Urteil des EuG vom 24.02.2000

EuG: kommission, portier, projekt, ausschreibung, verfahrensordnung, erstellung, nichtigerklärung, vertreter, vollmacht, satzung

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)
24. Februar 2000
„TACIS-Programm - Ausschreibung - Fehler im Ausschreibungsverfahren - Nichtigkeitsklage -
Schadensersatzklage - Zulässigkeit“
In der Rechtssache T-145/98
ADT Projekt Gesellschaft der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter mbH
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Hansen, Bienenbüttel, Uelzener Straße 8, Bienenbüttel
(Deutschland),
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
B. Brandtner, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, den Auftrag im Rahmen des Projektes FD RUS
9603 („The Russian Federation: Adapting Russian Beef and Dairy Farming to Restructuring“) nicht an die
Klägerin zu vergeben, und Ersatzes des der Klägerin angeblich durch das Verhalten der Kommission
entstandenen Schadens
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. Azizi und M. Jaeger,
Kanzler: H. Jung
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 1999,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1.
Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und Rußland im TACIS-Programm, das
durch die Verordnung (EURATOM, EG) Nr. 1279/96 des Rates vom 25. Juni 1996 über die Unterstützung
der Neuen Unabhängigen Staaten und der Mongolei bei ihren Bemühungen um Gesundung und
Neubelebung ihrer Wirtschaft (ABl. L 165, S. 1; im folgenden: TACIS-Verordnung) geregelt wird,
vereinbarten die Kommission und die Russische Akademie der Landwirtschaftswissenschaften die
Durchführung eines Projekts zur Weiterentwicklung und Umstrukturierung der russischen Milchvieh-
und Fleischrinderhaltung mit dem Titel „The Russian Federation: Adapting Russian Beef and Dairy
Farming to Restructuring“ (Referenznummer: FD RUS 9603).
2.
Die Artikel 6 und 7 sowie Anhang III der TACIS-Verordnung enthalten die Bedingungen für die
Vergabe von Aufträgen im Rahmen des TACIS-Programms, insbesondere im Wege der beschränkten
Ausschreibung.
3.
Ferner gelten „Allgemeine Vorschriften für die Ausschreibung und die Vergabe der aus PHARE-
/TACIS-Mitteln finanzierten Dienstleistungsaufträge“ (im folgenden: Allgemeine Vorschriften).
4.
Artikel 12 der Allgemeinen Vorschriften in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden
Fassung bestimmt:
„LAUTERER WETTBEWERB
(1) Natürliche oder juristische Personen, die bei der Ausarbeitung der Leistungsbeschreibung für
das ausgeschriebene Projekt mitgearbeitet oder anderweitig an der Bestimmung der nach dem
Auftrag zu erbringenden Tätigkeit mitgewirkt haben, dürfen an der Ausschreibung weder als Bieter
noch als Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft, als Nachunternehmer oder als Mitglied des Personals
eines Bieters an der Ausschreibung teilnehmen.
(2) Sollte gleichwohl eine der in Absatz 1 genannten Personen an einer Ausschreibung teilnehmen,
so lehnt der Auftraggeber das entsprechende Angebot ab.
(3) Während eines Zeitraums von 6 Monaten nach der Unterzeichnung des Auftrags darf ein Bieter,
dem der Auftrag vergeben wurde, die natürlichen oder juristischen Personen, die bei der
Ausarbeitung der Leistungsbeschreibung für das ausgeschriebene Projekt mitgearbeitet oder
anderweitig an der Bestimmung der nach dem Auftrag zu erbringenden Tätigkeiten mitgewirkt haben,
in welcher Eigenschaft auch immer, nicht beschäftigen.
(4) Weder die Bieter noch Mitglieder ihres Personals, noch jedwede andere mit ihnen verbundene
Person nehmen an der Bewertung der betreffenden Ausschreibung teil.
(5) Wird von der Auftraggebenden Partei und einem Bieter ein Auftrag unter Verstoß gegen die
Absätze 1, 3 und 4 unterzeichnet, so kann die Auftraggebende Partei den Vertrag fristlos kündigen.“
5.
Artikel 23 der Allgemeinen Vorschriften in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden
Fassung sieht vor:
„BENACHRICHTIGUNG DER NICHT ERFOLGREICHEN BIETER
(1) Nach Abschluß des Ausschreibungsverfahrens werden die nicht erfolgreichen Bieter schriftlich
über die Gründe für die Ablehnung ihrer Angebote und den Namen des Bieters informiert, an den der
Auftrag vergeben wurde.
(2) Hat ein Bieter schwerwiegende Gründe, so kann er den Auftraggeber unter Angabe von Gründen
um [erneute] Prüfung [seines Angebots] ersuchen. Der Auftraggeber gibt hierauf eine mit Gründen
versehene schriftliche Antwort.“
6.
Artikel 24 der Allgemeinen Vorschriften in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden
Fassung bestimmt:
„AUFHEBUNG DER AUSSCHREIBUNG
(1) Der Auftraggeber kann - ohne daß dadurch eine Haftung gegenüber den Bietern begründet wird
und unbeschadet des Stadiums, in dem sich das Vergabeverfahren befindet - entweder die
Ausschreibung [einstellen oder] aufheben oder anordnen, daß das Verfahren erforderlichenfalls zu
geänderten Bedingungen wiederholt wird.
(2) Die Ausschreibung kann insbesondere eingestellt oder aufgehoben werden:
a) wenn kein Angebot den Vergabekriterien entspricht;
b) wenn die wirtschaftlichen oder technischen Daten des Projekts wesentlich geändert worden sind;
c) wenn die Dienstleistungen aus Gründen, die mit dem Schutz ausschließlicher Rechte
zusammenhängen, nur von einer bestimmten Firma erbracht werden können;
d) wenn außergewöhnliche Umstände eine normale Durchführung der Ausschreibung oder eine
normale Ausführung des Auftrags unmöglich machen;
e) wenn alle eingegangenen Angebote die für den Auftrag vorgesehenen Finanzmittel übersteigen;
f) wenn die eingegangenen Angebote schwere Regelwidrigkeiten enthalten und dadurch das
normale Funktionieren der Marktkräfte übersteigen;
g) wenn kein Wettbewerb stattgefunden hat;
h) wenn das Projekt annulliert wurde;
i) wenn die Bedingungen für den lauteren Wettbewerb nicht eingehalten wurden.
