Urteil des EuG vom 08.07.2008

EuG: olaf, verordnung, disziplinarverfahren, unterrichtung, unschuldsvermutung, parlament, direktor, zugang, anhörung, verteidigungsrechte

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)
8. Juli 2008)
„Außervertragliche Haftung – Öffentlicher Dienst – Untersuchungen des Europäischen Amtes für
Betrugsbekämpfung (OLAF) – Sache ‚Eurostat‘– Übermittlung von Informationen über gegebenenfalls
strafrechtlich zu ahndende Handlungen an die Justizbehörden der Mitgliedstaaten – Keine vorherige
Unterrichtung der betroffenen Beamten und des Überwachungsausschusses des OLAF –
Indiskretionen in der Presse – Preisgabe durch das OLAF und die Kommission – Verstoß gegen den
Grundsatz der Unschuldsvermutung – Immaterieller Schaden – Kausalzusammenhang“
In der Rechtssache T-48/05
Yves Franchet,
Nizza (Frankreich),
Daniel Byk,
(Luxemburg),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Vandersanden und L. Levi,
Kläger,
gegen
Kommission
der
Europäischen
Gemeinschaften,
Bevollmächtigten,
Beklagte,
wegen eines Antrags auf Wiedergutmachung des materiellen und immateriellen Schadens, der den
Klägern infolge von Rechtsverstößen der Kommission und des OLAF im Rahmen der Untersuchungen in
der Sache „Eurostat“ entstanden sein soll,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, der Richterin V. Tiili (Berichterstatter) und des Richters
T. Tchipev,
Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Oktober 2007
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1 Das mit dem Beschluss 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 28. April 1999 errichtete
Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 136, S. 20) ist u. a. damit betraut, innerhalb
der Organe Verwaltungsuntersuchungen durchzuführen, die dazu dienen, schwerwiegende
Handlungen im Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten aufzudecken, die eine
Verletzung der Verpflichtungen der Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften, die
disziplinarrechtlich und gegebenenfalls strafrechtlich geahndet werden kann, darstellen können.
2 Die Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999
über die Untersuchungen des OLAF (ABl. L 136, S. 1) regelt die Kontrollen, Überprüfungen und
sonstigen Maßnahmen, die die Bediensteten des OLAF in Ausübung ihrer Befugnisse durchführen. Die
Untersuchungen des OLAF sind entweder „externe“, die außerhalb der Organe der Gemeinschaft, oder
„interne“, die innerhalb dieser Organe durchgeführt werden.
3 Der 10. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1073/1999 lautet:
„Bei diesen Untersuchungen, die gemäß dem Vertrag und insbesondere dem Protokoll über die
Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften und unter Wahrung des Statuts der
Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen
Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften … durchzuführen sind, müssen die Menschenrechte
und die Grundfreiheiten in vollem Umfang gewahrt bleiben; dies gilt insbesondere für den
Billigkeitsgrundsatz, das Recht der Beteiligten, zu den sie betreffenden Sachverhalten Stellung zu
nehmen, und den Grundsatz, dass sich die Schlussfolgerungen aus einer Untersuchung nur auf
beweiskräftige Tatsachen gründen dürfen. Zu diesem Zweck müssen die Organe, Einrichtungen sowie
Ämter und Agenturen die Bedingungen und Modalitäten für die Durchführung der internen
Untersuchungen festlegen. Die Rechte und Pflichten der Beamten und sonstigen Bediensteten im
Zusammenhang mit internen Untersuchungen sind folglich im Statut festzuschreiben.“
4 Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1073/1999 lautet:
„Es obliegt den zuständigen einzelstaatlichen Behörden sowie gegebenenfalls den Organen,
Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen, auf der Grundlage des [vom OLAF] erstellten Berichts
Folgemaßnahmen zu den abgeschlossenen Untersuchungen zu beschließen. Der Direktor des [OLAF]
sollte verpflichtet werden, den Justizbehörden des betroffenen Mitgliedstaats unmittelbar alle
Informationen zu übermitteln, die das [OLAF] bei internen Untersuchungen über strafrechtlich
relevante Sachverhalte zusammengetragen hat.“
5 In Art. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 heißt es:
„Interne Untersuchungen
(1) Das [OLAF] führt in den in Artikel 1 genannten Bereichen administrative Untersuchungen
innerhalb der Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen durch ...
Diese internen Untersuchungen erfolgen unter Einhaltung der Vorschriften der Verträge,
insbesondere des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen, sowie des Statuts unter den
Bedingungen und nach den Modalitäten, die in dieser Verordnung und in den von den einzelnen
Organen, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen zu erlassenden einschlägigen Beschlüssen
vorgesehen sind. Die Organe stimmen die mit diesen Beschlüssen einzuführende Regelung
untereinander ab.
(5) Offenbaren die Untersuchungen die Möglichkeit einer persönlichen Verwicklung eines Mitglieds,
Leiters, Beamten oder Bediensteten, so ist das Organ, die Einrichtung oder das Amt oder die Agentur,
dem bzw. der er angehört, davon in Kenntnis zu setzen.
In Fällen, in denen aus untersuchungstechnischen Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt werden
muss oder in denen der Rückgriff auf Untersuchungsmittel erforderlich ist, die in die Zuständigkeit
einer innerstaatlichen Justizbehörde fallen, kann diese Information zu einem späteren Zeitpunkt erteilt
werden.
…“
6 Art. 6 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1073/1999 sieht vor:
„(5) Die Untersuchungen sind ohne Unterbrechung durchzuführen; ihre Dauer muss den
Umständen und der Komplexität des betreffenden Falles angemessen sein.“
7 Art. 8 der Verordnung Nr. 1073/1999 („Vertraulichkeit und Datenschutz“) bestimmt:
„(1) Informationen, die im Rahmen externer Untersuchungen eingeholt werden, sind, unabhängig
davon, in welcher Form sie vorliegen, durch die Bestimmungen über diese Untersuchungen geschützt.
(2) Informationen, die im Rahmen interner Untersuchungen mitgeteilt oder eingeholt werden, fallen,
unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, unter das Berufsgeheimnis und genießen den
Schutz, der durch die für die Organe der Europäischen Gemeinschaften geltenden einschlägigen
Bestimmungen gewährleistet ist.
Diese Informationen dürfen insbesondere nur Personen mitgeteilt werden, die in den Organen der
Europäischen Gemeinschaften oder den Mitgliedstaaten aufgrund ihres Amtes davon Kenntnis
erhalten dürfen; sie dürfen zu keinem anderen Zweck als der Bekämpfung von Betrug, Korruption und
sonstigen rechtswidrigen Handlungen verwendet werden.
(3) Der Direktor trägt dafür Sorge, dass die Bediensteten des [OLAF] und die anderen unter seiner
Verantwortung
handelnden
Personen
die
gemeinschaftlichen
und
die
innerstaatlichen
Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten einhalten; dies gilt insbesondere für
die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz
natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr
[ABl. L 281, S. 31].
(4) Der Direktor des [OLAF] und die Mitglieder des in Artikel 11 genannten
Überwachungsausschusses sorgen für die Anwendung der Bestimmungen dieses Artikels sowie der
Artikel 286 [EG] und 287 [EG].“
8 Art. 9 der Verordnung Nr. 1073/1999 („Untersuchungsberichte und Folgemaßnahmen“) lautet:
„(1) Das [OLAF] erstellt nach einer von ihm durchgeführten Untersuchung unter der Verantwortung
des Direktors einen Bericht, aus dem insbesondere der festgestellte Sachverhalt, gegebenenfalls die
ermittelte Schadenshöhe und die Ergebnisse der Untersuchung, einschließlich der Empfehlungen des
Direktors des [OLAF] zu den zweckmäßigen Folgemaßnahmen, hervorgehen.
(2) Bei der Erstellung dieser Berichte werden die im Recht des betreffenden Mitgliedstaats
vorgesehenen Verfahrenserfordernisse berücksichtigt. Die so erstellten Berichte stellen in der
gleichen Weise und unter denselben Bedingungen wie die Verwaltungsberichte der Kontrolleure der
einzelstaatlichen Verwaltungen zulässige Beweismittel in den Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren des
Mitgliedstaats dar, in dem sich ihre Verwendung als erforderlich erweist. Sie werden nach denselben
Maßstäben beurteilt wie die Verwaltungsberichte der einzelstaatlichen Kontrolleure und sind als diesen
gleichwertig zu betrachten.
(3) Der nach Abschluss einer externen Untersuchung erstellte Bericht wird mit allen
zweckdienlichen Schriftstücken gemäß der für die externen Untersuchungen geltenden Regelung den
zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten übermittelt.
(4) Der nach Abschluss einer internen Untersuchung erstellte Bericht wird mit allen zweckdienlichen
Schriftstücken dem betreffenden Organ, der betreffenden Einrichtung oder dem betreffenden Amt
oder der betreffenden Agentur übermittelt. Die Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen
ergreifen die gemäß den Ergebnissen der internen Untersuchungen erforderlichen Folgemaßnahmen,
insbesondere die disziplinarrechtlichen und justiziellen Maßnahmen, und unterrichten den Direktor des
[OLAF] innerhalb der von ihm in den Schlussfolgerungen seines Berichts gesetzten Frist über die
Folgemaßnahmen der Untersuchungen.“
9 Art. 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 („Übermittlung von Informationen durch das [OLAF]“) bestimmt:
„(1) Unbeschadet der Artikel 8, 9 und 11 dieser Verordnung und der Bestimmungen der
Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 kann das [OLAF] den zuständigen Behörden der betreffenden
Mitgliedstaaten jederzeit Informationen übermitteln, die es im Laufe externer Untersuchungen erlangt
hat.
(2) Unbeschadet der Artikel 8, 9 und 11 übermittelt der Direktor des [OLAF] den Justizbehörden des
betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen vom [OLAF] eingeholten Informationen
über
gegebenenfalls
strafrechtlich
zu
ahndende
Handlungen.
Vorbehaltlich
der
Untersuchungserfordernisse unterrichtet er gleichzeitig den betreffenden Mitgliedstaat.
(3) Unbeschadet der Artikel 8 und 9 kann das [OLAF] dem betreffenden Organ, der betreffenden
Einrichtung oder dem betreffenden Amt oder der betreffenden Agentur jederzeit Informationen
übermitteln, die es im Laufe interner Untersuchungen erlangt hat.“
10 Art. 11 der Verordnung Nr. 1073/1999 („Überwachungsausschuss“) bestimmt:
„(1) Der Überwachungsausschuss stellt durch die regelmäßige Kontrolle, die er bezüglich der
Ausübung der Untersuchungstätigkeit vornimmt, die Unabhängigkeit des [OLAF] sicher.
Der Überwachungsausschuss gibt von sich aus oder auf Ersuchen des Direktors an diesen gerichtete
Stellungnahmen zu den Tätigkeiten des [OLAF] ab, greift jedoch nicht in den Ablauf der
Untersuchungen ein.
(7) Der Direktor übermittelt dem Überwachungsausschuss jedes Jahr das Programm der Tätigkeiten
des [OLAF] gemäß Artikel 1. Der Direktor unterrichtet den Ausschuss regelmäßig über die Tätigkeiten
des [OLAF], seine Untersuchungen, deren Ergebnisse und Folgemaßnahmen. Läuft eine Untersuchung
seit mehr als neun Monaten, so unterrichtet der Direktor den Überwachungsausschuss von den
Gründen, die es noch nicht erlauben, die Untersuchung abzuschließen, sowie von der für ihren
Abschluss voraussichtlich notwendigen Frist. Der Direktor unterrichtet den Ausschuss über die Fälle, in
denen das betreffende Organ, die betreffende Einrichtung oder das betreffende Amt oder die
betreffende Agentur den von ihm abgegebenen Empfehlungen nicht Folge geleistet hat. Der Direktor
unterrichtet den Ausschuss über die Fälle, die die Übermittlung von Informationen an die
Justizbehörden eines Mitgliedstaats erfordern.
…“
11 Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1073/1999 lautet:
„Der Direktor erstattet dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem
Rechnungshof regelmäßig Bericht über die Ergebnisse der vom [OLAF] durchgeführten
Untersuchungen; dabei wahrt er das Untersuchungsgeheimnis und die legitimen Rechte der
Betroffenen und hält gegebenenfalls die einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen für
Gerichtsverfahren ein.
Die genannten Organe wahren das Untersuchungsgeheimnis und die legitimen Rechte der Betroffenen
und halten im Fall von Gerichtsverfahren die einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen ein.“
12 Der Beschluss 1999/396/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 2. Juni 1999 über die Bedingungen
und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen
rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der Interessen der Gemeinschaft (ABl. L 149, S. 57) legt in
Art. 4 die Modalitäten für die Unterrichtung des Betroffenen wie folgt fest:
„In den Fällen, in denen die Möglichkeit einer persönlichen Implikation eines Mitglieds, eines Beamten
oder Bediensteten der Kommission besteht, ist der Betroffene rasch zu unterrichten, sofern dies nicht
die Untersuchung beeinträchtigt. Auf keinen Fall dürfen eine dieser Personen mit Namen nennende
Schlussfolgerungen am Ende der Untersuchung gezogen werden, ohne dass dem Betroffenen
Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den ihn betreffenden Tatsachen zu äußern.
In den Fällen, in denen aus ermittlungstechnischen Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt werden
muss und die die Hinzuziehung einer innerstaatlichen Justizbehörde erfordern, kann dem betreffenden
Mitglied, Beamten oder Bediensteten der Kommission mit Zustimmung des Präsidenten bzw. des
Generalsekretärs der Kommission zu einem späteren Zeitpunkt Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben werden.“
13 Art. 2 der Geschäftsordnung des Überwachungsausschusses des OLAF (ABl. 2000, L 41, S. 12), der
mit „Achtung der Rechtmäßigkeit“ überschrieben ist, lautet:
„Der Ausschuss wacht darüber, dass die Tätigkeiten des OLAF unter uneingeschränkter Achtung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie gemäß den Verträgen und dem daraus abgeleiteten Recht
und insbesondere gemäß dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen und dem Beamtenstatut
durchgeführt werden.“
14 Art. 14 Abs. 1 bis 3 der Geschäftsordnung des Überwachungsausschusses des OLAF bestimmt:
„(1) Die Sitzungen des Überwachungsausschusses sind nicht öffentlich. Die Beratungen des
Ausschusses und sämtliche Dokumente, die als Unterlagen für diese Beratungen dienten, unterliegen
der Vertraulichkeit, sofern der Überwachungsausschuss nichts anderes beschließt.
(2) Die vom Direktor des OLAF vorgelegten Dokumente und Informationen unterliegen den
Vorschriften von Artikel 287 [EG] über die Geheimhaltung.
(3) Der Überwachungsausschuss berät auf der Grundlage von Dokumenten und Entwürfen von
Stellungnahmen, Berichten und Beschlüssen.“
15 In Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), der das Recht auf ein faires Verfahren betrifft, heißt es:
„…
(2) Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als
unschuldig.
(3) Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:
a) innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art
und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b) ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
…“
16 Die am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union
(ABl. 2000, C 364, S. 1, im Folgenden: Charta) bestimmt:
„Artikel 41
Recht auf eine gute Verwaltung
(1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und
Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt
werden.
(2) Dieses Recht umfasst insbesondere
– das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige,
individuelle Maßnahme getroffen wird;
– das Recht einer jeden Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des
legitimen Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses;
– die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.
(3) Jede Person hat Anspruch darauf, dass die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder
Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen
Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.
Artikel 48
Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte
(1) Jede angeklagte Person gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis ihrer Schuld als
unschuldig.
(2) Jeder angeklagten Person wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.“
Sachverhalt
17 Die Kläger, Yves Franchet und Daniel Byk, sind ein ehemaliger Generaldirektor und ein ehemaliger
Direktor von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften).
18 Mehrere interne Audits bei Eurostat ergaben, dass möglicherweise Unregelmäßigkeiten bei der
Haushaltsführung vorlagen. Das OLAF leitete daher mehrere Untersuchungen ein, insbesondere in
Bezug auf die Verträge, die Eurostat mit den Gesellschaften Eurocost, Eurogramme, Datashop,
Planistat und CESD Communautaire geschlossen hatte, sowie in Bezug auf die diesen Gesellschaften
gewährten Zuschüsse.
19 Am 4. Juli 2002 übermittelte das OLAF den luxemburgischen Justizbehörden eine Akte über die
Untersuchung betreffend Eurocost sowie eine weitere Akte über die Untersuchung betreffend
Eurogramm.
20 Am 13. November 2002 richtete Herr Franchet ein Schreiben an den Generaldirektor des OLAF, in dem
es u. a. hieß:
„…
Ich erfahre von der Cocobu [Commission de contrôle budgétaire, Ausschuss für Haushaltskontrolle],
dass Sie ihr Informationen über von Ihnen den luxemburgischen Justizbehörden übermittelte Akten
gegeben haben, über die ich nicht verfüge; in der Illustrierten lese ich, dass Sie Eurostat ‚eine
ganze Reihe von Fällen‘ anlasten, über die Ihre Dienststellen mir nichts mitgeteilt haben.
…“
21 Am 13. März 2003 verabschiedete das Parlament eine Entschließung zur Sache Eurostat.
22 Am 19. März 2003 übermittelte der Generaldirektor des OLAF den französischen Justizbehörden ein
Schreiben mit dem Betreff „Übermittlung von Informationen über möglicherweise strafrechtlich
relevante Handlungen CMS Nr. IO/2002/0510 – Eurostat/Datashop/Planistat“ (im Folgenden: Schreiben
vom 19. März 2003) nebst einem Vermerk zweier Ermittler des OLAF vom gleichen Tag an den
Generaldirektor des OLAF mit dem Betreff „Anzeige von möglicherweise strafrechtlich relevanten
Handlungen CMS Nr. IO/2002/0510 − Eurostat/Datashop/Planistat“ (im Folgenden: Vermerk vom 19.
März 2003).
23 Am 3. April 2003 richtete der Generaldirektor des OLAF einen zusammenfassenden Vermerk über die
laufenden Untersuchungen gegen Eurostat an den Generalsekretär der Kommission.
24 Am 19. Mai 2003 beantragten die Kläger bei der Kommission „Beistand gemäß Art. 24 des Statuts zur
Wahrung [unseres] Rufs und [unserer] Verteidigungsrechte gegen die Verantwortlichen und
diejenigen, die diese lügnerischen Informationen verbreiten“ und Entbindung von ihren Ämtern, um
ihre Verteidigung sicherstellen zu können.
25 Die Kläger wurden am 21. Mai 2003 auf eigenen Antrag versetzt.
26 Am 26. Mai 2003 richteten die Kläger zwei Schreiben an den Generaldirektor des OLAF und ersuchten
ihn u. a., „so rasch wie möglich über die vom OLAF gegen [sie] erhobenen Beanstandungen und
Beschuldigungen“ informiert zu werden, um ihre Verteidigungsrechte im Rahmen der für Ende Juni
2003 angesetzten Anhörungen wahrnehmen zu können. Sie forderten daher Zugang zu den gesamten
Akten. Sie unterstrichen, dass sie vor Übermittlung der Akten an die nationalen Justizbehörden weder
informiert noch angehört worden seien. Sie wiesen weiter darauf hin, dass „ebenfalls offensichtlich
[erscheint], dass aus dem OLAF Indiskretionen über vertrauliche Daten an die Presse gelangt sind, die
unter Umständen im Rahmen einer Kampagne der Anschwärzung und der Belastung von Eurostat oder
auch anderer hochgestellter Persönlichkeiten innerhalb der Kommission wissentlich erfolgt sind“.
27 Am gleichen Tag teilten die Kläger in zwei weiteren Schreiben dem Überwachungsausschuss des OLAF
mit, sie hätten durch die Presse erfahren, dass das OLAF nationalen Justizbehörden eine Akte mit
Anschuldigungen übermittelt habe, die sich „auf Straftaten der Unterschlagung, Untreue und Bildung
einer kriminellen Vereinigung“ bezögen, dass sie nie vom OLAF vernommen worden seien und dass
Indiskretionen vorgekommen seien. Sie forderten den Überwachungsausschuss auf, „sich zu dem nicht
hinnehmbaren Verhalten des OLAF zu äußern, das entweder diese Indiskretionen angezettelt oder
nicht alle zu ihrer Vermeidung erforderlichen Maßnahmen ergriffen und so die volle Verantwortung
[ihnen] gegenüber übernommen hat … und zum anderen dem OLAF aufzugeben, dafür zu sorgen, dass
ihre Grundrechte zukünftig in vollem Umfang beachtet werden“.
28 Am 26. Mai 2003 richteten die Kläger zwei weitere Schreiben an den Generalsekretär und einen
Generaldirektor der Kommission und ersuchten die Kommission um nähere Angaben zum Inhalt des
Beistands, den sie ihnen zugesagt habe. Sie beantragten zugleich Zugang zu etwaigen der
Kommission zur Verfügung stehenden Bestandteilen der Akte des OLAF.
29 Am 5. Juni 2003 wandten sich die Kläger an den Generaldirektor des OLAF und ersuchten ihn, ihnen
vor den für Ende Juni 2003 angesetzten Anhörungen Akteneinsicht zu gewähren.
30 Am 11. Juni 2003 wies die Kommission den Internen Auditdienst (IAS) an, im Rahmen der Begleitung
des Entlastungsverfahrens die von Eurostat geschlossenen Verträge und gewährten Zuschüsse zu
prüfen. Der IAS erstellte drei Berichte, den ersten am 7. Juli, den zweiten am 24. September und den
dritten am 22. Oktober 2003.
31 In den Monaten Juni und Juli 2003 trat der Ausschuss für Haushaltskontrolle des Parlaments (Cocobu)
zusammen und führte Gespräche, insbesondere mit bestimmten Mitgliedern der Kommission, zum Fall
Eurostat.
32 Am 18. Juni 2003 wandten sich die Kläger erneut an den Generaldirektor des OLAF und unterstrichen,
dass „das Anhörungsrecht … voraus[setzt], dass der Betroffene die gegen ihn gerichteten
Beanstandungen erfährt und Akteneinsicht erhält“; sonst könnten die für Ende Juni angesetzten
Anhörungen nicht ordnungsgemäß stattfinden. Sie fügten hinzu: „Die Anhörungen können fortgesetzt
werden, sobald Akteneinsicht gewährt wird und den Anwälten und ihren Mandanten angemessene Zeit
für die Prüfung der Unterlagen zur Verfügung stand“.
33 Am 23. Juni 2003 legte Herr Franchet bei einer ersten Anhörung durch das OLAF eine einleitende
Erklärung mit einem rechtlichen Vermerk zu den Verteidigungsrechten vor. Er wurde vom OLAF am 25.
und 26. Juni 2003 zum Vorgang Eurocost, am 26. und 27. Juni 2003 zu den Vorgängen Datashop und
Planistat und am 2. Juli 2003 zum Vorgang CESD Communautaire angehört.
34 Am 1. Juli 2003 übersandte Herr P., Referatsleiter im Generalsekretariat der Kommission, den
Mitgliedern der Kommission einen Vermerk über die Sitzung des Cocobu und den Meinungsaustausch
mit dem Generalsekretär der Kommission und dem Generaldirektor des OLAF vom 30. Juni 2003.
35 Am 3. und 4. Juli 2003 wurde Herr Byk vom OLAF zu den Vorgängen Datashop und Planistat angehört.
Auch er legte eine einleitende Erklärung mit einem rechtlichen Vermerk zu den Verteidigungsrechten
vor.
36 Am 9. Juli 2003 beschloss die Kommission, ein Disziplinarverfahren gegen die Kläger einzuleiten.
Dieses Verfahren wurde sogleich ausgesetzt, da die Untersuchung des OLAF immer noch im Gang war.
Die Kommission richtete außerdem eine multidisziplinäre Task-Force ein (im Folgenden: Task-Force).
37 Am gleichen Tag veröffentlichte die Kommission eine Pressemitteilung mit dem Titel „Kommission
ergreift Maßnahmen wegen finanziellem Missmanagement bei Eurostat“ (IP/03/979).
38 Mit Schreiben vom 17. Juli 2003 unterrichteten die Kläger den Präsidenten der Kommission über ihre
Lage.
39 Am 22. Juli 2003 richteten die Kläger ein Schreiben an die Kommission, in dem sie die Rechtsverstöße
festhielten, die diese begangen haben soll und für die sie hafte. Sie verlangten ferner von der
Kommission, ihnen die in den Beschlüssen zur Eröffnung der Disziplinarverfahren genannten
Dokumente zu übermitteln.
40 Die Protokolle über die Anhörungen der Kläger von Ende Juni/Anfang Juli 2003 wurden am 11. August
2003 erstellt.
41 Am 24. September 2003 übermittelte der Generaldirektor des OLAF dem Präsidenten der Kommission
eine
„Zusammenfassung
der
bislang
abgeschlossenen
Eurostat‑Sachen“.
Nach
dem
Übermittlungsschreiben
konnte
„dieser
zusammenfassende
Vermerk
keinesfalls
als
Abschlussbericht der Untersuchung im Sinne der Verordnung Nr. 1073/1999 betrachtet werden“ und
„soll[te] lediglich die hauptsächlichen Schlussfolgerungen aufzeigen, die die durchgeführten
Untersuchungen erg[a]ben“.
42 Diese Zusammenfassung wurde nebst einem Bericht mit dem Titel „Bericht der Task-Force Eurostat
(TFES) – Zusammenfassung und Ergebnisse“ und einem Informationsvermerk über Eurostat, der auf
dem zweiten Zwischenbericht des IAS beruhte, am selben Tag dem Parlament übermittelt.
43 Am 25. September 2003 erstellte das OLAF in den Sachen Eurocost, Datashop, Planistat und CESD
Communautaire die Abschlussberichte im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1073/1999.
44 Am selben Tag wurde der Präsident der Kommission von der Cocobu angehört und äußerte sich auch
vor der Konferenz der Präsidenten der Parlamentsfraktionen.
45 Am 25. September 2003 übersandten die Kläger der Kommission unter Bezugnahme auf die dem
Parlament am 24. September 2003 übermittelten Dokumente ein Schreiben. In diesem Schreiben
bezeichneten sie es als „unannehmbar, dass [sie] öffentlich beschuldigt werden, ohne Zugang zu den
sie belastenden Dokumenten gehabt zu haben“, und warfen die Frage auf, ob es „normal [ist], dass
[sie] erneut aus der Presse erfahren, dass sie mehrerer Veruntreuungen beschuldigt werden“. In
diesem Schreiben verlangten sie weiter von der Kommission, ihnen diese Berichte sowie die mit
Schreiben vom 22. Juli 2003 angeforderten Dokumente zu übermitteln, im Einzelnen:
„– den Vermerk vom 3. April 2003 (004201) und die Vermerke vom 19. März 2003 (003441 und
003440), die vom OLAF erstellt wurden;
– den Bericht der GD Haushalt vom 4. Juli 2003 (‚DGBUDG Report – Analysis of audit reports on
Eurostat systems for grants and procurement‘);
– den Bericht des [IAS] der Kommission vom 7. Juli 2003 (‚First Interim Report – IAS examination of
Eurostat contracts and grants: reportable events‘);
– die drei vom [IAS], von der Task-Force und vom OLAF für die Anhörung des Präsidenten [der
Kommission] am 25. September 2003 vorbereiteten Berichte“.
46 Am 1. Oktober 2003 erließ die Kommission einen Beschluss zur Reorganisation von Eurostat mit
Wirkung zum 1. November 2003, mit dem eine Direktion und eine Direktorenstelle abgeschafft wurden.
47 Am 10. Oktober 2003 erhielten die Kläger eine Kopie der Abschlussberichte vom 25. September 2003
in Sachen Eurocost, Datashop und CESD Communautaire sowie eine Kopie der drei dem Parlament am
24. September 2003 übermittelten Dokumente (siehe oben, Randnr. 42). Am selben Tag erhielten sie
die mit Schreiben vom 22. Juli und 25. September 2003 angeforderten und in den Beschlüssen zur
Eröffnung der Disziplinarverfahren genannten Dokumente, ausgenommen das Schreiben und den
Vermerk vom 19. März 2003, weil es sich „um Schreiben des OLAF an die französischen Justizbehörden
in Paris handelt, die folglich Teil eines Untersuchungsverfahrens auf nationaler Ebene sind“.
48 Am 23. Oktober 2003 beantragten die Kläger gemäß Art. 90 Abs. 1 des Statuts der Beamten der
Europäischen Gemeinschaften in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung (im Folgenden:
Statut), ihnen die infolge der Rechtsverstöße der Kommission einschließlich der dem OLAF
zuzurechnenden Rechtsverstöße entstandenen Schäden zu ersetzen.
49 Mit Entscheidung vom 10. Mai 2004, die den Klägern am 17. Mai 2004 zuging, lehnte die
Anstellungsbehörde diesen Antrag ab.
50 Am 19. Mai 2004 legten die Kläger gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts gegen die Entscheidung vom 10.
Mai 2004 Beschwerde ein. Am 5. August 2004 ergänzten sie ihre Beschwerde.
51 Mit Entscheidung vom 27. Oktober 2004, die den Klägern mit Schreiben vom 3. November 2004
übermittelt wurde, wies die Anstellungsbehörde diese Beschwerde ausdrücklich zurück.
Verfahren und Anträge der Parteien
52 Mit Klageschrift, die am 28. Januar 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die
Kläger die vorliegende Klage erhoben.
53 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche
Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64
der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen und bestimmte
schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung teilweise fristgerecht
nachgekommen.
54 Mit Beschluss vom 6. Juni 2007 hat das Gericht gemäß den Art. 65 Buchst. b, 66 § 1 und 67 § 3 Abs. 2
der Verfahrensordnung der Kommission aufgegeben, alle den französischen Justizbehörden im Rahmen
der Sache Eurostat übermittelten Dokumente vorzulegen, mit der Maßgabe, dass diese Dokumente
den Klägern zunächst nicht zugänglich gemacht würden. Dem ist entsprochen worden.
55 Am 11. Juni 2007 hat die Kommission ihre Bemerkungen zu den Antworten der Kläger auf die Fragen
und die Dokumentenanforderungen des Gerichts eingereicht. Am gleichen Tag haben die Kläger ihre
Bemerkungen zu den Antworten der Kommission auf diese Fragen und Anforderungen eingereicht.
56 Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. Oktober 2007 mündlich verhandelt und mündliche Fragen
des Gerichts beantwortet.
57 In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien bestätigt, dass von den von der Kommission auf
die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts hin vorgelegten Dokumenten die Kläger lediglich über
die Anhänge des Vermerks vom 19. März 2003, die Beschwerde vom 10. Juli 2003 und den
Abschlussbericht Planistat nicht verfügten. Die Kläger haben ihr Einverständnis zu Protokoll erklärt,
dass das Gericht gegebenenfalls Angaben in diesen ihnen nicht übermittelten Dokumenten verwenden
dürfe. Das Gericht hat es für erforderlich gehalten, nur die Dokumente zu verwenden, über die die
Kläger verfügten.
58 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auf Ersuchen des Gerichts einen Vermerk des
OLAF vom 16. Mai 2003 vorgelegt. Die Kläger haben dem, wie im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist,
nicht widersprochen.
