Urteil des EuG vom 28.04.1998

EuG: irak, sicherheitsrat der vereinten nationen, verordnung, kommission, charta der vereinten nationen, unternehmen, gesellschaft mit beschränkter haftung, juristische person, kausalzusammenhang

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
28. April 1998
„Außervertragliche Haftung für rechtmäßiges Handeln — Verordnung Nr. 2340/90 — Handelsembargo gegen
Irak — Enteignender Eingriff — Haftung für rechtswidriges Handeln — Schaden“
In der Rechtssache T-184/95
Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH
(Deutschland), Prozeßbevollmächtigter: Professor Karl M. Meessen, Zustellungsanschrift: Kanzlei des
Rechtsanwalts Patrick Kinsch, 100, boulevard de la Pétrusse, Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Rat der Europäischen Union
Marquardt und Antonio Tanca, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter:
Alessandro Morbilli, Generaldirektor der Direktion für Rechtsfragen der Europäischen Investitionsbank, 100,
boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,
und
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
und Allan Rosas sowie Rechtsberater Jörn Sack
als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen Ersatzes des der Klägerin angeblich durch den Erlaß der Verordnung (EWG) Nr. 2340/90 des Rates
vom 8. August 1990 zur Verhinderung des Irak und Kuwait betreffenden Handelsverkehrs der Gemeinschaft
(ABl. L 213, S. 1) entstandenen Schadens
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten C. W. Bellamy sowie des Richters A. Kalogeropoulos und der Richterin V.
Tiili,
Kanzler: H. Jung
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt
1.
Die Klägerin, die Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH, ist eine Gesellschaft mit beschränkter
Haftung deutschen Rechts mit Sitz in München (Deutschland), deren Haupttätigkeit in der Erbringung
von beratenden Ingenieurleistungen in verschiedenen Ländern besteht.
2.
Am 30. Januar 1975 schloß die Klägerin mit dem Ministry of Works and Housing der Republik Irak
(nachstehend: irakisches Ministerium) einen Vertrag, in dem sie sich verpflichtete, beim Bau des Iraq
Express Way No 1 Planungs- und Bauüberwachungsleistungen zu erbringen. Dieser für eine
Mindestlaufzeit von sechs Jahren geschlossene Vertrag wurde später entsprechend den
Erfordernissen bei der Durchführung und Überwachung der genannten Arbeiten mehrmals verlängert.
Artikel X des Vertrages sah unter anderem bei Meinungsverschiedenheiten über
die Auslegung des Vertrages oder für den Fall einer Nichterfüllung von Verpflichtungen daraus vor,
daß beide Parteien einvernehmlich nach einer akzeptablen Lösung suchen sollten (Artikel X Absatz 1).
Falls keine Einigung zustande kommen sollte, sei der Streit zur endgültigen und verbindlichen
Entscheidung vor den Planning Board zu bringen. Jedoch sollte keine Partei durch eine im Rahmen des
Vertrages ergangene Entscheidung gehindert sein, auch die zuständigen irakischen Gerichte mit dem
Streit zu befassen (Artikel X Absatz 2).
3.
Aus der Akte geht hervor, daß die Anfang 1990 noch offenen Forderungen der Klägerin gegen die
irakischen Behörden aufgrund der im Rahmen des genannten Vertrages erbrachten Leistungen in
zwei Schreiben des irakischen Ministeriums vom 5. und 6. Februar 1990 an die irakische Rafidian Bank
anerkannt wurden; diese wurde darin angewiesen, die der Klägerin zustehenden Beträge auf deren
Konto zu überweisen.
4.
Am 2. August 1990 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution Nr.
660 (1990), in der er feststellte, daß mit der irakischen Invasion Kuwaits ein Bruch des Weltfriedens
und der internationalen Sicherheit vorliege, und den sofortigen und bedingungslosen Rückzug der
irakischen Streitkräfte aus dem kuwaitischen Hoheitsgebiet verlangte.
5.
Am 6. August 1990 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution Nr.
661 (1990), in der er „eingedenk seiner nach der Charta der Vereinten Nationen bestehenden
Verantwortlichkeit für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ feststellte,
daß die Republik Irak (nachstehend: Irak) der Resolution Nr. 660 (1990) nicht Folge geleistet habe,
und gegen Irak und Kuwait ein Handelsembargo durch seine Mitgliedstaaten beschloß.
6.
Am 8. August 1990 erließ der Rat auf Vorschlag der Kommission unter Hinweis auf die
„schwerwiegende Situation infolge der Invasion Kuwaits durch Irak“ und auf die Resolution Nr. 661
(1990) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen die Verordnung (EWG) Nr. 2340/90 zur
Verhinderung des Irak und Kuwait betreffenden Handelsverkehrs der Gemeinschaft (ABl. L 213, S. 1).
7.
Artikel 1 der Verordnung Nr. 2340/90 verbot ab dem 7. August 1990 das Verbringen aller
Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus Irak und Kuwait in das Gemeinschaftsgebiet sowie die
Ausfuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus der Gemeinschaft in diese Länder. Artikel
2 der Verordnung Nr. 2340/90 verbot ab dem 7. August 1990 a) jegliche Handelstätigkeit oder
jegliches Handelsgeschäft, einschließlich jeglicher Tätigkeit im Zusammenhang mit bereits
geschlossenen oder teilweise erfüllten Geschäften, die das Ziel oder die Wirkung haben, die Ausfuhr
jeglichen Erzeugnisses mit Ursprung in oder Herkunft aus Irak und Kuwait zu fördern, b) den Verkauf
oder die Lieferung jeglichen Erzeugnisses gleich welchen Ursprungs und welcher Herkunft an jegliche
natürliche oder juristische Person in Irak oder in Kuwait oder an jegliche sonstige natürliche oder
juristische Person zum Zwecke jeglicher Handelstätigkeit auf dem oder ausgehend vom Gebiet Iraks
oder Kuwaits und c) jegliche Tätigkeit, die das Ziel oder die Wirkung hat, diese Verkäufe oder diese
Lieferungen zu fördern.
8.
Aus den Akten geht hervor, daß der „Oberste Revolutionsrat der Republik Irak“ am 16. September
1990 unter Hinweis auf die „willkürlichen Beschlüsse einiger Regierungen“ rückwirkend zum 6. August
1990 das Gesetz Nr. 57 über den Schutz der irakischen Vermögen, Interessen und Rechte innerhalb
und außerhalb Iraks (nachstehend: Gesetz Nr. 57) erließ. Nach Artikel 7 dieses Gesetzes wurden alle
Vermögen und Bestände sowie deren Erträge für Regierungen, Unternehmen, Gesellschaften und
Banken der Staaten, die solche „willkürlichen Beschlüsse“ gegen Irak erlassen hätten, gesperrt.
9.
Da die irakischen Behörden auf die Forderungen der Klägerin, die in den genannten Schreiben des
irakischen Ministeriums vom 5. und 6. Februar 1990 anerkannt worden waren (siehe oben, Randnr. 3),
keine Zahlung geleistet hatten, wandte sich diese mit Schreiben vom 4. August 1995 jeweils an den
Rat und an die Kommission und forderte Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, daß
diese Forderungen aufgrund der Anwendung des Gesetzes Nr. 57 uneinbringlich geworden seien, das
als Gegenmaßnahme gegen den Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 durch die Gemeinschaft erlassen
worden sei. In diesen Schreiben machte die Klägerin geltend, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber
verpflichtet gewesen sei, die durch das Embargo gegen Irak beeinträchtigten Wirtschaftsteilnehmer zu
entschädigen, und daß der Umstand, daß die Gemeinschaft dies unterlassen habe, deren Haftung
nach Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag auslöse. Vorsorglich habe sie ihre Forderungen gegen Irak bei
der United Nations Iraq Claims Compensation Commission angemeldet.
10.
Mit Schreiben vom 20. September 1995 weigerte sich der Rat, der Schadensersatzforderung der
Klägerin stattzugeben.
11.
Daraufhin hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 6. Oktober 1995 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
12.
Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung
ohne vorherige Beweisaufnahme eröffnet. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen hat es die Parteien
jedoch aufgefordert, einige schriftliche Fragen zu beantworten.
13.
Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 19. Juni 1997 mündlich verhandelt und
mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
14.
Die Klägerin beantragt,
— die Gemeinschaft zu verurteilen, an sie 2 279 859,69 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 % p. a.
seit dem 9. August 1990 Zug um Zug gegen Abtretung der der Klägerin in gleicher Höhe gegen Irak
zustehenden Restforderung zu zahlen;
— den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;
— das Urteil für vollstreckbar zu erklären;
— hilfsweise, das Urteil gegen Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft für vorläufig vollstreckbar
zu erklären.
15.
Der Rat beantragt,
— die Klage als unzulässig abzuweisen;
— hilfsweise die Klage als unbegründet abzuweisen;
— die Klägerin zur Zahlung der Kosten zu verurteilen.
16.
Die Kommission beantragt,
— die Klage als unbegründet abzuweisen;
— der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
17.
Der Rat macht, ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 § 1 der
Verfahrensordnung zu erheben, geltend, daß die Klage unzulässig sei, weil die Gemeinschaft für den
der Klägerin angeblich entstandenen Schaden nicht haftbar gemacht werden könne (Urteil des
Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 99/74, Grands Moulins des
Antilles/Kommission, Slg. 1975, 1531).
18.
