Urteil des EuG vom 12.09.2002

EuG: verordnung, kommission, rücknahme, indien, antidumping, gericht erster instanz, klage auf nichtigerklärung, gatt von 1994, ermessen, interessierte partei

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
12. September 2002
„Nichtigkeitsklage - System allgemeiner Zollpräferenzen (APS) - Ablehnung eines Antrags auf Einleitung
eines Untersuchungsverfahrens - Anfechtbare Handlung - Fehlerhafte Auslegung der Verordnung (EG) Nr.
2820/98 - Unzureichende Begründung“
In der Rechtssache T-113/00
DuPont Teijin Films Luxembourg SA
Mitsubishi Polyester Film GmbH
Toray Plastics Europe SA
Prozessbevollmächtigte: I. Forrester, QC, und Barrister J. Killick, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerinnen,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Bevollmächtigte,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 28. Februar 2000 über den Antrag der
Klägerinnen auf Einleitung eines Untersuchungsverfahrens im Hinblick auf die Rücknahme der Vergünstigung
des Systems allgemeiner Zollpräferenzen für Folien aus Polyethylenterephtalat mit Ursprung in Indien
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters R. García-Valdecasas und der Richterin P.
Lindh,
Kanzler: H. Jung
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2001,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1.
Das System allgemeiner Zollpräferenzen der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: APS) ist
nach Zehnjahreszeiträumen organisiert. Der gegenwärtige Zeitraum wurde durch die Verordnung (EG)
Nr. 3281/94 des Rates vom 19. Dezember 1994 über ein Mehrjahresschema allgemeiner
Zollpräferenzen für bestimmte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern für den
Zeitraum 1995-1998 (ABl. L 348, S. 1) eingeleitet. Nach dem Schema dieser Verordnung können für
die in Anhang I aufgeführten Waren mit Ursprung in den in Anhang III genannten Ländern
Zollpräferenzen in Anspruch genommen werden. Die Verordnung Nr. 3281/94 wurde ersetzt durch die
Verordnung (EG) Nr. 2820/98 des Rates vom 21. Dezember 1998 über ein Mehrjahresschema
allgemeiner Zollpräferenzen für den Zeitraum 1. Juli 1999 bis 31. Dezember 2001 (ABl. L 357, S. 1) (im
Folgenden: APS-Verordnung).
2.
Titel III der APS-Verordnung enthält Vorschriften für die „Wiedereinführung der Zollsätze des
Gemeinsamen Zolltarifs“. Dabei betreffen die Artikel 22 bis 26 die vorübergehende Rücknahme der
Zollpräferenzen, während in Artikel 27 eine Regelung für die Gewährung von Präferenzen für Waren
getroffen wird, die Gegenstand von Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen sind.
3.
Gemäß Artikel 22 der APS-Verordnung kann die in dieser Verordnung vorgesehene Regelung
jederzeit vorübergehend vollständig oder teilweise zurückgenommen werden, und zwar in folgenden
Fällen:
„a) jegliche Form von Sklaverei oder Zwangsarbeit im Sinne der Genfer Übereinkommen vom 25.
September 1926 und 7. September 1956 und der IAO-Übereinkommen Nrn. 29 und 105;
b) Export von Waren, die in Strafvollzugsanstalten hergestellt werden;
c) offenkundige Mängel der Zollkontrolle bei der Ausfuhr oder Durchfuhr von Drogen (illegale
Erzeugnisse und Ausgangsstoffe) sowie Nichteinhaltung der internationalen Übereinkommen
betreffend die Geldwäsche;
d) betrügerische Praktiken und Unterlassung der vorgesehenen administrativen Zusammenarbeit
bei der Kontrolle der Ursprungszeugnisse nach Formblatt A;
e) offenkundige Fälle von unlauteren Handelspraktiken eines begünstigten Landes. Die Rücknahme
erfolgt in voller Übereinstimmung mit den WTO-Bestimmungen;
f) offenkundige Fälle von Nichtvereinbarkeit mit den Zielen der internationalen Übereinkommen wie
der Organisation für die Fischerei im Nordwestatlantik (NAFO), der Kommission für die Fischerei im
Nordostatlantik (NEAFC), der Internationalen Kommission zur Erhaltung der Thunfischbestände im
Atlantik (ICCAT) und der Organisation für die Lachserhaltung im Nordatlantik (NASCO).“
Die vorübergehende Rücknahme erfolgt nicht automatisch, sondern erst nach Abschluss des
Verfahrens nach den Artikeln 23 bis 26 der APS-Verordnung.
4.
Artikel 23 Absatz 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Fälle, die nach Artikel 22 Absatz 1 eine vorübergehende Rücknahme erforderlich machen könnten,
können in den Fällen der Buchstaben d) und f) durch die Kommission selbst festgestellt werden oder
in den Fällen der Buchstaben a) bis f) der Kommission von einem Mitgliedstaat oder jedweder
natürlichen oder juristischen Person oder jedweder Vereinigung ohne Rechtspersönlichkeit, die ein
Interesse an einer vorübergehenden Rücknahme geltend machen kann, zur Kenntnis gebracht
werden. Die Kommission übermittelt diese Informationen unverzüglich allen Mitgliedstaaten.“
5.
Nach Artikel 23 Absätze 2 bis 4 der APS-Verordnung können auf Antrag eines Mitgliedstaats oder
auf Antrag der Kommission Konsultationen im Ausschuss für die allgemeinen Präferenzen eingeleitet
werden, um u. a. die Voraussetzungen des Artikels 22 und die zu treffenden Maßnahmen zu prüfen.
Diese Konsultationen müssen innerhalb von acht Arbeitstagen nach dem Eingang der in Artikel 23
Absatz 1 genannten Information bei der Kommission und in jedem Fall vor einer Rücknahme durch die
Gemeinschaft stattfinden.
6.
Stellt die Kommission nach diesen Konsultationen fest, dass genügend Beweise vorliegen, um die
Einleitung einer Untersuchung zu rechtfertigen, so hat sie gemäß Artikel 25 Absatz 1 der APS-
Verordnung eine Bekanntmachung im zu veröffentlichen
sowie die Untersuchung, die spätestens nach einem Jahr abgeschlossen sein muss, in
Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und in Abstimmung mit dem Ausschuss für die allgemeinen
Präferenzen durchzuführen. Im Rahmen der Untersuchung holt die Kommission alle zweckdienlichen
Informationen ein; sie kann ihre eigenen Sachverständigen entsenden, um an Ort und Stelle „die
Angaben der in Artikel 23 Absatz 1 genannten Personen zu überprüfen“ (Artikel 25 Absatz 2 der APS-
Verordnung). Dabei bietet sie „den zuständigen Behörden des betroffenen Landes Gelegenheit zur
Zusammenarbeit, die Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Abwicklung dieser Überprüfung ist“
(ebenda). Gemäß Artikel 25 Absatz 4 der APS-Verordnung müssen die interessierten Parteien
angehört werden, wenn sie innerhalb einer in der genannten Bekanntmachung festgesetzten Frist
eine solche Anhörung schriftlich beantragen und „dabei nachweisen, dass sie voraussichtlich vom
Ergebnis des Verfahrens betroffen sein werden und dass für ihre Anhörung besondere Gründe
sprechen“.
7.
Nach Abschluss der Untersuchung unterbreitet die Kommission dem Ausschuss für die allgemeinen
Präferenzen einen Bericht mit den Ergebnissen (Artikel 26 Absatz 1 der APS-Verordnung). Hält sie eine
vorübergehende Rücknahme für notwendig, so legt sie dem Rat einen „entsprechenden Vorschlag“
vor, über den dieser innerhalb von 30 Tagen mit qualifizierter Mehrheit entscheidet (Artikel 26 Absatz
3 APS-Verordnung).
8.
Artikel 27 der APS-Verordnung lautet:
„Die Präferenzen werden normalerweise auch für Waren gewährt, die Gegenstand von Antidumping-
oder Antisubventionsmaßnahmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 384/96 [des Rates vom 22.
Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft
gehörenden Ländern (ABl. L 56, S. 1)] und der Verordnung (EG) Nr. 2026/97 [des Rates vom 6.
