Urteil des EuG vom 12.07.2001

EuG: zugang, kommission, internationale beziehungen, vereinigte staaten, europäische union, ausnahme, verbreitung, auswärtige angelegenheiten, russische föderation, ukraine

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
12. Juli 2001
„Zugang zu Dokumenten - Beschlüsse 93/731/EG und 94/90/EGKS, EG, Euratom - Ausnahme zum Schutz des
öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen - Teilweiser Zugang“
In der Rechtssache T-204/99
Olli Mattila,
Kauppi, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Kläger,
gegen
Rat der Europäischen Union,
und
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Klage auf Nichtigerklärung der Beschlüsse der Kommission und des Rates vom 5. und 12. Juli 1999,
mit denen dem Kläger der Zugang zu bestimmten Dokumenten verwehrt wurde,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin P. Lindh sowie der Richter R. García-Valdecasas und J. D. Cooke,
Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2000,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1.
Der Rat und die Kommission billigten am 6. Dezember 1993 einen Verhaltenskodex für den Zugang
der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. L 340, S. 41; im Folgenden:
Verhaltenskodex), durch den die Grundsätze für den Zugang zu den ihnen vorliegenden Dokumenten
festgelegt werden sollen.
2.
Der Verhaltenskodex stellt folgenden allgemeinen Grundsatz auf:
„Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und
des Rates.“
3.
Dokument im Sinne des Verhaltenskodex ist „unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz des
Rates oder der Kommission befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen“.
4.
Die Umstände, auf die sich ein Gemeinschaftsorgan zur Rechtfertigung der Ablehnung eines
Antrags auf Zugang zu Dokumenten berufen kann, werden im Verhaltenskodex wie folgt aufgeführt:
„Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine
Beeinträchtigung ergeben könnte in Bezug auf
- den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen,
Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten);
...
Die Organe können ferner den Zugang verweigern, um den Schutz des Interesses des Organs in
Bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten.“
5.
Darüber hinaus bestimmt der Verhaltenskodex:
„Die Kommission und der Rat ergreifen vor dem 1. Januar 1994 jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich
die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung dieser Grundsätze.“
6.
Zur Erfüllung dieser Verpflichtung erließ der Rat am 20. Dezember 1993 den Beschluss 93/731/EG
über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (ABl. L 340, S. 43).
7.
Artikel 4 des Beschlusses 93/731 enthält bezüglich der Umstände, auf die sich der Rat zur
Rechtfertigung der Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten berufen kann, die gleiche
Regelung wie der Verhaltenskodex.
8.
Die Kommission erließ, um die Erfüllung dieser Verpflichtung zu gewährleisten, am 8. Februar 1994
den Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission
vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58). Durch Artikel 1 dieses Beschlusses wurde der in seinem
Anhang wiedergegebene Verhaltenskodex förmlich angenommen.
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt
9.
Der Kläger wandte sich am 8. März 1999 über seinen Anwalt an die Generaldirektion
„Außenbeziehungen: Europa und Neue Unabhängige Staaten, Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik, Außendienst“ der Kommission, um Zugang zu folgenden Dokumenten zu erhalten:
„- Tagesordnung des Gemischten Ausschusses EU-Russland vom 17. Februar 1997,
Sitzungsdokument Nr. 32 (Gruppe Osteuropa und Mittelasien);
- Russland, Vorbereitung des ersten Kooperationsrats im Rahmen des Partnerschafts- und
Kooperationsabkommens vom 8. Dezember 1997, mit Datum vom 14. November 1997 (IA.C.2.GS:jhp
D(97) EU-RU 1001/98);
- Erster Kooperationsrat EU-Russische Föderation (Brüssel, 27. Januar 1998), mit Anmerkungen
versehener Entwurf der Tagesordnung vom 9. Januar 1998. Dokument Nr. EU-RU 1001/98;
- Anlage zum Bericht über die Sitzung des Kooperationsausschusses EU-Russland vom 7. April 1998.
Sitzungsdokument Nr. 23/98 (Gruppe Osteuropa und Mittelasien);
- Mit Anmerkungen versehene Tagesordnung der Sitzung des Kooperationsausschusses EU-
Russland vom 20. April 1998, Sitzungsdokument Nr. 35/98 (Gruppe Osteuropa und Mittelasien)“.
10.
Mit Schreiben vom selben Tag, das dem Rat am 12. März 1999 zuging, beantragte der Kläger beim
Rat Zugang zu folgenden Dokumenten:
„- Ergebnisse der Arbeiten der Gruppe .Osteuropa und Mittelasien' vom 23. September 1997,
vorläufige Dokumenten-Nr. 10188/97 NIS 116, Dokument vom 24. September 1997 (30.09); 10859/97.
- Informationsvermerk EU/Vereinigte Staaten: SD 27/98: dieses Dokument stammt von der .EU III
section'.
- Erster Kooperationsrat EU-Ukraine, Brüssel, 8./9. Juni 1998: Entwurf der mit Anmerkungen
versehenen Tagesordnung EU-Ukraine vom 15. Mai 98. Sitzungsdokument 40/98 (Gruppe .Osteuropa
und Mittelasien').
- COREU: COEST/CODIA-Bericht über das Treffen zwischen der Troika der Gruppe .Osteuropa und
Mittelasien' und den Vereinigten Staaten vom 10. Februar 1998. GASP/SEC/0203/98.
- COREU/COEST Energieressourcen des Kaspischen Meeres: Entwurf einer Erklärung EU/Vereinigte
Staaten vom 11. Mai 98. GASP/PRES/LON/1239/98.
- COREU: COCEN COEST: Russland/Lettland: Treffen mit Herrn Primakow vom 8. Mai 98.
GASP/PRES/LON/1244/98.“
11.
Da die beantragten Dokumente zum Teil im Rahmen einer Zusammenarbeit der beiden
Gemeinschaftsorgane erstellt worden waren, fanden informelle Kontakte zwischen dem Rat und der
Kommission zur Abstimmung der Antworten auf diese Anträge statt.
12.
Mit Schreiben vom 19. April 1999 teilte der Rat dem Kläger seine Entscheidung mit, ihm Zugang zum
Dokument Nr. 10859/97, dem ersten Dokument auf seiner Liste, zugewähren. Den Antrag auf Zugang
zu den übrigen Dokumenten lehnte der Rat mit folgender Begründung ab: „[J]edes dieser Dokumente
betrifft Verhandlungen mit bestimmten Drittstaaten. Die Verbreitung dieser Texte könnte die Position
der EU im Rahmen dieser Verhandlungen oder gegebenenfalls bei allen künftigen Verhandlungen
zwischen der EU und diesen oder anderen Drittstaaten schwächen.“ Er wies auch darauf hin, dass die
in Rede stehenden Dokumente dem Kläger nach Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 nicht zur
Verfügung gestellt werden könnten.
13.
Mit Schreiben vom selben Tag lehnte die Kommission den Antrag des Klägers auf Zugang zu den
Dokumenten ab. Sie berief sich insoweit auf die im Verhaltenskodex genannte Ausnahme zum Schutz
des öffentlichen Interesses und verwies auf die Notwendigkeit, die Gespräche zwischen der
Europäischen Union und den Drittstaaten geheim zu halten.
14.
Mit Schreiben vom 30. April 1999 stellte der Kläger über seinen Anwalt bei den beiden
Gemeinschaftsorganen Zweitanträge gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 und Artikel 2
Absatz 2 des Beschlusses 94/90, um die Übermittlung der Dokumente zu erreichen, zu denen ihm der
Zugang verwehrt worden war.
15.
Mit Schreiben vom 5. Juli 1999 an den Anwalt des Klägers lehnte die Kommission den Zweitantrag
ab. Der Generalsekretär der Kommission wies insoweit zunächst darauf hin, dass das Dokument Nr. 4
(Anlage zum Bericht über die Sitzung des Kooperationsausschusses EU-Russland vom 7. April 1998,
Sitzungsdokument 23/98, Gruppe Osteuropa und Mittelasien) nicht habe identifiziert werden können.