Erstens sei der geltend gemachte Schaden nicht durch die Verordnung Nr. 2340/90, sondern durch
das Gesetz Nr. 57 verursacht worden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sei dessen Erlaß keine
„unmittelbare Reaktion“ auf den Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 des Rates, sondern, wie sich aus
seiner Präambel ergebe, eine Reaktion auf die „willkürlichen Beschlüsse einiger Regierungen“. In
Wirklichkeit hätten die Resolutionen Nr. 660 (1990) und Nr. 661 (1990) des Sicherheitsrats der
Vereinten Nationen zum Erlaß des Gesetzes Nr. 57 geführt. Der Umstand, daß das vom Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen gegen Irak
angeordnete Embargo mit dessen rechtswidrigem Verhalten (Invasion von Kuwait) gerechtfertigt
worden sei, verbiete es daher, einen objektiven Zusammenhang zwischen dem Erlaß der Verordnung
Nr. 2340/90 und dem Erlaß des Gesetzes Nr. 57 durch Irak als Gegenmaßnahme herzustellen und
somit vom Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen der Gemeinschaftsverordnung und dem
von der Klägerin geltend gemachten Schaden auszugehen.
19.
Zweitens wirft der Rat die Frage auf, ob die Forderungen der Klägerin gegen die irakischen
Behörden „Bestände“ darstellten, die gemäß Artikel 7 des Gesetzes Nr. 57 gesperrt seien (siehe
oben, Randnr. 8). Die Klägerin habe insbesondere nicht nachgewiesen, daß sich die Rafidian Bank
aufgrund des Gesetzes Nr. 57 geweigert habe, die Zahlungsanweisungen des irakischen Ministeriums
auszuführen. Die fraglichen Zahlungen seien mit Schreiben des irakischen Ministeriums vom 5. und 6.
Februar 1990, d. h. lange vor dem Erlaß des Gesetzes Nr. 57 im September 1990, angewiesen worden.
20.
Drittens sei, auch wenn man annehme, daß sich die irakischen Behörden aufgrund des Gesetz Nr.
57 geweigert hätten, ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin zu erfüllen, der von der Klägerin
geltend gemachte Schaden doch allein durch dieses Gesetz verursacht worden, da es keine nationale
oder Gemeinschaftsmaßnahme gebe, die den Transfer von Geldern aus Irak nach Deutschland
verbiete. Die Lage der Klägerin unterscheide sich also von der anderer deutscher
Wirtschaftsteilnehmer, die durch die deutschen Maßnahmen zur Unterbindung jeglichen
Handelsverkehrs mit Irak gemäß der Verordnung Nr. 2340/90 geschädigt worden seien.
21.
Die Kommission ist der Auffassung, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur
außervertraglichen Haftung eine Klage wegen außervertraglicher Haftung der Gemeinschaft für
rechtmäßiges Handeln grundsätzlich nicht auf der Grundlage der Artikel 178 und 215 Absatz 2 EG-
Vertrag erhoben werden könne. Es müsse jedoch im Vertrag eine Rechtsgrundlage geben, die es
einem einzelnen gestatte, die Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln haftbar zu machen.
22.
Die Klägerin macht geltend, ihre Klage sei zulässig; die vom Rat angeführten rechtlichen und
tatsächlichen Gesichtspunkte, insbesondere der, daß es an einem Kausalzusammenhang zwischen
dem Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 und derUneinbringlichkeit ihrer Forderungen gegen die
irakischen Behörden fehle, bezögen sich auf die Begründetheit und nicht auf die Zulässigkeit der
Klage.
23.
Die Klägerin beschreibt in ihrer Klageschrift klar die Art und den Umfang des vermeintlichen
Schadens sowie die Gründe, aus denen sie zwischen diesem Schaden und dem Erlaß der Verordnung
Nr. 2340/90 einen Kausalzusammenhang sieht. Die Angaben in der Klageschrift genügen somit den
insoweit durch Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung und durch die Rechtsprechung
für die
Zulässigkeit aufgestellten Erfordernissen; das Vorbringen des Rates zum Vorliegen und zur Natur des
geltend gemachten Schadens sowie zum Kausalzusammenhang betrifft die Beurteilung der
Begründetheit und ist folglich in deren Rahmen zu prüfen. Die Klage ist daher für zulässig zu erklären
(Urteile des Gerichts vom 16. April 1997 in der Rechtssache T-554/93, Saint und Murray/Rat und
Kommission, Slg. 1997, II-563, Randnr. 59, und vom 10. Juli 1997 in der Rechtssache T-38/96, Guérin
automobiles/Kommission, Slg. 1997, II-1223, Randnr. 42).
Zur Begründetheit
24.
Die Klägerin macht geltend, daß die Gemeinschaft ihr den Schaden, der durch die Weigerung der
irakischen Behörden, ihre Verbindlichkeiten ihr gegenüber zu erfüllen, entstanden sei, ersetzen
müsse, weil das Gesetz Nr. 57 seine Ursache im Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 habe, mit der
gegen Irak ein Embargo verhängt worden sei. Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für den
entstandenen Schaden ergebe sich in erster Linie aus dem Grundsatz der Haftung der Gemeinschaft
für rechtmäßiges Handeln aufgrund eines enteignenden Eingriffs in ihre Vermögensrechte und
hilfsweise aus dem Grundsatz der Haftung der Gemeinschaft für rechtswidriges Handeln, wobei die
Rechtswidrigkeit im vorliegenden Fall in dem Unterlassen des Gemeinschaftsgesetzgebers bestehe,
bei Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 eine Entschädigung für den den betroffenen Unternehmen
durch diese Verordnung verursachten Schaden vorzusehen.
Zur Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln
Zur Grundlage der Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln
25.
Die Klägerin macht zunächst geltend, Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes sehe — entsprechend
Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK) und entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts zur
Entschädigungspflichtigkeit von Eingriffen in das Eigentum — vor, daß eine zum Wohl der Allgemeinheit
beschlossene Enteignung nur gegen Zahlung einer Entschädigung zulässig sei. Gleiches gelte für den
Fall eines „enteignenden Eingriffs“, bei dem nach der deutschen Rechtsprechung eine Pflicht zur
Zahlung einer Entschädigung bestehe, wenn rechtmäßiges staatliches Handeln zwar keine förmliche
Enteignungsmaßnahme darstelle, als Nebenwirkung aber in vermögenswerte Rechte eingreife.
26.
Im übrigen ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte, daß auch Forderungen unter den Begriff des Eigentums fielen, das gemäß Artikel 1
des Zusatzprotokolls zur EMRK gegenüber enteignenden Eingriffen geschützt sei (Urteil des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
vom 9. Dezember 1994, Stran Greek Refineries und Stratis Andreadis/Greece). Gleiches gelte nach der
Rechtsprechung auf dem Gebiet des Völkerrechts und nach dem Recht der Mitgliedstaaten.
27.
Auf der Grundlage dieser Überlegungen macht die Klägerin geltend, ihre bestehenden und nicht
bestrittenen Forderungen seien aufgrund des Gesetzes Nr. 57, das als Vergeltungsmaßnahme für die
Verhängung eines Embargos gegen Irak durch die Verordnung Nr. 2340/90 erlassen worden sei,
uneinbringlich geworden und ihr sei dadurch ein „gegenwärtiger“ Schaden verursacht worden, der
von der Gemeinschaft zu ersetzen sei.
28.
Ihr Antrag auf Entschädigung für einen rechtmäßigen Eingriff in ihre Vermögensrechte sei durch die
Überlegung gerechtfertigt, daß ihr Beitrag zu den Kosten der von der Gemeinschaft verfolgten
Embargopolitik nicht höher sein dürfe als der der übrigen Steuerzahler der Gemeinschaft, die diese
Kosten entsprechend dem Grundsatz der Gleichbehandlung mitzutragen hätten (Urteil des
Gerichtshofes vom 5. März 1980 in der Rechtssache 265/78, Ferwerda, Slg. 1980, 617, 628).
29.
Auf das Argument der Beklagten, im vorliegenden Fall handele es sich um eine wirtschaftspolitische
Maßnahme der Gemeinschaft und der von der Klägerin geltend gemachte Schaden gehe nicht über
das mit den Risiken wirtschaftlichen Handelns verbundene Maß hinaus und stelle auch keine
Bedrohung ihrer Existenz als Unternehmen dar, erwidert die Klägerin, die Frage, ob das gegen Irak
verhängte Embargo eine wirtschafts- oder eine sicherheitspolitische Maßnahme darstelle, die ihre
Existenz bedrohe, sei unerheblich, weil es im vorliegenden Fall nicht um künftige wirtschaftliche
Verluste gehe, sondern um einen Eingriff in bestehende Eigentumsrechte. Zur Frage, ob sie bei der
Erbringung von Dienstleistungen in Irak bewußt das Risiko der späteren Uneinbringlichkeit ihrer
Forderungen eingegangen sei, weist sie darauf hin, daß sie den Vertrag mit den irakischen Behörden
1975, also vier Jahre, bevor das derzeitige Regime in Irak an die Macht gekommen sei, und fünf Jahre
vor dem Beginn des irakisch-iranischen Krieges, abgeschlossen habe.
30.
Der Rat macht zunächst geltend, daß die Voraussetzungen für die Auslösung einer Haftung der
Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln strenger als die für die Haftung aufgrund rechtswidrigen
Handelns bestehenden Voraussetzungen sein müßten.
31.
Nach der Rechtsprechung setze eine verschuldensunabhängige Haftung voraus, daß ein einzelner
im Interesse des Gemeinwohls eine Belastung trage, die er eigentlich nicht zu tragen habe (Urteil des
Gerichtshofes vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 267/82, Développement SA und
Clemessy/Kommission, Slg. 1986, 1907), oder daß eine besondere Gruppe von Unternehmen, die auf
bestimmte Erzeugnisse spezialisiert seien, einen unverhältnismäßig hohen Anteil der aufgrund
bestimmter von der Gemeinschaft getroffener wirtschaftspolitischer Maßnahmen entstehenden Lasten
zu tragen habe (Urteil des Gerichtshofes vom 29. September
1987 in der Rechtssache 81/86, De Boer Buizen/Rat und Kommission, Slg. 1987, 3677).
