Urteil des EuG vom 29.09.2000

EuG: kommission, staatliche beihilfe, spanien, rückforderung, kmu, belgien, zuschuss, darlehen, klagegrund, nichtigerklärung

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)
29. September 2000
„Staatliche Beihilfen - Begriff der Beihilfe gemäß Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel
87 Absatz 1 EG) - Begründung - Verpflichtung zur Rückforderung von Beihilfen - Berechtigtes Vertrauen der
Empfänger - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache T-55/99
Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM)
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Pérez Villar, Calle López de Hoyos, 322, Madrid,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Triantafyllou, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 98/693/EG der Kommission vom 1. Juli 1998 bezüglich der von
Spanien beim Erwerb von Nutzfahrzeugen gewährten Beihilfen „Plan Renove Industrial“(August 1994-
Dezember 1996) (ABl. L 329, S. 23), soweit in den Artikeln 3 und 4 dieser Entscheidung bestimmte Beihilfen
für rechtswidrig und für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden und ihre Rückforderung
angeordnet wird,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. Azizi, R. M. Moura Ramos, M. Jaeger und P.
Mengozzi,
Kanzler: J. Palácio Gonzalez, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und nach dem Verzicht der Parteien auf die für den 11. April 2000
vorgesehene mündliche Verhandlung,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen und Sachverhalt
1.
Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 98/693/EG der Kommission vom 1. Juli 1998
bezüglich der von Spanien beim Erwerb von Nutzfahrzeugen gewährten Beihilfen „Plan Renove
Industrial“ (August 1994-Dezember 1996) (ABl. L 329, S. 23; im Folgenden: angefochtene
Entscheidung).
2.
Am 28. Juli 1994 beschloss die spanische Regierung ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission
den „Plan Renove Industrial“ (im Folgenden: PRI) zugunsten natürlicher Personen, kleiner und mittlerer
Unternehmen (im Folgenden: KMU), öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften und
kommunalerDienstleistungsunternehmen. Die Regelung galt ursprünglich von August 1994 bis
Dezember 1995; sie wurde bis Ende 1996 verlängert.
3.
Der PRI beruhte auf einer Vereinbarung zwischen dem Instituto de Crédito Oficial (Staatliches
Kreditinstitut; im Folgenden: ICO) und dem Ministerium für Industrie und Energie vom 27. September
1994. Mit der Vereinbarung wurde das ICO beauftragt, mit einer Reihe von Finanzinstituten Verträge
abzuschließen, wonach diese als Vermittler tätig wurden und den PRI mit anschließendem
Kostenausgleich durch das ICO unmittelbar durchführten.
4.
Die beanstandete Maßnahme bestand in einer Zinsverbilligung für Darlehen zum Erwerb von
Nutzfahrzeugen oder zu ihrer Anmietung mit Kaufoption. Diese Darlehen wurden für maximal 70 % des
Gesamtwerts (ohne Mehrwertsteuer) des Neufahrzeugs mit einer Laufzeit von vier Jahren ohne
zinsfreie Zeit gewährt. Die Sicherheiten wurden zwischen dem Darlehensnehmer und dem
Finanzinstitut ausgehandelt.
5.
Der finanzielle Umfang des PRI wurde zunächst mit etwa 9 Milliarden ESP veranschlagt. Die beim ICO
eröffnete Kreditlinie hatte ein Volumen von 100 Milliarden ESP. Der Zuschuss betrug maximal 93 196
ESP je Million Darlehen.
6.
Die Zinsverbilligung wurde für die Finanzierung von fünf Fahrzeugkategorien vorgesehen:
- Sattelanhänger und Lastkraftwagen über 30 t;
- Nutzfahrzeuge zwischen 12 und 30 t;
- Nutzfahrzeuge zwischen 3,5 und 5 t;
- PKW-Sondermodelle, Lieferwagen und Nutzfahrzeuge bis 3,5 t;
- Busse.
7.
Eine Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses war die endgültige Stilllegung eines
Fahrzeugs, dessen Erstzulassung mehr als zehn Jahre (sieben Jahre für Straßenzugmaschinen)
zurücklag. Die Abmeldebescheinigung war von der Dirección General de Tráfico (Generaldirektion
Verkehr) auszustellen.
8.
Zwischen dem 9. Februar 1995 und dem 20. Februar 1996 ersuchte die Kommission das Königreich
Spanien um Auskünfte über den PRI, von dem sie aus nichtamtlicher Quelle erfahren hatte. Das
Königreich Spanien beantwortete die Auskunftsersuchen mit Schreiben vom 6. März 1995, 26. Juli
1995 und 14. März 1996.
9.
Mit Schreiben vom 26. Juni 1996 unterrichtete die Kommission das Königreich Spanien von ihrem
Beschluss, das in Artikel 93 Absatz 2 EG-Betrag vorgesehene Verfahren einzuleiten, und forderte es
zur Stellungnahme auf. Die übrigen Mitgliedstaaten und interessierte Dritte wurden von der Einleitung
des Verfahrens durch die Veröffentlichung des Schreibens im
vom 13. September 1996 (ABl. C 266, S. 10) unterrichtet; auch sie erhielten
Gelegenheit zur Stellungnahme. In dem Schreiben teilte die Kommission mit, dass sie den PRI für
rechtswidrig halte und bezweifele, dass er mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei.
10.
Das Königreich Spanien gab mit Schreiben vom 26. Juli 1996, bei der Kommission eingegangen am
1. August 1996, eine Stellungnahme ab. Stellungnahmen interessierter Dritter gingen auf die
Veröffentlichung im nicht ein. Nach einem ergänzenden
Auskunftsersuchen der Kommission vom 9. Dezember 1996 gab das Königreich Spanien in einer
Zusammenkunft mit der Kommission am 14. Januar 1997 sowie mit Schreiben vom 12. Februar 1997
weitere Erläuterungen.
11.
Die Kommission bat das Königreich Spanien ferner, zunächst per Telefax und dann mit Schreiben
vom 19. November 1997, um zusätzliche Informationen zu den Unternehmen, die nicht als
Haupttätigkeit Beförderungsleistungen erbrachten und nur auf lokalen Märkten aktiv waren. Das
Königreich Spanien gab diese Auskünfte mit Schreiben vom 27. November 1997 und 20. Februar 1998.
12.
Am 1. Juli 1998 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.
13.
Deren verfügender Teil lautet:
Die im Rahmen des .Plan Renove Industrial' Gebietskörperschaften und kommunalen öffentlichen
Dienstleistungsunternehmen in Form einer Zinsvergütung zum Erwerb von Nutzfahrzeugen zwischen
August 1994 und Dezember 1996 gewährten Beihilfen gemäß der Zusammenarbeitsvereinbarung
zwischen dem spanischen Ministerium für Energie und Industrie und dem Instituto de Crédito Oficial
vom 27. September 1994 stellen keine staatlichen Beihilfen gemäß Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages
dar.
Die Beihilfen an natürliche Personen oder KMU, die auf rein lokaler oder regionaler Ebene nicht auf
dem Beförderungssektor tätig sind, zum Erwerb von Nutzfahrzeugen der Kategorie D stellen keine
staatlichen Beihilfen gemäß Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages dar.
Alle anderen natürlichen Personen und KMU gewährten Beihilfen stellen staatliche Beihilfen gemäß
Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages dar und sind illegal und mit dem Gemeinsamen Markt nicht
vereinbar.
Spanien stellt die Zahlung der in Artikel 3 genannten Beihilfen ein und fordert die geleisteten Beihilfen
zurück. Die Rückzahlung erfolgt nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts einschließlich Zinsen zu
dem für die Bewertung von Regionalbeihilferegelungen verwendeten Bezugssatz ab dem Zeitpunkt der
Beihilfeleistung bis zur tatsächlichen Rückzahlung.
Spanien unterrichtet die Kommission innerhalb von zwei Monaten ab der Notifizierung dieser
Entscheidung über die Maßnahmen, die es getroffen hat, um der Entscheidung nachzukommen.
Diese Entscheidung ist an das Königreich Spanien gerichtet.“
Verfahren und Anträge der Parteien
14.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 25. Februar 1999 bei der Kanzlei
des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
15.
Die Klägerin beantragt,
- die Artikel 3 und 4 der Entscheidung der Kommission vom 1. Juli 1998 bezüglich der von Spanien
beim Erwerb von Nutzfahrzeugen gewährten Beihilfen (PRI) für nichtig zu erklären;
- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
16.
Die Kommission beantragt,
- die Klage als unbegründet abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
17.
Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters im Wege verfahrensleitender Maßnahmen an die
Beklagte mehrere schriftliche Fragen gerichtet und beschlossen, die mündliche Verhandlung zu
eröffnen. Die Beklagte hat die Fragen mit Schreibenvom 10. März 2000 beantwortet. Mit Schreiben
vom 21. März 2000 hat sie ihre Antworten ergänzt.
18.
Mit Schreiben, das am 4. April 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, dass er aus Gründen der internen Politik der Klägerin
nicht an der für den 11. April 2000 anberaumten Verhandlung teilnehmen werde.
19.
Mit Schreiben, das bei der Kanzlei des Gerichts am 10. April 2000 eingegangen ist, hat die Beklagte
mitgeteilt, dass sie unter diesen Umständen gleichfalls auf die Teilnahme an der mündlichen
Verhandlung verzichte.
20.
Das Gericht hat am 11. April 2000 davon Kenntnis genommen, dass die Parteien zur mündlichen
Verhandlung nicht erschienen sind.
Zur Zulässigkeit
21.
Da die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung
jetzt Artikel 230 EG) zwingenden Rechts sind, kann das Gericht sie von Amts wegen prüfen. Es ist bei
dieser Prüfung nicht auf von den Parteien erhobene Einreden der Unzulässigkeit beschränkt (vgl.
Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1996 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg.
1986, 1339, Randnr. 19).
22.
Laut der angefochtenen Entscheidung galten die Beihilfen, die in den von der Klägerin
angefochtenen Artikeln 3 und 4 genannt sind, für in ganz verschiedenen Branchen tätige natürliche
Personen und KMU, die als Haupt- oder Nebentätigkeit Waren oder Personen mit Nutzfahrzeugen
befördern (vgl. u. a. Abschnitt IV achter Absatz der Begründung der angefochtenen Entscheidung).
23.
Die Klägerin ist die spanische Vereinigung für den Lastkraftverkehr und ein Berufsverband
spanischen Rechts. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Vereinigung, die die Kollektivinteressen
von Unternehmen wahrnimmt, zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen eine endgültige
Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen grundsätzlich nur befugt, wenn die fraglichen
Unternehmen auch einzeln klagebefugt sind (z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli 1986 in der
Rechtssache 282/85, DEFI/Kommission, Slg. 1986, 2469, Randnr. 16, und vom 7. Dezember 1993 in der
Rechtssache C-6/92, Federmineraria u. a./Kommission, Slg. 1993, I-6357, Randnr. 17) oder wenn sie
ein eigenes Interesse an der Klage dartun kann, insbesondere weil ihre Position als
Verhandlungspartnerin durch die angefochtene Handlung beeinträchtigt worden ist (Urteil des
Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-
1125, Randnrn. 29 und 30; Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-380/94,
AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 50).
24.
Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin mit ihrer Klage die
individuellen Interessen bestimmter ihrer Mitglieder verteidigen will. Aus der Klageschrift in Verbindung
mit der ihr beigefügten Satzung der Klägerin ergibt sich nämlich, dass die Klägerin im vorliegenden
Rechtsstreit die Interessen derjenigen ihrer Mitglieder wahrnimmt, die als im Güterkraftverkehr
gewerblich tätige KMU die fraglichen Beihilfen erhielten und diese nun gemäß Artikel 4 der
angefochtenen Entscheidung zurückzuzahlen haben.
25.
Der Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung der Artikel 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung
ist folglich nur zulässig, soweit diese Artikel die Beihilfen, die im Rahmen des PRI der Klägerin als
Mitglied angehörenden KMU mit Haupttätigkeit im Güterkraftverkehr gewährt wurden, für rechtswidrig
und für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklären und ihre Rückforderung anordnen.
Zur Begründetheit
26.
Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe.
27.
Der erste Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gerügt
wird, ist auf die Nichtigerklärung von Artikel 4 der angefochtenen Entscheidung gerichtet. Mit dem
zweiten Klagegrund, der auf die Nichtigerklärung von Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung
gerichtet ist, rügt sie einen Verstoß gegen die Artikel 92 Absatz 1 (nach Änderung jetzt Artikel 87
Absatz 1 EG) und 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) sowie, hilfsweise, gegen Artikel 92 Absatz 3
Buchstabe c EG-Vertrag. Der dritte Klagegrund, der auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung und des „Willkürverbots“ sowie
die Begründungspflicht gestützt ist, ist wie der erste Klagegrund auf die Nichtigerklärung der in Artikel
4 festgelegten Rückforderungspflicht gerichtet.