(3) Wird eine Ausschreibung aufgehoben, so werden die Bieter, die noch an ihr Angebot gebunden
sind, vom Auftraggeber benachrichtigt. Diese Bieter haben keinen Anspruch auf Schadensersatz.“
7.
Artikel 25 Absätze 1 und 3 der Allgemeinen Vorschriften in seiner im entscheidungserheblichen
Zeitraum geltenden Fassung lautet:
„AUFTRAGSVERGABE
(1) Der Auftraggeber kann gegebenenfalls nach Verhandlung oder Erläuterungssitzungen mit dem
Bieter oder den Bietern, deren Angebote als wirtschaftlich günstigste angesehen worden sind, einen
Vertrag schließen.
...
(3) Der Vertrag wird mit der Unterzeichnung durch die beiden Parteien geschlossen.“
Sachverhalt
8.
Am 7. Februar 1997 gab die Kommission im unter der
Nummer RU96010401 eine beschränkte Ausschreibung bezüglich des Projekts FD RUS 9603 bekannt,
nachdem sie im Dezember 1996 in einer allgemeinen Bekanntmachung zu Interessenbekundungen für
dieses Projekt aufgefordert hatte.
9.
Am 11. Februar 1997 beantragte die Klägerin bei der Kommission, in die begrenzte Liste dieser
Ausschreibung eingetragen zu werden.
10.
Am 13. März 1997 wurde sie von der Kommission unter die neun Bewerber aufgenommen, die ein
Angebot für das betreffende Projekt abgeben durften.
11.
Am 14. April 1997 wurden den in der begrenzten Liste stehenden neun Bewerbern die
Ausschreibungsunterlagen zugesandt.
12.
Am 16. Juni 1997 reichte die Klägerin ihr Angebot bei der Kommission ein.
13.
Am 9. und 10. Juli 1997 wurden die acht Bewerber, die ein Angebot eingereicht hatten, von einem
Bewertungsausschuß angehört, der aus den Herren Daniilidis als Ausschußvorsitzendem, Portier und
Whiley als Vertretern der Kommission, Van de Walle und Scheper als unabhängigen Gutachtern und
Cherekaev als Vertreter der Projektnehmerin bestand.
14.
Am 23. September 1997 bat die Kommission die Klägerin unter Berufung auf eine
unvorhergesehene Verzögerung darum, die Gültigkeit ihres Angebots um sechzig Tage zu verlängern.
15.
Am 1. Oktober 1997 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie an ihrem Angebot interessiert
sei, aber einige Punkte des technischen Teils des Angebots geklärt sehen wolle.
16.
Am 14. Oktober 1997 gab die Klägerin der Kommission die entsprechenden Auskünfte.
17.
Am 6. November 1997 äußerte die Klägerin ihr Erstaunen darüber, daß die Kommission auf ihr
Schreiben vom 14. Oktober nicht geantwortet habe, und erkundigte sich nach dem weiteren Vorgehen
bei der Vergabe des Projekts FD RUS 9603.
18.
Am 11. Dezember 1997 bat die Kommission die Klägerin unter erneuter Berufung auf eine
unvorhergesehene Verzögerung, die Gültigkeit ihres Angebots um weitere sechzig Tage zu verlängern.
19.
Am 7. Januar 1998 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie aufgrund von Problemen, die im
Rahmen der Evaluierung der Angebote aufgetreten seien, beschlossen habe, eine neue Evaluierung
durchzuführen. Die Zusammensetzung des mit der Durchführung des Projekts betrauten Teams könne
geändert werden, sonstige Änderungen des technischen Teils des Angebots seien jedoch nicht
zulässig. Die neuen Angebote sollten in fünf Exemplaren spätestens am 26. Januar 1998 bei der
Kommission eingehen. Sie sollten ab dem Datum des Eingangs des neuen Angebots 120 Tage gültig
sein. Die Klägerin wurde aufgefordert, ihr Einverständnis mit diesem neuen Evaluierungsverfahren
mitzuteilen, wenn sie daran teilnehmen wolle.
20.
Mit Schreiben vom 8. Januar 1998 warf die Kommission Herrn Cherekaev vor, er habe im ersten
Evaluierungsverfahren am 9. und 10. Juli 1997 außergewöhnliche Punktzahlen vergeben. Sie bat ihn
ferner, für das beabsichtigte neue Evaluierungsverfahren für die Benennung eines anderen Vertreters
der Russischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu sorgen.
21.
Am 9. Januar 1998 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß die Anhörungen zur Evaluierung der
Angebote am 4. und 5. März 1998 stattfinden würden und ihr nach dem 26. Januar 1998 eine formelle
Einladung zugesandt werde.
22.
Am 22. Januar 1998 teilte die Klägerin der Kommission mit, daß sie mit dem vorgeschlagenen
Verfahren für eine neue Evaluierung der Angebote einverstanden sei.
23.
Am 26. Januar 1998 reichte die Klägerin ihr Angebot für die neue Evaluierung ein.
24.
Am 4. und 5. März 1998 wurden die sieben Bieter, die ihre Bereitschaft zur Teilnahme an dem neuen
Evaluierungsverfahren mitgeteilt hatten, von einem Ausschuß angehört, der aus den Herren Kjellstrom
als Ausschußvorsitzendem, Portier und Wiesner als Vertretern der Kommission, Risopoulos und
Macartney als unabhängigen Gutachtern und Strekosov als Vertreter der Projektnehmerin bestand.
25.
Am 9. April 1998 ersuchte die Klägerin die Kommission unter Berufung auf Artikel 23 Absatz 2 der
Allgemeinen Vorschriften, ihr Angebot erneut zu prüfen. Sie stützte ihren Antrag auf neun Rügen, die
insbesondere das Verhalten von HerrnVan de Walle und der belgischen Gesellschaft AGRER im
Ausschreibungsverfahren, das Verhalten und die Anwesenheit von Herrn Portier in den beiden
Bewertungsausschüssen, angebliche Einschüchterungsversuche gegenüber der Russischen
Akademie der Landwirtschaftswissenschaften nach dem ersten Evaluierungsverfahren und den
willkürlichen Charakter des zweiten Evaluierungsverfahrens betrafen. Sie beklagte sich ferner darüber,
daß die übrigen Bieter und die Verantwortlichen des TACIS-Programms ihren guten Ruf geschädigt
hätten.