32.
Im vorliegenden Fall seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Auf die Behauptung der Klägerin, es
gehe nicht an, daß ihr Beitrag zu den Kosten der Embargopolitik gegen Irak höher sei als der der
übrigen Wirtschaftsteilnehmer, nur weil ihre Forderungen zum Zeitpunkt der Durchführung dieser
Politik noch nicht beglichen gewesen seien, erwidert der Rat, daß es nicht Sache der Gemeinschaft
sei, für die „zufälligen“ Verluste von Wirtschaftsteilnehmern aufzukommen, die mit wirtschaftlichen
Risiken verbundene Transaktionen vorgenommen hätten.
33.
Die Kommission ist der Auffassung, die deutsche „Sonderopfertheorie“, auf die die Klägerin ihre
Entschädigungsforderung stütze, setze voraus, daß einem einzelnen ein besonderer Schaden
entstanden sei, und könne nicht ohne weiteres in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden.
Außerdem sei zweifelhaft, ob die Klägerin zu einer hinreichend abgegrenzten Gruppe von Unternehmen
gehöre, der ein „Sonderopfer“ im Sinne dieser Theorie auferlegt worden sei.
34.
Die von der Klägerin herangezogenen deutschen Urteile beträfen Fälle von Beeinträchtigungen des
Grund- oder Geschäftseigentums durch staatliche Baumaßnahmen oder Flächenumlegungen und
seien daher mit einem Fall wie dem vorliegenden nicht vergleichbar. Zudem beträfen die von der
Klägerin angeführten Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum
Eigentumsschutz (siehe oben, Randnr. 29) in Wirklichkeit einen unmittelbaren Eingriff in das Eigentum
durch ein Handeln der öffentlichen Gewalt und nicht wie in der vorliegenden Rechtssache die
mittelbaren Folgen rechtmäßiger Rechtsakte der Gemeinschaft.
35.
Außerdem komme, wie die einschlägige Rechtsprechung zeige, eine Haftung der Gemeinschaft für
rechtmäßiges Handeln nur in Betracht, wenn der geltend gemachte Schaden für einen umsichtig
handelnden Wirtschaftsteilnehmer unvorhersehbar oder unvermeidbar gewesen sei. Im vorliegenden
Fall sei die Vorhersehbarkeit der später eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und/oder -unwilligkeit
Iraks offensichtlich gewesen, zum einen aufgrund der allgemeinen Umstände und zum anderen
aufgrund der besonderen Lage dieses Landes. Unternehmen wie die Klägerin, die keine Absicherung
gegen Risiken aus Geschäften mit Ländern, die als „Hochrisiko-Länder“ gälten, durch staatliche
Einrichtungen oder Versicherungsunternehmen hätten erhalten können, seien die damit verbundenen
Risiken bewußt eingegangen.
36.
Schließlich habe die Klägerin keinen Umstand vorgetragen, der geeignet sei, ihre Tätigkeit in
schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen oder ihr Überleben als Unternehmen zu bedrohen (vgl.
Schlußanträge des Generalanwalts Lenz zum Urteil des Gerichtshofes vom 11. März 1987 in den
verbundenen Rechtssachen
279/84, 280/84, 285/84 und 286/84, Rau u. a./Kommission, Slg. 1987, 1069, 1084, 1114).
Zum Kausalzusammenhang
37.
Nach Auffassung der Klägerin wurde der geltend gemachte Schaden durch den Erlaß der
Verordnung Nr. 2340/90, mit der gegen Irak ein Embargo verhängt worden sei, verursacht, weil die
Weigerung der irakischen Behörden, ihre Forderungen zu erfüllen, aufgrund des als Gegenmaßnahme
gegen diese Verordnung erlassenen Gesetzes Nr. 57 erfolgt sei. Entgegen der Behauptung des Rates
stelle der Erlaß des Gesetzes Nr. 57 durch Irak keine „entfernte“ Folge im Sinne der Rechtsprechung
(Urteil des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1979 in den Rechtssachen 64/76, 113/76, 167/78, 239/78,
27/79, 28/79 und 45/79, Dumortier Frères/Rat, Slg. 1979, 3091), sondern eine typische und
vorhersehbare Folge eines Rechtsakts zur Verhängung eines Embargos dar.
38.
Bei Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 hätten sowohl die Kommission als auch der Rat die Kosten
und sonstigen Folgen, die sich aus einer etwaigen Aussetzung der Erfüllung fälliger Forderungen von
Unternehmen der Gemeinschaft durch Irak ergäben, tatsächlich berücksichtigt. Als Zeugen für diese
Behauptung benennt die Klägerin den damaligen Präsidenten der Kommission J. Delors und den
damaligen Präsidenten des Rates De Michelis und beantragt, dem Rat und der Kommission die
Vorlage aller die Verordnung Nr. 2340/90 vorbereitenden Akte aufzugeben (Urteil des Gerichts vom
19. Oktober 1995 in der Rechtssache T-194/94, Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Slg. 1995, II-
2765).
39.
Das Vorbringen der Beklagten, der geltend gemachte Schaden sei nicht durch den Erlaß der
Verordnung Nr. 2340/90, sondern allein dadurch verursacht, daß Irak schon vor Erlaß dieser
Verordnung und sogar schon vor der Invasion Kuwaits am 2. August 1990 nicht in der Lage gewesen
sei, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, werde durch den Umstand widerlegt, daß die irakischen
Behörden der Klägerin im April und Mai 1990 für erbrachte Dienstleistungen bereits einen Betrag von
etwa 200 000 DM gezahlt hätten. Auch erkläre sich die Verzögerung, mit der die irakischen Behörden
Rechnungen in Devisen bezahlt hätten, ausschließlich durch bürokratische Schwierigkeiten der
irakischen Verwaltung und nicht durch eine angebliche Zahlungsunfähigkeit Iraks.
40.
Die Klägerin weist das Argument des Rates zurück, die Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen sei
nicht auf die Verordnung Nr. 2340/90, sondern auf eine weiter zurückliegende Ursache, nämlich die
völkerrechtswidrige Invasion Kuwaits durch Irak, zurückzuführen. Daß das Embargo der Gemeinschaft
gegen Irak durch ein vorheriges rechtswidriges Verhalten Iraks gerechtfertigt gewesen sei, schließe
die Verpflichtung der Gemeinschaft zur Entschädigung Dritter wegen eines enteignenden Eingriffs
nicht aus. Das Bestehen des in der vorliegenden Rechtssache geltend gemachten unmittelbaren
Zusammenhangs werde auch durch den Umstand, daß der entstandene Schaden eine rechtswidrige
Ursache habe,
nämlich das Gesetz Nr. 57, das als Gegenmaßnahme gegen ein vorheriges rechtmäßiges Handeln,
nämlich den Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90, erlassen worden sei, nicht in Frage gestellt (Urteil des
Gerichtshofes vom 7. November 1985 in der Rechtssache 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985,
3539).
41.
Auf das Vorbringen des Rates, Ursache des Schadens seien letztlich die Resolutionen des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, erwidert die Klägerin, daß die Resolutionen des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten keine
unmittelbare Wirkung entfalteten.
42.
Zu der von den Beklagten aufgeworfenen Frage, ob die Forderungen der Klägerin wirklich einen
„Bestand“ im Sinne des Gesetzes Nr. 57 darstellten und ob dieses Gesetz noch in Kraft sei, führt die
Klägerin aus, ausschlaggebend sei allein, daß sich die irakischen Behörden weiter weigerten, ihre
Verbindlichkeiten zu erfüllen.
43.
Der Umstand schließlich, daß die Verordnung Nr. 2340/90 nur die Aus- und die Einfuhren von Waren
und nicht die Erbringung von Dienstleistungen betreffe, seientgegen dem Vorbringen des Rates ohne
Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob ein Kausalzusammenhang bestehe, denn die irakischen
Behörden hätten sich aufgrund des Erlasses dieser Verordnung geweigert, die Forderungen der
Klägerin zu erfüllen.
44.
Der Rat macht geltend, selbst wenn die Forderungen der Klägerin gegen Irak als uneinbringlich
anzusehen wären und der Klägerin also ein Schaden entstanden wäre, bestünde doch zwischen
diesem Schaden und dem Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 kein bzw. kein „hinreichender
unmittelbarer“ Zusammenhang.
45.
Die Weigerung Iraks, die Forderungen der Klägerin zu erfüllen, sei nicht durch die Durchführung des
Gesetzes Nr. 57 als Gegenmaßnahme gegen die Verordnung Nr. 2340/90, sondern durch die
schwierige Finanzlage, in der sich Irak aufgrund seiner Agressionspolitik gegen Nachbarstaaten
befunden habe, verursacht. Außerdem habe es, da von den irakischen Behörden bei Erlaß des
Gesetzes Nr. 57 noch keine Geldmittel auf ein Bankkonto der Klägerin überwiesen gewesen seien, im
strikten Sinn dieses Gesetzes keine Sperre von der Klägerin gehörenden „Vermögen“ oder
„Beständen“ gegeben.
46.
Falls der von der Klägerin geltend gemachte Schaden als durch die Durchführung des irakischen
Gesetzes Nr. 57 verursacht anzusehen sein sollte, seien Ursache des Erlasses dieses Gesetzes
entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht die Verordnung Nr. 2340/90, sondern die Resolutionen
Nr. 660 (1990) und Nr. 661 (1990) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, durch die das
Embargo gegen Irak angeordnet worden sei, zu dessen Durchführung die Gemeinschaft rechtlich
verpflichtet gewesen sei. Folglich könne der Erlaß des Gesetzes Nr. 57 nicht als eine „hinreichend
unmittelbare“ Folge des Erlasses der Verordnung Nr. 2340/90 im Sinne der Rechtsprechung
angesehen werden.