28.
Entsprechend dem Aufbau des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung und mit
Rücksicht darauf, dass eine Prüfung der auf Nichtigerklärung von Artikel 4 der Entscheidung
gerichteten Klagegründe nur zweckmäßig ist, wenn der gegen Artikel 3 geltend gemachte
Nichtigkeitsgrund nicht durchgreift, ist zunächst der zweite Klagegrund zu prüfen. Der erste und der
dritte Klagegrund sind sodann gemeinsam zu prüfen, da mit beiden die Nichtigerklärung von Artikel 4
begehrt wird und sie sich inhaltlich überschneiden.
1.
29.
Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen: Die Klägerin legt der Kommission erstens zur Last, sie
habe den PRI als eine selektive Maßnahme angesehen.Zweitens wendet sie sich dagegen, dass der
PRI den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt haben soll.
Drittens macht sie geltend, dass der PRI jedenfalls gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag
für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären gewesen wäre.
30.
Vor der Prüfung der verschiedenen Teile des Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin
nicht bestreitet, dass die im PRI festgelegte Maßnahme ein Zuschuss ist, da sie den Begünstigten
den Erwerb eines Nutzfahrzeugs zu einem ermäßigten Preis ermöglichte. So führt die Klägerin aus,
dass die Begünstigten „ohne diese Beihilfe eine solche Ausgabe schwerlich hätten bestreiten
können“. Sie bestreitet auch nicht, dass die Maßnahme aus dem Haushalt des spanischen
Ministeriums für Industrie und Energie finanziert wurde und damit staatlicher Herkunft war.
31.
Das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des geprüften Klagegrundes betrifft in erster Linie die
übrigen Anwendungsvoraussetzungen des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag, nämlich die Kriterien zum
einen der Spezifität und zum anderen der Verfälschung des Wettbewerbs und Beeinträchtigung des
Handels zwischen Mitgliedstaaten.
32.
Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission die Regelung des PRI zu Unrecht nicht als
allgemeine Maßnahme bewertet habe. Auch die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei
insoweit mangelhaft.
Zur Stichhaltigkeit der Beurteilung der Kommission
- Vorbringen der Parteien
33.
Die Klägerin führt zunächst aus, dass die Regelung des PRI nicht für eine bestimmte Kategorie von
Adressaten gelte, sondern für eine Vielzahl potenzieller, nicht von vornherein festgelegter
Begünstigter. Dies ergebe sich aus drei Gesichtspunkten.
34.
Erstens habe der PRI allen natürlichen Personen oder KMU offen gestanden, die in Spanien ein
neues Nutzfahrzeug gekauft und gleichzeitig ein seit mindestens zehn Jahren (bei Zugmaschinen
sieben Jahren) zugelassenes Nutzfahrzeug endgültig stillgelegt hätten. Zweitens enthalte der PRI kein
Kriterium, das nach der Staatsangehörigkeit des Erwerbers unterscheide. Dass das stillzulegende
Fahrzeug zuvor in Spanien habe zugelassen sein müssen, habe außerhalb Spaniens ansässige
Beförderer nicht vom PRI ausgeschlossen, denn es habe keine Anforderung gegeben, wonach der
Beihilfeempfänger selbst der Eigentümer des stillzulegenden Fahrzeugs habe sein müssen. Auch ein
ausländischer Fuhrunternehmer habe, um einen Zuschuss zu erlangen, mit einem ortsansässigen
Fuhrunternehmer vertraglich vereinbaren können, dass dieser ein Gebrauchtfahrzeug stilllege.
Drittens wären für die vorgeschriebene Stilllegung auch aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte
Fahrzeuge in Betracht gekommen, sofern sie in Spanien zugelassen gewesen seien.
35.
Weiterhin gelte nach dem im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) geschlossenen
Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen eine Subvention dann nicht als
spezifische Subvention, wenn für sie „horizontal anwendbare Kriterien und Bedingungen
wirtschaftlicher Art [gälten], die neutral [seien] und bestimmte Unternehmen nicht gegenüber
anderen bevorzug[t]en“. Im vorliegenden Fall habe, wie die Kommission in der angefochtenen
Entscheidung selbst einräume (Abschnitt IV elfter Absatz der Begründung), hinsichtlich der Vergabe
des Zuschusses keinerlei Ermessen bestanden.
36.
Wie sich aus der Entscheidung 93/369/EG der Kommission vom 13. März 1996 über eine steuerliche
Beihilfe in Form einer Abschreibungsregelung zugunsten der deutschen Luftverkehrsunternehmen
(ABl. L 146, S. 42) und dem darin zitierten Urteil des Gerichtshofes vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache
173/73 (Italien/Kommission, Slg. 1974, 709) ergebe, könne der PRI nicht als Beihilfe im Sinne von
Artikel 92 EG-Vertrag eingestuft werden, weil er allen Unternehmen offen stehe, deren Bezuschussung
nach dem Wesen und Aufbau des spanischen Systems zur Förderung des Umweltschutzes, der
Verkehrssicherheit und der Erneuerung des Fahrzeugbestands gerechtfertigt erscheine, und weil die
Ausklammerung der Großunternehmen wirtschaftlich vernünftig und deshalb für das ordnungsgemäße
Funktionieren und die Wirksamkeit der Regelung geboten sei.
37.
In ihrer Erwiderung hält die Klägerin den Gesichtspunkten, die die Kommission in ihrer
Klagebeantwortung als Belege für die Selektivität der Maßnahme anführt, das Argument entgegen,
dass ein spezifischer Charakter der fraglichen Beihilfe nur angenommen werden könne, wenn
bestimmte Wirtschaftszweige von der Beihilfeberechtigung ausgeschlossen wären (Urteil des
Gerichtshofes vom 7. Juni 1999 in der Rechtssache C-75/97, Belgien/Kommission, Slg. 1999, I-3671,
Randnrn. 25 und 30). Vom Geltungsbereich des PRI sei aber kein Wirtschaftszweig ausgeschlossen.
38.
Die Kommission, die insoweit auf die in der Vereinbarung vom 27. September 1994 (vgl. oben,
Randnr. 3) festgelegten Voraussetzungen verweist, widerspricht dem Vorbringen, dass die Regelung
der PRI eine allgemeine Maßnahme sei. Der Begriff der „spezifischen Subvention“ im WTO-
Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen sei für die Prüfung der
Anwendungsvoraussetzungen des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag ohne Bedeutung. Auch das
Vorbringen der Klägerin, die streitige Regelung sei aus mit ihrer Wirksamkeit zusammenhängenden
Gründen der wirtschaftlichen Vernunft gerechtfertigt, greife nicht durch.
- Würdigung durch das Gericht
39.
Die Spezifität einer staatlichen Maßnahme, nämlich ihr selektiver Charakter, ist eines der
Begriffsmerkmale der staatlichen Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag. Insoweit ist zu
prüfen, ob die fragliche Maßnahme Vergünstigungen gewährt, die ausschließlich bestimmten
Unternehmen oder bestimmten Wirtschaftszweigen zugute kommen (vgl. Urteile des Gerichtshofes
vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I-4551,
Randnr. 24, und vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache C-200/97, Ecotrade, Slg. 1998, I-7907,
Randnrn. 40 und 41, sowie Urteil Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 37, Randnr. 26).
40.
Zunächst ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die individuellen Adressaten der
Regelung des PRI nicht von vornherein festgestanden hätten. Dass eine Beihilfe nicht für einen von
vornherein festgelegten Begünstigten oder mehrere von vornherein festgelegte Begünstigte gilt,
sondern einer Reihe objektiver Voraussetzungen unterliegt, aufgrund deren sie im Rahmen eines
vorher festgelegten Gesamtbudgets einer unbestimmten Zahl zunächst nicht individualisierter
Begünstigter gewährt werden kann, genügt nämlich nicht, um den selektiven Charakter der
Maßnahme und damit ihre Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-
Vertrag zu verneinen. Aus diesen Umständen folgt lediglich, dass die fragliche Maßnahme keine
individuelle Beihilfe ist. Sie stehen jedoch nicht der Beurteilung der fraglichen staatlichen Intervention
als eine Beihilferegelung entgegen, die eine selektive und damit spezifische Maßnahme begründet,
sofern sie nach ihren Anwendungsvoraussetzungen bestimmten Unternehmen oder Branchen unter
Ausschluss anderer eine Vergünstigung gewährt.
41.
Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf ihre folgenden Ausführungen in der
angefochtenen Entscheidung (Abschnitt IV vierter Absatz der Begründung): „Hinsichtlich der Käufer
soll die Maßnahme natürlichen Personen, KMU, Gebietskörperschaften und kommunalen
Dienstleistungsunternehmen zugute kommen. Die Zuschüsse reduzieren die gewöhnlichen Kosten
ihrer unternehmerischen Tätigkeit, die ihre Konkurrenten tragen müssen. Nach Auffassung der
Kommission verbessert die Beihilfe die Finanzlage und die Handlungsmöglichkeiten der von der Beihilfe
begünstigten Unternehmen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern.“
42.
Nach diesem Auszug aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich der selektive Charakter der
Regelung des PRI daraus, dass sie nur für natürliche Personen, KMU, Gebietskörperschaften und
kommunale Dienstleistungsunternehmen gilt und dadurch andere Käufer von Nutzfahrzeugen
ausschließt.
43.
Auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission mit ihrem Schreiben vom 10. März 2000
(vgl. oben, Randnr. 17) in Kopie die Vereinbarung vom 27. September 1994 über die
Vergabevoraussetzungen und Zinszuschüsse im Rahmen des PRI übermittelt.
44.
Die Adressaten des PRI werden in der Vereinbarung wie folgt definiert:
„Die [Kredit-]Linie steht natürlichen und juristischen Personen offen, die ein Nutzfahrzeug erwerben.
Bei den juristischen Personen muss es sich um kleine oder mittlere Unternehmen handeln; unter
diesen Begriff fallen Unternehmen mit folgenden Merkmalen:
- eine Belegschaft mit unter 250 Beschäftigten;
- einen Jahresumsatz nicht über 20 Millionen ECU;
- einen Gesamtbetrag der Jahresbilanz von nicht über 10 Millionen ECU;
- einen Anteil von höchstens 25 % ihres Gesellschaftskapitals in Hand eines Großunternehmen,
ausgenommen öffentliche Unternehmen oder Unternehmen der Risikokapitalanlage.
Die Anforderung, dass es sich bei einer juristischen Personen um ein kleines oder mittleres
Unternehmen handeln muss, gilt nicht für Gemeinden, autonome Regionen oder öffentliche
Dienstleistungsunternehmen.
Das ICO kann ausnahmsweise nach Konsultation der Generaldirektion Industrie des Ministeriums für
Industrie und Energie Finanzierungen zugunsten von Personen gestatten, die keine der vorgenannten
Voraussetzungen erfüllen.“
45.
Laut der angefochtenen Entscheidung hat das Königreich Spanien im Verwaltungsverfahren erklärt:
„[Es wurde] in keinem Fall von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, in Ausnahmefällen Darlehen zu
genehmigen, bei denen die allgemeinen Bedingungen nicht erfüllt sind. Das Ziel dieser
Ausnahmeregelung besteht nämlich darin, Unternehmen die Möglichkeit der Inanspruchnahme des
[PRI] einzuräumen, die alle Bedingungen für eine Einstufung als KMU erfüllen, die aber durch
außergewöhnliche Umstände im Laufe eines Jahres eine dieser Bedingungen aufgrund minimaler
Abweichungen nicht mehr erfüllen.“
46.
Die Angaben des Königreichs Spanien im Verwaltungsverfahren, denen die Klägerin im vorliegenden
Verfahren nicht widersprochen hat, bestätigen, dass der PRI ausschließlich juristischen Personen „der
Gruppe .Gebietskörperschaften und kommunale öffentliche Dienstleistungsunternehmen'“ (Abschnitt
III dritter Absatz der Begründung der angefochtenen Entscheidung) sowie „natürliche[n] Personen
oder KMU“ zugute kam, „die durch die Begriffsbestimmungen des Gemeinschaftsrahmens über
staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen und die Empfehlung der Kommission vom 3.
April 1996 über die Begriffsbestimmung von kleinen und mittleren Unternehmen, die Beförderungen
auf fremde und auf eigene Rechnung durchführen, abgedeckt sind“ (Abschnitt III vierter Absatz).
47.