59 Die Kläger beantragen,
– die Kommission zu verurteilen, ihnen einen vorläufig auf 1 Mio. Euro geschätzten Betrag zur
Wiedergutmachung ihres materiellen und immateriellen Schadens zu zahlen;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
60 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägern die Kosten aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
61 Die Kläger stützen ihre Schadensersatzklage auf Rechtsverstöße sowohl des OLAF als auch der
Kommission, auf die Entstehung eines schweren materiellen und immateriellen Schadens sowie auf
einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen den behaupteten Rechtsverstößen und dem
hieraus entstandenen Schaden.
62 Vorab widerspricht die Kommission der Vorlage bestimmter Dokumente des
Überwachungsausschusses des OLAF, die die Kläger ihrer Klageschrift beigefügt haben.
63 Die Kommission hält die Schadensersatzklage ferner für teilweise verfrüht.
64 Die Kommission beantragt die Entfernung bestimmter von den Klägern zur Stützung ihrer Klage
vorgelegten Dokumente des Überwachungsausschusses des OLAF aus den Akten. Es handelt sich um
sechs Anlagen zur Klageschrift.
65 Die Kommission steht zum einen auf dem Standpunkt, dass diese Dokumente interner Natur und nicht
für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Zum anderen seien sie von den Klägern auf unrechtmäßige
Weise erlangt worden und müssten daher samt den Bezugnahmen und Zitaten in der Klageschrift aus
den Akten entfernt werden (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1981, Ludwigshafener
Walzmühle Erling u. a./Rat und Kommission, 197/80 bis 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80, Slg. 1981,
3211, Randnrn. 13 bis 16).
66 Die Kommission unterstreicht, dass vertrauliche interne Dokumente von den Klägern zur Stützung
ihrer Klage nur vorgelegt werden dürften, wenn sie nachweisen könnten, dass sie diese auf
rechtmäßige Weise erlangt hätten.
67 Im vorliegenden Fall seien die betreffenden Dokumente aber interne Dokumente des
Überwachungsausschusses des OLAF und daher gemäß Art. 14 der Geschäftsordnung des OLAF
vertraulich. Der Überwachungsausschuss habe nie beschlossen, die Vertraulichkeit dieser Dokumente
aufzuheben und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und ebenso wenig, sie den Klägern für
deren Verteidigung zu überlassen. Da es sich um nur für interne Zwecke bestimmte Dokumente
handele, könne ihnen der Umstand, dass sie nicht den Vermerk „Vertraulich“ trügen, nicht die
Vertraulichkeit nehmen.
68 Auf jeden Fall sei es Sache der Kläger, anzugeben, auf welche rechtmäßige Weise sie diese
Dokumente erlangt hätten, z. B. aufgrund eines Antrags auf Akteneinsicht mit einer stattgebenden
Antwort des Überwachungsausschusses des OLAF. Ein Nachweis der rechtmäßigen Erlangung dieser
Dokumente sei nicht die Vorlage von Bescheinigungen durch die Kläger, nach denen sie keinerlei
internes und vom Sekretariat des Überwachungsausschusses des OLAF erstelltes Dokument
unterschlagen, gestohlen oder an sich gebracht hätten, was die Kommission ihnen auch niemals
vorgeworfen habe.
69 Schließlich sei keines dieser Dokumente geeignet, die angeblichen Rechtsverstöße des OLAF oder der
Kommission in irgendeiner Weise zu belegen.
70 Die Kläger bestreiten die Vertraulichkeit dieser Dokumente und deren unrechtmäßige Erlangung.
71 Es stehe außer Frage, dass eine schwere und effektive Beeinträchtigung der umfassenden
Beachtung der Verteidigungsrechte und eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes eintreten
würde, wenn es in einer Sache wie der vorliegenden, in der die Wiedergutmachung eines Schadens
angestrebt werde, ausgeschlossen wäre, Dokumente, die tatsächliche Rechtsverstöße des OLAF und
der Kommission und damit wesentliche Voraussetzungen für die Entstehung einer Haftung belegten,
zu kommentieren oder einzusehen.
72 Die betreffenden Dokumente bestätigten ihren Standpunkt bezüglich ihrer Beanstandungen der
Arbeitsweise des OLAF, was auch der wirkliche Grund dafür sei, dass die Kommission ihrer Vorlage
widerspreche.
73 Die Kommission macht geltend, dass bestimmte Anlagen zur Klageschrift vertrauliche interne
Dokumente des Überwachungsausschusses des OLAF seien, die die Kläger nicht auf rechtmäßige
Weise erlangt hätten. Es handelt sich um folgende Dokumente:
– das Wortprotokoll der Äußerung des Generalsekretärs der Kommission vor dem
Überwachungsausschuss des OLAF am 3. September 2003; ihm sei die Protokollierung zum
Zeitpunkt seiner Äußerung nicht bekannt gegeben worden, und er habe später vom Präsidenten
des Überwachungsausschusses die Versicherung erhalten, dass es ein rein internes Dokument
für diesen Ausschuss und dessen Sekretariat bleiben werde;
– den Vermerk des Sekretariats des Überwachungsausschusses für dessen Präsidenten und
eines der Ausschussmitglieder vom 5. März 2003;
– den Vermerk des Sekretariats des Überwachungsausschusses für dessen Präsidenten vom 27.
Mai 2003;
– das Protokoll der Sitzung des Überwachungsausschusses vom 2. und 3. September 2003;
– den auf Ersuchen des Parlaments erstellten Bericht des Überwachungsausschusses vom 15.
Januar 2004 zu Verfahrensfragen aufgrund der in der Sache Eurostat eingeleiteten
Untersuchungen;
– den Informationsvermerk des Sekretariats des Überwachungsausschusses vom 10. Oktober
2003 über den Verlauf der Untersuchungen des OLAF in der Sache Eurostat und deren
Auswirkungen auf die Lage des OLAF.
74 Es ist festzustellen, dass weder die etwaige Vertraulichkeit der betreffenden Dokumente noch der
Umstand, dass sie möglicherweise nicht auf rechtmäßige Weise erlangt wurden, ein Hinderungsgrund
dafür ist, sie in den Akten zu belassen.
75 Keine Rechtsvorschrift verbietet nämlich ausdrücklich, unrechtmäßig, etwa unter Verstoß gegen
Grundrechte, erlangte Beweise zu verwerten.
76 Zwar hat der Gerichtshof im Urteil Ludwigshafener Walzmühle Erling u. a./Rat und Kommission (oben in
Randnr. 65 angeführt), auf das sich die Kommission beruft, festgestellt, dass das streitige Dokument
aus den Akten zu entfernen war, weil Zweifel sowohl hinsichtlich seines Charakters als auch bezüglich
der Frage bestanden, ob die Streithelferinnen auf rechtmäßige Weise in seinen Besitz gelangt waren
(Randnr. 16).
77 Somit kann ein Organ in der Regel die Entfernung eines internen Dokuments aus den Akten
verlangen, wenn derjenige, der sich darauf beruft, nicht rechtmäßig in seinen Besitz gelangt ist. Ein
internes Dokument ist nämlich vertraulich, sofern nicht das Organ, von dem es stammt, seiner
Verbreitung zugestimmt hat.
78 In seiner späteren Rechtsprechung hat der Gerichtshof indessen nicht ausgeschlossen, dass sich
selbst interne Dokumente in bestimmten Fällen zu Recht in den Verfahrensakten befinden können
(Beschlüsse des Gerichtshofs vom 19. März 1985, Tordeur u. a., 232/84, nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht, Randnr. 8, und vom 15. Oktober 1986, LAISA/Rat, 31/86, nicht in der
amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 5). Außerdem hat das Gericht bisweilen Unterlagen
berücksichtigt, bei denen nicht bewiesen war, dass sie auf rechtmäßige Weise erlangt worden waren.
79 Somit brauchte der Kläger bei bestimmten Sachverhalten nicht nachzuweisen, dass er das von ihm zur
Stützung seines Standpunkts herangezogene vertrauliche Dokument rechtmäßig erlangt hatte. Bei
einer Abwägung der zu schützenden Interessen hat das Gericht die Auffassung vertreten, es müsse
geprüft werden, ob besondere Umstände wie etwa die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage des
Dokuments, um die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen
Handlung sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. März 2001, Dunnett u. a./EIB,
T‑192/99, Slg. 2001, II‑813, Randnrn. 33 und 34) oder um das Vorliegen eines Ermessensmissbrauchs
nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. Februar 1996, Lopes/Gerichtshof,
T‑280/94, Slg.ÖD 1996, I‑A‑77 und II‑239, Randnr. 59), es rechtfertigten, ein Dokument in den Akten zu
belassen.
80 Hier lässt der besondere Rahmen der vorliegenden Klage den Schluss zu, dass die betreffenden
Dokumente in den Akten zu belassen sind. Sie sind nämlich erforderlich, um das Verhalten des OLAF im
Rahmen der Untersuchungen in Bezug auf Eurostat zu bewerten. Damit rechtfertigt es die Eigenart der
vorliegenden Klage, in deren Rahmen die Kläger die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des OLAF
nachweisen wollen, diese Dokumente in den Akten zu belassen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dunnett
u. a./EIB, oben in Randnr. 79 angeführt, Randnrn. 33 und 34).
81 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es sich um vorbereitende Dokumente des
Überwachungsausschusses des OLAF handelt, der gemäß Art. 2 seiner Geschäftsordnung darüber zu
wachen hat, „dass die Tätigkeiten des OLAF unter uneingeschränkter Achtung der Menschenrechte
und Grundfreiheiten sowie gemäß den Verträgen und dem daraus abgeleiteten Recht und
insbesondere gemäß dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen und dem Beamtenstatut
durchgeführt werden“, sowie um ein Wortprotokoll der Äußerung des Generalsekretärs der Kommission
vor diesem Ausschuss. Überdies ist festzustellen, dass es für die Kläger schwierig ist, eine etwaige
Rechtswidrigkeit des Verhaltens des OLAF nachzuweisen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass diese
Dokumente möglicherweise die Ereignisse belegen, die die Kläger dem OLAF vorwerfen, und daher eine
gewisse Bedeutung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits haben können.
82 Folglich ist wegen der Natur dieser Dokumente und der besonderen Umstände des Rechtsstreits der
Antrag auf ihre Entfernung aus den Akten zurückzuweisen.
83 Die Kommission macht geltend, dass der größte Teil des Vorbringens der Kläger zu angeblichen
Unregelmäßigkeiten während des Untersuchungsverfahrens verfrüht sei.
84 Sie habe nicht die Unzulässigkeit der Klage eingewandt, sondern berufe sich lediglich auf die
Vorzeitigkeit der Klage, weil sie zum einen davon ausgehe, dass bestimmte Klagegründe, die
Verfahrensfehler der Kommission selbst oder des OLAF beträfen, nur im Hinblick auf deren etwaige
Auswirkungen auf eine in Straf- oder Disziplinarverfahren gegebenenfalls zu treffende Entscheidung
gewürdigt werden könnten (Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 1992, Cimenteries CBR
u. a./Kommission, T‑10/92 bis T‑12/92 und T‑15/92, Slg. 1992, II‑2667, Randnr. 48), und zum anderen
davon, dass die Beurteilung des erlittenen Schadens, wenn man unterstelle, dass ihr oder dem OLAF
Rechtsverstöße vorgeworfen werden könnten, je nach dem Inhalt der sie betreffenden
Entscheidungen im Straf- oder Disziplinarverfahren unterschiedlich ausfalle. So sei die Beurteilung des
angeblichen immateriellen Schadens bedingt durch den Grad der „Schuld“, und die Folgen von
Rechtsverstößen des OLAF oder der Kommission, ihren Nachweis unterstellt, könnten nicht beurteilt
werden, ohne etwaige Rechtsverstöße der Kläger zu berücksichtigen.
85 Insoweit sei auf das Urteil des Gerichtshofs vom 28. März 1979, Granaria/Rat und Kommission (90/78,
Slg. 1979, 1081, Randnr. 6), und auf die dem Gericht zu Gebot stehende Möglichkeit hinzuweisen, in
einem ersten Verfahrensabschnitt darüber zu entscheiden, ob das Verhalten des OLAF oder der
Kommission geeignet war, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen, und die Erörterung von Fragen
zum Umfang des immateriellen Schadens in Abhängigkeit von der Natur der festgestellten
Rechtsverstöße gegebenenfalls einem späteren Abschnitt vorzubehalten.
86 Die Kläger widersprechen der Auffassung, dass die Klage verfrüht sei, und beanstanden, dass die
Anträge der Kommission insoweit nicht eindeutig seien.
87 Die Klage entspreche allen Verfahrens- und Sachvoraussetzungen für eine Haftung der Kommission
und für die Ausübung der richterlichen Kontrolle durch das Gericht.
88 Keinesfalls könne eine Schadensersatzklage als subsidiär gegenüber der Einleitung eines
Disziplinarverfahrens und/oder von Untersuchungen der Justizbehörden eines Mitgliedstaats betrachtet
werden. Es würde gegen den fundamentalen Grundsatz des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz
und eine geordnete Rechtspflege verstoßen, wenn ein zukünftiges und ungewisses Ereignis für sich
genommen eine Schadensersatzklage bedingen und hemmen könnte, mit der Folge, dass der
Schaden weiter wachse und den Betroffenen das Recht auf dessen Wiedergutmachung vorenthalten
werde.
89 Ihr Schaden sei entstanden und gegenwärtig, seit die Kommission die Rechtsverstöße begangen
habe, und nehme im Lauf der Zeit immer weiter zu.
90 Es steht fest, dass die nationalen Gerichtsverfahren noch andauern. Der mögliche Ausgang dieser
Verfahren kann indessen das vorliegende Verfahren nicht beeinflussen. Im vorliegenden Verfahren
geht es nämlich nicht um die Frage, ob die gegen die Kläger erhobenen Vorwürfe bewiesen sind oder
nicht, da diese Frage nicht in die Zuständigkeit des Gerichts fällt. Es geht also im vorliegenden Fall
nicht darum, ob die Kläger bei ihrer Diensttätigkeit Rechtsverstöße begangen haben oder nicht,
sondern um die Prüfung der Art und Weise, in der das OLAF eine Untersuchung, die sie namentlich
nennt und ihnen unter Umständen lange vor einer abschließenden Entscheidung öffentlich die
Verantwortung für festgestellte Unregelmäßigkeiten anlastet, durchgeführt und abgeschlossen hat,
sowie des Verhaltens der Kommission im Kontext dieser Untersuchung. Auch wenn die Kläger von den
nationalen Justizbehörden als nicht schuldig betrachtet werden sollten, würde dies den etwaigen
Schaden, den sie dann gleichwohl erlitten hätten, nicht unbedingt ausgleichen.
91 Da mithin der Schaden, der im Rahmen der vorliegenden Klage geltend gemacht wird, ein anderer ist
als der, den eine Entlastung der Kläger durch die nationalen Justizbehörden belegen könnte, können
die Schadensersatzanträge nicht als verfrüht zurückgewiesen werden, weil die Kläger einen solchen
Antrag erst nach etwaigen endgültigen Entscheidungen der nationalen Justizbehörden stellen
könnten.
92 Da die Klage somit nicht verfrüht ist, braucht die Prüfung der Fragen nach Natur und Umfang des
Schadens nicht einem etwaigen späteren Stadium vorbehalten zu werden.
93 Nach ständiger Rechtsprechung hängt die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für
rechtswidriges Verhalten ihrer Organe im Sinne von Art. 288 Abs. 2 EG vom Vorliegen einer Reihe von
Voraussetzungen ab, nämlich von der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens,
dem Eintritt eines tatsächlichen Schadens und dem Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen
diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September
1982, Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, Slg. 1982, 3057, Randnr. 16; Urteile des Gerichts vom 11. Juli
1996, International Procurement Services/Kommission, T‑175/94, Slg. 1996, II‑729, Randnr. 44, vom 16.
Oktober 1996, Efisol/Kommission, T‑336/94, Slg. 1996, II‑1343, Randnr. 30, und vom 11. Juli 1997,
Oleifici Italiani/Kommission, T‑267/94, Slg. 1997, II‑1239, Randnr. 20).
94 Wenn eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die
übrigen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen (Urteil des Gerichts vom 20. Februar 2002,
Förde-Reederei/Rat und Kommission, T‑170/00, Slg. 2002, II-515, Randnr. 37; in diesem Sinne auch
Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 1994, KYDEP/Rat und Kommission, C‑146/91, Slg. 1994,
I‑4199, Randnr. 81).
95 Zur ersten Voraussetzung fordert die Rechtsprechung die Feststellung eines hinreichend
qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen
(Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, Slg.
2000, I‑5291, Randnr. 42). Für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht als hinreichend qualifiziert angesehen werden kann, ist das entscheidende
Kriterium, dass das betreffende Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind,
offenkundig und erheblich überschritten hat. Wenn dieses Organ nur über einen erheblich
verringerten oder gar keinen Gestaltungsspielraum verfügt, kann die bloße Verletzung des
Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen (Urteil des
Gerichtshofs vom 10. Dezember 2002, Kommission/Camar und Tico, C‑312/00 P, Slg. 2002, I‑11355,
Randnr. 54, und Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Comafrica und Dole Fresh Fruit
Europe/Kommission, T‑198/95, T‑171/96, T‑230/97, T‑174/98 und T‑225/99, Slg. 2001, II‑1975, Randnr.
134).
96 Die Kläger machen geltend, dass Rechtsverstöße sowohl vom OLAF als auch von der Kommission
begangen worden seien und dass für alle diese Rechtsverstöße nur die Kommission zur Rechenschaft
gezogen werden könne. Das OLAF habe Rechtsverstöße sowohl gegenüber den Klägern als auch
gegenüber der Kommission begangen.
97 Das Gericht hält es daher für angezeigt, zunächst zu prüfen, ob das OLAF und/oder die Kommission
hinreichend qualifizierte Verstöße gegen eine Rechtsnorm begangen haben, die bezweckt, dem
Einzelnen Rechte zu verleihen.
1. Zu den Rechtsverstößen aus Anlass der Übermittlung von Akten in der Sache Eurostat an die
französischen und die luxemburgischen Justizbehörden durch das OLAF
a) Vorbringen der Parteien
98 Die Kläger heben zunächst den eindeutigen Unterschied hervor, der bei der Übermittlung von
Informationen durch das OLAF zwischen externen und internen Untersuchungen bestehe. Sie
verweisen auf die Verwirrung, die bezüglich der Art der Untersuchung und der Art der
Aktenübermittlung vom 19. März 2003 an die französischen Justizbehörden herrsche. Nach den
Erklärungen des Generaldirektors des OLAF vor der Cocobu vom 30. Juni 2003 habe es sich um eine
„externe Akte“ gehandelt, obwohl doch die Namen der Kläger genannt würden. Die Untersuchung sei
aber rein intern gewesen, so dass das betroffene Organ vor jeder Übermittlung nach außen hätte
informiert werden müssen.
99 Ihrer Meinung nach hat das OLAF seine internen Untersuchungen als externe eingestuft, um
Verfahrensfehler zu verdecken, die darauf zurückzuführen seien, dass weder die Kommission noch der
Überwachungsausschuss des OLAF vorab von der Übermittlung des Vorgangs Eurostat an die
französischen und die luxemburgischen Justizbehörden unterrichtet worden seien.
100 Die Kläger machen weiter geltend, sie seien auch nicht vorab von der Übermittlung der Vorgänge
Datashop und Planistat an die französischen Justizbehörden durch das OLAF unterrichtet worden; das
Gleiche gelte für Herrn Franchet in Bezug auf die Übermittlung des Vorgangs Eurocost, in den Herr Byk
nicht verwickelt gewesen sei, an die luxemburgischen Justizbehörden.
101 Das OLAF habe daher wissentlich gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, den
Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, die Verteidigungsrechte und das Erfordernis einer
Untersuchung sowohl belastender als auch entlastender Gesichtspunkte verstoßen, wie sie u. a. in
der EMRK und der Charta verankert seien.
102 Die Kläger berufen sich zudem auf Art. 4 des Beschlusses 1999/396 und verweisen insoweit auf die
Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten vom 26. April 2002 über eine unter dem
Aktenzeichen 781/2001/IJH eingetragene Beschwerde, soweit diese das OLAF betrifft; danach
„verpflichtet diese Vorschrift das OLAF, zu Lasten einer Person, gegen die eine Untersuchung
durchgeführt wird, erst Schlüsse zu ziehen, nachdem der Betroffene über die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe und die sie begründenden Tatsachen unterrichtet und ihm Gelegenheit gegeben wurde,
seinen Standpunkt zu äußern. Dies ist ein normaler Teil eines fairen und effektiven
Untersuchungsverfahrens. Überdies kommt einem Zeugnis, dem nicht in dieser Weise
entgegengetreten werden konnte, normalerweise keine Beweiskraft zu“.
103 Den Klägern zufolge legt die Kommission die Art. 4 und 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 sowie Art. 4
des Beschlusses 1999/396 zu eng aus und verletzt damit die Grundrechte. Nach dieser Auslegung
unterliege die Entscheidung des OLAF, die dem Organ geschuldete Unterrichtung hinauszuschieben,
grundsätzlich keiner Kontrolle, so dass das OLAF eine solche Entscheidung treffen könne, um sich
ohne wirkliche zeitliche Begrenzung jeder Informationspflicht zu entziehen.
104 Weder das OLAF noch die Kommission hätten jemals erklärt, weshalb absolute Geheimhaltung
erforderlich oder was die Rechtfertigung für die angebliche Notwendigkeit gewesen sei, die
Unterrichtung der Kommission hinauszuschieben, ausgenommen den zusammenfassenden Vermerk
über die laufenden Untersuchungen in Bezug auf Eurostat, den der Generaldirektor des OLAF am 3.
April 2003 an den Generalsekretär der Kommission gerichtet habe (siehe oben, Randnr. 23). Ihres
Wissens habe der Generalsekretär nie seine gemäß Art. 4 Abs. 2 des Beschlusses 1999/396
erforderliche Zustimmung zur Verschiebung der Unterrichtung des betreffenden Beamten erklärt.
105 Die Kläger berufen sich ferner auf den Vorschlag vom 10. Februar 2004 für eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1073/1999 (KOM[2004] 103
endg.) sowie auf den Entwurf einer interinstitutionellen Vereinbarung vom 14. August 2003 über einen
Verhaltenskodex zur Gewährleistung eines rechtzeitigen Informationsaustauschs zwischen dem OLAF
und der Kommission bei internen Untersuchungen des OLAF in der Kommission [SEK(2003) 871
(konsolidierte Fassung)], die insbesondere die Pflicht vorsähen, die Information des OLAF inhaltlich zu
gestalten. Nach dem Vorschlag einer Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 1073/1999 müsse
der betroffene Beamte zum Zeitpunkt der Unterrichtung nationaler Justizbehörden gehört werden, was
keine Änderung der geltenden Verordnung darstelle, sondern nur die insbesondere in der Charta
verankerten Grundrechte bestätige, worauf die Kommission hingewiesen habe. Sie selbst seien vom
OLAF angehört worden, weil sie diese Anhörung beantragt hätten, und nicht, weil das OLAF sie hierzu
aufgefordert hätte.
106 Schließlich habe das OLAF den französischen Justizbehörden „die Richtung vorgegeben“, indem es
Tatsachen, die es in der Sache Eurostat festgestellt zu haben glaubte, als strafrechtlich relevant
qualifiziert habe, was seiner Aufgabe der Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen
widerspreche. Der den französischen Justizbehörden übermittelte Vermerk vom 19. März 2003 enthalte
eine richtiggehende juristische Analyse der berichteten Tatsachen anhand des französischen Rechts
und stufe sie als nach französischem Recht strafrechtlich relevant ein, was über die nach der
Verordnung Nr. 1073/1999 vorgesehene Übermittlung von Informationen hinausgehe.
107 Die Kommission macht erstens geltend, die Kläger könnten sich nicht auf die Pflicht des OLAF zu ihrer
Information, zu ihrer Anhörung oder zu ihrer Unterrichtung vor Übermittlung von Informationen an
nationale Justizbehörden berufen, wie immer man die Untersuchung auch einstufe (als intern oder
extern).
108 Gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 habe das OLAF den Justizbehörden des betreffenden
Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen eingeholten Informationen über gegebenenfalls
strafrechtlich zu ahndende Handlungen zu übermitteln, während bei externen Untersuchungen nur
eine Befugnis hierzu bestehe. Keine Vorschrift dieses Artikels sehe vor, dass dieser Übermittlung eine
Unterrichtung des betreffenden Organs oder eine Unterrichtung der gegebenenfalls implizierten
Beamten vorauszugehen habe oder dass sie von einer solchen begleitet werden müsse.
109 Die Kommission verweist auf Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1073/1999 und erklärt, dass die
fehlende Unterrichtung des Organs, dem möglicherweise persönlich implizierte Beamte angehörten,
durch die Notwendigkeit einer Verschiebung der Unterrichtung gerechtfertigt sein könne. Selbst wenn
eine solche Verschiebung im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt werden könnte, bliebe doch das
etwaige Fehlen einer Unterrichtung der Kommission ohne Auswirkung auf die Ordnungsmäßigkeit des
Verfahrens bezüglich der Kläger, da diese in keiner Weise durch die fehlende Unterrichtung geschädigt
worden seien.
110 Zum Recht der Kläger auf Anhörung oder Unterrichtung macht die Kommission geltend, gemäß Art. 4
des Beschlusses 1999/396 sei die Unterrichtung des Beamten, der möglicherweise persönlich
impliziert sei, davon abhängig, dass sie nicht die Untersuchung beeinträchtige, was der Einschätzung
des OLAF unterliege. Die Pflicht, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu allen ihn betreffenden
Tatsachen zu äußern, komme dann zum Tragen, wenn das OLAF am Ende der Untersuchungen seine
Schlussfolgerungen ziehe, und könne nur in ganz bestimmten Fällen mit Zustimmung des Präsidenten
oder des Generalsekretärs der Kommission hinausgeschoben werden, nicht aber dann, wenn das OLAF
aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 den Justizbehörden eines Mitgliedstaats während
der Untersuchung Informationen übermittele.
111 Außerdem sei den Klägern gemäß Art. 4 des Beschlusses 1999/396 Gelegenheit gegeben worden,
sich zu allen sie betreffenden Tatsachen zu äußern, bevor das OLAF in den sie betreffenden
Untersuchungen Schlussfolgerungen gezogen habe.
112 Entgegen dem Vorbringen der Kläger könne nicht gesagt werden, dass der Entschluss des OLAF, die
Unterrichtung des Organs hinauszuschieben, grundsätzlich keiner Kontrolle unterliege, doch könne
diese Kontrolle erst am Ende der Untersuchung, wenn diese ohne Folgen bleibe, oder nach
Beendigung von Straf- oder Disziplinarverfahren stattfinden. Deshalb werde das Ausbleiben der
Unterrichtung durch die aus ermittlungstechnischen Gründen notwendige Wahrung absoluter
Geheimhaltung oder das Erfordernis der Hinzuziehung einer innerstaatlichen Justizbehörde
gerechtfertigt; eine Kontrolle dieser Rechtfertigung zu einem früheren Zeitpunkt würde darauf
hinauslaufen, sie „zunichte zu machen“.
113 Außerdem könne sich ein Rechtsverstoß nur aus der Nichtbeachtung des rechtlichen Rahmens
ergeben, der zur Zeit der Geschehnisse bestehe, nicht aber aus der Nichtbeachtung einer
Bestimmung eines neuen, nach den Geschehnissen vorgeschlagenen rechtlichen Rahmens.
114 Die Kommission macht zweitens geltend, dass die strafrechtlichen Qualifikationen, mit denen das OLAF
die Tatbestände versehe, die es einer nationalen Justizbehörde übermittle, bloße Hinweise seien, die
diese in keiner Weise bänden. Darin kämen nur die Überlegungen der mit einem solchen Vorgang
betrauten Bediensteten des OLAF zum Ausdruck, wobei die Übermittlung an eine Justizbehörde nur
gerechtfertigt sei, wenn die betreffenden Tatsachen nach Meinung des OLAF strafrechtlich relevant
sein könnten. Die vom OLAF unterrichteten nationalen Justizbehörden blieben vollkommen frei, ihre
Befassung anzunehmen und/oder sie zu begrenzen, da es nicht Sache des OLAF sei, diesen Behörden
irgendwelche Anweisungen zu geben.
115 Im Übrigen verstünden die Kläger Punkt 3.4.3 des Berichts der Kommission über die Beurteilung der
Tätigkeiten des OLAF vom 2. April 2003 [KOM(2003) 154 endg.] falsch. Die Kommission habe niemals
sagen wollen, dass die Befassung einer nationalen Justizbehörde diese bezüglich der
Ermittlungsergebnisse des OLAF binde; das Gegenteil sei der Fall.
b) Würdigung durch das Gericht
Zur Einstufung der Untersuchungen
116 Nach der Verordnung Nr. 1073/1999 gliedern sich die Untersuchungen des OLAF in externe, d. h.
außerhalb der Organe der Gemeinschaft, und interne, d. h. innerhalb dieser Organe durchgeführte
Untersuchungen. Die vom OLAF zu befolgenden Verfahrensregeln unterscheiden sich je nach Art der
Untersuchung.
117 Die Kläger machen geltend, dass das OLAF seine internen Untersuchungen als externe eingestuft
habe, um Verfahrensfehler zu vertuschen. Die Untersuchung sei eine rein interne gewesen, so dass
das betroffene Organ, der Überwachungsausschuss des OLAF und die implizierten Beamten vor jeder
Übermittlung nach außen hätten unterrichtet werden müssen.
118 Nach Auffassung des Gerichts ist in der Tat während des Ablaufs der in Rede stehenden
verschiedenen Untersuchungen Verwirrung in Bezug auf deren Natur entstanden.
119 Insoweit ergibt sich aus dem zusammenfassenden Vermerk vom 3. April 2003 (siehe oben, Randnr.
23), dass das OLAF die Untersuchungen des (an die luxemburgischen Justizbehörden übermittelten)
Vorgangs Eurocost und des (an die französischen Justizbehörden übermittelten) Vorgangs Datashop
als interne Untersuchungen eingestuft hatte. In der „Zusammenfassung der bislang abgeschlossenen
Sachen Eurostat“ ist die Untersuchung des Vorgangs Eurocost als interne, die des Vorgangs
Eurogramme als externe sowie die des Vorgangs CESD Communautaire und die des Vorgangs
Datashop als interne Untersuchung qualifiziert worden. Dort wird ebenfalls festgestellt, dass die
interne Untersuchung bezüglich des Datatshop-Netzes die zentrale Rolle der Gesellschaft Planistat
deutlich gemacht habe, weshalb das OLAF am 18. März 2003 eine externe Untersuchung in Bezug auf
diese Gesellschaft eröffnet habe.
120 Dem Vermerk vom 1. Juli 2003 (siehe oben, Randnr. 34) über die Sitzung des Cocobu und den
Meinungsaustausch mit dem Generalsekretär der Kommission und dem Generaldirektor des OLAF am
30. Juni 2003 ist aber zu entnehmen, dass diese Einstufung nicht klar war. Diesem Vermerk zufolge
wies der Generaldirektor des OLAF darauf hin, dass sich beim Vorgang Eurostat interner und externer
Teil überschnitten, genauer gesagt, dass bei den Vorgängen Eurocost und Eurogramme der externe
Teil nahezu abgeschlossen und den luxemburgischen Justizbehörden übermittelt worden sei und dass
die Vorgänge Datashop und Planistat die gleiche Überschneidung des externen und des internen Teils
aufwiesen.