47.
Im übrigen fehle es an dem geltend gemachten Kausalzusammenhang, weil das Gesetz Nr. 57 bei
einer historischen Betrachtung des Sachverhalts nicht als „Reaktion“ Iraks auf die vom Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen angeordneten und von der Gemeinschaft durch die Verordnung Nr. 2340/90
durchgeführten Embargomaßnahmen angesehen werden könne, da die Maßnahmen gegen Irak nach
den von diesem Land zuvor begangenen Völkerrechtsverletzungen erlassen worden seien.
48.
Schließlich sei zwischen dem Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 und dem geltend gemachten
Schaden kein hinreichend unmittelbarer Kausalzusammenhang gegeben, weil diese Verordnung ein
Verbot der Ein- und der Ausfuhren von Waren zum Gegenstand gehabt habe und nicht den
Wirtschaftsteilnehmern der Gemeinschaft habe verbieten sollen, Zahlungen zur Erfüllung ihrer gegen
die irakischen Behörden bereits bestehenden Forderungen entgegenzunehmen.
49.
Nach Auffassung der Kommission geht der von der Klägerin geltend gemachte Schaden allein auf
das Gesetz Nr. 57 und nicht auf den Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 zurück, da diese Irak nur als
Vorwand gedient habe, um die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten wegen seiner Schwierigkeiten und
der schlechten Finanzlage, in der er sich aufgrund seiner kriegerischen Verwicklungen und seiner
Rüstungspolitik in der Region befunden habe, auszusetzen.
50.
Zudem ergebe sich aus den Artikeln 5 und 7 des Gesetzes Nr. 57, daß Irak die Erfüllung der
Forderungen der Klägerin nicht endgültig verweigert habe; dies erkläre, warum die Klägerin den
Beklagten angeboten habe, ihnen ihre Forderungen im Austausch gegen eine Entschädigung
abzutreten, so daß es auch aus diesem Grund zwischen dem behaupteten Schaden und der
Verordnung Nr. 2340/90 keinen unmittelbaren Zusammenhang gebe. Jedenfalls sei, selbst wenn ein
mittelbarer Kausalzusammenhang ausreichen sollte, um die außervertragliche Haftung der
Gemeinschaft auszulösen, ein solcher Zusammenhang dann nicht erheblich, wenn es wie im
vorliegenden Fall um ein rechtmäßiges Verhalten gehe (Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90), das dann
zu einem rechtswidrigen Verhalten eines Dritten geführt habe (Erlaß des Gesetzes Nr. 57 durch Irak).
51.
Durch das Schreiben an den Präsidenten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 28.
Februar 1991 habe Irak die Rechtmäßigkeit der Resolution Nr. 660 (1990) des Sicherheitsrats der
Vereinten Nationen sowie anderer Resolutionen, die zum Erlaß des irakischen Gesetzes Nr. 57 geführt
hätten, förmlich anerkannt, und dieses Gesetz sei am 3. März 1991 endgültig aufgehoben worden, so
daß die Klägerin von diesem Zeitpunkt an die irakischen Behörden habe auffordern können, ihre
Forderungen zu begleichen.
52.
An der beantragten Vernehmung ihres ehemaligen Präsidenten und des ehemaligen Präsidenten
des Rates als Zeugen bestehe kein Interesse, da die von der Klägerin zu führenden Beweise nicht
durch Erklärungen dieser Personen erbracht werden könnten.
Zum Schaden
53.
Die Klägerin macht geltend, ihr sei durch den Umstand, daß ihre Forderungen gegen Irak nach
Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 uneinbringlich geworden seien, ein „gegenwärtiger“ Schaden im
Sinne der Rechtsprechung zur außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft entstanden. Das
Angebot an die Beklagten, ihnen ihre Forderungen im Austausch gegen die verlangte Entschädigung
abzutreten, ändere nichts daran, daß der Schaden bestehe, sondern solle nur verhindern, daß sie
ungerechtfertigt bereichert werde. Für den Fall, daß die Beklagten sowohl das Bestehen ihrer
Forderungen gegen Irak als auch deren Uneinbringlichkeit in Abrede stellen wollten, benennt die
Klägerin als Zeugen ihren kaufmännischen Projektleiter Hartwig von Bredow und ihren damaligen
Repräsentanten in Bagdad, Wolfgang Johner. Zu den Gründen dafür, daß sie nicht erklärt habe,
warum die irakischen Behörden die Erfüllung ihrer Forderungen verweigert hätten, führt sie aus, die
irakischen Behörden hätten ihr keinen Grund genannt, und überhaupt sei ihr durch das Embargo der
Gemeinschaft betreffend Dienstleistungen in Irak (Verordnung [EWG] Nr. 3155/90 des Rates vom 29.
Oktober 1990 zur Erweiterung und Änderung der Verordnung Nr. 2340/90, ABl. L 304, S. 1) die
Erteilung eines Mandats an einen Rechtsvertreter in Irak verboten gewesen.
54.
Die Klägerin beziffert ihren Schaden auf 2 279 859,69 DM; dieser Betrag entspreche den
Forderungen, die das irakische Ministerium mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 1990 anerkannt
habe, indem es Anweisung zu ihrer Erfüllung erteilt habe; die Zahlungen seien aber noch nicht
eingegangen.
55.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte müsse die
Festsetzung des Entschädigungsbetrags zu einem gerechten Ausgleich zwischen den allgemeinen
Interessen der Gemeinschaft und den Erfordernissen des Schutzes der Grundrechte des einzelnen
führen. Dies schließe jedoch nicht aus, daß für Forderungen, die durch den Erlaß einer staatlichen
Maßnahme uneinbringlich geworden seien, Entschädigung in voller Höhe einschließlich der seit ihrem
Entstehen angefallenen Zinsen zu leisten sei (vgl. Urteil Stran Greek Refineries und Stratis
Andreadis/Greece). Nach deutschem Recht könne bei „enteignenden Eingriffen“ nämlich
Entschädigung in voller Höhe der verursachten Vermögenseinbuße erlangt werden. Dies gelte auch
nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Die Gemeinschaft sei
daher zu verurteilen, ihr gegen Abtretung ihrer Forderungen gegen Irak eine Entschädigung in Höhe
dieser Forderungen zu zahlen, einschließlich der angefallenen Zinsen. Allerdings könne sich aus den
Umständen des Einzelfalls ein Grund zur Minderung der Entschädigung ergeben.
56.
Der Rat macht geltend, aus rechtlicher Sicht hätten die irakischen Maßnahmen, insbesondere das
Gesetz Nr. 57, nur zu einer vorläufigen Verzögerung der Erfüllung der Forderungen der Klägerin gegen
Irak geführt, so daß der Klägerin kein „gegenwärtiger“ Schaden im Sinne der einschlägigen
Rechtsprechung
entstanden sei; dies ergebe sich im übrigen daraus, daß die Klägerin bereit sei, ihre Forderungen an
die Gemeinschaftsorgane gegen eine Entschädigung für den angeblich entstandenen Schaden
abzutreten.
57.
Außerdem gehe aus dem Schreiben der Klägerin vom 4. August 1994 an den Rat hervor, daß diese
ihre Forderungen bei den zuständigen deutschen Verwaltungsbehörden gemeldet habe, um sie bei
der Claims Commission geltend machen zu können, die die Organisation der Vereinten Nationen (VN)
zur Regelung der Frage der den Wirtschaftsteilnehmern im Zusammenhang mit dem Embargo gegen
Irak entstandenen wirtschaftlichen Schäden eingesetzt habe; dies zeige, daß die Existenz eines
Schadens der Klägerin letztlich von den Bedingungen abhängen werde, unter denen das Embargo
gegen Irak von den VN etwa aufgehoben werde.
58.
Die Kommission macht geltend, daß der genaue Umfang des der Klägerin entstandenen Schadens
bisher nicht feststehe, da deren Forderungen rechtlich gesehen nicht untergegangen seien, und
weist den Vorschlag der Klägerin, ihre Forderungen im Austausch gegen eine von der Gemeinschaft
gewährte Entschädigung abzutreten, zurück.
59.
Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für rechtswidriges oder rechtmäßiges Handeln
setzt nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls voraus, daß der angeblich entstandene Schaden
tatsächlich vorliegt und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesem Schaden und diesem
Handeln besteht (Urteile des Gerichtshofes vom 29. September 1982 in der Rechtssache 26/81,
Oleifici Mediterranei/EWG, Slg. 1982, 3057, Randnr. 16, sowie des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in
den verbundenen Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u.
a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 80, vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache T-175/94,
International Procurement Services/Kommission, Slg. 1996, II-729, Randnr. 44, vom 16. Oktober 1996
in der Rechtssache T-336/94, Efisol/Kommission, Slg. 1996, II-1343, Randnr. 30, vom 11. Juli 1997 in
der Rechtssache T-267/94, Oleifici Italiani/Kommission, Slg. 1997, II-1239, Randnr. 20, und vom 29.