Oktober 1997 über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen
Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 288, S. 1)] sind, es sei denn, es wird festgestellt, dass bei
den entsprechenden Maßnahmen von einer Schädigung und von Preisen ausgegangen wurde, bei
denen die dem betreffenden Land eingeräumte Präferenzzollregelung nicht berücksichtigt wurde. Zu
diesem Zweck veröffentlicht die Kommission in einer Mitteilung im
die Liste von der Präferenz ausgeschlossenen Waren und Länder.“
Sachverhalt
9.
Die Klägerinnen sind die drei größten Herstellerinnen von Folien aus Polyethylenterephtalat (im
Folgenden: PET-Folien) in Europa. Bei diesem Erzeugnis handelt es sich um ein hochentwickeltes
Plastikmaterial mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen wie etwa extrem dünnen Folien aus der
Hochtechnologie, die für Kondensatoren (in der Elektrotechnik) benutzt werden, oder Folien für den
Alltagsgebrauch, die als Verpackungsmaterial dienen. Für die Herstellung sind kostspielige
Produktionsanlagen und damit ein hoher Kapitaleinsatz erforderlich.
10.
Für Einfuhren von PET-Folien der Zollcodes KN 3920 6219 sowie KN 3920 und 6290 mit Ursprung in
Indien können Zollpräferenzen in Anspruch genommen werden. Diese Erzeugnisse sind in der Liste in
Anhang I der Verordnung Nr. 3281/94 aufgeführt; die Republik Indien gehört zu den in Anhang III
dieser Verordnung genannten Ländern.
11.
1998 gerieten die Gemeinschaftshersteller von PET-Folien in Schwierigkeiten, die hauptsächlich auf
einen drastischen Anstieg der Einfuhrmenge aus Indien, einen Preisverfall und die erhebliche
Preisunterbietung durch diese Einfuhren zurückzuführen waren. Mit Schreiben vom 17. September
1998 beantragten die Gemeinschaftshersteller von PET-Folien - darunter die Klägerinnen und die
Nuroll SpA - bei der Kommission die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens zur Prüfung der
Notwendigkeit einer Rücknahme der APS-Vorteile für PET-Folien. In dem Schreiben hieß es:
„Mit diesem Schreiben ersuchen wir die Kommission um Rücknahme der APS-Präferenzen, die den
indischen Herstellern [von PET-Folien] gegenwärtig aufgrund der Verordnung Nr. 3281/94 gewährt
werden. Diese Hersteller erhielten - und erhalten auch weiterhin - Ausfuhrsubventionen, die einen
offenkundigen Fall von unlauteren Handelspraktiken des begünstigten Landes darstellen, so dass
gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 3281/94 die Rücknahme der gewährten Vergünstigen zu prüfen
ist.“
12.
Die Klägerinnen führten in dem Schreiben aus, dass die Subventionsgewährung in Indien ständige
Praxis sei; sie legten hierfür eine Reihe von Beweisen vor, darunter eine Zeitungsanzeige, in der
Subventionen als Werbeargument angeführt werden, und verschiedene Unterlagen von indischen
Herstellern. Außerdem machten sie Angaben zu den einzelnen Subventionssystemen, die den
Websites des indischen Industrieministeriums und einer Regierungseinrichtung entnommen waren.
13.
In dem Schreiben wiesen die Klägerinnen auch darauf hin, dass ihnen durch den Preisverfall bei den
Gemeinschaftserzeugnissen infolge des Angebots indischer PET-Folien Schaden entstanden sei und
dass die Republik Indien unter diesen Umständen nicht länger in den Genuss der APS-Regelung
kommen dürfe. Die sechs bedeutendsten indischen Ausführer hätten unter Verstoß gegen die Regeln
des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) von 1994 und der Verordnung Nr. 2026/97
Subventionen erhalten. Das Schreiben schließt mit folgender Feststellung:
„Es würde jeder wirtschaftlichen Logik zuwiderlaufen, diesen Herstellern, die nunmehr (infolge der
Subventionen) als aggressive Wettbewerber auf dem europäischen Markt auftreten, eine weitere
Inanspruchnahme des APS-Schemas zu gestatten; für die Gemeinschaft wäre es geradezu absurd,
weiterhin APS-Vorteile für subventionierte indische Hersteller zu gewähren, die den
Gemeinschaftsherstellern von PET-Folien schweren Schaden zufügen, indem sie deren Preise
systematisch unterbieten, um die Ausfuhrziele zu erreichen, die für die Subventionsgewährung
vorausgesetzt werden.
Aus diesen Gründen begehren wir die Einleitung einer Untersuchung zur Rücknahme der APS-Vorteile
für indische Hersteller von PET-Folien.“
14.
Am 5. Oktober 1999 fand eine Besprechung zwischen den Klägerinnen und den Dienststellen der
Kommission stand, bei der die Klägerinnen ihre Vorwürfe näher darlegten. Die Kommission wies bei
dieser Besprechung darauf hin, dass sie auf die Beschwerde vom 17. Dezember 1998 erst eingehen
könne, wenn die beanstandeten Subventionen durch eine Verordnung zur Einführung eines
endgültigen Ausgleichszolls eindeutig festgestellt worden seien.
15.
Auf eine im Rahmen der Verordnung Nr. 2026/97 eingereichte Beschwerde mehrerer Unternehmen
der Gemeinschaftsindustrie, darunter der Klägerinnen, wurde ein Antisubventionsverfahren betreffend
die Einfuhren von PET-Folien mit Ursprung in Indien in die Gemeinschaft eingeleitet. Am 17. August
1999 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1810/1999 zur Einführung eines vorläufigen
Ausgleichszolls auf die Einfuhren von PET-Folien mit Ursprung in Indien (ABl. L 219, S. 14) und am 6.
Dezember 1999 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 2597/1999 Einführung eines endgültigen
Ausgleichszolls auf die Einfuhren von PET-Folien mit Ursprung in Indien und zur endgültigen
Vereinnahmung des vorläufigen Zolls (ABl. L 316, S. 1).
16.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2000 wies die Kommission die Beschwerde der Klägerinnen vom 17.
September 1998 (vgl. Randnrn. 11 bis 13 des vorliegenden Urteils) mit den folgenden Feststellungen
zurück:
„Sie haben am 17. September 1998 auf der Grundlage von Artikel 9 Absatz 1 fünfter Gedankenstrich
der Verordnung (EG) Nr. 3281/94 eine Beschwerde erhoben, mit der Sie die Rücknahme der
Vergünstigungen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) für Einfuhren von PET-Folien mit Ursprung
in Indien begehren. In der Zwischenzeit ist die genannte Verordnung durch die Verordnung (EG) Nr.
2820/98 ersetzt worden, deren Artikel 22 die entsprechende Grundlage für Ihre Beschwerde bildet.
Bei einer Prüfung aller rechtlichen Gesichtspunkte hat sich ergeben, dass diese Beschwerde nicht
zulässig ist. Der in der Beschwerde herangezogene Buchstabe e des Artikels 22 erfasst nämlich nicht
den ausdrücklich in Artikel 27 (Artikel 13 der Verordnung Nr. 3281/94) geregelten Fall von Einfuhren,
die Gegenstand von Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen sind.
Artikel 27 enthält eine abschließende Regelung der Voraussetzungen, unter denen die APS-Vorteile
für Einfuhren zurückgenommen werden können, die Gegenstand von Antidumping- oder
Antisubventionsmaßnahmen sind. Diese Regelung stellt eine Lex specialis gegenüber Artikel 22 dar,
dessen Anwendung ausgeschlossen ist, wenn die .unlautere Handelspraktik‘ in Maßnahmen besteht,
die Gegenstand von Antidumping- oder Antisubventionszöllen sind. Wäre nämlich Artikel 22 auf
dieselben Praktiken anwendbar wie Artikel 27, so würde diese Bestimmung gegenstandslos.