Demnach sollte der PRI unter den Verwendern von Nutzfahrzeugen nur natürlichen Personen, KMU,
kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften und kommunalen Dienstleistungsunternehmen
zugute kommen und kam auch nur ihnen zugute. Die übrigen Verwender von Nutzfahrzeugen, nämlich
Großunternehmen, konnten den PRI selbst dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie ebenso wie
dessen Begünstigte während seiner Geltungsdauer für ihre Beförderungsleistungen ein neues
Nutzfahrzeug als Ersatz für ein Gebrauchtfahrzeug erwarben.
48.
Es ist deshalb, ohne dass das weitere schriftliche Vorbringen der Kommission zu dieser Frage
geprüft zu werden braucht, festzustellen, dass die Kommission die Regelung des PRI zu Recht als
selektiv und damit als spezifisch im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag eingestuft hat.
49.
Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen in Frage gestellt, dass nicht nach der
Staatsangehörigkeit des Erwerbers des Nutzfahrzeugs unterschieden worden sei und dass der
Zuschuss auch bei Stilllegung eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Fahrzeugs
erhältlich gewesen sei.
50.
Der in diesem Zusammenhang angeführte Begriff der „Subvention“ im Sinne des Übereinkommens
über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen der WTO ist jedenfalls für die Einstufung der
Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne des Gemeinschaftsrechts, wie die Kommission zu Recht
geltend macht, ohne Bedeutung.
51.
Ebenso wenig stichhaltig ist schließlich das Vorbringen zu Wesen und Aufbau des spanischen
Systems zur Förderung des Umweltschutzes, der Verkehrssicherheit und der Erneuerung des
Fahrzeugbestands.
52.
Zwar können Maßnahmen, die eine Ungleichbehandlung zwischen Kategorien von Unternehmen
oder zwischen Wirtschaftszweigen bewirken, durch das Wesen oder die Struktur des Systems, zu der
sie gehören, gerechtfertigt sein (vgl. Urteile Italien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 36, Randnr. 33,
und Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 37, Randnrn. 33 und 34; vgl. auch Urteile des Gerichts
vom 27. Januar 1998 in der Rechtssache T-67/94, Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1998, II-1, Randnr.
76).
53.
Im vorliegenden Fall kann jedoch der einzige von der Klägerin angeführte Gesichtspunkt, dass der
PRI im Interesse des Umweltschutzes und einer erhöhten Verkehrssicherheit der Erneuerung des
Nutzfahrzeugbestands in Spanien gedient habe, nicht genügen, um den PRI als solchen als ein System
oder eine allgemeine Maßnahme oder aber als Teil irgendeines, von der Klägerin im Übrigen nicht
näher bezeichneten „spanischen Systems“ anzusehen. Folgte man diesem Vorbringen, so genügte es
für die Einstufung einer Beihilfe als von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag nicht erfasste allgemeine
Maßnahme, dass die Behörden lediglich die Berechtigung der mit dem Erlass der Maßnahme
verfolgten Ziele geltend machten.Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag unterscheidet jedoch nicht nach den
Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen
(Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission,
Slg. 1996, I-723, Randnr. 79, Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 39, Randnr. 20, und vom
17. Juni 1999 in der Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 37, Randnr. 25).
54.
Die Kommission hat im Übrigen in ihren Schriftsätzen zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin
nicht erklärt hat, aus welchen Gründen der Ausschluss von Großunternehmen durch das Wesen oder
den Aufbau des angeblichen Systems, das der PRI gebildet oder zu dem er gehört habe,
gerechtfertigt worden sei. Die nach Angaben der Klägerin von den spanischen Behörden mit dem PRI
verfolgten Ziele rechtfertigen diesen Ausschluss jedenfalls nicht, da auch die Überalterung der
Nutzfahrzeuge von Großunternehmen eine Gefahr für den Umweltschutz und die Verkehrssicherheit
bedeutet.
55.
Das Vorbringen der Klägerin gegen die Feststellung der Kommission, der PRI sei seinem Charakter
nach selektiv gewesen, ist deshalb zurückzuweisen.
Zur Begründung der angefochtenen Entscheidung
- Vorbringen der Parteien
56.
Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe den Begriff der Beihilfe in Abschnitt IV der
Begründung der angefochtenen Entscheidung durch drei Merkmale, die Verwendung staatlicher
Mittel, die Verzerrung des Wettbewerbs und die Beeinträchtigung des Handels, bestimmt, ohne sich im
Geringsten auf das Kriterium der Spezifität zu beziehen. Dieses Versäumnis bilde einen
Begründungsmangel.
57.
Die Kommission hat hierzu nichts vorgetragen.
- Würdigung durch das Gericht
58.
Nach ständiger Rechtsprechung muß die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung
der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des
Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen,
dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der
Gemeineschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann. In der Begründung eines Rechtsakts brauchen
nicht alle tatsächlich oder rechtlich relevanten Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob
die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 190 EG-Vertrag genügt, nicht nur im
Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher
Rechtsvorschriften auf dembetreffenden Gebiet (Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache
Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 53, Randnr. 86).
59.
Wird dieser Grundsatz auf die Einstufung einer Maßnahme als Beihilfe angewandt, so müssen die
Gründe angegeben werden, aus denen die fragliche Beihilfemaßnahme nach Ansicht der Kommission
unter Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages fällt (Urteile des Gerichts vom 30. April 1998 in den
Rechtssachen T-214/95, Vlaams Gewest/Kommission, Slg. 1998, II-717, Randnr. 67, und T-16/96,
Cityflyer Express/Kommission, Slg. 1998, II-757, Randnr. 66).
60.
Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Abschnitt IV erster Absatz der Begründung der
angefochtenen Entscheidung zunächst auf den Inhalt des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag verwiesen.
Dass sie den Begriff der Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung anschließend ohne förmliche
Bezugnahme auf das Spezifitätserfordernis zusammenfasste, beeinträchtigt nicht die oben in
Randnummer 41 wiedergegebenen Ausführungen im selben Abschnitt der Entscheidungsbegründung,
die klar und unzweideutig erkennen lassen, dass die Kommission dieses Erfordernis bei der Prüfung
der Anwendbarkeit von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag auf den PRI berücksichtigte.
61.
Die Klägerin hatte außerdem klar erfasst, dass der selektive Charakter des PRI in der
angefochtenen Entscheidung daraus hergeleitet worden war, dass Großunternehmen von seinen
Vergünstigungen ausgeschlossen waren. In ihrer Klageschrift versucht sie nämlich, diesen Ausschluss
mit Erwägungen zu rechtfertigen, die mit dem angeblichen Wesen und Aufbau des spanischen
Systems zusammenhängen (vgl. oben, Randnr. 36).
62.
Die Rüge der Klägerin, die angefochtene Entscheidung sei hinsichtlich des Kriteriums der Spezifität
der streitigen Beihilferegelung mangelhaft begründet, ist deshalb zurückzuweisen.
63.
Der erste Teil des geprüften Klagegrundes ist somit insgesamt zurückzuweisen.
64.
Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass der PRI den
Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt habe. Auch insoweit
sei die angefochtene Entscheidung übrdies unzureichend begründet.
Zur Richtigkeit der Beurteilung durch die Kommission
- Vorbringen der Parteien
65.
Die Klägerin hebt zunächst hervor, dass der PRI im Wesentlichen für Fahrzeuge gelte, die nicht mit
Fahrzeugen aus anderen Mitgliedstaaten konkurrierten.Fahrzeuge, für die es eine solche Konkurrenz
gebe, würden nämlich lange, bevor eine Zulassungsdauer von zehn Jahren erreicht sei, ausgetauscht,
die aber Voraussetzung für einen Zuschuss nach dem PRI gewesen sei. Die einzige
Fahrzeugkategorie, für die möglicherweise ein innergemeinschaftlicher Wettbewerb bestehe, seien
Lastkraftwagen, die für den inländischen öffentlichen Lastkraftverkehr zugelassen seien. Von den
Fahrzeugen dieser Kategorie hätten jedoch nur 10 % die Schwelle der zehnjährigen Zulassung
erreicht.
66.
Die offensichtlich mangelnde Attraktivität des PRI bei nicht in Spanien ansässigen
Verkehrsunternehmen liege ausschließlich an den Zusatzkosten, die diese bei seiner
Inanspruchnahme aufbringen müssten. Dieser Nachteil sei aber durch den geringen Zinssatz, der
ausländischen Verkehrsunternehmen in ihrem Herkunftsland zugute gekommen sei, mehr als
ausgeglichen worden. Da in anderen Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen jedenfalls vom PRI nicht
ausgeschlossen worden seien, könne dieser nicht allein deshalb, weil er sich für diese möglicherweise
als ungünstiger als für spanische Unternehmen erwiesen habe, unter Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag
fallen (Mitteilung der Kommission über die Beihilfenüberwachung und Senkung der Arbeitskosten; ABl.
1997, C 1, S. 10, Randnrn. 12 und 13).
67.
Aus all diesen Gründen seien die Auswirkungen des PRI auf den Wettbewerb im Beförderungswesen
völlig unerheblich gewesen. Nach der Rechtsprechung greife Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag aber nur
dann ein, wenn der Wettbewerb und der zwischenstaatliche Handel spürbar oder deutlich
beeinträchtigt seien (Urteile des Gerichtshofes vom 25. Juni 1970 in der Rechtssache 47/69,
Frankreich/Kommission, Slg. 1970, 487, Randnr. 16, vom 14. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/84,
Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, Randnr. 18, und vom 2. Februar 1988 in den verbundenen
Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85, Van der Kooy u. a./Kommission, Slg. 1988, 219, Randnr. 58).
68.
Wegen seiner geringen Höhe (von 3 341 ECU pro Fahrzeug als absoluter Wert oder 6,5 % des
Kaufpreises des Fahrzeugs ohne Mehrwertsteuer als relativer Wert) könne der streitige Zuschuss
auch nicht den Wettbewerb auf einem internationalen Markt verfälscht haben, auf dem die
Finanzierungsbedingungen von Land zu Land erheblich voneinander abwichen. Jedenfalls habe die
Beihilfe nur die Kaufentscheidung beeinflusst, nicht aber die Preise des begünstigten Unternehmens
für seine Beförderungsleistungen, da die entsprechende Ersparnis auf die gesamte Nutzungsdauer
des in diesem Rahmen erworbenen Fahrzeugs verteilt worden sei. Im Wesentlichen hätten die von der
streitigen Maßnahme Begünstigten von ihr aus anderen Gründen Gebrauch gemacht, so wegen der
leichten Verfügbarkeit des Darlehens im Rahmen des PRI und wegen der günstigen Auswirkungen
einer Erneuerung des Fahrzeugbestands (höhere Sicherheit, mehr Komfort und Verbesserung der
Lebensqualität der Beförderer; Reduzierung der Umweltverschmutzung).
69.
Schließlich verweist die Klägerin auf verschiedene Charakteristika des Beförderungsgewerbes und
nimmt zu der von der Kommission in der streitigen Entscheidung erwähnten Überkapazität in dieser
Branche Stellung.
70.
Sie macht erstens geltend, dass der PRI die Zahl der Nutzfahrzeuge nicht erhöht habe, da der
Zuschuss nur bei Stilllegung eines Gebrauchtfahrzeugs gewährt worden sei. Wie die Kommission in der
angefochtenen Entscheidung (Abschnitt III neunter Absatz der Begründung) ausgeführt habe, habe
das bezuschusste Neufahrzeug nur in 12,3 % der Fälle (1 758 Fahrzeuge) einer höheren Kategorie
angehört als das stillgelegte Fahrzeug, womit sich die Kapazität des Nutzfahrzeugbestands in Spanien
nur um 0,05 % erhöht habe.
71.
Zweitens erbrächten nach Angaben von Eurostat 91,4 % der in Spanien tätigen
Beförderungsunternehmen Beförderungsleistungen im Inland, was zeige, dass der streitige Zuschuss
sich auf den internationalen Markt des Beförderungsgewerbes nur wenig ausgewirkt habe.
72.
Drittens könne nicht gesagt werden, dass die Ersparnis eines KMU, das sein Fahrzeug mit Rücksicht
auf den PRI früher ersetzt habe, automatisch einen Vorteil oder eine Senkung seiner Preise, die den
Wettbewerb hätten verfälschen können, bewirkt habe, da Beförderungsleistungen zahlreiche
verschiedene Kosten verursachten und ein KMU durch die finanzielle Investition und die
Amortisierungskosten des Erwerbs eines Nutzfahrzeugs erheblich belastet werde.
73.
