Zeugen keine Folge
leistete, Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 und die Bestimmungen der Verordnung Nr. 99/63 korrekt
angewandt.
389.
Schließlich stützen sich die Klägerinnen auf Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d EMRK, der lautet: „Jeder
Angeklagte hat insbesondere die folgenden Rechte: ... d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen
oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben
Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken“.
390.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission kein Gericht im Sinne des Artikels 6 EMRK
(Urteile Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 81, Musique diffusion française u. a./Kommission,
Randnr. 7, und Shell/Kommission, Randnr. 39). Im Übrigen bestimmt Artikel 15 Absatz 4 der
Verordnung Nr. 17 ausdrücklich, dass die Entscheidungen der Kommission, mit denen wegen
Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht Geldbußen festgesetzt werden, nicht strafrechtlicher Art sind
(Urteil Tetra Pak/Kommission, Randnr. 235).
391.
Auch wenn die Kommission kein Gericht im Sinne des Artikels 6 EMRK ist und die von ihr verhängten
Geldbußen nicht strafrechtlicher Art sind, muss sie jedoch im Verwaltungsverfahren die allgemeinen
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission,
Randnr. 8, und Shell/Kommission, Randnr. 39).
392.
Die Tatsache, dass die Kommission nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft nicht
verpflichtet ist, Entlastungszeugen vorzuladen, deren Anhörung beantragt wird, verstößt nicht gegen
die genannten Grundsätze. Die Kommission kann zwar natürliche oder juristische Personen anhören,
wenn sie dies für erforderlich hält, ist aber auch bei Belastungszeugen nicht berechtigt, sie ohne ihr
Einverständnis vorzuladen.
393.
Aus all diesen Gründen ist die Rüge der unterbliebenen Anhörung von Zeugen zurückzuweisen.
7. Zur Verletzung der Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten
Vorbringen der Parteien
394.
Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe gegen den Beschluss 94/810/EGKS, EG der
Kommission vom 12. Dezember 1994 über das Mandat des Anhörungsbeauftragten in
Wettbewerbsverfahren vor der Kommission (ABl. L 330, S. 67) verstoßen, da der
Anhörungsbeauftragte im vorliegenden Verfahren einen Bericht erstellt habe, obwohl er bei dem
größten Teil der Anhörung nicht zugegen gewesen sei.
395.
Der Anhörungsbeauftragte Gilchrist, der die mündliche Anhörung vorbereitet und geleitet habe, sei
am 31. Dezember 1997 in Pension gegangen. Herr Daout, der ab 1. Januar 1998 das Mandat des
Anhörungsbeauftragten übernommen habe, sei zwar bei der Anhörung vom 24. November 1997
zugegen gewesen, habe aber an der Anhörung vom 25. November 1997 nicht teilgenommen.
Demzufolge habe Herr Daout der Anhörung von Isoplus Rosenheim und Henss Berlin, die am 24.
November 1997 abends stattgefunden habe und am 25. November 1997 fortgesetzt worden sei, nur
zum Teil beigewohnt. An der Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen, die
ausschließlich am 25. November 1997 stattgefunden habe, habe er überhaupt nicht teilgenommen.
Sodann sei der Entwurf des Protokolls über das Anhörungsverfahren mit Schreiben des
Anhörungsbeauftragten Daout vom 3. April 1998 versandt worden. Im Anschluss an die Genehmigung
des Protokollentwurfs habe der Anhörungsbeauftragte den Bericht nach Artikel 8 des Beschlusses
94/810 über den Ablauf der Anhörung verfasst.
396.
Diese Vorgehensweise habe die Verteidigungsrechte der Klägerinnen verletzt. Sollte der neue
Anhörungsbeauftragte nach der Genehmigung des Protokolls den Bericht nach Artikel 8 des
Beschlusses 94/810 verfasst haben, so habe er dies getan, obwohl er bei dem überwiegenden Teil
des Termins und insbesondere bei der Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen
nicht zugegen gewesen sei. In diesem Fall habe sich der Anhörungsbeauftragte kein persönliches Bild
von der Gruppe Henss/Isoplus und allen Klägerinnen machen und namentlich keine Fragen stellen
können. Mangels eines objektiven Berichts des Anhörungsbeauftragten nach Artikel 8 des
Beschlusses 94/810 habe es an einer objektiven Grundlage für die Entscheidungsfindung der
Kommission bei der angefochtenen Entscheidung gefehlt.
397.
Sollte der pensionierte Anhörungsbeauftragte den fraglichen Bericht verfasst haben, wie die
Kommission vortrage, so sei hilfsweise ebenfalls eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften des
Beschlusses 94/810 und der Verordnung Nr. 99/63 geltend zu machen, da der Bericht vor
Genehmigung des Protokolls der Anhörung und ohne Kenntnisnahme und Bearbeitung unmittelbarer
weitererStellungnahmen von Isoplus Hohenberg, Isoplus Sondershausen und Isoplus Rosenheim
verfasst worden sei. Auch in diesem Fall liege kein umfassender und korrekter Bericht vor, so dass die
Entscheidungsfindung keinen objektiven Charakter habe.
398.
Ungeachtet des Umstands, dass der Bericht des Anhörungsbeauftragten über die Anhörung oder
das bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführte Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 den betroffenen
Unternehmen nicht zur Einsicht oder Stellungnahme übermittelt werden müsse, komme diesem
Bericht des unabhängigen Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren zur Feststellung von
Zuwiderhandlungen gleichwohl entscheidende Bedeutung zu, wie die Kommission auch einräume,
wenn sie zugebe, dass dieser Bericht die Funktion eines für sie nicht bindenden Gutachtens habe.
399.
Die Beklagte führt aus, Herr Gilchrist habe den in Artikel 8 des Beschlusses 94/810 vorgesehenen
Bericht verfasst. Dass der Anhörungsbeauftragte seinerzeit nicht über das genehmigte Protokoll der
Anhörung verfügt habe, sei ohne Belang, da dieses Protokoll der Information von Personen diene, die
bei der Anhörung nicht zugegen gewesen seien, namentlich der Mitglieder des Beratenden
Ausschusses und der Kommission. Da der Anhörungsbeauftragte kraft seiner Funktion während der
gesamten Anhörung zugegen sein müsse, sei das Protokoll nicht zu seiner Information bestimmt
gewesen. Der Bericht des Anhörungsbeauftragten spiegele den Stand der Erörterungen zum
Zeitpunkt der Anhörung wider. Er habe lediglich die Funktion eines Gutachtens, an das die
Kommission nicht gebunden sei.
400.
Der mündlichen Anhörung gehe üblicherweise die Abgabe schriftlicher Stellungnahmen zu den
Beschwerdepunkten voraus; sie stelle daher ein fortgeschrittenes Stadium der Diskussion dar. Da die
Anhörung ende, sobald die Sitzung geschlossen werde, beschränke sich das Protokoll auf die
Wiedergabe des Inhalts dieser Sitzung. Die Möglichkeit für die Parteien, die Richtigkeit dieser
Wiedergabe zu überprüfen, stelle daher keine Fortsetzung der mündlichen Anhörung dar.
401.
Der Bericht des Anhörungsbeauftragten schließe keineswegs aus, dass die Kommission
Äußerungen nach der Anhörung berücksichtige. Artikel 8 des Beschlusses 94/810 sehe nämlich
ausdrücklich vor, dass der Anhörungsbeauftragte die Einholung weiterer Auskünfte anregen könne,
wenn die nachträglich eingeführten Gesichtspunkte eine neue Anhörung erforderlich gemacht hätten.
Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen.
402.
Die zeitweise Abwesenheit von Herrn Daout bei der Anhörung habe auf die Gültigkeit der
Entscheidung keinen Einfluss, da er damals noch nicht als Anhörungsbeauftragter amtiert habe.
Würdigung durch das Gericht
403.
Nach Artikel 2 Absatz 1 des Beschlusses 94/810 hat der Anhörungsbeauftragte die Aufgabe, für
einen geregelten Ablauf der Anhörung Sorge zu tragen und dadurch zur Objektivität sowohl der
Anhörung als auch der späteren Entscheidung beizutragen. In diesem Zusammenhang wacht der
Anhörungsbeauftragte insbesondere darüber, dass alle für die Beurteilung des Falles erheblichen
Umstände tatsächlicher Art, gleichgültig ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig sind, bei der
Ausarbeitung von Entwürfen zu kartellrechtlichen Entscheidungen der Kommission angemessen
berücksichtigt werden.
404.
Nach Artikel 8 des Beschlusses 94/810 berichtet der Anhörungsbeauftragte dem Generaldirektor
für Wettbewerb über den Ablauf der Anhörung und über seine diesbezüglichen Schlussfolgerungen; er
kann sich zu dem weiteren Verlauf des Verfahrens äußern und u. a. die Einholung von weiteren
Auskünften, den Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte oder die Mitteilung zusätzlicher
Beschwerdepunkte anregen.
405.
Ferner ergibt sich sowohl aus Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 als auch aus Artikel 7
Absatz 4 des Beschlusses 94/810, dass die wesentlichen Erklärungen jeder gehörten Person
aufgenommen und gegebenenfalls von ihr durchgelesen und genehmigt werden. Nach der
letztgenannten Bestimmung obliegt es dem Anhörungsbeauftragten, dafür zu sorgen.
406.
Im vorliegenden Fall wurde der in Artikel 8 des Beschlusses 94/810 vorgesehene Bericht von Herrn
Gilchrist verfasst, der ihn am 26. November 1997 der Kommission übergab. Folglich ist die Rüge der
Klägerinnen dahin zu verstehen, dass sie sich dagegen wenden, dass der Anhörungsbeauftragte
diesen Bericht vor der Genehmigung des Protokolls der Anhörung und ohne Kenntnisnahme ihrer dazu
abgegebenen Stellungnahmen verfasst hat.
407.
Weder die Verordnung Nr. 99/63 noch der Beschluss 94/810 stehen dem entgegen, dass der
Anhörungsbeauftragte den in Artikel 8 des Beschlusses 94/810 vorgesehenen Bericht vorlegt, bevor
das Protokoll der Anhörung im Einklang mit Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 und Artikel 7
Absatz 4 des Beschlusses 94/810 von jeder gehörten Person genehmigt wurde. Wie bereits
ausgeführt, ist der Bericht des Anhörungsbeauftragten ein rein internes Schriftstück der Kommission,
das nicht dazu dient, das Vorbringen der Unternehmen zu vervollständigen oder zu korrigieren, und
das deshalb kein entscheidender Faktor ist, den der Gemeinschaftsrichter bei seiner Prüfung zu
berücksichtigen hätte (siehe oben, Randnr. 40).
408.
Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 soll den angehörten Personen die Gewähr bieten, dass
das Protokoll mit ihren wesentlichen Erklärungen übereinstimmt (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 29,
und Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 51/69, Bayer/Kommission, Slg.
1972, 745, Randnr. 17). Das Protokoll wird den Parteien folglich zur Genehmigung vorgelegt, damit sie
die in der Anhörung abgegebenen Erklärungen überprüfen können, undnicht zu dem Zweck, neue
Gesichtspunkte vorzubringen, die der Anhörungsbeauftragte berücksichtigen müsste.
409.
Die Klägerinnen haben nicht dargetan, inwiefern der vorläufige Charakter des Protokolls, über das
der Anhörungsbeauftragte zum Zeitpunkt der Erstellung seines Berichts verfügte, ihn daran gehindert
hätte, dem Generaldirektor für Wettbewerb unter Bedingungen Bericht zu erstatten, die zur
Objektivität des Verfahrens beitrugen.
410.
Nach der Rechtsprechung kann der Umstand, dass dem Beratenden Ausschuss und der
Kommission eine vorläufige Anhörungsniederschrift vorgelegen hat, nur dann einen Fehler des
Verwaltungsverfahrens darstellen, der die Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden
Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn diese Niederschrift in einer ihre Adressaten in einem
wesentlichen Punkt irreführenden Weise verfasst wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in
der Rechtssache 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, 733, Randnr. 17). Da die Kommission neben
der vorläufigen Niederschrift über die Bemerkungen und Stellungnahmen der Unternehmen zu dieser
Niederschrift verfügte, ist davon auszugehen, dass die Mitglieder der Kommission vor Erlass der
Entscheidung über alle erheblichen Umstände informiert waren (vgl. Urteil Petrofina/Kommission,
Randnr. 44). Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass die verschiedenen bei der Ausarbeitung
der endgültigen Entscheidung zusammenwirkenden Stellen nicht korrekt über das Vorbringen der
Unternehmen zu den ihnen von der Kommission mitgeteilten Beschwerdepunkten und den von der
Kommission zur Erhärtung dieser Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismitteln informiert worden
seien (vgl. Urteil Petrofina/Kommission, Randnr. 53, und Urteil vom 10. März 1992, Hüls/Kommission,
Randnr. 86).
411.
Der Gerichtshof hat im Übrigen entschieden, dass sich Verfahrensfehler bei der Erstellung des
Protokolls nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung auswirken können, wenn bei der
Anhörung abgegebene Erklärungen unzutreffend wiedergegeben wurden (Urteile ICI/Kommission,
Randnr. 31, und Bayer/Kommission, Randnr. 17). Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen nicht
dargelegt, inwiefern das Protokoll den Inhalt der Anhörung nicht korrekt und genau wiedergeben soll
(vgl. Urteil Petrofina/Kommission, Randnr. 45). Dagegen ist unstreitig, dass die von den Klägerinnen
insbesondere hinsichtlich der Anwesenheit von Herrn Daout bei der Anhörung vorgeschlagenen
Korrekturen des Protokolls in dessen endgültige Fassung aufgenommen wurden.
412.
Nach alledem hat sich die Tatsache, dass der Anhörungsbeauftragte seinen Bericht in der
vorliegenden Rechtssache vor der Genehmigung des Protokolls der Anhörung verfasst hat, nicht auf
die Rechtmäßigkeit der daraus hervorgegangenen Entscheidung ausgewirkt.
413.
Somit ist die Rüge der Verletzung der Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten
zurückzuweisen.
414.
Folglich ist der Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte in vollem Umfang
zurückzuweisen.
C -
1. Allgemeine Ausführungen zur Einrede der Rechtswidrigkeit
415.
Die Klägerinnen erheben nach Artikel 184 EG-Vertrag (jetzt Artikel 241 EG) eine Einrede der
Rechtswidrigkeit in Bezug auf die Leitlinien. Sie tragen vor, aus der Begründung der Entscheidung
ergebe sich, dass die Leitlinien die Rechtsgrundlage der Entscheidung darstellten. Auch aus
Pressemeldungen der Kommission ergebe sich die Anwendung der Leitlinien im vorliegenden
Verfahren. Eine Einrede der Rechtswidrigkeit könne über den Wortlaut von Artikel 184 EG-Vertrag
hinaus, der ausdrücklich nur Verordnungen erwähne, gegenüber allen Rechtshandlungen der
Gemeinschaftsorgane geltend gemacht werden, die, obwohl nicht in Form einer Verordnung
ergangen, gleichartige Wirkungen entfalteten, was bei den Leitlinien vorliegend der Fall sei.
416.
Nach ständiger Rechtsprechung ist Artikel 184 EG-Vertrag Ausdruck eines allgemeinen
Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer sie
unmittelbar und individuell betreffenden Entscheidung die Gültigkeit derjenigen früheren
Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane zu bestreiten, die - auch wenn es sich nicht um eine
Verordnung handelt - die Rechtsgrundlage für die streitige Entscheidung bilden, falls die betreffende
Partei nicht das Recht hatte, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG)
unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass
sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1979 in der
Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, Randnrn. 39 und 40).
417.
Da Artikel 184 EG-Vertrag nicht den Zweck hat, einer Partei zu gestatten, die Unanwendbarkeit
eines Rechtsakts allgemeinen Charakters mit jeder beliebigen Klage geltend zu machen, muss der
allgemeine Rechtsakt, dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, unmittelbar oder mittelbar auf
den streitgegenständlichen Fall anwendbar sein, und es muss ein unmittelbarer rechtlicher
Zusammenhang zwischen der angefochtenen Einzelentscheidung und dem betreffenden allgemeinen
Rechtsakt bestehen (Urteile des Gerichtshofes vom 31. März 1965 in der Rechtssache 21/64,
Macchiorlati Dalmas e Figli/Hohe Behörde, Slg. 1965, 242, 259, und vom 13. Juli 1966 in der
Rechtssache 32/65, Italien/Rat und Kommission, Slg. 1966, 458, 487; Urteil des Gerichts vom 26.
Oktober 1993 in den Rechtssachen T-6/92 und T-52/92, Reinarz/Kommission, Slg. 1993, II-1047,
Randnr. 57).
418.
In den ersten beiden Absätzen der Leitlinien hat die Kommission Folgendes angekündigt: „Die in
diesen Leitlinien dargelegten Grundsätze sollen dazu beitragen, die Transparenz und Objektivität der
Entscheidungen der Kommission sowohl gegenüber den Unternehmen als auch gegenüber dem
Gerichtshof zu erhöhen, sowie den Ermessensspielraum bekräftigen, der vom Gesetzgeber der
Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen innerhalb der Obergrenze von 10 % des
Gesamtumsatzes der Unternehmen eingeräumt wurde. ... Das neue Verfahren für die Festsetzung des
Betrages der Geldbuße beruht auf folgendem Schema ...“ Folglich enthalten die Leitlinien - auch wenn
sie nicht die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung darstellen, die auf den Artikeln 3 und
15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 beruht - eine allgemeine und abstrakte Regelung des Verfahrens,
das sich die Kommission zur Ermittlung der in der Entscheidung festgesetzten Geldbußen auferlegt
hatte, und schaffen damit Rechtssicherheit für die Unternehmen.
419.
Überdies ist unstreitig, dass die Kommission die Geldbuße der Klägerinnen anhand der allgemeinen
Methode festgesetzt hat, die sie sich in den Leitlinien auferlegt hat.
420.
Somit besteht im vorliegenden Fall ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der
angefochtenen Einzelentscheidung und dem allgemeinen Rechtsakt, um den es sich bei den Leitlinien
handelt. Da die Klägerinnen nicht die Nichtigerklärung der Leitlinien als des allgemeinen Rechtsakts
verlangen konnten, können diese Gegenstand einer Einrede der Rechtswidrigkeit sein.
421.
Somit ist die Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien zu prüfen, die sich erstens auf die
Unzuständigkeit der Kommission, zweitens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung, drittens auf die Verletzung der Verteidigungsrechte und viertens auf die Verletzung
des Rückwirkungsverbots stützt.
2. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund der Unzuständigkeit der Kommission
Vorbringen der Parteien
422.
Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe mit dem Erlass der Leitlinien die Grenzen des ihr
durch den Vertrag und die Verordnung Nr. 17 eingeräumten Ermessens überschritten. Nach Artikel 87
EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 83 EG) sei nur der Rat befugt, Verordnungen oder Richtlinien
zur Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag niedergelegten Grundsätze zu erlassen. In
Artikel 24 der Verordnung Nr. 17 werde die Kommission zwar zum Erlass von
Ausführungsbestimmungen ermächtigt, nicht aber zum Erlass von Vorschriften über die Festsetzung
von Geldbußen nach Artikel 15 dieser Verordnung.
423.