Nach den Grundsätzen des Artikels 27 werden die APS-Vorteile normalerweise beibehalten, es sei
denn, die Vorzugsbehandlung wurde bei der Berechnung der Antidumping- oder Antisubventionszölle
nicht berücksicht. Das war bei den PET-Folien mit Ursprung in Indien nicht der Fall. Damit ist der in
Artikel 27 aufgestellten Regel zu folgen, nach der die APS-Vorteile für die fraglichen Einfuhren
beibehalten werden.“
17.
Dieses Schreiben (im Folgenden: Schreiben vom 28. Februar 2000 oder angefochtenes Schreiben)
ist Gegenstand der vorliegenden Klage.
Verfahren und Anträge der Parteien
18.
Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 2. Mai 2000 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der in dem Schreiben vom 28. Februar
2000 enthaltenen Entscheidung erhoben.
19.
Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, das mündliche
Verfahren zu eröffnen und der Kommission Fragen zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung
zu stellen, um in Erfahrung zu bringen, ob die Informationen aus dem Schreiben der Klägerinnen vom
17. September 1998 gemäß Artikel 23 Absatz 1 der APS-Verordnung oder Artikel 10 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 3281/94 an die Mitgliedstaaten übermittelt wurden und gegebenenfalls, ob ein
Mitgliedstaat gemäß Artikel 23 Absatz 2 oder Artikel 10 Absatz 2 dieser Verordnungen die Einleitung
von Konsultationen beantragte.
20.
Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 11. Dezember 2001 mündlich verhandelt und
die Fragen des Gerichts beantwortet.
21.
In Beantwortung der Fragen des Gerichts teilte die Kommission in der mündlichen Verhandlung mit,
dass die ihr von den Klägerinnen vorgelegten Informationen den Mitgliedstaaten mit Schreiben vom
10. Oktober 1998 übermittelt worden seien und dass sie im Anschluss daran nach Artikel 10 Absatz 2
der damals anwendbaren Verordnung Nr. 3281/94 (dem Artikel 23 Absatz 2 der APS-Verordnung
entspricht) Konsultationen eingeleitet habe, die am 10. November 1998 im Ausschuss für die
allgemeinen Präferenzen (vgl. Artikel 17 der Verordnung Nr. 3281/94 und Artikel 31 der APS-
Verordnung) durchgeführt worden seien.
22.
Die Klägerinnen beantragen,
- die in dem Schreiben vom 28. Februar 2000 enthaltene Entscheidung der Kommission für nichtig zu
erklären;
- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
23.
Die Kommission beantragt,
- die Klage als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abzuweisen;
- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
24.
Die Kommission erhebt die Einrede der Unzulässigkeit der Klage, die sie auf zwei Gründe stützt:
Fehlen einer anfechtbaren Entscheidung und mangelndes Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen.
25.
Der erste Unzulässigkeitsgrund beruht auf drei Argumenten.
26.
Die Kommission macht erstens geltend, nach der APS-Verordnung seien die Klägerinnen nicht
befugt, die Rücknahme der APS-Vorteile oder die Einleitung einer Untersuchung zu beantragen, so
dass das Schreiben vom 28. Februar 2000 für sie keine rechtlichen Wirkungen entfalten könne.
27.
Das Schreiben enthalte keine Entscheidung, die nach Artikel 230 Absatz 4 EG angefochten werden
könne. Nach ständiger Rechtsprechung seien nur solche Maßnahmen, die verbindliche
Rechtswirkungen erzeugten, welche die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine
Rechtsstellung beeinträchtigten, Handlungen oder Entscheidungen, die Gegenstand einer
Nichtigkeitsklage im Sinne dieser Bestimmung sein könnten.
28.
Das erwähnte Schreiben könne nicht als anfechtbare Entscheidung angesehen werden, da die
APS-Verordnung den Klägerinnen nicht die Befugnis verleihe, die Einleitung eines Verfahrens zur
Rücknahme der APS-Vorteile zu beantragen, sondern ihnen lediglich die Möglichkeit gebe, im Rahmen
eines solchen Verfahrens der Kommission Informationen zur Kenntnis zu bringen. Sie habe die von den
Klägerinnen vorgelegten Dokumente nicht deshalb zurückgewiesen, weil die Klägerinnen nicht zu ihrer
Vorlage berechtigt gewesen seien, sondern weil die Präferenzen nach dem APS bei den
Ausgleichszöllen bereits berücksichtigt worden seien. Nach der APS-Verordnung sei es der
Kommission nicht möglich gewesen, eine Untersuchung einzuleiten, die zur Rücknahme der
Zollpräferenzen führen könnte.
29.
Mit der Entscheidung, einem begünstigten Land die APS-Vorteile zu entziehen, sollten nicht die
wirtschaftlichen Belange interessierter Parteien wie der Klägerinnen geschützt werden, die durch
andere Instrumente der gemeinschaftlichen Handlungspolitik gewahrt würden. Entscheidungen über
die Rücknahme von Präferenzen hätten vielmehr im Wesentlichen politischen Charakter.
30.
Das Recht interessierter Parteien, der Kommission Beweise vorzulegen und im Rahmen eines
Verfahrens zur Rücknahme der APS-Vorteile Stellungnahmen abzugeben, sei beschränkt und könne
nicht mit der Rechtsstellung eines „Beschwerdeführers“ gleichgesetzt werden. Mit dem Erfordernis
eines Nachweises des Interesses in Artikel 23 Absatz 1 der APS-Verordnung solle verhindert werden,
dass eine nicht überschaubare, unbegrenzte Anzahl von Personen oder Vereinigungen der
Kommission Informationen übermittle. Die Kommission vergleicht die Bestimmungen der APS-
Verordnung mit anderen handelspolitischen Maßnahmen, bei denen ein Klagerecht zugunsten der
Beschwerdeführer vorgesehen sei. Sie verweist dabei insbesondere auf die Verordnung (EG) Nr.
3286/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im
Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach
internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO)
vereinbarten Regeln (ABl. L 349, S. 71), die Verordnung Nr. 384/96 und die Verordnung Nr. 2026/97.
31.
Die Kommission lehnt auch die von den Klägerinnen vorgenommene Gleichsetzung der
Rechtsstellung von Beschwerdeführern im Wettbewerbsrecht mit der interessierter Parteien im
Rahmen von Artikel 23 der APS-Verordnung ab. Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6.
Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962,
Nr. 13, S. 204) spreche von einem „Antrag“, während die APS-Verordnung lediglich verlange, dass die
interessierten Parteien der Kommission „Beweise vorlegen“ könnten.
32.
Dass die APS-Verordnung weder materielle noch verfahrensrechtliche Vorschriften über die
Erhebung von Beschwerden durch interessierte Parteien enthalte, zeige deutlich, dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber nicht beabsichtigt habe, diesen Parteien eine Antragsbefugnis für die
Einleitung einer Untersuchung zu verleihen. Die Stellung dieser Parteien entspreche eher der der
„Verwender und Verbraucher“ im Sinne der Verordnung Nr. 384/96, die gewisse verfahrensrechtliche
Befugnisse zur Übermittlung von Informationen hätten, jedoch nicht berechtigt seien, die von der
Kommission im Anschluss an die Antidumpinguntersuchung getroffenen Maßnahmen anzufechten.
33.
Zweitens trägt die Kommission vor, die APS-Verordnung gewähre den Gemeinschaftsorganen ein
weites Ermessen bei der Entscheidung, entweder eine Sonderregelung anzuwenden oder die
Präferenzen zurückzunehmen, wenn sie dies für erforderlich hielten, wie insbesondere der Wortlaut
der Artikel 22, 24 und 25 der Verordnung zeige. Die Klägerinnen könnten nicht verlangen, dass sie
eine bestimmte Haltung einnehme; sie seien durch ihre Entscheidung oder die Entscheidung des
Rates auch nicht unmittelbar und individuell betroffen.
34.