121 Außerdem stellte der Überwachungsausschuss des OLAF in seinem auf Ersuchen des Parlaments
erstellten Bericht vom 15. Januar 2004 zu Verfahrensfragen aufgrund der in Bezug auf Eurostat
eingeleiteten Untersuchungen fest:
„Das OLAF hatte auch Schwierigkeiten mit der Durchführung der Vorschriften der Verordnung über die
internen Untersuchungen einerseits und die externen Untersuchungen andererseits. Anfangs hat das
OLAF externe Untersuchungen eröffnet, interne Untersuchungen erst dann, als erkennbar wurde, dass
Beamte zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Diese rein verwaltungsmäßige Trennung der
gleichen Vorgänge hat zu Verwirrung geführt.“
122 Den Akten ist zu entnehmen, dass zumindest bei Abschluss der Untersuchungen die Vorgänge
Eurocost, Datashop und CESD Communautaire interne, die Vorgänge Eurogramme und Planistat
hingegen externe Vorgänge waren. Aus ihnen geht jedoch auch hervor, dass die Vorgänge Datashop
und Planistat eng miteinander verknüpft waren.
123 Zu bestimmen ist die Rechtsnatur der Übermittlung an die französischen Justizbehörden vom 19. März
2003. Insoweit ist unerheblich, dass im Schreiben und im Vermerk vom 19. März 2003 der (am Tag
zuvor eröffnete) externe Vorgang Planistat und nicht der interne Vorgang Datashop genannt wird. Ein
solcher Umstand kann nicht von den mit internen Untersuchungen verbundenen Verfahrenspflichten
befreien, nur weil Beamte impliziert sind. Außerdem beziehen sich die Ermittler trotz der Bezugnahme
auf einen externen Vorgang im Vermerk vom 19. März 2003 auf die Vorschrift der Verordnung Nr.
1073/1999 über die Übermittlung von Informationen, die das OLAF im Laufe interner Untersuchungen
erlangt hat. Im Schreiben vom 19. März 2003 ist nicht ausdrücklich angegeben, ob es sich um eine
interne oder externe Untersuchung handelte. Seinem Betreff nach handelte es sich hingegen um eine
„Übermittlung von Informationen über möglicherweise strafrechtlich relevante Handlungen“, was der
Regelung des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 über die Übermittlung der bei internen
Untersuchungen eingeholten Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende
Handlungen entspricht. Die Nichterwähnung des internen Vorgangs erlaubt es daher nicht, die
Verteidigungsrechte der dort genannten Personen außer Acht zu lassen. Auf jeden Fall wird nach dem
Betreff „Eurostat/Datashop/Planistat“ erwähnt. Außerdem hat der Generaldirektor des OLAF in seinem
Vermerk vom 3. April 2003 (siehe oben, Randnr. 23) selbst festgestellt, dass der interne Vorgang
Datashop, in den Beamte impliziert waren, der Anklagebehörde von Paris (Frankreich) übermittelt
worden war.
124 Folglich ist davon auszugehen, dass für das vorliegende Verfahren die Übermittlung des Vorgangs
Eurocost an die luxemburgischen Justizbehörden am 4. Juli 2002 ebenso wie die Übermittlung des
Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden am 19. März 2003 eine interne
Untersuchung betraf.
125 Somit ist zu prüfen, ob das OLAF bei den Übermittlungen interner Untersuchungsvorgänge an
nationale Justizbehörden eine Rechtsnorm verletzt hat, die dem Einzelnen Rechte verleiht.
Unterrichtung der Kläger, der Kommission und des Überwachungsausschusses des OLAF
– Unterrichtung der Kläger
126 Die Kläger machen geltend, sie seien nicht vorab von der Übermittlung der Vorgänge Datashop und
Planistat an die französischen Justizbehörden unterrichtet worden; das Gleiche gelte für Herrn
Franchet in Bezug auf die Übermittlung des Vorgangs Eurocost, in den Herr Byk nicht verwickelt
gewesen sei, an die luxemburgischen Justizbehörden. Somit habe das OLAF wissentlich gegen den
Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, die
Verteidigungsrechte und das Erfordernis einer Untersuchung sowohl belastender als auch
entlastender Gesichtspunkte verstoßen, wie sie u. a. in der EMRK und der Charta verankert seien. Sie
verweisen zudem auf Art. 4 des Beschlusses 1999/396.
127 Das Gericht weist darauf hin, dass die Unterrichtung der betroffenen Beamten nach Art. 4 des
Beschlusses 1999/396, mit dem die Kommission die Bedingungen und Modalitäten der internen
Untersuchungen festgelegt hat, nur bei internen Untersuchungen vorgesehen ist.
128 Nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 1999/396 ist der betroffene Beamte rasch über die Möglichkeit
einer persönlichen Implikation zu unterrichten, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigt, und
es dürfen auf keinen Fall am Ende der Untersuchung Schlussfolgerungen, die einen Beamten der
Kommission mit Namen nennen, gezogen werden, ohne dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben
wurde, sich zu allen ihn betreffenden Tatsachen zu äußern (Beschluss des Präsidenten des
Gerichtshofs vom 8. April 2003, Gómez-Reino/Kommission, C‑471/02 P[R], Slg. 2003, I‑3207, Randnr.
63).
129 Die Verletzung dieser Bestimmungen, die festlegen, wie die Beachtung der Verteidigungsrechte des
betroffenen Beamten mit den Erfordernissen der Vertraulichkeit, die jeder Untersuchung dieser Art
eigen sind, vereinbart werden kann, würde einen Verstoß gegen die für das Untersuchungsverfahren
geltenden wesentlichen Formvorschriften darstellen (Beschluss Gómez‑Reino/Kommission, oben in
Randnr. 128 angeführt, Randnr. 64).
130 Art. 4 des Beschlusses 1999/396 betrifft indessen nicht ausdrücklich die Übermittlung von
Informationen an nationale Justizbehörden und legt daher keine Pflicht fest, den betroffenen Beamten
vor einer solchen Übermittlung zu unterrichten. Gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 darf das
OLAF nämlich (bei externen Untersuchungen) bzw. muss (bei internen Untersuchungen) Informationen
an die nationalen Justizbehörden übermitteln. Diese Übermittlung von Informationen kann somit vor
den „Schlussfolgerungen am Ende der Untersuchung“ erfolgen, die normalerweise im
Untersuchungsbericht enthalten sind.
131 Ferner sind nach dem Beschluss Gómez-Reino/Kommission (oben in Randnr. 128 angeführt, Randnr.
68) die im Sinne von Art. 4 des Beschlusses 1999/396 einen Beamten mit Namen nennenden
Schlussfolgerungen des OLAF am Ende einer Untersuchung zwangsläufig diejenigen, die, wie dies in
Art. 9 der Verordnung Nr. 1073/1999 vorgesehen ist, in einem unter der Verantwortung des Direktors
dieses Amtes erstellten Bericht enthalten sind, und von dem betroffenen Organ ergriffene
Folgemaßnahmen können insbesondere disziplinarrechtliche und gerichtliche Maßnahmen sein.
132 Mithin ist es durchaus möglich, dass es zum Zeitpunkt der Übermittlung von Informationen an die
nationalen Justizbehörden keinen Bericht im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1073/1999 gab, der
vom OLAF der Kommission hätte übermittelt werden müssen und der die Kläger persönlich belastet
hätte.
133 Es ist jedoch weiter zu prüfen, ob die „Informationen“, die den luxemburgischen und den
französischen Justizbehörden übermittelt wurden, unter Umständen so zu verstehen sind, dass sie die
Kläger „namentlich nennende Schlussfolgerungen“ enthielten.
134 Was zunächst die Übermittlung des Vorgangs Eurocost an die luxemburgischen Justizbehörden am 4.
Juli 2002 betrifft, so ist im Übersendungsvermerk festgehalten, dass weder Herr Franchet noch die
Vertreter von Eurocost vom OLAF angehört wurden, und zwar bewusst, um die Ergebnisse der
gerichtlichen Untersuchung nicht zu gefährden. So unterliegt es keinem Zweifel, dass Herr Franchet zu
diesem Vorgang vor dessen Übermittlung an die luxemburgischen Behörden nicht gehört worden ist.
135 In diesem Vermerk heißt es, dass Herr Franchet einer der Gründer von Eurocost sei und außerdem
deren Präsident, Vizepräsident und Mitglied gewesen sei, dass er regelmäßig an den
Hauptversammlungen von Eurocost teilgenommen und zu der Zeit, als er Präsident gewesen sei, den
Arbeitsvertrag des Direktors von Eurocost unterzeichnet habe. Der Generaldirektor des OLAF
unterstreicht, dass ein potenzieller Interessenkonflikt vorliege und dass eine Innenrevision zahlreiche
Unregelmäßigkeiten und Betrügereien der Verantwortlichen von Eurocost zum Nachteil von Eurostat
aufgedeckt habe. Zu den „Buchführungsmanipulationen zur Kaschierung von Betrügereien zum
Nachteil von Eurostat“ heißt es, dass das Vorliegen heimlicher Absprachen hierüber mit Eurostat
erwähnt worden sei. „Doppelt- und Dreifachfinanzierungen bestimmter Kosten“ werden ebenfalls
genannt.
136 Dieser Übersendungsvermerk, der im Zusammenhang mit einem potenziellen Interessenkonflikt Herrn
Franchet ausdrücklich erwähnt, ist so auszulegen, dass er Herrn Franchet „namentlich nennende
Schlussfolgerungen“ enthält. Insoweit ist ebenfalls zu betonen, dass der Generaldirektor des OLAF in
dem Vermerk vom 3. April 2003 (siehe oben, Randnr. 23) ausführte, dass die Staatsanwaltschaft
Luxemburg mit Schreiben vom 10. Juli 2002 einer Anhörung der beschuldigten Beamten durch die
Ermittler des OLAF nicht widersprochen habe und dass der Generaldirektor von Eurostat impliziert sein
könnte.
137 Was zweitens die Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen
Justizbehörden am 19. März 2003 betrifft, so steht fest, dass die Kläger weder unterrichtet wurden
noch Gelegenheit erhielten, sich zu dem Vorgang vor dessen Übermittlung zu äußern. Weiter ist darauf
hinzuweisen, dass das Schreiben vom 19. März 2003 als Betreff „Übermittlung von Informationen über
möglicherweise strafrechtlich relevante Handlungen“ und der beigefügte Vermerk „Anzeige von
möglicherweise strafrechtlich relevanten Handlungen“ nennt.
138 In seinem Schreiben vom 19. März 2003 führt der Generaldirektor des OLAF aus, dass es vorbehaltlich
der Beurteilung durch die französischen Justizbehörden „den Anschein [hat], als hätte das OLAF
betrügerische Machenschaften zu Tage gefördert, die dem Gemeinschaftshaushalt Schaden zugefügt
haben und die möglicherweise strafrechtlich relevant sind“. Er fügt hinzu: „Die Untersuchung hat
ergeben, dass diese Geschehnisse auf die Gründer der Gesellschaft Planistat Europe SA mit Sitz in
Paris unter aktiver Beteiligung europäischer Beamter zurückzuführen sind“.
139 Im Vermerk vom 19. März 2003 heißt es im Rahmen einer „Chronologie der untersuchten
Sachverhalte“ unter Punkt 2.3 mit der Überschrift „Feststellungen während der Untersuchung“, dass
ein Bericht der Innenrevision von Eurostat vom September 1999 über die Datashops in Brüssel
(Belgien), Luxemburg (Luxemburg) und Madrid (Spanien), auf dessen Grundlage die Untersuchung des
OLAF begonnen habe, „zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Bewirtschaftung dieser drei Datashops
in den Jahren 1996 bis Ende 1999 aufgedeckt hat“ Weiter heißt es: „In diesem Fall wanderte ein
großer Teil der von diesen Datashops ‚deklarierten‘ Umsätze – zwischen 50 und 55 % – in eine
schwarze Kasse, deren Nutzung von der Erlaubnis eines Beamten [von Eurostat] abhängig war“.
140 Ferner wird dort ausgeführt: „Die Einzigen, die einen Gesamtüberblick über diese Sache haben, sind
die Leiter der Planistat-Gruppe und wahrscheinlich Herr Byk, Referatsleiter bei Eurostat und
französischer Staatsangehöriger.“ Die falschen Rechnungen seien „aus der schwarzen Kasse … nach
Genehmigung durch Herrn Daniel Byk, Direktor bei Eurostat und französischer Staatsangehöriger,
gezahlt [worden]. Etwa 922 500 [Euro] wurden auf diese Weise fakturiert und gezahlt. Eurostat ließ
durch den Winkelzug mit den schwarzen Kassen ein erhebliches Defizit der Planistat Europe SA
ausgleichen, das normalerweise zu Lasten des Vertragspartners der Kommission hätte gehen müssen.
Die schwarze Kasse diente aber auch zur Deckung von Restaurant-, Hotel-, Reise- und anderen Kosten
bestimmter Beamter von Eurostat, darunter Herr Byk.“
141 Im Rahmen der Beschreibung der in Rede stehenden strafbaren Handlungen wird in Punkt 3.1 unter
der Überschrift „Untreue“ Folgendes festgestellt:
„Die Schaffung eines Netzes von Wirtschaftsteilnehmern durch bestimmte europäische Beamte, u. a.
mit dem Ziel, einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf von Waren oder der Erbringung statistischer
Dienstleistungen der Gemeinschaft vor der Kommission zu verbergen, kann eine Unterschlagung von
‚Geld, Wertgegenständen oder irgendeines Vermögensguts‘ im Sinne von Art. 314‑1 des
Strafgesetzbuchs sein, der die Untreue definiert. Alle Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung
wurden durch das Zusammenwirken europäischer Beamter, der Leiter der Planistat-Gruppe und der
Leiter der betreffenden Datashops verwirklicht. Den Gemeinschaftsbeamten musste die geltende
Finanzregelung bekannt sein, die sie verpflichtete, sämtliche Einnahmen auszuhändigen.
Ferner
haben
dieselben
Gemeinschaftsbeamten
die
betreffenden
Beträge
für
den
Gemeinschaftsinteressen fremde Zwecke verwendet, weil dieses Geld offensichtlich dazu gedient hat,
im Vertrag der Gesellschaft Planistat Europe SA mit der Kommission nicht vorgesehene Ausgaben oder
auch persönliche Ausgaben dieser Beamten zu bezahlen. Die betrügerische Absicht ergibt sich aus
dieser Verwendung zu anderen als gemeinschaftlichen Zwecken.“
142 Nachdem die Frage der Hehlerei veruntreuter Sachen bezüglich Planistat behandelt wurde, heißt es in
Punkt 3.3 unter der Überschrift „Kriminelle Vereinigung“:
„Art. 450-1 des Strafgesetzbuchs bestimmt: ‚Eine kriminelle Vereinigung ist eine Gruppe oder ein
Zusammenschluss, die oder der zum Zweck der durch einen oder mehrere materielle Umstände
gekennzeichneten Vorbereitung eines oder mehrerer Verbrechen oder eines oder mehrerer mit
mindestens fünf Jahren Gefängnis bedrohten Vergehen gebildet wurde. ...‘
Zu prüfen bleibt, ob diese Qualifikation nicht auch im Rahmen des vorliegenden Vorgangs
herangezogen werden kann, weil es zur erfolgreichen Plünderung von Gemeinschaftsmitteln des
Zusammenwirkens von Beamten, der Leiter von Planistat und der Leiter der Datashops, die an
Veruntreuungen beteiligt waren, bedurfte.
…“
143 Schließlich heißt es in Punkt 3.5 unter der Überschrift „Anwendung der französischen Gesetze auf
Straftaten von Franzosen im Ausland“:
„…
Herr Yves Franchet, Direktor bei Eurostat, und Herr Daniel Byk, Referatsleiter bei Eurostat, beide
Beamte der europäischen Kommission mit Dienstort in Luxemburg, die verdächtigt werden, das
gesamte System oder einen Teil hiervon eingerichtet zu haben, sind französische Staatsangehörige.
Sämtliche vorstehend dargelegten Fakten lassen die Annahme zu, dass das OLAF sich einem
umfassenden Vorhaben zur Plünderung von Gemeinschaftsmitteln gegenübersieht, dem eine Reihe
von Handlungen zugrunde liegen, die vorbehaltlich der Beurteilung der zuständigen Justizbehörde
strafrechtlich relevant sein könnten.
Es wäre demgemäß angezeigt, diesen Vermerk und die beigefügten Unterlagen dem Leiter der
Anklagebehörde in Paris zu übermitteln.“
144 Dem Vermerk vom 19. März 2003 ist eindeutig zu entnehmen, dass er die Kläger „namentlich
nennende Schlussfolgerungen“ enthält.
145 Folglich hätten Herr Franchet vor der Übermittlung des Vorgangs Eurocost an die luxemburgischen
Behörden sowie Herr Franchet und Herr Byk vor der Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat
grundsätzlich in Bezug auf die sie betreffenden Tatsachen gemäß Art. 4 des Beschlusses 1999/396
unterrichtet und angehört werden müssen.
146 Dieser Artikel sieht indessen eine Ausnahme für die Fälle vor, in denen aus ermittlungstechnischen
Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt und auf Untersuchungsmittel zurückgegriffen werden muss,
die in die Zuständigkeit einer innerstaatlichen Justizbehörde fallen. In solchen Fällen kann die Erfüllung
der Pflicht, dem Beamten eine Stellungnahme zu ermöglichen, mit Zustimmung des Generalsekretärs
der Kommission hinausgeschoben werden. Die Unterrichtung kann also nur hinausgeschoben werden,
wenn die doppelte Voraussetzung erfüllt ist, dass aus ermittlungstechnischen Gründen absolute
Geheimhaltung gewahrt und dass auf Untersuchungsmittel zurückgegriffen werden muss, die in die
Zuständigkeit einer innerstaatlichen Justizbehörde fallen. Außerdem muss zuvor die Zustimmung des
Generalsekretärs der Kommission eingeholt werden.
147 Insoweit ergibt sich für die Übermittlung des Vorgangs Eurocost an die luxemburgischen
Justizbehörden aus einem Schreiben des Generalsekretärs der Kommission vom 2. August 2002 an den
Generaldirektor des OLAF, dass der erstgenannte seine Zustimmung gab, die betroffenen Personen
nicht zu unterrichten. Zur Begründung heißt es darin: „Bis zum Ergebnis der Erörterungen zwischen
unseren Dienststellen darüber, wie die gegenwärtigen Verfahren verbessert werden, kann ich Ihrem
Vorschlag zustimmen, die in der fraglichen Sache betroffenen Personen nicht zu unterrichten“. Der
Generalsekretär der Kommission hat somit keine der vorgenannten Voraussetzungen erwähnt. Auf
jeden Fall wurde diese Zustimmung erst nach der Übermittlung des betreffenden Vorgangs gegeben.
148 In Bezug auf die Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden
stellt der Generaldirektor des OLAF in dem am 3. April 2003, also nach der Übermittlung am 19. März
2003, verfassten Vermerk fest, dass Beamte von Eurostat und des Amtes für amtliche
Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften impliziert seien, dass dieser Teil den
französischen Justizbehörden übermittelt worden sei und dass es sich empfehle, die Unterrichtung der
Beamten gemäß Art. 4 des Beschlusses 1999/396 wegen der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung
aus ermittlungstechnischen Gründen hinauszuschieben. Auf die zweite vorgenannte Voraussetzung
wird indessen nicht Bezug genommen.
149 Außerdem hat die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts bestätigt, dass
ihr Generalsekretär „keine Gelegenheit [hatte], seine Zustimmung zur Hinausschiebung der Pflicht zu
geben, die Kläger zur Stellungnahme aufzufordern“.
150 Folglich waren im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme in Art. 4
des Beschlusses 1999/396, die eine Hinausschiebung der Unterrichtung gestattet, nicht erfüllt.
151 Die Pflicht, die Zustimmung des Generalsekretärs der Kommission zu beantragen und zu erhalten, ist
keine bloße Formalität, die gegebenenfalls später erfüllt werden könnte. Das Erfordernis, diese
Zustimmung einzuholen, würde sonst seine Daseinsberechtigung verlieren, nämlich sicherzustellen,
dass die Verteidigungsrechte der betroffenen Beamten beachtet werden, dass ihre Unterrichtung nur
in wirklichen Ausnahmefällen hinausgeschoben wird und dass die Beurteilung dieser Ausnahmelage
nicht nur Sache des OLAF ist, sondern zugleich das Urteil des Generalsekretärs der Kommission
erfordert.
152 Daher hat das OLAF Art. 4 des Beschlusses 1999/396 und die Verteidigungsrechte der Kläger bei der
Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden sowie diese
Vorschrift und die Verteidigungsrechte von Herrn Franchet bei der Übermittlung des Vorgangs
Eurocost an die luxemburgischen Justizbehörden verletzt.
153 Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die im vorliegenden Fall verletzte Rechtsnorm, wonach Personen,
gegen die eine Untersuchung im Gang ist, hiervon unterrichtet werden müssen und ihnen Gelegenheit
gegeben werden muss, zu allen sie betreffenden Tatsachen Stellung zu nehmen, dem Einzelnen
Rechte verleiht (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Nikolaou/Kommission,
T‑259/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 263).
154 Gewiss räumt Art. 4 des Beschlusses 1999/396 dem OLAF in Fällen, in denen aus
ermittlungstechnischen Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt und auf Untersuchungsmittel
zurückgegriffen werden muss, die in die Zuständigkeit einer innerstaatlichen Justizbehörde fallen,
einen Gestaltungsspielraum ein (vgl. entsprechend Urteil Nikolaou/Kommission, oben in Randnr. 153
angeführt, Randnr. 264). Bei den Modalitäten der Entscheidung, die Unterrichtung der betroffenen
Beamten hinauszuschieben, verfügt das OLAF indessen über keinerlei Gestaltungsspielraum. Das OLAF
verfügt ebenso wenig über einen Gestaltungsspielraum, wenn es um die Anwendung der
Tatbestandsmerkmale von Art. 4 des Beschlusses 1999/396 geht.
155 Die Tatbestandsmerkmale und Anwendungsmodalitäten dieser Ausnahme sind, wie oben festgestellt,
im vorliegenden Fall nicht beachtet worden, da das OLAF sich nicht auf den Einsatz solcher
Untersuchungsmittel berufen und auch die Zustimmung des Generalsekretärs der Kommission zum
Hinausschieben der zwingend vorgeschriebenen Aufforderung des von der Untersuchung betroffenen
Beamten zur Stellungnahme nicht rechtzeitig erbeten, geschweige denn erlangt hat.
156 Demgemäß hat das OLAF durch Außerachtlassung der ihm obliegenden Unterrichtungspflicht einen
hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm begangen, die dem Einzelnen Rechte
verleiht.
– Unterrichtung der Kommission
157 Die Kläger machen geltend, die Kommission sei von den Übermittlungen der Vorgänge Eurostat an die
luxemburgischen und die französischen Justizbehörden nicht vorab unterrichtet worden. Nach
Auffassung des Gerichts ist dieses Vorbringen so zu verstehen, dass ermittelt werden muss, ob die
Kommission in anderer Weise als im Rahmen der Anwendung von Art. 4 des Beschlusses 1999/396
zwecks Einholung der Zustimmung ihres Generalsekretärs unterrichtet werden musste, was
vorstehend geprüft worden ist.
158 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das OLAF gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 den
Justizbehörden des betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen eingeholten
Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen zu übermitteln hat,
während bei externen Untersuchungen nur eine Befugnis zur Übermittlung besteht. Im vorliegenden
Fall waren die Untersuchungsberichte noch nicht erstellt, so dass die Übermittlung der Vorgänge von
vornherein in der Übermittlung von Informationen, selbst wenn diese die Kläger namentlich nennende
Schlussfolgerungen enthielten, und nicht von Abschlussberichten im Sinne von Art. 9 der Verordnung
Nr. 1073/1999 bestand. Nach Art. 10 Abs. 3 handelt es sich auch bei der Übermittlung von
Informationen, die im Lauf interner Untersuchungen erlangt wurden, an das betreffende Organ um
eine Befugnis. Keine Bestimmung dieses Artikels sieht vor, dass der Übermittlung von Informationen an
die nationalen Justizbehörden eine Unterrichtung des betreffenden Organs vorausgehen oder mit ihr
einhergehen muss.
159 Die Unterrichtung des betroffenen Organs bei internen Untersuchungen erfolgt gemäß Art. 4 Abs. 5
der Verordnung Nr. 1073/1999. Diese Vorschrift sieht aber keine Frist für die Unterrichtung vor. Sie
bestimmt z. B. nicht, dass das betroffene Organ vor der Übermittlung von Informationen an die
nationalen Justizbehörden zu unterrichten ist. Sie enthält ferner eine Ausnahme für den Fall, dass aus
untersuchungstechnischen Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt werden muss. In einem solchen
Fall kann das OLAF die Unterrichtung hinausschieben. Wie sich aus den Akten ergibt, ist das OLAF
zumindest bei dem Vorgang Datashop – Planistat davon ausgegangen, dass es sich um einen Fall der
Wahrung absoluter Geheimhaltung aus untersuchungstechnischen Gründen handele (vgl. den oben in
Randnr. 23 angeführten Vermerk vom 3. April 2003). Zu beachten ist, dass die Entscheidung, ob diese
Ausnahme anzuwenden ist, im Ermessen des OLAF steht.
160 Im vorliegenden Fall war das OLAF nicht verpflichtet, die Kommission vor der Übermittlung der
Informationen an die nationalen Justizbehörden gemäß Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1073/1999 zu
unterrichten.
161 Somit hat das OLAF, als es vor Übermittlung der Informationen an die nationalen Justizbehörden nicht
die Kommission unterrichtete, nicht gegen die Art. 4 und 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 verstoßen.
162 Auf jeden Fall haben die Kläger – vorbehaltlich der im Rahmen der Anwendung von Art. 4 des
Beschlusses 1999/396 angestellten Erwägungen – nicht dargetan, inwiefern die Nichtunterrichtung
der Kommission vor Übermittlung der Informationen an die nationalen Justizbehörden ihre Rechte
verletzt haben soll. Die in der vorstehenden Randnummer angeführten Vorschriften enthalten nämlich
keine Rechtsnormen, die dem Einzelnen Rechte verleihen, deren Beachtung der Gemeinschaftsrichter
sicherzustellen hat.
– Unterrichtung des Überwachungsausschusses des OLAF
163 Die Kläger machen geltend, dass auch der Überwachungsausschuss des OLAF vor Übermittlung der
Informationen an die luxemburgischen und die französischen Justizbehörden nicht unterrichtet worden
sei.
164 Hierzu verweist das Gericht darauf, dass gemäß Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 im
Rahmen der regelmäßigen Kontrolle der Ausübung der Untersuchungstätigkeit durch den
Untersuchungsausschuss „[d]er Direktor [des OLAF] … den Ausschuss über die Fälle [unterrichtet],
die die Übermittlung von Informationen an die Justizbehörden eines Mitgliedstaats erfordern“. Der
Wortlaut dieser Vorschrift macht deutlich, dass die Unterrichtung vor der Übermittlung zu erfolgen hat.
Andernfalls würde sie sich nämlich nicht auf „Fälle, die die Übermittlung von Informationen …
erfordern“, beziehen, weil dieser Ausdruck auf ein künftiges Ereignis abstellt. Dieses Verständnis wird
auch durch die Erklärung des Präsidenten des Überwachungsausschusses des OLAF vor dem House of
Lords Select Committee on the European Union (Sonderausschuss des House of Lords, Vereinigtes
Königreich, für die Europäische Union) vom 19. Mai 2004 bekräftigt, worin dieser bestätigte, dass „das
OLAF die Pflicht hat, den [Überwachungs-]Ausschuss zu unterrichten, bevor es einer Justizbehörde
irgendetwas übermittelt“.
165 Der Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts ist zu entnehmen, dass der
Generaldirektor des OLAF am 25. Oktober 2002 den Überwachungsausschuss von der Übermittlung
der Vorgänge Eurocost und Eurogramme an die luxemburgischen Justizbehörden in Kenntnis setzte,
also nach der am 4. Juli 2002 erfolgten Übermittlung. Desgleichen wurde der Überwachungsausschuss
von der Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden am 24.
März 2003 unterrichtet, d. h. ebenfalls nach der am 19. März 2003 erfolgten Übermittlung.
166 Somit hat das OLAF gegen Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 verstoßen. Allerdings ist
weiter zu prüfen, ob es sich um eine Rechtsnorm handelt, die dem Einzelnen Rechte verleiht, deren
Beachtung der Gemeinschaftsrichter sicherstellt.
167 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zwar der Überwachungsausschuss des OLAF gemäß Art. 11
Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 nicht in den Ablauf der Untersuchungen eingreift, dass er aber
gemäß Art. 2 seiner Geschäftsordnung „darüber [wacht], dass die Tätigkeiten des OLAF unter
uneingeschränkter Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie gemäß den Verträgen
und dem daraus abgeleiteten Recht und insbesondere gemäß dem Protokoll über die Vorrechte und
Befreiungen und dem Beamtenstatut durchgeführt werden“.
168 Dieser Ausschuss hat somit die Aufgabe, die Rechte der Personen zu schützen, die von
Untersuchungen des OLAF betroffen sind. Unbestreitbar soll somit das Erfordernis, diesen Ausschuss
vor der Übermittlung von Informationen an nationale Justizbehörden zu befassen, den Betroffenen
Rechte verleihen.
169 Mithin ist davon auszugehen, dass das OLAF mit dem Verstoß gegen Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr.
1073/1999 eine Rechtsnorm verletzt hat, die dem Einzelnen Rechte verleiht.
170 Da außerdem Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 bestimmt, dass eine nicht an
Bedingungen geknüpfte Verpflichtung zur Unterrichtung des Überwachungsausschusses besteht und
keinerlei Gestaltungsspielraum lässt, handelt es sich um einen hinreichend qualifizierten Verstoß.
Einflussnahme auf die nationalen Justizbehörden
171 Die Kläger machen geltend, das OLAF habe den französischen Justizbehörden „die Richtung
vorgegeben“, indem es Tatsachen, die es in der Sache Eurostat festgestellt zu haben glaubte, bereits
als strafrechtlich relevant qualifiziert habe, was seiner Aufgabe der Durchführung von
Verwaltungsuntersuchungen zuwiderlaufe.