Die Kommission macht geltend, dass nach Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag eine Verfälschung des
Wettbewerbs durch die Gewährung der streitigen Beihilfen nicht erforderlich sei. Die Bestimmung
verlange nur, dass die Beihilfen den Wettbewerb zu verfälschen drohten (Urteil Vlaams
Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 46). Im Bereich an die Straße gebundener
Beförderungsleistungen bestünden erhebliche strukturelle Probleme infolge einer Überkapazität.
Deshalb müsse jede Beihilfe, die - so gering sie auch sei - diese Situation weiter verschlechtern
könne, an besonders strengen Kriterien gemessen werden. Die fragliche Branche sei außerdem,
besonders in Spanien, durch eine starke Zersplitterung des Angebots gekennzeichnet, weshalb eine
Beihilfe, die in absoluten Werten gering erscheinen könne, den Wettbewerb und den Handel zwischen
den Mitgliedstaaten in Wirklichkeit erheblich beeinflussen könne (Urteil des Gerichtshofes vom 14.
September 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92,
Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnr. 42). Im vorliegenden Fall sei dieser Einfluss in
doppelter Hinsicht bedeutsam gewesen, denn die Begünstigten hätten ihre Betriebsmittel nicht nur
erneuert, sondern in bestimmten Fällen außerdem verstärkt, da das erworbene Fahrzeug einer
höheren Kategorie angehören könne als das stillgelegte.
74.
Unter diesen Umständen habe sie nur feststellen können, dass die in Artikel 3 der angefochtenen
Entscheidung genannten Beihilfen den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigt hätten (Urteil
Vlaams Gewest/Kommission, zitiert oben inRandnr. 59, Randnr. 49). Aus dem letztgenannten Urteil
ergebe sich, dass eine Analyse der konkreten Auswirkungen der Beihilfen auf den
innergemeinschaftlichen Handel nicht erforderlich gewesen sei. Auch das Vorbringen der Klägerin,
wonach die vom PRI betroffenen Fahrzeuge für den Wettbewerb nur eine geringe Bedeutung gehabt
hätten (vgl. oben, Randnr. 65), sei nicht stichhaltig.
- Würdigung durch das Gericht
75.
Aus den oben in den Randnummern 24 und 25 genannten Gründen hat das Gericht die Fragen
einer Wettbewerbsverzerrung und Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten im
vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich für den Wirtschaftszweig des Güterkraftverkehrs zu
beurteilen.
76.
Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung (Abschnitt II der Begründung)
verschiedene Verordnungen des Rates angeführt, durch die dieser Wirtschaftszweig sowohl
hinsichtlich internationaler als auch inländischer Gütertransporte schrittweise dem
gemeinschaftlichen Wettbewerb geöffnet wurde.
77.
Sie hat in der angefochtenen Entscheidung (Absatz IV vierter Absatz zweiter Satz der Begründung)
weiter hervorgehoben, dass die nach dem PRI gewährten Zuschüsse die gewöhnlichen Kosten der
unternehmerischen Tätigkeit der Begünstigten reduziert hätten, während diese Kosten von ihren
Konkurrenten weiterhin zu tragen gewesen wären. Die streitige Beihilfe habe damit die Finanzlage und
die Handlungsmöglichkeiten der Begünstigten gegenüber ihren Wettbewerbern verbessert (folgender
Satz der Begründung). Sodann hat die Kommission ausgeführt (Abschnitt IV achter Absatz der
Begründung der angefochtenen Entscheidung): „Die ... Begünstigten, deren hauptsächliche
[Tätigkeit] das Beförderungsgewerbe ist, stehen ... mit Verkehrsunternehmen aus Spanien oder
anderen Mitgliedstaaten, die nicht auf die Beihilfen des [PRI] zurückgreifen können, in Wettbewerb, da
die Liberalisierung des Güterkraftverkehrs im Jahre 1990 den Wettbewerb mit Unternehmen anderer
Mitgliedstaaten sowohl im internationalen als auch im Kabotagesektor ermöglicht hat.“
78.
Die Kommission hat ferner dargelegt, aus welchen Gründen die Bindung des Zuschusses an die
Stilllegung eines in Spanien zugelassenen Fahrzeugs dort nicht ansässige Beförderungsunternehmen
mittelbar diskriminiert und dadurch den Wettbewerb zwischen ihnen und den in Spanien ansässigen
Beförderungsunternehmern verfälscht habe (Abschnitt IV neunter und zehnter Absatz der Begründung
der angefochtenen Entscheidung).
79.
Die Kommission gelangte so zu folgendem Ergebnis (zwölfter Absatz):
„Stärkt eine Beihilfe die Stellung von Unternehmen eines bestimmten am innergemeinschaftlichen
Handel beteiligten Wirtschaftszweigs, so stellt dies eine Beeinträchtigung des Handels im Sinne von
Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag dar. Da die im [PRI] vorgesehene Beihilfe die Finanzlage und die
Handlungsmöglichkeiten der begünstigten Unternehmen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern
verbessert und dies Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel hat, ist die Kommission
der Ansicht, dass dieser durch die Gewährung der Beihilfen beeinträchtigt werden könnte.“
80.
Im Lichte der Ausführungen der Klägerin ist zu prüfen, ob diese Beurteilung der Kommission
stichhaltig ist.
81.
Die KMU, denen die streitigen Beihilfen zugute kamen, stehen in der Branche des
Güterkraftverkehrs unstreitig in Wettbewerb mit Großunternehmen, die den PRI nicht in Anspruch
nehmen konnten (vgl. oben, Randnr. 47). Es lässt sich auch nicht bestreiten, dass der internationale
Güterkraftverkehr, in dessen Bereich zumindest ein Teil der von der Klägerin im vorliegenden Fall
vertretenen KMU - von der Klägerin unwidersprochen - tätig sind, wegen seines grenzüberschreitenden
Charakters durch einen lebhaften gemeinschaftlichen Wettbewerb gekennzeichnet ist und dass der
Wettbewerb im inländischen Güterkraftverkehr infolge der rechtlichen Liberalisierung, auf die die
Kommission in Abschnitt II der Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt, seit
mehreren Jahren zumindest potenziell eine gemeinschaftliche Dimension aufweist.
82.
Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass die streitigen Zuschüsse die Begünstigten in ihrem
laufenden Geschäftsbetrieb finanziell entlasteten, indem sie „die gewöhnlichen Kosten ihrer
unternehmerischen Tätigkeit [reduzierten]“ (Abschnitt IV vierter Absatz der Begründung der
angefochtenen Entscheidung). Wie oben in Randnummer 30 erwähnt, weist sie vielmehr darauf hin,
dass die Begünstigten ohne die Beihilfe den Kaufpreis für ein neues Nutzfahrzeug nicht hätten
aufbringen können.
83.
Nach der Rechtsprechung sind Beihilfen, die wie hier einen Teil der Investitionen für regelmäßig
erforderliche Erneuerungen abdecken, Betriebsbeihilfen (Urteil des Gerichthofes vom 8. März 1988 in
den verbundenen Rechtssachen 62/87 und 72/87, Exécutif régional wallon et Glaverbel/Kommission,
Slg. 1988, 1573, Randnrn. 31 bis 34). Derartige Beihilfen, mit denen ein Unternehmen von Kosten
befreit werden soll, die es normalerweise im Rahmen seines laufenden Betriebes oder seiner üblichen
Tätigkeiten hätte tragen müssen, verfälschen nämlich grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen
(Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in der Rechtssache 459/83, Siemens/Kommission, Slg. 1995, II-
1675, Randnrn. 48 und 77, und Vlaams Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 43).
Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, verbesserte der Vorteil, der
den von den Zuschüssen begünstigten Unternehmen im vorliegenden Fall gewährt wurde, tatsächlich
ihre finanzielle Lage und ihre Handlungsmöglichkeiten und bevorzugte sie damit gegenüber ihren
Wettbewerbernin Spanien oder anderen Mitgliedstaaten, die wegen ihrer Größe die streitige Beihilfe
nicht in Anspruch nehmen konnten (in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 11. November
1987 in der Rechtssache 259/85, Frankreich/Kommission, Slg. 1987, 4393, Randnr. 24).
84.
Auch wenn die in der Vereinbarung vom 27. September 1994 (vgl. oben, Randnr. 3) festgelegten
Voraussetzungen, wie die Kommission weiter ausführt (Abschnitt IV neunter Absatz der Begründung
der angefochtenen Entscheidung), außerhalb Spaniens ansässige KMU nicht förmlich von einer
Inanspruchnahme des PRI ausschloss, bürdeten sie ihnen doch, wie die Klägerin selbst eingeräumt
hat, zusätzliche Kosten auf. Durch die Bindung der Beihilfe an die Stilllegung eines in Spanien
zugelassenen Fahrzeugs verpflichtete der PRI nämlich nicht in Spanien ansässige
Beförderungsunternehmen, um einen Zuschuss zu erlangen, zum vorherigen Abschluss einer
Vereinbarung mit einem ortsansässigen Wirtschaftsteilnehmer, wonach dieser ein solches Fahrzeug
stilllegte, während ortsansässige Beförderungsunternehmen den Zuschuss ohne derartige
Vorkehrungen unmittelbar beanspruchen konnten. Die Kommission gelangte deshalb zu Recht zu dem
Ergebnis (Abschnitt IV zehnter Absatz der Begründung der angefochtenen Entscheidung), dass die
Gewährung der Beihilfe nach dem PRI „auch zu einer Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den in
Spanien niedergelassenen Verkehrsunternehmen und solchen ..., die in Spanien tätig, aber in
anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, [führte]“.
85.
Das Vorbringen der Klägerin, dass dieser Nachteil weitgehend durch die geringen Zinssätze in
anderen Mitgliedstaaten ausgeglichen worden sei, wird nicht nur durch kein konkretes Beweiselement
gestützt, sondern ändert auch nichts an der Feststellung, dass die Intervention der spanischen
Behörden mittels des PRI die aus dem normalen Spiel der Marktgesetze resultierenden
Wettbewerbsbedingungen künstlich veränderte. Eine staatliche Zuwendung würde den Charakter
einer Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag auch nicht deshalb verlieren, weil sich die
Lage des Begünstigten trotz des mit der Zuwendung gewährten Vorteils nicht so günstig gestaltete
wie die ihrer Wettbewerber in anderen Mitgliedstaaten.
86.
Wie die Kommission zu Recht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, beeinflusst eine
staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Finanzhilfe den innergemeinschaftlihcen Handel,
wenn sie die Stellung eines Unternehmens gegenüber konkurrierenden Unternehmen im
innergemeinschaftlichen Handel stärkt (Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der
Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 11, vom 17. Juni 1999 in der
Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 37, Randnr. 47, und Vlaams
Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 50). Im Übrigen kann eine Beihilfe den Handel
zwischen Mitgliedstaaten auch dann beeinträchtigen oder den Wettbewerb verfälschen, wenn das
begünstigte Unternehmen, das im Wettbewerb mit Unternehmen anderer Mitgliedstaaten steht,nicht
selbst an grenzüberschreitenden Tätigkeiten teilnimmt. Gewährt nämlich ein Mitgliedstaat einem
Unternehmen eine Beihilfe, so kann dies das inländische Angebot stabilisieren oder erhöhen und
damit die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen mindern, ihre Leistungen
auf dem Markt dieses Mitgliedstaats anzubieten (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 21.
März 1991 in der Rechtssache C-303, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433, Randnr. 27).
87.
Die Klägerin hat nicht der Feststellung der Kommission widersprochen, dass im Güterkraftverkehr
eine Überkapazität besteht (Abschnitt V fünfzehnter Absatz der Begründung der angefochtenen
Entscheidung). Weiterhin erlaubte der PRI unstreitig die Ersetzung eines Gebrauchtfahrzeugs der
Kategorien B, C oder D durch ein Neufahrzeug höherer Kategorie (Abschnitt I letzter Absatz der
Begründung der angefochtenen Entscheidung), die, wie die Klägerin nicht in Abrede gestellt hat, in
12,3 % der Fälle auch tatsächlich gewählt wurde (Abschnitt III neunter Absatz der Begründung der
angefochtenen Entscheidung). Damit wurde die Überkapazität in der fraglichen Branche weiter
erhöht.
88.
Die Kommission gelangte deshalb zu Recht zu dem Ergebnis (Abschnitt IV letzter Absatz der
Begründung der angefochtenen Entscheidung), dass die Gewährung der streitigen Zuschüsse
geeignet war, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen (in diesem Sinne Urteil vom 17.
Juni 1999 in der Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 37, Randnr. 51).
89.