Auch durch den Wortlaut der genannten Artikel und den politischen Charakter der endgültigen
Entscheidung, für die eine sorgfältige Abwägung der Interessen der Gemeinschaft erforderlich sei,
werde bestätigt, dass die Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens und die Rücknahme der
APS-Vorteile die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und dem begünstigten Drittland betreffe,
wobei die Auswirkungen auf die Wirtschaftsteilnehmer allenfalls indirekter Natur seien. Die Kommission
verweist zur Illustration auf im Rahmen von Artikel 226 EG getroffene Entscheidungen über die
Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Die Beschwerdeführer seien nicht berechtigt, von der
Kommission zu verlangen, dass sie eine bestimmte Haltung einnehme. Sie würden lediglich durch ein
Schreiben über die Entscheidung der Kommission unterrichtet, da diese Entscheidung nur das
Verhältnis zwischen der Kommission und dem entsprechenden Mitgliedstaat betreffe.
35.
Drittens macht die Kommission geltend, das Schreiben vom 28. Februar 2000 könne nicht als
Entscheidung angesehen werden, da es von einem Beamten unterzeichnet sei, der nicht durch eine
Übertragung von Befugnissen nach den Verfahrensregeln der Kommission ermächtigt gewesen sei,
eine Entscheidung im Namen des Kollegiums der Kommissionsmitglieder oder des zuständigen
Mitglieds der Kommission zu erlassen. Sie beruft sich dabei auf den Beschluss des Gerichtshofes vom
27. Januar 1993 in der Rechtssache C-25/92 (Miethke/Parlament, Slg. 1993, I-473, Randnr. 10) und auf
das Urteil des Gerichts vom 22. Mai 1996 in der Rechtssache T-277/94 (AITEC/Kommission, Slg. 1996,
II-351, Randnr. 50). Das Schreiben sei rein informativ gewesen und könne daher nicht als
„Entscheidung“ über die Zurückweisung „einer Beschwerde“ angesehen werden.
36.
Im Rahmen des zweiten Unzulässigkeitsgrunds macht die Kommission geltend, es sei Sache des
Klägers, ein berechtigtes Klageinteresse darzulegen. Sie verweist dabei auf das Urteil des
Gerichtshofes vom 31. März 1977 in der Rechtssache 88/76 (Société pour l'exportation des
sucres/Kommission, Slg. 1977, 709, Randnr. 19). Da das Schreiben vom 28. Februar 2000 lediglich
informativer Natur gewesen sei, sei seine Nichtigerklärung gegenstandslos. Die Klägerinnen hätten
kein Interesse an der beantragten Maßnahme, da ihre rechtliche Stellung durch die Nichtigerklärung
des Schreibens nicht beeinflusst werden könne.
37.
Nach Ansicht der Klägerinnen ist die Klage zulässig. Durch das Schreiben vom 28. Februar 2000, mit
dem die Kommission eine Prüfung ihrer Beschwerde vom 17. September 1998 abgelehnt habe, sei ihre
rechtliche Stellung beeinflusst worden. Sie machen geltend, dass sie mit den indischen Ausführern,
denen die Regelung nach der APS-Verordnung zugute komme, in Wettbewerb stünden und dass sie in
ihrer Beschwerde ausführlich offenkundige Fälle unlauterer Handelspraktiken dargestellt hätten. Die
Kommission habe ihre Beschwerde ohne Sachprüfung als unzulässig zurückgewiesen und damit gegen
die Bestimmungen der APS-Verordnung, insbesondere deren Artikel 23, verstoßen, der den
interessierten Parteien die Befugnis gewähre, der Kommission Umstände zur Kenntnis zu bringen, die
die Rücknahme der Präferenzregelung rechtfertigen könnten. Sie tragen vor, dass sie sich in der
Situation eines Beschwerdeführers befänden, wobei sie insbesondere darauf hinweisen, dass die
interessierten Parteien nach der genannten Bestimmung verpflichtet seien, „ein Interesse an einer
vorübergehend Rücknahme“ geltend zu machen. Die Klägerinnen wenden sich gegen das Vorbringen
der Kommission, wonach diese Bestimmung verhindern solle, dass eine nicht überschaubare,
unbegrenzte Zahl von Personen und Einrichtungen die Befugnis erhielten, der Kommission nach der
APS-Verordnung Informationen zu übermitteln. Sie räumen ein, dass die Kommission bei der
Zurückweisung ihrer Beschwerde nach einer Prüfung aller vorgelegten Beweise über ein weites
Ermessen verfüge; eine Entscheidung, mit der die Kommission eine Prüfung dieser Beweise unter
Berufung auf die Unzulässigkeit der Beschwerde ablehne, sei hiervon jedoch klar zu trennen. Die in
dem Schreiben vom 28. Februar 2000 enthaltene Entscheidung der Kommission, mit der diese eine
Prüfung ihrer Beschwerde aus rechtlichen Gründen ablehne, sei fehlerhaft und könne, da sie mit
Rechtsfehlern behaftet sei, ganz offensichtlich Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein.
38.
Die von der Kommission vorgenommene Unterscheidung zwischen der Befugnis interessierter
Parteien, ihr „Beweise vorzulegen“ und der Befugnis, „die Rücknahme der APS-Vorteile zu beantragen“
sei künstlich und unlogisch und stehe in Widerspruch zu der früheren Praxis in APS-Sachen. Die
Vorlage von Beweisen bei der Kommission unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer vorübergehenden
Rücknahme der APS-Vorteile schließe einen Antrag auf Rücknahme dieser Vorteile ein. Wenn eine
interessierte Partei eine Entscheidung anfechten könne, die ihre Befugnis zur Vorlage von Beweisen
verletze - was die Kommission einräume -, dann müsse diese Partei auch eine Entscheidung anfechten
können, mit der die Kommission eine Prüfung der ihr vorgelegten Beweise ablehne.
39.
Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass in der einzigen Verordnung über die Rücknahme von APS-
Vorteilen, der Verordnung (EG) Nr. 552/97 des Rates vom 24. März 1997 zur vorübergehenden
Rücknahme der allgemeinen Zollpräferenzen für Waren aus der Union Myanmar (ABl. L 85, S. 8), die
der Kommission von einer interessierten Partei vorgelegten Informationen als Beschwerde bezeichnet
würden.
40.
Nach Auffassung der Klägerinnen sind die von der Kommission herangezogenen Vergleiche
zwischen der APS-Regelung und den Verordnungen Nr. 3286/94 und Nr. 2026/97 nicht stichhaltig. Im
Rahmen dieser Verordnungen habe die Kommission nur beschränkte Befugnisse bei der Eröffnung von
Verfahren, für die enge verfahrensrechtliche Fristen einzuhalten seien. Nach der APS-Verordnung
verfüge die Kommission jedoch über ein weites Ermessen ohne dabei engen Fristen unterworfen zu
sein. Daher sei bei der APS-Verordnung nicht das gleiche Ausmaß an Formalitäten erforderlich, und
zwar sowohl hinsichtlich der Verfahrensregeln als auch in Bezug auf die Bestimmung der
Beschwerdeführer und den Inhalt der Beschwerde. Die Klägerinnen lehnen auch den von der
Kommission vorgenommenen Vergleich zwischen den Befugnissen einer interessierten Partei im
Antidumpingverfahren und denen eines Beschwerdeführers nach der APS-Verordnung ab. Sie weisen
darauf hin, dass die von Verwendern und Verbrauchern übermittelten Informationen lediglich einen
der Gesichtspunkte bildeten, die bei der Bestimmung des Gemeinschaftsinteresses zu
berücksichtigen seien. Die Stellung der Klägerinnen, die eine ausführliche Beschwerde mit Beweisen
vorgelegt hätten, entspreche eher der eines Beschwerdeführers nach der Antidumpingverordnung,
nicht der eines Verwenders oder Verbrauchers. Die Klägerinnen bestreiten schließlich die
Erheblichkeit des Vergleichs mit Artikel 226 EG.
41.
Wenn schon Vergleiche anzustellen seien, dann sei die Rechtsstellung eines Beschwerdeführers im
Wettbewerbsrecht der geeignete Vergleichsmaßstab. Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17
habe die Kommission das Recht, nicht aber die Pflicht, eine Entscheidung über die Abstellung einer
Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zu erlassen. Sie sei indessen verpflichtet, nach dieser
Verordnung eingereichte Beschwerden ernst zu nehmen. Die Klägerinnen berufen sich hierfür auf die
Urteile des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1979 in der Rechtssache 125/78 (GEMA/Kommission, Slg.