Januar 1998 in der Rechtssache T-113/96, Dubois et Fils/Rat und Kommission, Slg. 1998, II-0000,
Randnr. 54). Geht es wie in der vorliegenden Rechtssache um die Haftung der Gemeinschaft für
rechtmäßiges Handeln, so würde nach der einschlägigen Rechtsprechung, falls ein solcher Grundsatz
im Gemeinschaftsrecht anerkannt wäre, die Auslösung einer solchen Haftung jedenfalls das Vorliegen
eines „außergewöhnlichen“ und „besonderen“ Schadens voraussetzen (Urteile des Gerichtshofes vom
13. Juni 1972 in den verbundenen Rechtssachen 9/71 und 11/71, Compagnie d'approvisionnement
und Grands Moulins de Paris/Kommission, Slg. 1972, 391, Randnrn. 45 und 46, vom 6. Dezember 1984
in der Rechtssache 59/83, Biovilac/EWG, Slg. 1984, 4057, Randnr. 28, Développement SA und
Clemessy/Kommission, Randnr. 33, und De Boer Buizen/Rat und Kommission, Randnrn. 16 und 17).
Folglich ist zu prüfen, ob der
geltend gemachte Schaden in dem Sinne besteht, daß es sich um einen „tatsächlichen und sicheren“
Schaden handelt, ob dieser Schaden unmittelbar durch den Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 durch
den Rat verursacht wurde und ob die Gemeinschaft für den geltend gemachten Schaden im Sinne der
angeführten Rechtsprechung haftbar gemacht werden kann.
Zum Bestehen des geltend gemachten Schadens
60.
Was die Frage angeht, ob der Klägerin wirklich ein „tatsächlicher und sicherer“ Schaden im Sinne
der Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes vom 27. Januar 1982 in den verbundenen
Rechtssachen 256/80, 257/80, 265/80, 267/80 und 5/81, Birra Wührer u. a./Rat und Kommission, Slg.
1982, 85, Randnr. 9, und in der Rechtssache 51/81, De Franceschi/Rat und Kommission, Slg. 1982,
117, Randnr. 9; Urteile des Gerichts vom 16. Januar 1996 in der Rechtssache T-108/94, Candiotte/Rat,
Slg. 1996, II-87, Randnr. 54, vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-99/95, Stott/Kommission,
Slg. 1996, II-2227, Randnr. 72, und vom 11. Juli 1997, Oleifici Italiani/Kommission, Randnr. 74)
entstanden ist, d. h., ob ihre Forderungen gegen Irak endgültig uneinbringlich geworden sind, so hat
der Kläger nach gefestigter Rechtsprechung dem Gemeinschaftsrichter die Beweismittel zum Nachweis
des Vorliegens des ihm angeblich entstandenen Schadens vorzulegen (Urteil des Gerichts vom 9.
Januar 1996 in der Rechtssache T-575/93, Koelman/Kommission, Slg. 1996, II-1, Randnr. 97).
61.
In der vorliegenden Rechtssache ist zwischen den Parteien zwar nicht streitig, daß die Forderungen
der Klägerin noch nicht erfüllt sind, doch erbringen die von der Klägerin vorgelegten Beweismittel
rechtlich nicht den Beweis, daß sich die irakischen Behörden aufgrund des Erlasses der Verordnung
Nr. 2340/90 ihr gegenüber endgültig geweigert haben, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die Klägerin
hat nämlich keine Beweismittel vorgelegt, aus denen hervorginge, daß sie zu den betreffenden
staatlichen Behörden Iraks oder zur Rafidian Bank tatsächlich Kontakt aufgenommen oder dies
zumindest versucht hat, um zu erfahren, warum die der Rafidian Bank mit Schreiben des irakischen
Ministeriums vom 5. und 6. Februar 1990 zur Erfüllung ihrer Forderungen erteilten
Zahlungsanweisungen noch nicht ausgeführt worden waren.
62.
Insoweit hat das Gericht die Klägerin im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen aufgefordert,
eventuellen Schriftverkehr mit den irakischen Behörden wegen der Erfüllung ihrer Forderungen
vorzulegen. In ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen des Gerichts hat die Klägerin eingeräumt,
keinen Schriftverkehr mit denirakischen Behörden geführt zu haben, und darauf hingewiesen, daß es
nicht in ihrem Interesse gelegen habe, „durch einen weiteren Schriftwechsel die Verbindlichkeit der
vom irakischen Ministry of Housing and Reconstruction an die Rafidian Bank gegebenen Anweisungen
vom 5. und 6. Februar 1990 ... in Frage zu stellen“; es wäre ferner „nicht statthaft und daher
kontraproduktiv gewesen, durch schriftliche Stellungnahmen den behördeninternen Vollzug der
Anweisungen des
Ministeriums voranzutreiben“. Die Tatsache, daß die Klägerin es nicht für sinnvoll bzw. angebracht
gehalten hat, zu versuchen, „den behördeninternen Vollzug der Anweisungen des Ministeriums
voranzutreiben“, ist jedoch für sich allein keine ausreichende Grundlage für ihre Behauptung, die
irakischen Behörden hätten die Erfüllung ihrer Forderungen endgültig verweigert. Es ist daher nicht
auszuschließen, daß die Nichterfüllung ihrer Forderungen auf einer bloßen Verzögerung im
Verwaltungsapparat, einer vorübergehenden Zahlungsunwilligkeit oder einer vorübergehenden oder
dauernden Zahlungsunfähigkeit Iraks beruht.
63.
Dieses Ergebnis wird durch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 1997
vorgelegte Schreiben des irakischen Ministers vom 10. Oktober 1990 an sie nicht in Frage gestellt;
diesem Schreiben läßt sich nach Auffassung der Klägerin entnehmen, daß der irakische Minister „in
diplomatischer Sprache“ zu verstehen gegeben habe, ihre Forderungen würden solange nicht bezahlt,
wie das Embargo der Gemeinschaft gegen Irak in Kraft bleibe. Tatsächlich enthält dieses Schreiben
„anläßlich der Erklärung der Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen
Demokratischen Republik“ keinen Hinweis auf die sich aus dem Vertrag von 1975 ergebenden
vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und den irakischen Behörden, und schon gar nicht
auf das Schicksal der Forderungen der Klägerin, sondern nur Erklärungen allgemeiner Natur zu dem
Beitrag, den die deutschen Unternehmen zur „Entwicklung einer für beide Seiten fruchtbaren
Zusammenarbeit“ zwischen Deutschland und Irak leisten könnten und zu dem Schaden, den diese
Beziehungen durch das Embargo und die „Drohungen gegen Irak“ nähmen.
64.
Außerdem hat die Klägerin zwar in ihrer schriftlichen Antwort auf die genannte Frage des Gerichts
auf bestimmte vertrauliche Berichte der stellvertretenden Leiterin ihrer Zweigniederlassung in Irak
hingewiesen, denen zufolge sich die irakischen Behörden wegen des Embargos der Gemeinschaft
immer noch weigerten, ihre Forderungen zu erfüllen, doch hat sie dem Gericht keine Kopien dieser
Berichte vorgelegt.
65.
Jedenfalls ist aber — selbst wenn, wie die Klägerin in ihrer Klageschrift ausführt, die Weigerung
Iraks, ihre Forderungen zu erfüllen, auf dem Erlaß des Gesetzes Nr. 57 beruhen sollte, mit dem alle
Bestände von Unternehmen mit Sitz in den Staaten, deren Regierungen gegen Irak „willkürliche
Beschlüsse“ wie die Verordnung Nr. 2340/90 erlassen hatten, gesperrt wurden — das Gesetz Nr. 57,
wie die Beklagten in ihren Schriftsätzen hervorgehoben haben, am 3. März 1991 endgültig aufgehoben
worden. Folglich hätte es zumindest von diesem Zeitpunkt an für die irakischen Behörden
grundsätzlich keine rechtlichen Hindernisse geben dürfen, die Forderungen der Klägerin zu erfüllen.
Das Gericht hat die Klägerin im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen aufgefordert, darzulegen, ob sie
nach der Aufhebung des Gesetzes Nr. 57 die notwendigen Schritte unternommen habe, um die
Erfüllung ihrer Forderungen zu erreichen, und aus welchen Gründen ihre Forderungen trotz dieser
Aufhebung unerfüllt geblieben seien. In ihrer schriftlichen Antwort hat die Klägerin — wie übrigens
erstmals in ihrer Erwiderung — dargelegt, das Gesetz Nr. 57
sei nicht als Ursache der irakischen Zahlungsverweigerung, sondern vielmehr als Indiz für deren
Motivation anzusehen; als Schuldner könne Irak die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen
auch ohne Rechtsgrundlage verweigern. Aber selbst wenn die irakische Weigerung, die Forderungen
der Klägerin zu erfüllen, letztlich nicht auf dem Erlaß des Gesetzes Nr. 57 beruhen sollte, was
jedenfalls dem Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift widerspricht, handelt es sich insoweit um
eine unbewiesene Behauptung, da die Klägerin, wie soeben ausgeführt, die Endgültigkeit der
Zahlungsverweigerung noch immer nicht nachgewiesen und nicht erläutert hat, welche Gründe diese
Weigerung trotz der Aufhebung des Gesetzes Nr. 57 rechtfertigen.
66.