172 Das Gericht verweist darauf, dass die Verfahrensweise der nationalen Behörden auf die Übermittlung
von Informationen durch das OLAF hin allein und vollständig in ihren Verantwortungsbereich fällt. Somit
haben diese Behörden selbst zu prüfen, ob solche Informationen eine strafrechtliche Verfolgung
rechtfertigen oder erforderlich machen. Folglich muss der Rechtsschutz vor solcher Verfolgung auf
nationaler Ebene mit allen innerstaatlich vorgesehenen Garantien einschließlich derjenigen
sichergestellt werden, die sich aus den Grundrechten ergeben, die als integraler Bestandteil der
allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts auch von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung
einer Gemeinschaftsregelung beachtet werden müssen (Urteile des Gerichtshofs vom 13. Juli 1989,
Wachauf, 5/88, Slg. 1989, 2609, Randnr. 19, und vom 10. Juli 2003, Booker Aquaculture und Hydro
Seafood, C‑20/00 und C‑64/00, Slg. 2003, I‑7411, Randnr. 88, und Beschluss des Präsidenten des
Gerichtshofs vom 19. April 2005, Tillack/Kommission, C‑521/04 P[R], Slg. 2005, I‑3103, Randnr. 38).
173 Demnach geht das Vorbringen, mit dem die Kläger die Beeinflussung der nationalen Justizbehörden
rügen, ins Leere.
2. Zur Preisgabe von Informationen durch das OLAF
a) Vorbringen der Parteien
174 Die Kläger werfen dem OLAF vor, gegen die u. a. in den Art. 8 und 12 der Verordnung Nr. 1073/1999
verankerte Pflicht zur Vertraulichkeit, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und den
Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen zu haben. Zum einen seien nämlich bei der
Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden Indiskretionen
vorgekommen. Sie hätten im Mai 2003 aus der Presse von den gegen sie gerichteten
Anschuldigungen und der Einschaltung der französischen Justizbehörden erfahren.
175 Zum anderen seien diese Indiskretionen fortgesetzt worden. Sie beruhten auf Anhaltspunkten, die
entweder dem Bericht und den den nationalen Justizbehörden übermittelten Angaben oder unmittelbar
den Unterredungen entnommen seien, die die Kläger zwischen dem 23. Juni und dem 4. Juli 2003 mit
den Ermittlern des OLAF geführt hätten. Ihre Herkunft sei daher deutlich belegt. Die Äußerungen vor
den Ermittlern des OLAF seien am nächsten Tag oder einige Tage später nahezu Wort für Wort in der
Presse abgedruckt worden.
176 Die Übermittlung der „Zusammenfassung der bislang abgeschlossenen Sachen Eurostat“ an den
Präsidenten der Kommission am 24. September 2003 durch das OLAF stelle ebenfalls eine Verletzung
der Pflicht zur Vertraulichkeit dar. Dieses Dokument sei den Klägern nicht übermittelt worden, und der
Generaldirektor des OLAF hätte wissen müssen, dass der Präsident der Kommission es am nächsten
Tag öffentlich verwenden werde und dass es am Vortag öffentlich im Parlament verbreitet worden sei.
177 Ferner habe das OLAF die Kläger öffentlich – u. a. durch Indiskretionen gegenüber der Presse –
mehrerer Straftaten bezichtigt, was zur Annahme ihrer Täterschaft geführt und der Würdigung des
Sachverhalts durch das französische Gericht vorgegriffen habe, und dadurch gegen den Grundsatz der
Unschuldsvermutung verstoßen. Der Generaldirektor des OLAF habe in der Presse und vor der Cocobu
Erklärungen in dem Sinne abgegeben, dass der Vorgang schwerwiegend und ernsthaft sei, und damit
ein Urteil über die Sache abgegeben, obwohl die Untersuchungen noch angedauert hätten. Mithin
habe das OLAF auch die Pflicht zur Vertraulichkeit missachtet.
178 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen und stellt fest, es sei deren Sache, die
Richtigkeit der gegen das OLAF gerichteten Vorwürfe oder schwer rufschädigenden Beschuldigung zu
beweisen.
179 Zur Übermittlung der „Zusammenfassung der bislang abgeschlossenen Sachen Eurostat“ vom 24.
September 2003 verweist die Kommission auf Art. 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 und führt aus,
dass das OLAF, selbst wenn es sich um eine externe Untersuchung gehandelt haben sollte, diese
Informationen auch der Kommission hätte übermitteln dürfen, weil diese wegen des Schutzes der
finanziellen Interessen der Gemeinschaft betroffen gewesen sei.
180 Die Kommission hält schließlich die Rüge der Missachtung der Unschuldsvermutung für vollkommen
unberechtigt. Das OLAF könne nämlich keine gerichtliche oder disziplinarische Maßnahme gegenüber
den Klägern ergreifen, da es weder ein Justiz- noch ein Disziplinarorgan sei. Selbst wenn ein Verstoß
gegen die Unschuldsvermutung auch von anderen öffentlichen Stellen ausgehen könne, hätten die
Kläger nicht belegt, unter welchen Umständen das OLAF sie öffentlich einer Reihe von Straftaten
bezichtigt haben solle.
b) Würdigung durch das Gericht
Zu den Indiskretionen
181 Den Klägern zufolge ist es zum einen bei der Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die
französischen Justizbehörden zu Indiskretionen gekommen. Zum anderen sollen diese Indiskretionen
angehalten haben.
182 Nach der Rechtsprechung hat im Rahmen einer Schadensersatzklage der Kläger zu beweisen, dass
die Voraussetzungen für eine außervertragliche Haftung der Gemeinschaft gemäß Art. 288 Abs. 2 EG
erfüllt sind (Urteile des Gerichts vom 19. März 2003, Innova Privat-Akademie/Kommission, T‑273/01, Slg.
2003, II‑1093, Randnr. 23, und vom 17. Dezember 2003, DLD Trading/Rat, T‑146/01, Slg. 2003, II‑6005,
Randnr. 71). Daher könnte eine solche Veröffentlichung, sofern die Kläger im vorliegenden Fall nicht
nachgewiesen hätten, dass die Veröffentlichung von Informationen über die ihnen geltende
Untersuchung dem OLAF zuzurechnen ist, diesem grundsätzlich nicht vorgeworfen werden (vgl. in
diesem Sinne Urteil Nikolaou/Kommission, oben in Randnr. 153 angeführt, Randnr. 141).
183 Diese Regel erfährt indessen eine Abmilderung, wenn ein schädigendes Ereignis auf mehrere
verschiedene Ursachen zurückgeführt werden kann und das Gemeinschaftsorgan keinen Beweis dafür
beigebracht hat, welcher dieser Ursachen das Ereignis zuzuschreiben ist, obwohl das Organ am
besten in der Lage gewesen wäre, Beweise hierfür vorzulegen, so dass diese Unsicherheit zu seinen
Lasten gehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 1986, Leussink-
Brummelhuis/Kommission, 169/83 und 136/84, Slg. 1986, 2801, Randnrn. 16 und 17). Diesem Ansatz
ist auch bei der Prüfung zu folgen, ob die Kläger bewiesen haben, dass bestimmte Informationen vom
OLAF oder einem seiner Bediensteten preisgegeben wurden, unbeschadet, in diesem Stadium der
Prüfung durch das Gericht, der Frage, ob die etwaigen Preisgaben durch das OLAF rechtswidrige
Handlungen waren (vgl. in diesem Sinne Urteil Nikolaou/Kommission, oben in Randnr. 153 angeführt,
Randnr. 142).
– Zum Vorliegen und zum Inhalt der Indiskretionen
184 Das Vorliegen von Indiskretionen ist im vorliegenden Fall als offenkundig anzusehen. Die Kommission
hat nämlich in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass „eine Unterrichtung der
nationalen Justizbehörden erfolgt ist, dass es sicherlich zum einen oder anderen Zeitpunkt
Indiskretionen gab, so dass die Sache einige Wochen später in die Presse gelangte“. Trotz dieses
allgemeinen Eingeständnisses des Vorliegens von Indiskretionen besteht die Kommission darauf, dass
es Sache der Kläger sei, zu beweisen, dass Indiskretionen vom OLAF ausgegangen seien. Die Kläger
wiederum räumen ein, dass sie kein schriftliches Beweismaterial dafür besitzen, dass diese oder jene
Person für die Indiskretionen verantwortlich sei, sondern nur ein Bündel von Indizien und Vermutungen,
die belegen sollen, dass diese aus dem OLAF stammten.
185 Hierzu ist festzustellen, dass das Wortprotokoll der Äußerung des Generalsekretärs der Kommission
vor dem Überwachungsausschuss des OLAF vom 3. September 2003 das Vorliegen von Indiskretionen
festhält. In diesem Wortprotokoll, dessen Entfernung aus den Akten die Kommission verlangt hatte,
belegt eine Passage das Vorliegen von Schwierigkeiten; sie lautet:
„Zur Frage der Anhörungen der Personen, da bin ich ganz einverstanden, das ist ein wirkliches
Problem. Alles kann gehen, solange die Vertraulichkeit gewahrt bleibt. Wenn wirklich Vertraulichkeit
herrscht, wird ein vom OLAF vorbereiteter Vorgang einer Staatsanwaltschaft übermittelt, und die hat
dann zu entscheiden, ob die Leute zu vernehmen sind oder nicht. Das alles ist in Ordnung, solange
keine Indiskretionen vorkommen. Unglücklicherweise sickert beim OLAF augenblicklich alles durch.
Also, die sogenannte Vertraulichkeit – ich bin nun [Herr Franchet oder Herr Byk], ich [lese] in der
, dass ich beschuldigt werde, Gemeinschaftsmittel geplündert zu haben. Mit Verlaub,
aber Ihr Ruf ist zerstört. Da hilft nichts, selbst wenn später eine vollkommene Entlastung folgt, diese
Leute sind erledigt, beruflich und sogar persönlich. Das ist eine ernste Geschichte, das alles. Man
spielt mit der Karriere, dem Privatleben, der Integrität der Personen. Meines Erachtens muss man
daher, solange Indiskretionen nicht ausgeschlossen werden, sehr vorsichtig sein mit dem, was man
schreibt und was man sagt; man sollte eher Zurückhaltung üben.“
186 Ferner heißt es im Vermerk des Sekretariats des Überwachungsausschusses des OLAF für dessen
Präsidenten vom 27. Mai 2003:
„Mehrere Artikel in der deutschen und dann der französischen Presse haben von der Übermittlung von
Informationen des OLAF an den Leiter der Anklagebehörde in Paris berichtet.
Die Indiskretionen in der deutschen Presse scheinen ganz synchron gelaufen zu sein, zum einen mit
Reisen bestimmter Verantwortlicher des OLAF nach Deutschland und zum anderen mit den
Feierlichkeiten zum [50.] Jubiläum von Eurostat.
Der beigefügte Artikel aus der Zeitung vom 22. Mai 2003 ist anscheinend ausschließlich auf
der Grundlage der Übermittlung des OLAF an den Leiter der Anklagebehörde in Paris geschrieben
worden. Der Artikel stammt von zwei in Brüssel tätigen Journalisten, was vermuten lässt, dass die
Indiskretion ihren Ursprung in Brüssel und nicht in Paris hat.“
187 Ebenso heißt es in dem auf Ersuchen des Parlaments erstellten Bericht des
Überwachungsausschusses des OLAF vom 15. Januar 2004 zu Verfahrensfragen aufgrund der in Bezug
auf Eurostat eingeleiteten Untersuchungen:
„Der Ablauf dieses Verfahrens war davon geprägt, dass das OLAF an die Presse und die Organe
absichtlich oder unabsichtlich Informationen und Erklärungen übermittelte, die, da sie die
Individualrechte der von der Untersuchung betroffenen Personen, aber auch den ordnungsgemäßen
Ablauf der Untersuchung berührten, hätten vertraulich behandelt werden müssen.“
188 Auch aus dem Vermerk vom 1. Juli 2003 (siehe oben, Randnr. 34) ergibt sich, dass die Indiskretionen
für den Generaldirektor des OLAF feststanden, da er angab: „Wegen der Indiskretionen läuft eine
Untersuchung des Sicherheitsdienstes der Kommission.“
189 Unter diesen Umständen ist das Vorliegen von Indiskretionen bereits aufgrund der vorstehend
angeführten Dokumente hinreichend bewiesen.
190 In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts legen die Kläger dar, dass die Informationen
und Begriffe, die in dem Schreiben und dem Vermerk des OLAF vom 19. März 2003 enthalten seien,
einer ersten Reihe von Artikeln oder öffentlichen Stellungnahmen in den Medien oder von
europäischen Abgeordneten zugrunde lägen, die eindeutig Zugang zu diesen Dokumenten gehabt
hätten. Sie führen hierfür mehrere Presseartikel an.
191 In ihren Erklärungen zur Antwort der Kläger bestreitet die Kommission, dass die vorgelegten
Presseartikel Indiskretionen insbesondere durch das OLAF belegten; es handele sich um eine
unbewiesene Behauptung. Nichts in diesen Artikeln lasse die Annahme zu, dass das OLAF
Indiskretionen begangen habe, die sich auf die Übermittlung vom 19. März 2003 an die französischen
Justizbehörden oder auf irgendein anderes Ereignis bezögen.
192 Das Gericht stellt insoweit fest, dass die von den Klägern vorgelegten Presseartikel das Vorliegen von
Indiskretionen bestätigen. Sie enthalten Bezugnahmen insbesondere auf eine „wohlinformierte Quelle“
und unmittelbare Zitate aus dem Schreiben und dem Vermerk vom 19. März 2003, die den
französischen Justizbehörden übersandt wurden.
193 Für eine eingehendere Prüfung des Inhalts der Indiskretionen müssen einige dieser Artikel
ausgewertet werden.
194 In einem Artikel der vom 26. April 2003 heißt es:
„Es soll ein Tag zum Feiern sein. Am 16. Mai wird die Europäische Statistikbehörde 50 Jahre alt. …
Allerdings könnte es sein, dass die Feier weniger glanzvoll ausfällt als geplant. Kurz vor dem großen
Jubiläum gerät die Führung von Eurostat schwer unter Druck. Nach Informationen der
erheben interne Prüfer heftige Vorwürfe. Von ‚caisses noires‘ ist die Rede, von schwarzen
Kassen, in denen Einnahmen der EU‑finanzierten Behörde versickerten. Die europäische
Anti‑Betrugs‑Einheit OLAF ermittelt seit Monaten auf Hochtouren.
… Spätestens von 1999 an sollen mindestens 900 000 Euro Einnahmen aus diesen ‚Data-Shops‘ an
den Kassenbüchern vorbeigeschleust worden sein. Gehegt wird der Verdacht, dass Spitzenbeamte
Geld aus den schwarzen Kassen für sich abgezweigt haben könnten.
Noch ist zu wenig über die Einzelheiten bekannt. Für alle Beteiligten gilt ohnehin die
Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen ist. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, handelt es
sich allerdings um einen besonders dreisten Betrug. …
Die Verdachtsmomente richten sich dabei stets auch an die Führungsebene, die der Franzose Yves
Franchet leitet. Franchet gehörte zu den Gründern der Gesellschaft Eurocost, die lange Zeit
Finanzhilfen von der Statistikbehörde bekam. Wie das EU‑Parlament im März feststellte, wird Eurocost
unter anderem Bilanzmanipulation zur Last gelegt. …
Mit dem neuen Vorwurf schwarzer Kassen könnte der Fall Eurostat eine ganz andere Dynamik
bekommen. ‚Wenn sich dieser ungeheuerliche Verdacht bestätigt, wäre das eine neue Dimension‘,
findet die Europaparlamentarierin S. …“
195 Am 16. Mai 2003 erschien in der ein Artikel, in dem es heißt:
„Die Staatsanwaltschaft in Frankreich hat ein Untersuchungsverfahren wegen Vorwürfen eines ‚groß
angelegten Vorhabens zur Plünderung‘ von Geldern der Europäischen Union eingeleitet, in das die
beiden wichtigsten Führungskräfte von Eurostat verwickelt sein sollen …
Die Ankündigung einer strafrechtlichen Untersuchung platzte mitten hinein in die fünf Tage zur Feier
des 50. Jahrestags von Eurostat.
Im Augenblick handelt es sich um eine Voruntersuchung gegen X beim Tribunal de grande instance
von Paris. Sie ist im Gefolge einer Untersuchung des OLAF … gegen zwei hohe französische Beamte,
Yves Franchet, seit langem Generaldirektor von Eurostat, und Daniel Byk, Direktor einer der sechs
Direktionen von Eurostat, auf den Weg gebracht worden.
Nach dem den französischen Behörden am 1[9]. März von OLAF übermittelten Vorgang werden die
beiden Männer verdächtigt, bei einer Depositenbank in Luxemburg ein Konto eröffnet zu haben, auf
dem bis zu 900 000 Euro aus Mitteln angesammelt wurden, die für Eurostat bestimmt waren.
…“
196 In einem anderen Artikel desselben Journalisten in Brüssel ist die Rede von einer „strafrechtlichen
Untersuchung der Staatsanwaltschaft in Frankreich aufgrund von Verdachtsmomenten gegen Yves
Franchet, den Generaldirektor, und Daniel Byk, einen der Direktoren des Organs“, die beide
verdächtigt würden, „in die Eröffnung eines Bankkontos bei einer Depositenbank in Luxemburg
verwickelt zu sein, das der Überwachung durch die Finanzprüfer entgangen war“. Dieser Artikel bezieht
sich auch auf die Vorgänge Eurocost, Eurogramme und CESD Communautaire.
197 Ferner hat sich nach einem Artikel in vom 16. Mai 2003 „nach einer
gründlichen Untersuchung laut einer wohlinformierten Quelle [herausgestellt], dass diese Affäre doch
wesentlich weiter fortgeschritten ist“ und dass „bewiesen ist, dass der Generaldirektor des [OLAF] in
einem Schreiben vom 19. März 2003 an den Leiter der Anklagebehörde beim Tribunal de grande
instance von Paris von der Entdeckung ‚möglicherweise strafrechtlich zu ahndender betrügerischer
Machenschaften zum Nachteil des Gemeinschaftshaushalts‘ gesprochen hat“. Dieser Artikel enthält
wörtliche Zitate aus dem Schreiben und dem Vermerk vom 19. März 2003, die den französischen
Justizbehörden übermittelt wurden.
198 Folglich ist diesen Artikeln zu entnehmen, dass die Presse mit großer Wahrscheinlichkeit im Besitz
bestimmter Informationen über die Übermittlung von Informationen an die französischen
Justizbehörden war. In diesen Artikeln ist von „schwarzen Kassen“ die Rede, und die Kläger werden
namentlich als diejenigen bezeichnet, die dieses System ganz oder teilweise eingerichtet haben
könnten.
199 Außerdem übersandte Herr Franchet am 14. Mai 2003 dem Generalsekretär der Kommission einen
199 Außerdem übersandte Herr Franchet am 14. Mai 2003 dem Generalsekretär der Kommission einen
anonymen Brief, den er erhalten hatte und der seiner Meinung nach an eine luxemburgische Zeitung
gerichtet war. Dieser anonyme Brief mit dem Betreff „50. Jahrestag von Eurostat“ enthält Auszüge aus
dem Schreiben und dem Vermerk vom 19. März 2003, die den französischen Justizbehörden übermittelt
worden waren, und nennt ausdrücklich die Namen der Kläger. Weiter ist festzustellen, dass diese
Auszüge die gleichen sind wie die in dem oben in Randnr. 197 angeführten Artikel in
.
200 Im Übrigen ergibt sich aus einer Erklärung vom 16. Mai 2003 zu Eurostat, die durch eine
Pressemitteilung vom 19. Mai 2003 (IP/03/709) verbreitet und von den Klägern in Beantwortung einer
schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegt worden ist, dass die Kommission „bedauert, dass es im
Zusammenhang mit dieser Untersuchung des OLAF zu einem Bruch der Schweigepflicht gekommen ist,
der zu einer schwierigen Situation, vor allem für die in den Medien namentlich genannten
Bediensteten, aber auch für die Kommission führt, die nicht in der Lage ist, über geeignete
Folgemaßnahmen zu beschließen, solange ihr keine präzisen Informationen über die Untersuchung
des OLAF vorliegen“. Sie stellte dort fest, dass „[i]n den Medien über angebliche Unregelmäßigkeiten
bei den Eurostat-Datashops berichtet wird, in die möglicherweise auch [bestimmte] Bedienstete
verwickelt sind“, und dass „diese Behauptungen zurzeit Gegenstand einer Untersuchung durch das
OLAF sind, das im Zusammenhang mit einigen Aspekten des Falls eine Akte an die französische
Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat“.
201 Aufgrund aller dieser Dokumente steht somit fest, dass es allgemein zu Indiskretionen gekommen ist
und dass die Kläger die Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen
Justizbehörden aus der Presse erfahren haben, was die Kommission nicht bestreitet.
202 Zur Verantwortlichkeit des OLAF für diese Indiskretionen hat die Kommission in Beantwortung einer
Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, da die den französischen
Justizbehörden übermittelten Informationen dem Überwachungsausschuss des OLAF und ihrem
Juristischen Dienst mitgeteilt worden seien, bevor sie in der Presse erschienen seien, stehe nicht mit
Sicherheit fest, dass die Indiskretionen nur aus dem OLAF stammen könnten. Insoweit genügt die
Feststellung, dass eine etwaige Indiskretion seitens des Überwachungsausschusses des OLAF dem
OLAF zuzurechnen wäre und dass auf jeden Fall die Kommission auch dann verantwortlich wäre, wenn
die Indiskretionen aus ihrem Juristischen Dienst stammen sollten.
203 Unter diesen Umständen hindert, zumal die Kommission sich nicht einmal auf die Möglichkeit berufen
hat, dass die Indiskretionen einen nichtgemeinschaftlichen Ursprung wie etwa die französischen
Justizbehörden haben könnten, der Umstand, dass die Information dieser nichtgemeinschaftlichen
Behörde bekannt sein konnte, nicht die Annahme, dass der Ursprung dieser Information das OLAF
oder eine andere der Gemeinschaft zuzurechnende Quelle war.
204 Somit ist das Vorliegen von Indiskretionen bezüglich der Übermittlung des Vorgangs
Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden als bewiesen anzusehen. Da alle Indizien in
den Akten sowie deren Kontext (vgl. die vorstehende Analyse der einzelnen Dokumente) dafür
sprechen, dass Ursprung der Indiskretionen das OLAF ist, und Indizien dafür fehlen, dass ihr Ursprung
eher der Juristische Dienst der Kommission sein könnte, ist außerdem zu vermuten, dass diese
Indiskretionen gerade vom OLAF ausgingen.
205 Was die behaupteten Indiskretionen bezüglich der von den Klägern zwischen dem 23. Juni und dem 4.
Juli 2003 mit den Ermittlern des OLAF geführten Unterredungen oder bezüglich der Berichte betrifft, so
gehen aus den vorstehend untersuchten Dokumenten Indiskretionen bezüglich dieser Unterredungen
und Berichte nicht implizit hervor. Die Kläger haben dies auch mit Hilfe der von ihnen vorgelegten
Presseartikel nicht zu beweisen vermocht. Das Vorliegen dieser etwaigen Indiskretionen ist daher nicht
hinreichend nachgewiesen.
206 Demgemäß ist festzustellen, dass das OLAF mangels jedes von der Kommission vorgelegten Beweises
dafür, dass die Indiskretionen einen anderen Ursprung hätten haben können, für die Indiskretionen
bezüglich der in dem Schreiben und dem Vermerk vom 19. März 2003 über die Übermittlung des
Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden enthaltenen Informationen sowie
dafür verantwortlich ist, dass sich diese Informationen im Anschluss an diese Indiskretion in der Presse
wieder gefunden haben.
207 Somit ist zu prüfen, ob das OLAF eine Rechtsnorm verletzt hat, die dem Einzelnen Rechte verleiht.
– Analyse der Frage, ob die Preisgabe von Informationen durch das OLAF zur Verletzung von
Rechtsnormen geführt haben kann, die dem Einzelnen Rechte verleihen
208 Die Kläger rügen insbesondere eine Verletzung der Pflicht zur Vertraulichkeit der Untersuchungen des
OLAF, eine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung und eine Verletzung des
Grundsatzes der Unschuldsvermutung.
209 Der Grundsatz der Unschuldsvermutung, der ein in Art. 6 Abs. 2 der EMRK und in Art. 48 Abs. 1 der
Charta verankertes Grundrecht darstellt, verleiht dem Einzelnen Rechte, deren Achtung der
Gemeinschaftsrichter gewährleistet (Urteil des Gerichts vom 4. Oktober 2006, Tillack/Kommission,
T‑193/04, Slg. 2006, II‑3995, Randnr. 121).
210 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gilt Art. 6
Abs. 2 EMRK unabhängig vom Ausgang der Strafverfolgung für das gesamte Strafverfahren und nicht
allein für die Prüfung der Begründetheit der Anschuldigung. Diese Vorschrift gewährleistet jedermann,
nicht als Straftäter bezeichnet oder behandelt zu werden, bevor nicht seine Schuld rechtsförmlich
nachgewiesen ist. Sie verlangt daher insbesondere, dass die Mitglieder eines Gerichts bei der
Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht von der vorgefassten Meinung ausgehen, dass der Beschuldigte
die Straftat begangen hat. Die Unschuldsvermutung wird durch Erklärungen oder Entscheidungen
verletzt, die das Gefühl vermitteln, dass sich der Betreffende einer Straftat schuldig gemacht habe, die
Öffentlichkeit dazu verleiten, ihn für schuldig zu halten, oder der Würdigung des Sachverhalts durch
das zuständige Gericht vorgreifen (vgl. EGMR, Urteil vom 21. September 2006, Pandy gegen Belgien,
§§ 41‑42).
211 Der EGMR hat ferner entschieden, dass der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Grundsatz der
Unschuldsvermutung zwar zu den Elementen des in Art. 6 Abs. 1 EMRK geforderten fairen Verfahrens
gehöre, sich jedoch nicht auf eine Verfahrensgarantie in Strafsachen beschränke; seine Bedeutung
gehe weiter und verlange, dass kein Vertreter des Staates jemand als einer Straftat schuldig
bezeichne, bevor nicht seine Schuld von einem Gericht festgestellt worden sei (EGMR, Urteil vom 28.
Oktober 2004, Y. B. u. a. gegen Türkei, § 43). Der EGMR hat nämlich bereits in seinem von den Klägern
angeführten Urteil Allenet de Ribemont gegen Frankreich vom 10. Februar 1995 (Serie A Nr. 308,
§§ 35‑36) unter Hinweis darauf, dass die EMRK so auszulegen sei, dass konkrete und effektive, nicht
theoretische und illusorische Rechte gewährleistet würden, die Auffassung vertreten, dass eine
Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung nicht nur von einem Richter oder Gericht ausgehen könne,
sondern auch von anderen Trägern öffentlicher Gewalt. Der EGMR hat hierbei die Bedeutung der
Wortwahl der Staatsvertreter bei den Erklärungen unterstrichen, die sie abgeben, bevor eine Person
verurteilt und einer Straftat für schuldig befunden worden ist. Bei der Anwendung von Art. 6 Abs. 2
EMRK sei der wirkliche Sinn der betreffenden Erklärungen und nicht ihre sprachliche Form
entscheidend. Die Frage, ob die Erklärung eines Trägers öffentlicher Gewalt eine Verletzung des
Grundsatzes der Unschuldsvermutung darstelle, müsse jedoch im Kontext der besonderen Umstände
beantwortet werden, unter denen die streitige Erklärung formuliert worden sei (Urteil Y. B. u. a. gegen
Türkei, § 44).
212 Ferner erkennt der EGMR an, dass Art. 6 Abs. 2 EMRK im Hinblick auf Art. 10 EMRK, der die
Meinungsfreiheit garantiert, die Behörden nicht daran hindern kann, die Öffentlichkeit über laufende
Strafverfahren zu unterrichten, aber verlangt, dass sie dies mit aller Diskretion und Zurückhaltung tun,
die die Achtung der Unschuldsvermutung gebietet (Urteile Allenet de Ribemont gegen Frankreich,
oben in Randnr. 211 angeführt, § 38, und Y. B. u. a. gegen Türkei, oben in Randnr. 211 angeführt,
§ 47).
213 Dieser Grundsatz schlägt sich in der Pflicht zur Vertraulichkeit nieder, die dem OLAF gemäß Art. 8
Abs. 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 obliegt.
214 Ebenso ist entschieden worden, dass die Verwaltung aufgrund ihrer Fürsorgepflicht und dem
Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung zum einen keine Informationen über ein
Disziplinarverfahren an die Presse geben darf, die dem Beamten, gegen den dieses Verfahren
eingeleitet wurde, Schaden zufügen könnten, und zum anderen alle erforderlichen Maßnahmen
ergreifen muss, um innerhalb des Organs jeder Verbreitung von Informationen vorzubeugen, durch die
der Beamte verleumdet werden könnte (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 12.
Dezember 1995, Connolly/Kommission, T‑203/95 R, Slg. 1995, II‑2919, Randnr. 35).
215 Im vorliegenden Fall machen die Kläger geltend, dass das OLAF sie öffentlich –auch durch
Indiskretionen in der Presse – einer Reihe von Straftaten bezichtigt habe, was an ihre Schuld habe
glauben lassen und der Beurteilung des Sachverhalts durch die französischen Gerichte vorgegriffen
habe; damit sei gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen worden.
216 So wird z. B. in dem Presseartikel vom 16. Mai 2003 in der (oben in Randnr. 195
angeführt) anhand von Informationen, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus Indiskretionen des OLAF
stammten, klar gesagt, dass die Kläger eines „groß angelegten Vorhabens zur Plünderung von
Gemeinschaftsmitteln“ verdächtig seien. Es liegt auf der Hand, dass diese Aussage den Grundsatz der
Unschuldsvermutung verletzt, weil sie das Gefühl vermittelt, dass die Kläger schuldig seien, und die
Öffentlichkeit an ihre Schuld glauben lässt.
217 Dadurch, dass das OLAF Informationen durchsickern ließ, die selbst schon eine solche Aussage
enthielten, hat es somit den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt. Mit diesen Indiskretionen hat
es zugleich das Untersuchungsgeheimnis verletzt und durch die Herbeiführung der Verbreitung
sensibler Punkte der Untersuchungen in der Presse die Interessen einer ordnungsgemäßen
Verwaltung beeinträchtigt, weil es der breiten Öffentlichkeit während des Untersuchungsverfahrens
Zugang zu vertraulichen Informationen der Verwaltung verschaffte.
218 Der Grundsatz der Unschuldsvermutung verleiht, wie vorstehend bereits festgestellt, dem Einzelnen
Rechte. Auch die Pflicht zur Vertraulichkeit verleiht dem Einzelnen, der von einem Verfahren des OLAF
betroffen ist, Rechte, weil er erwarten darf, dass ihn betreffende Untersuchungen unter Achtung
seiner Grundrechte durchgeführt werden. Gleichermaßen dürfen sich die Kläger im vorliegenden Fall
auf den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung berufen, der das Recht umfasst, seine
Angelegenheiten unter Wahrung der Vertraulichkeit behandelt zu sehen.
219 Es handelt sich auch um hinreichend qualifizierte Verletzungen dieser Rechtsnormen, weil es Sache
des OLAF ist, darauf zu achten, dass solche Indiskretionen, die die Grundrechte der betroffenen
Personen – wie etwa die Unschuldsvermutung – verletzen, nicht vorkommen, da die Verwaltung bei der
Einhaltung dieser Pflicht über keinerlei Gestaltungsspielraum verfügt.