1979, 3173) sowie vom 11. Oktober 1983 in der Rechtssache 210/81 (Demo-Studio
Schmidt/Kommission, Slg. 1983, 3045) und des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache
T-24/90 (Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223).
42.
Die Klägerinnen räumen ein, dass die Gemeinschaftsorgane im Bereich des APS bei der Rücknahme
von Präferenzen über ein weites Ermessen verfügten. Dieses Ermessen sei jedoch im Einklang mit den
anwendbaren Rechtsvorschriften auszuüben; es könne nicht so weit ausgedehnt werden, dass ein
Rechtsirrtum von den Gemeinschaftsgerichten nicht mehr geahndet werden könne. Die Klägerinnen
berufen sich hierfür auf das Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83
(Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23).
43.
Das Vorbringen der Kommission, es fehle an einem förmlichen Schreiben mit der Unterschrift eines
zur Vertretung der Kommission ermächtigten Beamten, beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung der
APS-Verordnung, die ihnen nicht die Stellung von Beschwerdeführern einräume, so dass es keiner
förmlichen Entscheidung bedürfe. Dass das angefochtene Schreiben nicht von einem Mitglied der
Kommission unterschrieben sei, sei unerheblich, da die Klägerinnen durch dieses Schreiben jedenfalls
in angemessener Form über die Auffassung der Kommission unterrichtet worden seien. Die
Klägerinnen verweisen hierfür auf den Beschluss des Gerichts vom 4. Mai 1998 in der Rechtssache T-
84/97 (BEUC/Kommission, Slg. 1998, II-795, Randnr. 48).
44.
In Bezug auf ihr Rechtsschutzinteresse machen die Klägerinnen geltend, im Fall einer
Nichtigerklärung der Entscheidung aus dem Schreiben vom 28. Februar 2000 müsse die Kommission
die Begründetheit der Beschwerde vom 17. September 1998 prüfen und über die Einleitung eines
Verfahrens zur Rücknahme der APS-Vorteile für die Republik Indien entscheiden. Dies habe wichtige
Auswirkungen für die Gemeinschaftshersteller, die mit den durch das APS begünstigten indischen
Herstellern in Wettbewerb stünden. Die rechtliche Stellung der Klägerinnen könne daher durch die
Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung beeinflusst werden.
45.
Zunächst ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, wonach es sich bei dem Schreiben
vom 28. Februar 2000 nicht um eine „Entscheidung“ gehandelt habe, da es von einem Beamten
unterschrieben gewesen sei und keine förmliche, vom Kollegium der Kommissionsmitglieder
autorisierte Maßnahme dargestellt habe. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Form, in der
Handlungen oder Entscheidungen ergehen, nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ohne
Einfluss auf ihre Anfechtbarkeit im Wege der Nichtigkeitsklage ist. Für die Feststellung, ob solche
Maßnahmen Handlungen im Sinne von Artikel 230 EG darstellen, ist vielmehr auf ihren Inhalt
abzustellen (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81,
IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9, Beschluss BEUC/Kommission, Randnr. 48).
46.
Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, die Klage sei unzulässig, da das Schreiben vom 28.
Februar 2000 keine anfechtbare Handlung im Sinne von Artikel 230 EG darstelle; die Klägerinnen
seien zwar nach Artikel 23 Absatz 1 der APS-Verordnung befugt, der Kommission Informationen
vorzulegen, sie hätten jedoch nicht die Befugnis, die Rücknahme der APS-Vorteile für einen
begünstigten Staat oder die Einleitung einer entsprechenden Untersuchung zu beantragen. Das
angefochtene Schreiben habe daher nur informativen Charakter und erzeuge keine verbindlichen
Rechtswirkungen, die die Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen könnten.
47.
Nach ständiger Rechtsprechung sind nur solche Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen
erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen,
Handlungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist. Im Fall von Handlungen
oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren, insbesondere zum Abschluss eines
internen Verfahrens, ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung nur bei Maßnahmen vor, die den
Standpunkt eines Organs zum Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei
Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (Urteil des
Gerichtshofes IBM/Kommission, Randnrn. 8 bis 10, Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der
Rechtssache T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnr. 42).
48.
Artikel 23 Absatz 1 der APS-Verordnung ermöglicht es den Mitgliedstaaten und bestimmten Dritten,
die Kommission auf Umstände aufmerksam zu machen, die eine vorübergehende Rücknahme
erforderlich machen können. Die entsprechenden Umstände sind in Artikel 22 Absatz 1 der
Verordnung aufgeführt. Soweit es um Dritte geht, wird diese Möglichkeit allerdings nicht der gesamten
Öffentlichkeit eingeräumt, sondern nur „natürlichen oder juristischen Person[en] oder ...
Vereinigung[en] ohne Rechtspersönlichkeit, die ein Interesse“ an einer solchen Maßnahme geltend
machen können.
49.
Es ist weiter zu berücksichtigen, dass die Kommission nach Artikel 23 Absatz 1 der APS-Verordnung
verpflichtet ist, die ihr vorgelegten Informationen unverzüglich an sämtliche Mitgliedstaaten zu
übermitteln. Diese Verpflichtung soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, im Licht der Informationen zu
prüfen, ob sie einen Antrag auf Einleitung von Konsultationen nach Artikel 23 Absätze 2 bis 4 der
Verordnung stellen wollen.
50.
Folglich verfügt die Kommission zwar bei der Bewertung der ihr vorgelegten Informationen und bei
der Entscheidung über die Einleitung von Konsulationen über ein weites Ermessen; sie ist jedoch bei
ihrer Antwort gegenüber Dritten, die ihr gemäß Artikel 23 Absatz 1 der APS-Verordnung Informationen
vorgelegt haben, nicht von jeder Verpflichtung freigestellt. Soweit ein Dritter ein Interesse an der
vorübergehenden Rücknahme der APS-Vorteile geltend gemacht hat und die von ihm vorgelegten
Informationen einen der in Artikel 22 Absatz 1 der APS-Verordnung aufgeführten Fälle betreffen, ist die
Kommission verpflichtet, die Informationen allen Mitgliedstaaten zu übermitteln, um ihnen die
Möglichkeit zu geben, gegebenenfalls die Einleitung von Konsultation zu beantragen.
51.
Ein Dritter, der ein Interesse an der vorübergehenden Rücknahme geltend gemacht hat, kann also
von der Kommission erwarten, dass sie die von ihm vorgelegten Informationen prüft, um festzustellen,
ob sie einen der genannten Fälle betreffen, und dass sie diese Informationen gegebenenfalls den
Mitgliedstaaten übermittelt. Dieser durch Artikel 23 Absatz 1 der APS-Verordnung begründete
Anspruch eines Dritten, der ein derartiges Interesse geltend gemacht hat, würde - so beschränkt er
auch sein mag - dem Begünstigten verweigert, wenn die Kommission beispielsweise die Prüfung der
vorgelegten Informationen ablehnte oder wenn sie deren Übermittlung an die Mitgliedstaaten
irrtümlich oder rechtswidrig unterließe und diesen damit die Möglichkeit nähme, die Einleitung von
Konsultationen zu beantragen.
52.
In dem angefochtenen Schreiben qualifiziert die Kommission das Schreiben der Klägerinnen vom 17.
September 1998 als Beschwerde und stellt fest, dass diese Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr.
3281/94 und Artikel 22 der APS-Verordnung als rechtliche Grundlage hat. Im Anschluss daran weist sie
die Beschwerde ausdrücklich als unzulässig zurück, bevor sie ihre Auslegung der Artikel 22 und 27 der
APS-Verordnung als Begründung für die Unzulässigkeit darstellt. In dem angefochtenen Schreiben wird
nicht festgestellt, dass die von den Klägerinnen vorgelegten Informationen sich nicht auf einen der in
Artikel 22 Absatz 1 aufgeführten Fälle bezögen; es wird auch nicht in Zweifel gezogen, dass die
Klägerinnen ihr Interesse an einer Rücknahme der APS-Vorteile für PET-Folien mit Ursprung in Indien
geltend gemacht haben. Dem Schreiben ist auch nicht zu entnehmen, dass die Informationen den
Mitgliedstaaten übermittelt worden seien oder dass weitere Maßnahmen nach Artikel 23 der APS-
Verordnung getroffen worden seien.