26.
Am 5. Juni 1998 wiederholte die Klägerin ihre Bitte bei der Kommission.
27.
Am 15. Juni 1998 versicherte die Kommission der Klägerin, daß ihr Schreiben vom 9. April 1998 die
nötige Aufmerksamkeit erhalten werde. Sie sei jedoch nicht in der Lage, Einzelheiten des
Ausschreibungsverfahrens mit ihr zu besprechen, solange das Verfahren noch in Gang sei. Die
Klägerin werde vom Resultat des Verfahrens rechtzeitig erfahren.
28.
Am 18. Juni 1998 schloß die Kommission mit AGRER einen Vertrag zur Durchführung des Projektes
FD RUS 9603.
29.
Am 23. Juni 1998 bestätigte die Kommission den Eingang des Schreibens der Klägerin vom 5. Juni
1998; sie wies die Klägerin auf ihre Antwort vom 15. Juni 1998 hin und betonte, daß das
Ausschreibungsverfahren immer noch laufe.
30.
Am 26. Juni 1998 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß ihr Angebot nicht ausgewählt worden
sei, da es bezüglich der Erfahrung des mit Projektdurchführung beauftragten Teams und bezüglich der
vorgeschlagenen finanziellen Bedingungen weniger interessant gewesen sei als das Angebot von
AGRER, an die der Auftrag vergeben worden sei.
31.
Mit Schreiben vom 6. Juli 1998 bestätigte die Klägerin den Erhalt des Schreibens der Kommission
vom 26. Juni 1998. Die Klägerin ging noch einmal die verschiedenen Abschnitte des
Ausschreibungsverfahrens durch, wobei sie zwischen den beiden Evaluierungsverfahren unterschied,
und erinnerte an die Kritikpunkte, die sie in ihren Schreiben vom 9. April 1998 und 5. Juni 1998
vorgebracht hatte. Sie äußerte sich überrascht darüber, daß aufgrund der Intervention eines
Konkurrenten das erste Evaluierungsverfahren aufgehoben worden sei und daß ihre am 9. April 1998
vorgetragenen Bedenken vor der Vergabe des Auftrags nicht berücksichtigt worden seien.
32.
Am 29. Juli 1998 erklärte die Kommission der Klägerin, inwiefern ihr Angebot weniger interessant
gewesen sei als das von AGRER, und wies im übrigen die Anschuldigungen der Klägerin zurück.
33.
Am 6. August 1998 erklärte die Klägerin der Kommission, daß sie mit ihren Erklärungen nicht
einverstanden sei. Sie verfüge über Informationen, wonach Herr Van de Walle an der Erstellung des
Angebots von AGRER mitgewirkt habe. Sie kritisierte ferner, daß sich Herr Van de Walle während des
Aufenthalts von Herrn Cherekaev in Belgien im Mai 1997 parteiisch zugunsten von AGRER verhalten
habe. Schließlich erkundigte sie sich nach möglichen Rechtsbehelfen gegen die Entscheidung der
Kommission vom 26. Juni 1998.
34.
Da die Kommission zum letztgenannten Punkt nichts mitteilte, wiederholte die Klägerin ihre Bitte
telefonisch im August 1998. Der Vertreter der Kommission, mit dem sie Kontakt aufgenommen hatte,
lehnte es ab, die Auskunft zu erteilen.
Verfahren
35.
Am 11. September 1998 hat die Klägerin eine Klage bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht,
die gemäß Artikel 47 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes an die Kanzlei des Gerichts
übermittelt worden ist.
36.
Am 20. November 1998 hat die Klägerin mit besonderem Schriftsatz, der bei der Kanzlei des
Gerichts eingereicht worden ist, einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gestellt. Die
Kommission hat am 3. Februar 1999 Stellung zu diesem Antrag genommen. Mit Beschluß des
Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts vom 6. Mai 1999 ist der Antrag zurückgewiesen worden.
37.
Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu
eröffnen, nachdem es zuvor eine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung angeordnet und die
Parteien im Wege prozeßleitender Maßnahmen aufgefordert hatte, schriftliche Fragen zu beantworten.
38.
So hat das Gericht am 7. Juli 1999 zum Zweck der Beweisaufnahme entsprechend dem Antrag der
Klägerin die Vernehmung von Herrn Ochs, einem unabhängigen Mitarbeiter der Klägerin, Herrn
Cherekaev, dem Vertreter der Russischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften im ersten
Bewertungsausschuß, und Herrn Dunleavy, dem ersten Projektleiter von AGRER für die Durchführung
des Projekts FD RUS 9603, als Zeugen angeordnet. Ferner hat es entsprechend dem Antrag, den die
Kommission für den Fall gestellt hatte, daß das Gericht die Vernehmung der von der Klägerin
benannten Zeugen beschließen sollte, das Erscheinen von Herrn Van de Walle, dem von der
Kommission mit der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für das Projekt FD RUS 9603
beauftragten Experten und Mitglied des ersten Bewertungsausschusses, als Zeuge angeordnet. Die
Vernehmung von Herrn Ochs und Herrn Dunleavy hat am 14. September 1999 stattgefunden. Herr
Cherekaev, der für denselben Tag geladen wurde, ist nicht erschienen. Herr Van der Walle ist am 7.
Oktober 1999 vernommen worden.
39.
Mit prozeßleitender Maßnahme vom 12. Juli 1999 hat das Gericht die Kommission aufgefordert, das
Original der Bewertungsprotokolle des Ausschreibungsverfahrensbezüglich des Projekts FD RUS 9603
oder eine beglaubigte Kopie dieser Protokolle sowie die Protokolle der im Juli 1997 und im März 1998
durchgeführten Anhörungen vorzulegen.
40.