Die Kommission könne zwar in Bereichen, in denen das Primärrecht ihr die Befugnis zur
Entscheidung von Einzelfällen und bei diesen Entscheidungen einen Ermessensspielraum zugewiesen
habe, die Ausübung dieses Ermessens strukturieren und Mitteilungen veröffentlichen, um auf diese
Weise ihre späteren Einzelfallentscheidungen vorzubereiten. Mit dem Erlass der Leitlinien habe die
Kommission jedoch die Grenzen einer solchen Mitteilung überschritten. In ihren Leitlinien habe sie
nicht nur die bestehende Rechtslage und vorweg die Handhabung ihres Ermessens dargestellt,
sondern eine Ergänzung des bestehenden Gemeinschaftsrechts durch Schaffung eigenständiger
Verpflichtungen bezweckt. Die Kommission habe in den Leitlinien für die Festsetzung der Geldbuße
nicht den Umsatz der betroffenen Unternehmen, d. h. ihre Wirtschaftskraft, berücksichtigt, obwohl aus
Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nach der Auslegung, die er in der Rechtsprechung und der
Verwaltungspraxis der Kommission vor dem Erlass der Leitlinien gefunden habe, folge, dass die
Schwere der Tat und die Dauer des Verstoßes auch anhand der Umsatzzahlen zu ermitteln seien.
424.
In Nummer 1 der Leitlinien werde ein Ausgangsbetrag für die Berechnung der Geldbuße definiert,
der zunächst unabhängig vom Umsatz der betroffenen Unternehmen festzulegen sei und sich mit
gewissen Sockelbeträgen in „minder schwere Verstöße“, „schwere Verstöße“ und „besonders
schwere Verstöße“ gliedere. Anhand der Dauer des Verstoßes würden darauf dann Zuschläge
vorgenommen, wiederum ohne Berücksichtigung des Umsatzes des betroffenen Unternehmens. Erst
danach werde gemäß Nummer 4 der Leitlinien geprüft, ob der so ermittelte Betrag nicht die Grenze
von 10 % des Umsatzes in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 übersteige. Diese
Vorgehensweise führe letztlich dazu, dass zwingende Umstände des Einzelfalls im Zusammenhang mit
Art und Dauer des Verstoßes bei den einzelnen Unternehmen keine Berücksichtigung mehr finden
könnten, falls durch die Ermittlung des Ausgangsbetrags nach diesem Schema die Grenze von 10 %
des Umsatzes bereits erreicht oder überschritten werde.
425.
So hätten im vorliegenden Fall wegen der Anwendung der Leitlinien bestimmte Umstände keine
Berücksichtigung gefunden, weil gegen die Klägerinnen die Höchstgeldbuße von 10 % ihres Umsatzes
festgesetzt worden sei.
426.
Außerdem werde die mit den Leitlinien verbundene Einführung weiterer erschwerender Umstände, z.
B. des Erfordernisses, die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße
unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, vom Gemeinschaftsrecht nicht gedeckt, weder durch
die Verordnung Nr. 17 noch durch allgemeine Rechtsgrundsätze.
427.
Die Beklagte entgegnet, sie habe ihr Ermessen nicht dadurch überschritten, dass sie
Ausgangsbeträge und Aufschläge für die Festsetzung von Geldbußen ohne Berücksichtigung des
Umsatzes der betroffenen Unternehmen festgelegt habe.
428.
Der Rechtsprechung und ihrer Verwaltungspraxis sei keineswegs zu entnehmen, dass der
Gesamtumsatz als Indikator der Wirtschaftskraft eines Unternehmens stets in die Berechnung der
Geldbußen einfließen müsse. Die Dauer des Verstoßes könne als solche nicht direkt mit den Umsätzen
des Unternehmens in Verbindung gebracht werden. Bei der Schwere des Verstoßes seien die
Umstände des Einzelfalls, der Kontext der Zuwiderhandlung und die Notwendigkeit zu berücksichtigen,
die abschreckende Wirkung des Vorgehens der Kommission sicherzustellen. In diesem Rahmen hätten
Rechenfaktoren wie die Umsätze des betroffenen Unternehmens keinen zwingenden Charakter,
dürften aber berücksichtigt werden. Es könne auch nicht behauptet werden, dass die Berechnung der
Geldbußen anhand des Umsatzes der betroffenen Unternehmen einer Verwaltungspraxis der
Kommission entspreche, denn häufig seien dabei andere Faktoren als der Umsatz herangezogen
worden. Dies ergebe sich aus mehreren wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen, mit denen sich in
einigen Fällen auch die Gemeinschaftsgerichte befasst hätten.
429.
Außerdem erlaubten es die Leitlinien durchaus, die Wirtschaftskraft des Unternehmens zu
berücksichtigen. Da die Kommission in den Leitlinien auf die Notwendigkeit einer abschreckenden
Wirkung der Geldbuße verweise, sei sie befugt, den Ausgangsbetrag entsprechend anzupassen.
Sodann erinnere sie in den Leitlinien daran, dass nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 der
Endbetrag der Geldbuße 10 % des Gesamtumsatzes des betroffenen Unternehmens nicht
übersteigen dürfe. Schließlich werde in den Leitlinien im Einklang mit der Rechtsprechung, dass
Umsätze mit dem betreffenden Produkt berücksichtigt werden könnten, um das Ausmaß der
Zuwiderhandlung zu ermitteln, der Grundsatz aufgestellt, dass dieser Gesichtspunkt in Rechnung
gestellt werden könne, um die Möglichkeit zu haben, das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche
Auswirkung des Verstoßes jedes Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen.
430.
Von der Möglichkeit - gegen die sich die Klägerinnen wendeten -, im Fall erschwerender Umstände
die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne
zu übertreffen, sei im vorliegenden Fall kein Gebrauch gemacht worden. Gleichwohl liege dieses
Kriterium durchaus im Ermessen der Kommission.
Würdigung durch das Gericht
431.
In Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt es: „Die Kommission kann gegen Unternehmen
und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer
Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem
einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten
Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig ... gegen Artikel 85 Absatz (1) ... des
Vertrages verstoßen ...“ Weiter heißt es dort: „Bei derFestsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben
der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“
432.
Als die Kommission in ihren Leitlinien ankündigte, welche Methode sie bei der Berechnung von
Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 anwenden will, hat sie das ihr durch den
Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen nicht überschritten.
433.
Nach Nummer 1 Absatz 1 der Leitlinien wird bei der Berechnung der Geldbußen der Grundbetrag
nach Maßgabe der Schwere und der Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15
Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet.
434.
Gemäß den Leitlinien wählt die Kommission als Ausgangspunkt einen anhand der Schwere des
Verstoßes ermittelten Betrag (im Folgenden: allgemeiner Ausgangspunkt). Bei der Ermittlung der
Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese
messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen (Nr. 1 Teil A
Absatz 1). Dabei werden die Verstöße in drei Gruppen unterteilt: „minder schwere Verstöße“, bei
denen Geldbußen zwischen 1 000 und 1 Million ECU in Betracht kommen, „schwere Verstöße“, bei
denen die Geldbußen zwischen 1 Million und 20 Millionen ECU liegen können, und „besonders schwere
Verstöße“, für die Geldbußen oberhalb von 20 Millionen ECU vorgesehen sind (Nr. 1 Teil A Absatz 2,
erster bis dritter Gedankenstrich). Innerhalb dieser einzelnen Kategorien und insbesondere bei den
als „schwer“ und „besonders schwer“ eingestuften Verstößen ermöglicht die Skala der
festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes (Nr. 1 Teil
A Absatz 3).
435.
Ferner ist nach den Leitlinien die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße zu
berücksichtigen, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen,
und die Geldbuße ist auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung
entfaltet (Nr. 1 Teil A Absatz 4).
436.
Darüber hinaus kann der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den
meisten Fällen über ausreichende Ressourcen an juristischem und wirtschaftlichem Sachverstand
verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen
Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind (Nr. 1 Teil A
Absatz 5).
437.
Innerhalb der drei oben genannten Kategorien kann es in bestimmten Fällen angebracht sein, den
festgesetzten Betrag zu gewichten, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung
des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem,
wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren
(Nr. 1 Teil A Absatz 6).
438.
Bei der Berücksichtigung der Dauer eines Verstoßes ist nach den Leitlinien zu unterscheiden
zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der anhand der
Schwere ermittelte Betrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen
einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag um bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen
von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag für jedes Jahr des
Verstoßes um bis zu 10 % erhöht werden kann (Nr. 1 Teil B Absatz 1, erster bis dritter
Gedankenstrich).
439.
Anschließend enthalten die Leitlinien eine Liste von Beispielen für erschwerende und mildernde
Umstände, die zu einer Erhöhung oder Herabsetzung des Grundbetrags führen können, und nehmen
dann auf die Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 1996 über die Nichtfestsetzung oder die
niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über
Zusammenarbeit) Bezug.
440.
Als allgemeine Bemerkung wird hinzugefügt, dass der Endbetrag der nach diesem Schema
ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden
Umstände bedingten prozentualen Auf- oder Abschläge) gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung
Nr. 17 in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen dürfe (Nr.
5 Buchstabe a). Ferner kann es den Leitlinien zufolge nach Durchführung der genannten
Berechnungen je nach Fall angezeigt sein, im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der
vorgesehenen Geldbußen einige objektive Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. einen besonderen
wirtschaftlichen Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten
wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile und die besonderen Merkmale der betreffenden
Unternehmen wie ihre tatsächliche Steuerkraft in einem gegebenen sozialen Umfeld (Nr. 5 Buchstabe
b).
441.
Folglich wird die Berechnung der Geldbußen auch nach der in den Leitlinien beschriebenen
Methode anhand der beiden in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Kriterien -
Schwere des Verstoßes und Dauer der Zuwiderhandlung - unter Beachtung der dort festgelegten
Obergrenze in Bezug auf den Umsatz jedes Unternehmens vorgenommen.
442.
Entgegen der Behauptung der Klägerinnen ist die Kommission bei der Ermittlung der Höhe der
Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet, die
Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen
beruhen, oder für den Fall, dass gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte
Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten
Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren
Gesamtumsatz oder ihren Umsatz auf dem relevanten Produktmarkt zum Ausdruck kommen.
443.
Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl
von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr
Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder
abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss
des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg.
1996, I-1611, Randnr. 54; Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P,
Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 33; vgl. auch Urteil Buchmann/Kommission,
Randnr. 163).
444.
Zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung können die Menge
und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, sowie Größe und
Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den es auf den Markt ausüben
konnte. Daraus ergibt sich zum einen, dass bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der
Gesamtumsatz des Unternehmens, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über
dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes herangezogen werden
darf, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, und der somit
einen Anhaltspunkt für deren Ausmaß liefern kann. Zum anderen folgt daraus, dass weder der einen
noch der anderen dieser Umsatzzahlen eine im Verhältnis zu den übrigen Beurteilungskriterien
übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf und dass die Festsetzung der Geldbußen nicht das
Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann (Urteil Musique
diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 120 und 121; Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1994 in
der Rechtssache T-77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 94, und vom 14. Mai 1998
in der Rechtssache T-327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373, Randnr. 176).
445.
Nach der Rechtsprechung ist die Kommission berechtigt, eine Geldbuße anhand der Schwere der
Zuwiderhandlung zu berechnen, ohne die verschiedenen Umsatzzahlen der betroffenen Unternehmen
zu berücksichtigen. So hat der Gemeinschaftsrichter eine Berechnungsmethode für zulässig erachtet,
bei der die Kommission zunächst den Gesamtbetrag der festzusetzenden Geldbußen ermittelt und ihn
dann auf die betroffenen Unternehmen aufteilt, wobei sie auf deren Aktivitäten in der fraglichen
Branche (Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82,
104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 48 bis 53) oder
auf den Umfang ihrer Beteiligung, ihre Rolle im Kartell und ihre jeweilige Bedeutung auf dem Markt,
berechnet anhand des durchschnittlichen Marktanteils in einem Referenzzeitraum, abstellt.
446.
Folglich ist die Kommission, als sie in ihren Leitlinien eine Methode zur Berechnung der Geldbußen
darlegte, die nicht auf dem Umsatz der betroffenen Unternehmen beruht, nicht von der Auslegung
des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 durch die Rechtsprechung abgewichen.
447.
Auch wenn die Leitlinien nicht vorsehen, dass die Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder
des Umsatzes auf dem relevanten Produktmarkt der betroffenen Unternehmen berechnet werden,
schließen sie nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden,
damit allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es
erfordern.
448.
Bei der Anwendung der Leitlinien kann der Umsatz der betroffenen Unternehmen eine Rolle spielen,
wenn die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber in
erheblichem Umfang zu schädigen, und das Erfordernis zu berücksichtigen sind, eine hinreichend
abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, oder wenn der Tatsache Rechnung zu tragen
ist, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über ausreichende Ressourcen an juristischem und
wirtschaftlichem Sachverstand verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß
ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu
gewärtigen sind (siehe oben, Randnr. 436). Der Umsatz der betroffenen Unternehmen kann auch bei
der Ermittlung des jeweiligen Gewichts und damit der tatsächlichen Auswirkung des Verstoßes jedes
einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb eine Rolle spielen, vor allem, wenn an einem Verstoß
derselben Art Unternehmen von ganz unterschiedlicher Größe beteiligt waren (siehe oben, Randnr.
437). Ferner kann der Umsatz der Unternehmen einen Anhaltspunkt für die eventuell erzielten
wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile oder andere besondere Merkmale der Beteiligten an dem
Verstoß geben, die je nach den Umständen zu berücksichtigen sind (siehe oben, Randnr. 440).
449.
Zudem kann nach den Leitlinien der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise
gegebenenfalls dazu führen, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen
festgesetzt werden, ohne dass dieser Abstufung eine arithmetische Formel zugrunde liegt (Nr. 1 Teil A
Absatz 7).
450.
Entgegen der Behauptung der Klägerinnen gehen die Leitlinien nicht über das in der Verordnung
Nr. 17 vorgesehene Maß hinaus. Die Klägerinnen machen geltend, die Leitlinien erlaubten es der
Kommission, anhand der Schwere der Zuwiderhandlung einen so hohen Ausgangspunkt für die
Berechnung der Geldbuße festzusetzen, dass sich im Hinblick darauf, dass die Geldbuße nach Artikel
15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keinesfalls die Obergrenze von 10 % des Umsatzes des betroffenen
Unternehmens übersteigen dürfe, andere Faktoren wie die Dauer der Zuwiderhandlung oder
mildernde oder erschwerende Umstände bisweilen nicht mehr auf die Höhe der Geldbuße auswirken
könnten.
451.
Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der vorsieht, dass die Kommission Geldbußen in
Höhe von bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im
letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen kann, ist die Geldbuße, die letztlich gegen ein
Unternehmenfestgesetzt wird, herabzusetzen, falls sie 10 % von dessen Umsatz übersteigt,
unabhängig von Zwischenberechnungen, mit denen Dauer und Schwere der Zuwiderhandlung
Rechnung getragen werden soll.
452.
Folglich verbietet Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht, bei ihrer
Berechnung einen Zwischenbetrag heranzuziehen, der 10 % des Umsatzes des betroffenen
Unternehmens übersteigt, sofern die gegen dieses Unternehmen letztlich festgesetzte Geldbuße nicht
über dieser Obergrenze liegt.
453.
In einem solchen Fall kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sich bestimmte
bei ihrer Berechnung berücksichtigte Faktoren nicht auf den Endbetrag der Geldbuße auswirkten, da
dies die Folge des in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 aufgestellten Verbotes der
Überschreitung von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens ist.
454.
Schließlich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen das durch die
Verordnung Nr. 17 eingeräumte Ermessen auch nicht dadurch überschritten, dass sie in ihren
Leitlinien die Möglichkeit vorgesehen hat, als erschwerenden Umstand das Erfordernis zu
berücksichtigen, die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig
erzielten Gewinne zu übertreffen, sofern dieser Betrag objektiv ermittelt werden kann (Nr. 2, fünfter
Gedankenstrich).
455.
Der Gewinn, den die Unternehmen aus ihrem Verhalten ziehen konnten, gehört nämlich zu den
Faktoren, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle spielen (Urteil Musique
diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 129; Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997 in der
Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 127).
456.
Die Abschreckungswirkung der Geldbußen würde verringert, wenn Unternehmen, die eine
Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht begangen haben, damit rechnen könnten, dass ihr
Verhalten mit einer Geldbuße belegt wird, die unter dem aufgrund dieses Verhaltens zu erwartenden
Gewinn liegt. Soweit die Kommission in der Lage ist, die Höhe dieses rechtswidrigen Gewinns zu
schätzen, hat sie daher die Möglichkeit, die Geldbußen so hoch anzusetzen, dass sie einen solchen
Gewinn übersteigen.
457.
Nach der Rechtsprechung darf die Kommission im Übrigen das Niveau von Geldbußen anheben, um
ihre abschreckende Wirkung zu verstärken, wenn die in Frage stehenden Praktiken wegen des
Gewinns, den betroffene Unternehmen daraus ziehen können, immer noch verhältnismäßig häufig
sind, obwohl ihre Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand
(Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 108, Solvay/Kommission, Randnr. 309,
und Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127).
458.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission bei der Ausarbeitung ihrer Leitlinien die Grenzen
des ihr nach der Verordnung Nr. 17 zustehenden Ermessens nicht überschritten hat.
459.
Somit greift der auf die Unzuständigkeit der Kommission gestützte Teil der Einrede der
Rechtswidrigkeit nicht durch.
3. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung
Vorbringen der Parteien
460.
Die Klägerinnen machen geltend, dass die Leitlinien, selbst wenn sie als rechtmäßige
Ermessensausübung der Kommission anzusehen sein sollten, gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung verstießen. Die zu ermittelnde Geldbuße sei hinsichtlich des Prozentsatzes vom
Umsatz der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen gleich, der effektive Betrag wegen der
unterschiedlichen Höhe ihres Umsatzes entsprechend ihrer Wirtschaftskraft verschieden. Die
Leitlinien, die von einem Grundbetrag ausgingen, der unabhängig vom Umsatz und damit der
Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens festgelegt werde, führten aber zu einer
Benachteiligung von Unternehmen mit geringen oder mittleren Umsätzen gegenüber wirtschaftlich
starken Unternehmen.
461.
Diese Kritik richte sich gegen die Leitlinien und nicht gegen die Entscheidung. Der methodische
Ansatz der Leitlinien führe letztlich dazu, dass kleinere und mittlere Unternehmen bei weniger
schwerwiegenden Verstößen von geringer Dauer die höchstmögliche Geldbuße von 10 % ihres
Gesamtumsatzes erhalten könnten, während Großunternehmen für schwerere Verstöße von längerer
Dauer nur eine Geldbuße von 6 % oder 7 % ihres Gesamtumsatzes erhielten. Der Ansatz führe ferner
dazu, dass mildernde oder erschwerende Umstände keine Berücksichtigung mehr finden könnten,
wenn schon der Grundbetrag über der Grenze von 10 % des Umsatzes liege.
462.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerinnen wendeten sich mit ihrer Kritik in Wirklichkeit gegen die
Entscheidung und nicht gegen die Leitlinien. Es sei nämlich nicht ersichtlich, wie die von den
Klägerinnen angeführten Folgen direkt aus den Leitlinien abgeleitet werden könnten, denn diese
hätten die Methode zur Berechnung der Geldbußen und nicht deren allgemeines Niveau oder gar
deren Höhe im Einzelfall zum Gegenstand.