Ungeachtet der Frage, wie viel Prozent der insgesamt vorhandenen Nutzfahrzeuge bezuschusst
wurden und welchen Marktanteil die von den Beihilfen begünstigten KMU hielten, wurde durch die
Maßnahme jedenfalls der gemeinschaftliche Wettbewerb verfälscht und der Handel zwischen
Mitgliedstaaten beeinträchtigt.
90.
Was das Argument angeht, die vom PRI betroffenen Fahrzeuge seien nur in geringem Masse
wettbewerbsfähig gewesen, so diente die Beihilfe gerade dem Austausch eines mehr als zehn Jahre
alten Fahrzeugs durch ein Neufahrzeug. Wie die Kommission schriftlich zutreffend ausgeführt hat,
verbesserte der PRI die Wettbewerbsposition der begünstigten Unternehmen, indem er ihnen den in
der Überalterung des ersetzten Fahrzeugs liegenden Nachteil abnahm.
91.
Auch das Vorbringen der Klägerin, die Beihilfe sei nur gering gewesen, sie habe den Entschluss der
Unternehmen, den PRI in Anspruch zu nehmen, nur wenig beeinflusst und sich auf die von ihnen
angewandten Preise nicht ausgewirkt, greift nicht durch.
92.
Gewährt der Staat einem Unternehmen einen nur geringen Vorteil, so wird der Wettbewerb zwar
auch nur gering verfälscht, jedenfalls aber wird er verfälscht. Das Verbot des Artikels 92 Absatz 1 EG-
Vertrag gilt jedoch für jede Beihilfe, die den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht,
unabhängig von ihrer Höhe, sofern sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt (Urteil
VlaamsGewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 46). Demgemäß schließt weder der
verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe Größe des
begünstigten Unternehmens von vornherein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels
zwischen Mitgliedstaaten aus (Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-
142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 43, und Urteile Spanien/Kommission, zitiert
oben in Randnr. 73, Randnrn. 40 bis 42, und Vlaams Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59,
Randnr. 48). So können auch verhältnismäßig geringe Beihilfen den Handel zwischen Mitgliedstaaten
beeinträchtigen, wenn in der Branche ein lebhafter Wettbewerb herrscht (Urteil vom 21. März 1991 in
der Rechtssache Italien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 86, Randnr. 27), wie es im
Güterkraftverkehr, in dem viele Kleinunternehmen tätig sind, der Fall ist.
93.
Im Übrigen räumt die Klägerin selbst ein, dass die Begünstigten die Kosten für die Erneuerung ihres
Nutzfahrzeugparks ohne den streitigen Zuschuss nicht hätten aufbringen können (vgl. oben, Randnr.
30). Unabhängig davon, aus welchen Gründen sie den PRI in Anspruch nahmen und wie sich der
dadurch erlangte Vorteil auf ihre Preisgestaltung auswirkte, lässt sich somit nicht bestreiten, dass der
fragliche Zuschuss es ihnen erleichterte, ihre Betriebsmittel zu verbessern, und dadurch ihre Stellung
gegenüber ortsansässigen oder ausländischen, tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbern
stärkte.
94.
Nach alledem gelangte die Kommission zu Recht zu dem Schluss, dass durch die Gewährung der in
Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung genannten Beihilfen der Handel zwischen Mitgliedstaaten
beeinträchtigt und der Wettbewerb verfälscht wurde oder verfälscht zu werden drohte. Entgegen der
Argumentation der Klägerin setzt dieses Ergebnis nach der Rechtsprechung nicht voraus, dass die
Wettbewerbsverzerrung oder deren Gefahr und die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen
Handels spürbar oder erheblich waren (Urteile vom 21. März 1990 in der Rechtssache
Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 92, Randnrn. 42 und 43, und Vlaams Gewest/Kommission,
zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 46).
95.
Das Vorbringen der Klägerin, wonach die Beurteilung der Kommission insoweit nicht stichhaltig sei,
ist deshalb zurückzuweisen.
Zur Begründung der angefochtenen Entscheidung
- Vorbringen der Parteien
96.
Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die formale Liberalisierung des Güter- und
Personenkraftverkehrs in der angefochtenen Entscheidung nur theoretisch erörtert, ohne die
wirkliche Marktsituation, den Marktanteil der durch die Beihilfe begünstigten Unternehmen, die
Stellung der konkurrierendenUnternehmen und die Erbringung der fraglichen Dienstleistungen
zwischen den Mitgliedstaaten zu untersuchen, was jedoch nach der Rechtsprechung erforderlich
gewesen wäre (Urteile des Gerichtshofes vom 13. März 1985 in den verbundenen Rechtssachen
296/82 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809,
Randnr. 24, und vom 24. Oktober 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-
63/95, Slg. 1996, I-5151, Randnr. 54).
97.
Entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990
in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307, Randnr. 43) habe die
Kommission auch nicht begründet, warum sie das Vorbringen, es liege keine signifikante Verzerrung
des Wettbewerbs und keine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten vor, im
Verwaltungsverfahren stillschweigend zurückgewiesen habe.
98.
Aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung (vgl. oben, Randnr. 96) ergebe sich, dass die
Kommission im Fall rechtswidrig gewährter Beihilfen hinsichtlich der Verzerrung des Wettbewerbs und
der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels einer wesentlich strengeren
Begründungspflicht genügen müsse.
99.
Die Kommission führt aus, aus welchen Gründen die fragliche Rechtsprechung (vgl. oben, Randnr.
96) im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Sie habe den sich aus der Rechtsprechung ergebenden
Begründungsanforderungen genügt, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Umstände
beschrieben habe, aus denen sich die Eignung des PRI zur Beeinträchtigung des Handels zwischen
Mitgliedstaaten ergebe. Wenn die Beihilfen, wie im vorliegenden Fall, bei ihr nicht angemeldet worden
seien, brauche sie überdies nach der Rechtsprechung die tatsächlichen Auswirkungen dieser
Beihilfen auf den Wettbewerb und den innergemeinschaftlichen Handel nicht darzulegen (Urteil vom
14. Februar 1990 in der Rechtssache Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 97, Randnr. 33).
- Würdigung durch das Gericht
100.
Zwar kann sich in bestimmten Fällen bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt
worden ist, ergeben, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt oder den
Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht. Jedoch muss die Kommission diese Umstände in der
Begründung ihrer Entscheidung zumindest angeben (Urteile des Gerichtshofes vom 14. November
1984 in der Rechtssache 323/82, in der Rechtssache Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809, Randnr.
38, und Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, zitiert oben in Randnr. 96,
Randnr. 24).
101.
Im vorliegenden Fall wurden die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen, die bei der
Beurteilung der Voraussetzungen für die Wettbewerbsverzerrung und die Beeinträchtigung des
zwischenstaatlichen Handels berücksichtigt wurden, in den vorstehend zusammengefassten Passagen
derangefochtenen Entscheidung (vgl. oben, Randnrn. 76 bis 79) hinreichend dargelegt. Diesen
Ausführungen konnten die Klägerin und das Gericht die Gründe entnehmen, aus denen die streitigen
Beihilfen diese Voraussetzungen nach Ansicht der Kommission erfüllten.
102.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin brauchte die Kommission nicht die tatsächliche Situation auf
dem betroffenen Markt, den Marktanteil der durch die Beihilfe begünstigten Unternehmen, die
Stellung der konkurrierenden Unternehmen und den Austausch der fraglichen Dienstleistungen
zwischen Mitgliedstaaten wirtschaftlich zu analysieren, da sie dargelegt hatte, weshalb die streitigen
Beihilfen den Wettbewerb verfälschten und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten (in
diesem Sinne Urteil Philip Morris/Kommission, zitiert oben in Randnr. 86, Randnrn. 9 bis 12, und Vlaams
Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 67).
103.
Im Fall rechtswidrig gewährter Beihilfen braucht die Kommission auch nicht die tatsächlichen
Auswirkungen der Beihilfen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten
nachzuweisen. Eine solche Verpflichtung würde nämlich die Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter
Verstoß gegen die Anmeldepflicht aus Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag zahlen, zu Lasten derjenigen
begünstigen, die Beihilfen bereits in der Planungsphase anmelden (Urteile vom 14. Februar 1990 in
der Rechtssache Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 97, Randnr. 33, und Vlaams
Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 67).
104.
Schließlich ist neben der oben in Randnummer 58 zitierten Rechtsprechung darauf hinzuweisen,
dass die Kommission bei der Begründung ihrer Entscheidungen, die sie erlässt, um die Anwendung
der Wettbewerbsregeln sicherzustellen, nicht zu allen ihr von den Beteiligten vorgetragenen
Argumenten Stellung zu nehmen braucht. Es reicht aus, dass sie die Tatsachen und rechtlichen
Erwägungen anführt, denen nach der Systematik der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung
zukommt (Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1992 in der Rechtssache T-44/90, La Cinq/Kommission,
Slg. 1992, II-1, Randnr. 41, mit weiteren Nachweisen, und Urteile Siemens/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 83, Randnr. 31, und Vlaams Gewest/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnr. 63); dies
hat sie hier jedoch getan.
105.
Das Vorbringen der Klägerin, dass die Begründung hinsichtlich der für die Wettbewerbsverzerrung
und die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten maßgebenden Kriterien mangelhaft
sei, ist deshalb zurückzuweisen.
106.
Der zweite Teil des geprüften Klagegrundes ist danach insgesamt zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
107.
Die Klägerin macht geltend, selbst wenn man davon ausginge, dass der PRI den Wettbewerb und
den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt habe, sei er gleichwohl gemäß Artikel 92 Absatz 3
Buchstabe c EG-Vertrag für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.
108.
Die Kommission hat hierzu nicht Stellung genommen.
Würdigung durch das Gericht
109.
Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Anwendung von Artikel 92 Absatz 3
EG-Vertrag über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen
voraussetzt, die in einem gemeinschaftlichen Zusammenhang vorzunehmen sind (Urteile Philip
Morris/Kommission, zitiert oben in Randnr. 86, Randnr. 24, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache
Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 37, Randnr. 55). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine
staatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, sind vielschichtige und raschen
Änderungen unterliegende wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten zu berücksichtigen und zu
bewerten (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache
Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 97, Randnr. 15, vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-
39/94, SFEI u. a., Slg. 1996, I-3547, Randnr. 36, und vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-
169/95, Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-135, Randnr. 18).
110.
Unter diesen Umständen kann der Gemeinschaftsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage
lediglich feststellen, ob die angefochtene Entscheidung der Kommission, die Ausnahme des Artikels
92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag auf die streitigen Beihilfen nicht anzuwenden, mit einem der in
Artikel 173 EG-Vertrag genannten Rechtsfehler behaftet ist; er ist aber nicht befugt, seine Würdigung
des Sachverhalts, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht, an die Stelle derjenigen des Urhebers der
Entscheidung zu setzen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91,
Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 23; Urteil Ladbroke Racing/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 52, Randnr. 147). Die gerichtliche Überprüfung hat sich in einem solchen Fall darauf zu
beschränken, ob die Verfahrens- und Begründungsregeln eingehalten worden sind, ob der
Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob bei der Würdigung dieses Sachverhalts ein
offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch festzustellen ist (Urteile
Matra/Kommission, Randnr. 25, und vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache Belgien/Kommission,
zitiert oben in Randnr. 53, Randnr. 11; Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache T-
106/95, FFSA u. a./Kommission, Slg. 1997, II-229, Randnr. 101, und Urteile Ladbroke
Racing/Kommission, zitiert oben in Randnr. 52, Randnr. 148, sowie vom 25. Juni 1998 in den
verbundenen Rechtssachen T-371/94 und T-394/94, British Airways und British Midland
Airways/Kommission, Slg. 1998, II-2405, Randnr. 79).
111.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin kein Anhaltspunkt dafür, dass die
angefochtene Entscheidung rechtswidrig sein könnte,soweit die Kommission es darin auf der
Grundlage ihrer detaillierten Ausführungen in Abschnitt V der Begründung ablehnte, die Ausnahme
des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag auf die in Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung
genannten Beihilfen anzuwenden.
112.
Der zweite Klagegrund ist deshalb insgesamt zurückzuweisen.
113.
Mit dem ersten und dem dritten Klagegrund begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung von Artikel 4
der angefochtenen Entscheidung, der das Königreich Spanien verpflichtet, die in Artikel 3 genannten
Beihilfen einzustellen und von den Empfängern zurückzufordern. Die Klägerin stützt diese beiden
Klagegründe auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der
Verhältnismäßigkeit sowie gegen die Begründungspflicht. Sie macht weiterhin einen Verstoß gegen
die Grundsätze der Gleichbehandlung und des „Willkürverbots“ geltend. Da sie diese Gesichtspunkte
in ihren Schriftsätzen nicht gesondert behandelt, ist davon auszugehen, dass sie einen Teil der drei
vorgenannten Rügen bilden.