Sodann führte er Folgendes aus:
„Nach Prüfung ihres Antrags hinsichtlich der übrigen Dokumente sehe ich mich gezwungen, daran
festzuhalten, dass ich Ihnen diese Dokumente nicht übermitteln kann, weil sie unter die zwingende
Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses und insbesondere der internationalen Beziehungen
fallen. Diese Ausnahme wird im Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Kommissions-
und Ratsdokumenten, den die Kommission am 4. Februar 1994 angenommen hat, ausdrücklich
genannt.
Jedes der beantragten Dokumente enthält detaillierte Informationen über den Standpunkt, den die
Europäische Union in ihren Beziehungen zu Russland einzunehmen beabsichtigt. Die Verbreitung
dieser Dokumente könnte die Position der EU in ihren derzeitigen und künftigen Verhandlungen mit
diesem Drittstaat schwächen. Diese Dokumente können Ihnen daher nicht übermittelt werden.
Diese Dokumente sind von den Dienststellen der Kommission für die entsprechenden Dienststellen
des Rates erstellt worden. Da der Rat den Zugang zu ähnlichen Dokumenten aus den vorgenannten
Gründen verweigert hat, ist die Kommission aus dem gleichen Grund nicht in der Lage, Ihnen Zugang
zu diesen Dokumenten zu gewähren.“
16.
Das Generalsekretariat des Rates bereitete den Entwurf einer Antwort vor, der zunächst von der
Gruppe „Information“ des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV) in seiner Sitzung vom 23. Juni
1999 geprüft wurde. Sämtliche Delegationen stimmten dem Antwortentwurf des Generalsekretariats
zu, die Dokumente gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 nicht zu verbreiten. Dieser
Antwortentwurf stand sodann unter „Punkt I“ der Tagesordnung für die Sitzung des AStV II vom 30.
Juni 1999, der sich aus den Botschaftern/Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten bei der
Europäischen Union zusammensetzt, schließlich unter „Punkt A“ der Tagesordnung des Rates und
wurde von diesem am 12. Juli 1999 gebilligt. Das Generalsekretariat des Rates teilte dem Kläger die
abschlägige Entscheidung mit Schreiben vom 14. Juli 1999 mit. Darin heißt es:
„Der Rat hat die vorgenannten Dokumente sorgfältig geprüft und ist zu folgendem Ergebnis
gekommen:
1. SD 27/98: EU-USA: allgemeine Anmerkung zur Ukraine, erstellt von den Dienststellen der
Europäischen Kommission zur Prüfung durch die Arbeitsgruppe Osteuropa und Zentralasien. Das
Dokument beschreibt sehr genau den Standpunkt der Europäischen Union und die vorrangigen Ziele
der mit den Vereinigten Staaten hinsichtlich der Ukraine zu führenden Verhandlungen. Die
Bekanntmachung dieser Strategie könnte für die Interessen der Europäischen Union im Rahmen
dieser Verhandlungen sowie im Rahmen anderer vergleichbarer Verhandlungen mit Drittstaaten
abträglich sein.
Außerdem könnte die Verbreitung der in dem Dokument enthaltenen Bemerkungen und
Erwägungen die Beziehungen der Europäischen Union zur Ukraine belasten.
Aus diesen Gründen hat der Rat in Abstimmung mit der Europäischen Kommission gemäß Artikel 4
Absatz 1 des Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) entschieden, dass der Zugang zu
diesem Dokument nicht gewährt werden kann.
2. SD 40/98: mit Anmerkungen versehener Tagesordnungsentwurf für den ersten Kooperationsrat
Europäische Union/Ukraine (8./9. Juni 1998), der der Arbeitsgruppe Osteuropa und Mittelasien von
den Dienststellen der Europäischen Kommission vorgelegt wurde.
Das Dokument enthält zu jedem Tagesordnungspunkt eingehende Bemerkungen, u. a. hinsichtlich
des Standpunkts und der Ziele der Europäischen Union. Die Offenlegung dieser Bemerkungen könnte
die Position der Europäischen Union bei den nächsten Sitzungen des Kooperationsrats schwächen
und ihre Beziehungen zur Ukraine im Allgemeinen belasten.
Der Rat hat daher in Abstimmung mit der Europäischen Kommission entschieden, dass der Zugang
zu diesem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen)
nicht gewährt werden kann.
3. COREU GASP/SEC/0203/98: Vertraulicher Bericht über das Treffen der Troika
Osteuropa/Arbeitsgruppe Mittelasien und Vereinigte Staaten (Washington, 10. Februar 1998).
Das Dokument enthält detaillierte Bemerkungen der amerikanischen Delegation in der Sitzung der
Troika, die in einem vertraulichen Rahmen stattgefunden hat. Es enthält ferner Beurteilungen der
Europäischen Union und der Vereinigten Staaten hinsichtlich der Situation und der Politik von
Drittstaaten, deren Verbreitung die Position der Europäischen Union im Rahmen der Verhandlungen
mit diesen Ländern schwächen könnte.
Der Rat hat daher entschieden, dass der Zugang zu dem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des
Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) nicht gewährt werden kann.
4. COREU GASP/PRES/1239/98: COEST Energieressourcen des Kaspischen Meeres: Erklärungsentwurf
EU/US: Dieses vertrauliche Dokument wurde erstellt, um den Standpunkt der Europäischen Union in
den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über die Energieressourcen des Kaspischen Meeres
vorzubereiten. Die Offenlegung der in diesem Dokument enthaltenen Informationen könnte die
Interessen der Europäischen Union in diesen noch laufenden Verhandlungen sowie in vergleichbaren
künftig zu führenden Verhandlungen beeinträchtigen.
Der Rat hat daher entschieden, dass der Zugang zu dem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des
Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) nicht gewährt werden kann.
5. COREU GASP/PRES/LON/1244/98: COEST: Russland/Lettland: Treffen mit Herrn Primakow (8. Mai
1998). Dieses Dokument betrifft die Bemerkungen von Herrn Primakow in dem vertraulichen Rahmen
des bilateralen Treffens zwischen den Ministern für auswärtige Angelegenheiten.
Das Dokument betrifft ferner die Beurteilungen der Europäischen Union und Russlands hinsichtlich
der Situation und der Politik von Drittstaaten sowie hinsichtlich der laufenden Verhandlungen mit den
fraglichen Drittstaaten. Die Offenlegung dieser Beurteilungen könnte die Beziehungen der
Europäischen Union und Russlands zu diesen Staaten belasten und ihre Verhandlungspositionen
gegenüber ihnen schwächen.
Der Rat hat daher entschieden, dass der Zugang zu dem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des
Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) nicht gewährt werden kann.“
Verfahren und Anträge der Parteien
17.
Der Kläger hat daher mit Klageschrift, die am 23. September 1999 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben, mit der er vorrangig die Nichtigerklärung der
Entscheidungen der Kommission und des Rates vom 5. und 12. Juli 1999 begehrt (im Folgenden:
angefochtene Entscheidungen).
18.
Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche
Verhandlung zu eröffnen und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen die Kommission zur Vorlage
ihres Schreibens vom 19. April 1999 aufzufordern, mit dem der Erstantrag des Klägers auf Zugang zu
den Dokumenten im Besitz dieses Gemeinschaftsorgans abgelehnt wurde. Die Kommmission ist dieser
Aufforderung nachgekommen.
19.
Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 21. November 2000 mündlich verhandelt und
Fragen des Gerichts beantwortet.
20.
Der Kläger beantragt,
- die angefochtenen Entscheidungen für nichtig zu erklären;
- den Rat und die Kommission aufzufordern, ihren Standpunkt noch einmal zu überdenken und ihm
Zugang zu den beantragten, in seinen Schreiben vom 8. März 1999 aufgeführten Dokumenten zu
gewähren.
und/oder, wenn das Gericht es für erforderlich halten sollte,
- ihm wenigstens teilweisen Zugang zu den Dokumenten nach Schwärzung der Passagen zu
gewähren, die als geeignet angesehen werden, die internationalen Beziehungen der Europäischen
Gemeinschaft zu belasten;
- dem Rat und der Kommission gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
21.
In seiner Erwiderung beantragt der Kläger, die Vorlage der beantragten Dokumente anzuordnen,
damit das Gericht diese prüfen könne.
22.