Zur Übermittlung vom 24. September 2003
220 Die Kläger machen geltend, dass das OLAF die Pflicht zur Vertraulichkeit dadurch verletzt habe, dass
es dem Präsidenten der Kommission am 24. September 2003 die „Zusammenfassung der bislang
abgeschlossenen Sachen Eurostat“ übermittelt habe.
221 Diese Zusammenfassung wurde dem Präsidenten der Kommission vom Generaldirektor des OLAF
übermittelt. Nach dem Übermittlungsvermerk handelte es sich um „eine kurze Zusammenfassung der
bislang abgeschlossenen Sachen Eurostat, die Gegenstand einer etwaigen Verbreitung sein
könnten“. Ferner stellte der Generaldirektor klar, dass „dieser zusammenfassende Vermerk in keiner
Weise als abschließender Untersuchungsbericht im Sinne der Verordnung Nr. 1073/1999 … betrachtet
werden kann“. Schließlich führte er aus: „Dieses allgemein gehaltene Arbeitsdokument hat lediglich
den Zweck, die wichtigsten Schlussfolgerungen, die sich aus den bisher durchgeführten
Untersuchungen ergaben, deutlich zu machen.“ Die Zusammenfassung selbst gibt für jeden Vorgang
(Eurocost, Eurogramme, Datashop, Planistat und CESD Communautaire) den Gegenstand der
Untersuchung sowie deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen wieder.
222 Hierzu genügt der Hinweis, dass das OLAF gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1073/1999 dem
betreffenden Organ jederzeit Informationen übermitteln kann, die es im Laufe interner
Untersuchungen erlangt hat. Zudem liegt ein gewisser Widerspruch im Vorbringen der Kläger, weil sie
dem OLAF einerseits vorwerfen, bestimmte Informationen nicht der Kommission weitergegeben zu
haben, und andererseits rügen, dies bei anderen Informationen getan zu haben. Außerdem wurden
die Kläger zu diesen Vorgängen bereits im Juni und Juli 2003 angehört und können somit nicht geltend
machen, vor dieser Übermittlung nicht angehört worden zu sein.
223 Auf jeden Fall kann das OLAF, da es berechtigt war, dieses Dokument der Kommission zu übermitteln,
nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass der Präsident der Kommission das Dokument
möglicherweise öffentlich verwendet hat und dass es im Parlament öffentlich verbreitet worden sein
soll. Bei der späteren Würdigung eines etwaigen rechtswidrigen Verhaltens der Kommission wird dieser
Aspekt noch näher zu untersuchen sein.
Zu den Stellungnahmen des Generaldirektors des OLAF
224 Die Kläger machen geltend, dass der Generaldirektor des OLAF zu dem Vorgang Stellung bezogen
habe, indem er ihn sowohl in der Presse als auch bei seinen Erklärungen vor der Cocobu als
schwerwiegend und ernsthaft bezeichnet habe.
225 Zu den Erklärungen, die der Generaldirektor des OLAF in der Presse abgegeben haben soll, stellt das
Gericht fest, dass die Kläger hierfür keinen Beweis erbringen. Darüber hinaus haben sie nicht
schlüssig dargetan, inwiefern die Äußerung des Generaldirektors des OLAF während eines
Fernsehinterviews am 30. Juni 2003, die Sache Eurostat sei eine „schwerwiegende Angelegenheit“, die
Vertraulichkeit des Vorgangs beeinträchtigt haben soll. Die Kläger bringen jedenfalls nichts vor, das es
erlauben würde, den Inhalt dieser Erklärungen im Fernsehen nachzuprüfen.
226 Auch für die Erklärungen des Generaldirektors des OLAF vor der Cocobu am 30. Juni und 16. Juli 2003
haben die Kläger nicht belegt, wieso dessen Einstufung des Vorgangs Eurostat als „nicht normal“ und
„nicht klassisch“ die Vertraulichkeit des Verfahrens beeinträchtigt haben soll.
227 Die Kläger berufen sich insoweit aber auch auf eine Verletzung des Grundsatzes der
Unschuldsvermutung.
228 Insoweit ist zu prüfen, wie sich der Generaldirektor des OLAF gegenüber der Cocobu äußerte. Nach
dem Vermerk vom 1. Juli 2003 stellte er bei seiner Äußerung vor der Cocobu am 30. Juni 2003 fest,
dass „das OLAF die interne Untersuchung fortsetzen und die Herren Franchet und Byk anhören [wird],
wobei die Untersuchung nicht bis Ende Juni abgeschlossen werden kann“. Er führte ferner aus, dass
er zu der „Frage, warum keine Disziplinarmaßnahmen wie die Beurlaubung angeordnet worden sind,
auf das Zögern des OLAF hingewiesen, vor allem aber betont [hat], dass das OLAF die interne
Untersuchung nicht durch frühes Läuten der Alarmglocken kompromittieren wollte“. Er erklärte zudem,
dass „die Herren Franchet und Byk zu keinem Zeitpunkt versucht haben, der Untersuchung eine
andere Richtung zu geben“. Bei seiner Äußerung vor der Cocobu am 16. Juli 2003 betonte der
Generaldirektor des OLAF, dass „es ganz ungewöhnlich ist, dass ein Generaldirektor impliziert ist“, und
dass „zu Beginn dieser Umstand nicht erkennbar war“. Er fügte hinzu, dass „ein Auditbericht nicht
notwendig bedeutet, dass etwas bewiesen ist“. Er stellte überdies fest, dass Herr Franchet von der
Eröffnung der Untersuchung sowie der Übermittlung der Ergebnisse an die luxemburgischen
Justizbehörden unterrichtet worden sei.
229 Obwohl der Generaldirektor des OLAF die Kläger bei seinen Äußerungen vor der Cocobu namentlich
erwähnte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er damit den Grundsatz der
Unschuldsvermutung verletzt hätte. Seine Worte dienten eher der Information, insbesondere soweit er
Fragen der Mitglieder des Cocobu beantwortete, als dass sie zu der Annahme hätten verleiten können,
dass die Kläger schuldig seien.
230 Demgemäß hat das OLAF insoweit nicht den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt.
3. Zu dem Vorwurf von Rechtsverstößen bei der Erstellung und der Übermittlung der Vermerke und
der Abschlussberichte
a) Vorbringen der Parteien
231 Die Kläger verweisen auf die Entscheidung des Bürgerbeauftragten vom 3. Juli 2003 über die
Beschwerde gegen das OLAF (Aktenzeichen 1625/2002/IJH), wonach der Grundsatz ordnungsgemäßer
Verwaltung bedeute, dass die Verwaltungsuntersuchungen des OLAF mit „Umsicht, Unparteilichkeit
und Objektivität“ durchgeführt würden. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen.
232 Das OLAF habe nämlich bereits in einem Vermerk vom 1. Juli 2002 zum Vorgang Eurocost
Schlussfolgerungen gezogen, obwohl es diesen Vorgang bei Weitem noch nicht ganz untersucht und
Herrn Franchet nicht angehört habe, der gleichwohl in der Übermittlung an die luxemburgischen
Justizbehörden vom 4. Juli 2002 erwähnt werde.
233 Außerdem berücksichtigten weder die „Zusammenfassung der bislang abgeschlossenen Sachen
Eurostat“ vom 24. September 2003 noch die Abschlussberichte des OLAF die von den Klägern bei ihren
Anhörungen vom Juni und Juli 2003 zu den Vorgängen Eurocost, Datashop – Planistat und CESD
Communautaire mitgeteilten Einzelheiten. Ebenso habe das OLAF nicht angegeben, weshalb es diese
nicht berücksichtigt habe. Die bloße Erwähnung, dass die betroffenen Personen ihre Verantwortung
abstritten, bedeute nicht, dass sie von den Ermittlern des OLAF sachgerecht angehört worden seien.
234 Weiter habe das OLAF den Klägern seine Schlussfolgerungen nicht vor Erstellung seiner
Abschlussberichte unterbreitet und damit erneut ihr Recht auf Anhörung verletzt.
235 Nach dem zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1073/1999 dürften sich die
Schlussfolgerungen aus einer Untersuchung nur auf beweiskräftige Tatsachen gründen. Daher müsse
das OLAF zur Erstellung seiner Schlussfolgerungen alle von ihm ermittelten Einzelheiten
berücksichtigen und dürfe sie nicht so auslegen, dass sie der von ihm vorab festgelegten Sache oder
Zielsetzung dienten.
236 Im Übrigen habe das OLAF starken Druck auf die nationalen Justizbehörden ausgeübt, damit diese die
Kläger verfolgten. Die Übermittlung der Abschlussberichte zu den Vorgängen CESD Communautaire
und Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden durch das OLAF widerspreche Art. 9
Abs. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999, weil die disziplinar- und strafrechtlichen Folgemaßnahmen im
Anschluss an die Abschlussberichte Sache des betreffenden Organs und nicht des OLAF seien.
237 Die Kommission unterstreicht bezüglich der Pflicht, die Untersuchungen umsichtig und unparteiisch
durchzuführen, dass das OLAF selbst den Zeitpunkt festlegen könne, zu dem es eine Übermittlung der
während einer Untersuchung erlangten Informationen für notwendig halte. Es treffe nicht zu, dass die
Ermittler angegeben hätten, die Informationen ohne genaue und vollständige Kenntnis der
entsprechenden Tatsachen weitergegeben zu haben. Die Kläger räumten selbst ein, dass sie von den
Ermittlern des OLAF angehört worden seien. Die Ermittler hätten sie aber erst ab dem Zeitpunkt
anhören können, zu dem der Fortschritt der Untersuchung dies zugelassen habe, was das Vorbringen
der Kläger relativiere, dass sie erst auf ihren Antrag hin angehört worden seien.
238 Zur fehlenden Berücksichtigung der Angaben der Kläger gegenüber dem OLAF bei ihren Anhörungen
im Juni und Juli 2003 stellt die Kommission fest, dass die betreffenden Vorgänge sich nunmehr in den
Händen der französischen und luxemburgischen Justizbehörden befänden und sie sich folglich nicht für
verpflichtet halte, sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu diesen Vorgängen in der Sache zu
äußern. Auf jeden Fall sei das OLAF nicht verpflichtet, den Standpunkt der Kläger zu teilen. Ferner
stelle die „Zusammenfassung der bislang abgeschlossenen Sachen Eurostat“ klar, dass die
betreffenden Beamten angehört worden seien und ihre Schuld abstritten.
239 Zum angeblichen Druck des OLAF auf die französischen Justizbehörden im Zusammenhang damit,
dass es Sache der Kommission und nicht des OLAF gewesen wäre, die Übermittlung der
Untersuchungsberichte gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 vorzunehmen,
unterstreicht die Kommission, dass diese Vorschrift das OLAF keineswegs hindere, einer nationalen
Justizbehörde den Abschlussbericht einer internen Untersuchung zur Information zu übermitteln, zumal
wenn diese bereits während der Untersuchung Informationen erhalten habe. Diese Vorschrift behalte
dem betreffenden Organ die Befugnis vor, den Ergebnissen einer internen Untersuchung die
disziplinarischen und justiziellen Maßnahmen folgen zu lassen, die es für angemessen halte.
b) Würdigung durch das Gericht
240 Was erstens den Vermerk vom 1. Juli 2002 betrifft, genügt die Feststellung, dass er keinen auch nur
mittelbaren Hinweis auf Herrn Franchet enthält. Auf jeden Fall ist, da das Gericht vorstehend bereits
festgestellt hat, dass Herr Franchet aus Anlass der Übermittlung des Vorgangs Eurocost an die
luxemburgischen Justizbehörden hätte angehört werden müssen, nicht mehr zu prüfen, ob er zu
diesem Vermerk, der Teil des den genannten Behörden übermittelten Vorgangs war, hätte gehört
werden müssen.
241 Was zweitens die Rüge der fehlenden Berücksichtigung der Angaben der Kläger bei der Erstellung der
Abschlussberichte betrifft, genügt die Feststellung, dass diese lediglich lange tatsächliche
Ausführungen machen, ohne jedoch Beweise hierfür vorzulegen. Außerdem ist es nicht Sache des
Gerichts, diese Vorgänge erneut zu prüfen. Ferner sind das OLAF und seine Ermittler, wie die
Kommission feststellt, keineswegs verpflichtet, den Standpunkt der Kläger zu teilen. Weiterhin ist in der
„Zusammenfassung der bislang abgeschlossenen Sachen Eurostat“ vom 24. September 2003
unterstrichen worden, dass die betroffenen Beamten bei ihrer Anhörung durch die Dienststellen des
OLAF ihre Schuld bezüglich der ihnen vorgeworfenen Tatsachen abgestritten und insbesondere die
Auffassung vertreten hätten, stets im Interesse der Kommission gehandelt zu haben.
242 Zum Vorbringen der Kläger, dass sich die Schlussfolgerungen aus einer Untersuchung nur auf
beweiskräftige Tatsachen gründen dürften und das OLAF daher alle von ihm ermittelten Einzelheiten
berücksichtigen müsse, ohne sie so auszulegen, dass sie der von ihm vorab festgelegten Sache oder
Zielsetzung dienten, genügt die Feststellung, dass die Kläger in keiner Weise belegt haben, dass das
OLAF seine Schlussfolgerungen auf nicht beweiskräftige Beweise gestützt oder sich im Voraus ein
bestimmtes Ziel gesetzt hätte.
243 Zum Vorwurf, das OLAF habe die Begründungspflicht verletzt, weil es nicht erläutert habe, weshalb es
die Angaben der Kläger nicht berücksichtigt habe, genügt der Hinweis, dass nach ständiger
Rechtsprechung die Verletzung der in Art. 253 EG verankerten Begründungspflicht als solche nicht
geeignet ist, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen (Urteile des Gerichtshofs vom 15. September
1982, Kind/EWG, 106/81, Slg. 1982, 2885, Randnr. 14, vom 6. Juni 1990, AERPO u. a./Kommission,
C‑119/88, Slg. 1990, I‑2189, Randnr. 20, und vom 30. September 2003, Eurocoton u. a./Rat, C‑76/01 P,
Slg. 2003, I‑10091, Randnr. 98; Urteile des Gerichts vom 18. September 1995, Nölle/Rat und
Kommission, T‑167/94, Slg. 1995, II‑2589, Randnr. 57, vom 13. Dezember 1995, Exporteurs in Levende
Varkens u. a./Kommission, T‑481/93 und T‑484/93, Slg. 1995, II‑2941, Randnr. 104, vom 20. März 2001,
Cordis/Kommission, T‑18/99, Slg. 2001, II‑913, Randnr. 79, und vom 6. Dezember 2001, Emesa
Sugar/Rat, T‑43/98, Slg. 2001, II‑3519, Randnr. 63). Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.
244 Auf jeden Fall bedeutet die Begründungspflicht nicht, dass auf alle von den Beteiligten während des
Verfahrens vorgetragenen sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte eingegangen werden muss (vgl.
in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, 43/82 und
63/82, Slg. 1984, 19, Randnr. 22; Urteile des Gerichts vom 5. Dezember 2002, Stevens/Kommission,
T‑277/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑253 und II‑1273, Randnr. 71, und vom 1. April 2004, N/Kommission,
T‑198/02, Slg. ÖD 2004, I‑A‑115 und II‑507, Randnr. 109).
245 Die Kläger können sich daher nicht darauf berufen, dass das OLAF nicht alle von ihnen vorgebrachten
Einzelheiten und Ausführungen berücksichtigt habe.
246 Was drittens das Vorbringen der Kläger betrifft, das OLAF habe ihnen seine Schlussfolgerungen nicht
vor der Erstellung seiner Abschlussberichte vorgelegt und damit ihr Recht auf Anhörung verletzt,
genügt die Feststellung, dass die Kläger zu den betreffenden Vorgängen Ende Juni und Anfang Juli
2003 angehört wurden, d. h. lange bevor das OLAF diese Berichte im September 2003 abfasste. Das
Recht auf Anhörung verlangt nicht, dass das OLAF seine Schlussfolgerungen den Klägern hätte
unterbreiten müssen.
247 Was viertens die Übermittlung der Abschlussberichte an die nationalen Justizbehörden und den
Vorwurf der Ausübung von Druck auf diese betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 9 Abs. 4
der Verordnung Nr. 1073/1999 der nach Abschluss einer internen Untersuchung erstellte Bericht mit
allen zweckdienlichen Schriftstücken dem betreffenden Organ, der betreffenden Einrichtung oder dem
betreffenden Amt oder der betreffenden Agentur übermittelt wird, die die gemäß den Ergebnissen der
internen Untersuchungen erforderlichen Folgemaßnahmen, insbesondere die disziplinarrechtlichen
und justiziellen Maßnahmen, ergreifen und den Direktor des OLAF darüber unterrichten.
248 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Direktor des OLAF gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr.
1073/1999 den Justizbehörden des betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen vom
OLAF eingeholten Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen
übermittelt.
249 Im vorliegenden Fall hatte das OLAF den französischen Justizbehörden bereits gemäß Art. 10 Abs. 2
der Verordnung Nr. 1073/1999 Informationen übermittelt. Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999
hindert das OLAF nicht daran, einer nationalen Justizbehörde den Abschlussbericht einer internen
Untersuchung zur Information zu übermitteln, zumal wenn diese bereits während der Untersuchung
Informationen erhalten hat. Art. 9 Abs. 4 dieser Verordnung behält dem betreffenden Organ die
Befugnis vor, den Ergebnissen einer internen Untersuchung disziplinarische und justizielle Maßnahmen
folgen zu lassen und den Direktor des OLAF hierüber zu unterrichten.
250 Auf jeden Fall haben die Kläger nicht dartun können, dass das OLAF tatsächlich schweren Druck auf
die französischen Justizbehörden ausgeübt hätte.
251 Demnach haben die Kläger nicht dargetan, dass das Verhalten des OLAF bei der Erstellung und
Übermittlung der Vermerke und Abschlussberichte – ausgenommen das bereits festgestellte
rechtswidrige Verhalten bei der Prüfung der Übermittlung von Informationen an die luxemburgischen
und die französischen Justizbehörden – rechtswidrig gewesen wäre.
4. Zur Verweigerung des Zugangs zu bestimmten Dokumenten
a) Vorbringen der Parteien
252 Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass in der Weigerung des OLAF, ihnen den gesamten
Vorgang zugänglich zu machen, neben einer Beeinträchtigung ihrer Grundrechte auch ein nicht
ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln liege. Nichts in der maßgebenden Regelung rechtfertige es,
einer vom OLAF belasteten Person die Einsichtnahme in den Untersuchungsvorgang und den
Bericht über die (externe oder interne) Untersuchung zu verweigern, unbeschadet der Frage, ob die
Untersuchung ganz oder teilweise abgeschlossen sei.
253 Dem OLAF könne nicht das Recht zugestanden werden, den Zugang zu seinen Dokumenten mit der
allgemeinen Begründung zu verweigern, dass Effizienz und Vertraulichkeit der ihm übertragenen
Aufgabe sowie seine Unabhängigkeit sichergestellt werden müssten. Da der Zugang zu Dokumenten
ein Grundrecht darstelle, müsse jede etwaige Beschränkung restriktiv verstanden werden.
254 Die Kommission weist darauf hin, dass das OLAF diesen Zugang keineswegs widerrechtlich verweigert
habe, denn in dem Vorstadium, das seine Untersuchung darstelle, habe es keinerlei derartige
Verpflichtung. Erst später, wenn auf die Berichte des OLAF hin im Rahmen eines disziplinarischen
und/oder gerichtlichen Verfahrens eine Folgemaßnahme getroffen werde, stehe der Zugang zum
Vorgang offen. Außerdem seien die einschlägigen Dokumente den Klägern bei ihrer Anhörung nach
Maßgabe der ihnen gestellten Fragen vorgelegt worden.
b) Würdigung durch das Gericht
255 Es ist daran zu erinnern, dass das OLAF nicht verpflichtet ist, einem vermeintlich von einer internen
Untersuchung betroffenen Gemeinschaftsbeamten – vor Erlass einer ihn beschwerenden
abschließenden Entscheidung seiner Anstellungsbehörde – Einsicht in die Dokumente zu gewähren,
die Gegenstand einer solchen Untersuchung sind oder die das OLAF bei dieser Gelegenheit selbst
erstellt hat; andernfalls könnten Wirksamkeit und Vertraulichkeit der dem OLAF übertragenen Aufgabe
sowie dessen Unabhängigkeit beeinträchtigt werden. Insbesondere rechtfertigt es der bloße Umstand,
dass ein Teil eines vertraulichen Untersuchungsvorgangs möglicherweise rechtswidrig der Presse
mitgeteilt worden ist, für sich genommen nicht, zugunsten des vermeintlich betroffenen Beamten von
der Vertraulichkeit dieses Vorgangs und der vom OLAF geführten Untersuchung abzusehen. Die
Wahrung der Verteidigungsrechte des betreffenden Beamten wird durch Art. 4 des Beschlusses
1999/396 ausreichend gewährleistet (Beschluss des Gerichts vom 18. Dezember 2003, Gómez-
Reino/Kommission, T‑215/02, Slg. ÖD 2003, I‑A‑345 und II‑1685, Randnr. 65; Urteil Nikolaou/Kommission,
oben in Randnr. 153 angeführt, Randnr. 241).
256 So verpflichtet Art. 4 des Beschlusses 1999/396 das OLAF nicht, Einsicht in die Dokumente zu
gewähren, die Gegenstand einer internen Untersuchung oder von ihm selbst erstellt worden sind, u. a.
weil eine Auslegung, die es dazu verpflichten würde, die Arbeiten dieser Einrichtung beeinträchtigen
würde (Urteil Nikolaou/Kommission, oben in Randnr. 153 angeführt, Randnr. 242).
257 Diese Betrachtungsweise steht nicht in Widerspruch zur Achtung des Rechts auf eine gute Verwaltung
aus Art. 41 der Charta, wonach dieses Recht die Befugnis einer jeden Person auf Zugang zu den sie
betreffenden Akten unter Wahrung des legitimen Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und
Geschäftsgeheimnisses umfasst. Demnach kann nach diesem Grundsatz die Akteneinsicht verweigert
werden, wenn die Wahrung der Vertraulichkeit dies verlangt.
258 Da diese Auslegung jede Verpflichtung des OLAF ausschließt, vor Erstellung seines Abschlussberichts
Einsicht in seine Akten zu gewähren, ist das Vorbringen der Kläger zur Einsicht in den
Untersuchungsvorgang zurückzuweisen.
259 Zur Einsicht in den Abschlussbericht ist festzustellen, dass keine der Pflichten aus Art. 4 des
Beschlusses 1999/396 diese Frage betrifft. Was den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens
angeht, könnte ein dem OLAF anzulastender Rechtsverstoß nur dann festgestellt werden, wenn der
Abschlussbericht veröffentlicht würde oder soweit er den Erlass einer beschwerenden Maßnahme zur
Folge hätte (vgl. in diesem Sinne und analog Urteil Nikolaou/Kommission, oben in Randnr. 153
angeführt, Randnrn. 267 und 268).
260 Im vorliegenden Fall wird nicht vorgetragen, dass die Berichte veröffentlicht worden wären, ohne zuvor
den Klägern übermittelt worden zu sein. Falls die Adressaten der Abschlussberichte, d. h. die
Kommission sowie die französischen und die luxemburgischen Justizbehörden, eine solche Maßnahme
gegenüber den Klägern auf der Grundlage der Abschlussberichte ergreifen möchten, wäre es
gegebenenfalls Sache dieser Behörden, den Klägern Zugang zu den Berichten nach ihren eigenen
Verfahrensvorschriften und nicht nach denen des OLAF zu verschaffen (vgl. in diesem Sinne Urteil
Nikolaou/Kommission, oben in Randnr. 153 angeführt, Randnr. 269).
261 Mithin ist davon auszugehen, dass dem OLAF im vorliegenden Fall keinerlei Regelverstoß hinsichtlich
des Zugangs zu den Abschlussberichten anzulasten ist.
262 Auf jeden Fall haben die Kläger, wie sich aus Randnr. 47 des vorliegenden Urteils ergibt, auf ihren
Antrag hin Zugang zu den Abschlussberichten erhalten, ausgenommen lediglich den Abschlussbericht
der Untersuchung des Vorgangs Planistat, der den externen Teil des Vorgangs Datashop – Planistat
betrifft.
5. Zur unangemessen langen Dauer der Bearbeitung der Sache Eurostat und zur Missachtung der
Art. 6 und 11 der Verordnung Nr. 1073/1999
a) Vorbringen der Parteien
263 Die Kläger werfen dem OLAF vor, dass die Untersuchungen erst am 25. September 2003 zu
Abschlussberichten geführt hätten, d. h. fast drei Jahre nach ihrer Eröffnung oder dreieinhalb Jahre
nach der Befassung des OLAF im Fall der Vorgänge Eurocost und Datashop – Planistat und achtzehn
Monate nach ihrer Eröffnung oder nahezu zwei Jahre nach der Befassung des OLAF im Fall des
Vorgangs CESD Communautaire. Diese Zeiträume seien mithin unangemessen und im Hinblick auf die
Neunmonatsfrist des Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999 und die Pflicht gemäß Art. 6 Abs. 5
dieser Verordnung, die Untersuchungen ohne Unterbrechung und während einer den Umständen und
der Komplexität des Falles angemessenen Frist durchzuführen, nicht gerechtfertigt.
264 Herr Franchet habe nämlich dem OLAF die den Untersuchungen zugrunde liegenden Auditberichte
bereits im März 2000 (Sache Eurocost) und im November 2001 (Sache CESD Communautaire)
übermittelt. Der Finanzprüfer habe ab Februar 2000 über den Auditbericht für den Vorgang Datashop –
Planistat verfügt und ihn dem OLAF im März 2000 übermittelt. Das OLAF habe seine Untersuchungen
bezüglich der Vorgänge Eurocost und Datashop – Planistat erst am 6. Oktober 2000 und bezüglich des
Vorgangs CESD Communautaire erst am 18. März 2002 begonnen und somit acht Monate (Sachen
Eurocost und Datashop – Planistat) bzw. vier Monate (Sache CESD Communautaire) für den Beschluss
benötigt, eine Untersuchung zu eröffnen, ohne allerdings Zeit für eine Anhörung der Kläger zu haben.
265 Das OLAF habe seinem Überwachungsausschuss niemals mitgeteilt, weshalb die Untersuchung nicht
binnen neun Monaten abgeschlossen werden konnte, und ebenso wenig einen voraussichtlichen
Termin für den Abschluss der Untersuchung genannt.
266 Mithin habe das OLAF, weil es sich zunächst viel Zeit gelassen habe, um die Untersuchungen zu
eröffnen, durchzuführen und abzuschließen, und die Justizbehörden unter wenig kohärenten
Bedingungen auf der Grundlage unvollständiger und nicht abgeschlossener Untersuchungen befasst
habe, ein Verhalten an den Tag gelegt, das den Begriff der angemessenen Frist und die Grundsätze
guter Verwaltung und einwandfreien Managements missachtet habe.
267 Außerdem hätten die Kläger wegen dieser Verzögerung einen Schaden erlitten und seien berechtigt,
die überlange Dauer einer Untersuchung zu rügen, auch bevor sie ihr aktiv unterzogen worden seien
oder ihre Einbeziehung in die Untersuchung bekannt geworden sei.
268 Die Kommission räumt ein, dass zwischen den Zeitpunkten, zu denen das OLAF die verschiedenen
Vorgänge erhalten, die Untersuchungen eröffnet und diese dann abgeschlossen habe, viel Zeit
vergangen sei. Diese Verzögerung erkläre sich zum Teil aus der Einrichtung des OLAF selbst, das seine
Tätigkeiten im Juni 1999 mit dem Personal der alten Task-Force „Koordinierung der
Betrugsbekämpfung“, an deren Stelle es getreten sei, aufgenommen habe. Der Eintritt neuer
Bediensteter habe sich von Mitte 2001 bis Mitte 2002 vollzogen, und dieser Personalwechsel habe zu
einer vollständigen Neuorganisation der Dienststelle, zu Änderungen der Aufsicht und zur
Neuzuweisung von Vorgängen geführt.
269 Die Länge der Frist sei indessen als solche nicht unangemessen, wenn man den Grad der Komplexität
der Sache berücksichtige. Das OLAF sei nämlich mit den verschiedenen Vorgängen im Zusammenhang
mit diesem Fall punktuell befasst worden, und die ganze Bedeutung des Problems sei erst erkennbar
geworden, nachdem ein Zusammenhang zwischen den verschiedenen Vorgängen hergestellt worden
sei, was erst nach gewisser Zeit habe geschehen können.
b) Würdigung durch das Gericht
270 Nach Art. 6 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1073/1999 sind die Untersuchungen ohne Unterbrechung und
während eines den Umständen und der Komplexität des betreffenden Falles angemessenen Zeitraums
durchzuführen.
271 Im Übrigen bestimmt Art. 11 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1073/1999, dass der Direktor des OLAF, falls
eine Untersuchung seit mehr als neun Monaten läuft, den Überwachungsausschuss des OLAF von den
Gründen unterrichtet, aus denen die Untersuchung noch nicht abgeschlossen werden kann, sowie von
der für ihren Abschluss voraussichtlich notwendigen Frist.
272 Folglich sieht die Verordnung Nr. 1073/1999 keine genaue und zwingende Frist für den Abschluss der
Untersuchungen des OLAF vor.
273 Bekanntlich stellt die Pflicht, Verwaltungsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist
durchzuführen, einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Beachtung das
Gemeinschaftsgericht sicherstellt und der als Bestandteil des Rechts auf gute Verwaltung von Art. 41
Abs. 1 der Charta übernommen wird (Urteil des Gerichts vom 11. April 2006, Angeletti/Kommission,
T‑394/03, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑95 und II‑A‑2‑441, Randnr. 162).
274 Somit darf das Verfahren vor dem OLAF nicht über eine angemessene, anhand der Umstände des
Einzelfalls zu ermittelnde Frist hinaus verlängert werden.
275 Im vorliegenden Fall ist den Akten zu entnehmen, dass das OLAF seit dem 17. März 2000, dem 12.
April 2000 und dem 15. November 2001 über die Auditberichte zu den Vorgängen Datashop, Eurocost
und CESD Communautaire verfügte.
276 Den Akten ist ebenfalls zu entnehmen, dass das OLAF seine internen Untersuchungen zu den
Vorgängen Datashop und Eurocost am 6. Oktober 2000 und zum Vorgang CESD Communautaire am
18. März 2002 aufnahm. Damit benötigte es in den Sachen Datashop und Eurocost fast sieben bzw.
sechs Monate und in der Sache CESD Communautaire vier Monate, um die Untersuchungen zu
eröffnen.
277 Diese Untersuchungen wurden am 25. September 2003 mit den Abschlussberichten beendet. Somit
wurden die Untersuchungen in den Sachen Datashop und Eurocost etwa dreieinhalb Jahre nach der
Befassung des OLAF und nahezu drei Jahre nach ihrer Eröffnung und die Untersuchung in der Sache
CESD Communautaire etwa ein Jahr und zehn Monate nach der Befassung des OLAF und eineinhalb
Jahre nach ihrer Eröffnung abgeschlossen.