Am 28. Juli 1999 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, daß sie es aus Gründen der
Vertraulichkeit ablehne, eine nichtbereinigte Fassung der Protokolle der Evaluierungsverfahren vom 9.
und 10. Juli 1997 sowie vom 4. und 5. März 1998 zu den Akten zu reichen. Sie hat sich bereit erklärt,
auf Verlangen des Gerichts eine nichtvertrauliche Fassung der von der prozeßleitenden Maßnahme
betroffenen Dokumente vorzulegen.
41.
Das Gericht hat es für die Beweisaufnahme in der Rechtssache für erforderlich gehalten, eine
vollständige Fassung der genannten Protokolle zu erlangen, und der Kommission mit Beschluß vom
14. September 1999 aufgegeben, spätestens am 22. September 1999 um 12 Uhr eine beglaubigte
Kopie des Originals der Protokolle vorzulegen, um sie zu den Verfahrensakten zu nehmen und der
Klägerin zur Kenntnis zu bringen.
42.
Die Kommission hat mit Rechtsmittelschrift, die am 22. September 1999 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß den Artikeln 49 und 51 der Satzung des Gerichtshofes ein
Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts vom 14. September 1999 eingelegt. Mit besonderem
Schriftsatz, der am gleichen Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat sie gemäß
den Artikeln 242 EG und 243 EG einen Antrag auf einstweilige Anordnung mit dem Ziel der Aussetzung
der Durchführung des angefochtenen Beschlusses gestellt.
43.
Mit Beschluß vom 4. Oktober 1999 in der Rechtssache C-349/99 P (Kommission/ADT Projekt, Slg.
1999, I-0000) hat der Gerichtshof das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit Beschluß vom 7. Oktober 1999
in der Rechtssache C-349/99 P-R (Kommission/ADT Projekt, Slg. 1999, I-0000) hat der Präsident den
Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen.
44.
Die Kommission hat daraufhin keine Einwände mehr dagegen erhoben, daß die vollständige
Fassung der betreffenden Protokolle zu den Akten genommen und der Klägerin zur Kenntnis gebracht
wird, solange sie ausschließlich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens verwendet wird und sich die
Klägerin hierzu verpflichtet. Die Klägerin hat vor der Eröffnung der mündlichen Verhandlung Einsicht in
diese Dokumente genommen.
45.
Die Parteien haben in der Sitzung vom 7. Oktober 1999 mündlich verhandelt.
Anträge der Parteien
46.
Die Klägerin beantragt,
- festzustellen, daß der Bescheid der Kommission vom 26. Juni 1998, ihr zugegangen am 6. Juli 1998,
rechtswidrig ist;
- weiter festzustellen, daß die Kommission verpflichtet gewesen wäre, sie mit der Durchführung des
Projekts FD RUS 9603 zu beauftragen;
- die Kommission zu verurteilen, an sie 550 000 DM Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns
infolge der Vergabe des Auftrags an ein Konkurrenzunternehmen zu zahlen, hilfsweise, die Kommission
zu verurteilen, an sie 225 250 DM Schadensersatz (Kosten der Erstellung ihres Angebots) zu zahlen.
47.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ferner beantragt, der Kommission die Kosten des
Verfahrens aufzuerlegen.
48.
Die Kommission beantragt,
- die Klage wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Vollmacht bzw. wegen in sich widersprüchlichen
Streitgegenstands und Fehlens der Angabe der erforderlichen Klagegründe als unzulässig
zurückzuweisen;
- hilfsweise,
- den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides der Kommission
vom 26. Juni 1998, so es sich dabei um einen Antrag nach Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt
Artikel 230 EG) handeln sollte, als verfristet zurückzuweisen, so es sich dabei um einen Antrag auf
Klärung der Rechtswidrigkeit (Vorfrage) im Rahmen eines allfällig zu unterstellenden Verfahrens nach
Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 288 Absatz 2 EG) handeln sollte, als offensichtlich
unbegründet abzuweisen;
- den Antrag der Klägerin auf Feststellung, daß die Kommission verpflichtet gewesen wäre, die
Klägerin mit der Projektdurchführung zu beauftragen, als unzulässig zurückzuweisen;
- die Anträge der Klägerin auf Schadensersatz als offensichtlich unbegründet abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
49.
Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit der Klage und bringt hierfür zwei Gründe vor, nämlich
daß die Klageschrift die Formerfordernisse nicht erfülle und daß die Klage verspätet erhoben worden
sei. Als dritten Grund macht sie geltend,der Antrag auf Feststellung, daß sie verpflichtet gewesen
wäre, die Klägerin mit der Durchführung des Projekts FD RUS 9603 zu beauftragen, sei unzulässig.
50.
Die Kommission macht zunächst geltend, daß die Vollmachtsurkunde, die der Beistand der Klägerin
als Nachweis für seine Prozeßvollmacht vorgelegt habe, nicht ordnungsgemäß sei. Die Angaben in
dem der Klageschrift als Anlage 19 beigefügten Dokument entsprächen nicht den Anforderungen in
Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes und Artikel 44 § 5 Buchstabe b der Verfahrensordnung des
Gerichts. Die Stellung der Unterfertigten gehe aus diesem Dokument nicht hervor. Die Unterfertigten
hätten als einfache Privatpersonen gehandelt, wie der Inhalt der Vollmacht bestätige, der sich
insbesondere auf Angelegenheiten persönlicher Art beziehe, die natürliche Personen beträfen, wie z.
B. Scheidungen. Da nur die ADT Projekt GmbH in der vorliegenden Rechtssache ein Klageinteresse
habe, sei die Frage der Ordnungsgemäßheit der Vollmacht für die Zulässigkeit der Klage von größter
Bedeutung.
51.
Nach Artikel 44 § 6 der Verfahrensordnung hat der Kanzler die Ordnungsgemäßheit der dem Anwalt
erteilten Vollmacht von Amts wegen zu prüfen und dem Kläger gegebenenfalls eine angemessene Frist
zur Behebung eines Mangels zu setzen.
52.