53.
Damit hat die Kommission den Klägerinnen mit dem Schreiben vom 28. Februar 2000 zu verstehen
gegeben, dass sie sich aufgrund ihrer Auslegung der Artikel 22 und 27 der APS-Verordnung nicht für
verpflichtet halte, die ihr vorgelegten Informationen zu prüfen oder wegen dieser Informationen die in
Artikel 23 Absätze 1 und 2 der APS-Verordnung vorgesehenen Maßnahmen der
Informationsübermittlung an die Mitgliedstaaten oder der Einleitung von Konsultationen zu ergreifen.
54.
Das Schreiben vom 28. Februar 2000 kann daher nur so verstanden werden, dass es die
endgültige Antwort der Kommission auf die ihr nach Artikel 23 der APS-Verordnung vorgelegten
Informationen darstellt und ein Verfahren, das jedenfalls zur Einleitung von Konsultationen in dem in
den Artikeln 23 Absatz 3 und 31 der APS-Verordnung erwähnten Ausschuss für allgemeine
Präferenzen hätte führen können, - und damit auch die von den Klägerinnen beantragte
Untersuchung - bereits in der Anfangsphase abschließt.
55.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Schreiben vom 28. Februar 2000 durch
seinen Inhalt und die Umstände, unter denen es verfasst wurde, Rechtswirkungen erzeugt hat, die die
Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen konnten, da die Kommission mit diesem Schreiben die von
den Klägerinnen vorgelegten Informationen ohne Prüfung endgültig zurückgewiesen hat, wodurch
deren rechtliche Stellung als Personen, die ein Interesse an der vorübergehenden Rücknahme der
APS-Vorteile hatten und die die Kommission auf einen Tatbestand der in Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe
e der APS-Verordnung erwähnten Fallgruppe aufmerksam gemacht hatten, beeinträchtigt worden ist.
56.
Die Klage ist daher zulässig.
Zur Begründetheit
57.
Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf zwei Gründe, mit denen ein Rechtsirrtum bei der Auslegung
der Artikel 22 und 27 der APS-Verordnung sowie ein Verstoß gegen die Begründungspflicht nach
Artikel 253 EG gerügt werden.
58.
Da die in Artikel 253 EG festgelegte Verpflichtung zur Begründung der Entscheidungen der
Gemeinschaftsorgane es einerseits den Betroffenen ermöglichen soll, zur Verteidigung ihrer Rechte
die tragenden Gründe für die getroffene Maßnahme zu erkennen, und andererseits dem
Gemeinschaftsrichter die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe gestatten soll (Urteil des Gerichts vom
6. Februar 1998 in der Rechtssache T-124/96, Interporc/Kommission, Slg. 1998, II-231, Randnr. 53), ist
zunächst der zweite Klagegrund zu untersuchen. Sollte sich nämlich dieser Klagegrund als begründet
erweisen, so wäre das Gericht zu einer inhaltlichen Prüfung der angefochtenen Maßnahme nicht in der
Lage.
Vorbringen der Parteien
59.
Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe - insbesondere in Anbetracht der
ausführlichen Beweise, die ihr vorgelegt worden seien - keine angemessene Begründung für die
Zurückweisung der Beschwerde gegeben. Das Fehlen einer angemessenen Begründung stelle eine
Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Artikel 230 EG dar.
60.
Die Kommission hält dem entgegen, in dem Schreiben vom 28. Februar 2000 werde festgestellt,
dass die behaupteten Praktiken nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e
der APS-Verordnung fielen, so dass das Vorbringen der Klägerinnen und deren Beweise für diese
Praktiken nicht zu prüfen seien. Jedenfalls enthalte das Schreiben eine hinreichend deutliche und
vollständige Darstellung der Gründe, aus denen Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e der genannten
Verordnung nicht anwendbar sei. Dies werde auch dadurch belegt, dass die Klägerinnen bereits in
ihrer Klageschrift die von der Kommission erst in der Klageerwiderung vertiefte Argumentation
zutreffend vorweggenommen hätten.
Würdigung durch das Gericht
61.
Wie bereits in Randnummer 52 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, enthält das Schreiben
vom 28. Februar 2000 die ausdrückliche Erklärung der Kommission, dass sie die Beschwerde aufgrund
ihrer Auslegung der Artikel 22 und 27 der APS-Verordnung für unzulässig halte. Aus den von den
Klägerinnen im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsätzen geht eindeutig hervor, dass diese
Erklärung hinreichend deutlich war, um ihnen ein Verständnis der Gründe für die Zurückweisung ihrer
Beschwerde durch die Kommission zu ermöglichen. Ob die angeführten Gründe stichhaltig sind, ist
eine Frage, die die materielle Begründetheit der Klage betrifft und die getrennt zu untersuchen ist
(Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und
Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 67).
62.
Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
63.
Die Klägerinnen rügen mit dem ersten Klagegrund Auslegungsfehler der Kommission in Bezug auf
das Adverb „normalerweise“ in Artikel 27 der APS-Verordnung und auf das Verhältnis zwischen den
Artikeln 22 und 27 dieser Verordnung.
64.
Sie machen erstens geltend, das Schreiben vom 28. Februar 2000 sei formuliert, als ob das Adverb
„stets“ an die Stelle des Adverbs „normalerweise“ getreten sei. Die Kommission berücksichtige dabei
nicht, dass auch Umstände - wie beispielsweise eine offenkundige Subventionsgewährung - denkbar
seien, unter denen die APS-Vorteile auch dann zurückgenommen werden könnten, wenn
Antisubventionsmaßnahmen verhängt worden seien, um der Subventionierung mehr oder weniger
entgegenzuwirken. Die Auslegung der Kommission erwecke den Eindruck, dass, sobald
Antisubventionsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Präferenzen verhängt worden seien, keine
Umstände mehr in Betracht kämen, unter denen die APS-Vorteile zurückgenommen werden könnten.
Dies sei jedoch schlicht falsch. Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber ein solches Ergebnis
beabsichtigt, so hätte er das Adverb „stets“ und nicht das Adverb „normalerweise“ verwendet.
65.
Zweitens tragen die Klägerinnen vor, die Kommission habe das Verhältnis zwischen den Artikeln 22
und 27 der APS-Verordnung falsch beurteilt. Artikel 27 sei gegenüber Artikel 22 keine Lex specialis. Er
werde auch nicht gegenstandslos, wenn man Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e auf Fälle von
Subventionierung oder Dumping anwende. Artikel 27 bestätige vielmehr den allgemeinen Grundsatz
aus Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e, wonach die Rücknahme der APS-Vorteile in der Mehrzahl der Fälle
nicht in Betracht komme und nur für offenkundige Verstöße vorgesehen sei. Daher gebe es auch
keinen Widerspruch zwischen den beiden Vorschriften. Die Rücknahme der APS-Vorteile komme im Fall
der Verhängung von Ausgleichszöllen nur dann in Betracht, wenn die Subventionierung offenkundig
sei.
66.
Die Auffassung der Kommission zum Verhältnis zwischen den Artikeln 27 und 22 Absatz 1 Buchstabe
e der APS-Verordnung messe dem Begriff „offenkundig“ nur eine beschränkte Bedeutung bei; sie sei
unvereinbar mit der praktischen Wirksamkeit der APS-Verordnung. Die Klägerinnen räumen ein, dass
die Subventionsgewährung als solche keinen offenkundigen Fall einer unlauteren Handelspraktik
darstelle. Ausfuhrsubventionen mit außergewöhnlich schwer wiegenden Folgen für die Gemeinschaft,
die „ungünstige Auswirkungen“ nach sich zögen, stellten jedoch einen „offenkundigen Fall von
unlauteren Handelspraktiken“ dar. Die Auffassung der Kommission, wonach die schädlichen
Auswirkungen vollständig durch die Ausgleichsmaßnahmen beseitigt würden, sei daher offensichtlich
fehlerhaft.
67.