278 Diese Zeiträume können als relativ lang angesehen werden.
279 Wie die Kommission selbst einräumt, ist zwischen den Zeitpunkten, zu denen das OLAF die
verschiedenen Vorgänge erhielt, die Untersuchungen eröffnete und diese dann abschloss, viel Zeit
verstrichen. Diese Verzögerung soll sich zum Teil aus der Einrichtung des OLAF selbst erklären, das
seine Tätigkeiten am 1. Juni 1999 mit dem Personal der alten Task-Force „Koordinierung der
Betrugsbekämpfung“, an deren Stelle es getreten sei, aufgenommen habe. Der Eintritt neuer
Bediensteter habe sich von Mitte 2001 bis Mitte 2002 vollzogen, und dieser Personalwechsel habe zu
einer vollständigen Neuorganisation der Dienststelle, zu Änderungen der Aufsicht und zur
Neuzuweisung von Vorgängen geführt.
280 Das Gericht ist der Auffassung, dass solche Erklärungen allein diese langen Zeiträume nicht
rechtfertigen können. Wie die Kläger nämlich zu Recht feststellen, dürfen die Mängel der
Verwaltungsorganisation in den Dienststellen der Kommission nicht zulasten der betroffenen Beamten
gehen. Es kann die Kommission nicht von ihrer Verantwortung entbinden, dass das OLAF
Anlaufschwierigkeiten hatte.
281 Allerdings muss auch, wie die Kommission vorgebracht hat, der Grad der Komplexität der Sache
Berücksichtigung finden. Die Komplexität der Sache Eurostat, die den verschiedenen Untersuchungen,
zu denen sie geführt hat, und der etwaigen Wechselwirkung zwischen ihnen innewohnt, ist
unbestritten und ergibt sich aus den Akten.
282 Folglich können die Zeiträume unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht als ungebührlich
lang betrachtet werden.
283 Zum Vorbringen der Kläger, das OLAF habe seinem Überwachungsausschuss nie mitgeteilt, weshalb
die Untersuchung nicht binnen neun Monaten abgeschlossen werden konnte, und ebenso wenig
einen voraussichtlichen Termin für den Abschluss der Untersuchung genannt, genügt die Feststellung,
dass die Kläger, selbst wenn ihr Vorbringen zutreffen sollte, nicht dargetan haben, dass es sich hierbei
um eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer Rechtsnorm handelt, die dem Einzelnen Rechte
verleiht.
284 Demnach ist die Rüge der Kläger, die Untersuchungen hätten ungebührlich lange gedauert,
zurückzuweisen.
285 Nach alledem hat das OLAF mehrere Rechtsverstöße begangen, die die Haftung der Gemeinschaft
auslösen können. Diese Rechtsverstöße bestehen in der Übermittlung von Informationen an die
luxemburgischen und die französischen Justizbehörden ohne vorherige Anhörung der Kläger und des
Überwachungsausschusses des OLAF und in den Indiskretionen im Zusammenhang mit der
Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden.
1. Zur Preisgabe von Informationen durch die Kommission
a) Vorbringen der Parteien
286 Die Kläger machen geltend, die Organe seien nach Art. 12 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1073/1999
verpflichtet, das Untersuchungsgeheimnis und die legitimen Rechte der Betroffenen zu wahren, und
müssten die Beachtung der Grundrechte sicherstellen; dies habe die Kommission nicht getan.
287 Im vorliegenden Fall hätten die Übermittlungen von Informationen und Berichten des OLAF an
nationale Justizbehörden zu „mehr oder weniger abgestimmten, wahrscheinlich gewollten
Indiskretionen seitens des OLAF“ geführt, die eine Medienkampagne zur Anschwärzung der Kläger
ausgelöst hätten, durch die ihre legitimen Rechte, ihre Ehre und ihre Würde schwer geschädigt
worden seien. Auch habe die Presse seit den Anhörungen der Kläger durch die Ermittler des OLAF
Kenntnis von besonders genauen Einzelheiten der Sache Eurostat gehabt. Die Kommission habe somit
die Wahrung der Vertraulichkeit nicht sichergestellt. Im Übrigen bestreite die Kommission dies nicht.
288 Außerdem habe die Kommission selbst in Verkennung ihrer Pflicht zur Vertraulichkeit sowie der
Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und der Unschuldsvermutung Informationen verbreitet.
So habe sie in einer Pressemitteilung vom 9. Juli 2003 verlautbart, dass sie Disziplinarverfahren gegen
drei ihrer Beamten eröffnen werde. Auch wenn in dieser Mitteilung klargestellt werde, dass die
Eröffnung dieser Verfahren unbeschadet des Grundsatzes der Unschuldsvermutung beschlossen
worden sei, sei sie doch in einem Kontext erfolgt, der notwendig die legitimen Rechte der Kläger
beeinträchtige. Ferner habe die Kommission in dieser Pressemitteilung vertrauliche Einzelheiten der
Sache Eurostat veröffentlicht und sich dabei auf Untersuchungen gestützt, in deren Verlauf die Kläger
zuvor niemals angehört worden seien.
289 Im Übrigen habe die Kommission am 24. September 2003 im Parlament drei die Kläger belastende
oder kritisierende Dokumente in Umlauf gebracht, die ihnen nicht zuvor übermittelt worden seien, zu
denen sie folglich nicht hätten Stellung nehmen können und die sie trotz ihrer großen Verbreitung im
Umfeld der Organe und in der Presse seit dem 25. September 2003 erst auf ihren Antrag am 10.
Oktober 2003 erhalten hätten.
290 Selbst wenn die betreffenden Dokumente, die von der Task-Force und dem IAS stammten, sie nicht
speziell und individuell belasteten, da es nicht Aufgabe dieser Stellen gewesen sei, sich förmlich zum
Vorliegen eines Betrugs zu äußern oder jemanden individuell zu belasten, habe es den Klägern doch
bereits zum Nachteil gereicht, dass darin die Ordnungsmäßigkeit bestimmter festgestellter Vorgänge
in Frage gestellt worden sei.
291 In ihrer Erwiderung machen die Kläger geltend, dass diese Verbreitung die Rahmenvereinbarung über
die Beziehungen zwischen Parlament und Kommission (Anlage XIII zur Geschäftsordnung des
Parlaments) verletzt habe, nach der die beiden Organe bei jeder vertraulichen Information
insbesondere „die Grundrechte der Person, einschließlich des Rechts auf Verteidigung und Schutz der
Privatsphäre“ zu beachten hätten. Darüber hinaus dürften vertrauliche Informationen nur dem
Präsidenten des Parlaments, den Vorsitzenden der betroffenen Parlamentsausschüsse sowie dem
Präsidium und der Konferenz der Präsidenten übermittelt werden. Im vorliegenden Fall sei es aber zu
einer größeren Verbreitung gekommen, weil die Dokumente praktisch jedem Parlamentsmitglied und
darüber hinaus der Presse zugänglich gewesen seien. Außerdem habe sich der Präsident der
Kommission vor den Vorsitzenden der Fraktionen geäußert, einer Gruppe, die in Art. 1 Abs. 4 der
Rahmenvereinbarung nicht genannt sei.
292 Überdies habe der Präsident der Kommission in seiner Rede vom 25. September 2003 vor der
Konferenz der Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen äußerst schwere Anschuldigungen gegen die
Kläger und insbesondere Herrn Franchet erhoben. Auch wenn er Herrn Franchet nicht namentlich
beschuldigt habe, für Unregelmäßigkeiten verantwortlich zu sein, habe er ihm doch vorgeworfen,
zugelassen zu haben, dass es zu diesen Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Herr Franchet sei
ebenfalls beschuldigt worden, das Mitglied der Kommission, das die Dienstaufsicht ausübe, falsch
informiert zu haben, was die Kommission einräume, und ein Interesse daran gehabt zu haben, „die
Wahrheit über Tatsachen zu verschleiern, die in die Vergangenheit zurückreichten“.
293 Da dieser Anschuldigung nicht die geringste Unterredung mit dem Beschuldigten vorausgegangen
sei, der somit den Mitgliedern der Cocobu und der Presse „zum Fraß vorgeworfen“ worden sei, und da
sie allein auf Berichten beruhe, die in einem Klima von Verdächtigungen der Kommission erstellt
worden seien, so dass sie sich zum Durchgreifen entschlossen habe zeigen müssen, habe sich der
Präsident der Kommission nicht mit der Würde und dem Anstand verhalten, die jeder Bürger von ihm
erwarten dürfe. Er habe die Grundrechte und insbesondere die Verteidigungsrechte nicht beachtet
und seine Wertungen auf falsche Tatsachen gestützt. Es sei nicht hinnehmbar, dass er aus rein
politischen Gründen entschieden habe, einen Schuldigen zu nennen, um sich jeder Kritik zu entziehen.
Diese „Regenschirmstrategie“, wie die Presse sie genannt habe, habe nur dazu gedient, Zeit zu
gewinnen.
294 Die Kommission unterstreicht, dass es nicht ihre Sache sei, sich in die Untersuchungsmaßnahmen
des OLAF einzumischen, da es im Rahmen seiner Untersuchungsaufgabe vollkommen unabhängig
vorgehe. Art. 12 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1073/1999 schreibe der Kommission bei den
Untersuchungen des OLAF die Wahrung des Untersuchungsgeheimnisses vor, soweit sie darüber zu
befinden habe. Die Kommission übernehme jede dem OLAF etwa zugerechnete Verantwortung, was ihr
indessen keinerlei Befugnis gebe, in seine Untersuchungsmaßnahmen einzugreifen, um deren
Vertraulichkeit zu wahren.
295 Sowohl die Pressemitteilung vom 9. Juli 2003 als auch die am gleichen Tag gefassten Beschlüsse
erschienen besonders vorsichtig, maßvoll und um den Schutz der Einzelnen bemüht, wenn man den
Kontext berücksichtige, der „durch das Entstehen eines unleugbaren Klimas der Spannung zwischen
den Organen infolge der Haushaltsentlastung für 2001 geprägt“ gewesen sei.
296 Zu den drei dem Parlament am 24. September 2003 übermittelten Dokumenten (siehe oben, Randnr.
42) stellt die Kommission fest, dass die Zusammenfassung und die Ergebnisse der Arbeiten der Task-
Force keinerlei Belastung der Kläger enthielten. Der Informationsvermerk, der auf dem zweiten
Zwischenbericht des IAS beruhe, enthalte vorläufige Feststellungen, deren Vollständigkeit nicht
gesichert sei und die sich nicht mit der etwaigen unmittelbaren und individuellen Verantwortung der
Kläger befassten; sie könnten folglich nicht rügen, dass diese Dokumente ihnen nicht vorab
übermittelt worden seien und dass sie keine Gelegenheit gehabt hätten, dazu Stellung zu nehmen.
Diese Dokumente beschränkten sich darauf, Systemschwächen festzustellen. Ginge man davon aus,
dass die Berichte solcher Einrichtungen wie der Task-Force oder des IAS Beamten allein deshalb
Schaden zufügen könnten, weil sie Fragen bezüglich der Ordnungsmäßigkeit bestimmter Handlungen
oder Verhaltensweisen enthielten, so liefe das schlicht darauf hinaus, jede Möglichkeit einer
Audittätigkeit zu verneinen.
297 In seiner Rede vom 25. September 2003 habe der Präsident der Kommission eine kompromisslose
Analyse einer schwierigen Situation geliefert, ohne jedoch zu versuchen, die Kläger als „Sündenböcke“
erscheinen zu lassen. Auch wenn er Herrn Franchet vorgeworfen habe, sich entgegen den von der
früheren Kommission erteilten Anweisungen nicht rasch genug aus verschiedenen Unternehmungen
zurückgezogen und trotz der Ergebnisse bestimmter ihm zur Verfügung stehender Auditberichte
Vertragsbeziehungen zu bestimmten Gesellschaften fortgesetzt zu haben, was dem Vorsichtsprinzip in
seiner elementarsten Ausprägung widerspreche, so habe er doch die Kläger dieser
Unregelmäßigkeiten nicht beschuldigt.
298 Der Hauptvorwurf gegenüber Herrn Franchet sei nicht seine etwaige persönliche Verwicklung in
Betrügereien oder Unregelmäßigkeiten, sondern die ungenügende Information des Mitglieds der
Kommission, das die Dienstaufsicht ausübe, weil dieses Kommissionsmitglied bei seiner
Amtsübernahme nicht über die Sache Eurostat unterrichtet worden sei. Der Präsident der Kommission
habe auch klar die Kommunikationsprobleme zwischen dem OLAF und der Kommission angesprochen
und die Notwendigkeit anerkannt, das Finanzgebaren auf der Ebene der zentralen Kontrolle zu
verbessern. Er habe niemals die straf- oder disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit der Kläger
thematisiert, sondern eindeutig auf die „administrative und politische Verantwortlichkeit“ von Herrn
Franchet hingewiesen.
b) Würdigung durch das Gericht
299 Vorab ist zur Rüge der Kläger, dass die Kommission bei den Übermittlungen an die nationalen
Justizbehörden das Untersuchungsgeheimnis nicht gewahrt habe, darauf hinzuweisen, dass die
Organe zwar gemäß Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 1073/1999 das
Untersuchungsgeheimnis und die legitimen Rechte der Betroffenen zu wahren haben. Indessen kann
diese Vorschrift nicht im Sinne einer allgemeinen Verpflichtung der Kommission ausgelegt werden, zu
gewährleisten, dass das OLAF, das seine Untersuchungen in voller Unabhängigkeit durchführt, dabei
das Untersuchungsgeheimnis wahrt. Diese Vorschrift ist nämlich im Zusammenhang mit Unterabs. 2 zu
verstehen, wonach der Generaldirektor des OLAF den Organen regelmäßig Bericht über die Ergebnisse
der durchgeführten Untersuchungen erstattet und dabei die genannten Grundsätze wahrt. Somit
ergibt sich aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1073/1999, dass für den Fall, dass der Generaldirektor des
OLAF den Organen, darunter der Kommission, Informationen zu den Untersuchungen übermittelt, die
Organe bei der Behandlung dieser Informationen deren Vertraulichkeit und die legitimen Rechte der
Betroffenen sicherzustellen haben.
300 Folglich ist zu prüfen, ob sich die Kommission rechtswidrig verhalten hat, als sie selbst verschiedene
Informationen im Rahmen der betreffenden Untersuchungen verbreitete.
Zur Pressemitteilung der Kommission vom 9. Juli 2003
301 Die Kläger machen geltend, dass die Kommission selbst unter Missachtung ihrer Pflicht zur Wahrung
der Vertraulichkeit sowie der Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und der
Unschuldsvermutung Informationen verbreitet habe; sie verweisen insoweit auf die Pressemitteilung
vom 9. Juli 2003 (IP/03/979).
302 In dieser Pressemitteilung heißt es:
„Kommission ergreift Maßnahmen wegen finanziellem Missmanagement bei Eurostat
In den letzten Wochen hat die Europäische Kommission eigene interne Untersuchungen bei Eurostat
… durchgeführt. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Untersuchungen weisen eindeutig auf
grundsätzliche Managementschwächen und Unregelmäßigkeiten bei Eurostat hin. Bei allem Respekt
vor den unabhängigen noch laufenden Untersuchungen des [OLAF] ist die Kommission doch der
Ansicht, dass unverzüglich gehandelt werden muss. Daher hat die Kommission heute eine Reihe von
Maßnahmen beschlossen, mit denen die dringendsten Probleme gelöst werden sollen.
[Der] Kommissionspräsident ... erklärte: ‚Wir haben geduldig auf die Ergebnisse verschiedener noch
laufender Untersuchungen gewartet. Unsere eigenen Untersuchungen liefern uns jetzt jedoch eine
Handlungsgrundlage, und der Kommission ist sehr an einer Beschleunigung des gesamten Prozesses
gelegen. Wir ergreifen heute drastische Maßnahmen, die wehtun werden, aber unumgänglich sind. Alle
Geschehnisse der Vergangenheit werden aufgearbeitet werden, und wir werden dafür sorgen, dass
die Arbeitsweise von Eurostat den Regeln und Grundsätzen entspricht, zu deren Anwendung sich diese
Kommission verpflichtet hat.‘
Maßnahmen
Die Kommission hat ein Disziplinarverfahren gegen drei ihrer Bediensteten eingeleitet. Vorbeugend
werden mehrere Führungskräfte von Eurostat in Beratungsfunktionen versetzt werden.
Wird festgestellt, dass andere derzeitige oder frühere Eurostat-Bedienstete gegen die
Haushaltsordnung oder das Statut verstoßen haben, wird gegen sie ein Disziplinarverfahren
eingeleitet. Die Kommission möchte betonen, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutungen durch
die Entscheidung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder über die Versetzung von
Bediensteten unberührt bleibt.
[Aus dem endgültigen Analysebericht der GD ‚Haushalt‘ über die Prüfberichte der internen Auditstelle
von Eurostat] wird deutlich, dass mehrere schwerwiegende Verstöße gegen die Haushaltsordnung
stattgefunden haben und dass das Follow‑up mehrerer wichtiger Aspekte der internen Prüfberichte
nicht den notwendigen Umfang und die notwendige Gründlichkeit aufwies oder nicht zu
einschneidenden Maßnahmen führte.
Die Feststellungen des [IAS] sind vorläufig und bedürfen noch weiterer Bestätigung. Diese vorläufigen
Ergebnisse und Hinweise lassen jedoch erkennen, dass schwerwiegende Rechtsverstöße
stattgefunden haben könnten.
Der Ende Juni erwartete Bericht des OLAF liegt nach wie vor nicht vor.“
303 Nach Auffassung der Kläger beeinträchtigt diese Pressemitteilung ihre legitimen Rechte und verletzt
den Grundsatz der Unschuldsvermutung.
304 Das Gericht stellt fest, dass die Kläger in dieser Pressemitteilung nicht namentlich genannt werden.
Da indessen ihre Namen im Zusammenhang mit den Säumnissen und Unregelmäßigkeiten im
Verwaltungssystem von Eurostat bereits öffentlich in weiterem Umfang verbreitet worden waren,
insbesondere im Mai 2003, gab es keinerlei Zweifel, dass sich diese Pressemitteilung auf die Kläger
bezog.
305 Die Kommission hatte nämlich bereits selbst in ihrer Erklärung zu Eurostat, die sie mit der
Pressemitteilung vom 19. Mai 2003 (IP/03/709) verbreitet hatte und die die Kläger in Beantwortung
einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegt haben, die Namen der Kläger der Öffentlichkeit
preisgegeben. Darin heißt es:
„Am Freitag legte [das] OLAF der Kommission einen kurzen Zwischenbericht über die Ermittlungen in
Bezug auf angeblich in der Vergangenheit [bei] Eurostat aufgetretene Fälle von Misswirtschaft vor.
Darin bestätigt es, dass einige untersuchte Sachverhalte auf die persönliche Verantwortung einiger
hoher Beamter schließen ließen. Beweise für die Verantwortung einzelner Beamter liefert der Bericht
allerdings nicht. Zudem wurden die betreffenden Beamten noch nicht [vom] OLAF angehört.
Die Kommission wird die Sachlage bei ihrer nächsten Sitzung am Mittwoch prüfen, um durch die
geeigneten Schritte dafür zu sorgen, dass die laufenden Ermittlungen zügig abgeschlossen und die
finanziellen Interessen der Gemeinschaften ebenso geschützt werden wie der Ruf der Kommission und
ihrer Beamten. In diesem Zusammenhang wird sie den von Herrn Franchet, dem Generaldirektor von
Eurostat, und Herrn Byk, einem Direktor [von] Eurostat, geäußerten Wunsch prüfen, von ihren
derzeitigen Posten entbunden zu werden, um die Interessen des Organs zu wahren und sich selbst
verteidigen zu können.
Die Kommission drängt [das] OLAF, die laufenden Ermittlungen zu beschleunigen und vor allem den
Beamten, die es als potenziell in die Fälle verwickelt betrachtet, möglichst rasch Gelegenheit zur
Stellungnahme zu geben.“
306 Somit brachte die Kommission eindeutig die Namen der Kläger mit den behaupteten Regelwidrigkeiten
im Rahmen der Sache Eurostat in Verbindung. Das war am 21. Mai 2003 erneut der Fall, als die
Kommission eine weitere Pressemitteilung mit dem Titel „Kommission trifft Maßnahmen zum Schutz der
Interessen der Behörde und ihres Personals im Zusammenhang mit den Behauptungen um Eurostat“
(IP/03/723) veröffentlichte, die die Kläger in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts
vorgelegt haben; darin heißt es:
„Die Kommission hat heute die Situation geprüft, die durch die Behauptungen um das statistische Amt
der EU, Eurostat, entstanden ist. In diesem Zusammenhang hat sie vier Maßnahmen getroffen, um die
Interessen der Behörde und ihres Personals zu wahren.
1) Die Kommission hat Generaldirektor Yves Franchet und Direktor Daniel Byk von Eurostat auf
deren Ersuchen für die Dauer der laufenden Ermittlungen von ihren jetzigen Aufgaben entbunden und
ihnen Beraterfunktionen in der Generaldirektion Verwaltung zugewiesen. Dies ist keine
Disziplinarmaßnahme, sondern erfolgte zum Schutz der Interessen der Behörde, und um den
Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich angemessen gegen die Behauptungen zu verteidigen.
Gleichzeitig hat die Kommission [M. V. A.], derzeit Generaldirektor des Übersetzungsdienstes,
vorübergehend mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Generaldirektors von Eurostat betraut, um
die Kontinuität in der Leitung des Amtes zu wahren.
Die Kommission nimmt Kenntnis von der Absicht des [OLAF], im Zusammenhang mit den laufenden
Ermittlungen bis Ende Juni dieses Jahres einen Bericht über die mögliche Beteiligung von
Kommissionsbeamten vorzulegen.
2) Angesichts der Situation, die für Herrn Franchet und Herrn Byk insbesondere durch die
Berichterstattung in den Medien entstanden ist, hat die Kommission beschlossen, sie bei der Wahrung
ihres Rufes und ihrem Recht auf Verteidigung zu unterstützen.
3) Die Kommission hat den Generaldirektor für Haushalt beauftragt, die von Eurostat erstellten
Revisionsberichte dahin zu prüfen, ob die Bestimmungen der Haushaltsordnung in den [vom] OLAF
untersuchten Fällen eingehalten wurden.
4) Die Kommission hat beschlossen, bei den Ermittlungen der Pariser Generalstaatsanwaltschaft
als Nebenklägerin aufzutreten, um die zivilrechtlichen und finanziellen Interessen der Behörde zu
wahren.
Die Kommission betont, dass die Ermittlungen [des] OLAF noch nicht abgeschlossen sind, und stellt
fest, dass [das] OLAF die möglicherweise beteiligten Beamten anhören und das Verfahren so rasch wie
möglich abschließen wird.
Die Kommission unterstreicht ferner das Recht aller Personen auf Unschuldsvermutung und
wiederholt, dass die ihr bisher vorliegenden Informationen keine Schlüsse in Bezug auf die persönliche
Verantwortung bestimmter Beamter zulassen.
[Das] OLAF wurde eben dafür geschaffen, die finanziellen Interessen der EU zu schützen. Dazu wurde
seine organisatorische und ermittlungsrechtliche Unabhängigkeit gewährleistet. Die Kommission
respektiert die Vorrechte [des] OLAF und trifft keine Schritte, die den Ausgang der Ermittlungen
beeinträchtigen oder deren Ergebnisse vorwegnehmen könnten. Dies bedeutet andererseits, dass sie
nicht abschließend handeln kann, bevor [das] OLAF seine Arbeit abgeschlossen und einen Bericht
vorgelegt hat.“
307 Diese Pressemitteilung brachte somit erneut eindeutig die Namen der Kläger mit den Vorwürfen in der
Sache Eurostat in Verbindung.
308 Mithin ist im Hinblick auf den Kontext und die Publizität, die die Kommission bereits selbst den Klägern
und ihrer möglichen Implikation in die Veruntreuungen bei Eurostat verschafft hatte, festzustellen,
dass die Veröffentlichung des Beschlusses der Kommission vom 9. Juli 2003, Disziplinarverfahren gegen
drei ihrer Bediensteten zu eröffnen, den Gedanken hat bestärken können, dass die Kläger schuldig
oder zumindest der Veruntreuungen verdächtig sein könnten, die Gegenstand der Untersuchungen
bezüglich der Handhabung der in die Zuständigkeit von Eurostat fallenden Programme waren. Dieser
Eindruck wird nicht dadurch beseitigt, dass die Kommission betont, „dass der Grundsatz der
Unschuldsvermutungen durch die Entscheidung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder
über die Versetzung von Bediensteten unberührt bleibt“ (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom
7. Februar 2007, Clotuche/Kommission, T‑339/03, Slg. ÖD 2007, I‑A‑0000 und II‑A‑0000, Randnr. 145,
und Caló/Kommission, T‑118/04 und T‑134/04, Slg. ÖD 2007, I‑A‑0000 und II‑A‑0000, Randnr. 120).
309 Die Formen, in denen die Entscheidung vom 9. Juli 2003, Disziplinarverfahren zu eröffnen, an die
Öffentlichkeit gelangte, hatten bei dieser oder zumindest bei einem Teil von ihr zwangsläufig den
Eindruck hervorgerufen, dass die Kläger an den Unregelmäßigkeiten bei Eurostat beteiligt waren (vgl.
in diesem Sinne die in Randnr. 308 angeführten Urteile Clotuche/Kommission, Randnr. 219, und
Caló/Kommission, Randnr. 155).
310 Insoweit erfordert es – wie in den Randnrn. 210 und 211 des vorliegenden Urteils ausgeführt – der
Grundsatz der Unschuldsvermutung, dass jemand, der einer Zuwiderhandlung beschuldigt wird, so
lange als unschuldig gilt, wie seine Schuld nicht ohne vernünftige Zweifel in einem Gerichtsverfahren
nachgewiesen worden ist. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Pressemitteilung war aber die
Schuld der Kläger nicht bewiesen, und sie ist es auch heute noch nicht.
311 Allerdings dürfen die Organe auch nicht daran gehindert werden, die Öffentlichkeit über laufende
Untersuchungen zu unterrichten (siehe oben, Randnr. 212). Im vorliegenden Fall kann indessen nicht
davon ausgegangen werden, dass die Kommission dies mit aller erforderlichen Diskretion und
Zurückhaltung getan und dabei den richtigen Ausgleich zwischen den Interessen der Kläger und
denen des Organs gefunden hätte. Mit ihrem Beschluss, die Sache Eurostat an die Öffentlichkeit zu
bringen, und der gleichzeitigen Herstellung eines Zusammenhangs zwischen den Klägern und den
Veruntreuungen hat sie nämlich die Grenzen dessen überschritten, was im dienstlichen Interesse
gerechtfertigt war.
312 Demnach kann dem Vorbringen der Kommission nicht gefolgt werden, dass die Pressemitteilung vom
9. Juli 2003 besonders vorsichtig, maßvoll und um den Schutz des Einzelnen bemüht erscheine, wenn
man den Kontext berücksichtige, der „durch das Entstehen eines unleugbaren Klimas der Spannung
zwischen den Organen infolge der Haushaltsentlastung für 2001 geprägt“ gewesen sei.
313 Folglich hat die Kommission mit der Veröffentlichung dieser Pressemitteilung den Grundsatz der
Unschuldsvermutung verletzt.
314 Dieser Grundsatz verleiht dem Einzelnen, wie in Randnr. 209 dieses Urteils festgestellt, Rechte. Unter
den Umständen des vorliegenden Falles ist seine Verletzung auch als hinreichend qualifiziert
anzusehen, da der Kommission hinsichtlich ihrer Pflicht, die Unschuldsvermutung zu wahren, keinerlei
Gestaltungsspielraum zusteht.
Zu den dem Parlament am 24. September 2003 übermittelten Dokumenten
315 Die Kläger bringen vor, dass die Kommission am 24. September 2003 im Parlament drei sie
belastende oder kritisierende Dokumente in Umlauf gebracht habe, die ihnen aber zuvor nicht
übermittelt worden seien und zu denen sie folglich nicht hätten Stellung nehmen können.
316 Es handelt sich um die vom Generaldirektor des OLAF erstellte „Zusammenfassung der bislang
abgeschlossenen Sachen Eurostat“, den Bericht mit dem Titel „Bericht der Task-Force Eurostat (TFES)
– Zusammenfassung und Schlussfolgerungen“ sowie einen Informationsvermerk über Eurostat, der auf
dem zweiten Zwischenbericht des IAS beruht.
317 Die „Zusammenfassung der bislang abgeschlossenen Sachen Eurostat“ wurde dem Präsidenten der
Kommission vom Generaldirektor des OLAF übermittelt. Die Kläger werfen der Kommission lediglich vor,
ihnen dieses Dokument nicht zugänglich gemacht und sie vor dessen Übermittlung nicht angehört zu
haben. Da es sich indessen nicht um ein von der Kommission erstelltes Dokument handelte, war diese
nicht verpflichtet, die Kläger vor seiner Übermittlung an das Parlament anzuhören. Außerdem hatte
das OLAF, wie sich aus den obigen Randnrn. 33 und 35 ergibt, die Kläger im Juni und Juli 2003, also
lange vor der Erstellung dieser Zusammenfassung, angehört.
318 Ferner machen die Kläger zu den fraglichen Dokumenten der Task-Force und des IAS geltend, dass
diese sie zwar nicht speziell und individuell bezichtigten, da es nicht Aufgabe dieser Stellen gewesen
sei, sich förmlich zum Vorliegen eines Betrugs zu äußern oder jemanden individuell zu belasten, dass
aber den Klägern schon die bloße Tatsache zum Nachteil gereiche, dass die Ordnungsmäßigkeit
bestimmter festgestellter Vorgänge darin in Frage gestellt worden sei.
319 Das Dokument mit der Zusammenfassung und den Schlussfolgerungen des Berichts der Task-Force
enthält keinerlei unmittelbare Belastung der Kläger. Es handelt sich nämlich nicht um einen
beschwerenden Akt, so dass sich die Kläger nicht mit Erfolg auf den Grundsatz der Wahrung der
Verteidigungsrechte berufen können, um zu beanstanden, dass sie vor Erstellung dieses Berichts
nicht angehört worden seien. Die Kläger können sich ebenso wenig auf einen etwaigen Schaden
aufgrund seiner Übermittlung an das Parlament berufen.
320 Der Informationsvermerk zu Eurostat, der auf dem zweiten Zwischenbericht des IAS beruht, enthält
ebenfalls keine unmittelbare Belastung der Kläger. Dieses Dokument enthält den Klägern zufolge
abträgliche Einzelheiten insbesondere über Herrn Franchet, da es die fehlende Transparenz und
Kommunikation zwischen dem ehemaligen Generaldirektor von Eurostat und dem für die Dienstaufsicht
zuständigen Mitglied der Kommission erwähnt. Sie unterstreichen ferner, dass dort festgestellt werde,
dass „das Fehlen von Kontrollen bei der Verwaltung dieser Mittel das Risiko hervorruft, sich in
unvertretbarem Maße Betrug und Unregelmäßigkeiten auszusetzen“. Das Gericht weist indessen
darauf hin, dass die Kläger den anschließenden Satz („Mit Rücksicht auf die Art des Mandats des IAS
[ist es nicht möglich, sich] zur Möglichkeit eines Betrugs mit persönlicher Bereicherung [zu] äußern.“)
nicht mit anführen. Diese Punkte reichen nicht aus, um den Nachweis zu führen, dass die Kläger hierzu
vor Erstellung dieses Berichts hätten gehört werden müssen oder dass seine Übermittlung an das
Parlament ihnen irgendeinen Schaden zugefügt hätte. Auf jeden Fall war der Bericht des IAS, auf dem
dieser Vermerk beruht, noch nicht der Abschlussbericht. Außerdem kann nicht davon ausgegangen
werden, dass es sich um einen beschwerenden Akt handelt.