Im vorliegenden Fall hat der Kanzler versichert, daß die der Klageschrift als Anlage 19 beigefügte
Vollmacht entsprechend dem Vorbringen der Klägerin ein in Deutschland standardmäßig verwendetes
Vollmachtsformular ist, was die Bezugnahme auf Rechtsstreitigkeiten persönlicher Art erklärt. Zudem
enthält die Vollmacht die Angabe „ADT Projekt GmbH/EG Komm.“, wodurch jeder Zweifel an einem
Zusammenhang zwischen dieser Vollmacht und der vorliegenden Rechtssache beseitigt wird.
53.
Außerdem hat die Klägerin auf Aufforderung des Kanzlers gemäß Artikel 44 §§ 5 und 6 der
Verfahrensordnung am 8. Oktober 1998 einen Auszug aus dem Handelsregister vorgelegt (letzte
Anlage zur Klageschrift), aus dem hervorgeht, daß die beiden Unterzeichner der Vollmachtsurkunde,
Herr Meyn und Herr Schmitt, berechtigt waren, dem Anwalt die Vollmacht zur Vertretung der Klägerin in
der vorliegenden Rechtssache zu erteilen.
54.
Das Vorbringen der Kommission, daß die Vollmacht nicht ordnungsgemäß sei, ist daher
zurückzuweisen.
55.
Sodann macht die Kommission geltend, daß die Klage inhaltlich nicht den formalen Erfordernissen
des Artikels 19 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes und des Artikels 44 § 1 Buchstaben c und d
der Verfahrensordnung entspreche. Hierfür bringt sie vier Argumente vor.
56.
Zum ersten seien der auf Seite 1 der Klageschrift angegebene Streitgegenstand und die auf Seite
2 der Klageschrift erhobenen Anträge in sich widersprüchlich. Der Streitgegenstand betreffe die
Annullierung des gesamten Vergabeverfahrens, die Anträge zielten jedoch auf Aufhebung der
Zuschlagserteilung an eine Mitbewerberin und auf Zuschlagserteilung an die Klägerin sowie auf
Schadensersatz. Es sei nicht möglich, diese Begehren untereinander zur Deckung zu bringen, da die
Zuschlagserteilung an die Klägerin voraussetze, daß der Teil des Verfahrens, der die erste
Evaluierung betroffen habe, nicht annulliert werde, was mit dem im Streitgegenstand angegebenen
Antrag nicht vereinbar sei.
57.
Zum zweiten sei ihr die Bedeutung des ersten Klageantrags nicht klar. Der EG-Vertrag sehe keine
Feststellungsklage vor. In Wirklichkeit handele es sich um einen Antrag auf Klärung einer Vorfrage,
was im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages durchaus relevant sei.
Grundlage des vorstehend genannten Antrags sei jedoch Artikel 173 des Vertrages.
58.
Zum dritten entsprächen die Klagegründe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht den
Vorgaben der Verfahrensordnung.
59.
So enthalte die Klage erstens eine Unmenge von Anschuldigungen gegenüber am vorliegenden
Verfahren nicht beteiligten Personen, deren Verhalten nicht ohne Erläuterung der Kommission
zugerechnet werden könne. In ihrer Gegenerwiderung macht die Kommission geltend, daß die
Erklärungen, mit denen die Klägerin zu begründen versuche, daß das betreffende Verhalten ihr
zurechenbar sei, verspätet und unzulänglich seien. Ferner deckten sich die in der Klage erhobenen
Anschuldigungen nicht mit den in den Schreiben der Klägerin vom 9. April und 6. Juli 1998 enthaltenen
Vorwürfen, so daß nicht einmal davon ausgegangen werden könne, daß der an sie gerichtete Vorwurf
der Klägerin dahin gehe, sie habe ihren im Zuge des Verwaltungsverfahrens erhobenen
Anschuldigungen nicht Rechnung getragen.
60.
Zweitens erkläre die Klägerin nicht, weshalb sie sich auf Tatsachen berufe, die sich auf das erste
Evaluierungsverfahren bezögen, obwohl ihre Klage die nach dem zweiten Evaluierungsverfahren
ergangene Entscheidung betreffe und sie ausdrücklich und bedingungslos der Annullierung des
ersten Verfahrens und der Durchführung des zweiten Verfahrens zugestimmt habe. Die Klägerin habe
die Annullierung weder sofort noch innerhalb angemessener Frist angefochten, nachdem sie
angebliche „Ungereimtheiten“ im ersten Evaluierungsverfahren entdeckt habe. Die Klägerin begründe
auch nicht, wie ihr diese „Ungereimtheiten“ bekannt geworden seien, bevor ihr die Entscheidung der
Kommission über die Zuschlagserteilung mitgeteilt worden sei. Der Klägerin sei es verwehrt, die
Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Annullierung des ersten Evaluierungsverfahrens und die
Einleitung eines zweiten Evaluierungsverfahrens nachträglich in Frage zu stellen.
61.
Drittens widerspreche sich die Klägerin selbst, indem sie eine Reihe von Fakten vorbringe, die, wenn
sie denn zuträfen, nur zur Annullierung des ersten Evaluierungsverfahrens führen könnten, während
ihr zweiter Antrag auf eine gegenteilige Entscheidung hinauslaufe.
62.
Viertens bringe die Klägerin nur wenige Fakten zur Stützung ihres Antrags auf Annullierung des
zweiten Evaluierungsverfahrens vor.
63.
Fünftens reiche das von der Klägerin angeführte Argument einer mangelnden
Rechtsbehelfsbelehrung in der Entscheidung vom 26. Juni 1998 sowie der mangelnden Hilfe durch den
Beamten, mit dem die Klägerin im August 1998 Kontakt aufgenommen habe, nicht aus, um die
Gültigkeit der Entscheidung in Frage stellen zu können.
64.
Zum vierten macht die Kommission geltend, der dritte und der vierte Klageantrag seien unzulässig,
da die Klägerin weder die schädigende Handlung noch einen Kausalzusammenhang zwischen dem
Verhalten der Kommission und ihrem Schaden angebe. Zudem seien die beiden von der Klägerin als
Schadensersatz verlangten Beträge untereinander nicht zur Deckung zu bringen und nicht
gerechtfertigt.
65.
Nach Artikel 19 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 46 Absatz 1 der Satzung
auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, und nach Artikel 44 § 1 Buchstaben c und d der
Verfahrensordnung des Gerichts muß die Klageschrift u. a. den Streitgegenstand angeben sowie die
Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten.