463.
Die Leitlinien erlaubten es der Kommission jedenfalls, alle einschlägigen Faktoren im Rahmen des
ihr bei der Berechnung der Geldbußen zustehenden weiten Ermessens gebührend zu berücksichtigen.
Sie sei dabei keineswegs verpflichtet, dem Umsatz der betroffenen Unternehmen die Bedeutung
beizumessen, die die Klägerinnen ihm beilegen wollten.
Würdigung durch das Gericht
464.
Der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ist dahin zu
verstehen, dass die Leitlinien insofern zu einer Ungleichbehandlung führten, als Unternehmen mit
kleinen oder mittleren Umsätzen mit Geldbußen belegt werden könnten, die einem höheren
Prozentsatz ihres Umsatzes entsprächen als die Geldbußen von Unternehmen mit größerem Umsatz.
465.
In Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt es: „Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße
ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“
466.
Zudem darf die Kommission nach der Rechtsprechung bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl
den Gesamtumsatz des Unternehmens als auch den Teil dieses Umsatzes heranziehen, der mit den
Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, doch darf weder der einen noch der
anderen dieser Umsatzzahlen eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige
Bedeutung zugemessen werden (vgl. die oben in Randnr. 444 genannte Rechtsprechung). Ferner ist
nach ständiger Rechtsprechung die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von
Gesichtspunkten zu ermitteln, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien
gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. die oben in Randnr. 443 genannte
Rechtsprechung).
467.
Folglich braucht die Kommission die Geldbußen nicht in allen Fällen anhand des Umsatzes der
betroffenen Unternehmen zu berechnen. Sie ist daher auch nicht verpflichtet, bei der Festsetzung von
Geldbußen gegen Unternehmen, die an derselben Zuwiderhandlung beteiligt waren, eine Geldbuße zu
verhängen, deren Höhe bei allen Unternehmen dem gleichen Prozentsatz ihres Umsatzes entspricht.
468.
Die von den Klägerinnen erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit ist daher zurückzuweisen, soweit
sie sich darauf stützt, dass die Leitlinien wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung rechtswidrig seien.
469.
Soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, im vorliegenden Fall eine so hohe Geldbuße
festgesetzt zu haben, dass sie gegenüber anderen Teilnehmern an derselben Zuwiderhandlung
benachteiligt würden, handelt es sich nicht um ein Argument, das die Rechtmäßigkeit der Leitlinien in
Frage stellen kann. Auf dieses Argument ist daher bei der Prüfung des Klagegrundes eines Verstoßes
gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße einzugehen.
4. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte
Vorbringen der Parteien
470.
Die Klägerinnen tragen vor, selbst wenn die Leitlinien als rechtmäßige Ausübung des Ermessens
der Kommission eingestuft werden sollten, verstießen sie gegen grundlegende Verteidigungsrechte.
471.
Die Tatsache, dass in den Leitlinien als erschwerender Umstand bei der Festsetzung der Geldbuße
die „Verweigerung der Zusammenarbeit“ und „Behinderungsversuche während des
Untersuchungsverlaufs“ angeführt würden, stelle einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte dar.
Das Recht zur Verteidigung in einem Verfahren, das zu einer Entscheidung über die Festsetzung von
Geldbußen nach der Verordnung Nr. 17 führe, sei ein Grundrecht und ein allgemeiner
Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, der durch die Einstufung einer „Verweigerung der
Zusammenarbeit“ als erschwerender Umstand schwer beeinträchtigt werde. In diesem
Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Kommission gegen Rechtsvertreter der Klägerinnen
bei den zuständigen Rechtsanwaltskammern Beschwerden eingelegt habe, weil sie die Rechte ihrer
Mandanten gewahrt und sich an die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht gehalten hätten. Die
gleichen Erwägungen gälten für den Fall, dass unter „Behinderungsversuchen während des
Untersuchungsverlaufs“ auch das Bestreiten von Tatsachen und das Nichtaufdecken vertraulicher
Treuhandverhältnisse verstanden werde, wie es die Kommission tue.
472.
Während in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unstreitig als allgemeiner Rechtsgrundsatz
anerkannt sei, dass ein Geständnis oder eine Kooperation mildernde Umstände sein könnten, wirke
sich hartnäckiges Leugnen oder die Ausübung der Verteidigungsrechte - nichts anderes sei
mangelnde Zusammenarbeit - niemals strafverschärfend oder geldbußenerhöhend aus.
473.
Die Beklagte meint, dass die Begriffe „Verweigerung der Zusammenarbeit“ und
„Behinderungsversuche“ als erschwerende Umstände auslegungsfähig seien und daher in Einklang
mit den Verteidigungsrechten angewandt werden könnten und müssten. Ob sie diese Rechte
respektiert habe, sei eine Frage des Einzelfalls.
Würdigung durch das Gericht
474.
Nach den Leitlinien kommt eine Erhöhung des Grundbetrags bei gewissen erschwerenden
Umständen wie z. B. „Verweigerung der Zusammenarbeit oder sogar Behinderungsversuche während
des Untersuchungsverlaufs“ in Betracht (Nr. 2, zweiter Gedankenstrich).
475.
Da Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keine abschließende Aufzählung der Kriterien enthält,
die die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße heranziehen kann, kann das Verhalten des
Unternehmens im Verwaltungsverfahren zu den Gesichtspunkten gehören, die bei dieser Festsetzung
zu berücksichtigen sind (Urteile des Gerichtshofes vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87,
Sandoz prodotti farmaceutici/Kommission, Slg. 1990, I-45, abgekürzteVeröffentlichung, und vom 16.
November 2000 in der Rechtssache C-298/98 P, Finnboard/Kommission, Slg. 2000, I-10157, Randnr.
56).
476.
Entgegen der Behauptung der Klägerinnen kann der bloße Umstand, dass eine Verweigerung der
Zusammenarbeit mit der Kommission dazu führen könnte, dass eine höhere Geldbuße als im Fall der
Zusammenarbeit festgesetzt wird, als solcher nicht als Hindernis für die Ausübung der
Verteidigungsrechte angesehen werden.
477.
Hierzu ist entschieden worden, dass es nicht schon als Ausübung von Druck auf ein von einer
wettbewerbsrechtlichen Untersuchung betroffenes Unternehmen angesehen werden kann, wenn die
Kommission das Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens darauf hinweist, dass im Fall der
Anerkennung der wesentlichen oder aller Tatsachenbehauptungen der Kommission die zu
verhängende Geldbuße herabgesetzt werden könnte, wobei der Umfang dieser Herabsetzung nicht
angegeben wird, und dass die Kommission dadurch nicht gegen den allgemeinen Grundsatz des
Gemeinschaftsrechts verstößt, wonach die Verteidigungsrechte gewahrt werden müssen (Urteil Mayr-
Melnhof/Kommission, Randnrn. 313 und 314).
478.
Auch gemäß den Leitlinien muss ein Unternehmen, das sich gegen den Standpunkt der Kommission
wendet und nur in dem nach der Verordnung Nr. 17 vorgeschriebenen Umfang kooperiert, aus diesem
Grund nicht mit einer höheren Geldbuße rechnen. Glaubt die Kommission, eine diesem Unternehmen
zuzurechnende Zuwiderhandlung nachgewiesen zu haben, so belegt sie es anhand der Kriterien, zu
deren Heranziehung sie berechtigt ist und die der Nachprüfung durch das Gericht oder den
Gerichtshof unterliegen, mit einer Sanktion (Urteil Finnboard/Kommission, Randnr. 58). Nach den
Leitlinien zieht die Kommission eine Erhöhung der Geldbuße nur bei Verweigerung der
Zusammenarbeit oder sogar Behinderungsversuchen während des Untersuchungsverlaufs in
Betracht. Die bloße Ausübung der Verteidigungsrechte kann aber keine Verweigerung der
Zusammenarbeit im Sinne von Nummer 2, zweiter Gedankenstrich, der Leitlinien darstellen.
479.
Zudem kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie Leitlinien für die
Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen aufstellt, um die Gleichbehandlung der
betroffenen Unternehmen besser zu gewährleisten (Urteil Finnboard/Kommission, Randnr. 57).
480.
Soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, die Verteidigungsrechte bei der Anwendung der
Begriffe „Verweigerung der Zusammenarbeit“ und „Behinderungsversuche“ auf sie verletzt zu haben,
genügt der Hinweis, dass es sich nicht um ein Argument handelt, das die Rechtmäßigkeit der Leitlinien
in Frage stellen kann. Auf dieses Argument ist daher bei der Prüfung des Klagegrundes der Verletzung
grundlegender Verteidigungsrechte bei der Beurteilung der erschwerenden Umstände einzugehen.
481.
Die von den Klägerinnen erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit ist daher zurückzuweisen, soweit
sie die angebliche Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte
betrifft.
5. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung des Rückwirkungsverbots
Vorbringen der Parteien
482.
Die Klägerinnen führen aus, die Leitlinien verstießen dadurch, dass sie auf Sachverhalte vor ihrer
Veröffentlichung am 14. Januar 1998 anzuwenden seien, gegen den allgemeinen Grundsatz des
Rückwirkungsverbots strafrechtlicher Bestimmungen. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz sei in
Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu sehen. Das Verbot der Rückwirkung
strafrechtlicher Bestimmungen ergebe sich auch aus Artikel 7 EMRK und dem dort normierten
Gesetzlichkeitsprinzip. Die Geldbußen nach der Verordnung Nr. 17 seien als Strafen im Sinne von
Artikel 6 EMRK zu werten.
483.
Die Leitlinien stellten in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die
Rechtsgrundlage der Entscheidung dar. Die Kommission sei zwar grundsätzlich berechtigt, das
allgemeine Geldbußenniveau gegenüber der früheren Praxis anzuheben, wenn sie dies für erforderlich
halte, um die abschreckende Wirkung von Geldbußen zu verstärken. Im Fall der Leitlinien handele es
sich aber nicht um eine allgemeine Anhebung des Geldbußenniveaus, sondern um eine grundlegend
andere Ermittlung der Geldbuße unter Einbeziehung von Umständen und Elementen, die sich weder
aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 noch aus den von den Gemeinschaftsgerichten insoweit
anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen ausschließlich ableiten ließen.
484.
Sollte die Einrede der Rechtswidrigkeit bezüglich der Leitlinien nicht durchgreifen, weil sie keine
Verordnung im Sinne von Artikel 184 EG-Vertrag seien, so werde ein Verstoß gegen den allgemeinen
Rechtsgrundsatz des Rückwirkungsverbots als materieller Anfechtungsgrund gegen die Entscheidung
geltend gemacht.
485.
Die Beklagte trägt vor, die Leitlinien hätten die Rechtsgrundlage für die Verhängung von
Geldbußen, Artikel 15 der Verordnung Nr. 17, nicht geändert. Die Leitlinien selbst bildeten weder für
Sanktionen noch für deren Verschärfung eine Rechtsgrundlage. Die im vorliegenden Fall verhängten
Geldbußen hätten auch ohne die Leitlinien allein auf der Grundlage der Verordnung Nr. 17 in
derselben Höhe und aufgrund derselben Erwägungen festgesetzt werden können.
486.
Entgegen der Ansicht der Klägerinnen würden durch die Leitlinien keine von Artikel 15 der
Verordnung Nr. 17 abweichenden Kriterien eingeführt. Das Argument, ihre Anwendung stelle eine
Abkehr von der Rechtsprechung oder der bisherigen Verwaltungspraxis dar, sei nicht stichhaltig.
Würdigung durch das Gericht
487.
Artikel 7 Absatz 1 EMRK lautet: „Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt
werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war.
Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung
angedrohte Strafe verhängt werden.“
488.
Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen,
deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (vgl. u. a. Gutachten 2/94 des Gerichtshofes
vom 28. März 1996, Slg. 1996, I-1759, Randnr. 33, und Urteil des Gerichtshofes vom 29. Mai 1997 in
der Rechtssache C-299/95, Kremzow, Slg. 1997, I-2629, Randnr. 14). Dabei lässt er sich von den
gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die
völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die
Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. In diesem Rahmen kommt der EMRK
besondere Bedeutung zu (Urteil Kremzow, Randnr. 14). Im Übrigen heißt es in Artikel F Absatz 2 des
Vertrages über die Europäische Union (nach Änderung jetzt Artikel 6 Absatz 2 EU): „Die Union achtet
die Grundrechte, wie sie in der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts
ergeben.“
489.
Das in Artikel 7 EMRK als Grundrecht verankerte Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften ist
ein allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz und gehört zu den
allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (Urteil des
Gerichtshofes vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 63/83, Kirk, Slg. 1984, 2689, Randnr. 22).
490.
Zwar sind nach Artikel 15 Absatz 4 der Verordnung Nr. 17 Entscheidungen der Kommission, mit
denen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht Geldbußen festgesetzt werden, nicht
strafrechtlicher Art (Urteil Tetra Pak/Kommission, Randnr. 235); gleichwohl muss die Kommission in
jedem Verwaltungsverfahren, das in Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages zu Sanktionen
führen kann, die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere das
Rückwirkungsverbot beachten (vgl. analog dazu Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 7).
491.
Wie oben in den Randnummern 432 bis 441 ausgeführt wurde, hat die Kommission, als sie in ihren
Leitlinien ankündigte, welche Methode sie bei der Berechnung von Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz
2 der Verordnung Nr. 17 anwenden will, das ihr durch den Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen
nicht überschritten. Folglich wurden durch den Erlass der Leitlinien keine neuen Rechtsvorschriften
geschaffen, die unter das Rückwirkungsverbot fallen könnten.
492.
Die Einführung einer neuen Berechnungsmethode durch die Kommission kann, auch wenn sie in
einigen Fällen zu höheren Geldbußen führen mag, ohne jedoch die in der Verordnung Nr. 17
festgelegte Obergrenze zu überschreiten, angesichts des der Kommission in dieser Verordnung
eingeräumten Ermessens nicht als eine gegen das Gebot rechtmäßigen Handelns und den Grundsatz
der Rechtssicherheit verstoßende rückwirkende Änderung des rechtlichen Rahmens für die
Verhängung von Geldbußen angesehen werden.
493.
Das Vorbringen, die Berechnung der Geldbußen anhand der in den Leitlinien beschriebenen
Methode, insbesondere ausgehend von einem Betrag, der sich grundsätzlich nach der Schwere des
Verstoßes richte, könne die Kommission dazu veranlassen, höhere Geldbußen als nach ihrer früheren
Praxis zu verhängen, ist insoweit unerheblich. Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission
bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen im Rahmen der Verordnung Nr. 17 über ein Ermessen, um
die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteile des Gerichts
vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59,
vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-
1799, Randnr. 53, und Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127).
494.
Ferner geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Kommission dadurch, dass sie in der
Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt
hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen
Grenzen anzuheben, wenn sich dies als erforderlich erweist, um die Durchführung der
gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u.
a./Kommission, Randnr. 109, Urteil Solvay/Kommission, Randnr. 309, und Urteil des Gerichts vom 14.
Mai 1998 in der Rechtssache T-304/94, Europa Carton/Kommission, Slg. 1998, II-869, Randnr. 89). Die
wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die
Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann
(Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109).
495.
Der auf eine Verletzung des Rückwirkungsverbots gestützte Teil der Einrede der Rechtswidrigkeit ist
daher ebenfalls zurückzuweisen.
496.
Folglich ist die gesamte gegen die Leitlinien erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen.
D -
1. Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
Vorbringen der Parteien
497.
Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
verstoßen, da nach ihren Angaben nur gegen die Gruppe Henss/Isoplus eine Geldbuße verhängt
worden sei, die 10 % des Umsatzes des Vorjahrs erreiche, während gegen alle anderen Unternehmen
gemessen an ihrem letzten bekannten Jahresumsatz prozentual geringere Geldbußen verhängt
worden seien, auch gegen ABB und Løgstør, die nach Ansicht der Kommission eine führende Rolle
gespielt hätten.
498.
Gegen Pan-Isovit und Tarco seien trotz geringfügig höherer Umsatzzahlen im Jahr 1995 deutlich
niedrigere Geldbußen verhängt worden als gegen die Gruppe Henss/Isoplus, obwohl sie während des
europaweiten Kartells einen gleich hohen oder geringfügig höheren Marktanteil als die Gruppe
Henss/Isoplus gehabt hätten, die Existenz eines europaweiten Kartells und ihre Teilnahme daran vor
1994 bestritten hätten und Tarco lediglich die Teilnahme am dänischen Kartell von 1990 bis 1993
zugegeben habe.
499.
Außerdem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor, weil bei den
Henss/Isoplus-Unternehmen der Gesamtumsatz als Bemessungsgrundlage für die Geldbuße
herangezogen worden sei, während bei Pan-Isovit und Tarco die Umsätze der Holding-Unternehmen
nicht berücksichtigt worden seien, so dass die Bemessungsgrundlage ihrer Geldbuße niedriger
gewesen sei als bei den Klägerinnen. Gleichwohl ergebe sich aus dem vorliegenden Verfahren und
den einschlägigen Unterlagen, dass sowohl die Muttergesellschaft von Pan-Isovit im maßgeblichen
Zeitraum, der schweizerische Industriekonzern WMH - Walter Meier Holding AG, als auch die Holding-
Gesellschaft von Tarco, der dänische Industriekonzern Tarco A/S, als Leitungsunternehmen von den
rechtswidrigen Kartellabsprachen gewusst hätten und auch eingeschaltet gewesen seien.
500.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Kommission, obwohl Pan-Isovit von Løgstør
übernommen worden sei, nicht gegen diesen Rechtsnachfolger vorgegangen sei, wie sie es im Fall der
HFB KG und der HFB GmbH getan habe, die rechtlich erst 1997 existent geworden seien.
501.
Die Beklagte führt aus, sie sei nicht verpflichtet, alle Schritte der Bußgeldberechnung unter
Heranziehung des Gesamtumsatzes als Indikator der Wirtschaftskraft der Unternehmen
durchzuführen. Da der Gesamtumsatz jedenfalls für sich genommen kein geeigneter Maßstab zur
Ermittlung der Geldbußen sei, lasse sich eine Ungleichbehandlung nicht aus einem bloßen Vergleich
der Geldbußen als Prozentsatz des Gesamtumsatzes jedes Unternehmens ableiten. Der
Ausgangsbetrag spiegele die Schwere der Zuwiderhandlung, d. h. die Auswirkungen des gesamten
Kartells auf den Wettbewerb und die Besonderheiten jedes Teilnehmers, für jedes Unternehmen
angemessen wider. Die Kommission habe alle einschlägigen Faktoren gebührend berücksichtigt und
gleichmäßig auf alle Unternehmen angewandt.
502.
Im Übrigen hätten die Klägerinnen die Erwägungen bezüglich der gegen ABB und Løgstør
verhängten Geldbußen nicht beanstandet. Tarco und Pan-Isovit hätten für die Zeit vor 1994 nicht den
ihnen von der Kommission vorgeworfenen Sachverhalt bestritten, sondern nur dessen rechtliche
Würdigung; dies stehe einer Ermäßigung unter dem Gesichtspunkt der Zusammenarbeit nicht
entgegen. Von einer Diskriminierung im Verhältnis zu Pan-Isovit könne keine Rede sein, da dieses
Unternehmen durch eine Ermäßigung der Geldbuße habe belohnt werden können, weil es nicht wie
die Unternehmen der Gruppe Henss/Isoplus versucht habe, die Kommission in einem wesentlichen
Punkt zu täuschen. Außerdem könnten sich die Klägerinnen, selbst wenn die Geldbuße gegen das
eine oder andere Unternehmen zu niedrig festgesetzt worden wäre, darauf nicht berufen.