Die Kommission lehnt die von den Klägerinnen vertretene Auslegung des Begriffes „normalerweise“
ab. Dieses Adverb solle lediglich zum Ausdruck bringen, dass nach Artikel 27 der APS-Verordnung die
Gewährung der APS-Vorteile für Einfuhren, die Gegenstand von Antisubventionsmaßnahmen seien,
den Regelfall darstelle, während die Rücknahme dieser Vorteile als Ausnahme in Fällen in Betracht
komme, in denen die betreffenden Maßnahmen nur nach der verursachten Schädigung und anhand
von Preisen festgesetzt worden seien, bei denen die dem betreffenden Land eingeräumte
Präferenzzollregelung unberücksichtigt geblieben sei.
68.
Die Gewährung von APS-Vorteilen für Einfuhren, die Gegenstand von Ausgleichsmaßnahmen seien,
werde in Artikel 27 der APS-Verordnung gesondert geregelt. Diese Bestimmung stelle den allgemeinen
Grundsatz auf, dass die APS-Vorteile auch für Einfuhrwaren gewährt würden, die Gegenstand von
Antisubventionsmaßnahmen seien. Nach der so genannten Regel des „niedrigeren Zolls“ würden die
APS-Vorteile ausnahmsweise dann nicht gewährt, wenn die Antisubventionsmaßnahmen auf dem
Umfang der Schädigung für die Gemeinschaftsindustrie und nicht auf der Höhe der Subventionen
beruhten und die Schädigung auf der Grundlage von Preisen für die Einfuhrwaren festgesetzt worden
sei, bei denen die APS-Vorteile nicht berücksichtigt worden seien. Praktisch könne ein solcher Fall nur
vorliegen, wenn die APS-Vorteile während des Zeitraums der Antisubventionsuntersuchung nicht
gewährt worden seien, etwa weil das Ausfuhrland erst nach diesem Zeitraum in die Liste der durch
das APS begünstigten Länder aufgenommen worden sei. Die in Artikel 27 mit der Formulierung „es sei
denn“ umschriebene Ausnahme habe daher nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich.
69.
Die von den Klägerinnen vertretene Auffassung zum Verhältnis zwischen den Artikeln 22 Absatz 1
Buchstabe e und 27 der APS-Verordnung stelle eine zusätzliche Voraussetzung für die Rücknahme der
APS-Vorteile nach der erstgenannten Bestimmung auf. Der Begriff „offenkundig“ sei im Sinne von
„klar“, „offensichtlich“, „sicher“ zu verstehen, nicht von „schwerwiegend“ und „anhaltend“, wie die
Klägerinnen annähmen. Deren Auffassung, dass „offenkundige Fälle“ im Sinne von Artikel 22 Absatz 1
Buchstabe e nicht unter Artikel 27 fielen, würde dazu führen, dass die Gemeinschaftsorgane nach der
Einführung von Antisubventionsmaßnahmen aufgrund der Verordnung Nr. 2026/97 automatisch die
APS-Vorteile zurücknehmen könnten, da für die Feststellung einer Subvention, die
Ausgleichsmaßnahmen begründen könne, eine „offenkundige“ Subventionierung vorausgesetzt
werde. Artikel 27 wäre somit überflüssig und gegenstandslos.
70.
Die Kommission verweist darauf, dass ihre Auslegung von Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e der APS-
Verordnung durch die in dieser Verordnung vorgesehenen verfahrensrechtlichen Garantien bestätigt
werde. Sie beruft sich dabei auf Artikel 25 der Verordnung, nach dem die APS-Vorteile erst nach
Abschluss einer Untersuchung zurückgenommen werden könnten, mit der das tatsächliche Vorliegen
der beanstandeten Praktiken festgestellt werden solle. Eine solche Untersuchung wäre jedoch
entbehrlich, wenn die Organe bereits im Rahmen der Verordnung Nr. 2026/97 eine Prüfung zu
demselben Zweck durchgeführt hätten.
71.
Die Kommission macht zur Unterstützung ihrer Auslegung schließlich geltend, dass die schädlichen
Auswirkungen der Einfuhren von PET-Folien mit Ursprung in Indien für die Gemeinschaftsindustrie
durch die Einführung von Antisubventionsmaßnahmen beseitigt worden seien, die auf der Höhe der
Subventionen und auf Preisen beruhten, bei denen die Zollpräferenzen bereits berücksichtigt seien.
Eine Rücknahme der APS-Vorteile nach Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e der APS-Verordnung sei daher
nicht gerechtfertigt; sie würde zu einer doppelten Sanktion für dieselbe Schädigung führen, was
unverhältnismäßig und unangemessen sei.
72.
Die Kommission weist weiter darauf hin, dass nur Subventionen, die eine Schädigung der
Gemeinschaftsindustrie verursachten, als „unlauter“ angesehen werden könnten. Wenn daher die
schädlichen Auswirkungen der Subventionierung durch die Einführung von Ausgleichsmaßnahmen
beseitigt worden seien, könnten die Subventionen keine „unlauteren Handelspraktiken“ im Sinne von
Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe e der APS-Verordnung darstellen.
Würdigung durch das Gericht
73.
Die Klägerinnen räumen ein, dass die Kommission nach der APS-Verordnung bei der Entscheidung
über die Einleitung der in den Artikeln 23 bis 26 dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren, die zu
einer Rücknahme der APS-Vorteile führen können, über ein weites Ermessen verfügt. Sie räumen
weiter ein, dass eine eventuelle (Sach-)Entscheidung der Kommission über die Nichteinleitung einer
Untersuchung nach Artikel 25 Absatz 1 dieser Verordnung nur schwer anfechtbar wäre. Sie machen
jedoch geltend, dass die Weigerung der Kommission, dieses Ermessen auszuüben und die ihr von
Dritten übermittelten Informationen auf ihre Bedeutung zu prüfen, angefochten werden könne und
vom Gericht aufgehoben werden müsse, wenn erwiesen sei, dass diese Weigerung auf einer
fehlerhaften Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhe.
74.
Die Kommission bestreitet, dass sie es unterlassen habe, die ihr von den Klägerinnen übermittelten
Informationen auf ihre Bedeutung zu prüfen. Entgegen den Feststellungen der Kommission in Nummer
15 der Klagebeantwortung, wonach sie die ihr vorgelegten Beweise „insbesondere im Hinblick auf
Artikel 27 der APS-Verordnung“ nicht für ausreichend gehalten habe, „um die Einleitung eines
Verfahrens zur Rücknahme der APS-Vorteile für Indien zu rechtfertigen“, ist nach Auffassung des
Gerichts nicht nachgewiesen, dass die von den Klägerinnen vorgelegten Informationen von der
Kommission beim Erlass der angefochtenen Maßnahme geprüft worden sind.
75.
In dem angefochtenen Schreiben heißt es lediglich, die Kommission habe alle rechtlichen
Gesichtspunkte der „Beschwerde“ und insbesondere die Auslegung und die Wirkung der Artikel 22
und 27 der APS-Verordnung geprüft. In der Gegenerwiderung trägt die Kommission vor, die ihr
vorgelegten Beweise seien zurückgewiesen worden, da die APS-Behandlung bei den verhängten
Antisubventionsmaßnahmen bereits berücksichtigt worden sei und sie daher nach der APS-
Verordnung keine Untersuchung habe eröffnen könne, die möglicherweise zur Rücknahme der
Zollpräferenzen geführt hätte.
76.
Die in dem angefochtenen Schreiben enthaltene Entscheidung der Kommission beruhte somit auf
der Erwägung, dass die Kommission nach den Artikeln 22 und 27 der APS-Verordnung an der
Einleitung einer Untersuchung gehindert sei, und nicht auf der Feststellung, dass die vorgelegten
Beweise unzureichend seien.
77.
Damit ist zu prüfen, ob die Auslegung von Artikel 27 der APS-Verordnung durch die Kommission
zutrifft.
78.