114.
Die Klägerin führt aus, infolge außergewöhnlicher Umstände hätten die Empfänger der Beihilfen
geglaubt, dass diese rechtmäßig seien. Auch die Dauer des Verwaltungsverfahrens habe bei den
Empfängern ein berechtigtes Vertrauen geschaffen.
Zum behaupteten Bestehen außergewöhnlicher Umstände
- Vorbringen der Parteien
115.
Die Klägerin hebt zunächst hervor, dass der PRI den Zielen des Umweltschutzes und der Sicherheit
des Straßenverkehrs gedient habe, und verweist sodann darauf, dass sich der Empfänger einer
angeblich rechtswidrigen Beihilfe nach der Rechtsprechung ausnahmsweise auf Umstände berufen
könne, aufgrund deren sein Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe geschützt sei (Urteile des
Gerichtshofes vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-5/89, Kommission/Deutschland, Slg.
1990, I-3437, Randnr. 16, und 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-183/91, Kommission/Griechenland,
Slg. 1993, I-3131, Randnr. 18).
116.
Gerade solche außergewöhnlichen Umstände lägen hier vor. Erstens hätten die Empfänger die
Darlehen ohne jede Intervention der öffentlichen Verwaltung imWesentlichen bei privaten Banken
aufgenommen, ohne sich, da es bei den kleinen Unternehmen keine „europäischen Gepflogenheiten“
gebe, darüber im Klaren zu sein, dass diese Darlehen Elemente einer staatlichen Beihilfe aufweisen
könnten. Zweitens seien sie von den spanischen Behörden nie über den Ablauf des den PRI
betreffenden Verfahrens vor den Gemeinschaftsbehörden informiert worden. Drittens hätten sie zu
Recht bezweifelt, dass die Maßnahme des PRI eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1
EG-Vertrag darstellen könne. Viertens hätten sie, da der PRI als eine allgemeine Maßnahme zur
Erneuerung des Nutzfahrzeugbestands aller KMU vorgestellt worden sei, vernünftigerweise annehmen
können, dass diese Regelung unter die „De-minimis-Regel“ im Sinne der Mitteilung der Kommission
über geringfügige Beihilfen (ABl. 1996, C 68, S. 9) falle.
117.
Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 24. November 1987 in der Rechtssache
223/85 (RSV/Kommission, Slg. 1987, 4617), auf die Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der
Rechtssache Spanien/Kommission (Urteil vom 14. Januar 1997, zitiert oben in Randnr. 109, Slg. 1997, I-
138, I-146 und I-147) sowie auf Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates
vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 EG-Vertrag (ABl. L
83, S. 1) macht die Klägerin geltend, dass sich durch Beihilfen begünstige Unternehmen vor dem
Gemeinschaftsrichter auf ihr berechtigtes Vertrauen berufen könnten, um der Rückforderung dieser
Beihilfen entgegenzutreten. Da der PRI zudem als eine allgemeine Maßnahme dargestellt worden sei
und der gemeinschaftsrechtliche Begriff der staatlichen Beihilfe komplex sei, hätte die
vorgeschriebene Voraussetzung für einen Zuschuss, dass ein in Spanien zugelassenes Fahrzeug
stillzulegen sei, für die Empfänger in keiner Weise darauf hingedeutet, dass der PRI möglicherweise
eine gegen Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßende staatliche Beihilfe sei.
118.
Die Kommission meint, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes vor dem Gemeinschaftsrichter
nicht geltend gemacht werden könne (Urteile Siemens/Kommission, zitiert oben in Randnr. 83, und
Ladbroke Racing/Kommission, zitiert oben in Randnr. 52). Jedenfalls seien die von der Klägerin geltend
gemachten Umstände nicht außergewöhnlich.
- Würdigung durch das Gericht
119.
Die Klägerin macht nicht geltend, dass sich die von ihr vertretenen KMU zur fraglichen Zeit nicht
darüber im Klaren gewesen wären, dass das ihnen für den Erwerb eines neuen Nutzfahrzeugs im
Rahmen des PRI gewährte Darlehen zinsermäßigt war. Damit waren sie sich aber eindeutig des
Vorteils und somit auch der Beihilfe bewußt, die in der für das Darlehen gewährten Zinsverbilligung
lagen.
120.
Der PRI wurde auch unstreitig nicht unter Beachtung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-
Vertrag durchgeführt.
121.
Nach ständiger Rechtsprechung dürfen aber Unternehmen, da die Überwachung staatlicher
Beihilfen durch die Kommission in Artikel 93 EG-Vertrag zwingend vorgeschrieben ist, auf die
Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Beachtung des
dort vorgesehen Verfahrens gewährt wurde. Einem sorgfältigen Gewerbetreibenden muss es nämlich
regelmäßig möglich sein, sich zu vergewissern, ob dieses Verfahren beachtet wurde (Urteile des
Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Deutschland, zitiert oben in Randnr. 115, Randnr. 14,
vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache Spanien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 109, Randnr. 51,
und vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-24/95, Alcan Deutschland, Slg. 1997, I-1591, Randnr.
25).
122.
Es ist zwar nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen, dass die Empfänger einer
rechtswidrigen Beihilfe außergewöhnliche Umstände, die bei ihnen ein berechtigtes Vertrauen in die
Ordnungsmäßigkeit dieser Beihilfe hervorrufen konnten, geltend machen und sie der Rückforderung
entgegenhalten können (Urteile Kommission/Deutschland und Kommission/Griechenland, zitiert oben
in Randnr. 115, Randnr. 16 und 18; vgl. auch Urteile des Gerichts vom 15. September 1998 in den
verbundenen Rechtssachen T-126/96 und T-127/96, BFM und EFIM/Kommission, Slg. 1998, II-3437,
Randnr. 69).
123.
Doch ist ungeachtet der Frage, ob die Geltendmachung solcher Umstände durch die Empfänger
einer rechtswidrigen Beihilfe vor dem Gemeinschaftsrichter zulässig ist, jedenfalls keiner der hier von
der Klägerin geltend gemachten Umstände beachtlich.
124.
So lässt der Umstand, dass die Darlehen ohne unmittelbare Intervention der öffentlichen
Verwaltung im Wesentlichen durch private Banken gewährt wurden, nicht den Schluss zu, dass die
Darlehensnehmer nicht den staatlichen Ursprung der ihnen gewährten Zinsermäßigung hätten
erkennen können.
125.
Zunächst ist den Presseartikeln, die die Kommission in der Anlage B zu ihrer Antwort vom 10. März
2000 auf die schriftlichen Fragen des Gerichts vorlegte, zu entnehmen, dass die spanischen
Regierungsbehörden zur fraglichen Zeit eine breite Kampagne zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit
für den PRI führten („una intensa campaña del ministerio [de Industria] a partir de septiembre u
octubre“, vom 9. August 1994) und dass in den entsprechenden Artikeln der Tagespresse klar
auf die staatliche Herkunft der gewährten Beihilfen hingewiesen wurde („El Gobierno abonará 93.193
pesetas por cada millón invertido en comprar vehículos industriales“, vom 28. September
1994). Weiterhin kann die Klägerin vernünftigerweise nicht bestreiten, dass die Stilllegung eines
Gebrauchtfahrzeugs keine Bedingung ist, die bei der Gewährung eines gewöhnlichen Darlehens durch
ein privates Institut gestellt würde. Schließlich lässt das eigene Vorbringen der Klägerin, der PRI sei als
eine Maßnahme zur Erneuerung des Nutzfahrzeugbestands der KMU dargestellt worden, kaum Raum
für Zweifel an der staatlichen Initiierung einer derartigen Maßnahme. Demnach mussten
dieEmpfänger der Beihilfen notwendig davon Kenntnis nehmen, dass die Beihilfen auf ein Tätigwerden
der spanischen Behörden, nicht aber auf eine Privatinitiative zurückgingen.
126.
Soweit die Klägerin weiter geltend macht, die KMU hätten die geltenden Vorschriften über staatliche
Beihilfen nicht gekannt und der Begriff der staatlichen Beihilfen sei komplex, so können hierin keine
außergewöhnlichen Umstände gesehen werden, die ein berechtigtes Vertrauen in die
Ordnungsmäßigkeit der gewährten Beihilfen hätten begründen können. Die Beihilfenempfänger
können auch nicht aufgrund von Erwägungen, die mit ihrer Unternehmensgröße zusammenhängen,
von der Verpflichtung entbunden werden, sich über die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zu
unterrichten, wenn dem Gemeinschaftsrecht nicht seine praktische Wirksamkeit genommen werden
soll.
127.
Ein außergewöhnlicher Umstand, der ein berechtigtes Vertrauen der Empfänger der Beihilfen in
deren Ordnungsmäßigkeit begründet, kann, die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, auch nicht
darin gesehen werden, dass die spanischen Behörden die Empfänger nicht über den Verlauf des
Verwaltungsverfahrens wegen des PRI unterrichtet haben. Überdies wurde die Entscheidung der
Kommission über die Einleitung eines förmlichen Prüfungsverfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-
Vertrag im vom 13. September 1996 (ABl. C 266, S. 10)
veröffentlicht. Die Kommission hat dort ausgeführt, dass sie die fragliche Beihilferegelung für
rechtswidrig halte, und äußerte Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Sie
behielt sich außerdem „das Recht vor, eine Entscheidung zu treffen, mit der der Mitgliedstaat
aufgefordert wird, alle unrechtmäßig gewährten Beihilfen zurückzufordern, wie dies den
Mitgliedstaaten in der Mitteilung im Nr. C 156 vom 22. Juni
1995, Seite 5, dargelegt wurde“.
128.
Der bloße Umstand, dass die Bewertung der Maßnahme des PRI als staatliche Beihilfe im Sinne von
Artikel 92 EG-Vertrag den Empfängern möglicherweise zweifelhaft erschien, ist ganz offensichtlich nicht
ausreichend, um bei ihnen irgendein Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der erhaltenen Beihilfen zu
erwecken.
129.
Dass der PRI zur fraglichen Zeit als eine allgemeine Maßnahme zur Erneuerung des
Nutzfahrzeugbestands der KMU dargestellt wurde, hätte bei den Empfängern, abgesehen von den
bereits in Randnummer 125 genannten Umständen, Zweifel an der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem
Gemeinsamen Markt hervorrufen müssen, denn aus dieser Darstellungsweise ging der selektive
Charakter der Beihilferegelung klar hervor. Jedenfalls kann hierin kein außergewöhnlicher Umstand
gesehen werden, aus dem die Empfänger hätten schließen können, dass die Kommission keinerlei
Einwände gegen den PRI erheben würde.
130.
Auch die Bezugnahme auf die Mitteilung der Kommission zu „De-minimis“-Beihilfen greift nicht durch,
da diese Mitteilung den Verkehrssektor von ihrem Geltungsbereich ausschließt.
131.
Das Vorbringen der Klägerin, wonach außergewöhnliche, ein Vertrauen der Empfänger der Beihilfen
in deren Ordnungsmäßigkeit rechtfertigende Umstände vorgelegen hätten, ist demgemäß
zurückzuweisen.
Zur Dauer des Verwaltungsverfahrens
- Vorbringen der Parteien
132.
Unter Bezugnahme auf das Urteil RSV/Kommission (zitiert oben in Randnr. 117) macht die Klägerin
geltend, die übermäßig lange Dauer des Verwaltungsverfahrens habe die Empfänger zu der Annahme
veranlasst, dass die im PRI enthaltenen Maßnahmen ordnungsgemäß seien. Die spanischen Behörden
hätten der Kommission die gewünschten Auskünfte zum PRI gegeben, weshalb sie für die Dauer des
Verwaltungsverfahrens nicht verantwortlich seien. Die Kommission habe das förmliche Verfahren
gemäß Artikel 93 EG-Vertrag erst 17 Monate nach Erhalt dieser Auskünfte eröffnet. Nach einer 41
Monate dauernden Untersuchung habe die Kommission schließlich anerkannt, dass die im PRI
festgelegte Maßnahme in bestimmten Fällen keine staatliche Maßnahme im Sinne von Artikel 92
Absatz 1 EG-Vertrag sei.
133.
Die angefochtene Entscheidung enthalte keinerlei Hinweis darauf, dass die spanischen Behörden
die Erteilung der Auskünfte, die für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrens
erforderlich gewesen seien, gegenüber der Kommission verzögert hätten. Die Länge des Verfahrens
könne auch deshalb keinesfalls mit einer angeblich mangelnden Kooperation der spanischen
Behörden gerechtfertigt werden, weil die Kommission nach der Rechtsprechung befugt sei, dem
Mitgliedstaat die Übermittlung der Dokumente, Informationen und Daten, die für die Prüfung der
Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt erforderlich seien, aufzugeben und,
wenn der Mitgliedstaat dieser Aufforderung nicht nachkomme, das Verfahren abzuschließen und eine
endgültige Entscheidung auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen zu treffen (Urteil vom
14. Februar 1990 in der Rechtssache Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 97, Randnrn. 19
und 22).