503.
Ferner müsse die Tatsache, dass andere Teilnehmer des Kartells von Holdinggesellschaften
kontrolliert würden oder dass ihr Mehrheitsgesellschafter gewechselt habe, nicht zu einer Ermäßigung
der Geldbuße führen. Der Umstand, dass auch Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus, die
Holdingfunktionen ausübten, in den Kreis der Schuldner der Geldbuße einbezogen worden seien, habe
nicht zur Erhöhung dieser Buße geführt. Die Klägerinnen hätten auch ihre Behauptung nicht belegt,
dass Holdinggesellschaften, die andere Kartellteilnehmer kontrollierten, selbst an diesem Kartell
beteiligt gewesen seien.
504.
Die Tatsache, dass die Kommission Løgstør nicht zum Gesamtschuldner der Geldbuße von Pan-Isovit
gemacht habe, obwohl Løgstør dieses Unternehmen nach den Untersuchungen erworben habe,
bedeute keine Diskriminierung der HFB KG; soweit die HFB KG Anteile an Henss/Isoplus-Gesellschaften
erworben habe, habe dies nämlich nur die Umstrukturierung des Konzerns dargestellt, der stets das
Interesse von Herrn Henss und seinen Geschäftspartnern verkörpert habe.
Würdigung durch das Gericht
505.
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur
dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich
behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des
Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr.
28, und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681, Randnr. 25; Urteil
des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg.
1998, II-1129, Randnr. 309).
506.
Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz
der Gleichbehandlung verstoßen, da sie ihnen eine Geldbuße auferlegt habe, mit der sie, gemessen
am Prozentsatz des Umsatzes, gegenüber ABB, Løgstør, Pan-Isovit und Tarco, unter Berücksichtigung
der Marktanteile und der Kooperation während des Verwaltungsverfahrens sowie im Hinblick auf den
bei der Berechnung herangezogenen Umsatz gegenüber Pan-Isovit und Tarco undim Hinblick darauf,
dass gegen den Rechtsnachfolger von Pan-Isovit keine Geldbuße festgesetzt worden sei, dieser
gegenüber benachteiligt würden.
507.
Im vorliegenden Fall handelt es sich nach Ansicht der Kommission um eine sehr schwere
Zuwiderhandlung, für die normalerweise eine Geldbuße von 20 Millionen ECU zu verhängen wäre
(Randnr. 165 der Entscheidung).
508.
Um der unterschiedlichen Größe der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen Rechnung
zu tragen, hat die Kommission sie nach ihrer Bedeutung auf dem Markt der Gemeinschaft in vier
Kategorien eingeteilt und Anpassungen vorgenommen, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen,
eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten (Randnr. 166 Absätze 2 bis 4 der Entscheidung). Aus
den Randnummern 168 bis 183 der Entscheidung geht hervor, dass bei den vier Kategorien je nach
ihrer Bedeutung Ausgangspunkte von 20 Millionen, 10 Millionen, 5 Millionen und 1 Million ECU für die
Berechnung der Geldbußen gewählt wurden.
509.
Zur Ermittlung der Ausgangspunkte für jede dieser Kategorien hat die Kommission in Beantwortung
einer Frage des Gerichts erläutert, diese Beträge spiegelten die Bedeutung jedes Unternehmens im
Fernwärmesektor unter Berücksichtigung seiner Größe und seines Gewichts im Verhältnis zu ABB und
im Kontext des Kartells wider. Dabei habe sie nicht nur den Umsatz der Unternehmen auf dem
fraglichen Markt, sondern auch die relative Bedeutung berücksichtigt, die die Mitglieder des Kartells
ausweislich der nach Anhang 60 der Mitteilung der Beschwerdepunkte innerhalb des Kartells
vereinbarten Quoten und der nach den Anhängen 169 bis 171 der Mitteilung der Beschwerdepunkte
für 1995 geplanten und erzielten Ergebnisse jedem von ihnen beimäßen.
510.
Zudem hat die Kommission bei jedem Unternehmen die Dauer seiner Beteiligung an der
Zuwiderhandlung, etwaige erschwerende und mildernde Umstände und - gemäß der Mitteilung über
Zusammenarbeit - seine Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren berücksichtigt.
511.
In diesem Zusammenhang kann, erstens, der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass
die den Klägerinnen letztlich auferlegte Geldbuße einen höheren Prozentsatz ihres Gesamtumsatzes
darstellt als die Geldbußen von ABB, Løgstør, Pan-Isovit oder Tarco. Wie oben in den Randnummern
442 bis 446 ausgeführt wurde, ist die Kommission, wenn sie die Höhe von Geldbußen ermittelt, die
wegen einer Zuwiderhandlung festzusetzen sind, an der mehrere Unternehmen beteiligt waren, nicht
verpflichtet, Geldbußen festzusetzen, deren Höhe bei allen Unternehmen dem gleichen Prozentsatz
ihres Umsatzes entspricht.
512.
Soweit sich die Kommission im vorliegenden Fall bei der Bemessung der Geldbußen auf den Umsatz
eines Unternehmens auf dem betreffenden Markt gestützt hat, hat das Gericht im Übrigen bereits
entschieden, dass sie nicht verpflichtet ist, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung
dasVerhältnis zwischen dem Gesamtumsatz eines Unternehmens und dem Umsatz bei den Waren, auf
die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, zu berücksichtigen (Urteil vom 14. Mai 1998, SCA
Holding/Kommission, Randnr. 184). In der vorliegenden Situation, in der sich die Kommission
entschieden hat, bei der Beurteilung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung und insbesondere
bei der Festlegung der Ausgangspunkte für die Berechnung der Geldbußen eine Reihe relevanter
Faktoren zu berücksichtigen, ist sie daher erst recht nicht verpflichtet, den Betrag der Geldbußen
anhand des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen zu ermitteln.
513.
Das Gleiche gilt, zweitens, für das Argument, die gegen die Klägerinnen festgesetzte Geldbuße
benachteilige sie unter Berücksichtigung der Marktanteile gegenüber Pan-Isovit und Tarco.
Angesichts der den Klägerinnen zugeteilten Quote und der nach den Anhängen 60 und 169 bis 171
der Mitteilung der Beschwerdepunkte angestrebten Ergebnisse war die Kommission berechtigt, den
Klägerinnen bei der Festlegung der Ausgangspunkte für die Berechnung der Geldbußen keine
geringere Marktbedeutung zuzumessen als Pan-Isovit und Tarco.
514.
Soweit die Klägerinnen eine Benachteiligung bei der Höhe ihrer Geldbuße aus dem Umfang der
Zusammenarbeit von Pan-Isovit und Tarco ableiten, ist festzustellen, dass die Herabsetzung der
Geldbuße von Tarco um 30 % und der Geldbuße von Pan-Isovit um 20 % deshalb gerechtfertigt ist, weil
die Kommission bei diesen Unternehmen wegen ihres Verhaltens im Verwaltungsverfahren Abschnitt D
der Mitteilung über Zusammenarbeit angewandt hat. Zudem wirft ihnen die Kommission im Gegensatz
zu den Klägerinnen nicht vor, sie in einem wesentlichen Punkt getäuscht zu haben.
515.
Im Übrigen muss nach der Rechtsprechung, selbst wenn man unterstellt, dass die Kommission die
Geldbußen bestimmter Unternehmen in rechtswidriger Weise herabgesetzt hätte, die Beachtung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang
gebracht werden, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen
begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission,
Randnr. 160, und Mayr-Melnhof/Kommission, Randnr. 334).
516.
Dem Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe sich in ihrem Fall, anders als bei Pan-Isovit
und Tarco, auf den Gesamtumsatz gestützt, ist entgegenzuhalten, dass die Kommission bei ihrer
Berechnung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzten Geldbuße nicht den Gesamtumsatz
aller zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften herangezogen hat. Die Kommission hat offenbar
einen Umsatz von etwa 49 500 000 ECU zugrunde gelegt, als sie gemäß Artikel 15 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 17 die Obergrenze von 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung
beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festlegte, denn nach
Randnummer 180 der Entscheidung beträgt der daraus resultierende Endbetrag der Geldbuße 4 950
000 ECU. Es istunstreitig, dass die Kommission dabei einen Umsatz heranzog, der aus der Addition
des in ECU umgerechneten Umsatzes von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen für 1997 nach Abzug ihres untereinander erzielten Umsatzes bestand. Da sich die
Kommission folglich nicht auf einen Betrag stützte, der den Umsatz einer Holdinggesellschaft dieser
drei Unternehmen umfasste, können die Klägerinnen nicht geltend machen, insoweit gegenüber Pan-
Isovit oder Tarco benachteiligt worden zu sein.
517.
Soweit, drittens, die Klägerinnen schließlich vortragen, die Kommission habe Løgstør als
Rechtsnachfolger von Pan-Isovit nicht in Anspruch genommen, während sie dies im Fall der HFB KG
und der HFB GmbH getan habe, genügt der Hinweis, dass die Kommission aus den oben in den
Randnummern 101 bis 107 genannten Gründen einen Rechtsfehler begangen hat, als sie die HFB KG
und die HFB GmbH für die Geldbuße wegen der Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an der
Zuwiderhandlung haftbar machte. Da die Entscheidung somit für nichtig zu erklären ist, soweit sie
diese beiden Gesellschaften betrifft, braucht der Klagegrund eines insoweit begangenen Verstoßes
gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht mehr geprüft zu werden.
518.
Folglich ist der Klagegrund zurückzuweisen.
2. Zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 in Bezug auf die
gesamtschuldnerische Haftung der fünf Klägerinnen
Vorbringen der Parteien
519.
Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe zu Unrecht eine Geldbuße gegen sie als
Gesamtschuldner festgesetzt. Nehme man nicht an, dass es sich bei der Gruppe Henss/Isoplus um
einen Konzern, Quasi-Konzern oder „De-facto-Konzern“ handele, so sei individuell gegen jede einzelne
Klägerin eine Geldbuße zu verhängen. Ihre Situation sei mit der in der Rechtssache Metsä-Serla u.
a./Kommission nicht vergleichbar, in der die klagenden Gesellschaften für das wettbewerbswidrige
Handeln der Unternehmensvereinigung Finnboard verantwortlich gewesen seien, so dass bei jeder
von ihnen ein vorsätzlicher Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag habe festgestellt werden können.
520.
Aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ergebe sich, dass bei der Inanspruchnahme
mehrerer Unternehmen für Geldbußen auch für die gesamtschuldnerische Haftung jedes
mithaftenden Unternehmens die Obergrenze von 10 % des Umsatzes im letzten Geschäftsjahr gelte.
Im vorliegenden Fall sei den Klägerinnen als Gesamtschuldnern die Zahlung eines Betrages auferlegt
worden, der bei jeder von ihnen die 10%-Grenze ihres Umsatzes übersteige. Wenn daher nur eine von
ihnen insolvent werde, bedeute dies zwangsläufig, dass die anderen Unternehmen eine höhere
Geldbuße als 10 % ihres Umsatzes zahlen müssten, was der Intention und dem Wortlaut von Artikel 15
Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 widerspreche. In diesem Zusammenhang sei daraufhinzuweisen, dass
in der Rechtssache Metsä-Serla u. a./Kommission der Betrag der gesamtschuldnerischen Haftung
individuell in unterschiedlicher Höhe für jede Klägerin festgelegt worden sei, so dass bei jeder
einzelnen die Obergrenze eingehalten worden sei.
521.
Die Beklagte trägt vor, die vier Henss/Isoplus-Gesellschaften seien für die Zwecke von Artikel 15 der
Verordnung Nr.17 als einheitliches Unternehmen zu behandeln gewesen, da sie während des
Zeitraums der Zuwiderhandlung unter einheitlicher Leitung daran teilgenommen hätten, ohne dass
nach dem Grad ihrer Beteiligung unterschieden werden könnte. Die Kommission sei daher berechtigt
gewesen, die in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Höchstgrenze auf die kumulierten
Umsätze aller drei zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung verbliebenen Betriebsgesellschaften
anzuwenden und ihnen die Geldbuße gesamtschuldnerisch aufzuerlegen. Die Haftung der HFB KG und
der HFB GmbH leite sich aus derjenigen der Betriebsgesellschaften ab; sie hätten daher als Teil
desselben Unternehmens in den Kreis der Gesamtschuldner einbezogen werden können.
Würdigung durch das Gericht
522.
Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, sie als Gesamtschuldner für die von der Gruppe
Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung haftbar gemacht zu haben.
523.
Da die Entscheidung, wie bereits ausgeführt, insofern einen Rechtsfehler enthält, als die HFB KG
und die HFB GmbH als Gesamtschuldner für die gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzte
Geldbuße haftbar gemacht wurden (siehe oben, Randnrn. 101 bis 108), braucht der vorliegende
Klagegrund nicht mehr geprüft zu werden, soweit er diese beiden Gesellschaften betrifft.
524.
In Bezug auf Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen wurde oben in den
Randnummern 54 bis 68 festgestellt, dass die Handlungen der Gesellschaften Henss Berlin und Henss
Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim) sowie der Gesellschaften Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen im Rahmen des Kartells als das Verhalten einer einzigen wirtschaftlichen Einheit unter
einheitlicher Kontrolle anzusehen sind, die dauerhaft einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, der den
verschiedenen zu ihr gehörenden Gesellschaften gemeinsam ist.
525.
Da Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in Bezug auf ihre
Handlungen im Rahmen des Kartells als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln sind, sind sie
gemeinschaftlich für das ihnen vorgeworfene Verhalten verantwortlich (Urteil des Gerichtshofes vom 6.
März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto chemioterapico und Commercial
Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 41).
526.
Die gesamtschuldnerische Haftung dieser Gesellschaften ist im vorliegenden Fall umso mehr
gerechtfertigt, als es zur Zeit der Zuwiderhandlung keine juristischePerson an der Spitze aller
Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus gab, der als Verantwortlicher für die Tätigkeit der Gruppe
die Zuwiderhandlung hätte zugerechnet werden können. Wie das Gericht entschieden hat, ist die
Kommission in einer Situation, in der es wegen der familienorientierten Zusammensetzung des
Konzerns und der Streuung des Aktienbesitzes unmöglich oder überaus schwierig ist, die juristische
Person zu ermitteln, der an der Spitze des Konzerns als Verantwortlicher für die Koordinierung von
dessen Tätigkeit die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Konzerngesellschaften hätten
zugerechnet werden können, berechtigt, die Tochtergesellschaften gemeinsam für sämtliche
Handlungen des Konzerns haftbar zu machen, um zu verhindern, dass aufgrund der formellen
Trennung dieser Gesellschaften, die sich aus ihrer gesonderten Rechtspersönlichkeit ergibt, ihr
Verhalten auf dem Markt bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht als Einheit angesehen
werden könnte. Es liegt auf der Hand, dass diese Erwägungen, die eine Situation betreffen, in der es
unmöglich oder überaus schwierig war, die juristische Person zu ermitteln, der an der Spitze eines
Konzerns die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Konzerngesellschaften hätten zugerechnet
werden können, erst recht für den Fall gelten, dass es keine solche juristische Person gibt.
527.
Ferner ist nach der Rechtsprechung Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 dahin auszulegen,
dass ein Unternehmen gesamtschuldnerisch mit einem anderen Unternehmen, das vorsätzlich oder
fahrlässig eine Zuwiderhandlung begangen hat, für die Zahlung einer gegen dieses Unternehmen
festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht werden kann, sofern die Kommission im selben Rechtsakt
darlegt, dass die Zuwiderhandlung auch bei dem Unternehmen, das gesamtschuldnerisch für die
Geldbuße haften soll, hätte festgestellt werden können (Urteile Metsä-Serla u. a./Kommission,
Randnrn. 42 bis 45, und Finnboard/Kommission, Randnrn. 27, 28 und 34 bis 38). In der Rechtssache,
die zu den Urteilen Metsä-Serla u. a./Kommission und Finnboard/Kommission führte, ging es um die
Wirtschaftsvereinigung Finnboard, gegen die eine Geldbuße festgesetzt worden war, für die die
Mitgliedsunternehmen der Vereinigung gesamtschuldnerisch hafteten. Insoweit vertrat der
Gemeinschaftsrichter die Auffassung, dass die Kommission berechtigt war, alle Klägerinnen
gesamtschuldnerisch mit Finnboard haftbar zu machen, da die wirtschaftlichen und rechtlichen
Bindungen zwischen den betreffenden Unternehmen so ausgestaltet waren, dass Finnboard nur als
ihr Hilfsorgan handelte, ihre Weisungen zu befolgen hatte und sich auf dem Markt nicht unabhängig
von ihnen verhalten konnte, so dass Finnboard de facto mit jedem ihrer Mitgliedsunternehmen eine
wirtschaftliche Einheit bildete (Urteil Metsä-Serla u. a./Kommission, Randnrn. 58 und 59). Im
vorliegenden Fall handelten die Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen als Hilfsorgane für den faktischen Konzern Henss/Isoplus, hatten die Weisungen ihrer
einheitlichen Leitung zu befolgen und konnten sich auf dem Markt nicht unabhängig verhalten. Es
steht außer Frage, dass unter solchen Umständen jede dieser Gesellschaften gesamtschuldnerisch
für die festgestellte Zuwiderhandlung der Gruppe Henss/Isoplus haftbar gemacht werden kann, bei
deres sich um das Unternehmen handelt, das die Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag
begangen hat.
528.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bedeutet der Umstand, dass mehrere Unternehmen
gesamtschuldnerisch für eine Geldbuße haftbar gemacht werden, hinsichtlich der Anwendung der in
Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Obergrenze von 10 % des Umsatzes nicht,
dass die Geldbuße für die gesamtschuldnerisch haftenden Unternehmen auf 10 % ihres jeweiligen
Umsatzes im letzten Geschäftsjahr beschränkt wäre. Die in dieser Bestimmung festgelegte Obergrenze
von 10 % des Umsatzes ist anhand des gesamten Umsatzes aller Gesellschaften zu ermitteln, aus
denen die als „Unternehmen“ im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag auftretende wirtschaftliche Einheit
besteht.
529.
Nach der Rechtsprechung zu Zuwiderhandlungen von Unternehmensvereinigungen ist die in Artikel
15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze von 10 % des Umsatzes gegebenenfalls
anhand der Umsätze aller Unternehmen zu berechnen, die Mitglieder der Unternehmensvereinigung
sind, jedenfalls soweit die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann (Urteil CB
und Europay/Kommission, Randnr. 136, und Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der
Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 385). Eine solche Auslegung ist
nach Ansicht des Gerichts deshalb gerechtfertigt, weil bei der Festsetzung der Geldbußen u. a. dem
Einfluss Rechnung getragen werden kann, den eine Unternehmensvereinigung auf dem Markt
ausüben konnte, und dieser vom Umsatz ihrer Mitglieder abhängt, der anders als ihr eigener „Umsatz“
ihre Größe und ihre Wirtschaftskraft widerspiegelt (Urteile CB und Europay/Kommission, Randnr. 137,
und SPO u. a./Kommission, Randnr. 385). Ebenso kann im Fall eines „Unternehmens“, das aus einer
als wirtschaftliche Einheit auftretenden Gruppe von Gesellschaften besteht, nur der Gesamtumsatz
aller zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften die Größe und die Wirtschaftskraft des fraglichen
Unternehmens widerspiegeln.