Der Rat beantragt,
- die Klage als unbegründet abzuweisen;
- dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
23.
Die Kommission beantragt,
- den Antrag auf Zugang zu den Dokumenten und den Antrag auf teilweisen Zugang als unzulässig
abzuweisen;
- die Klage als unbegründet abzuweisen;
- dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
Vorbringen der Parteien
24.
Nach Ansicht der Kommission und des Rates ist die Klage insoweit teilweise offensichtlich
unzulässig, als der Kläger das Gericht ersucht, ihm zumindest teilweisen Zugang zu den Dokumenten
nach Schwärzung der Passagen zu gewähren, die als geeignet angesehen würden, die internationalen
Beziehungen der Europäischen zu belasten. Insoweit verweist die Kommission auf die Rechtsprechung,
nach der der Gemeinschaftsrichter nicht befugt sei, den Organen Weisungen zu erteilen (Urteil des
Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94,
European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnr. 53, und Beschluss des Gerichts
vom 27. Oktober 1999 in der Rechtssache T-106/99, Meyer/Kommission, Slg. 1999, II-3273, Randnr.
21).
25.
Nach Auffassung des Klägers ist die von der Kommission angeführte Rechtsprechung auf den
vorliegenden Fall nicht übertragbar, da er beantrage, das Gericht möge die Entscheidungen, mit
denen ihm Zugang zu Dokumenten des Rates und der Kommission verweigert worden sei, für nichtig
erklären. Der Zugang der Öffentlichkeit zu den amtlichen Dokumenten sei ein wesentlicher Aspekt der
Politik der Transparenz.
Würdigung durch das Gericht
26.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht im Rahmen der von ihm ausgeübten
Rechtmäßigkeitskontrolle nicht befugt, den Organen Weisungen zu erteilen oder sich an ihre Stelle zu
setzen. Diese Beschränkung der Rechtmäßigkeitskontrolle gilt für alle Arten von Rechtsstreitigkeiten,
für deren Entscheidung das Gericht zuständig ist, einschließlich solcher über den Zugang zu
Dokumenten; darauf hat das Gericht bereits im genannten Beschluss Meyer/Kommission (Randnr. 21)
hingewiesen.
27.
Die Klage ist daher insoweit unzulässig, als der Kläger beantragt, das Gericht möge zum einen den
Rat und die Kommission auffordern, ihm Zugang zu den in seinen Schreiben vom 8. März 1999
aufgeführten Dokumenten zu gewähren, und zum anderen ihm zumindest teilweisen Zugang zu den
Dokumenten nach Schwärzung der Passagengewähren, deren Zugänglichmachung als geeignet
angesehen werden könne, die internationalen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft zu
belasten.
28.
Der Kläger führt in seiner Klageschrift im Wesentlichen fünf Klagegründe an. Der erste betrifft einen
offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Auslegung der Ausnahme zum Schutz der internationalen
Beziehungen. Der zweite wird auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gestützt, da ein teilweiser Zugang zu den fraglichen Dokumenten weder in Betracht gezogen noch
gewährt worden sei. Der dritte bezieht sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz, dass ein Antrag
auf Zugang hinsichtlich jedes einzelnen Dokuments zu prüfen sei. Der vierte betrifft eine Verletzung
der Begründungspflicht und der fünfte eine Verkennung des besonderen Interesses des Klägers am
Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten.
29.
In seiner Erwiderung macht der Kläger die beiden folgenden weiteren Klagegründe geltend:
- die angefochtenen Entscheidungen verstießen gegen den „Grundsatz der selbständigen
Beurteilung“ durch den Rat und durch die Kommission, u. a. weil das vom AStV II angewandte
Verfahren zu einer Ersetzung der selbständigen Beurteilung durch die Gemeinschaftsorgane, in deren
Besitz sich die Dokumente befänden, durch eine Beurteilung der Botschafter/Ständigen Vertreter der
Mitgliedstaaten bei der Europäischen Union führe. Der Entwurf einer Antwort auf den Antrag auf
Zugang habe nämlich unter „Punkt I“ der Tagesordnung des AStV II und anschließend unter „Punkt A“
der Tagesordnung des Rates gestanden, woraus folge, dass keine Diskussion stattgefunden habe
und der Rat somit keine Prüfung vor Erlass einer Entscheidung vorgenommen habe, die, wenn auch
nicht formell, so doch jedenfalls faktisch vom AStV II stamme;
- die angefochtenen Entscheidungen seien ermessensfehlerhaft, da der Rat und die Kommission die
Ablehnung der Übermittlung der Dokumente nur allgemein begründeten, ohne auf den Inhalt dieser
Dokumente oder den tatsächlichen Nachteil einzugehen, der aus ihrer Übermittlung folgen könnte.
Diese Vorgehensweise mache es dem Kläger, der gerade keinen Zugang zu den Dokumenten habe,
unmöglich, darzulegen, inwieweit der Standpunkt des Rates oder der Kommission im Hinblick auf den
Inhalt der Dokumente falsch sei.
30.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen weiteren Klagegrund geltend gemacht, wonach
die beklagten Gemeinschaftsorgane gegen ihre Pflicht zur Zusammenarbeit verstoßen hätten, weil sie
seine Anträge teilweise wegen mangelnder Bestimmtheit abgelehnt hätten, ohne zu versuchen, die
fraglichen Dokumente zu identifizieren und ausfindig zu machen.
31.
Die Kommission hält den Klagegrund eines Verstoßes gegen den „Grundsatz der selbständigen
Beurteilung“ für unzulässig. Da das Gericht jedoch nach Artikel 113 der Verfahrensordnung jederzeit
von Amts wegen prüfen kann, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen, ist ohne
Beschränkung auf den Einwand der Kommission zu prüfen, ob die Klagegründe, die erstmals in der
Erwiderung oder in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden sind, zulässig sind (Urteil
des Gerichts vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-
318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission,
Slg. 1999, II-931, Randnrn. 60 und 63).
32.
Gemäß Artikel 44 § 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des
Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe
enthalten; im Übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht
mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt
werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Angriffsmittel, das eine
Erweiterung eines bereits vorher - unmittelbar oder implizit - in der Klageschrift vorgetragenen
Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, ist jedoch für zulässig
zu erklären (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 19. Mai 1983 in der Rechtssache 306/81,
Verros/Parlament, Slg. 1983, 1755, Randnr. 9, und Urteile des Gerichts vom 5. Februar 1997 in der
Rechtssache T-207/95, Ibarra Gil/Kommission, Slg. ÖD 1997, I-A-13 und II-31, Randnr. 51, und vom 17.
Dezember 1997 in der Rechtssache T-217/95, Passera/Kommission, Slg. ÖD 1997, I-A-413 und II-1109,
Randnr. 87).
33.
Die Klagegründe, die auf einen Verstoß gegen den „Grundsatz der selbständigen Beurteilung“, auf
einen Ermessensmissbrauch und auf die Nichtbeachtung der den Gemeinschaftsorganen obliegenden
Pflicht zur Zusammenarbeit gestützt werden, sind weder unmittelbar noch implizit in der Klageschrift
geltend gemacht worden und weisen keinen engen Zusammenhang mit den anderen in der
Klageschrift angeführten Klagegründen auf. Sie stellen daher neue Angriffsmittel dar.
34.
Außerdem ist weder vorgetragen noch nachgewiesen worden, dass diese Angriffsmittel auf
rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage
getreten sind. Sie sind daher offensichtlich unzulässig.
Zur Begründetheit
35.
Es ist angebracht, zum einen die ersten beiden Klagegründe und zum anderen den dritten und den
vierten Klagegrund, die der Kläger in seiner Klageschrift geltend gemacht hat, gemeinsam zu prüfen
(siehe oben, Randnr. 28).
Vorbringen der Parteien
36.
Nach Ansicht des Klägers haben die beiden Gemeinschaftsorgane die in den Beschlüssen 93/731
und 94/90 genannte Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses falsch ausgelegt. Es bestehe
keine Gefahr, dass das öffentliche Interesse durch eine Übermittlung der in Rede stehenden
Dokumente berührt werde.
37.