134.
Zudem müsse die Kommission, wenn sie sich für die Einleitung eines förmlichen Verfahrens
entscheide, dieses innerhalb eines angemessenen Zeitraums abschließen (Beschluss des
Gerichtshofes vom 11. Juli 1979 in der Rechtssache 59/79, Fédération nationale des producteurs de
vins de table et vins de pays/Kommission, Slg. 1979, 2425). So habe sie etwa in ihrer Entscheidung
92/329/EWG vom 25. Juli 1992 über Beihilfen des italienischen Staates für ein Unternehmen der
optischen Industrie (Industrie ottiche riunite - IOR) (ABl. 1992, L 183, S. 30) die Anordnungder
Rückforderung der Beihilfen angesichts des Zeitraums, der von ihrer Kenntnisnahme von der
fraglichen Beihilfe bis zum Erlass ihrer Entscheidung verstrichen sei, für unangemessen erachtet.
135.
Auch die spanischen Fuhrunternehmer, die zu den amtlichen Verlautbarungen über das
Gemeinschaftsrecht Zugang hätten und damit am besten über die gemeinschaftsrechtlichen
Bestimmungen unterrichtet gewesen seien, hätten zudem erst im September 1996 - als die
Kommissionsentscheidung über die Eröffnung des förmlichen Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2
EG-Vertrag im veröffentlicht worden sei -, also erst zwei
Jahre nach Durchführung des PRI, davon erfahren können, dass die Kommission die
Ordnungsmäßigkeit der streitigen Maßnahme bezweifelt habe. Ein so langer Zeitraum habe bei den
Beihilfeempfängern ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfen geschaffen.
136.
Die Kommission macht geltend, die Dauer des Verwaltungsverfahrens sei der Schwierigkeit des
Sachverhalts angemessen gewesen und jedenfalls weitgehend der mangelnden Kooperation der
spanischen Behörden sowohl im Vorverfahren als auch im förmlichen Verfahren der Prüfung der
streitigen Regelung zuzuschreiben. Die Klägerin ziehe zu Unrecht eine Parallele zwischen dem
vorliegenden Fall und dem Sachverhalt des Urteils RSV/Kommission (zitiert oben in Randnr. 17). Nach
dem Urteil des Gerichts vom 18. September 1995 in der Rechtssache T-49/93 (SIDE/Kommission, Slg.
1995, II-2591, Randnrn. 83 ff.) dürfe die Kommission, wenn ihr ein Mitgliedstaat nicht die verlangten
Auskünfte gebe, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls mit ihrer
endgültigen Entscheidung zu warten, bis sie über vollständigere Informationen verfüge, anstatt das
Verfahren abzuschließen und die Vereinbarkeit der Beihilfen nur auf der Grundlage der ihr
vorliegenden Informationen zu beurteilen.
- Würdigung durch das Gericht
137.
Da die fragliche Beihilfemaßnahme bei der Kommission nicht angemeldet wurde, können sich die
Empfänger nach der oben zitierten Rechtsprechung (vgl. Randnr. 122), sofern nicht außergewöhnliche
Umstände vorliegen, grundsätzlich nicht auf ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der
Beihilfen berufen, um deren Rückforderung entgegenzutreten. Folglich ist zu prüfen, ob die Länge des
Verwaltungsverfahrens im vorliegenden Fall außergewöhnlich war und daher einen solchen
Vertrauenstatbestand schaffen konnte.
138.
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die spanischen Behörden, die den PRI bei der Kommission
nicht angemeldet hatten, dieser - ausweislich des zwischen beiden Seiten im Verwaltungsverfahren
geführten Schriftwechsels (Anlage C zur Antwort der Kommission vom 10. März 2000 auf die
schriftlichen Fragen des Gerichts) - auf ihr Auskunftsersuchen die ersten Informationen über die
Beihilferegelung erst mit Schreiben vom 6.März 1995, bei der Kommission eingegangen am 7.
April1995, übermittelten, also mehr als sieben Monate nach ihrem Beschluss vom 28. Juli 1994, mit
dem der PRI erlassen worden war (vgl. oben, Randnr. 2).
139.
Nach Prüfung dieser ersten Auskünfte erschien der Kommission die Einholung ergänzender
Informationen erforderlich, weshalb sie mit Schreiben vom 6. Juli 1995 ein weiteres Auskunftsersuchen
an die spanischen Behörden richtete, das diese mit Schreiben vom 26. Juli 1995 beantworteten. Erst
mit dem letztgenannten Schreiben, d. h. ein Jahr nach Annahme des PRI, erhielt die Kommission eine
Kopie der Vereinbarung vom 27. September 1994 über die Durchführungsmodalitäten des PRI.
140.
Mit Schreiben vom 20. Februar 1996 ersuchte die Kommission die spanischen Behörden erneut um
Auskunft über einige Bestimmungen der vorgenannten Vereinbarung, über die konkreten Ergebnisse
der Durchführung des PRI am 31. Dezember 1995 und über die durchschnittliche Zulassungsdauer
von Nutzfahrzeugen in Spanien. Die spanischen Behörden gaben diese Auskünfte mit Schreiben vom
14. März 1996, bei der Kommission eingegangen am 18. März 1996.
141.
Hieraus folgt, dass die Verzögerungen bei der Einleitung und später bei der Durchführung des
Vorverfahrens zur Prüfung der Vertragswidrigkeit der streitigen Beihilferegelung in erster Linie den
spanischen Behörden zuzurechnen sind, die diese Regelung nicht nur unter Verstoß gegen die
Anmeldepflicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag annahmen und durchführten, sondern sodann
auch die Erteilung aller sachdienlichen Auskünfte über die Regelung gegenüber der Kommission
verzögerten.
142.
Unter diesen Umständen konnte die Kommission vernünftigerweise eine dreimonatige Bedenkzeit
ab 18. März 1996 beanspruchen, bevor sie den spanischen Behörden mit Schreiben vom 26. Juni 1996
ihren Beschluss mitteilte, das förmliche Prüfungsverfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag
einzuleiten (Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache Frankreich/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 97, Randnr. 27).
143.
Demnach kann die Gesamtdauer des Vorverfahrens zur Prüfung der Beihilfen offensichtlich nicht als
außergewöhnlich angesehen werden, und sie konnte somit kein berechtigtes Vertrauen in die
Ordnungsmäßigkeit der Beihilfen begründen, das deren Rückforderung entgegenstünde.
144.
Auch die Dauer des förmlichen Prüfungsverfahrens konnte bei den Empfängern kein berechtigtes
Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Beihilfen erzeugen, weil die Beteiligten spätestens
am 13. September 1996 über den Inhalt des Schreibens der Kommission vom 26. Juni 1996 an die
spanischen Behörden unterrichtet wurden, worin die Kommission die Beihilfen als rechtswidrig
beurteilt, ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt bezweifelt und ihre mögliche Rückforderung
erwähnt hatte.
145.
Unter diesen Umständen konnten die Empfänger nicht wegen der etwa zweijährigen Dauer des
förmlichen Verfahrens - die laut der angefochtenen Entscheidung, die insoweit durch den
Schriftwechsel zwischen der Kommission und den spanischen Behörden in jenem Verfahren bestätigt
wird, zum einen aus den verschiedenen formellen und informellen, wegen des komplexen Sachverhalts
erforderlichen Kontakten resultierte und außerdem darauf beruhte, dass die Kommission erst am 23.
Februar 1998 über alle unerlässlichen Informationen verfügte, um die Rechtmäßigkeit der streitigen
Beihilfen zu beurteilen - vernünftigerweise annehmen, dass die im Schreiben der Kommission vom 26.
Juni 1996 geäußerten Zweifel nicht mehr bestanden und dass die Beihilfen nicht mehr gerügt würden
(in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache Frankreich/Kommission, zitiert oben
in Randnr. 97, Randnr. 28).
146.
Dass die Kommission mit ihrer Entscheidung vom 1. Juli 1998 einen Teil der nach dem PRI gewährten
Beihilfen endgültig genehmigte, ist gleichfalls nicht geeignet, ein angebliches, im Verlauf des
Verwaltungsverfahrens entstandenes berechtigtes Vertrauen der Empfänger in die
Ordnungsmäßigkeit der streitigen Beihilferegelung zu begründen.
147.
Zwar hat der Gerichtshof im Urteil RSV/Kommission (zitiert oben in Randnr. 117) einen Zeitraum von
26 Monaten vor Erlass der Kommissionsentscheidung im dort zu beurteilenden Fall für geeignet
gehalten, bei der Klägerin ein berechtigtes Vertrauen zu erzeugen, das einer Anordnung der
Kommission, die fragliche Beihilfe zurückzufordern, entgegenstand (vgl. Randnr. 17 des Urteils). Jedoch
waren in jener Rechtssache besondere Umstände gegeben.
148.
Die fragliche Beihilfe war nämlich, wenngleich erst nach ihrer Auszahlung an den Empfänger, bei der
Kommission in einem förmlichen Verfahren angemeldet worden. Sie sollte die Mehrkosten einer
Maßnahme decken, für die bereits von der Kommission genehmigte Beihilfen gewährt worden waren.
Sie betraf einen Sektor, der seit 1977 mit Genehmigung der Kommission von den nationalen Behörden
bezuschusst worden war. Die Beurteilung der Frage, ob die fragliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen
Markt vereinbar war, erforderte keine vertiefte Prüfung. Unter diesen Umständen gelangte der
Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Klägerin vernünftigerweise annehmen konnte, dass die
Kommission die Beihilfe nicht beanstanden würde (vgl. Randnrn. 14 bis 16 des Urteils).
149.
Diese Umstände unterscheiden den dort zu beurteilenden Fall grundsätzlich von dem vorliegenden.
150.
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die spanischen Behörden den PRI bei der Kommission nie
anmeldeten.
151.
Den Angaben, die die Kommission in ihrer Antwort an das Gericht vom 10. März 2000 gemacht hat,
ist weiter zu entnehmen, dass der PRI keine Verlängerung einer ähnlichen, von der Kommission bereits
genehmigten Beihilferegelung für denErwerb von Nutzfahrzeugen darstellte. Nach den Angaben der
Kommission hatte sie zuvor einen anderen „Plan Renove“ genehmigt, der im Unterschied zum PRI dem
Erwerb von Privatfahrzeugen diente. Die Kommission hat in ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass die
einzigen vorher mit ihrer Genehmigung gewährten staatlichen Beihilfen an die spanischen KMU der
Güterverkehrsbranche einen ganz anderen Gegenstand und Zweck als die im Rahmen des PRI
gewährten Beihilfen gehabt hätten. Es habe sich um Maßnahmen gehandelt, die dem vorzeitigen
Ausscheiden von Frachtführern aus dem Erwerbsleben, der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen
und der Kapazitätssenkung in der Branche gedient hätten.
152.
Schließlich geht aus der angefochtenen Entscheidung, die insoweit durch den Schriftwechsel
zwischen der Kommission und den spanischen Behörden im Verwaltungsverfahren bestätigt wird,
hervor, dass die Beurteilung des PRI gemäß Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag durch die Kommission
zahlreiche Auskunftsersuchen erforderlich machte.
153.
Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf das vorstehend erwähnte Urteil
RSV/Kommission (vgl. oben, Randnr. 117) berufen.
154.
Die Argumentation der Klägerin zur Länge des Verwaltungsverfahrens ist deshalb zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
155.
Die Klägerin macht zunächst geltend, die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen sei mit der
Schwere und dem Umfang der Verletzung zu begründen (Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache
Italien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 86, Randnr. 54). Sie sei nur zulässig, wenn sie dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche (Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache
Frankreich/Kommission, zitiert oben in Randnr. 97, Randnrn. 59 bis 62, und Beschluss des Präsidenten
des Gerichtshofes vom 3. Mai 1996 in der Rechtssache C-399/95 R, Deutschland/Kommission, Slg.
1996, I-2441, Randnr. 67; Urteil Cityflyer Express/Kommission, zitiert oben in Randnr. 59, Randnrn. 54
und 55). Sie sei außerdem fakultativ und erfolge nicht automatisch (Urteil des Gerichtshofes vom 24.
Februar 1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901), wie die Kommission in
ihrer Mitteilung vom 13. Mai 1991 zur Berichtigung der Mitteilung vom 4. März 1991 über unter Verstoß
gegen Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag gewährte Beihilfen anerkannt habe.