530.
So hat das Gericht eine Entscheidung der Kommission gebilligt, mit der sie zwei
Schwesterunternehmen gesamtschuldnerisch eine Geldbuße wegen einer Zuwiderhandlung auferlegt
und dabei deren Gesamtumsatz herangezogen hatte.
531.
Insoweit verlangen die Klägerinnen zu Unrecht, in ihrem Fall die in der Rechtssache Metsä-Serla u.
a./Kommission gewählte Lösung anzuwenden, nach der jede Klägerin in Höhe eines bestimmten
Betrages für die gegen die Unternehmensvereinigung festgesetzte Geldbuße haftbar gemacht wurde.
Diese Lösung hing damit zusammen, dass die Vereinigung Finnboard mit jedem einzelnen ihrer
Mitgliedsunternehmen eine wirtschaftliche Einheit bildete. Im vorliegenden Fall handelt es sich
dagegen um nur eine wirtschaftliche Einheit, zu der die Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen gehören.
532.
Aus diesen Gründen ist die Rüge in Bezug auf die gesamtschuldnerische Haftung von Isoplus
Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen zurückzuweisen.
3. Zur fehlerhaften Beurteilung des Umsatzes der betroffenen Unternehmen
Vorbringen der Parteien
533.
Die Klägerinnen führen aus, die Kommission hätte, als sie die Geldbuße angepasst habe, damit
diese die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze von 10 % des Umsatzes
nicht übersteige, nicht von einem Gesamtumsatz der Gruppe Henss/Isoplus von 49 500 000 ECU für
1997 ausgehen dürfen. Sie hätte vielmehr von 49 055 000 ECU ausgehen müssen, da dies der um die
internen Umsätze bereinigte Gesamtumsatz von Isoplus Hohenberg, Isoplus Sondershausen und
Isoplus Rosenheim sei. Die Kommission sei folglich nur zur Verhängung einer Geldbuße von 4 905 000
ECU berechtigt gewesen.
534.
Dabei sei als Umrechnungskurs der von der Europäischen Zentralbank im Mai 1998 für den ECU
und den Euro ab 1. Januar 1999 endgültig festgelegte Kurs zugrunde gelegt worden.
535.
Im Übrigen könne die Kommission die Geldbuße von 4 950 000 ECU nicht damit rechtfertigen, dass
bei der Berechnung des Gesamtumsatzes der Gruppe Henss/Isoplus auch der Umsatz bei
Stahlmantelrohren zu berücksichtigen sei. Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 könnten
nämlich Umsätze mit einem anderen Produkt, das für einen anderen als den Markt bestimmt sei, auf
dem die Zuwiderhandlung begangen worden sei, im vorliegenden Fall nicht in die Berechnung des
Gesamtumsatzes der Gruppe Henss/Isoplus einfließen.
536.
Die Beklagte hält das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Geldbuße um 45 000 ECU zu hoch
ausgefallen sei, für unbegründet. Zum einen verwendeten sie nicht den geeigneten
Umrechnungskurs, d. h. den mittleren Umrechnungskurs zwischen Landeswährung und ECU für das
Referenzjahr 1997. Zum anderen hätten sie bei Isoplus Rosenheim nicht nur die Umsätze mit
Kunststoffmantelrohren, sondern auch die in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 angesprochenen
Gesamtumsätze ohne Unterscheidung nach Produktkategorien berücksichtigen müssen.
Würdigung durch das Gericht
537.
Bei der Herabsetzung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzten Geldbuße auf die in Artikel
15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze ist die Kommission von einem Umsatz von
etwa 49 500 000 ECU ausgegangen.
538.
Sie hat in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt, dabei habe sie sich auf den gesamten von den
Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen 1997 erzielten
Umsatz abzüglich der internen Verkäufegestützt, wie er von diesen Gesellschaften im
Verwaltungsverfahren mitgeteilt worden sei. Ferner hat sie dort erläutert, dass diese in
Landeswährung angegebenen Zahlen anhand des mittleren Umrechnungskurses zwischen
Landeswährung und ECU für das Referenzjahr 1997 in ECU umgerechnet worden seien.
539.
Der in der Entscheidung als Gesamtumsatz aller drei Gesellschaften herangezogene Betrag
entspricht der Summe, die sich nach der von der Kommission geschilderten Methode aus den von den
Klägerinnen übermittelten Zahlen ergibt.
540.
Insoweit können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, sich auf den Gesamtumsatz von
Isoplus Rosenheim gestützt zu haben, statt sich auf den Umsatz mit vorgedämmten Rohren für den
Fernwärmemarkt zu beschränken.
541.
Nach ständiger Rechtsprechung ist unter dem Umsatz, auf den sich Artikel 15 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 17 zur Bestimmung der Obergrenze, bis zu der gegen ein Unternehmen eine Geldbuße
verhängt werden kann, bezieht, der Gesamtumsatz des Unternehmens zu verstehen, da nur dieser
einen ungefähren Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss dieses Unternehmens auf den Markt
liefern kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 119, Urteile des Gerichts
vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 376, und
vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr.
160). Innerhalb der durch diese Bestimmung gezogenen Grenze kann die Kommission den Umsatz, den
sie hinsichtlich des geographischen Gebietes und der betroffenen Produkte als
Bemessungsgrundlage für die Geldbuße heranziehen will, frei wählen.
542.
Bei der Umrechnung der in Landeswährung angegebenen Zahlen in Ecu war die Kommission
berechtigt, den mittleren Umrechnungskurs zwischen Landeswährung und Ecu für das Referenzjahr
1997 anzuwenden.
543.
Wie das Gericht entschieden hat, kann die Kommission, wenn sie den in nationaler Währung
ausgedrückten Umsatz eines bestimmten Referenzjahrs als Grundlage für die Geldbuße gewählt hat,
diesen Umsatz zum mittleren Wechselkurs des Referenzjahrs und nicht zu dem Wechselkurs, der am
Tag des Erlasses der Entscheidung galt, in Ecu umrechnen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in
der Rechtssache T-348/94, Enso Española/Kommission, Slg. 1998, II-1875, Randnrn. 336 bis 341).
544.
Aus diesen Gründen ist die Rüge einer fehlerhaften Beurteilung des Umsatzes zurückzuweisen.
4. Zur Verletzung der Verteidigungsrechte bei der Beurteilung erschwerender Umstände
Vorbringen der Parteien
545.
Die Klägerinnen machen bezüglich der in Randnummer 179 der Entscheidung genannten
erschwerenden Umstände geltend, die Kommission habe das Grundrecht auf Verteidigung verletzt, da
sie der Gruppe Henss/Isoplus „den systematischen Versuch, die Kommission hinsichtlich der
tatsächlichen Beziehungen zwischen den Unternehmen der Gruppe zu täuschen“, zur Last gelegt und
ihn als „eine bewusste Behinderung der Untersuchungen der Kommission“ eingestuft habe.
546.
Im Rahmen eines Verfahrens zur Festsetzung von Geldbußen, in dem sich die Frage der Existenz
eines Konzerns, Quasi-Konzerns oder faktischen Konzerns stelle, gehöre es zum Recht auf
Verteidigung, verschiedene gesellschaftsrechtliche Verhältnisse und Verflechtungen zu bestreiten
sowie streng vertrauliche Treuhandverhältnisse nicht aufzudecken. Das Wesen der Treuhandschaft
bedeute nämlich, dass der Treugeber nur bestimmten Behörden wie Finanzbehörden und
Nationalbanken offen zu legen sei, nicht aber Dritten einschließlich sonstiger Behörden und Gerichte,
da in der Geheimhaltung gegenüber Dritten in zahlreichen Fällen gerade die Ursache für die
Begründung von Treuhandverhältnissen liege. Die Klägerinnen hätten daher ihre Rechtsvertreter an
die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Berufsrechts der Rechtsanwälte binden
müssen. Dass dieses Verhalten bei der Bemessung der Geldbuße als erschwerender Umstand
gewertet worden sei, verletze somit das Grundrecht auf Verteidigung.
547.
Entgegen der Auffassung der Kommission bestehe sehr wohl ein legitimes Interesse an der
Geheimhaltung der Treuhandverhältnisse und damit des Mehrheitsgesellschafters von Isoplus
Hohenberg und teilweise auch von Isoplus Sondershausen. Aus den Gründen, die Herr Henss der
Kommission in einem vertraulichen Gespräch am 3. März 1998 bereits dargelegt und mit Schreiben
vom 4. März 1998 bestätigt habe, hätten die Klägerinnen mit ihrem Verhalten nur ihre
Verteidigungsrechte ausgeübt.
548.
Zur Behauptung der Kommission, „das Unternehmen [hätte] einer angemessenen Geldbuße
entgehen und/oder ihre Einziehung erschweren können“, wenn die bewusste Behinderung Erfolg
gehabt hätte, sei festzustellen, dass auch bei Offenlegung der Treuhandverhältnisse verschiedene
Rechtsfragen in Bezug auf die Einstufung der Gruppe Henss/Isoplus als Konzern, Quasi-Konzern oder
faktischer Konzern und damit als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag in einem
Verwaltungsverfahren hätten geklärt werden müssen. Insoweit gehöre es unstreitig zum Recht der
Verteidigung, eine andere Rechtsposition als die Kommission zu vertreten.
549.
Die Kommission behaupte ferner zu Unrecht, dass es zu einer erheblichen Herabsetzung der
Geldbuße hätte kommen können, wenn der Auffassung der Klägerinnen gefolgt worden wäre.
Aufgrund der von der Kommission zugrunde gelegten Annahme, dass die Gruppe Henss/Isoplus ein
Konzern oder ein faktischer Konzern gewesen sei, seien bei der Ermittlung des Umsatzes
alsBemessungsgrundlage für die Geldbuße die internen Umsätze zwischen den Mitgliedern der Gruppe
ausgeschieden. Wie bereits ausgeführt, hätten 49 055 000 ECU als konsolidierter Umsatz von
Henss/Isoplus für das Referenzjahr 1997 angesetzt werden müssen. Gehe man dagegen davon aus,
dass die Gruppe Henss/Isoplus als solche nicht bestanden habe, sei insoweit der Umsatz jedes
einzelnen Unternehmens heranzuziehen, einschließlich der Umsätze zwischen den Klägerinnen, zu
denen insbesondere die Umsätze von Isoplus Rosenheim als Vertriebsunternehmen oder
Handelsvertreter gehörten. Im letztgenannten Fall würden sich die Bemessungsgrundlagen für die
Ermittlung der Geldbußen im Ergebnis nur geringfügig ändern. Dann wären nämlich zu den Umsätzen
von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen die Provisionen und Deckungsbeiträge
hinzuzurechnen, die bei Isoplus Rosenheim als Handelsvertreter verblieben seien, so dass sich ein
Gesamtumsatz von etwa 46 000 000 ECU ergeben würde.
550.
Schließlich hätte, wenn das Vorliegen eines Konzerns verneint, aber entgegen der Ansicht der
Klägerinnen davon ausgegangen würde, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Isoplus Hohenberg
und Isoplus Sondershausen einerseits und Isoplus Rosenheim andererseits keine reinen
Handelsvertreterbeziehungen gewesen seien, zum Gesamtumsatz als Bemessungsgrundlage für die
Geldbuße der Umsatz von Isoplus Rosenheim hinzukommen müssen. In diesem Fall hätten die Umsätze
von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen insgesamt - also nicht
konsolidiert und um interne Umsätze bereinigt - rund 68 000 000 ECU betragen.
551.
Diese Überlegungen zeigten, dass die Geheimhaltung von Treuhandverhältnissen sowie der
Umstand, dass die Klägerinnen die Einstufung der Henss- und Isoplus-Gesellschaften als Konzern,
Quasi-Konzern oder faktischer Konzern bestritten, nichts mit einer Täuschung zum Zweck der
Geldbußenermäßigung zu tun hätten.
552.
Die Beklagte führt aus, sie sei von den Rechtsvertretern der Henss-Gesellschaften und der Isoplus-
Gesellschaften bewusst über die bedeutsame Frage getäuscht worden, ob Herr Henss auch die
Isoplus-Gesellschaften kontrolliert habe. Das Täuschungsmanöver der Klägerinnen habe auch nichts
mit der Wahrnehmung von Verteidigungsrechten zu tun gehabt. Im Übrigen bedeute die nach der
Verordnung Nr. 17 bestehende Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsverlangen keinen Verstoß
gegen die Verteidigungsrechte. Dies gelte umso mehr, als das Täuschungsmanöver nicht in erster
Linie die Existenz des Verstoßes, sondern die Bemessungsgrundlage für die Geldbuße betroffen habe.
553.
Bezüglich der Vertraulichkeit der Treuhandverhältnisse ergebe sich aus den von den Klägerinnen
angeführten Umständen nicht, dass ein legitimes Interesse daran bestanden habe, die von der
Kommission gewünschten Informationen nicht preiszugeben. Die Kommission sei jedenfalls nach Artikel
20 der VerordnungNr. 17 verpflichtet, legitime Geheimhaltungsinteressen und insbesondere
Geschäftsgeheimnisse zu wahren.
554.
Zu der Frage, inwiefern durch die Täuschung der Kommission eine wesentliche Ermäßigung der
Geldbuße erreicht werden sollte, sei festzustellen, dass die Geldbuße auch unter Berücksichtigung
bestimmter interner Verkäufe zwischen den Klägerinnen geringer als die tatsächliche Geldbuße
ausgefallen wäre.
Würdigung durch das Gericht
555.
Die Kommission hat der Gruppe Henss/Isoplus „den systematischen Versuch, die Kommission
hinsichtlich der tatsächlichen Beziehungen zwischen den Unternehmen der Gruppe zu täuschen“, als
erschwerenden Umstand zur Last gelegt, der zusammen mit der bewussten Fortführung des Kartells
nach Abschluss der Untersuchung und der führenden Rolle bei der Durchsetzung des Kartells dazu
führte, dass die Geldbuße der zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften um 30 % erhöht wurde
(Randnr. 179 Absatz 3 der Entscheidung).
556.
Hierzu ist festzustellen, dass sich einige Informationen, die die Klägerinnen hinsichtlich der
Anteilseigner der von der Kommission zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Gesellschaften und
hinsichtlich der Verflechtungen in Bezug auf das Eigentum an diesen Gesellschaften übermittelten, als
unzutreffend erwiesen haben.
557.
Erstens teilte Isoplus Hohenberg im Anschluss an das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996, in
dem die Kommission sie um nähere Angaben zu den Treffen mit Konkurrenzunternehmen und
insbesondere zu Namen, Unternehmen und Funktion der Teilnehmer an diesen Treffen bat, mit, Herr
Henss habe die Isoplus-Gesellschaften bei diesen Treffen nur aufgrund einer Bevollmächtigung durch
sie vertreten (ergänzende Antwort von Isoplus Hohenberg vom 10. Oktober 1996, im Folgenden:
ergänzende Antwort von Isoplus Hohenberg). Sodann bestritten Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 30. Juni 1997
ausdrücklich, dass die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften einen Konzern oder miteinander
verbundene Unternehmen unter der Leitung oder Kontrolle von Herrn Henss bildeten, und machten
geltend, es gebe in den Akten keinen Beweis dafür, dass Herr Henss Isoplus Hohenberg oder die mit
ihr verbundenen Gesellschaften selbst oder auch nur über einen Bevollmächtigten kontrolliert habe.
Wie die Klägerinnen vor dem Gericht eingeräumt haben, hat sich aber herausgestellt, dass Herr Henss
zumindest ab Oktober 1991 die Mehrheit der Anteile an Isoplus Hohenberg besaß, bis er diese durch
den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 an die HFB KG abtrat. Er hielt folglich während dieser
Zeit eine indirekte Beteiligung an Isoplus Sondershausen und nahm daher auch als Eigentümer von
Isoplus Hohenberg und, indirekt, von Isoplus Sondershausen an den Kartelltreffen teil.
558.
Zweitens hat Isoplus Hohenberg in ihrer ergänzenden Antwort vorgetragen, sie habe 100 % des
Kapitals von Isoplus Sondershausen gehalten; dies wurde vonIsoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt. Diese
Angabe hat sich aber als unzutreffend erwiesen, denn zum einen hat die Kommission durch den
Einbringungsvertrag erfahren, dass Isoplus Hohenberg ein Drittel des Stammkapitals von Isoplus
Sondershausen als Treuhänder für Herrn und Frau Papsdorf hielt, die es im Einbringungsvertrag an
die HFB KG abtraten, und zum anderen führen die Klägerinnen in ihrem Schriftsätzen an das Gericht
aus, dass Isoplus Hohenberg ein weiteres Drittel dieses Stammkapitals ebenfalls treuhänderisch
gehalten habe.
559.
Entgegen der Behauptung der Klägerinnen kann ihr Verhalten während des Verwaltungsverfahrens
nicht als bloße Ausübung des Rechts angesehen werden, sich gegen die Einstufung der Henss- und
Isoplus-Gesellschaften als „Konzern“ durch die Kommission zu wehren.
560.
Zunächst ist festzustellen, dass sich die Klägerinnen während des Verwaltungsverfahrens nicht
darauf beschränkt haben, gegen die Beurteilung des Sachverhalts und die Rechtsauffassung der
Kommission vorzugehen, sondern ihr in ihren Antworten auf Auskunftsverlangen und ihren
Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte unvollständige und teilweise unzutreffende
Auskünfte gegeben haben.
561.
Die Verordnung Nr. 17 verpflichtet ein Unternehmen, auf das sich eine Untersuchungsmaßnahme
bezieht, zur aktiven Mitwirkung, aufgrund deren es alle den Gegenstand der Untersuchung
betreffenden Informationen für die Kommission bereithalten muss (Urteil des Gerichtshofes vom 18.
Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 27; Urteil des
Gerichts vom 8. März 1995 in der Rechtssache T-34/93, Société Générale/Kommission, Slg. 1995, II-
545, Randnr. 72). Es steht den Unternehmen zwar frei, auf Fragen, die ihnen gemäß Artikel 11 Absatz
1 der Verordnung Nr. 17 gestellt werden, zu antworten oder nicht; aus der in Artikel 15 Absatz 1
Buchstabe b erste Alternative der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Sanktion ergibt sich jedoch, dass
Unternehmen, die sich zur Beantwortung bereit erklärt haben, zutreffende Auskünfte geben müssen.
562.