66.
Unabhängig von Fragen der Terminologie müssen diese Angaben hinreichend klar und deutlich
sein, damit der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht - gegebenenfalls ohne
Einholung weiterer Informationen - über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und
eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage
erforderlich, daß sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage
stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der
Klageschrift ergeben (Beschluß des Gerichts vom 21. Mai 1999 in der Rechtssache T-154/98, Asia
Motor France u. a./Kommission, Slg. 1999, II-0000, Randnr. 49, und Urteil des Gerichts vom 7.
November 1997 in der Rechtssache T-84/96, Cipeke/Kommission, Slg. 1997, II-2081, Randnr. 31).
67.
Wie die Kommission einräumt, ist bei der Darstellung der Klagegründe im Sinne der
Verfahrensordnung keine spezielle Formulierung erforderlich. Es reicht aus, wenn das Vorbringen des
Klägers seinem Inhalt nach die Klagegründe erkennen läßt, ohne diese rechtlich einzuordnen, sofern
die Klagegründe mit hinreichender Deutlichkeit aus der Klageschrift hervorgehen (Beschluß Asia Motor
France u. a./Kommission, Randnr. 55).
68.
Im vorliegenden Fall geht erstens mit hinreichender Klarheit aus der Klageschrift hervor, daß die
Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, den Auftrag im Rahmen des Projekts FD
RUS 9603 nicht an die Klägerin zu vergeben, sowie auf Ersatz des Schadens gerichtet ist, der der
Klägerin angeblich durch der Kommission zurechenbare Fehler in dem der Entscheidung vom 26. Juni
1998 vorangegangenen Ausschreibungsverfahren entstanden ist. Daß die Klägerin auf der ersten
Seite der Klageschrift als Streitgegenstand „Nichtigkeit der Projektvergabe des Projektes ... FD RUS
9603“ angibt, kann weder als Widerspruch zu denjenigen Abschnitten der Klageschrift - insbesondere
den Anträgen - gewertet werden, in denen die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom
26. Juni 1998, das Projekt FD RUS 9603 an AGRER und nicht an die Klägerin zu vergeben, verlangt wird,
noch als Widerspruch zu den Abschnitten, in denen Schadensersatz verlangt wird. Was den letzten
Punkt betrifft, so zeigen übrigens die oben in Randnummer 64 genannten Einwände der Kommission,
daß diese durchaus verstanden hat, daß die Klageschrift einen solchen Antrag enthielt.
69.
Was zweitens die Bedeutung des ersten Antrags angeht, so wird aus dem Inhalt der Klageschrift
ohne weiteres klar, daß die Klägerin mit diesem Antrag auf der Grundlage von Artikel 173 des
Vertrages die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 1998 anstrebt.
70.
Drittens geht aus Abschnitt VII der Klageschrift hervor, daß die Klägerin ihren Antrag auf
Nichtigerklärung auf einen einzigen Klagegrund stützt, und zwar einen Verstoß gegen die Regeln für
Ausschreibungsverfahren und gegen den Grundsatz des „fairen Wettbewerbs“, den die Klägerin der
Reihe nach AGRER, Herrn Van de Walle und SATEC - einer der Konkurrentinnen der Klägerin im
streitigen Ausschreibungsverfahren - sowie der Kommission und Herrn Portier zur Last legt. Diese
Darstellung genügt den Formerfordernissen des Artikels 19 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes
und des Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung.
71.
Dadurch, daß die Klageschrift Anschuldigungen gegen Personen, deren Verhalten nicht der
Kommission zurechenbar wäre, sowie Rügen bezüglich des ersten Evaluierungsverfahrens enthält, auf
die sich die Klägerin wegen Verfristung angeblich nicht berufen kann oder an deren Vortrag sie wegen
des Zieles ihres zweiten Antrags kein Interesse hätte, und dadurch, daß die Rügen bezüglich des
zweiten Evaluierungsverfahrens angeblich nicht hinreichend untermauert sind, ist nicht gegen die
Formerfordernisse der Verfahrensordnung verstoßen worden. Wie aus der Klagebeantwortung und der
Gegenerwiderung hervorgeht, haben diese Umstände die Kommission im übrigen nicht daran
gehindert, durch Stellungnahme zu den verschiedenen Rügen, auf die die Klägerin ihren
Nichtigkeitsantrag gestützt hat, ihre Verteidigung vorzubereiten. Auch ist das Gericht uneingeschränkt
in der Lage, über den Antrag zu entscheiden.
72.
Die oben in den Randnummern 59 bis 62 dargestellten Kritikpunkte der Kommission überschneiden
sich in Wirklichkeit mit ihrem Verteidigungsvorbringen,mit dem je nach Fall die Zulässigkeit, die
Schlüssigkeit oder die Begründetheit des Vorbringens der Klägerin zur Stützung ihres
Nichtigkeitsantrags bestritten werden soll. Sie werden, soweit erforderlich, bei der Prüfung dieses
Vorbringens berücksichtigt werden.
73.
Was ihre Behauptung, die mangelnde Rechtsbehelfsbelehrung im Juni 1998 und August 1998 habe
keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 26. Juni 1998, mit einem Verstoß der
Klägerin gegen die genannten Formerfordernisse zu tun haben soll, erläutert die Kommission nicht.
74.
Viertens ist daran zu erinnern, daß eine Klage auf Ersatz von durch ein Gemeinschaftsorgan
verursachten Schäden den Formerfordernissen des Artikels 19 der Satzung des Gerichtshofes und
des Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung nur dann genügt, wenn die Klageschrift
Tatsachen anführt, anhand deren sich das dem Organ vom Kläger vorgeworfene Verhalten bestimmen
läßt, die Gründe angibt, aus denen der Kläger der Auffassung ist, daß ein Kausalzusammenhang
zwischen dem Verhalten und dem angeblich erlittenen Schaden besteht, sowie Art und Umfang dieses
Schadens bezeichnet (Urteil des Gerichts vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache T-13/96,
TEAM/Kommission, Slg. 1998, II-4073, Randnr. 27).
75.