In seiner Erwiderung führt der Kläger aus, die Gemeinschaftsorgane hätten bei ihrer Auslegung
weder den Wortlaut dieser Beschlüsse noch die Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts
beachtet, aus der sich ergebe, dass der Zugang zu den Dokumenten die Regel sei. Der Rat und die
Kommission hätten ihre Prüfung auf die Gründe begrenzt, die eine Beschränkung des Zugangs
rechtfertigten, ohne zu berücksichtigen, dass diese Gründe eng auszulegen seien.
38.
Das Gericht habe in seinem Urteil vom 19. Juli 1999 in der Rechtssache T-14/98 (Hautala/Rat, Slg.
1999, II-2489; dieses Urteil ist Gegenstand eines beim Gerichtshof anhängigen Rechtsmittels,
Rechtssache C-353/99 P) die Verpflichtung des Rates, möglichst umfassenden Zugang zu den
Dokumenten zu gewähren, besonders betont.
39.
Der Kläger weist darauf hin, dass die vorliegende Rechtssache insofern besonders gelagert sei, als
er eine gewisse Kenntnis vom Inhalt der beantragten Dokumente habe, die auf bestimmten Versionen
dieser Dokumente beruhe, auch wenn er nicht kategorisch sagen könne, dass die beantragten
Dokumente in allen Punkten mit denen übereinstimmten, die ihm bekannt seien. Er habe diese
Kenntnis ihm Rahmen seiner Tätigkeit im finnischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und
seiner Teilnahme für die Republik Finnland an den Arbeiten der Arbeitsgruppe der Europäischen Union
betreffend die Russische Föderation und Osteuropa erlangt. Er sei daher in der Lage, zu behaupten,
dass der Rat und die Kommission die bestehenden Transparenzregeln dem ersten Anschein nach
nicht richtig angewandt hätten. Es obliege daher den beklagten Gemeinschaftsorganen, das
Gegenteil zu beweisen.
40.
Die bei der Kommission beantragten Dokumente beträfen alle auf die eine oder andere Weise den
Kooperationsausschuss EU-Russland oder den Kooperationsrat, beides Einrichtungen, deren Tätigkeit
in den öffentlichen Bereich falle. Angesichts der Themen, mit denen sich der Ausschuss oder der Rat
beschäftigt hätten, könne nicht geltend gemacht werden, die in diesen Dokumenten behandelten
Fragen seien geheim im Sinne der anwendbaren Regelung. Insoweit weist der Kläger darauf hin, dass
ihm das Dokument Nr. 10859/97 übermittelt worden sei, obwohl darin dasselbe Thema wie in den
Dokumenten behandelt werde, zu denen ihm der Zugang verwehrt worden sei. Nach Kommentierung
des Inhalts jedes Dokuments kommt der Kläger zu der Schlussfolgerung, dass nichts in diesen
Dokumenten die Geheimhaltung erforderlich zu machen scheine. Sie hätten ihm daher übermittelt
werden müssen.
41.
Ebenso verhalte es sich mit den Dokumenten im Besitz des Rates. Die meisten dieser Dokumente
beträfen das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft
zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen
Föderation andererseits (ABl. L 327, S. 3) und seine Durchführung. Ein Dokument beziehe sich auf ein
Treffen der „Troika“ vom Juni 1998, während das Dokument Nr. 1239/98 eine Erklärung der
Europäischen Union und der Vereinigten Staaten enthalte, die zur Veröffentlichung bestimmt und
auch tatsächlich veröffentlicht worden sei. Hinzu komme ein Dokument (Nr. 1244/98) in Bezug auf ein
Treffen in Finnland, an dem der Premierminister der Russischen Föderation, Herr Primakow,
teilgenommen habe, das Erläuterungen enthalte, die nach Kenntnis des Klägers ebenfalls
veröffentlicht worden seien. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Anschluss an die
Erklärungen des Rates eingeräumt, dass das Dokument Nr. 1244/98 sich auf ein Treffen beziehe, dass
nicht in Finnland, sondern in London stattgefunden habe, und erklärt, dass er zu diesem Dokument
keinen Zugang beantrage.
42.
Nach Auffassung des Klägers werden Probleme der Sicherheit in den beantragten Dokumenten
nicht behandelt; außerdem enthielten sie keine Informationen, deren Übermittlung die Beziehungen zu
einem Drittstaat belasten könne. Es bestehe daher kein überzeugender Grund, die Übermittlung der
beantragten Dokumente zu verweigern.
43.
Im Übrigen sei der Inhalt der beantragten Dokumente von begrenzter Bedeutung. Sie beträfen
Fragen, die der Öffentlichkeit normalerweise zur Kenntnis gebracht würden, wie Handelsabsprachen,
die nukleare Sicherheit, den Stand des TACIS-Programms für technische Hilfe, Umwelt- und
Verbraucherschutz, die Gesetzgebungsprogramme usw. Die Tatsache, dass für Programme zur
Verwirklichung der vorgenannten Ziele eine Gemeinschaftsfinanzierung bestehe, wie sie in den
beantragten Dokumenten möglicherweise beschrieben werde, sei für die Öffentlichkeit von
besonderem Interesse, so dass eine möglichst umfassende Unterrichtung geboten sei.
44.
Der Kläger schließt daraus, dass seine Anträge auf Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten
im Wesentlichen, wenn nicht sogar ausschließlich, auf der Grundlage ihrer formalen Einordnung
geprüft worden seien, nämlich als Dokumente, die im Rahmen des COREU-Netzes erstellt worden
seien, einem speziellen Korrespondenzsystem, das die Mitgliedstaaten und die Kommission im Rahmen
der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gemäß den Bestimmungen des Titels V des Vertrages
über die Europäische Union beschlossen hätten.
45.
Wenn die Kommission und der Rat in einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf Zugang abgelehnt
werde, lediglich zu behaupten brauchten, dass das Dokument unter eine der durch die Regelung
vorgesehenen Ausnahmen falle, folge daraus, dass sie nicht auf den Inhalt dieser Dokumente Bezug
nehmen müssten. Der Bürger könne dann nicht beurteilen, ob die Bedeutung eines Dokuments
geprüft worden sei und, wenn eine solche Prüfung stattgefunden habe, ob die Zugangsverweigerung
auf legitime Gründegestützt sei oder, wie in diesem Fall, ausschließlich darauf beruhe, das irgendein
Zusammenhang mit den internationalen Beziehungen oder einer besonderen Art der Übermittlung der
Dokumente bestehe.
46.
Der Kläger macht abschließend geltend, die Gemeinschaftsorgane seien nach der Rechtsprechung
(vgl. Urteil Hautala/Rat) verpflichtet, möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten in ihrem
Besitz zu gewähren, weshalb sie hätten untersuchen müssen, ob es möglich wäre, wenigstens
teilweisen Zugang zu den beantragten Dokumenten zu gewähren; dies sei im vorliegenden Fall nicht
geschehen.
47.
Der Rat weist unter Bezugnahme auf das Urteil Hautala/Rat (Randnrn. 71 und 72) darauf hin, dass
sein Ermessen im vorliegenden Fall aus den politischen Aufgaben folge, die ihm die Bestimmungen
des Titels V des Vertrags über die Europäische Union übertrügen. Er müsse nämlich auf der
Grundlage dieser Zuweisungen die möglichen Folgen einer Verbreitung eines Dokuments über die
internationalen Beziehungen der Europäischen Union beurteilen. Die Kontrolle des Gerichts müsse
sich daher auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensbestimmungen und die Bestimmungen
über die Begründung des angefochtenen Rechtsakts eingehalten worden seien, ob der Sachverhalt
zutreffe, ob bei der Tatsachenwürdigung kein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei und ob kein
Ermessensmissbrauch vorliege.
48.
Der Rat macht geltend, er habe die Gefahren, die mit der Übermittlung der vom Kläger beantragten
Dokumente verbunden seien, konkret geprüft. Nach seiner Einschätzung und nach der Einschätzung
der Kommission könne der Zugang zu den Dokumenten die internationalen Beziehungen der
Europäischen Union belasten.
49.