Ferner können sich die Klägerinnen nicht auf den vertraulichen Charakter der Treuhandverhältnisse
unter den Anteilseignern von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen berufen, denn nach
Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ist die Kommission verpflichtet, Kenntnisse nicht
preiszugeben, die sie bei Anwendung dieser Verordnung erlangt hat und die ihrem Wesen nach unter
das Berufsgeheimnis fallen. Des Weiteren dürfen nach Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 die
bei Anwendung der Artikel 11, 12, 13 und 14 erlangten Kenntnisse nur zu dem mit der Auskunft oder
Nachprüfung verfolgten Zweck verwertet werden. Angesichts der Pflicht der Kommission, die unter das
Berufsgeheimnis fallenden Informationen vertraulich zu behandeln, konnte dieVertraulichkeit der
Identität der Treugeber im Rahmen von Treuhandverhältnissen das Verhalten der Klägerinnen nicht
rechtfertigen. Im Übrigen ist es nicht ausgeschlossen, dass die von Herrn Henss über die Isoplus-
Gesellschaften tatsächlich ausgeübte Kontrolle und die Verflechtungen zwischen ihnen der
Kommission hätten mitgeteilt werden können, ohne die Identität der als Treugeber im Rahmen von
Treuhandverhältnissen handelnden Dritten aufdecken zu müssen.
563.
Da Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen wissen mussten, dass die der Kommission
vorenthaltenen Auskünfte zur Beurteilung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen den
Gesellschaften erforderlich waren, die die Kommission ab ihrem Auskunftsverlangen vom 13. März
1996 als einen Konzern („Henss-Gruppe“) behandelt hatte, war die Kommission berechtigt, das
Verhalten der Klägerinnen als „systematischen Versuch, die Kommission hinsichtlich der tatsächlichen
Beziehungen zwischen den Unternehmen der Gruppe zu täuschen“, und als „bewusste Behinderung
der Untersuchungen der Kommission“ einzustufen. Dass es sich um ein vorsätzliches Verhalten
handelte, wird dadurch bestätigt, dass der mit der Verteidigung von Isoplus Hohenberg und Isoplus
Sondershausen betraute Rechtsanwalt wusste, dass die im Verwaltungsverfahren gemachten
Angaben unzutreffend waren, da er selbst, wie die Klägerinnen einräumen, im Rahmen der
Treuhandverhältnisse als Bevollmächtigter tätig war.
564.
Zu der Erwägung, „das Unternehmen [hätte] einer angemessenen Geldbuße entgehen und/oder
ihre Einziehung erschweren können“, wenn die bewusste Behinderung Erfolg gehabt hätte, genügt
der Hinweis, dass die von Herrn Henss über die Henss- und Isoplus-Gesellschaften ausgeübte
Kontrolle einen Faktor darstellt, der unter den Umständen des vorliegenden Falles zu dem Schluss
führte, dass die Handlungen dieser Gesellschaften als das Verhalten eines faktischen Konzerns
„Henss/Isoplus“ anzusehen sind, für das die Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg
und Isoplus Sondershausen gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden können. Folglich lässt sich
- ohne dass geprüft werden muss, in welchem Fall die Geldbuße höher ausgefallen wäre - nicht
ausschließen, dass die Kommission nicht zu der tatsächlich festgesetzten Geldbuße hätte kommen
können, wenn es keinen Beweis dafür gegeben hätte, dass Herr Henss Isoplus Hohenberg und damit
teilweise auch Isoplus Sondershausen kontrollierte, was die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren
ausdrücklich bestritten hatten.
565.
Folglich ist die Rüge einer Verletzung der Verteidigungsrechte bei der Beurteilung erschwerender
Umstände zurückzuweisen.
5. Zur Rolle der Klägerinnen im Kartell als erschwerender Umstand
Vorbringen der Parteien
566.
Die Klägerinnen beanstanden, dass die Kommission als erschwerenden Umstand zu Lasten von
Henss/Isoplus „die von diesem Unternehmen bei der Durchsetzung des Kartells gespielte führende
Rolle“ angesehen habe. In diesem Zusammenhangwenden sie sich gegen die Behauptungen der
Kommission in den Randnummern 75, 121 und 144 der Entscheidung.
567.
Die Tätigkeit von Henss Rosenheim und Herrn Henss im Zusammenhang mit ABB sei vor allem im
Zeitraum von Oktober 1991 bis Oktober 1994 unter dem Blickwinkel ihrer Eigenschaft als
Handelsvertreter von ABB Isolrohr und der damit verbundenen vertraglichen Verpflichtungen zu sehen.
568.
Dem Vorwurf, Henss sei „einer der eifrigsten Verfechter der Vereinbarungen zur Marktaufteilung
und Manipulation der Bietverfahren“ gewesen, sei entgegenzuhalten, dass es den Klägerinnen bei
verschiedenen Projekten gelungen sei, anstelle des favorisierten Unternehmens den Auftrag zu
erhalten. In diesen Fällen habe das betreffende Unternehmen - z. B. Tarco - den Klägerinnen und vor
allem Herrn Henss heftige Vorwürfe gemacht. Daher sei es normal, dass Tarco, wenn sie den
favorisierten Klägerinnen Aufträge weggenommen habe, ihrerseits mit Vorwürfen konfrontiert worden
sei. Die Kommission selbst habe in diesem Zusammenhang anerkannt, dass nach den
Vergleichstabellen der Marktanteile der Kartellteilnehmer für Dezember 1995 Tarco und Løgstør zu
Lasten von ABB, der Gruppe Henss/Isoplus und KWH einen erheblich größeren als den vereinbarten
Marktanteil erlangt hätten. Dies zeige, dass die Gruppe Henss/Isoplus und die Klägerinnen sicherlich
keine führende Rolle gespielt hätten.
569.
Auch im Rahmen der Maßnahmen gegen Powerpipe hätten die Klägerinnen keine führende Rolle bei
der Umsetzung des Kartells gespielt. Sie hätten sich nicht an der langfristigen Strategie zur Kontrolle
des Marktes und zur Ausschaltung von Powerpipe beteiligt, die ABB seit 1992 verfolgt habe und an der
Løgstør durch Mitwirkung an der Abwerbung von Mitarbeitern von Powerpipe teilgenommen habe. Die
Klägerinnen seien nie auf dem schwedischen Markt präsent gewesen und erstmals Anfang 1993 auf
dem dänischen Markt aufgetreten, während Powerpipe ihre Aktivitäten erst 1994 auf Deutschland
ausgedehnt habe. Im Zusammenhang mit dem Projekt in Leipzig-Lippendorf habe weder Isoplus
Rosenheim noch Herr Henss je Boykottmaßnahmen gegen Powerpipe verlangt.
570.
An Sanktionen wegen Nichteinhaltung der im Rahmen des europaweiten Kartells getroffenen
Absprachen seien die Klägerinnen nie beteiligt gewesen. Aus Anlage 7 zur Stellungnahme von Løgstør
zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem dazu von ABB vorgelegten Plan ergebe sich, dass der
Gedanke von Sanktionen im europaweiten Kartell weder von den Klägerinnen noch von Herrn Henss
gestammt habe.
571.
Die als „EU-Liste“, „Euro-Liste“ oder „Europa-Preisliste“ bezeichneten gemeinsamen Preislisten
seien zwar nach dem Zustandekommen des europaweiten Kartells auch von den Klägerinnen
verwendet worden, aber nicht von ihnen oder von Herrn Henss ausgearbeitet worden. Die Angaben
von Løgstør hierzu seien nicht glaubwürdig.
572.
Außerdem weise die Kommission in ihrer Entscheidung darauf hin, dass ABB Anführer und
Haupttriebfeder des Kartells gewesen und von Løgstør bei der Planung und Durchführung der
Kartellstrategie aktiv unterstützt worden sei; diese beiden Unternehmen hätten sich aktiv am Boykott
von Powerpipe beteiligt und Druck auf ihre Lieferanten ausgeübt, damit diese Powerpipe nicht
belieferten.
573.
Gegen eine führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus sprächen auch ihr europaweiter Rang bei den
Marktanteilen sowie die Tatsache, dass sie erst im August 1995 in den EuHP aufgenommen worden
sei. In Bezug auf die Marktposition von Henss/Isoplus zeigten die Zahlen in den Randnummern 10 bis
15 der Entscheidung, dass die Gruppe Henss/Isoplus im maßgeblichen Zeitraum nach Marktanteilen
höchstens die fünftgrößte Gruppe nach ABB, Løgstør, Tarco und Pan-Isovit gewesen sei, und dies nur,
wenn die Klägerinnen als wirtschaftliche Einheit betrachtet würden.
574.
Die Beklagte trägt vor, die führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus ergebe sich insbesondere aus
ihren Aktivitäten bei der Durchsetzung der vereinbarten Aufteilung der Projekte, aber auch bei der
Ausarbeitung der kollusiven Preislisten und eines Systems von Sanktionen sowie bei dem Vorgehen
gegen Powerpipe. Die Argumente der Klägerinnen zu diesem Punkt wiederholten im Wesentlichen
früheres Vorbringen.
575.
Es treffe nicht zu, dass ein Handelsvertreter in einem Herstellerkartell keine führende Rolle spielen
könne. Die führende Rolle sei der Gruppe Henss/Isoplus insgesamt zugekommen, die im Rahmen der
Absprachen zur Marktaufteilung im Rahmen des europaweiten Kartells immerhin 10 % des
europäischen Marktes und damit den höchsten Anteil nach ABB und Løgstør erhalten habe. Insoweit
seien auch die Quotenabsprachen für den deutschen Markt zu berücksichtigen. Die Kommission habe
die führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus jedenfalls nicht aus deren Marktstellung abgeleitet,
sondern aus deren Verhalten im Rahmen des Kartells. Schließlich sei die führende Rolle der Gruppe
Henss/Isoplus nicht aus den Vorgängen beim Boykott in Zusammenhang mit dem Projekt in Leipzig-
Lippendorf abgeleitet worden; sie sei jedoch bei anderen, in den Randnummern 94 bis 97 und 106 der
Entscheidung beschriebenen Maßnahmen gegen Powerpipe deutlich geworden. Die Randnummern
121 und 179 der Entscheidung bezögen sich auf die Durchsetzung des Kartells und insbesondere auf
die Maßnahmen gegen Powerpipe.
Würdigung durch das Gericht
576.
Nach Randnummer 179 der Entscheidung gehört die von der Gruppe Henss/Isoplus bei der
Durchsetzung des Kartells gespielte führende Rolle zu den erschwerenden Umständen, auf deren
Grundlage die gegen sie festgesetzte Geldbuße um 30 % erhöht wurde.
577.
Hierzu ergibt sich aus den Akten, dass die Gruppe Henss/Isoplus, unabhängig von ihrem
Marktanteil, aktiv die Einhaltung der im Rahmen des Kartells getroffenenAbsprachen überwachte; dies
wird durch die in Randnummer 75 der Entscheidung beschriebenen Anhänge 86, 87, 88, 89, 92 und
93 der Mitteilung der Beschwerdepunkte belegt und durch die Erklärungen von Tarco (Antworten vom
26. April 1996 und vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996) und von Løgstør
(Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt. Für die Behauptung, Tarco habe
damals genauso gehandelt wie die Gruppe Henss/Isoplus, als diese den Zuschlag für ein Tarco
zugedachtes Projekt erhalten habe, erbringen die Klägerinnen keinerlei Beweis.
578.
Auch wenn die Gruppe Henss/Isoplus die Preislisten nicht erstellt hat, wird ihre Rolle als Initiator -
neben ABB - der Preisabsprachen für den deutschen Markt nicht nur durch Løgstør in ihrer
Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, sondern auch durch Tarco (Antwort vom 26.
April 1996) und durch das Telefax des Executive Vice President von ABB vom 28. Juni 1994 (Anhang X8
der Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, in dem geschildert wird, welche Schritte dieser
unternommen hat, damit der Koordinator des Kartells und Herr Henss die Weisungen des
Geschäftsführers von ABB IC Møller befolgen. Außerdem wurde Herr Henss nach Angaben von Brugg
zur Teilnahme am Kartell aufgefordert (Antwort von Brugg). Zu den Maßnahmen gegen Powerpipe ist
oben in den Randnummern 261 bis 286 bereits ausgeführt worden, dass die Kommission
ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass die Gruppe Henss/Isoplus ab dem Zeitpunkt, zu dem
Powerpipe auf dem deutschen Markt tätig zu werden begann, insbesondere bei der Abgabe von
Angeboten für die Projekte in Neubrandenburg und Leipzig-Lippendorf, eine aktive Rolle spielte.
579.
Wie oben in den Randnummern 168 bis 172 und 179 ausgeführt wurde, kann weder die Funktion
von Henss Rosenheim als Handelsvertreter noch die Tatsache, dass keine der Gesellschaften der
Gruppe Henss/Isoplus vor Sommer 1995 dem EuHP angehörte, ein anderes Licht auf die Rolle der
Gruppe Henss/Isoplus innerhalb des Kartells werfen, wie sie sich aus allen Feststellungen der
Kommission ergibt.
580.
Schließlich hat auch der Umstand, dass sowohl ABB als auch Løgstør die Anführer des Kartells
gewesen sein sollen, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Schlussfolgerungen der
Kommission, da die Geldbuße von ABB jedenfalls wegen deren Rolle im Kartell um 50 % und auch die
Geldbuße von Løgstør um 30 % erhöht wurden, obwohl Løgstør keine versuchte Behinderung der
Untersuchung der Kommission zur Last gelegt wurde.
581.
Unter diesen Umständen hat die Kommission die führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus bei der
Durchsetzung des Kartells zu Recht als erschwerenden Umstand berücksichtigt.
582.
Dieser Teil des vierten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
6. Zur Nichtberücksichtigung mildernder Umstände
Vorbringen der Parteien
583.
Die Klägerinnen machen Umstände geltend, die ihres Erachtens von der Kommission hätten
berücksichtigt werden müssen oder die jedenfalls das Gericht im Hinblick auf eine Herabsetzung der
Geldbuße auch dann zu berücksichtigen habe, wenn die an anderen Stellen der Klageschrift geltend
gemachten Klagegründe, die auf diesen Umständen beruhten, zurückgewiesen werden sollten.
584.
Erstens sei bei der Beurteilung der Auswirkungen des Kartells zu berücksichtigen, dass die Preise
für vorisolierte Fernwärmerohre auf dem europäischen Markt im Zeitraum von 1990 bis 1994 außer in
Dänemark ständig gefallen seien. Dieses niedrige Preisniveau habe bei zahlreichen Unternehmen zu
großen Verlusten geführt. Die nach Beginn des europaweiten Kartells erfolgte Preiserhöhung sei nicht
dramatisch gewesen, so dass aus der Sicht der Abnehmer der fraglichen Erzeugnisse kein echter
Schaden entstanden sei. Überdies seien die Klägerinnen auf Märkten tätig gewesen, auf denen es bis
1994 keine Preiserhöhung gegeben habe. Auch 1995 und Anfang 1996 hätten die Kunden der
Hersteller und Vertriebsorganisationen von vorisolierten Fernwärmerohren angemessene und seriöse
Preise erhalten, die keinesfalls überhöht gewesen seien.
585.
Zweitens sei zu berücksichtigen, dass das Auftreten der Klägerinnen auf dem dänischen Markt
Anfang 1993 zusammen mit anderen Umständen bewirkt habe, dass das dänische Kartell
zusammengebrochen sei und die von 1993 bis Anfang 1994 getroffenen Kartellvereinbarungen
teilweise ausgesetzt worden seien.
586.
Drittens sei Henss Rosenheim (nunmehr Isoplus Rosenheim) damals als Handelsvertreter für ABB
Isolrohr tätig gewesen. Von Oktober 1991 bis Oktober 1994 sei daher das Verhalten von Henss
Rosenheim zumindest teilweise dem ABB-Konzern zuzurechnen. Da der ABB-Konzern ebenfalls eine
Geldbuße erhalten habe, sei dies im Hinblick auf das Verbot der doppelten Bestrafung als
Gesichtspunkt zu berücksichtigen, der zur Herabsetzung der Geldbuße von Isoplus Rosenheim und
damit der Gruppe Henss/Isoplus führen müsse. Bestimmte Umsätze von Henss Rosenheim seien
nämlich in die Berechnung des Umsatzes sowohl der Gruppe Henss/Isoplus als auch von ABB
eingeflossen. Im Rahmen der Bemessung der Geldbuße sei jedenfalls nicht der Handelsvertreter,
sondern der Geschäftsherr zu belasten. Für die Zeit nach Oktober 1994 sei darauf hinzuweisen, dass
die Teilnahme der Klägerinnen am europaweiten Kartell vor allem auf den von ABB IC Møller
ausgelösten massiven Preisverfall und den von ABB und Løgstør ausgeübten Druck zurückzuführen
sei.
587.
Viertens hätten etwaige von den Klägerinnen zu verantwortende Maßnahmen gegen Powerpipe eine
vollkommen untergeordnete Rolle gespielt. Das Verhalten von Herrn Henss oder Henss Rosenheim im
Zusammenhang mit dem Projekt in Neubrandenburg sei nicht mehr als ein Versuch gewesen, da die
fraglichen Maßnahmen gescheitert seien und Powerpipe den Auftrag erhalten habe.
588.
Fünftens sei gegen die Klägerinnen eine Geldbuße verhängt worden, die ihre Zahlungsunfähigkeit
herbeiführen könnte. Grundsätzlich sei zu berücksichtigen, ob die Festsetzung einer Geldbuße
geeignet wäre, das betroffene Unternehmen insolvent zu machen. Andernfalls bestünde bei der
Verhängung einer Geldbuße die Gefahr, dass das betroffene Unternehmen aus dem Markt
ausscheide, wodurch auf diesem Markt ein Oligopol oder eine beherrschende Stellung entstehen
könnte. Da Pan-Isovit und Tarco von Løgstør übernommen worden seien und KWH sich ebenfalls
entschlossen habe, mittelfristig aus dem Markt der vorisolierten Fernwärmerohre auszuscheiden,
entstünde auf diesem Markt durch das Verschwinden der Klägerinnen eine Oligopolstellung der
beiden „Anführer“ des vorliegenden Kartells, ABB und Løgstør.
589.
Wie die Klägerinnen bereits in ihren Schreiben an die Kommission vom 27. und 30. März 1998 sowie
in der Anhörung ausgeführt hätten, bestehe bei Verhängung einer hohen Geldbuße die Gefahr einer
Insolvenz von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen, die zum Verlust von
Arbeitsplätzen führen würde und zur Folge hätte, dass zwei Produktionsunternehmen und eine große
Vertriebsorganisation vom Markt verschwänden. Diese Insolvenzen hätten die gleichen Konsequenzen
für die HFB GmbH und die HFB KG. Die schwierige Situation in Bezug auf die Liquidität habe die
Klägerinnen veranlasst, am 10. Februar 1999 beim Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung zu
stellen, in dem sie die Gefahr ihrer Insolvenz ausführlich dargestellt hätten. Sie werde durch das
Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 4. Februar 1999 (im Folgenden: Gutachten)
belegt, das dem Gericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgelegt worden sei. Dieses als
Anlage zur Erwiderung eingereichte Gutachten und dessen Beilagen seien nach Artikel 48 § 2 der
Verfahrensordnung als weitere Beweismittel zuzulassen, da es sich um Beweismittel handele, die nach
Erhebung der vorliegenden Nichtigkeitsklage am 18. Januar 1999 entstanden seien.
590.
Die Kommission könne auch nicht behaupten, bei der Festsetzung der Geldbuße seien mildernde
Umstände berücksichtigt worden. Diese Umstände hätten jedenfalls aufgrund der rechtswidrigen
Anwendung der Leitlinien keine Berücksichtigung gefunden, da die gegen die Klägerinnen verhängte
Geldbuße die höchste nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zulässige Geldbuße sei.