Außerdem geht aus den Akten hervor, daß die Klägerin nicht einmal versucht hat, die in dem von ihr
am 30. Januar 1975 mit dem irakischen Ministerium geschlossenen Vertrag vorgesehenen
Rechtsbehelfe in Anspruch zu nehmen, um von den irakischen Behörden eine endgültige
Stellungnahme zur Nichterfüllung ihrer Forderungen zu erhalten. Nach Artikel X dieses Vertrages
(siehe oben, Randnr. 2) sollten die Vertragsparteien bei Meinungsverschiedenheiten über die
Auslegung des Vertrages oder die Nichterfüllung von Verpflichtungen daraus einvernehmlich nach
einer akzeptablen Lösung suchen und bei Nichtzustandekommen einer Einigung den Streit vor den
Planning Board bringen, ohne jedoch das Recht zu verlieren, wegen dieses Streites auch die
zuständigen irakischen Gerichte anzurufen (Artikel X Absätze 1 und 2). In der mündlichen Verhandlung
vom 19. Juni 1997 hat die Klägerin ausgeführt, das durch die Verordnung Nr. 3155/90 verhängte
Embargo der Gemeinschaft betreffend Dienstleistungen in Irak und Kuwait habe sie daran gehindert,
sich an irakische Anwälte oder Rechtsvertreter zu wenden. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden,
daß es angesichts der Situation in Irak nach dem Ende des Golfkriegs für ausländische Unternehmen
schwierig war, sich zur Beilegung von Streitigkeiten mit irakischen Behörden an irakische Anwälte zu
wenden, doch ergibt sich eine solche Schwierigkeit entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht aus
der Verordnung Nr. 3155/90, denn diese untersagte lediglich die Erbringung von die Förderung der
Wirtschaft Iraks bezweckenden oder bewirkenden Dienstleistungen in der Gemeinschaft oder
ausgehend von ihrem Gebiet an natürliche Personen in Irak oder in Irak eingetragene Unternehmen,
nicht aber in Irak von natürlichen oder juristischen Personen mit Sitz in Irak an Dritte erbrachte
Dienstleistungen (Artikel 1 der Verordnung).
67.
Da die Klägerin den Beklagten im Austausch gegen die Zahlung des entsprechenden Betrages die
Abtretung ihrer Forderungen gegen Irak anbietet, können diese Forderungen schließlich mangels
Beweises des Gegenteils nicht als tatsächlich endgültig uneinbringlich angesehen werden.
68.
Aus alledem ergibt sich, daß der Klägerin rechtlich nicht der Beweis gelungen ist, daß ihr ein
tatsächlicher und sicherer Schaden im Sinne der genannten Rechtsprechung entstanden ist (siehe
oben, Randnr. 60).
69.
Aber selbst wenn der von der Klägerin geltend gemachte Schaden als „tatsächlich und sicher“
angesehen werden könnte, könnte eine Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln nur
dann ausgelöst werden, wenn zwischen der Verordnung Nr. 2340/90 und diesem Schaden ein
unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. In Anbetracht der Besonderheiten der vorliegenden
Klage hält es das Gericht für geboten, diese Möglichkeit zu prüfen und zu untersuchen, ob in der
vorliegenden Rechtssache ein solcher Kausalzusammenhang besteht.
Zum Kausalzusammenhang
70.
Nach dem Vorbringen der Klägerin ist der ihr angeblich entstandene Schaden letztlich der
Gemeinschaft zuzurechnen, weil die Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen auf den Erlaß des Gesetzes
Nr. 57 zurückgehe, das eine vorhersehbare und unmittelbare Gegenmaßnahme gegen den Erlaß der
Verordnung Nr. 2340/90 darstelle, mit der gegen Irak ein Handelsembargo verhängt worden sei.
Folglich ist zunächst zu prüfen, ob die Forderungen der Klägerin gegen Irak wegen des Erlasses des
Gesetzes Nr. 57 uneinbringlich geworden sind und, falls ja, ob sich der Erlaß dieses Gesetzes sowie
die darauf folgende Weigerung der irakischen Behörden, die genannten Forderungen zu erfüllen,
unmittelbar aus dem Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 ergeben (vgl. Urteil International Procurement
Services/Kommission, Randnr. 55).
71.
Insoweit geht aus der Präambel des Gesetzes Nr. 57 hervor, daß sein Erlaß mit dem Erlaß gegen
Irak gerichteter „willkürlicher Beschlüsse“ durch „einige Regierungen“ gerechtfertigt wurde. Das
Gesetz Nr. 57 enthält jedoch keinerlei Hinweis auf die Europäische Gemeinschaft oder auf die
Verordnung Nr. 2340/90. Selbst wenn angenommen würde, daß das Gesetz Nr. 57 implizit gegen die
Regierungen sämtlicher Mitgliedstaaten gerichtet ist, ließe sich nicht bestreiten, daß die Verordnung
Nr. 2340/90, mit der der Handelsverkehr zwischen der Gemeinschaft und dem Irak unterbunden
wurde, nicht von diesen Regierungen, sondern von der Gemeinschaft erlassen wurde.
72.
Selbst wenn der Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 durch den Rat als „willkürlicher Beschluß“
„einiger Regierungen“ im Sinne des Gesetzes Nr. 57 anzusehen wäre, ist der Klägerin, die die
Beweislast trägt (Urteile des Gerichtshofes vom 21. Januar 1976 in der Rechtssache 40/75, Produits
Bertrand, Slg. 1976, 1, und des Gerichts vom 24. September 1996 in der Rechtssache T-485/93,
Dreyfus/Kommission, Slg. 1996, II-1101, Randnr. 69) rechtlich nicht der Beweis gelungen, daß der Erlaß
dieses Gesetzes als Vergeltungsmaßnahme eine bei gewöhnlichem Geschehensablauf objektiv
vorhersehbare Folge des Erlasses dieser Verordnung war. Selbst wenn im übrigen zwischen dem
angeblich entstandenen Schaden und dem Erlaß des Gesetzes Nr. 57 ein solcher unmittelbarer
Kausalzusammenhang bestünde, so wurde dieses Gesetz, das am 6. August 1990 in Kraft getreten
war, doch nach den Akten am 3. März 1991 endgültig aufgehoben. Daher kann das Gesetz Nr. 57
zumindest seit diesem Zeitpunkt nicht als Ursache der Weigerung, die Forderungen der Klägerin zu
erfüllen, angesehen werden.
73.
Jedenfalls wäre, auch wenn das Gesetz Nr. 57 als vorhersehbare Folge des Erlasses der Verordnung
Nr. 2340/90 angesehen werden könnte und/oder die irakischen Behörden trotz Aufhebung dieses
Gesetzes als Vergeltungsmaßnahme gegen die Beibehaltung des Embargos der Gemeinschaft an
ihrer Weigerung festhalten würden, die Forderungen der Klägerin zu erfüllen, der geltend gemachte
Schaden letztlich nicht der Verordnung Nr. 2340/90, sondern vielmehr, wie im übrigen der Rat
vorgetragen hat, der Resolution Nr. 661 (1990) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
zuzuschreiben, mit der das Embargo gegen Irak angeordnet wurde.
74.
Insoweit sind nach Artikel 25 der Charta der Vereinten Nationen nur die Staaten als „Mitglieder der
Vereinten Nationen“ verpflichtet, die Beschlüsse des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
anzunehmen und durchzuführen. Zwar hatten die Mitgliedstaaten der VN in dieser Eigenschaft die
erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des mit der Resolution Nr. 661 (1990) gegen Irak
verhängten Handelsembargos zu treffen, doch konnten diejenigen unter ihnen, die auch
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft waren, dies nur im Rahmen des Vertrages tun, da Maßnahmen der
gemeinsamen Handelspolitik, wie die Verhängung eines Handelsembargos, nach Artikel 113 des
Vertrages in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. Aufgrund dieser
Überlegungen wurde die Verordnung Nr. 2340/90 erlassen, nach deren Begründungserwägungen
„[d]ie Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten ... übereingekommen [sind], im Wege eines
Gemeinschaftsrechtsakts eine in der Gemeinschaft einheitliche Durchführung der vom Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen beschlossenen Maßnahmen betreffend den Handelsverkehr mit Irak und
Kuwait sicherzustellen“. Daher wäre in dem hier angenommenen Fall der geltend gemachte Schaden
nicht dem Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90, sondern der Resolution Nr. 661 (1990) des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zuzurechnen, der das Embargo gegen Irak angeordnet hat.
Nach alledem hat die Klägerin das Bestehen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen
dem geltend gemachten Schaden und dem Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 nicht nachgewiesen.
75.
In Anbetracht der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache hält es das Gericht für
geboten, auch die Frage zu prüfen, ob, wenn die Voraussetzungen des Vorliegens eines Schadens
und des Bestehens eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs erfüllt wären, der Schaden als ein
besonderer und außergewöhnlicher im Sinne der erwähnten Rechtsprechung (Randnr. 59) zur Haftung
der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln eingestuft werden könnte.
Zur Natur des entstandenen Schadens
76.
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Compagnie d'approvisionnement und Grands Moulins de
Paris/Kommission eine Klage auf Ersatz eines „außergewöhnlichen und besonderen“ Schadens, die
auf die Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln wegen einer „Verletzung der Gleichheit
vor den öffentlichen Lasten“
gestützt war, mit folgender Begründung abgewiesen: „Eine Haftung für einen legalen
Rechtssetzungsakt kann in einer Lage wie der vorliegenden nicht in Betracht kommen, weil die
Maßnahmen der Kommission im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse lediglich die Folgen mildern
sollten, die sich namentlich für sämtliche französischen Importeure aus dem Beschluß des
französischen Staates ergaben, den Franken abzuwerten“ (Randnrn. 45 und 46 des Urteils).
77.
In seinem Urteil Biovilac/EWG hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Voraussetzung, daß die
Haftung der Gemeinschaft aufgrund rechtswidrigen normativen Handelns nur ausgelöst werden kann,
wenn der vom Kläger geltend gemachte Schaden die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken, die der
Tätigkeit indem betroffenen Sektor innewohnen, überschreitet, „erst recht zu gelten [hätte], wenn im
Gemeinschaftsrecht eine Haftung für rechtmäßiges Handeln zugelassen“ wäre (Randnr. 28). In der
Rechtssache, in der dieses Urteil erging, hatte die Klägerin ihre Schadensersatzforderung wegen
rechtmäßigen Handelns auf das deutsche Rechtsinstitut des Sonderopfers und das französische
Rechtsinstitut der „rupture de l'égalité devant les charges publiques“ gestützt, auf die sich auch die
Klägerin in der vorliegenden Rechtssache beruft.