Insoweit weist der Rat darauf hin, dass die Hälfte der Dokumente im Rahmen des COREU-Systems
erstellt worden sei und die Verteilung der Dokumente mittels dieses Systems auf eine begrenzte Zahl
autorisierter Adressaten in den Mitgliedstaaten, auf die Kommission und auf das Generalsekretariat
beschränkt sei. Die mittels des COREU-Systems übersandten Mitteilungen ständen diplomatischen
Telegrammen gleich. In der mündlichen Verhandlung hat der Rat jedoch hervorgehoben, dass die
über das COREU-Netz übermittelten Dokumente nicht vom Anwendungsbereich des Beschlusses
93/731 ausgenommen seien und dass die Frage ihrer Verbreitung immer Gegenstand einer
Sacherörterung sei, wie dies auch hier der Fall gewesen sei.
50.
Die betroffenen Dokumente enthielten detaillierte Bemerkungen zu den Standpunkten und Zielen
der Europäischen Union im Rahmen der fraglichen internationalen Verhandlungen; diese
Informationen behielten ihre Bedeutung auch nach den Verhandlungstreffen. Ein Zugang zu diesen
Dokumenten könne die internationalen Beziehungen der Europäischen Union, insbesondere mit der
Ukraine, belasten.
51.
Der Rat bestreitet das Vorbringen des Klägers, diese Dokumente enthielten nichts, was ihre
Geheimhaltung erforderlich mache. Die Vertraulichkeit eines Dokuments werde nicht nur durch das
darin behandelte Thema bestimmt, sondern auch durch die Natur der darin enthaltenen
Informationen und dadurch, wie detailliert diese seien. Andersals das dem Kläger übermittelte
Dokument Nr. 10859/97, das eine Zusammenfassung der von der Gruppe „Osteuropa und
Zentralasien“ behandelten Fragen sei und keine Informationen über den Inhalt der fraglichen Akten
enthalte, beschreibe das Dokument SD 27/98 (Informationsvermerk EU/Vereinigte Staaten bezüglich
der Ukraine) sehr genau den Standpunkt und die Ziele der Europäischen Union im Rahmen der mit
den Vereinigten Staaten bezüglich der Ukraine zu führenden Verhandlungen. Dies gelte auch für das
Dokument SD 40/98, das detaillierte Informationen über den Standpunkt der Europäischen Union in
der ersten Sitzung des Kooperationsrates EU-Ukraine enthalte.
52.
Das Dokument Nr. 1239/98 betreffend den Entwurf einer Erklärung EU/Vereinigte Staaten zu den
Energieressourcen des Kaspischen Meeres enthalte nicht nur den Entwurf des Textes der öffentlichen
Erklärung, sondern gehe auch auf einige heikle Punkte ein, die während der Verhandlungen zwischen
der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten aufgetreten seien, und gebe an, wie sie bei der
Ausarbeitung der Erklärung berücksichtigt worden seien.
53.
Hinsichtlich des teilweisen Zugangs zu den in Rede stehenden Dokumenten macht der Rat geltend,
dass das am 19. Juli 1999 verkündete Urteil Hautala/Rat nicht zu berücksichtigen sei, da es nach
Erlass seiner Entscheidung vom 12. Juli 1999 ergangen sei.
54.
Zudem bestehe nach dem Beschluss 93/731 keine Verpflichtung, teilweisen Zugang zu den
Dokumenten zu gewähren. Insoweit weist der Rat darauf hin, dass das Urteil Hautala/Rat Gegenstand
eines derzeit beim Gerichtshof anhängigen Rechtsmittels sei.
55.
Jedenfalls sei es aufgrund der Natur der in Rede stehenden Dokumente nicht möglich, dem Kläger
teilweisen Zugang zu gewähren.
56.
Die Kommission weist darauf hin, dass sie über ein weites Ermessen verfüge und dass sich die
Kontrolle des Gerichts auf die Prüfung beschränken müsse, ob die Verfahrensbestimmungen und die
Bestimmungen über die Begründung der angefochtenen Entscheidung eingehalten worden seien, ob
der Sachverhalt zutreffe, ob bei der Tatsachenwürdigung kein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei
und ob kein Ermessensmissbrauch vorliege.
57.
Sie macht sodann dieselben Argumente wie der Rat geltend, um zu rechtfertigen, dass dem Kläger
der Zugang verwehrt wurde. Sie weist darauf hin, dass die internationalen Beziehungen der
Gemeinschaft mit Russland betroffen seien, d. h. Fragen, die unter die Bestimmungen des Titels V des
Vertrags über die Europäische Union fielen, und dass sie eine konkrete Beurteilung der Gefahren
vorgenommen habe, die mit der Verbreitung der in Rede stehenden Dokumente verbunden seien.
Aufgrund der Besonderheit der Dokumente sei es erforderlich gewesen, die Antwort der Kommission
der des Rates anzupassen.
58.
Selbst wenn eine Verpflichtung bestehen sollte, einen teilweisen Zugang in Betracht zu ziehen,
wäre es im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen, eine Unterscheidung zwischen den Dokumenten
und den darin enthaltenen Informationen vorzunehmen. Wenn nämlich die Informationen, die der Rat
und die Kommission als von der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses gedeckt ansähen,
geschwärzt worden wären, hätten die übermittelten Dokumente so wenig Informationen enthalten,
dass sie für den Kläger wertlos gewesen wären.
Würdigung durch das Gericht
59.
Die beklagten Gemeinschaftsorgane haben mit den angefochtenen Entscheidungen Zugang zu den
streitigen Dokumenten verweigert und sich dafür auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen
Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen berufen. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit
dieser Entscheidungen durch das Gericht muss sich auf die Prüfung beschränken, ob die
Verfahrensbestimmungen und die Bestimmungen über die Begründung eingehalten worden sind, ob
der Sachverhalt zutrifft, ob bei der Tatsachenwürdigung kein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist
und ob kein Ermessensmissbrauch vorliegt.
60.
Unter diesen Umständen befreit die Tatsache, dass der Kläger eine gewisse Kenntnis der
Dokumente hat und sich deswegen zur Begründung seiner Klage auf ihren Inhalt beruft, ihn nicht
davon, darzutun, dass die beklagten Gemeinschaftsorgane bei der Begründung der angefochtenen
Entscheidungen einen Fehler begangen haben, der zu deren Nichtigkeit führen kann.
61.
Im vorliegenden Fall macht der Kläger geltend, die beklagten Gemeinschaftsorgane hätten die in
den Beschlüssen 93/731 und 94/90 vorgesehene Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses
im Bereich der internationalen Beziehungen falsch ausgelegt.
62.
Nach dem zwingenden Wortlaut dieser Ausnahme verweigern die „Organe ... den Zugang zu
Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in Bezug auf
... den Schutz des öffentlichen Interesses (... internationale Beziehungen ...)“. Folglich sind die Organe
verpflichtet, den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die nachweislich unter diese Ausnahme
fallen (vgl. Urteil des Gerichts vom 5. März 1997 in der Rechtssache T-105/95, WWF UK/Kommission,
Slg. 1997, II-313, Randnr. 58).
63.
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die streitigen Dokumente Informationen über den
Standpunkt der Europäischen Union im Rahmen ihrer Beziehungen zu Russland und der Ukraine sowie
in den mit den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Ukraine zu führenden Verhandlungen enthalten.
Somit sind die Dokumente, zu denen Zugang beantragt wird, in einem Kontext internationaler
Verhandlungen erstellt worden, in dem das Interesse der Europäischen Union in Bezug auf ihre
Beziehungen zu Drittstaaten, insbesondere zu Russland, der Ukraine und den Vereinigten Staaten,
berührt ist.
64.
Wie der Rat zutreffend vorträgt, muss unter diesen Umständen für die Beurteilung der Möglichkeit,
Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten zu gewähren, berücksichtigt werden, welcher Natur
die darin enthaltenen Informationen und wie detailliert sie sind. Der Kläger kann daher kein Argument
daraus herleiten, dass ihm das Dokument Nr. 10859/97 übermittelt wurde, das dasselbe Thema
behandelt wie die anderen Dokumente, zu denen ihm der Zugang verwehrt wurde. Wie der Rat
ausgeführt hat, stellt dieses Dokument, das neben anderen in der mündlichen Verhandlung vorgelegt
wurde, eine Zusammenfassung der von der Gruppe „Osteuropa und Zentralasien“ behandelten
Fragen dar und enthält keine Informationen über den Inhalt der fraglichen Akten, weshalb seine
Verbreitung gerechtfertigt gewesen sei.