156.
Die Klägerin verweist ferner auf eine Reihe von Entscheidungen, in denen die Kommission die
Rückforderung rechtswidriger Beihilfen nicht angeordnet habe. In mehreren dieser Fälle habe die
Kommission zur Begründung auf den Beitrag der fraglichen Beihilfen zum Umweltschutz, auf die
Geringfügigkeit des gewährtenVorteils oder auch auf das berechtigte Vertrauen verwiesen, während
sie diese Erwägungen im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt habe.
157.
Die Anordnung an das Königreich Spanien, die im Rahmen des PRI gewährten Beihilfen von allen
Empfängern zurückzuverlangen, sei völlig unverhältnismäßig. Der sich daraus für die Empfänger
ergebende Schaden stehe nämlich in keinerlei Verhältnis zur angeblichen Verzerrung des
Wettbewerbs durch die Gewährung der fraglichen Beihilfen. Wie im Urteil Cityflyer Express/Kommission
(zitiert oben in Randnr. 59) entschieden worden sei, seien nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit die zur Gewährleistung eines gesunden Wettbewerbs auf dem Binnemmarkt
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die die Förderung einer harmonischen und ausgewogenen
Entwicklung des Wirtschaftslebens in der gesamten Gemeinschaft so wenig wie möglich
beeinträchtigten. Mit ihrer Anordnung, die fraglichen Beihilfen zurückzufordern, beeinträchtige die
Kommission aber die Entwicklung des Wirtschaftslebens in der Gemeinschaft, ohne dass dies den
gesunden Wettbewerb auf dem Binnenmarkt begünstige, da der PRI den innergemeinschaftlichen
Handel nicht beeinflusst habe.
158.
Die Kommission macht unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung geltend, dass die
Rückforderung der Beihilfen im vorliegenden Fall erforderlich gewesen sei, um die vor ihrer Gewährung
bestehenden Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen. Zwar dürfe eine Rückforderung
rechtswidriger Beihilfen unter außergewöhnlichen Umständen nicht verlangt werden, aber solche
lägen hier nicht vor. Die Kommission legt ferner zusammenfassend dar, aus welchen Gründen sie in
den verschiedenen von der Klägerin angeführten Entscheidungen keine Rückforderung der fraglichen
Beihilfen angeordnet habe. Derartige Gründe seien aber im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Würdigung durch das Gericht
159.
Die Prüfung des zweiten Klagegrundes hat nichts ergeben, was der Feststellung der Kommission
entgegenstünde, dass die in Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung genannten Beihilfen, die den
von der Klägerin vertretenen Unternehmen gewährt wurden, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar
seien.
160.
Stellt die Kommission die Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt
fest, so kann sie dem betroffenen Mitgliedstaat die Rückforderung dieser Beihilfen von den
Empfängern aufgeben, da die Aufhebung einer rechtswidrigen Beihilfe im Wege der Rückforderung die
logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ist (Urteile Deufil/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 155, Randnr. 24, vom 21. März 1990 in der Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 92, Randnr. 66, und vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache Spanien/Kommission, zitiert
oben in Randnr. 109, Randnr. 47).
161.
Aus dieser Funktion der Rückzahlung folgt auch, dass, falls keine außergewöhnlichen Umstände
vorliegen, die Kommission in der Regel ihr von der Rechtsprechung des Gerichtshofes anerkanntes
Ermessen (Urteil Deufil/Kommission, zitiert oben in Randnr. 155, Randnr. 24) nicht fehlerhaft ausübt,
wenn sie den Mitgliedstaat auffordert, die als rechtswidrige Beihilfen gewährten Beträge
zurückzufordern, da sie damit nur die frühere Lage wiederherstellt (Urteil vom 17. Juni 1999 in der
Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 37, Randnr. 66).
162.
Dass die Kommission in bestimmten Fällen die Rückforderung der fraglichen Beihilfen, aus welchen
Gründen auch immer, nicht angeordnet hat, lässt nicht den Schluss zu, dass sie im vorliegenden Fall
ihr Ermessen missbraucht hat, als sie den spanischen Behörden die Rückforderung der rechtswidrig
gewährten und zu Recht für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erachteten Beihilfen aufgab.
163.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane
nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Zieles angemessen
und erforderlich ist; dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am
wenigsten belastende zu wählen (vgl. z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 17. Mai 1984 in der
Rechtssache 15/83, Denkavit Nederland, Slg. 1984, 2171, Randnr. 25, und vom 11. Juli 1989 in der
Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 21).
164.
Da mit der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen die frühere Lage wiederhergestellt werden soll,
kann sie grundsätzlich nicht als eine Maßnahme betrachtet werden, die in keinem Verhältnis zu den
Zielen der Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen stünde (Urteile vom 21. März 1990 in der
Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 92, Randnr. 66, vom 14. September 1994 in
der Rechtssache Spanien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 73, Randnr. 75, und vom 14. Januar
1997 in der Rechtssache Spanien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 109, Randnr. 47). Auch wenn
eine solche Maßnahme erst geraume Zeit nach der Gewährung der fraglichen Beihilfen erlassen wird,
ist sie keine vom Gemeinschaftsrecht nicht vorgesehene Sanktion.
165.
Das Vorbringen der Klägerin, dass die Rückzahlung der Beihilfen deren Empfänger einen Schaden
verursache, der wesentlich schwerer wiege als die Wettbewerbsverzerrung und Beeinträchtigung des
innergemeinschaftlichen Handels infolge der Gewährung dieser Beihilfen, wird nicht nur durch kein
konkretes Beweiselement gestützt, sondern kann auch nach dem Vorstehenden nicht zu dem Schluss
führen, dass die Verpflichtung zur Rückforderung angesichts der vom Vertrag verfolgten Ziele
unverhältnismäßig wäre (in diesem Sinne Urteile vom 21. März 1990 in der Rechtssache
Belgien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 92, Randnrn. 65 bis 67, und vom 14. September 1994 in
der Rechtssache Spanien/Kommission, zitiert oben in Randnr. 73, Randnrn. 73 bis 75).
166.
Schließlich greift auch die Verweisung der Klägerin auf das Urteil Cityflyer Express/Kommission
(zitiert oben in Randnr. 59) im vorliegenden Fall nicht durch.
167.
In dieser Rechtssache, in der es um ein zinsermäßigtes Darlehen der Flämischen Region (Belgien)
an ein Flugverkehrsunternehmen ging, hat das Gericht entschieden, dass die Kommission die
fragliche Beihilfe zu Recht als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar bewertet und die
Rückforderung nur der Differenz zwischen dem vom begünstigten Unternehmen andernfalls zu
zahlenden Marktzins und dem von ihm tatsächlich gezahlten Zinssatz angeordnet hatte (Randnr. 53
des Urteils). Das Gericht hat weiter festgestellt, es könne zwar nicht grundsätzlich danach
unterschieden werden, ob eine Beihilfe als Darlehen oder als Kapitalbeteiligung gewährt werde,
jedoch könne die einheitliche Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers in beiden Fällen in
Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit den Erlass unterschiedlicher Maßnahmen
erfordern, um die festgestellten Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und die Lage vor der Zahlung
der rechtswidrigen Beihilfe wiederherzustellen (Randnrn. 54 und 55). Bei einer Kapitalbeteiligung
könne die Kommission davon ausgehen, dass die Beseitigung des eingeräumten Vorteils die
Rückerstattung des eingebrachten Kapitals voraussetze. Bestehe hingegen bei einem Darlehen der
Wettbewerbsvorteil in einem günstigen Zinssatz und nicht im Wert der zur Verfügung gestellten Mittel
selbst, so könne die Kommission verlangen, dass anstelle der bloßen Rückzahlung der Hauptschuld
ein Zinssatz angewandt werde, der unter normalen Marktbedingungen vereinbart worden wäre, und
dass die Differenz zwischen den Zinsen, die unter solchen Bedingungen gezahlt worden wären, und
den auf der Grundlage des eingeräumten Vorzugssatzes tatsächlich gezahlten Zinsen zurückgezahlt
werde (Randnr. 56).
168.
Im vorliegenden Fall entsprechen die Beihilfen, die für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt
erklärt wurden, der gewährten Zinsermäßigung für die Darlehen, die den in Artikel 3 der
angefochtenen Entscheidung genannten natürlichen und juristischen Personen durch das
Tätigwerden der spanischen Behörden eingeräumt wurden. Die Rückforderungspflicht gemäß Artikel 4
der angefochtenen Entscheidung hat deshalb nur diese Zinsermäßigung zum Gegenstand, so dass
der Kommission eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht zur Last gelegt werden
kann.
169.
Das Vorbringen der Klägerin, es sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt worden, ist
deshalb zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
170.
Nach Auffassung der Klägerin enthält der letzte Satz des Abschnitts VI der angefochtenen
Entscheidung keine ausreichende Begründung für die Rückforderung der streitigen Beihilfen. In
Anbetracht der zahlreichen Fälle, indenen die Kommission keine Rückforderung rechtswidriger
Beihilfen angeordnet habe, hätte sie im vorliegenden Fall die Rückforderungspflicht zumindest eigens
begründen müssen.
171.
Die Kommission hält die Begründung der angefochtenen Entscheidung insoweit für ausreichend.
Würdigung durch das Gericht
172.
In Angelegenheiten staatlicher Beihilfen ist die Kommission, wenn eine solche Beihilfe entgegen
Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag bereits gewährt worden ist, nicht verpflichtet, besondere Gründe für die
Ausübung ihrer Befugnis anzugeben, den nationalen Behörden die Rückforderung dieser Beihilfe
aufzugeben (Urteile vom 14. September 1994 in der Rechtssache Spanien/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 73, Randnr. 78, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert oben in
Randnr. 37, Randnr. 82).
173.
Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Abschnitt VI der Begründung der angefochtenen
Entscheidung darauf hingewiesen, dass sie die Regelung des PRI für gemeinschaftsrechtswidrig halte,
da diese ihr nicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag rechtzeitig mitgeteilt worden sei (erster
Absatz). Sie könne nicht das von den spanischen Stellen im Verwaltungsverfahren vorgetragene
Argument gelten lassen, dass die Beihilfe wegen der seit Inkrafttreten der Regelung verstrichenen
Zeit nunmehr legal sei, da die Durchführung der Beihilferegelung ohne vorherige Anmeldung des
Vorhabens bei der Kommission einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstelle, der die
Rückforderung der Beihilfen zuzüglich Zinsen nach sich ziehen könne (zweiter Absatz). In ihrem
Schreiben vom 26. Juni 1996 habe sie die spanische Regierung daran erinnert, dass jede illegal
gewährte Beihilfe Gegenstand einer Entscheidung sein könne, die es dem Mitgliedstaat vorschreibe,
die Beihilfe zurückzufordern. In seinem Schreiben, mit dem auf die Einleitung des förmlichen
Prüfungsverfahrens reagiert worden sei, habe Spanien geltend gemacht, dass eine Entscheidung, die
die Rückzahlung der gewährten Beihilfen umfasse, angesichts des geringen Umfangs der gewährten
Beihilfen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspräche (dritter Absatz). Sie halte jedoch im
vorliegenden Fall die Rückzahlung für notwendig, um die vor der Gewährung der Beihilfe geltenden
gleichen Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen (vierter Absatz).
174.
Da die Klägerin nichts Konkretes dafür vorgetragen hat, dass die Kommission insoweit eine
ergänzende Begründung hätte geben müssen, sind die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen
in einer Entscheidung, die die Unvereinbarkeit der zurückzufordernden Beihilfen mit dem
Gemeinsamen Markt im Übrigen eingehend erläutert, als eine ausreichende Begründung im Sinne von
Artikel 190 EG-Vertrag für die Rückforderungspflicht gemäß Artikel 4 der angefochtenen Entscheidung
anzusehen (in diesem Sinne Urteile vom 21. März 1991 in der RechtssacheItalien/Kommission, zitiert
oben in Randnr. 86, Randnr. 54, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache Belgien/Kommission, zitiert
oben in Randnr. 37, Randnr. 83).
175.
Die Rüge der Klägerin, es sei gegen die Begründungspflicht verstoßen worden, ist deshalb
zurückzuweisen.
176.
Der erste und der dritte Klagegrund sind demnach zurückzuweisen.
177.
Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
178.
Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei auf Antrag die Kosten zu
tragen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der
Kommission neben ihren eigenen auch deren Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Lenaerts
Azizi
Moura Ramos
Jaeger Mengozzi
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. September 2000.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
K. Lenaerts
Verfahrenssprache: Spanisch.