Im vorliegenden Fall geht aus Abschnitt VIII der Klageschrift vor, daß das fehlerhafte Verhalten, daß
die Klägerin der Kommission vorwirft, darin bestehen soll, daß die Kommission das Verfahren zur
Vergabe des Auftrags im Rahmen des Projekts FD RUS 9603 fehlerhaft durchgeführt habe. Die
Klägerin macht geltend, sie habe dadurch einen Schaden wegen entgangenen Gewinnes in
geschätzter Höhe von 550 000 DM infolge der Vergabe des Projekts an eine andere Bieterin oder
zumindest wegen der Kosten der Angebotserstellung in geschätzter Höhe von 225 250 DM erlitten;
diesen Betrag schlüsselt sie in ihrer Erwiderung auf.
76.
Diese Angaben waren so genau, daß sich die Kommission bezüglich des Schadensersatzantrags
verteidigen konnte, was sie im übrigen in ihrer Klagebeantwortung und in ihrer Gegenerwiderung auch
getan hat.
77.
Somit ist das Verbringen der Kommission, daß die Klägerin gegen die Formerfordernisse des Artikels
19 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes und des Artikels 44 § 1 Buchstaben c und d der
Verfahrensordnung verstoßen habe, zurückzuweisen.
78.
Nach alledem ist der erste Grund zurückzuweisen.
79.
Die Kommission macht geltend, die Klägerin habe die Nichtigkeitsklage gegen ihre Entscheidung
vom 26. Juni 1998 verspätet erhoben. Zu dem Zeitpunkt, als dieKlage in das Register der Kanzlei des
Gerichts eingetragen worden sei, also am 15. September 1998, sei die der Klägerin zustehende
Klagefrist von zwei Monaten und sechs Tagen abgelaufen gewesen. Zwar habe die Klägerin die Klage
vor Ablauf dieser Frist bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht, doch müsse sie die Folgen einer
fehlerhaften Bezeichnung des zuständigen Gerichts in ihrer Klageschrift selber tragen. Die Irrtümer der
Klägerin könnten die Stellung der Beklagten nicht beeinträchtigen.
80.
Nach Artikel 43 § 3 der Verfahrensordnung ist für die Berechnung der Verfahrensfristen nur der Tag
des Eingangs bei der Kanzlei maßgebend. Im vorliegenden Fall bestreitet die Kommission nicht, daß
die Klage zwar erst am 15. September 1998 in das Register des Gerichts eingetragen worden ist, bei
dessen Kanzlei aber bereits am 11. September 1998, dem Tag ihres Eingangs bei der Kanzlei des
Gerichtshofes und der Übermittlung an die Kanzlei des Gerichts, eingegangen ist. Zu diesem
Zeitpunkt war die der Klägerin eingeräumte Frist für den Antrag auf Nichtigerklärung der
Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 1998 noch nicht abgelaufen, wie die Kommission selbst
zugibt.
81.
Dieser zweite Grund, den die Kommission im übrigen in der mündlichen Verhandlung
zurückgenommen hat, ist daher zurückzuweisen.
82.
Nach Auffassung der Kommission ist der zweite Klageantrag, mit dem die Klägerin die Feststellung
begehrt, daß die Kommission verpflichtet gewesen wäre, sie mit der Durchführung des Projekts FD
RUS 9603 zu beauftragen, unzulässig.
83.
Wie die Kommission hervorhebt, kann das Gericht bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse den
Gemeinschaftsorganen keine Weisungen erteilen und kann sich nicht an ihre Stelle setzen (vgl. u. a.
Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-5/93 P, DSM/Kommission, Slg. 1999, I-
4695, Randnr. 36, und Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94, T-
375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnr.
53).
84.
Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 des Vertrages ist der Gemeinschaftsrichter
lediglich befugt, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung zu prüfen. Stellt er fest, daß sie
rechtswidrig ist, so erklärt er sie für nichtig. Es ist Sache des betreffenden Organs, gemäß Artikel 176
EG-Vertrag (jetzt Artikel 233 EG) die Maßnahmen zur Durchführung des Nichtigkeitsurteils zu ergreifen
(Urteil des Gerichts vom 27. Januar 1998 in der Rechtssache T-67/94, Ladbroke Racing/Kommission,
Slg. 1998, II-1, Randnr. 200).
85.
Im Rahmen eines Schadensersatzantrags gemäß Artikel 215 des Vertrages prüft der
Gemeinschaftsrichter, ob die vorgeworfenen Tatsachen einen Fehler darstellen, dergeeignet ist, die
Haftung des betreffenden Gemeinschaftsorgans auszulösen, ob ein Kausalzusammenhang zwischen
dem behaupteten Fehler und dem dem Kläger angeblich entstandenen Schaden besteht und ob und
in welchem Umfang der Schaden nachgewiesen ist.
86.
Im vorliegenden Fall ist das Gericht daher nicht befugt, sich zur Qualität des Angebots der Klägerin
im Vergleich zu den Angeboten ihrer Konkurrentinnen im streitigen Ausschreibungsverfahren zu
äußern oder der Kommission aufzugeben, den Auftrag im Rahmen des Projekts FD RUS 9603 an die
Klägerin zu vergeben.
87.
Der dritte Grund greift somit durch; es ist festzustellen, daß der zweite Klageantrag unzulässig ist,
da er die dem Gemeinschaftsrichter durch den Vertrag eingeräumten Befugnisse überschreitet.
88.
Die Klage ist somit nur insoweit zulässig, als sie auf Nichtigerklärung der Entscheidung der
Kommission, den Auftrag im Rahmen des Projekts FD RUS 9603 nicht an die Klägerin zu vergeben, und
auf Ersatz des der Klägerin angeblich durch das Verhalten der Kommission entstandenen Schadens
gerichtet ist.
Zur Begründetheit
89.
Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung auf einen einzigen Klagegrund, und zwar auf
Verstöße gegen die Regeln für Ausschreibungsverfahren und gegen den Grundsatz des „fairen
Wettbewerbs“. Dieser Klagegrund besteht im wesentlichen aus drei Teilen.
Zum ersten Teil des Klagegrundes
90.