65.
Die beklagten Gemeinschaftsorgane haben somit keinen offensichtlichen Fehler dadurch
begangen, dass sie davon ausgingen, dass die Verbreitung der streitigen Dokumente geeignet sei,
das öffentliche Interesse im Bereich der internationalen Beziehungen zu beeinträchtigen. Angesichts
der Bedeutung der in Rede stehenden Dokumente durften die beklagten Gemeinschaftsorgane daher
davon ausgehen, dass die Verbreitung dieser Dokumente die Position der Europäischen Union in den
damaligen und künftigen Verhandlungen mit den in Randnummer 63 genannten Staaten schwächen
könnte.
66.
Der Kläger macht ferner geltend, die Gemeinschaftsorgane hätten die Möglichkeit prüfen müssen,
ihm gemäß den Ausführungen im Urteil Hautala/Rat zumindest teilweisen Zugang zu den in Rede
stehenden Dokumenten zu gewähren. In diesem Urteil führte das Gericht aus, dass die Ausnahme zum
Schutz des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung der Grundsätze des Rechts auf Information
und der Verhältnismäßigkeit auszulegen sei. Der Rat müsse daher prüfen, ob ein teilweiser Zugang zu
den beantragten Dokumenten, d. h. zu den nicht von den Ausnahmen gedeckten Informationen zu
gewähren sei (Urteil Hautala/Rat, Randnr. 87).
67.
Das Vorbringen des Rates, das Urteil Hautala/Rat sei nicht zu berücksichtigen, ist zurückzuweisen.
Dieses Urteil ist zwar nach Erlass der angefochtenen Entscheidungen ergangen, es hat aber den
Umfang eines bereits vorher bestehenden Rechts klargestellt, nämlich des im Verhaltenskodex
vorgesehenen Rechts auf Zugang zu den Dokumenten im Besitz des Rates und der Kommission.
68.
Nach dem Urteil Hautala/Rat erlaubt es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem Rat und der
Kommission, in besonderen Fällen, in denen der Umfang des Dokuments oder der unkenntlich zu
machenden Teile für sie zu einem unangemessenen Verwaltungsaufwand führen würde, die
Bedeutung des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen gekürzten Teilen und die sich daraus ergebende
Arbeitsbelastung gegeneinander abzuwägen (Randnr. 86). Der Rat und die Kommission könnten auf
diese Weise in solchen Fällen das Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung schützen.
69.
Auch wenn der Rat und die Kommission nach dem Urteil Hautala/Rat prüfen müssen, ob ein
teilweiser Zugang zu den nicht unter die Ausnahme fallenden Informationen zu gewähren ist, ist zu
berücksichtigen, dass nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßenVerwaltung das Gebot der
teilweisen Zugangsgewährung nicht zu einem im Verhältnis zum Interesse des Antragstellers am
Erhalt dieser Informationen unangemessenen Verwaltungsaufwand führen darf. Aus dieser Sicht sind
der Rat und die Kommission jedenfalls berechtigt, dann keinen teilweisen Zugang zu gewähren, wenn
sich aus der Prüfung der fraglichen Dokumente ergibt, dass der teilweise Zugang sinnlos wäre, weil
die Teile dieser Dokumente im Fall ihrer Zugänglichmachung für den Antragsteller völlig wertlos wären.
70.
Der Rat und die Kommission haben im Rahmen dieses Verfahrens vorgetragen, dass ein teilweiser
Zugang im vorliegenden Fall nicht möglich sei, weil die Teile der Dokumente, zu denen Zugang hätte
gewährt werden können, so wenig Informationen enthielten, dass sie für den Kläger völlig wertlos
gewesen wären. In der mündlichen Verhandlung hat der Rat allgemein dargelegt, dass die in Rede
stehenden Dokumente nicht ohne Mühe auseinander genommen werden könnten und dass sie keine
leicht abtrennbaren Teile umfassten.
71.
Die beklagten Gemeinschaftsorgane bestreiten somit nicht, dass sie die Möglichkeit, einen
teilweisen Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten zu gewähren, nicht in Erwägung gezogen
haben. Angesichts der Erklärungen der beklagten Gemeinschaftsorgane und unter Berücksichtigung
der Natur der streitigen Dokumente ist jedoch davon auszugehen, dass eine solche Prüfung auf
keinen Fall zur Gewährung eines teilweisen Zugangs hätte führen können. Die Tatsache, dass die
beklagten Gemeinschaftsorgane die Möglichkeit, einen teilweisen Zugang zu gewähren, nicht geprüft
haben, hatte somit unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles keinen Einfluss auf das
Ergebnis der von den beiden Gemeinschaftsorganen vorgenommenen Beurteilung (vgl. in diesem
Sinne Urteile des Gerichts vom 5. Juni 1996 in der Rechtssache T-75/95, Günzler
Aluminium/Kommission, Slg. 1996, II-497, Randnr. 55, und vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache T-
106/95, FFSA u. a./Kommission, Slg. 1997, II-229, Randnr. 199).
72.
Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass, wie bereits oben festgestellt wurde, die streitigen
Dokumente im Kontext von Verhandlungen erstellt wurden und Informationen über den Standpunkt
der Europäischen Union im Rahmen ihrer Beziehungen zu Russland und zu der Ukraine sowie in den
mit den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Ukraine zu führenden Verhandlungen enthalten. Der
heikle Charakter dieser Dokumente wird im Übrigen dadurch untermauert, dass, wie der Kläger in der
mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Oberste Gerichtshof Finnlands ihn wegen Übermittlung
von Dokumenten an den russischen Staat verurteilt hat, deren Inhalt praktisch dem der Dokumente
entspricht, zu denen ihm der Zugang von den beklagten Gemeinschaftsorganen verwehrt wurde.
73.
Zweitens wird das Vorbringen des Rates, die Dokumente könnten nicht ohne Mühe auseinander
genommen werden und umfassten keine leicht abtrennbaren Teile, durch nichts widerlegt. Insoweit
geht das Vorbringen des Klägers fehl, das Dokument COREU/GASP/PRES/1239/98 enthalte u. a. den
Entwurf der öffentlichen Erklärung EU/Vereinigte Staaten, der gerade aufgrund seiner öffentlichen
Natur hätte verbreitetwerden müssen. Aus der Tatsache, dass dieses Dokument öffentlich bekannt
gemachte Informationen enthält, folgt nicht, dass der Rat verpflichtet gewesen wäre, den Entwurf
dieser Erklärung zu verbreiten, der per definitionem rein vorbereitenden Charakter hatte und daher
für den internen Gebrauch bestimmt war. Wie der Rat in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben
hat, bestehen in der Regel Unterschiede zwischen dem Entwurf einer Erklärung und dem endgültigen
Wortlaut, die unter die Vertraulichkeit fallende Meinungsunterschiede offenbaren. Außerdem wird die
Information der Bürger ausreichend durch die Möglichkeit des Zugangs zur endgültigen Fassung der
Erklärung gewährleistet.
74.
Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beklagten Gemeinschaftsorgane
dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben, dass sie keinen teilweisen
Zugang zu den Dokumenten gewährt haben.
75.
Der erste und der zweite Klagegrund sind daher zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
76.
Der Kläger macht erstens geltend, die beklagten Gemeinschaftsorgane hätten seine Anträge auf
Zugang im Ganzen abgelehnt.
77.
Da sich die beiden Gemeinschaftsorgane vor einer Antwort an ihn abgesprochen hätten, müsse
ferner davon ausgegangen werden, dass die Kommission ihre Entscheidung, mit der sie eine
Verbreitung der Dokumente abgelehnt habe, auf den vom Rat eingenommenen Standpunkt gestützt
habe, statt sich durch eine selbständige Prüfung eine eigene Meinung zu bilden.
78.