78.
In seinem Urteil Développement SA und Clemessy/Kommission hat der Gerichtshof auch eine
Schadensersatzklage, die auf den Grundsatz der verschuldensunabhängigen Haftung gestützt war,
mit der Feststellung abgewiesen, dieser Grundsatz, wie er von den Klägerinnen beschrieben werde,
setze voraus, „daß ein einzelner im Interesse des Gemeinwohls eine Belastung trägt, die er eigentlich
nicht zu tragen hat“ (Randnr. 33 des Urteils).
79.
In seinem Urteil De Boer Buizen/Rat und Kommission hat der Gerichtshof schließlich entschieden,
daß die von den Gemeinschaftsorganen zur Durchführung der Vereinbarung zwischen der
Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Handel mit Stahlrohren eingeführte
Regelung keine Diskriminierung der Gemeinschaftshersteller dieser Waren gegenüber den
Vertriebsunternehmen begründete und daß daher die Voraussetzungen für die Auslösung der
Haftung der Gemeinschaft für rechtswidriges Handeln nicht gegeben waren; er hat dem jedoch
hinzugefügt, daß das Fehlen einer solchen Diskriminierung zwischen Vertriebshändlern und Herstellern
der fraglichen Waren eine gewisse Verantwortung der Gemeinschaftsorgane nicht ausschließen kann,
falls sich zeigt, daß bestimmte Unternehmen „als Gruppe einen unverhältnismäßig hohen Anteil“ der
mit der Durchführung der genannten Handelsregelung verbundenen Lasten zu tragen hätten. In
einem solchen Fall „wäre es Sache der Gemeinschaftsorgane, dem durch geeignete Maßnahmen
abzuhelfen“ (Randnrn. 16 und 17).
80.
Aus dieser Rechtsprechung des Gerichtshofes geht hervor, daß dann, wenn der Grundsatz der
Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln im Gemeinschaftsrecht anerkannt werden sollte,
eine solche Haftung nur ausgelöst werden könnte, wenn der geltend gemachte Schaden, sofern er
„gegenwärtig“ wäre,
eine besondere Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gegenüber den anderen unverhältnismäßig
belasten (außergewöhnlicher Schaden) und die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken, die der Tätigkeit
in dem betroffenen Sektor innewohnen, überschreiten würde (besonderer Schaden), ohne daß die
dem geltend gemachten Schaden zugrunde liegende Regelung durch ein allgemeines wirtschaftliches
Interesse gerechtfertigt wäre (vgl. Urteile De Boer Buizen/Rat und Kommission, Compagnie
d'approvisionnement und Grand Moulins de Paris/Kommission sowie Biovilac/CEE).
81.
Zu dem Erfordernis, daß der geltend gemachte Schaden in dem Sinne außergewöhnlich sein muß,
daß er eine besondere Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gegenüber den anderen
unverhältnismäßig belastet, ist erstens festzustellen, daß der Erlaß des Gesetzes Nr. 57, dem nach
der Argumentation der Klägerin jede andere sich in gleicher Weise auswirkende
Vergeltungsmaßnahme der irakischen Behörden gleichzustellen wäre, den Zweck hatte, die
„Bestände“ der in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen im Irak sowie die „Erträge“ dieser
Bestände zu sperren. Folglich waren nicht nur die Forderungen der Klägerin betroffen, sondern auch
die Forderungen jedes anderen Unternehmens der Gemeinschaft, die bei Durchführung des
Embargos gegen Irak durch die Verordnung Nr. 2340/90 noch nicht erfüllt waren. Die Klägerin hat in
der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß die Forderungen von Unternehmen der
Gemeinschaft gegen Irak, die infolge des durch die Gemeinschaft gegen dieses Land verhängten
Embargos uneinbringlich geworden und für die staatliche Garantien in Anspruch genommen worden
seien, sich tatsächlich auf 18 Milliarden USD beliefen.
82.
Unter diesen Umständen kann die Klägerin nicht als zu einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern
gehörend angesehen werden, die in ihren Vermögensinteressen in einer Weise beeinträchtigt wären,
daß sie sich von jedem anderen Wirtschaftsteilnehmer, dessen Forderungen aufgrund der
Verhängung des Embargos der Gemeinschaft uneinbringlich geworden sind, unterschieden. Sie kann
daher nicht geltend machen, ihr sei ein besonderer Schaden entstanden oder ein Sonderopfer
auferlegt worden. Hinzuzufügen ist, daß der Umstand, daß sie für ihre Forderungen keine Sicherung
durch staatliche Garantien erhalten konnte, weil sie sich aus der Durchführung eines Vertrages
ergaben, der vor der Einführung eines Absicherungssystems in Deutschland gegen Geschäftsrisiken
in Ländern wie Irak geschlossen worden war, wie sie in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen
des Gerichts und in der Sitzung ausgeführt hat, nicht geeignet ist, sie von den Unternehmen zu
unterscheiden, die solche Garantien tatsächlich erhielten. Die Klägerin hat nämlich nicht nachweisen
können, daß sie das einzige Unternehmen war oder zu einer begrenzten Gruppe von
Wirtschaftsteilnehmern gehörte, die keine Deckung durch eine solche Versicherung erlangen
konnten.
83.
Was zweitens das Erfordernis anbelangt, daß der geltend gemachte Schaden ein in dem Sinne
besonderer Schaden sein muß, daß er die Grenzen der wirtschaftlichen
Risiken, die der Tätigkeit in dem betroffenen Sektor innewohnen, überschreitet, so sind diese Grenzen
nach Auffassung des Gerichts nicht überschritten worden. Unstreitig galt nämlich Irak aufgrund seiner
Verwicklung in Kriegshandlungen mit Iran schon lange vor der Invasion Kuwaits am 2. August 1990 als
„Hochrisiko-Land“, wie die Beklagten ohne Widerspruch seitens der Klägerin vorgetragen haben. Unter
diesen Umständen stellten die wirtschaftlichen und geschäftlichen Risiken aus einer eventuellen
Verwicklung Iraks in neue Kriegshandlungen mit Nachbarstaaten und einer durch seine Außenpolitik
bedingten Unterbrechung der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten vorhersehbare Risiken dar, die mit
jeder Dienstleistungstätigkeit in Irak verbunden waren. Daß es Irak, wie die Klägerin geltend macht,
gelang, ihre Forderungen, wenn auch mit beträchtlicher Verzögerung, zu erfüllen, konnte nicht
bedeuten, daß die erwähnten Risiken entfallen waren.
84.
Dieses Ergebnis wird im übrigen durch ein Schreiben des Bundesministers für Finanzen vom 28.
November 1995 an die Kommission bestätigt, aus dem hervorgeht, daß das in Deutschland in den
Jahren 1980 bis 1990 eingeführte Absicherungssystem zur Deckung von Forderungen aus Exporten
nach Irak gerade wegen der Verschlimmerung der politischen Lage in Irak mehrmals ausgesetzt
worden ist.
85.
Folglich gehörten die mit der Erbringung von Dienstleistungen durch die Klägerin in Irak
verbundenen Risiken zu den Risiken, die der Tätigkeit in dem betroffenen Sektor innewohnen.
86.
Schließlich ist jedenfalls festzustellen, daß mit der Verordnung Nr. 2340/90, falls sie entsprechend
der Behauptung der Klägerin den geltend gemachten Schaden verursacht hätte, wie oben dargelegt
(siehe oben, Randnr. 74) die Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft als Mitglieder der
VN, der Resolution Nr. 661 (1990) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, mit der ein
Handelsembargo gegen Irak angeordnet worden war, durch eine Handlung der Gemeinschaft Folge zu
leisten, in der Gemeinschaft durchgeführt wurde. Außerdem wurde, wie insbesondere aus der
Resolution Nr. 661 (1990) hervorgeht, das Handelsembargo gegen Irak im Rahmen der „Wahrung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ und des „naturgegebenen Rechts zur individuellen
oder kollektiven Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta gegen den bewaffneten Angriff Iraks
auf Kuwait“ beschlossen.
87.
Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. Juli 1996 in der Rechtssache C-84/95 (Bosphorus, Slg.
1996, I-3953) entschieden hat, hat eine Regelung, mit der zur Wahrung des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit gegen ein Drittland ein Handelsembargo verhängt wird, definitionsgemäß
Auswirkungen, die die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit beeinträchtigen, und schädigt dadurch
Parteien, die für die Situation, die zum Erlaß der Sanktionsmaßnahmen geführt hat, nicht
verantwortlich sind; die Bedeutung der mit einer solchen Regelung verfolgten Ziele
kann jedoch selbst erhebliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer
rechtfertigen.
88.
Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden, selbst wenn er als erheblich anzusehen wäre,
könnte folglich im Hinblick auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel, das für die internationale
Gemeinschaft von so grundlegender Bedeutung ist wie das, die Invasion und Besetzung Kuwaits zu
beenden und den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit in der Region zu wahren,
im vorliegenden Fall nicht die Haftung der Gemeinschaft auslösen (vgl. auch Urteil Compagnie
d'approvisionnement und Grands Moulins de Paris/Kommission, Randnr. 46, und die Schlußanträge
des Generalanwalts Mayras in dieser Rechtssache, Slg. 1972, 417, 425 und 426).
89.
Aus alldem ergibt sich, daß der Schadensersatzantrag der Klägerin, der auf den Grundsatz der
Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln gestützt ist, unbegründet und damit
zurückzuweisen ist.
Zum Hilfsantrag auf Ersatz des angeblich durch rechtswidriges Handeln entstandenen
Schadens
Zur Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 2340/90
90.