321 In ihrer Erwiderung machen die Kläger schließlich geltend, dass die Verbreitung der drei fraglichen
Dokumente gegen die Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen Parlament und
Kommission (Anlage XIII zur Geschäftsordnung des Parlaments) verstoßen habe, nach der diese beiden
Organe bei jeder vertraulichen Information insbesondere „die Grundrechte der Person, einschließlich
des Rechts auf Verteidigung und Schutz der Privatsphäre“ zu beachten hätten.
322 Insoweit genügt die Feststellung, dass es sich um ein neues Angriffsmittel handelt, das im Laufe des
Verfahrens vorgebracht worden ist und nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt wird, die
erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Es ist daher gemäß Art. 48 § 2 der
Verfahrensordnung als unzulässig zurückzuweisen.
323 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger keineswegs belegt haben, dass die Kommission
vertrauliche Informationen an andere als die in der Rahmenvereinbarung erwähnten Adressaten
übermittelt hätte und dass die verbreiteten Dokumente praktisch für jedes Parlamentsmitglied und
darüber hinaus der Presse zugänglich gewesen wären.
324 Da die Kommission mithin nicht verpflichtet war, die Kläger vor der Übermittlung der drei fraglichen
Dokumente an das Parlament anzuhören oder sie ihnen zuvor zu übermitteln, ist die Rüge der Kläger
insoweit zurückzuweisen.
Zur Rede des Präsidenten der Kommission vom 25. September 2003
325 Die Kläger machen geltend, dass der Präsident der Kommission in seiner Rede vom 25. September
2003 vor der Konferenz der Präsidenten der Parlamentsfraktionen äußerst schwere Anschuldigungen
gegenüber den Klägern und insbesondere Herrn Franchet geäußert und damit ihre Grundrechte
missachtet habe.
326 Die Kommission meint, dass ihr Präsident in seiner Rede die Kläger keiner Unregelmäßigkeiten
bezichtigt habe. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass das Verständnis dieser Rede durch die
Kommission (siehe oben, Randnrn. 297 und 298) der Realität nicht entspricht. Gewiss unterstreicht
der Präsident der Kommission in seiner Rede die fehlende Transparenz und Kommunikation zwischen
dem Generaldirektor von Eurostat und dem für die Dienstaufsicht zuständigen Mitglied der
Kommission. Er gibt jedoch zu verstehen, dass die Verwicklung des Generaldirektors von Eurostat
sowie die eines anderen hohen Beamten in die Unregelmäßigkeiten keinem Zweifel unterliege.
327 Er führt z. B. aus: „Trotz der Anweisungen der früheren Kommission, sich aus diesen Organen
zurückzuziehen, … setzt[e] der Generaldirektor die Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen in
anderen Formen und mit anderen Modalitäten fort. Es kam deshalb zu Regelwidrigkeiten. In einer
Reihe von Auditberichten … wurden teils schwerwiegende oder sehr schwerwiegende Verstöße gegen
die geltenden Vorschriften mit abträglichen Auswirkungen für die finanziellen Interessen der Union
hervorgehoben.“ Diese Tatsachen seien der Kommission „in ihrer ganzen Schwere und Bedeutung im
Mai 2003 mit dem ersten Sachvermerk [des] OLAF an den Generalsekretär“ bekannt geworden. Er fügt
hinzu: „Neben der Schwere des Sachverhalts war der beispiellose und bestürzendste Umstand die
Beteiligung des Generaldirektors von Eurostat selbst und eines anderen hohen Beamten an der Sache
Datashops. Ein wichtiges Glied der Kette brach: das berechtigte Vertrauen der politischen Ebene zu
einem Generaldirektor, was ein ganz anderes Licht auf den gesamten Vorgang Eurostat warf und eine
gründliche Überprüfung der gesamten Chronologie der Ereignisse erforderlich machte“.
328 Er zieht hieraus insbesondere die Lehre, dass die betreffenden Tatsachen, „von ihrer etwaigen
strafrechtlichen Einstufung abgesehen, eine Anhäufung von unzulässigen Praktiken, Laxheit, … sogar
Amateurhaftigkeit in Verwaltung und Kontrolle, von offenkundigen Unregelmäßigkeiten und
Betrugsrisiken, wenn nicht von richtigen Betrügereien, darstellen. Dies alles mit Billigung der höchsten
Hierarchieebene von Eurostat.“
329 Zur fehlenden Kommunikation zwischen dem Generaldirektor von Eurostat und dem mit der
Dienstaufsicht befassten Mitglied der Kommission stellt der Präsident der Kommission fest, dass von
dem Zeitpunkt an, als sein Kabinett auf seinen Wunsch im Anschluss an die Veröffentlichung der
Mitteilung des OLAF, dass den luxemburgischen Justizbehörden Akten zu Eurostat übermittelt worden
seien, im Juli 2002 einen „Briefing-Vermerk“ erhalten habe, „dem Kabinett einige Puzzlestücke zur
Verfügung standen, die aber allein nicht ausreichten, um eine Reaktion auszulösen, weil immer noch
das wichtigste Element fehlte“, nämlich „die Beteiligung des Generaldirektors selbst“. Er räumt ferner
ein: „Jeder mag, anhand seiner eigenen Verwaltungskultur, diesen offensichtlichen Mangel an
Kommunikation und damit an Reaktion beurteilen. Manche mögen annehmen, dass es Sache des
Kabinetts gewesen wäre, wachsamer zu sein und eine Information, die der Generaldirektor nicht aus
freien Stücken gab, von ihm zu fordern“. Für seinen Teil ist er indessen der Meinung, dass Folgendes
geklärt werden müsse: „Wer hatte ein Interesse daran, die Wahrheit über Tatsachen zu verschleiern,
die in die Vergangenheit zurückreichten? Sicher nicht [das Mitglied der Kommission].“
330 Diesen Passagen ist eindeutig zu entnehmen, dass der Präsident der Kommission zwar Herrn
Franchet nicht namentlich beschuldigte, für die Unregelmäßigkeiten verantwortlich zu sein, ihm jedoch
vorwarf, solche Unregelmäßigkeiten zugelassen zu haben, so dass dessen Verantwortlichkeit für ihn
keinem Zweifel unterlag. Außerdem beschuldigt er ihn recht deutlich, die Wahrheit über die fraglichen
Vorgänge verschleiert zu haben. Ebenso erwähnt er im Zusammenhang mit dem Vorgang Datashop
„einen anderen hohen Beamten“, womit unzweifelhaft Herr Byk gemeint ist, dessen Namen die
Kommission bereits selbst in die Öffentlichkeit getragen hatte.
331 Demgemäß ist davon auszugehen, dass der Präsident der Kommission bei dieser Rede die
Grundrechte der Kläger und insbesondere den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht voll
beachtete, weil darin enthaltene Äußerungen wie etwa „[d]ies alles mit Billigung der höchsten
Hierarchieebene von Eurostat“ und „die Beteiligung des Generaldirektors von Eurostat selbst und
eines anderen hohen Beamten“ den Eindruck vermitteln, dass den Klägern die dort genannten
Machenschaften anzulasten sind. Ein solches Verhalten stellt eine hinreichend qualifizierte Verletzung
dieses Grundsatzes dar, mit dem Einzelnen Rechte verliehen werden.
332 Demgemäß hat die Kommission mit ihrer Pressemitteilung vom 9. Juli 2003 und durch die Rede ihres
Präsidenten vom 25. September 2003 Verstöße gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung
begangen, die hinreichend qualifiziert sind, um die Haftung der Gemeinschaft zu begründen.
2. Zu den Disziplinarverfahren
a) Vorbringen der Parteien
333 Die Kläger werfen der Kommission ein widersprüchliches Verhalten vor. Sie habe nämlich die Eröffnung
von Disziplinarverfahren beschlossen, um sie alsbald in Erwartung der Ergebnisse der von ihr initiierten
Verwaltungsuntersuchungen wieder auszusetzen; dieses Verhalten sei umso unverständlicher, als die
Eröffnung dieser Disziplinarverfahren auf Tatsachen beruht habe, die keine anderen seien als die, in
deren Kontext die Kommission beschlossen habe, den Klägern Beistand zu leisten. Die Erhebung einer
strafgerichtlichen Anklage hindere das Organ nicht an der Fortsetzung des Disziplinarverfahrens, da
eine etwaige Disziplinarstrafe erst verhängt werden könne, wenn das vor den nationalen
Justizbehörden durchgeführte Strafverfahren beendet sei.
334 Die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens vor Abschluss der internen Untersuchungen habe keinen
Sinn und widerspreche dem Grundsatz des guten Verwaltungshandelns. Nach den allgemeinen
Durchführungsvorschriften
für
die
Durchführung
von
Verwaltungsuntersuchungen
und
Disziplinarverfahren (veröffentlicht in den Nr. 86‑2004 vom 30. Juni 2004) solle
der Generaldirektor für Personal und Verwaltung das Disziplinarverfahren nach dem Bericht des
Untersuchungs- und Disziplinaramts der Kommission (IDOC) oder gegebenenfalls unmittelbar nach dem
Bericht des OLAF eröffnen.
335 Im vorliegenden Fall habe die Kommission aber, indem sie am 9. Juli 2003 vielfältige und parallele
Untersuchungen auf den Weg gebracht und Disziplinarverfahren eröffnet habe, panisch reagiert, „um
die Gemüter zu beruhigen“, wie sich aus den Worten des Vorsitzenden des Überwachungsausschusses
des OLAF aus Anlass der Äußerung des Generalsekretärs der Kommission in der Sitzung des
Überwachungsausschusses vom 3. September 2003 ergebe. Die Kommission hätte daher vor ihrer
Äußerung zur Frage der Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen die Kläger den Ausgang der von
ihr in Auftrag gegebenen internen Untersuchungen und den Ausgang der Arbeiten des OLAF sowie
den noch nicht erfolgten Beginn der Arbeiten des IDOC und deren Ergebnisse abwarten müssen.
336 Selbst wenn die Entscheidung, die Disziplinarverfahren zu eröffnen, kein beschwerender Akt sei,
könne sie doch wegen der Rufschädigung, die sie notwendig mit sich bringe, einen Schaden
herbeiführen.
337 Die Kommission unterstreicht, dass die Entscheidung zur Eröffnung eines Disziplinarverfahrens nur ein
vorbereitender Verfahrensabschnitt sei, der dem endgültigen Standpunkt der Verwaltung nicht
vorgreife und somit nicht als beschwerender Akt betrachtet werden könne. Außerdem hätten die
Kläger nicht dargetan, dass die Maßnahmen der Anstellungsbehörde nicht rechtmäßig seien; vielmehr
würden die Beanstandungen der Anstellungsbehörde zur Begründung der Eröffnung von
Disziplinarverfahren durch mehrere Berichte und die vom OLAF mit seinen Vermerken vom 3. und 19.
April 2003 übermittelten Informationen untermauert.
338 Die Aussetzung der Disziplinarverfahren gegen die Kläger sei angezeigt gewesen, um etwaige
Überschneidungen zwischen diesen Verfahren und den bereits wegen ähnlicher Vorgänge eröffneten
Strafverfahren
zu
vermeiden,
zumal
die
nationalen
Justizbehörden
über
andere
Ermittlungsmöglichkeiten verfügten als die Verwaltungsbehörden.
b) Würdigung durch das Gericht
339 Die Kläger werfen der Kommission vor, sie habe zum einen die Eröffnung von Disziplinarverfahren
beschlossen, um sie alsbald in Erwartung der Ergebnisse der Verwaltungsuntersuchungen wieder
auszusetzen, und zum anderen die Disziplinarverfahren vor Abschluss der internen Untersuchungen
eröffnet.
340 Vorab ist klarzustellen, dass der Beschluss der Anstellungsbehörde, ein Disziplinarverfahren zu
eröffnen, nur ein vorbereitender Verfahrensabschnitt ist. Er greift dem endgültigen Standpunkt der
Verwaltung nicht vor und kann somit nicht als beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 91 des
Statuts betrachtet werden. Er kann daher nur inzidenter im Rahmen einer Klage angefochten werden,
die sich gegen eine endgültige und den Beamten beschwerende Disziplinarentscheidung richtet (Urteil
des Gerichts vom 13. März 2003, Pessoa e Costa/Kommission, T‑166/02, Slg. ÖD 2003, I‑A‑89 und
II‑471, Randnr. 37).
341 Zunächst ist zur Aussetzung der Disziplinarverfahren darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 88 Abs. 5
des Statuts, wenn „gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet
worden [ist], … seine Rechtsstellung erst dann endgültig geregelt [wird], wenn das Urteil des
Gerichtes rechtskräftig geworden ist“. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es der
Anstellungsbehörde verwehrt ist, die disziplinarrechtliche Stellung des betreffenden Beamten durch
Entscheidungen über Vorgänge, die gleichzeitig Gegenstand eines Strafverfahrens sind, endgültig zu
regeln, solange die von dem befassten Strafgericht erlassene Entscheidung nicht rechtskräftig
geworden ist (Urteil Pessoa e Costa/Kommission, oben in Randnr. 340 angeführt, Randnr. 45). Im
Unterschied zu Art. 7 Abs. 2 des Anhangs IX des Statuts, wonach der Disziplinarrat im Fall der
Strafverfolgung vor einem Strafgericht beschließen kann, die Abgabe seiner Stellungnahme so lange
auszusetzen, bis die Entscheidung des Gerichts ergangen ist, räumt somit Art. 88 Abs. 5 des Statuts
der Anstellungsbehörde, die die Rechtsstellung des Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren
eingeleitet wurde, endgültig zu regeln hat, kein Ermessen ein (Urteile des Gerichts vom 19. März 1998,
Tzoanos/Kommission, T‑74/96, Slg. ÖD 1998, I‑A‑129 und II‑343, Randnrn. 32 und 33, und vom 10. Juni
2004, François/Kommission, T‑307/01, Slg. 2004, II‑1669, Randnr. 59).
342 Mit Art. 88 Abs. 5 des Statuts werden zwei Zwecke verfolgt. Zum einen entspricht dieser Artikel dem
Bestreben, die Stellung des betreffenden Beamten in einem Strafverfahren, das aufgrund von
Handlungen eröffnet wurde, die auch Gegenstand eines gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens
seines Gemeinschaftsorgans sind, nicht zu beeinträchtigen (Urteil Tzoanos/Kommission, oben in
Randnr. 341 angeführt, Randnr. 34). Zum anderen ermöglicht die Aussetzung des Disziplinarverfahrens
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens eine Berücksichtigung der tatsächlichen
Feststellungen des Strafgerichts im Disziplinarverfahren. Art. 88 Abs. 5 des Statuts schreibt den
Grundsatz fest, dass das Strafverfahren das Disziplinarverfahren hemmt, was insbesondere dadurch
gerechtfertigt ist, dass die nationalen Strafgerichte über weiter gehende Untersuchungsbefugnisse
verfügen als die Anstellungsbehörde (Urteil des Gerichts vom 21. November 2000, A/Kommission,
T‑23/00, Slg. ÖD 2000, I‑A‑263 und II‑1211, Randnr. 37). Daher ist die Verwaltung in Fällen, in denen
dieselben Handlungen sowohl einen Straftatbestand verwirklichen als auch eine Verletzung der
Dienstpflichten des Beamten darstellen können, an die vom Strafgericht im Strafverfahren getroffenen
Tatsachenfeststellungen gebunden. Hat das Strafgericht die Tatsachen festgestellt, kann die
Verwaltung diese anschließend unter den Begriff der disziplinarrechtlich zu ahndenden
Pflichtverletzung subsumieren und dabei insbesondere prüfen, ob sie den Tatbestand einer Verletzung
von Dienstpflichten verwirklichen (Urteil François/Kommission, oben in Randnr. 341 angeführt, Randnr.
75).
343 Da im vorliegenden Fall feststeht, dass die gegen die Kläger eröffneten Disziplinarverfahren zumindest
teilweise dieselben Sachverhalte wie die Strafverfahren betrafen, war es der Kommission verwehrt,
disziplinarrechtlich endgültig über die Rechtsstellung der Kläger zu entscheiden, solange kein
rechtskräftiges Urteil der Strafgerichte ergangen war (vgl. in diesem Sinne Urteil François/Kommission,
oben in Randnr. 341 angeführt, Randnr. 73).
344 Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, die gegen die Kläger
eröffneten Disziplinarverfahren ausgesetzt zu haben; sie war dazu im Gegenteil sogar verpflichtet.
345 Was sodann die Tatsache betrifft, dass die Kommission die Disziplinarverfahren vor Abschluss der
internen Untersuchungen eröffnete, gilt zwar gemäß Art. 4 Abs. 2 der allgemeinen
Durchführungsvorschriften
für
die
Durchführung
von
Verwaltungsuntersuchungen
und
Disziplinarverfahren Folgendes:
„Vor Einleitung der Untersuchung wendet sich der Generaldirektor für Personal und Verwaltung an das
[OLAF], um sicherzugehen, dass das OLAF nicht bereits seinerseits eine Untersuchung vornimmt oder
dies vorhat. Solange [das] OLAF eine Untersuchung im Sinne der Verordnung Nr. 1073/1999
durchführt, wird keine Verwaltungsuntersuchung gemäß Absatz 1 bezüglich derselben Tatsachen
eingeleitet.“
346 Somit kann nach dieser Vorschrift ein Disziplinarverfahren so lange nicht eröffnet werden, wie eine
Untersuchung des OLAF bezüglich derselben Tatsachen noch im Gange ist. Dieser Beschluss war aber
zum Zeitpunkt der Entscheidungen über die Eröffnung von Disziplinarverfahren am 9. Juli 2003 noch
nicht in Kraft. Die einschlägige Vorschrift war zu diesem Zeitpunkt Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses
C(2002)
540
der
Kommission
vom
19.
Februar
2002
über
die
Durchführung
von
Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren; er lautet:
„Vor Einleitung der Untersuchung hält der Generaldirektor für Personal und Verwaltung Rücksprache
mit dem [OLAF], um festzustellen, ob dieses nicht eine Untersuchung eingeleitet hat oder plant.“
347 Auch wenn diese Vorschrift kein ausdrückliches Verbot enthielt, das Disziplinarverfahren zu eröffnen,
bevor das OLAF seine Untersuchung derselben Vorgänge abgeschlossen hatte, so ist doch zu fragen,
welchen Nutzen diese Vorschrift hätte, wenn man sie nicht in diesem Sinne auslegt. Wenn nämlich
vorgesehen war, dass der Generaldirektor für Personal und Verwaltung sich zu vergewissern hatte,
dass das OLAF nicht selbst bereits eine Untersuchung durchführte oder plante, hätte das bedeutet,
dass, falls dies der Fall sein sollte, eine Disziplinaruntersuchung noch nicht eröffnet werden konnte.
348 Weiter bestimmte Art. 5 Abs. 7 des Beschlusses C(2002) 540, dass die Anstellungsbehörde, wenn sie
einen Untersuchungsbericht des OLAF erhält, diesen erforderlichenfalls während eines Zeitraumes von
mindestens zwei Wochen prüft und, falls sie es für angebracht hält, das OLAF ersucht, den Bericht zu
ergänzen oder eine zusätzliche Verwaltungsuntersuchung durchzuführen. Mithin traf die
Anstellungsbehörde aufgrund dieses Untersuchungsberichts des OLAF ihre Entscheidung, unter
Umständen eine Verwaltungsuntersuchung einzuleiten und gegebenenfalls ein Disziplinarverfahren zu
eröffnen.
349 Außerdem haben die Organe nach Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 die gemäß den
Ergebnissen
der
internen
Untersuchungen
des
OLAF
erforderlichen,
insbesondere
disziplinarrechtlichen und justiziellen Folgemaßnahmen zu ergreifen.
350 Demgemäß ist davon auszugehen, dass die Kommission am 9. Juli 2003 die Eröffnung der
Disziplinarverfahren nicht hätte beschließen dürfen, da die Untersuchungen des OLAF über dieselben
Vorgänge noch nicht abgeschlossen waren. Sie hätte einen solchen Beschluss erst nach Erhalt der
Abschlussberichte der Untersuchungen am 25. September 2003 fassen dürfen.
351 Damit hat die Kommission gegen die für das Disziplinarverfahren geltenden Regeln verstoßen, die ihr
die Eröffnung des Disziplinarverfahrens vor Abschluss der Untersuchungen des OLAF verwehren.
352 Diese Regeln verfolgen insbesondere den Zweck, den betroffenen Beamten zu schützen, indem sie
sicherstellen, dass die Anstellungsbehörde, bevor sie ein Disziplinarverfahren eröffnet, über genaue
und sachdienliche, insbesondere entlastende Angaben verfügt, die bei der Untersuchung des OLAF,
das über weitreichende Ermittlungsmöglichkeiten verfügt, zusammengetragen wurden. Folglich handelt
es sich bei den vorstehend genannten Regeln für das Disziplinarverfahren um Rechtsnormen, die dem
Einzelnen Rechte verleihen.
353 Außerdem handelt es sich um eine hinreichend qualifizierte Verletzung dieser Regeln, weil der
Kommission bei der ihr obliegenden Verpflichtung zur Einhaltung der Regeln über das
Disziplinarverfahren kein Gestaltungsspielraum zusteht. Im Übrigen lässt sich nach den Akten nicht
völlig ausschließen, dass die Kommission diese Disziplinarverfahren, wie die Kläger geltend machen,
eröffnet haben könnte, um „die Gemüter zu beruhigen“. Somit hat die Kommission mit der Eröffnung
der Disziplinarverfahren vor Beendigung der Untersuchungen die Interessen der Kläger nicht
genügend berücksichtigt.
3. Zu den einzelnen Untersuchungen der Kommission und ihrem Ablauf
a) Vorbringen der Parteien
354 Die Kläger machen geltend, ihre Grundrechte könnten durch die Einrichtung der Task-Force verletzt
worden sein, weil diese aus Beamten bestehe, die nicht dem OLAF angehörten und daher nicht den
strengen Vorschriften unterlägen, die für die Beamten des OLAF gemäß Art. 6 der Verordnung
Nr. 1073/2003 bezüglich Ermächtigung, Auftrag und Vertraulichkeit gälten, auch wenn die Task-Force
am 23. Juli 2003 unmittelbar dem Generaldirektor des OLAF unterstellt worden sei. Da die Kommission
darüber hinaus beschlossen habe, die Kapazitäten des OLAF für den Vorgang Eurostat um 20
Einheiten zu erhöhen, sei das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Arbeitsgruppen nicht bekannt
geworden.
355 Die durch die Verfahren entstandene Verwirrung sei eine Folge der Vielzahl von
Verwaltungsuntersuchungen. Bei dem Vorgang Eurostat seien mindestens acht Untersuchungen
parallel geführt worden: mindestens fünf Untersuchungen durch das OLAF, eine Untersuchung durch
den IAS, eine durch die Task-Force und eine durch die Generaldirektion (GD) „Haushalt“ der
Kommission. Ferner seien zwei nationale Justizbehörden befasst worden. Diese verschiedenen
Untersuchungen, ihre Modalitäten und Überschneidungen hätten mehrere Fragen aufgeworfen, wie
etwa die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungen im Hinblick auf die Kosten.
356 Das Schreiben des Generalsekretärs der Kommission vom 10. Oktober 2003 antworte insoweit nicht
auf ihre Fragen. Zweck der Task-Force sei es bis zum 23. Juli 2003 gewesen, die internen und externen
Aspekte der Untersuchungen des OLAF zu übernehmen und eine Verwaltungsuntersuchung mit dem
Ziel durchzuführen, die Haftung des Personals für finanzielle Unregelmäßigkeiten zu ermitteln. In ihrem
Bericht vom 24. September 2003 mit dem Titel „Bericht der Task-Force Eurostat (TFES) –
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen“ habe diese Task‑Force eine Reihe von Problemen und
Fragestellungen hervorgehoben, die tatsächlich die Kläger und auf jeden Fall Herrn Franchet beträfen.
357 Der Task-Force sei Personal des IDOC nicht ohne Hintergedanken zur Verfügung gestellt worden; dies
sei auch nicht ohne Auswirkungen auf die Verwaltungsuntersuchung geblieben, die das IDOC
möglicherweise für den Vorgang Eurostat durchzuführen haben würde. Da nämlich die Task-Force
notwendigerweise Fragen untersucht habe, die die Kläger betroffen und auf ihre persönliche
Implikation abgezielt hätten, habe das IDOC anscheinend eine Untersuchung außerhalb seines
organisatorischen Rahmens durchgeführt.
358 Außerdem habe die Kommission gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.
Im Verlauf der zahlreichen von der Kommission eröffneten Untersuchungen seien die Kläger nie
angehört worden. Ihnen sei allein die Möglichkeit geboten worden, zu dem Bericht der GD „Haushalt“
vom Juni 2003 Stellung zu nehmen.
359 Dieses Verhalten zeige einen chronischen Mangel an Kommunikation und Transparenz im Verhältnis zu
Eurostat. Man müsse sich fragen, weshalb der Finanzprüfer sich nie an Eurostat gewandt habe, um
Erklärungen oder einen Gedankenaustausch im Anschluss an die Übermittlung des Auditberichts
Datashop zu verlangen, und sich stattdessen mit besonders alarmierenden Worten unmittelbar an das
OLAF gewandt habe. Der Finanzprüfer habe für Eurostat keine Kopie seines Vermerks vom 2. März 2000
an das OLAF behalten, und dies entgegen den Empfehlungen in diesem Vermerk. Ebenso wenig habe
er Eurostat jemals zu etwaigen Mängeln der Verwaltungs- und Kontrollmechanismen befragt, obwohl
er, der IAS und die GD „Haushalt“ 2003 solche Vorwürfe erhoben hätten. Wenn diese Vorwürfe
begründet gewesen wären und es für die schweren Vorwürfe, die der Präsident der Kommission
erhoben und öffentlich gemacht habe, wirklich Anlass gegeben hätte, hätten diese Dienststellen das
zuständige Mitglied der Kommission befassen müssen. Sie seien indessen mehrere Jahre lang untätig
geblieben. Nichts könne das wiederholte Untätigbleiben der Kommission rechtfertigen.
360 Die Kläger verweisen ferner auf zwei parlamentarische Anfragen an die Kommission vom Juli und
Oktober 2003, die die in Bezug auf die Verhaltensweisen der Kommission und des OLAF in der Sache
Eurostat sowie die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidungen entstandene Verwunderung
belegten. Auch die Presse habe die von der Kommission und vom OLAF angerichteten „Schäden“
ermessen können.
361 Die Kommission trägt zur Einrichtung der Task-Force vor, dass ihr Generalsekretär sich gegenüber
den Klägern zu diesem Punkt in seinem Schreiben vom 10. Oktober 2003 ausführlich geäußert habe.
Außerdem ergebe sich eindeutig aus dem Bericht der Task-Force vom 24. September 2003, dass diese
ihre Arbeiten auf systembedingte Funktionsstörungen konzentriert und keine personenbezogenen
Schlussfolgerungen gezogen habe. Die Bestimmung von Mitgliedern des IDOC zu Mitarbeitern der Task-
Force sei erfolgt, um die Palette der Kompetenzen der Task-Force zu bereichern. Sie sei
möglich gewesen, weil die Tätigkeiten der Task‑Force nicht in den Anwendungsbereich des
Beschlusses
C(2002)
540
hineingereicht,
sondern
eine
andere
Zielsetzung
als
Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren gehabt hätten, nämlich systembedingte
Funktionsstörungen aufzudecken.
362 Auf jeden Fall stehe es den Klägern nicht zu, über die Zweckmäßigkeit der Entscheidung der
Kommission zu befinden, wie interne Untersuchungen zur Aufklärung der Gesamtheit der Tätigkeiten
von Eurostat durchzuführen seien, weil diese verschiedenen Untersuchungen ihre Individualrechte
nicht beeinträchtigt hätten.
363 Bezüglich des Rechts auf Anhörung räumten die Kläger selbst ein, dass sie die Möglichkeit gehabt
hätten, zum Bericht der GD „Haushalt“ vom Juni 2003 Stellung zu nehmen.
364 Schließlich könne sich die Kommission zu diesem Zeitpunkt nicht zu Behauptungen äußern, die sich
insbesondere auf den Inhalt von Anschuldigungen bezögen, die für sie Anlass für die Eröffnung von
Disziplinarverfahren gegen die Kläger gewesen seien. Allein im Rahmen dieser Verfahren werde das
Vorbringen der Kläger, mit dem die Grundlosigkeit der gegen sie erhobenen Vorwürfe dargetan werden
solle, unter Beachtung der Verteidigungsrechte geprüft.
b) Würdigung durch das Gericht
365 Was erstens die Einrichtung der Task-Force betrifft, genügt die Feststellung, dass die Kläger nicht
konkret dargetan haben, inwiefern die bloße Einrichtung der Task-Force ihre Grundrechte verletzt und
eine etwa fehlende Zweckmäßigkeit der Einrichtung der Task-Force ihre Rechte unmittelbar
beeinträchtigt haben soll. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.
366 Was zweitens die Vielzahl der Untersuchungen angeht, genügt ebenfalls die Feststellung, dass die
Kläger nicht konkret dargetan haben, inwiefern die bloße Eröffnung und die Existenz dieser
verschiedenen Untersuchungen eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer Rechtsnorm darstellen
sollen, die ihnen Rechte verleiht. Selbst wenn dadurch tatsächlich Verwirrung entstanden sein sollte,
wäre es – wie die Kommission feststellt – nicht Sache der Kläger, über die Zweckmäßigkeit der
Entscheidung der Kommission zu urteilen, wie interne Untersuchungen zur Aufklärung der Gesamtheit
der Tätigkeiten von Eurostat durchzuführen sind. Außerdem fällt die Frage der Verhältnismäßigkeit der
Untersuchungen im Hinblick auf die Kosten nicht unter eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte
verleiht. Mithin ist das Vorbringen zur Vielzahl der Untersuchungen zurückzuweisen.
367 Was drittens den Vorwurf einer Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung durch
die Kommission betrifft, die darin bestehen soll, dass sie die Kläger im Rahmen der zahlreichen von ihr
eröffneten Untersuchungen nie angehört habe, genügt die Feststellung, dass das Anhörungsrecht
der Kläger bereits vorstehend bei der Prüfung ihres konkreten Vorbringens zu diesem Punkt
untersucht worden ist. Es ist lediglich darauf hinzuweisen, dass sich die Kläger, weil es sich nicht um
sie beschwerende Maßnahmen der Kommission handelte, nicht mit Erfolg auf den Grundsatz der
Wahrung der Verteidigungsrechte berufen können, um zu beanstanden, dass sie vor der Erstellung
der Berichte oder Vermerke im Rahmen der verschiedenen Untersuchungen nicht angehört worden
seien.