Das Dokument Nr. 10859/97 sei ihm vom Rat übermittelt worden, weil sein Inhalt zumindest teilweise
im Internet zugänglich gewesen sei. Dies zeige, dass der Inhalt der beantragten Dokumente nicht
systematisch geprüft worden sei. Der Rat und die Kommission hätten sich zur Rechtfertigung der
Zugangsverweigerung vielmehr auf die Natur der Dokumente oder auf ihre Einstufung als vertraulich
u. a. wegen der Art ihrer Übermittlung (COREU-Netz), nicht aber auf ihren Inhalt gestützt.
79.
Der Kläger macht zweitens geltend, die angefochtenen Entscheidungen seien nicht ausreichend
begründet. Die Entscheidung der Kommission enthalte nur einen Absatz, in dem die Weigerung,
Zugang zu den Dokumenten zu gewähren, begründet werde; dies könne nicht als ausreichend
angesehen werden.
80.
Seiner Ansicht nach muss die Kommission die Gründe angeben, die ihre Entscheidung rechtfertigen
sollen. Hierfür beruft er sich auf die Urteile des Gerichts vom 19.Oktober 1995 in der Rechtssache T-
194/94 (Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Slg. 1995, II-2765) und WWF UK/Kommission, aus denen
sich ergebe, dass ein Gemeinschaftsorgan dann, wenn es von seinem Ermessen Gebrauch mache, um
zu entscheiden, ob Dokumente zu übermitteln seien, die Interessen der Bürger am Zugang zu den
Dokumenten tatsächlich gegen die Notwendigkeit der Geheimhaltung seiner Beratungen abwägen
müsse. Nach Meinung des Klägers muss die Kommission eine angemessene Begründung angeben,
wenn sie vom Ziel der Transparenz abweiche und eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des
Zugangs anwende.
81.
Der Rat vertritt die Auffassung, dass aus der angefochtenen Entscheidung klar hervorgehe, dass er
sorgfältig und getrennt für jedes einzelne Dokument die Möglichkeit der Zugangsgewährung geprüft
habe.
82.
Er weist das Vorbringen des Klägers zurück, dass der Zugang zu den Dokumenten u. a. deswegen
verweigert worden sei, weil sie über das COREU-Netz verteilt worden seien, und dass ihr Inhalt somit
nicht geprüft worden sei. Wie aus der Begründung der Ablehnung des Antrags auf Zugang
hervorgehe, beträfen alle vom Kläger genannten Dokumente „den Kernbereich der internationalen
Beziehungen der Europäischen Union“.
83.
Der Rat ist auch der Ansicht, seine Entscheidung, keinen Zugang zu den vom Kläger genannten
Dokumenten zu gewähren, ausreichend begründet zu haben. Unter Berufung auf das Urteil WWF
UK/Kommission (Randnr. 65) macht er geltend, er sei nicht „unter allen Umständen gehalten ..., für
jedes Dokument die .zwingenden Gründe' anzugeben, die die Anwendung der Ausnahme zum Schutz
des öffentlichen Interesses rechtfertigen“, da sonst die wesentliche Funktion dieser Ausnahme
gefährdet wäre.
84.
Im vorliegenden Fall enthalte seine Entscheidung genügend Informationen, um es dem Kläger zu
ermöglichen, ihr die Gründe für die Ablehnung zu entnehmen, und das Gericht in die Lage zu
versetzen, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen, ohne aber Tatsachen zu offenbaren, die den Schutz
des öffentlichen Interesses beeinträchtigen könnten.
85.
Die Kommission trägt vor, sie habe den Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten nicht im
Ganzen verweigert, sondern im Gegenteil die Möglichkeit geprüft, zu jedem Dokument getrennt
Zugang zu gewähren.
86.
Außerdem ist sie der Ansicht, dass ihre Entscheidung ausreichend begründet sei.
Würdigung durch das Gericht
87.
Es trifft zu, dass der Rat und die Kommission nicht berechtigt sind, den von einer interessierten
Person beantragten Zugang zu Dokumenten global zu verweigern. Vor der Entscheidung über einen
Antrag auf Zugang zu den Dokumenten müssen sie auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung
stehenden Informationen für jedes beantragte Dokument prüfen, ob die Verbreitung tatsächlich
geeignet ist, ein geschütztesöffentliches Interesse zu beeinträchtigen. Diese Verpflichtung bedeutet
jedoch nicht, dass diese Gemeinschaftsorgane unter allen Umständen gehalten wären, für jedes
Dokument die zwingenden Gründe anzugeben, die die Anwendung der Ausnahme zum Schutz des
öffentlichen Interesses rechtfertigen, da sonst die wesentliche Funktion dieser Ausnahme gefährdet
wäre. Es könnte sich nämlich als unmöglich erweisen, die Gründe für die vertrauliche Behandlung
jedes Dokuments anzugeben, ohne den Inhalt dieses Dokuments bekannt zu machen und ohne der
Ausnahme damit ihre wesentliche Zweckbestimmung zu nehmen (Urteil WWF UK/Kommission, Randnr.
65).
88.
Wie bereits festgestellt worden ist, durften die beklagten Gemeinschaftsorgane im vorliegenden Fall
davon ausgehen, dass jedes der nicht zugänglich gemachten Dokumente unter die Ausnahme zum
Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen fällt.
89.
Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Klägers, dass die Gemeinschaftsorgane den
Zugang zu den Dokumenten u. a. deshalb im Ganzen verweigert hätten, weil diese über das COREU-
Netz verteilt worden seien, und dass ihr Inhalt somit nicht geprüft worden sei, zurückzuweisen. Aus der
Entscheidung des Rates geht nämlich klar hervor (siehe oben, Randnr. 16), dass der Antrag auf
Zugang im Hinblick auf den Inhalt jedes Dokuments geprüft wurde. Auch wenn die Begründung der
Entscheidung der Kommission kürzer ist, lässt sie erkennen, dass die Kommission den Antrag auf
Zugang unter Berücksichtigung der einzelnen Dokumente geprüft hat. Dies wird im Übrigen dadurch
untermauert, dass die Kommission auf die Begründung des Rates in seiner Entscheidung, mit der er
den Zugang zu ähnlichen Dokumenten verweigert hatte, Bezug nimmt (siehe oben, Randnr. 15). Die
Annahme des Klägers, das Ratsdokument Nr. 10859/97 sei verbreitet worden, weil sein Inhalt
zumindest teilweise im Internet zugänglich gewesen sei, geht insoweit fehl und belegt nicht, dass der
Rat den Inhalt aller beantragten Dokumente nicht systematisch geprüft hätte.
90.
Der Kläger kann auch kein Argument daraus herleiten, dass die beklagten Gemeinschaftsorgane
sich vor einer Antwort an ihn abgesprochen haben, da die beantragten Dokumente zum Teil im
Rahmen einer Zusammenarbeit dieser Gemeinschaftsorgane erstellt wurden. Das Verhalten der
beklagten Gemeinschaftsorgane war im vorliegenden Fall zweckdienlich und entsprach dem Grundsatz
der ordnungsgemäßen Verwaltung.
91.
Was die Begründungspflicht anbelangt, ist daran zu erinnern, das sie es zum einen den Betroffenen
ermöglichen soll, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die ergriffene Maßnahme
zu erfahren, und zum anderen den Gemeinschaftsrichter in die Lage versetzen soll, die Rechtmäßigkeit
der Entscheidung zu kontrollieren (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in
der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 15, und Urteil des
Gerichts vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-85/94, Branco/Kommission, Slg. 1995, II-45,
Randnr. 32).
92.
Außerdem muss die Begründung nach ständiger Rechtsprechung die Überlegungen der
Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, klar und eindeutig zum
Ausdruck bringen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-278/95 P,
Siemens/Kommission, Slg. 1997, I-2507, Randnr. 17, und Urteile des Gerichts, WWF UK/Kommission,
Randnr. 66, und vom 6. Februar 1998 in der Rechtssache T-124/96, Interporc/Kommission, Slg. 1998,
II-231, Randnr. 53).