Diese Vorschrift besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil wird eine allgemeine Regel aufgestellt,
während der zweite Teil eine Ausnahme von dieser Regel enthält. Diese Ausnahme ist in der
vorliegenden Rechtssache unstreitig nicht einschlägig. Die Klägerinnen räumen ein, dass die in
Randnummer 15 des vorliegenden Urteils erwähnten Antisubventionsmaßnahmen, soweit sie auf PET-
Folien mit Ursprung in Indien angewandt würden, nicht auf der Grundlage der Schädigung der
Gemeinschaftsindustrie, sondern aufgrund der Höhe der Subventionen und anhand von Preisen
festgelegt worden seien, bei denen die der Republik Indien eingeräumten APS-Vorteile berücksichtigt
worden seien.
79.
Der Streit zwischen den Parteien über die Auslegung von Artikel 27 der APS-Verordnung bezieht sich
somit nur auf die Bedeutung des Adverbs „normalerweise“ im ersten Teil der Vorschrift. Nach
Auffassung des Gerichts kann diese Bestimmung nicht in dem von der Kommission vorgeschlagenen
Sinn ausgelegt werden.
80.
Zunächst bezieht sich das Adverb „normalerweise“ offensichtlich auf die Anwendung der Regel des
Artikels 27 in Fällen, in denen Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen eingeführt worden sind,
ohne dass der in dem mit den Worten „es sei denn“ eingeleiteten Teil der Bestimmung umschriebene
Tatbestand vorliegt. Der Begriff „normalerweise“ bedeutet, dass diese Regel in solchen Fällen
grundsätzlich anzuwenden ist. Wäre die Regel nicht nur grundsätzlich, sondern in allen Fällen
anzuwenden, so wäre der Begriff „normalerweise“ unnötig, ja sogar widersprüchlich.
81.
In den Fällen, in denen der Ausnahmetatbestand nicht gegeben ist, bewirkt der Begriff
„normalerweise“ somit, dass der Gemeinschaft bei der Entscheidung, ob die APS-Vorteile im Einzelfall
trotz der Einführung von Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen gewährt oder beibehalten
werden, ein Ermessen zukommt. Mit anderen Worten, die Gemeinschaft ist berechtigt, aber nicht
verpflichtet, die APS-Vorteile auch unter solchen Umständen zu gewähren oder beizubehalten.
82.
Artikel 22 der APS-Verordnung bestätigt die Richtigkeit dieser Auslegung.
83.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in der APS-Verordnung vorgesehenen Präferenzen vollständig
oder teilweise zurückgenommen werden können, wenn einer oder mehrere der in Artikel 22 Absatz 1
Buchstaben a bis f dieser Verordnung aufgeführten sechs Fälle vorliegen. So könnten beispielsweise
in einem Fall, in dem für bestimmte Waren Antisubventionsmaßnahmen eingeführt worden sind, ohne
dass der Ausnahmetatbestand des Artikels 27 einschlägig wäre, die APS-Vorteile nach Artikel 22
Absatz 1 Buchstabe b der APS-Verordnung zurückgenommen werden, wenn festgestellt würde, dass
die Waren in Strafvollzugsanstalten hergestellt worden sind; würde sich herausstellen, dass das
begünstigte Land Formen der Sklaverei oder Zwangsarbeit praktiziert, so käme eine Rücknahme nach
Absatz 1 Buchstabe a dieser Bestimmung in Betracht. Die Rücknahme könnte vollständig oder nur für
bestimmte Waren erfolgen.
84.
Zudem umfasst der Tatbestand des Artikels 22 Absatz 1 Buchstabe e der APS-Verordnung
offenkundige Fälle von unlauteren Handelspraktiken eines begünstigten Landes; er ist damit nicht
notwendig auf Handelspraktiken beschränkt, die bestimmte Produkte betreffen, sondern kann auch
allgemeinere Praktiken erfassen, die sich auf den gesamten Handel in diesem Land oder auf einen
Sektor seiner Industrie beziehen. In einem solchen Fall wären Waren, die Gegenstand von
Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen sind, von einer vollständigen Rücknahme der APS-
Vorteile des begünstigten Staates nicht schon deshalb ausgenommen, weil diese Maßnahmen den
Tatbestand von Artikel 27 der APS-Verordnung erfüllten und nicht unter die in Randnummer 78
erwähnte Ausnahme von der in dieser Vorschrift enthaltenen Regel fielen.
85.
Wie die Kommission betont, geht es bei der Entscheidung über die Rücknahme der APS-Vorteile in
erster Linie um eine politische Frage, die die Gemeinschaft und die begünstigten Länder betrifft. Dabei
besteht nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen den Waren, für die die APS-Vorteile
zurückgenommen werden, und der Rechtsgrundlage für die Rücknahme. Mit der Verwendung des
Adverbs „normalerweise“ in Artikel 27 der APS-Verordnung soll folglich sichergestellt werden, dass die
Gemeinschaft, auch wenn die Einführung von Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen die
Gewährung oder Beibehaltung von APS-Regelungen nicht ausschließt, jedenfalls das Recht hat, diese
Regelungen in geeigneten Fällen zurückzunehmen, wenn einer oder mehrere der in Artikel 22 Absatz 1
der APS-Verordnung aufgeführten Tatbestände gegeben sind.
86.
Insoweit kann zwischen den Rücknahmetatbeständen in Artikel 22 Absatz 1 der APS-Verordnung -
insbesondere zwischen dem Tatbestand der unlauteren Handelspraktiken eines begünstigten Landes
einerseits und den übrigen Tatbeständen andererseits - keine grundsätzliche Unterscheidung
vorgenommen werden. Stellt die Subventionierung bestimmter Waren den einzigen Vorwurf unlauterer
Handelspraktiken dar, so besteht möglicherweise kein Grund mehr für die Rücknahme der APS-
Vorteile für diese Waren, wenn bereits alle schädlichen Auswirkungen dieser Waren für den Handel
durch die Einführung von Antisubventionsmaßnahmen beseitigt worden sind. Selbst wenn dies der
„Normalfall“ sein sollte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass anders gelagerte Fälle auftreten, in
denen die Subventionsgewährung durch das begünstigte Land außergewöhnliche Folgen hat, die
über die rein finanziellen Auswirkungen hinausgehen, die bereits durch die
Antisubventionsmaßnahmen ausgeglichen sind.
87.
Im Ergebnis bezieht sich das Adverb „normalerweise“ in Artikel 27 der APS-Verordnung auf
mindestens zwei denkbare Fälle, in denen die APS-Vorteile für Waren zurückgenommen werden
können, die Gegenstand von Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen sind. Der erste Fall liegt
vor, wenn die APS-Vorteile für eine Ware im Rahmen einer allgemeinen Rücknahme der APS-Regelung
für das begünstigte Land aus einem oder mehreren der in Artikel 22 Absatz 1 Buchstaben a bis f der
APS-Verordnung aufgeführten Tatbestände zurückgenommen werden. Der zweite Fall ist gegeben,
wenn die offenkundigen Fälle unlauterer Handelspraktiken im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe
e der APS-Verordnung zwar nur bestimmte Waren betreffen, aber schädliche Auswirkungen haben, die
über die finanziellen Folgen hinausgehen, die durch Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen
beseitigt werden können.
88.
Daher kann Artikel 27 der APS-Verordnung nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass die
Kommission allein deshalb, weil die von der Beschwerde betroffenen Produkte Gegenstand von
Antisubventionsmaßnahmen sind, ohne dass der Ausnahmetatbestand des Artikels 27 vorliegt, daran
gehindert ist, die Einleitung von Konsultationen im Rahmen von Artikel 23 der APS-Verordnung zu
beantragen und im Anschluss daran gegebenenfalls nach Artikel 25 dieser Verordnung eine
Untersuchung über das Vorliegen des Tatbestands des Artikels 22 Absatz 1 Buchstabe e der
Verordnung durchzuführen.
89.
Folglich ist die Auslegung von Artikel 27 der APS-Verordnung durch die Kommission fehlerhaft und
die auf dieser Auslegung beruhende Entscheidung im Schreiben vom 28. Februar 2000 für nichtig zu
erklären.
Kosten
90.
Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterlegene Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat sie entsprechend
dem Antrag der Klägerinnen die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung der Kommission vom 28. Februar 2000 wird für nichtig erklärt.
2. Die Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Klägerinnen.
Cooke García-Valdecasas Lindh
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. September 2002.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
J. D. Cooke
Verfahrenssprache: Englisch.