591.
Die Beklagte trägt vor, die Preisentwicklung auf dem relevanten Markt zwischen 1990 und 1996 sei
von ihr gebührend berücksichtigt worden. Auf das Argument, die Gruppe Henss/Isoplus habe das
Auseinanderbrechen des dänischen Kartells bewirkt oder sei aufgrund von Druck der Firmen ABB und
Løgstør dem Kartell beigetreten, sei bereits an anderer Stelle eingegangen worden. Die
Geschäftsbeziehungen zwischen ABB Isolrohr und Henss Rosenheim bedeuteten nicht, dass eine
wirtschaftliche Einheit zwischen ABB Isolrohr und Henss/Isoplus bestanden habe. Die Maßnahmen
gegen Powerpipe dürften nicht getrennt vom Kartell geprüft werden. Die schwierige finanzielle
Situation eines Unternehmens sei nicht als mildernder Umstand bei der Berechnung der Geldbuße
anzuerkennen.Im Übrigen zeige der Beschluss HFB u. a./Kommission, dass die in diesem Verfahren
vorgelegten Unterlagen einschließlich des Gutachtens zum Nachweis der schwierigen finanziellen Lage
der Klägerinnen nicht ausreichten. Die Beweismittel, die diese Situation zum Zeitpunkt des Erlasses
der Entscheidung schildern sollten, seien unerheblich und verspätet vorgelegt worden. Schließlich sei
es nicht möglich, anhand der Leitlinien den genauen Betrag einer Geldbuße zu ermitteln; die
Obergrenze von 10 % des Umsatzes beziehe sich jedenfalls auf den Endbetrag der Geldbuße.
Würdigung durch das Gericht
592.
Bei der Ermittlung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus zu verhängenden Geldbuße hat die
Kommission im Anschluss an ihre Beurteilung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung sowie der
erschwerenden Umstände keinen mildernden Umstand herangezogen.
593.
Die Preisentwicklung auf dem relevanten Markt im maßgeblichen Zeitraum brauchte die Kommission
nicht als einen zur Herabsetzung der Geldbuße führenden mildernden Umstand zu berücksichtigen.
Zum einen ergibt sich aus Randnummer 166 Absatz 7 der Entscheidung, dass bei der Festsetzung der
Geldbußen im vorliegenden Fall berücksichtigt wurde, dass die Absprachen auf dem deutschen Markt
zwischen Ende 1991 und 1993 von beschränkter praktischer Wirkung waren. Zum anderen kann für
die Zeit von Ende 1991 bis 1993 der Preisverfall außerhalb Dänemarks und das niedrigere Preisniveau
auf dem deutschen gegenüber dem dänischen Markt nicht zu einer Herabsetzung der gegen die
Klägerinnen verhängten Geldbuße führen, da das hohe Preisniveau auf dem dänischen Markt das
Ergebnis einer Absprache zwischen den dänischen Herstellern war, von der die Klägerinnen wussten.
Das Preisniveau kann umso weniger einen mildernden Umstand darstellen, als die Kommission
festgestellt hat, dass die Preise auf dem deutschen Markt ab Ende 1994 erheblich stiegen.
594.
Ferner ist oben in den Randnummern 176 und 177 bereits festgestellt worden, dass sich die
Klägerinnen nicht auf ihre Rolle beim Zusammenbruch des dänischen Kartells im Jahr 1993 berufen
können, da dieser nicht allein auf das Vordringen der Gruppe Henss/Isoplus auf diesen Markt
zurückzuführen war. Das Gleiche gilt für die Handelsvertretung von ABB IC Møller, da die
Kartellteilnahme der Gruppe Henss/Isoplus weit über ihre Tätigkeit als Vertriebshändler von ABB
hinausging. Außerdem kann sich ein Unternehmen, das mit anderen an wettbewerbswidrigen
Handlungen teilnimmt, nicht darauf berufen, dies unter dem Zwang der übrigen Teilnehmer getan zu
haben, da es den ausgeübten Druck bei den zuständigen Behörden hätte zur Anzeige bringen können
(siehe oben, Randnr. 178).
595.
Auch das Argument der Klägerinnen, ihr Beitrag zu den Maßnahmen gegen Powerpipe habe nur im
Versuch einer Absprache bestanden, ist zurückgewiesen worden (siehe oben, Randnrn. 283 bis 285).
596.
Schließlich ist, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Höhe der gegen die Klägerinnen
verhängten Geldbuße zu deren Insolvenz führen kann und ob die Beweise dafür verspätet vorgelegt
wurden, darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet
ist, bei der Bemessung der Geldbuße die schlechte Finanzlage eines betroffenen Unternehmens zu
berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am
wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten
Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (Urteil IAZ u. a./Kommission, Randnrn. 54 und 55; Urteil des
Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-319/94, Fiskeby Board/Kommission, Slg. 1998, II-1331,
Randnrn. 75 und 76; Urteil Enso Española/Kommission, Randnr. 316).
597.
Da keine Umstände vorliegen, die als mildernde Umstände hätten berücksichtigt werden müssen,
können die Klägerinnen nicht behaupten, die Anwendung der Leitlinien im vorliegenden Fall habe
verhindert, dass die Heranziehung mildernder Umstände zu einer Herabsetzung der Geldbuße führe,
zumal die Leitlinien eine Verringerung der Geldbuße bei Vorliegen mildernder Umstände vorsehen
(Absatz 2 und Nr. 3 der Leitlinien).
598.
Aus all diesen Gründen ist die vorliegende Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.
7. Zur fehlerhaften Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit
Vorbringen der Parteien
599.
Die Klägerinnen tragen vor, sie hätten entgegen den Ausführungen in Randnummer 180 der
Entscheidung Anspruch auf eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D der Mitteilung
über Zusammenarbeit.
600.
Sie hätten in der ergänzenden Antwort von Isoplus Hohenberg und der gleichzeitigen ebenfalls
ergänzenden Antwort der Henss-Gesellschaften ein umfassendes Geständnis abgelegt und ihr
eigenes wettbewerbswidriges Verhalten in der Zeit von Ende Oktober 1994 bis Anfang 1996 in vollem
Umfang eingeräumt. Darüber hinaus seien der Kommission diverse wichtige Unterlagen zur Verfügung
gestellt worden, die vor allem gezeigt hätten, dass wettbewerbswidrige Handlungen auch nach
Abschluss der Untersuchung Ende Juni 1995 stattgefunden hätten. Ferner hätten die Klägerinnen der
Kommission wichtige, ihr noch nicht zur Verfügung stehende Informationen und Unterlagen über das
dänische Kartell in der Zeit von 1989 bis zu dessen Zusammenbruch im Jahr 1993 geliefert. Die
Kommission habe sowohl im Rahmen der Anhörung als auch in der Entscheidung eingeräumt, dass
diese Informationen und Unterlagen zur Bestätigung des Vorliegens eines Verstoßes beigetragen
hätten.
601.
Zu den Angaben der Kommission in Randnummer 180 der Entscheidung, dass die Klägerinnen
zunächst in ihren Erwiderungen auf das Auskunftsverlangen jeglicheKenntnis von oder Teilnahme an
der Zuwiderhandlung bestritten hätten, sei festzustellen, dass sie sich in ihren Antworten im April
1996 grundsätzlich kooperationsbereit erklärt hätten; sie hätten aber auch die schwerwiegenden
sowohl straf- als auch zivilrechtlichen Konsequenzen der an die Unternehmen gerichteten Fragen im
nationalen Recht dargestellt. Die Unternehmen hätten sich daher insoweit auch auf das
Verteidigungsrecht berufen und geltend gemacht, dass im Rahmen von Auskunftsverlangen nicht von
ihnen verlangt werden könne, dass sie sich selbst wettbewerbswidriger Handlungen bezichtigten. Zu
dieser Zeit hätten die Klägerinnen befürchtet, dass sie unter Umständen, wenn Dritten der Inhalt ihrer
Antworten auf die Auskunftsverlangen bekannt werde, von öffentlichen Ausschreibungen
ausgeschlossen würden. Außerdem sei Henss Rosenheim noch Anfang April 1996 von ABB IC Møller
mitgeteilt worden, dass sie mit Attacken wirtschaftlicher Art auf dem deutschen Markt zu rechnen
habe, und zwar auch für Isoplus-Produkte, wenn gegenüber der Kommission das europaweite Kartell
eingeräumt werde. In ihrer Stellungnahme, die die Klägerinnen nach ihrer Besprechung mit der
Kommission im September 1996 abgegeben hätten, hätten sie die Gründe für die verspätete
Offenlegung eines Wettbewerbsverstoßes von Herbst 1994 bis Anfang 1996 dargetan.
602.
Jedenfalls hätten Isoplus Rosenheim und Isoplus Hohenberg bereits in ihren Antworten eingeräumt,
dass es Anfang 1995 Gespräche zwischen Anbietern, Herstellern und Lieferanten von vorisolierten
Fernwärmerohren über Versuche wettbewerbswidriger Absprachen für den österreichischen Markt
gegeben habe. Im Übrigen behaupte die Kommission zu Unrecht, dass die Klägerinnen sie bewusst
über ihre Gesellschaftsverhältnisse getäuscht hätten und dass diese Täuschung zu einer niedrigeren
Geldbuße hätte führen können.
603.
Unter diesen Umständen hätte die Geldbuße der Klägerinnen gemäß Abschnitt D der Mitteilung
über Zusammenarbeit herabgesetzt werden müssen. Wie sich aus den in Punkt 2 von Abschnitt D
aufgezählten Beispielen ergebe, sei die Zusammenarbeit eines Unternehmens mit der Kommission in
diesem Abschnitt im Wesentlichen im Sinne des Eingeständnisses von Tatsachen oder der
Zurverfügungstellung von Informationen Dritter zu verstehen, die das Verfahren beschleunigten. Es
müsse sich somit nicht um gänzlich neue Fakten handeln, sondern es reichten Unterlagen, die der
Kommission den Nachweis eines Verstoßes erleichterten und dadurch einen Beitrag dazu leisteten. In
diesem Zusammenhang habe die Kommission Pan-Isovit für deren Teilgeständnis einen Nachlass von
20 % gewährt.
604.
Selbst wenn das Gericht diese Ansicht zur Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht
teilen sollte, hätte das Verhalten der Klägerinnen jedenfalls bei der Bemessung der Geldbuße als
mildernder Umstand gewertet werden müssen. Bereits vor der Mitteilung über Zusammenarbeit
hätten die Gemeinschaftsgerichte erklärt, dass eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt sei,
wenn das Verhalten des Unternehmens es der Kommission ermögliche, eine Zuwiderhandlung leichter
festzustellen und gegebenenfalls zu beenden. In ihrenLeitlinien erkenne die Kommission unter
Nummer 3 auch an, dass das Eingeständnis von Tatsachen oder eine Kooperation ein mildernder
Umstand sein müsse, da die „aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des
Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]“ ausdrücklich als solcher Umstand
genannt werde.
605.
Die Beklagte stellt zu den Geständnissen der Klägerinnen fest, dass die meisten Antworten auf ihre
Auskunftsverlangen im Juni 1996 vorgelegen hätten, so dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits über die
wesentlichen Informationen über das Kartell verfügt habe. Die Henss/Isoplus-Gesellschaften hätten
erst im Oktober gewisse Anhaltspunkte geliefert, nachdem sie gewusst hätten, dass das Kartell für die
Zeit ab 1994 nicht mehr zu bestreiten sei. Allein aus diesem Grund wäre es gerechtfertigt gewesen,
eine geringere Ermäßigung als anderen Unternehmen zu gewähren, selbst wenn wichtige Beweise
geliefert worden wären.
606.
Es sei richtig, dass die Gruppe Henss/Isoplus ab Oktober 1996 einige das vorhandene
Beweismaterial ergänzende Informationen gegeben habe, was unter normalen Umständen zu einer
gewissen Ermäßigung der Geldbuße hätte führen können. Die Gruppe habe aber durch bewusste
Täuschung der Kommission die Aufklärung des Sachverhalts wesentlich erschwert. Wäre die
Kommission nicht zufällig auf den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 gestoßen, so wäre die
Geldbuße zu niedrig ausgefallen. Dieses Täuschungsmanöver habe auch nichts mit der Wahrnehmung
von Verteidigungsrechten zu tun gehabt.
Würdigung durch das Gericht
607.
Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit festgelegt, unter welchen
Voraussetzungen gegen Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr
zusammenarbeiten, keine oder niedrigere Geldbußen festgesetzt werden können (vgl. Abschnitt A 3
der Mitteilung über Zusammenarbeit).
608.
In Abschnitt E 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit heißt es, diese habe berechtigte Erwartungen
geweckt, auf die sich die Unternehmen, die der Kommission ein Kartell melden wollten, berufen
würden. Angesichts des berechtigten Vertrauens, das die zur Zusammenarbeit mit der Kommission
bereiten Unternehmen aus dieser Mitteilung ableiten konnten, war die Kommission daher verpflichtet,
sich bei der Beurteilung der Kooperation der Klägerinnen im Rahmen der Bemessung ihrer Geldbuße
an die Mitteilung zu halten.
609.
Im Übrigen wird in den Leitlinien, soweit sie die Berücksichtigung der aktiven Mitwirkung eines
Unternehmens am Verfahren als mildernden Umstand vorsehen, von Fällen gesprochen, die
„außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]“ liegen (Nr. 3, sechster
Gedankenstrich, der Leitlinien). Im vorliegenden Fall steht die Anwendbarkeit der Mitteilung über
Zusammenarbeitaber außer Frage, denn nach Abschnitt A 1 Absatz 1 gilt sie für geheime Absprachen
über die Festsetzung von Preisen und Produktions- oder Absatzquoten, die Aufteilung der Märkte oder
das Verbot der Ein- oder Ausfuhr.
610.
Folglich können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, den Umfang ihrer
Zusammenarbeit nicht außerhalb des rechtlichen Rahmens der Mitteilung über Zusammenarbeit als
mildernden Umstand berücksichtigt zu haben.
611.
In Bezug auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf den Fall der Klägerinnen steht
fest, dass dieser weder in den Anwendungsbereich von Abschnitt B der Mitteilung fällt, der Fälle
betrifft, in denen ein Unternehmen der Kommission eine geheime Absprache anzeigt, bevor diese eine
Nachprüfung vorgenommen hat (und in denen die Geldbuße um mindestens 75 % herabgesetzt
werden kann), noch in den Anwendungsbereich von Abschnitt C der Mitteilung, der sich auf ein
Unternehmen bezieht, das eine geheime Absprache anzeigt, nachdem die Kommission eine
Nachprüfung vorgenommen hat, die keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens
im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hat (dann kann die Geldbuße um 50 % bis 75
% herabgesetzt werden).
612.
Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit sieht Folgendes vor: „Arbeitet ein Unternehmen
mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle [in den Abschnitten B und C genannten]
Voraussetzungen erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden
wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.“ Weiter heißt es dort:
„Dies gilt insbesondere, wenn
- ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen,
Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes
beitragen;
- ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass
es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“
613.
In diesem Zusammenhang kann weder die Antwort der Henss-Gesellschaften noch die mit
Schreiben vom 11. Juni 1996 bestätigte Antwort von Isoplus Hohenberg als Zusammenarbeit mit der
Kommission angesehen werden, da diese Unternehmen sich darauf beschränkten, auf versuchte
Absprachen ab 1994 hinzuweisen, die nicht zu einem Kartell geführt haben sollten.
614.
Zu der von den Klägerinnen insoweit abgegebenen Erklärung, dass das Eingeständnis
wettbewerbswidrigen Verhaltens ihre Geschäftsbeziehungen hätte beeinträchtigen können, ist
festzustellen, dass dies eine zwangsläufige Folge der Entdeckung eines wettbewerbswidrigen
Verhaltens ist und im Übrigen auch für ihreKonkurrenten galt, die gleichwohl von Anfang an bestimmte
wettbewerbswidrige Tätigkeiten eingeräumt haben.
615.
Soweit Henss Rosenheim, Henss Berlin und Isoplus Hohenberg in ihren ergänzenden Antworten
wettbewerbswidrige Tätigkeiten eingeräumt haben, betraf dies - abgesehen von der Existenz des
dänischen Kartells, an dem sie nach eigenen Angaben nicht teilnahmen - ihre Beteiligung am
europaweiten Kartell von Ende 1994 bis Ende 1995 oder Anfang 1996. Die Henss-Gesellschaften
vertraten, auch wenn sie in ihrer ergänzenden Antwort zugaben, am europaweiten Kartell beteiligt
gewesen zu sein, sodann in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte den
Standpunkt, dass ihre Beteiligung an diesem Kartell ihnen nicht als Zuwiderhandlung gegen Artikel 85
EG-Vertrag zur Last gelegt werden könne, da sie nur als Handelsvertreter tätig geworden seien.
Entgegen der Behauptung der Klägerinnen beschränkte sich dieser auf der Eigenschaft der Henss-
Gesellschaften als Handelsvertreter beruhende Standpunkt in der Stellungnahme zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte nicht auf die Zeit bis Oktober 1994.
616.
Es trifft zu, dass Henss Rosenheim und Henss Berlin mit ihrer ergänzenden Antwort einige relevante
Dokumente lieferten, die insbesondere den Beginn des dänischen Kartells im Jahr 1990 betrafen, und
die Kommission über Handlungen informierten, die ab 1989 stattgefunden hatten, sowie über die
Fortführung des Kartells Ende 1995 oder Anfang 1996 nach Abschluss der Untersuchungen. Die
meisten dieser Dokumente wurden auch der ergänzenden Antwort von Isoplus Hohenberg beigefügt,
in der ebenfalls auf die Fortführung des Kartells nach Abschluss der Untersuchungen eingegangen
wurde. Die Kommission verfügte jedoch zu dieser Zeit hinsichtlich des Beginns des dänischen Kartells
im Jahr 1989 oder 1990 über schriftliche Beweise, die Tarco mit ihrer Antwort vom 26. April 1996
übermittelt hatte, sowie über einige Informationen, die ABB in ihrer Antwort gegeben hatte.
Hinsichtlich der Fortführung des Kartells nach Abschluss der Untersuchungen hatten ihr Løgstør in
ihrer Antwort vom 25. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 und danach ABB in
ihrer Antwort und eingehender in ihrer ergänzenden Antwort vom 13. August 1996 Informationen
geliefert.
617.
Die Klägerinnen haben der Kommission somit vor Übersendung der Beschwerdepunkte Beweismittel
geliefert, die zur Feststellung des Vorliegens der fraglichen Zuwiderhandlung beitrugen, da sie die
Beweise bestätigten, die die Kommission von anderen in das Verwaltungsverfahren einbezogenen
Unternehmen erhalten hatte. Ferner haben sie den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre
Vorwürfe stützte, teilweise eingeräumt.
618.
Gleichwohl ist festzustellen, dass die Klägerinnen in diesem Verwaltungsverfahren hinsichtlich der
Eigentumsverhältnisse bei den Henss- und Isoplus-Gesellschaften unvollständige und teilweise
unzutreffende Auskünfte gegeben haben und damitbewusst Informationen verschwiegen haben, von
denen sie wussten, dass die Kommission sie zur Beurteilung der tatsächlichen Beziehungen zwischen
den von ihr zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Unternehmen benötigte. Die tatsächlichen
Verflechtungen zwischen den zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften konnten erst ermittelt
werden, nachdem die deutschen Wettbewerbsbehörden in einem deutschen Handelsregister den
Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 entdeckt hatten.