93.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers kommt die Verpflichtung der beklagten
Gemeinschaftsorgane, die Interessen der Bürger am Zugang zu Dokumenten gegen die Notwendigkeit
der Geheimhaltung ihrer Beratungen tatsächlich abzuwägen, im vorliegenden Fall nicht zum Tragen,
da die Entscheidungen, dem Kläger den Zugang zu verwehren, nicht auf die Geheimhaltung der
Beratungen dieser Gemeinschaftsorgane gestützt wurden (vgl. Urteil WWF UK/Kommmission, Randnr.
59).
94.
Im vorliegenden Fall waren die beklagten Gemeinschaftsorgane verpflichtet, wenigstens für jede
Gruppe von Dokumenten die Gründe anzugeben, aus denen sie der Auffassung waren, dass die in den
an sie gerichteten Anträgen erwähnten Dokumente unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen
Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen fielen; dabei haben sie unter Beachtung der in
den Randnummern 91 und 92 dargelegten allgemeinen Anforderungen an die Begründung
darzulegen, inwiefern die Verbreitung dieser Dokumente dieses Interesse beeinträchtigen könnte (vgl.
in diesem Sinne Urteil WWF UK/Kommission, Randnr. 64).
95.
Die Gemeinschaftsorgane haben sich auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses im
Bereich der internationalen Beziehungen berufen und die Gründe angegeben, aus denen sie der
Auffassung sind, dass diese Ausnahme anwendbar ist. Der Rat hat nämlich bei Ablehnung des
Zweitantrags für jedes Dokument dargelegt, warum es unter diese Ausnahme falle (siehe oben,
Randnr. 16). Aus dieser Begründung folgt, dass die Verbreitung irgendeines der vom Kläger
erwähnten Dokumente die Position der Europäischen Union in den aktuellen und künftigen
Verhandlungen mit bestimmten Drittstaaten schwächen könnte. Die Begründung der Entscheidung
der Kommission entspricht, auch wenn sie kürzer ist, ebenfalls den von der Rechtsprechung
aufgestellten Anforderungen. Die Kommission hat nämlich ihre Antwort der des Rates angepasst und
darauf hingewiesen, dass jedes der beantragten Dokumente detaillierte Informationen über den
Standpunkt enthalte, den die Europäische Union in ihren Beziehungen zu Russland einzunehmen
beabsichtige (siehe oben, Randnr. 15). Im vorliegenden Fall kann dem Rat oder der Kommission nicht
vorgeworfen werden, sich zu allgemeiner Wendungen bedient zu haben, denn sie durften davon
ausgehen, dass es unmöglich sei, die Gründe für die vertrauliche Behandlung konkreter anzugeben,
ohne den Inhalt dieser Dokumente bekannt zu machen und ohne der Ausnahme damit ihre
wesentliche Zweckbestimmung zu nehmen (vgl. Urteil WWF UK/Kommission, Randnr. 65).
96.
Die beklagten Gemeinschaftsorgane haben daher die in Artikel 253 EG niedergelegte
Begründungspflicht nicht verletzt.
97.
Nach alledem sind der dritte und der vierte Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
98.
Nach Ansicht des Klägers sind die beklagten Gemeinschaftsorgane verpflichtet, nicht nur das
öffentliche Interesse zu berücksichtigen, sondern auch sein besonderes Interesse am Zugang zu den
Dokumenten. Im vorliegenden Fall benötige er die Dokumente, um sich vor den finnischen Gerichten
zu verteidigen.
99.
In seiner Erwiderung weist er ergänzend darauf hin, dass die Tatsache, dass das Gerichtsverfahren
in Finnland zum Teil dieselben Dokumente betreffe, deren Übermittlung er im vorliegenden Fall
beantragt habe, sein ganz besonderes Interesse an der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes
des Zugangs zu Dokumenten im vorliegenden Fall belege.
100.
In der mündlichen Verhandlung hat er ausgeführt, dass er nicht wisse, ob die Dokumente, deren
Inhalt er verbreitet habe - weshalb er in Finnland verurteilt worden sei -, genau die seien, zu denen er
Zugang beantragt habe; deshalb habe er sich im vorliegenden Fall an die beklagten
Gemeinschaftsorgane gewandt.
101.
Die beklagten Gemeinschaftsorgane hätten vor Erlass einer Entscheidung die verschiedenen
betroffenen Interessen abwägen müssen.
102.
Der Rat macht geltend, der Kläger habe ihm nicht mitgeteilt, dass er die Dokumente benötige, um
sich vor den finnischen Gerichten zu verteidigen. Dieser Aspekt könne in der vorliegenden
Rechtssache daher nicht berücksichtigt werden. In der mündlichen Verhandlung hat er vorgetragen,
dass dieses besondere Interesse nicht mehr bestehe, weil das finnische Gerichtsverfahren mit einer
Entscheidung des Obersten Gerichtshofes abgeschlossen sei. Das vom Kläger geltend gemachte
besondere Interesse sei jedenfalls nicht von Belang und wäre nicht berücksichtigt worden.
103.
Die Kommission weist darauf hin, dass die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses
zwingend sei. Sie sei daher nicht verpflichtet, das Interesse desjenigen, der den Zugang zu
Dokumenten beantrage, und ihr Interesse, keinen Zugang zu gewähren, gegeneinander abzuwägen.
104.
Auch habe der Kläger vor Erhebung seiner Klage beim Gericht nicht mitgeteilt, dass er die in Rede
stehenden Dokumente benötige, um sich vor den finnischen Gerichten zu verteidigen. Die Kommission
sei daher nicht in der Lage gewesen, dieses besondere Interesse des Klägers bei der Beurteilung des
Antrags auf Zugang zu berücksichtigen.
105.
In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ergänzend geltend gemacht, das Argument des
Klägers sei insoweit unredlich, als das Gerichtsverfahren in Finnland entgegen seinem Vortrag
abgeschlossen sei. Das Interesse des Klägers an der Weiterverfolgung des vorliegenden Rechtsstreits
müsse daher bezweifelt werden.
Würdigung durch das Gericht
106.
Zunächst ist daran zu erinnern, dass jedermann die Einsicht in ein unveröffentlichtes Rats- oder
Kommissionsdokument beantragen kann, ohne seinen Antrag begründen zu müssen (Urteile des
Gerichts Interporc/Kommission, Randnr. 48, und vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache T-174/95,
Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, II-2289, Randnrn. 65 bis 67). Daher hat eine Person, der
der Zugang zu einem Dokument oder zu einem Teil eines Dokuments verweigert wird, bereits aus
diesem Grund ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung.
107.
Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers, die beklagten Gemeinschaftsorgane hätten sein
besonderes Interesse am Erhalt der in Rede stehenden Dokumente nicht berücksichtigt, genügt der
Hinweis, dass eine Interessenabwägung nur stattfindet, wenn der Rat oder die Kommission Anträge
auf Zugang zu Dokumenten prüfen, die ihre Beratungen betreffen; dies war hier nicht der Fall (Urteil
WWF UK/Kommission, Randnr. 59).
108.
Dieser Klagegrund ist daher als unschlüssig zurückzuweisen.
109.
Der Kläger beantragt in seiner Erwiderung, das Gericht möge die Vorlage der beantragten
Dokumente anordnen, damit es sie im Hinblick auf sein Vorbringen zu ihrem wahrscheinlichen Inhalt
prüfen und somit beurteilen könne, wie die Kommission und der Rat seine Anträge auf Zugang zu
diesen Dokumenten geprüft hätten. Er beantragt, seinem Anwalt zu gestatten, diese Dokumente -
falls notwendig, vertraulich - zusammen mit dem Gericht einzusehen. Sofern es erforderlich sein sollte,
verzichteten er und sein Anwalt auf das Recht, diese Dokumente einzusehen.
110.
Aufgrund der Würdigung sämtlicher vom Kläger angeführten Klagegründe durch das Gericht bedarf
es für die Entscheidung des Rechtsstreits jedoch nicht der Anordnung der Vorlage der Dokumente.
Kosten
111.
Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinem Vorbringen unterlegen ist, hat er gemäß den Anträgen
des Rates und der Kommission die Kosten zu tragen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates und der
Kommission.
Lindh
García-Valdecasas
Cooke
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2001.
Der Kanzler
Die Präsidentin
H. Jung
P. Lindh
Verfahrenssprache: Englisch.