368 Was schließlich die übrigen allgemeinen Beanstandungen des Verhaltens der Kommission betrifft,
genügt die Feststellung, dass die Kläger abermals nicht das Vorliegen einer hinreichend qualifizierten
Verletzung einer Rechtsnorm dargelegt haben, die ihnen Rechte verleiht.
4. Zur Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten
a) Vorbringen der Parteien
369 Die Kläger machen geltend, dass die Kommission sich weigere, ihnen ihr vorliegende Dokumente
zugänglich zu machen, die vom OLAF stammten; damit beeinträchtige sie das Grundrecht auf Zugang
zu Dokumenten, wie es in Art. 255 EG, Art. 41 der Charta und der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des
Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des
Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) verankert sei.
370 Die Kläger verweisen auf ihre auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Klagen in den
verbundenen Rechtssachen T-391/03 und T-70/04. Sie betonen jedoch, dass ihr Vorwurf im Rahmen
der vorliegenden Klage unabhängig von der Verordnung Nr. 1049/2001 sei, weil sie damit ihr eigenes
Interesse, unabhängig vom Recht jedes Bürgers auf Zugang zu Dokumenten der Kommission, geltend
machten. Sie hätten wegen ihrer persönlichen Situation im Rahmen der Sache Eurostat ein ganz
spezielles Interesse an der Übermittlung der Dokumente, die im Besitz der Kommission seien und vom
OLAF stammten.
371 Die Kommission habe sich insbesondere geweigert, ihnen das Schreiben und den Vermerk vom 19.
März 2003 an die französischen Justizbehörden zu übermitteln und dies im Schreiben vom 10. Oktober
2003 damit gerechtfertigt, dass sie integraler Bestandteil eines Ermittlungsverfahrens auf nationaler
Ebene seien. Es handele sich aber um wichtige Dokumente im Rahmen dieses Vorgangs, die ihnen
ermöglichen könnten, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Kommission und ihrer Verwaltungsstelle,
des OLAF, zu beurteilen und dagegen Einwände zu erheben sowie ihre Rechte zu verteidigen.
372 Die Kommission verweist lediglich darauf, dass die Kläger in den verbundenen Rechtssachen T-391/03
und T-70/04 auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützte Klagen erhoben hätten, und unterstreicht,
dass ihr Antrag auf Zugang und seine Ablehnung in den Rahmen dieser Verordnung gehörten.
b) Würdigung durch das Gericht
373 Der Antrag der Kläger gehört, soweit sie Zugang zu Dokumenten auf der Grundlage der Verordnung
Nr. 1049/2001 beanspruchen, nicht zum vorliegenden Verfahren, da dieser Klageanspruch bereits im
Rahmen des Urteils des Gerichts vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission (T‑391/03 und
T‑70/04, Slg. 2006, II‑2023), behandelt worden ist.
374 Soweit die Kläger außerdem ihr spezielles Interesse geltend machen, genügt die Feststellung, dass
sie im vorliegenden Verfahren zu dem Schreiben und dem Vermerk vom 19. März 2003, die den
französischen Justizbehörden übermittelt wurden, Zugang erhalten haben und daher ihre Rechte
wirksam verteidigen konnten. In der mündlichen Verhandlung haben sie gleichfalls Zugang zum
Vermerk des OLAF vom 16. Mai 2003 erhalten, auf den in der Pressemitteilung vom 19. Mai 2003 Bezug
genommen wird, und haben daher ihre Rechte wirksam verteidigen können.
375 Somit ist nicht mehr über den Antrag auf Zugang zu Dokumenten des OLAF im Besitz der Kommission
zu entscheiden.
376 Nach alledem hat die Kommission mehrere Rechtsverstöße begangen, die die Haftung der
Gemeinschaft auslösen können. Diese Rechtsverstöße bestehen in der Veröffentlichung der
Pressemitteilung vom 9. Juli 2003, der Rede ihres Präsidenten vom 25. September 2003 und der
Eröffnung von Disziplinarverfahren vor Abschluss der Untersuchungen.
377 Somit ist der Eintritt der geltend gemachten Schäden und das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs
zwischen den vom Gericht festgestellten Rechtsverstößen und den eingetretenen Schäden zu prüfen.
378 Angesichts der unter den Umständen des vorliegenden Falles besonders engen Verbindung zwischen
der Frage, ob die Kläger einen ersatzfähigen Schaden erlitten haben, und der Frage des
Kausalzusammenhangs zwischen den festgestellten Rechtsverletzungen und dem geltend gemachten
Schaden sind diese beiden Fragen gemeinsam zu behandeln.
1. Vorbringen der Parteien
a) Zum immateriellen Schaden
379 Die Kläger machen zunächst geltend, dass ihr berufliches Ansehen, das sowohl bei Eurostat und der
Kommission als auch außerhalb dieses Organs allseits anerkannt und geschätzt worden sei, „öffentlich
und schwerwiegend beschmutzt wurde“. Sie seien ohne Vorwarnung und ohne Anhörung „in einer
überstürzten Abwehrreaktion verunglimpft“ worden, die der gesamten Hierarchie unwürdig sei.
Außerdem hätten die heftigen Angriffe gegen die Kläger in einem bestimmten Teil der deutschen
Presse, die Äußerungen im Parlament und von bestimmten Beamten verbreitet habe, denen jeder
Bezug zur Realität fehle, sie gezwungen, am 21. Mai 2003 Verleumdungsklagen zu erheben.
380 Ihnen seien somit eine Zurückweisung in ihrem beruflichen Umfeld und ein nicht
wiedergutzumachender Angriff auf ihren Ruf widerfahren. Sie hätten eine regelrechte „berufliche
Hinrichtung“ erlitten. Insoweit sei auf die Äußerung des Generalsekretärs der Kommission vor dem
Überwachungsausschuss des OLAF am 3. September 2003 zu verweisen.
381 Bei Herrn Franchet, der im März 2004 in den Ruhestand versetzt worden sei, sei es zu einem totalen
und brutalen Bruch jeder Beziehung zu seinen Mitarbeitern, seinen Partnern und seinem beruflichen
Umfeld gekommen. In aggressiver und ungerechter Weise sei „Tratsch“ über ihn verbreitet worden.
382 Herr Byk sei zwar vom Auswahlausschuss als der beste Bewerber für den Dienstposten eines Direktors
bei Eurostat ausgewählt worden, auf den er sich nach der dortigen Neuorganisation beworben habe,
doch habe er wegen des gegen ihn eröffneten Verfahrens nicht ernannt werden können. Nach seiner
Versetzung in die GD „Personal und Verwaltung“ habe er jede Perspektive und jede Hoffnung, eines
Tages wieder eine seiner Spezialisierung und seiner Erfahrung entsprechende Beschäftigung zu
finden, aufgeben müssen. Die in der Presse verbreiteten unberechtigten Anschuldigungen hätten
immenses Leid und Verzweiflung hervorgerufen.
383 Die Kläger verweisen im Übrigen auf die schwerwiegenden Konsequenzen für ihr privates und
gesellschaftliches Leben. Die ihnen nahe stehenden Personen hätten sich Fragen gestellt. Außerdem
habe der Gesundheitszustand der Kläger gelitten; Herr Byk habe – möglicherweise wegen der Angst
und der nervlichen Belastung infolge der Sache Eurostat – einen Schlaganfall erlitten. Sie seien Opfer
eines politischen Spiels um sie herum geworden, das sie weitgehend unter Beachtung ihrer Pflicht zur
Zurückhaltung ertragen hätten.
384 Die Kläger beziffern ihren immateriellen Schaden entsprechend der Schwere der Rechtsverstöße der
Kommission und des OLAF sowie deren Auswirkungen auf ihre physische und psychische Gesundheit
vorläufig auf 800 000 Euro. Dieser Betrag sei zu gleichen Teilen auf die Kläger zu verteilen, da sie unter
den gleichen Bedingungen denselben Rechtsverstößen zum Opfer gefallen seien; die Auswirkungen
auf ihren Gesundheitszustand unterschieden sich zwar geringfügig, müssten aber als gleichwertig
eingestuft werden.
385 Wenn die Kommission und das OLAF gleich nach Erhalt der internen Auditberichte, die ihnen Herr
Franchet für die fraglichen Vorgänge schon 2000 übermittelt habe, reagiert hätten und wenn zu
diesem Zeitpunkt ein Dialog begonnen worden wäre, hätte es nie eine Sache Eurostat gegeben, und
niemand wäre zu Unrecht behelligt worden. Das Ausbleiben einer Reaktion der Kommission und des
OLAF sei zum größten Teil schuld an der Wendung, die die Ereignisse später genommen hätten, und
an den unberechtigten Beschuldigungen der Kläger.
386 Die Kläger unterstreichen, dass sie in den Augen aller schuldig seien, auch wenn die strafrechtlichen
Ermittlungen gegen Herrn Byk in Paris noch im Gange und die Disziplinarverfahren noch nicht
abgeschlossen seien. Die öffentliche Verurteilung ohne Gerichtsurteil und ohne wirkliche vorherige
Untersuchung sei ein schwerer Rechtsverstoß und Ursache eines beträchtlichen und noch
wachsenden immateriellen Schadens, da die Belastung anhalte. Diese öffentliche Verurteilung könnte
auch den Ausgang der Ermittlungsverfahren der französischen Justizbehörden beeinflussen.
387 Die Kommission stellt nicht in Abrede, dass die von den Klägern durchlebte Situation einen
immateriellen Schaden darstellen könne. Nicht nachvollziehbar sei aber, wie der etwaige Schaden auf
800 000 Euro beziffert worden sei und welcher Teil dieses Betrags jedem der Kläger gebühren solle
und auf welcher Grundlage.
b) Zum materiellen Schaden
388 Die Kläger sehen ihren materiellen Schaden im Wesentlichen in den erheblichen Aufwendungen, die
sie für die Wahrnehmung ihrer Rechte seit dem Zeitpunkt (Mai 2003) hätten tätigen müssen, zu dem
sie zum ersten Mal von den gegen sie erhobenen Anschuldigungen erfahren hätten.
389 Sie beziffern den materiellen Schaden – vorläufig und unter Vorbehalt der Erhöhung – auf 200 000
Euro. Dieser Schaden könne sich verringern, falls das Gericht der Kommission die gesamten Kosten
auferlegen sollte.
390 In ihrer Erwiderung führen die Kläger näher aus, dass der materielle Schaden nicht nur in der Zahlung
von Rechtsanwaltsgebühren und ‑honoraren als Verfahrenskosten bestehe. Zu ihren Lasten
verblieben erhebliche, durch die Verfahrenskosten nicht gedeckte Aufwendungen wie die Reisekosten
aufgrund der zahlreichen Fahrten zwischen Nizza und Luxemburg oder sogar Brüssel seit Beginn dieses
Verfahrens im Mai 2003. Außerdem hätten sie sich seit diesem Zeitpunkt vor dem OLAF und während
des gesamten vorgerichtlichen Antrags- und Beschwerdeverfahrens verteidigen und sich des
Beistands ihrer Rechtsanwälte bedienen müssen; diese Aufwendungen seien nicht durch die
Verfahrenskosten gedeckt. Ferner gebe es zusätzliche Aufwendungen und Ausgaben für Reisen und
französische Rechtsanwälte infolge der in Frankreich angestellten Ermittlungen. Die Kläger verweisen
ferner auf ihre Klagen im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001.
391 Auf Nachfrage des Gerichts seien die Kläger bereit, die Einzelposten ihres materiellen Schadens mit
Ausnahme der Kosten für dieses Verfahren im Detail darzulegen.
392 Nach Ansicht der Kommission haben die Kläger einen materiellen Schaden nicht schlüssig dargelegt.
Die Aufwendungen der Kläger für ihre Verteidigung seien kein materieller Schaden, sondern Kosten.
Sie könnten nur den nicht erstattungsfähigen Teil der Kosten verlangen, weil dieser auf Ausgaben
beruhe, die während des Vorverfahrens entstanden seien, und als materieller Schaden qualifiziert
werden könne.
c) Zum Kausalzusammenhang
393 Die Kläger machen geltend, dass ihr gesamter Schaden unmittelbar durch die Rechtsverstöße der
Kommission und des OLAF und der anderen Dienststellen verursacht worden sei. Sie seien z. B. zutiefst
verletzt worden durch die unerwartet gegen sie erhobenen Anwürfe, durch ihre Beschuldigung seitens
der französischen Justizbehörden ohne vorherige Untersuchung und ohne Wahrung ihrer
Verteidigungsrechte, durch das Fehlen einer vorherigen Anhörung, durch die bewusst inszenierten
und gezielt abträglichen Indiskretionen sowie durch die Einleitung der sofort wieder ausgesetzten
Disziplinarverfahren, mit denen der Kommission ermöglicht werden sollte, gegenüber dem Parlament
„das Gesicht zu wahren“.
394 Wenn die Kommission korrekt gehandelt hätte, hätte es kein Vorgehen gegen die Kläger gegeben,
und ihr Ruf wäre nicht öffentlich ruiniert worden. Sie wären nicht von ihrem Arbeitsumfeld „fallen
gelassen“ und nicht vom Präsidenten der Kommission der schlimmsten Niederträchtigkeiten bezichtigt
worden. Es hätte dann keine Sache Eurostat gegeben. Das „institutionelle Desaster“, das mit einer
Verurteilung der Kommission hätte enden müssen, habe nur durch ein solches Manöver, nämlich die
Schuldzuweisung an die Kläger, vermieden werden können. Außerdem seien die öffentlichen Anwürfe
geeignet, die Ermittlungen der französischen Justizbehörden gegen Herrn Byk nachteilig zu
beeinflussen.
395 Die Kläger fragen sich schließlich, was, wenn nicht die Art und Weise, in der sie von der Kommission
und vom OLAF behandelt worden seien, ihren Schaden verursacht haben sollte. Für sie sei es
unerklärlich, wie die Kommission einerseits anerkennen könne, dass ihnen ein echter immaterieller
Schaden entstanden sei, und andererseits den Kausalzusammenhang zwischen der Entstehung dieses
Schadens und den von ihr begangenen Rechtsverstößen leugnen könne.
396 Die Kommission wendet ein, dass die Kläger keinen Beweis für den Kausalzusammenhang erbrächten.
Die unmittelbare Ursache des Schadens der Kläger seien die Indiskretionen in der Presse; die Kläger
brächten indessen nichts vor, was belegen könne, dass diese Indiskretionen der Kommission oder
dem OLAF anzulasten seien.
2. Würdigung durch das Gericht
397 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Schaden nur dann ersatzfähig
ist, wenn er mit hinreichender Unmittelbarkeit auf das beanstandete Verhalten zurückgeführt werden
kann (Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 1979, Dumortier Frères u. a./Rat, 64/76, 113/76, 167/78,
239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, Slg. 1979, 3091, Randnr. 21; Urteile des Gerichts International
Procurement Services/Kommission, oben in Randnr. 93 angeführt, Randnr. 55, vom 25. Juni 1997,
Perillo/Kommission, T‑7/96, Slg. 1997, II‑1061, Randnr. 41, und vom 27. Juni 2000, Meyer/Kommission,
T‑72/99, Slg. 2000, II‑2521, Randnr. 49). Außerdem trägt nach ständiger Rechtsprechung der Kläger
die Beweislast für das Vorliegen des Kausalzusammenhangs im Sinne von Art. 288 Abs. 2 EG (vgl. in
diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 30. Januar 1992, Finsider u. a./Kommission, C‑363/88 und
C‑364/88, Slg. 1992, I‑359, Randnr. 25; Urteile des Gerichts vom 18. September 1995, Blackspur
u. a./Rat und Kommission, T‑168/94, Slg. 1995, II‑2627, Randnr. 40, und vom 30. September 1998,
Coldiretti u. a./Rat und Kommission, T‑149/96, Slg. 1998, II‑3841, Randnr. 101).
398 Die Rechtsverstöße des OLAF, die die Haftung der Gemeinschaft auslösen können, sind in der
Übermittlung von Informationen an die luxemburgischen und die französischen Justizbehörden ohne
vorherige Anhörung der Kläger und des Überwachungsausschusses und in den Indiskretionen im
Zusammenhang mit der Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen
Justizbehörden zu sehen (siehe oben, Randnr. 285); die Rechtsverstöße der Kommission, die die
Haftung der Gemeinschaft auslösen können, bestehen in der Veröffentlichung der Pressemitteilung
vom 9. Juli 2003, der Rede ihres Präsidenten vom 25. September 2003 und der Eröffnung von
Disziplinarverfahren vor Abschluss der Untersuchungen (siehe oben, Randnr. 376).
399 Die Kläger haben im vorliegenden Fall zwei unterschiedliche Schäden – einen immateriellen und einen
materiellen Schaden – geltend gemacht. Das Gericht wird nacheinander jede dieser Schadensarten
prüfen, um zu ermitteln, inwieweit ihr Vorliegen zum einen und der Kausalzusammenhang zwischen
jedem von ihnen und einer der rechtswidrigen Verhaltensweisen des OLAF oder der Kommission zum
anderen erwiesen ist.
a) Zum immateriellen Schaden
400 Die Übermittlung der Vorgänge Eurocost und Datashop – Planistat durch das OLAF an die nationalen
Justizbehörden ohne vorherige Anhörung der Kläger hat diesen einen Schaden zugefügt. Es hat bei
den Klägern notwendig zu einem Gefühl der Ungerechtigkeit und der Frustration geführt, dass sie
keine Gelegenheit hatten, sich zu den sie unmittelbar betreffenden Tatsachen zu äußern und sich zu
verteidigen. Dieser Schaden folgt unmittelbar aus dem rechtswidrigen Verhalten des OLAF, so dass
zwischen diesem Verhalten und dem besagten Schaden ein Kausalzusammenhang besteht.
401 Dass das OLAF seinen Überwachungsausschuss vor diesen Übermittlungen nicht unterrichtet hat, hat
den Klägern keinen weiteren Schaden zugefügt. Die Auswirkungen dieses rechtswidrigen Verhaltens
sind nämlich die gleichen wie die der unterbliebenen Anhörung der Kläger und können daher keinen
gesonderten Schaden darstellen.
402 Zu den Indiskretionen aus Anlass der Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die
französischen Justizbehörden wird selbst von der Kommission eingeräumt, dass infolge der in der
Presse veröffentlichten Informationen Ehre und berufliches Ansehen der Kläger beschädigt worden
sind. Auch die Unmittelbarkeit des Kausalzusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen Verhalten des
OLAF und dem immateriellen Schaden der Kläger steht außer Zweifel. Wenn nämlich eine vertrauliche
Information durch eine Indiskretion preisgegeben wird, ist deren Veröffentlichung die vorhersehbare
und natürliche Folge dieses rechtswidrigen Verhaltens, so dass der Kausalzusammenhang hinreichend
unmittelbar bleibt.
403 Mit der Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 9. Juli 2003 (siehe oben, Randnr. 302) hat die
Kommission Ansehen und Ehre der Kläger beschädigt (siehe oben, Randnr. 310), da sie mit dieser der
Öffentlichkeit frei zugänglichen Pressemitteilung den Eindruck vermittelt hat, dass die Kläger mit den
fraglichen Machenschaften in Verbindung zu bringen seien. Da diese Pressemitteilung von der
Kommission selbst stammt, steht das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen
diesem rechtswidrigen Verhalten der Kommission und dem immateriellen Schaden außer Zweifel.
404 Auch in Bezug auf die Rede des Präsidenten der Kommission kann nicht bestritten werden, dass er
durch seine Erklärungen vor dem Parlament Ansehen und Ehre der Kläger beschädigt hat (siehe oben,
Randnrn. 326 bis 331) und dass damit ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen den
Erklärungen und diesem Schaden besteht.
405 Dass die Kommission gegen die Kläger vor Abschluss der Untersuchungen des OLAF
Disziplinarverfahren eröffnet hat, hat eine Verletzung ihres Ansehens sowie Störungen ihres
Privatlebens bewirkt und sie in einen Zustand der Unsicherheit versetzt; dies stellt einen immateriellen
Schaden dar, der zu ersetzen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil François/Kommission, oben in Randnr. 341
angeführt, Randnr. 110). Auch wenn die Kommission die Verfahren alsbald aussetzte, blieb diese
Aussetzung ohne Auswirkung in der Öffentlichkeit, weil die Pressemitteilung vom 9. Juli 2003 lediglich
die Beschlüsse zur Eröffnung von Disziplinarverfahren erwähnte, nicht aber deren Aussetzung.
Allerdings hielt diese Unsicherheit nicht lange an, da die Untersuchungen des OLAF zwei Monate nach
Eröffnung der Disziplinarverfahren abgeschlossen waren, so dass die Kommission die Verfahren dann
hätte eröffnen können.
406 Die Kläger machen weiter geltend, dass Herr Byk, auch wenn er vom Auswahlausschuss als der beste
Bewerber für den Dienstposten eines Direktors bei Eurostat ausgewählt worden sei, auf den er sich
nach der dortigen Neuorganisation im Herbst 2003 beworben habe, wegen des gegen ihn eröffneten
Verfahrens nicht habe ernannt werden können. Das Gericht stellt hierzu fest, dass die Kläger ihr
Vorbringen nicht belegt haben. Einem Vermerk vom 5. März 2004, den die Kläger dem Gericht in
Beantwortung einer schriftlichen Frage vorgelegt haben, ist vielmehr zu entnehmen, dass drei
Bewerbungen, darunter die von Herrn Byk, die erforderlichen Voraussetzungen für diesen
Dienstposten erfüllten. Dem Vermerk ist sogar zu entnehmen, dass der Auswahlausschuss noch zwei
weiteren Bewerbern gute Qualifikationen bescheinigt hatte. Dieses Vorbringen ist daher
zurückzuweisen.
407 Auf jeden Fall bestand für Herrn Byk die Möglichkeit, die Ablehnung seiner Bewerbung anzufechten,
wenn er der Meinung war, dass sie zu Unrecht auf die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn
gestützt worden sei (vgl. in diesem Sinne Urteil Pessoa e Costa/Kommission, oben in Randnr. 340
angeführt, Randnr. 69).
408 Die Kläger machen ferner einen Schaden im Zusammenhang mit ihrem Gesundheitszustand geltend.
Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Kläger ihr Vorbringen in keiner Weise durch Unterlagen wie
etwa ärztliche Bescheinigungen belegt haben, so dass dieser Schaden nicht nachgewiesen ist.
409 Auf jeden Fall haben die Kläger nicht darzutun vermocht, dass die vorstehend festgestellten
rechtswidrigen Verhaltensweisen im Sinne der oben in Randnr. 397 angeführten Rechtsprechung die
unmittelbare Ursache einer etwaigen Beeinträchtigung ihres physischen oder psychischen
Gesundheitszustands gewesen wären. Sie haben überdies selbst auf „heftige Angriffe in einem
bestimmten Teil der deutschen Presse“ hingewiesen, die ebenfalls eine Ursache dafür sein könnten.
410 Was schließlich den Teil des immateriellen Schadens angeht, der sich auf die schweren Auswirkungen
auf ihre Angehörigen bezieht, so wird das Vorbringen der Kläger durch keine konkrete Angabe
gestützt, die das Bestehen dieser Art des geltend gemachten Schadens sowie eines
Kausalzusammenhangs zwischen dem geltend gemachten Schaden und den gegen die Kläger
gerichteten Untersuchungs- und Disziplinarverfahren belegen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil des
Gerichts vom 9. Juli 2002, Zavvos/Kommission, T‑21/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑101 und II‑483, Randnr. 334).
411 Demgemäß haben die Kläger infolge des rechtswidrigen Verhaltens des OLAF und der Kommission ein
Gefühl der Ungerechtigkeit und der Frustration hinnehmen und eine Beschädigung ihrer Ehre und
ihres beruflichen Ansehens erfahren müssen. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der
vorliegenden Rechtssache und der äußerst schweren Schädigung des Ansehens der Kläger ist dieser
Schaden mit 56 000 Euro anzusetzen.
b) Zum materiellen Schaden
412 Die Kläger machen geltend, dass ihr materieller Schaden im Wesentlichen in den erheblichen Kosten
bestehe, die sie zur Verteidigung ihrer Rechte seit dem Zeitpunkt (Mai 2003) hätten tragen müssen,
als sie zum ersten Mal von den gegen sie erhobenen Anschuldigungen erfahren hätten.
413 Das Gericht stellt fest, dass der Antrag auf Ersatz des materiellen Schadens unzulässig ist. Zwar
haben die Kläger diesen Schaden pauschal mit 200 000 Euro veranschlagt, jedoch die Einzelbeträge
des geltend gemachten Schadens nicht beziffert und das Vorliegen besonderer Umstände, die die
Unterlassung der Bezifferung des Schadens in der Klageschrift rechtfertigen könnten, weder bewiesen
noch auch nur behauptet. Insofern reicht es nicht aus, dass die Kläger vortragen, sie seien „auf
Nachfrage des Gerichts … bereit, die Einzelposten ihres materiellen Schadens mit Ausnahme der
Kosten für dieses Verfahren im Detail darzulegen“. Demzufolge entspricht der Antrag auf Ersatz des
fraglichen materiellen Schadens nicht den Anforderungen von Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung und
ist somit als unzulässig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 23.
September 2004, Hectors/Parlament, C‑150/03 P, Slg. 2004, I‑8691, Randnr. 62; Urteile des Gerichts
vom 20. September 1990, Hanning/Parlament, T‑37/89, Slg. 1990, II‑463, Randnr. 82, und vom 6. April
2006, Camós Grau/Kommission, T‑309/03, Slg. 2006, II‑1173, Randnr. 166).
414 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, wie auch die Kommission zu Recht feststellt, die Kosten,
die die Kläger für ihre Verteidigung aufgewandt haben wollen, keinen materiellen Schaden darstellen,
sondern Aufwendungen. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Aufwendungen der Parteien für das
gerichtliche Verfahren als solche keinen von der Kostenlast unterscheidbaren Schaden darstellen (vgl.
in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juni 1999, Kommission/Montorio, C‑334/97, Slg. 1999,
I‑3387, Randnr. 54).
415 Der geltend gemachte Schaden beruht, soweit es um vor Beginn des gerichtlichen Verfahrens
entstandene Rechtsanwaltsgebühren geht, in Wirklichkeit auf einer freien Entscheidung der Kläger
und kann daher nicht unmittelbar der Kommission zugerechnet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des
Gerichtshofs vom 28. Juni 2007, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑331/05 P, Slg. 2007, I‑5475,
Randnr. 27).
416 Folglich können die Kläger im Rahmen einer Schadensersatzklage nicht die Wiedergutmachung von
Schäden in Gestalt der Kosten verlangen, die im vorgerichtlichen Verwaltungsverfahren vor der
Kommission entstanden sein sollen. Gleiches gilt für die Rechtsanwaltsgebühren in Verbindung mit
dem Verfahren vor dem OLAF.
417 Etwaige Kosten, die mit den Verfahren vor nationalen Gerichten im Zusammenhang stehen, können
im vorliegenden Verfahren nicht erstattet werden, da ein Kausalzusammenhang zwischen diesem
geltend gemachten Schaden und den Rechtsverstößen des OLAF und der Kommission nicht besteht
(vgl. in diesem Sinne Urteil François/Kommission, oben in Randnr. 341 angeführt, Randnr. 109). Auf
jeden Fall fällt die Frage der Erstattung von Kosten auf nationaler Ebene in die ausschließliche
Zuständigkeit des nationalen Gerichts, das eine solche Frage, da für diesen Bereich
Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft fehlen, unter Anwendung der maßgeblichen
nationalen Rechtsvorschriften zu entscheiden hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Nölle/Rat und
Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 37).
418 Demgemäß ist festzustellen, dass der Antrag der Kläger auf Ersatz des materiellen Schadens
unzulässig, auf jeden Fall aber unbegründet ist.
Kosten
419 Gemäß Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils
obsiegt, teils unterliegt; in Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten tragen
die Organe gemäß Art. 88 der Verfahrensordnung ihre Kosten selbst.
420 Im vorliegenden Fall hat die Kommission, da der Klage teilweise stattgegeben wurde, bei gerechter
Würdigung und unter Berücksichtigung des besonderen Kontexts der Rechtssache neben ihren
eigenen Kosten die gesamten Kosten der Kläger zu tragen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Kommission wird verurteilt, an Herrn Yves Franchet und Herrn Daniel Byk 56 000
Euro zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kommission trägt die Kosten.
Jaeger
Tiili
Tchipev
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2008.
Der Kanzler
Der Präsident
E. Coulon
M. Jaeger
Inhaltsverzeichnis
Rechtlicher Rahmen
Sachverhalt
Verfahren und Anträge der Parteien
Entscheidungsgründe
I – Zum Antrag auf Entfernung bestimmter Anlagen zur Klageschrift aus den
Akten
A – Vorbringen der Parteien
B – Würdigung durch das Gericht
II – Zur Vorzeitigkeit der Klage
A – Vorbringen der Parteien
B – Würdigung durch das Gericht
III – Zur außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft
A – Zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens des OLAF
1. Zu den Rechtsverstößen aus Anlass der Übermittlung von Akten in der
Sache Eurostat an die französischen und die luxemburgischen
Justizbehörden durch das OLAF
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
Zur Einstufung der Untersuchungen
Unterrichtung der Kläger, der Kommission und des
Überwachungsausschusses des OLAF
– Unterrichtung der Kläger
– Unterrichtung der Kommission
– Unterrichtung des Überwachungsausschusses des OLAF
Einflussnahme auf die nationalen Justizbehörden
2. Zur Preisgabe von Informationen durch das OLAF
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
Zu den Indiskretionen
– Zum Vorliegen und zum Inhalt der Indiskretionen
– Analyse der Frage, ob die Preisgabe von Informationen durch das
OLAF zur Verletzung von Rechtsnormen geführt haben kann, die
dem Einzelnen Rechte verleihen
Zur Übermittlung vom 24. September 2003
Zu den Stellungnahmen des Generaldirektors des OLAF
3. Zu dem Vorwurf von Rechtsverstößen bei der Erstellung und der
Übermittlung der Vermerke und der Abschlussberichte
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
4. Zur Verweigerung des Zugangs zu bestimmten Dokumenten
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
5. Zur unangemessen langen Dauer der Bearbeitung der Sache Eurostat
und zur Missachtung der Art. 6 und 11 der Verordnung Nr. 1073/1999
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
B – Zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission
1. Zur Preisgabe von Informationen durch die Kommission
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
Zur Pressemitteilung der Kommission vom 9. Juli 2003
Zu den dem Parlament am 24. September 2003 übermittelten
Dokumenten
Zur Rede des Präsidenten der Kommission vom 25. September 2003
2. Zu den Disziplinarverfahren
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
3. Zu den einzelnen Untersuchungen der Kommission und ihrem Ablauf
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
4. Zur Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
C – Zum Schaden und zum Kausalzusammenhang
1. Vorbringen der Parteien
a) Zum immateriellen Schaden
b) Zum materiellen Schaden
c) Zum Kausalzusammenhang
2. Würdigung durch das Gericht
a) Zum immateriellen Schaden
b) Zum materiellen Schaden
Kosten
Verfahrenssprache: Französisch.