619.
Unter diesen Umständen ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass die Geldbuße der
Gruppe Henss/Isoplus nicht gemäß Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen
war.
620.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Kooperation
während des Verwaltungsverfahrens nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des
fraglichen Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter
festzustellen und diese gegebenenfalls zu beenden (Urteile vom 16. November 2000, SCA
Holding/Kommission, Randnr. 36, vom 10. März 1992, ICI/Kommission, Randnr. 393, Gruber +
Weber/Kommission, Randnr. 271, und BPB de Eendracht/Kommission, Randnr. 325).
621.
Zudem ist der Begriff der Zusammenarbeit in Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit im
Licht der vorhergehenden Bestimmungen zu sehen, wonach die Gemeinschaft ein Interesse daran hat,
Unternehmen, die unter den in dieser Mitteilung genannten Voraussetzungen mit der Kommission
zusammenarbeiten, Rechtsvorteile zu gewähren, da das Interesse der Verbraucher und Bürger an der
Aufdeckung und Untersagung von Kartellen das Interesse an der Auferlegung von Geldbußen
gegenüber Unternehmen überwiegt, die mit der Kommission zusammenarbeiten und es ihr auf diese
Weise ermöglichen oder ihr dabei helfen, ein Kartell aufzudecken und zu untersagen (Abschnitt A 4
der Mitteilung über Zusammenarbeit).
622.
In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Klägerinnen einerseits einen Beitrag zur
Untersuchung der Kommission geleistet haben, der für die Entdeckung und Untersagung der den
Gegenstand ihres Beitrags bildenden Aspekte der Zuwiderhandlung nicht entscheidend war, und
andererseits die gleiche Untersuchung durch unzutreffende Informationen bewusst behindert haben,
kann der Beitrag des Unternehmens aber nicht als eine zur Herabsetzung der Geldbuße führende
Zusammenarbeit im Sinne von Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit angesehen werden.
623.
Nach alledem greift die Rüge einer fehlerhaften Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit
nicht durch.
E -
Vorbringen der Parteien
624.
Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe die Begründungspflicht aus Artikel 190 EG-Vertrag
verletzt, da in der Entscheidung nicht erläutert werde, inwiefern sie bereits vor Oktober 1994 an
kartellwidrigen Absprachen im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag teilgenommen haben sollten. Der in der
Entscheidung enthaltene Hinweis darauf, dass dies durch Unterlagen belegt werde, ohne diese auch
nur annähernd anzugeben, reiche insbesondere deshalb nicht aus, weil die Kommission verschiedene
zugunsten der Klägerinnen sprechende Argumente und Umstände pauschal verworfen habe.
Außerdem enthalte die Entscheidung keine rechtliche Begründung in Bezug auf die Haftung von
Isoplus Hohenberg für eine wettbewerbswidrige Praxis vor Oktober 1994.
625.
Sodann habe die Kommission nicht begründet, wie sie den Gesamtumsatz der Gruppe
Henss/Isoplus im letzten Geschäftsjahr bei der Bemessung der Obergrenze der Geldbuße ermittelt
habe. In Randnummer 179 der Entscheidung werde lediglich ausgeführt, dass der Gesamtumsatz im
Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung herangezogen werde und dass die Geldbußen 10 %
dieses Umsatzes nicht übersteigen dürften, so dass gegen die Gruppe Henss/Isoplus eine Geldbuße
von 4 950 000 ECU festzusetzen sei. Dies ergebe demnach einen Gesamtumsatz der Gruppe
Henss/Isoplus von 49 500 000 ECU. Es könne nicht nachvollzogen werden, wie die Kommission auf
diesen Betrag komme und insbesondere, welche Umsatzzahlen sie zugrunde gelegt und welche
internen Umsätze sie herausgerechnet habe. Auch unter Wahrung des Geschäftsgeheimnisses wäre
es der Kommission möglich gewesen, zumindest die Grundsätze der Ermittlung des Gesamtumsatzes
anzugeben. In der Entscheidung finde sich auch nichts zur Behauptung der Kommission, dass sie bei
der Ermittlung der Umsätze der Gruppe Henss/Isoplus nur die Umsätze von Isoplus Rosenheim, Isoplus
Hohenberg und Isoplus Sondershausen herangezogen habe. Auch der im Rahmen der Ermittlung des
konsolidierten Umsatzes dieser Klägerinnen angewandte Umrechnungskurs sei der Entscheidung
nicht zu entnehmen.
626.
Die Beklagte trägt vor, die Beteiligung der Klägerinnen an Zuwiderhandlungen vor 1994 ergebe sich
aus den Randnummern 41 bis 61 und 135 bis 142 der Entscheidung.
627.
Es treffe nicht zu, dass sie in der Entscheidung nicht angegeben habe, dass nur die Umsätze von
Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in die Berechnung der Geldbuße
eingegangen seien. Aus den Randnummern 167 und 179 der Entscheidung gehe klar hervor, dass die
Geldbuße auf 10 % des Gesamtumsatzes begrenzt worden sei, der demnach das Zehnfache von 4 950
000 ECU habe betragen müssen. Aus den Randnummern 157 bis 160 der Entscheidung gehe weiter
hervor, dass die Kommission in diesem Zusammenhang keine anderen als die dort genannten
Gesellschaften berücksichtigt habe. Da die Kommission weder für die HFB GmbH noch für die HFB KG
Umsatzzahlen erfragt habe und die Klägerinnen auch keine derartigen Zahlen geliefert hätten, habe
sich die in Randnummer 179 der Entscheidung genannte Zahl nur auf die Umsätze vonIsoplus
Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen beziehen können. Aus der Klageschrift
ergebe sich im Übrigen, dass die Klägerinnen dies auch erkannt hätten.
Würdigung durch das Gericht
628.
Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene
Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den beanstandeten Rechtsakt
erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die
erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe
wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls,
insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu
beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell
betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle
einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die
Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 190 EG-Vertrag genügt, nicht nur
anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher
Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der
Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63).
629.
Die Kommission hat in der Entscheidung klar dargelegt, aus welchen Gründen die Gruppe
Henss/Isoplus ihres Erachtens gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstieß, als sie zwischen Oktober 1991
und März/April 1996 an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten
Verhaltensweisen mitwirkte.
630.
Zur Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung vor Oktober 1994 genügt die Feststellung,
dass die relevanten Gesichtspunkte für den Beitritt der zur Gruppe Henss/Isoplus gehörenden
Gesellschaften zu dem Kartell, das vom dänischen auf den deutschen Markt ausgedehnt wurde, in den
Randnummern 41 bis 52 und 135 bis 138 der Entscheidung genannt sind, in denen für den fraglichen
Zeitraum die Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an den Treffen des Geschäftsführer-Clubs und die
von der Kommission daraus gezogenen Schlüsse dargestellt sind.
631.
Zur Rolle von Isoplus Hohenberg hat die Kommission in Randnummer 157 der Entscheidung die
Gründe genannt, aus denen die Henss- und Isoplus-Unternehmen ihres Erachtens faktisch als
Konzern handelten, in dem die Henss-Gesellschaften als Handelsvertreter der Isoplus-Gesellschaften
in Deutschland tätig waren. Es besteht somit kein Zweifel daran, dass die Ausführungen zur
Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an der Ausdehnung des Kartells auf den deutschen Markt vor
Oktober 1994 auch für Isoplus Hohenberg gelten.
632.
Zur Berechnung der Geldbuße ist darauf hinzuweisen, dass bei der Ermittlung des Umfangs der
Begründungspflicht insbesondere berücksichtigt werden muss, dass dieSchwere der
Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die
besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen
gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall
berücksichtigt werden müssten (Beschluss SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).
633.
Im vorliegenden Fall hat die Kommission in ihrer Entscheidung zunächst allgemeine Feststellungen
zur Schwere der Zuwiderhandlung getroffen (Randnrn. 164 bis 166). Hinsichtlich der gegen die
Klägerinnen festzusetzenden Geldbuße führt sie sodann aus, bei der Gruppe Henss/Isoplus sowie bei
Tarco, Dansk Rørindustri und Pan-Isovit müsse der Ausgangspunkt für die Ermittlung der Geldbuße
angesichts ihrer Bedeutung auf dem Markt und der Auswirkung ihres Verhaltens auf den Wettbewerb
bei 5 Millionen ECU liegen (Randnr. 178 Absatz 1 der Entscheidung). Anschließend nennt sie die
Gesichtspunkte für die Gewichtung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus festzusetzenden Geldbuße
anhand der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 178 Absätze 2 und 3 der Entscheidung). Weiter
führt sie in Bezug auf die Gruppe Henss/Isoplus aus, dass sie bestimmte erschwerende Umstände
berücksichtigt habe und dass es keine mildernden Umstände gebe (Randnr. 179 Absätze 1 bis 5 der
Entscheidung). Sie fügt hinzu, da die eigentlich angemessenen Geldbußen den Höchstbetrag von 10
% des Gesamtumsatzes in dem dem Erlass der Entscheidung vorangehenden Geschäftsjahr
übersteigen würden, würden die Geldbußen so festgesetzt, dass sie die zulässige Höchstgrenze nicht
überstiegen, nämlich auf 4 950 000 ECU für Henss/Isoplus (Randnr. 179 Absätze 7 und 8 der
Entscheidung). Schließlich nennt sie die Gründe, aus denen die Geldbuße der Gruppe Henss/Isoplus
nicht gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt werden könne (Randnr. 180 Absatz 4
der Entscheidung).
634.
Bei einer Auslegung der Entscheidung im Licht des jedem Adressaten zur Last gelegten
Sachverhalts enthalten ihre Randnummern 178 bis 180 ausreichende und sachgerechte Angaben zu
den Gesichtspunkten, die bei der Beurteilung von Schwere und Dauer der von der Gruppe
Henss/Isoplus begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom
16. November 2000 in der Rechtssache C-248/98 P, KNP BT/Kommission, Slg. 2000, I-9641, Randnr.
42).
635.
Die Klägerinnen können sich nicht darauf berufen, dass die Kommission im Vorverfahren die
Rechenvorgänge bei der Ermittlung der Geldbuße angegeben und insbesondere mitgeteilt hat, dass
die internen Umsätze bei der Berechnung des Gesamtumsatzes der zur Gruppe Henss/Isoplus
gezählten Gesellschaften weggelassen wurden und welcher Satz bei der Umrechnung der in
Landeswährung angegebenen Zahlen in Ecu zur Anwendung kam.
636.
Nach ständiger Rechtsprechung kann die Tatsache, dass die Kommission im Lauf des Verfahrens
Zahlenangaben über die Berechnung der Geldbußen macht, dieFeststellung, dass die Entscheidung
eine ausreichende und sachgerechte Begründung der heranzuziehenden Faktoren enthält, nicht in
Frage stellen, da diese Angaben nur die zahlenmäßige Umsetzung der in der Entscheidung genannten
Kriterien darstellen, sofern diese selbst quantifizierbar sind (Urteil KNP BT/Kommission, Randnr. 29).
637.
Im Übrigen ergibt sich aus Randnummer 179 der Entscheidung, dass die Kommission bei der
Ermittlung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Obergrenze der Geldbuße
von einem Umsatz von 49 500 000 ECU ausgegangen ist. Angesichts der Informationen, die den
Klägerinnen im Verwaltungsverfahren hierzu übermittelt wurden, konnten sie die von der Kommission
angestellte Berechnung nachvollziehen.
638.
Folglich ist der Klagegrund einer unzureichenden Begründung zurückzuweisen.
V -
639.
Nach alledem sind die Artikel 3 Buchstabe d und 5 Buchstabe d der Entscheidung für nichtig zu
erklären, soweit sie die HFB GmbH und die HFB KG betreffen. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Kosten
640.
Nach Artikel 87 § 3 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen,
dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da der
Klage nur zum Teil stattgegeben wurde, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der
Umstände des Falles geboten, den Klägerinnen ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten des
Verfahrens der einstweiligen Anordnung sowie 80 % der Kosten der Kommission, die Kosten des
Verfahrens der einstweiligen Anordnung eingeschlossen, und der Kommission 20 % ihrer eigenen
Kosten, die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung eingeschlossen, aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Artikel 3 Buchstabe d und 5 Buchstabe d der Entscheidung 1999/60/EG der
Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache
IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) werden in Bezug auf die HFB Holding für
Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG und die HFB Holding
fürFernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH, Verwaltungsgesellschaft, für nichtig
erklärt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner ihre eigenen Kosten einschließlich der
Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung und 80 % der Kosten der Kommission,
die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung eingeschlossen.
4. Die Kommission trägt 20 % ihrer eigenen Kosten, die Kosten des Verfahrens der
einstweiligen Anordnung eingeschlossen.
Mengozzi
Tiili
Moura Ramos
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. März 2002.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
P. Mengozzi
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
II - 2
Verfahren und Anträge der Parteien
II - 7
Beziehungen zwischen den Unternehmen, die der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet wurden
II - 8
Zum Antrag auf Beweiserhebung
II - 10
Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung
II - 11
I - Klagegründe in Bezug auf die Gruppe Henss/Isoplus
II - 12
A - Erster Klagegrund: Falsche Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag durch
Zuordnung der Klägerinnen zur „Gruppe Henss/Isoplus“
II - 12
1. Vorbringen der Parteien
II - 12
2. Würdigung durch das Gericht
II - 14
B - Zweiter Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch die Nennung der
Gruppe Henss/Isoplus im verfügenden Teil der Entscheidung
II - 17
1. Vorbringen der Parteien
II - 17
2. Würdigung durch das Gericht
II - 18
C - Dritter Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht
II - 19
1. Vorbringen der Parteien
II - 19
2. Würdigung durch das Gericht
II - 19
II - Klagegründe in Bezug auf die HFB GmbH und die HFB KG
II - 21
A - Vorbringen der Parteien
II - 21
B - Würdigung durch das Gericht
II - 23
III - Klagegründe in Bezug auf die Isoplus stille Gesellschaft
II - 25
A - Vorbringen der Parteien
II - 25
B - Würdigung durch das Gericht
II - 26
IV - Klagegründe in Bezug auf alle Klägerinnen
II - 26
A - Erster Klagegrund: Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bei der Anwendung von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
II - 27
1. Zur Beteiligung an der Zuwiderhandlung vor Oktober 1994
II - 27
a) Zu den tatsächlichen Feststellungen und der Beweiswürdigung
II - 27
Vorbringen der Parteien
II - 27
Würdigung durch das Gericht
II - 31
b) Zur rechtlichen Würdigung
II - 43
i) Zur Einstufung der Zuwiderhandlung als „miteinander verbundene Vereinbarungen und
aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“
II - 43
Vorbringen der Parteien
II - 43
Würdigung durch das Gericht
II - 44
ii) Zur Einstufung der festgestellten Handlungen als Vereinbarung
II - 46
Vorbringen der Parteien
II - 46
Würdigung durch das Gericht
II - 47
iii) Zum Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen
II - 49
Vorbringen der Parteien
II - 49
Würdigung durch das Gericht
II - 50
iv) Zu den Rechtsfolgen der Teilnahme an einem Treffen mit wettbewerbswidrigem
Gegenstand
II - 52
Vorbringen der Parteien
II - 52
Würdigung durch das Gericht
II - 53
v) Zur Beweislast für die Beteiligung an einem Gesamtkartell
II - 54
Vorbringen der Parteien
II - 54
Würdigung durch das Gericht
II - 54
vi) Zur individuellen Verantwortung der der Gruppe Henss/Isoplus zugeordneten
Gesellschaften
II - 56
Vorbringen der Parteien
II - 56
Würdigung durch das Gericht
II - 57
2. Zur Beteiligung an den aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe
II - 58
Vorbringen der Parteien
II - 58
Würdigung durch das Gericht
II - 61
B - Zweiter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte
II - 67
1. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Beteiligung an der
Zuwiderhandlung von Oktober 1993 bis März 1994
II - 67
Vorbringen der Parteien
II - 67
Würdigung durch das Gericht
II - 69
2. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Anwendung der Leitlinien zur
Festsetzung von Geldbußen
II - 71
Vorbringen der Parteien
II - 71
Würdigung durch das Gericht
II - 72
3. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Übersetzung bestimmter
Dokumente
II - 74
Vorbringen der Parteien
II - 74
Würdigung durch das Gericht
II - 75
4. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Fristen zur Stellungnahme
II - 76
Vorbringen der Parteien
II - 76
Würdigung durch das Gericht
II - 78
5. Zur Verletzung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen
II - 81
Vorbringen der Parteien
II - 81
Würdigung durch das Gericht
II - 82
6. Zur Verletzung der Bestimmungen über die Anhörung von Zeugen
II - 84
Vorbringen der Parteien
II - 84
Würdigung durch das Gericht
II - 86
7. Zur Verletzung der Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten
II - 89
Vorbringen der Parteien
II - 89
Würdigung durch das Gericht
II - 91
C - Dritter Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Leitlinien
II - 93
1. Allgemeine Ausführungen zur Einrede der Rechtswidrigkeit
II - 93
2. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund der Unzuständigkeit der
Kommission
II - 94
Vorbringen der Parteien
II - 94
Würdigung durch das Gericht
II - 96
3. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund eines Verstoßes gegen den
Grundsatz der Gleichbehandlung
II - 102
Vorbringen der Parteien
II - 102
Würdigung durch das Gericht
II - 103
4. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung der
Verteidigungsrechte
II - 104
Vorbringen der Parteien
II - 104
Würdigung durch das Gericht
II - 104
5. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung des
Rückwirkungsverbots
II - 106
Vorbringen der Parteien
II - 106
Würdigung durch das Gericht
II - 107
D - Vierter Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler bei der Festsetzung der Geldbuße
II - 108
1. Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
II - 109
Vorbringen der Parteien
II - 109
Würdigung durch das Gericht
II - 110
2. Zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 in Bezug auf die
gesamtschuldnerische Haftung der fünf Klägerinnen
II - 113
Vorbringen der Parteien
II - 113
Würdigung durch das Gericht
II - 114
3. Zur fehlerhaften Beurteilung des Umsatzes der betroffenen Unternehmen
II - 117
Vorbringen der Parteien
II - 117
Würdigung durch das Gericht
II - 117
4. Zur Verletzung der Verteidigungsrechte bei der Beurteilung erschwerender Umstände
II - 118
Vorbringen der Parteien
II - 119
Würdigung durch das Gericht
II - 121
5. Zur Rolle der Klägerinnen im Kartell als erschwerender Umstand
II - 123
Vorbringen der Parteien
II - 123
Würdigung durch das Gericht
II - 125
6. Zur Nichtberücksichtigung mildernder Umstände
II - 126
Vorbringen der Parteien
II - 127
Würdigung durch das Gericht
II - 129
7. Zur fehlerhaften Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit
II - 130
Vorbringen der Parteien
II - 130
Würdigung durch das Gericht
II - 132
E - Fünfter Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht
II - 135
Vorbringen der Parteien
II - 135
Würdigung durch das Gericht
II - 137
V - Ergebnis
II - 139
Kosten
II - 139
Verfahrenssprache: Deutsch.