Die Klägerin trägt vor, sie wolle die Gemeinschaft hilfsweise wegen rechtswidrigen Handelns haftbar
machen, falls das Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, sie habe keinen Anspruch auf
Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts ihrer Forderungen, sondern auf Festsetzung einer
Pauschalenschädigung für den entstandenen Schaden durch den Gemeinschaftsgesetzgeber.
Insoweit sei die Voraussetzung für die Auslösung einer Haftung der Gemeinschaft, daß ein
rechtswidriges Handeln gegeben sein müsse, im vorliegenden Fall erfüllt, denn der
Gemeinschaftsgesetzgeber habe bei Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 keine Regelung zur
Entschädigung der Wirtschaftsteilnehmer vorgesehen, deren Forderungen gegen Irak aufgrund der
Verhängung des Embargos gegen dieses Land uneinbringlich werden würden; dabei bestehe die
Rechtswidrigkeit gerade in der Verletzung der Pflicht, bei nicht schuldhaften Eingriffen in
vermögenswerte Rechte die Betroffenen zu entschädigen bzw. eine Entschädigung vorzusehen; diese
Pflicht stelle einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar. Der Rat und die Kommission hätten im
vorliegenden Fall ihre Verpflichtung verletzt, ihr insoweit bestehendes Ermessen durch Festsetzung
einer Entschädigung in Höhe von 100 %, 50 % oder eines anderen Prozentsatzes auszuüben, und
dadurch einen Ermessensfehler begangen, wie im übrigen das Gericht im Urteil Carvel und Guardian
Newspapers/Rat festgestellt habe.
91.
Nach Auffassung des Rates wirft das angeblich rechtswidrige Unterlassen des
Gemeinschaftsgesetzgebers, bei Erlaß der Verordnung Nr. 2340/90 eine Regelung zur Entschädigung
der durch die Embargomaßnahmen gegen Irak betroffenen Wirtschaftsteilnehmer vorzusehen, in der
Sache im wesentlichen dieselbe Frage auf wie der Entschädigungsantrag der Klägerin wegen eines
rechtmäßigen, enteignenden Eingriffs in ihre vermögenswerten Rechte. In beiden Fällen stelle sich die
Frage, ob die von der Klägerin behauptete Eigentumsverletzung eine Verletzung einer höherrangigen
Rechtsnorm darstelle, die die Haftung der Gemeinschaft gemäß Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag
auslöse. Der Rat verneint diese Frage.
92.
Da die Verordnung Nr. 2340/90 eine Rechtsvorschrift im Bereich der Wirtschaftspolitik sei, könne
die Haftung der Gemeinschaft nur bei Vorliegen einer hinreichend qualifizierten Verletzung einer
höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm ausgelöst werden, was in der vorliegenden
Rechtssache nicht der Fall sei. Nach der Rechtsprechung könne das Eigentumsrecht Beschränkungen
unterworfen werden, wenn diese Beschränkungen den Zielen der Gemeinschaft entsprächen und
keinen unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellten, der die so gewährleisteten Rechte in
ihrem Wesensgehalt antaste (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87,
Schräder, Slg. 1989, 2237). Selbst wenn die Forderungen der Klägerin letztlich nicht eintreibbar sein
sollten, stelle der ihr dadurch entstandene Schaden keinen unverhältnismäßigen und
schwerwiegenden Eingriff in die Grundlagen ihres Eigentumsrechts dar.
93.
Bei wirtschaftlichen Schäden könne die Haftung der Gemeinschaft außerdem nur dann ausgelöst
werden, wenn zum einen das betreffende Gemeinschaftsorgan, ohne sich auf ein höheres öffentliches
Interesse zu berufen, die besondere Lage einer klar abgegrenzten Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern
völlig unberücksichtigt gelassen habe (Urteil des Gerichtshofes vom 19. Mai 1992 in den
Rechtssachen C-104/89 und C-37/90, Mulder, Slg. 1992, I-3061) und wenn zum anderen der
behauptete Schaden über die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken hinausgehe, die eine Betätigung in
dem betreffenden Wirtschaftszweig mit sich bringe. Im vorliegenden Fall sei die Klägerin in gleicher
Weise wie jeder andere, gegenüber Irak oder einem irakischen Unternehmen forderungsberechtigte
Wirtschaftsteilnehmer in ihren Geschäftsinteressen beeinträchtigt worden. Außerdem stehe fest, daß
die damalige Finanzlage Iraks derart gewesen sei, daß die Uneinbringlichkeit von Forderungen im
Zusammenhang mit Transaktionen mitdiesem Land ein Risiko gewesen sei, das eine derartige
Geschäftstätigkeit mit sich gebracht habe. Schließlich könne es im Bereich der Wirtschaftspolitik der
Gemeinschaft den einzelnen zugemutet werden, in vernünftigen Grenzen die negativen Auswirkungen
eines Rechtsakts auf ihre Wirtschaftsinteressen ohne Anspruch auf eine Entschädigung hinzunehmen
(Urteile des Gerichtshofes vom 25. Mai 1978 in den Rechtssachen 83/76, 94/76, 4/77, 15/77 und
40/77, Bayerische HNL u. a./Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209, Randnr. 6, und des Gerichts vom
14.
September 1995 in den Rechtssachen T-480/93 und T-483/93, Antillean Rice Mills u. a., Slg. 1995, II-
2305).
94.
Nach Auffassung der Kommission hängt die Begründetheit der Ausführungen der Klägerin zur
angeblichen Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 2340/90 vom Bestehen des mit ihrem Hauptantrag
geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ab, so daß das Fehlen eines solchen Anspruchs zur
Zurückweisung ihres Hilfsantrags auf Schadensersatz führen müsse.
Zum Kausalzusammenhang und zum entstandenen Schaden
95.
Die Klägerin, der Rat und die Kommission tragen hinsichtlich des geltend gemachten Schadens und
des Vorliegens eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Schaden und der Verordnung Nr.
2340/90 dieselben Angriffs- und Verteidigungsmittel vor wie im Rahmen des Hauptantrags auf
Schadensersatz wegen rechtmäßigen Handelns (siehe oben, Randnrn. 42 bis 57 und 58 bis 63).
96.
Die Klägerin hat ihren Hilfsantrag, wie sie in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung vom
19. Juni 1997 hervorgehoben hat, nur für den Fall gestellt, daß das Gericht Wirtschaftsteilnehmern wie
ihr, deren Forderungen aufgrund des Handelsembargos gegen Irak uneinbringlich geworden seien,
nur einen Anspruch auf eine Pauschalentschädigung und nicht einen Anspruch auf einen Betrag in
Höhe des Verkehrswerts ihrer Forderungen (siehe oben, Randnr. 90) zuspreche, der Gegenstand
ihres Schadensersatzantrags wegen rechtmäßigen Handelns sei.
97.
Im Rahmen dieses Hilfsantrags macht die Klägerin insbesondere geltend, die Voraussetzungen für
die Auslösung der Haftung der Gemeinschaft wegen der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 2340/90
seien in der vorliegenden Rechtssache erfüllt, weil der Gemeinschaftsgesetzgeber beim Erlaß dieser
Verordnung sein Ermessen nicht ausgeübt habe, um den Ersatz des Schadens vorzusehen, der den
Wirtschaftsteilnehmern aufgrund der Verhängung eines Handelsembargos gegen Irak entstehen
würde.
98.
Dieser hilfsweise gestellte Schadensersatzantrag setzt, wie er von der Klägerin formuliert ist, voraus
— worauf die Beklagten im übrigen hingewiesen haben —, daß die Klägerin einen
Schadensersatzanspruch hat, wie sie ihn im Rahmen ihres Hauptantrags auf Entschädigung wegen
rechtmäßigen Handelns erhebt.
99.
Die Prüfung dieses Hauptantrags der Klägerin hat jedoch ergeben, daß ihr keinerlei
Schadensersatzanspruch zugesprochen werden kann, da sie insbesondere nicht nachweisen konnte,
daß ihr ein tatsächlicher und sicherer Schaden entstanden ist. Daher ist auch ihr Hilfsantrag
zurückzuweisen, unabhängig davon, welche
Bedeutung die von der Klägerin getroffene Unterscheidung zwischen einem etwaigen Anspruch auf
eine Entschädigung entsprechend dem Verkehrswert ihrer Forderungen und einem etwaigen
Anspruch auf eine Pauschalentschädigung hat und inwieweit mit den beiden Anträgen der Ersatz ein-
und desselben Schadens begehrt wird. Mangels eines Schadensersatzanspruchs kann die Klägerin
daher auch nicht geltend machen, der Gemeinschaftsgesetzgeber habe ein Ermessen, Maßnahmen
zur Entschädigung von Unternehmen zu treffen, die sich in derselben Lage wie die Klägerin befänden,
nicht ausgeübt. Das von der Klägerin insoweit angeführte Urteil Carvel und Guardian Newspapers/Rat
(siehe oben, Randnr. 78) ist nicht einschlägig, da der Rat in dieser Rechtssache anders als im
vorliegenden Fall aufgrund einer Vorschrift des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts tatsächlich
gehalten war, sein Ermessen in bezug auf die Frage auszuüben, ob er im Rahmen seiner Befugnisse
im Bereich des Zugangs zu Dokumenten verpflichtet war, einem Antrag stattzugeben oder nicht.
100.
Folglich ist der Hilfsantrag der Klägerin auf Ersatz des durch rechtswidriges Handeln entstandenen
Schadens ebenfalls zurückzuweisen.
101.
Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
102.
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag
der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Bellamy
Kalogeropoulos
Tiili
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. April 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Kalogeropoulos
Verfahrenssprache: Deutsch.