Die Klägerin macht geltend, daß AGRER gegen Artikel 12 Absätze 1, 2 und 4 der Allgemeinen
Vorschriften verstoßen habe und daß die Kommission deshalb gemäß Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe f
der Allgemeinen Vorschriften das Ausschreibungsverfahren hätte annullieren müssen.
91.
Zum ersten berichtet sie von einem Mittagessen, das am 11. Mai 1997 auf Einladung von Herrn Van
de Walle in dessen Haus stattgefunden habe und bei dem Herr Cherekaev und Herr Couturier,
Generaldirektor von AGRER, anwesend gewesen seien. Die Klägerin wirft Herrn Van de Walle vor, er
habe so vor der Evaluierung der Angebote einen Kontakt zwischen dem Vertreter der Projektnehmerin
und AGRER herstellen wollen.
92.
Daß dieses Essen stattgefunden hat, hat Herr Van de Walle in einer schriftlichen Antwort an die
Kommission vom 28. April 1998 auf die Aufforderung, sich zu dengegen ihn erhobenen
Anschuldigungen im Schreiben der Klägerin vom 9. April 1998 zu erklären, und bei seiner Vernehmung
als Zeuge vor dem Gericht bestätigt.
93.
Darüber hinaus steht fest, daß das beschränkte Ausschreibungsverfahren für das Projekt FD RUS
9603 im Mai 1997 bereits lief (siehe Antwort der Kommission vom 28. Juli 1999 auf eine schriftliche
Frage des Gerichts vom 12. Juli 1999). Bei seiner Vernehmung hat Herr Van de Walle bestätigt, daß er
zu diesem Zeitpunkt gewußt habe, daß er als Mitglied des Bewertungsausschusses benannt worden
sei. Er hat nicht ausgeschlossen, daß während des Essens über das Projekt gesprochen wurde.
94.
Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung feststellt, geht jedoch aus dem oben genannten
Schreiben von Herrn Van de Walle hervor, daß einer der Geschäftsführer der Klägerin, Herr Meyn,
ebenfalls bei dem Essen anwesend war, was die Klägerin in ihrer Erwiderung nicht bestreitet.
95.
Auf Fragen in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erläutert, wie ihr Vorbringen zu
verstehen sei. Sie beanstande nicht, daß das Essen als solches stattgefunden habe, sondern daß es
den Rahmen für einen privilegierten Kontakt zwischen den Herren Van de Walle, Couturier und
Cherekaev gebildet habe, was zu einem Bestechungsversuch gegenüber letzterem mit dem Ziel der
Übertragung der Projektdurchführung an AGRER geführt habe.
96.
Dieses Argument deckt sich in Wirklichkeit mit dem im Rahmen des zweiten Teils des Klagegrundes
geprüften Argument, wonach Herr Van der Walle während des Aufenthalts von Herrn Cherekaev in
Belgien vom 11. bis zum 13. Mai 1997 versucht habe, diesen zu bestechen, damit AGRER den Auftrag
im Rahmen des Projekts FD RUS 9603 erhalte (siehe unten, Randnr. 120). In diesem Teil des Urteils, in
dem es um die Prüfung des ersten Teils des Klagegrundes geht, ist über dieses Argument daher nicht
zu entscheiden.
97.
Zum zweiten macht die Klägerin geltend, Herr Van de Walle sei AGRER bei der Formulierung des
technischen Teils ihres Angebots behilflich gewesen.
98.
Zu diesem Punkt hat sie erstens die Vernehmung von Herrn Ochs als Zeugen beantragt.
99.
Bei seiner Vernehmung durch das Gericht hat Herr Ochs die Auffassung der Klägerin bestätigt und
sich dafür auf die Äußerungen von drei Personen ihm gegenüber gestützt.
100.
Zunächst habe ihm Herr Chabot, ein Mitarbeiter von AGRER, während eines Telefongesprächs im
Juni 1996 vorgeschlagen, daß AGRER und die Klägerin ein Konsortium für das Projekt FD RUS 9603
bilden sollten, und bestätigt, daß Herr Van de Walle bei der Erstellung des technischen Angebots von
AGRER helfen werde.
101.
Dann habe ihn Frau Russe, damals Mitarbeiterin von AGRER, im April 1997 angerufen, um ihm eine
Beschäftigung bei dieser Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Projekt FD RUS 9603 anzubieten.
Während dieses Telefongesprächs habe sie ihm mitgeteilt, daß Herr Van de Walle an der Erstellung
des technischen Angebots von AGRER beteiligt sein werde.
102.
Schließlich habe zwischen dem 10. und dem 13. Juni 1997 Herr Mertens, ein Mitarbeiter von AGRER,
Herrn Griffith, einem Mitarbeiter der ULG Consultants Ltd - des englischen Partners der Klägerin im
streitigen Ausschreibungsverfahren -, mitgeteilt, daß Herr Van der Walle AGRER bei der Erstellung des
technischen Angebots geholfen habe.
103.
Herr Van de Walle hat bei seiner Vernehmung ausdrücklich bestritten, AGRER irgendeine Hilfe bei
der Erstellung ihres Angebots geleistet zu haben.
104.
Was zunächst das dritte von Herrn Ochs genannte Ereignis angeht, so hat die Klägerin in ihrer
Klageschrift behauptet, daß der Anruf von Herrn Mertens bei Herrn Moffett, dem Vorgesetzten von
Herrn Griffith, erfolgt sei und daß das Telefongespräch am 14. August 1997 stattgefunden habe. Sie
hat das Gericht aufgefordert, Herrn Moffett hierzu als Zeugen zu vernehmen. In der mündlichen
Verhandlung zum Widerspruch zwischen der Version in ihrer Klageschrift und der Aussage von Herrn
Ochs befragt, hat die Klägerin erklärt, sie werde sich nicht mehr auf diesen Punkt ihrer Klageschrift
berufen.
105.
Sodann beweist der Umstand, daß die Mitarbeiter von AGRER Herrn Ochs mitgeteilt haben sollen,
daß Herr Van de Walle an der Erstellung des technischen Angebots von AGRER beteiligt sei, nicht, daß
dies tatsächlich der Fall war. Die drei von Herrn Ochs genannten Ereignisse hatten sich nämlich vor
dem 16. Juni 1997 zugetragen, dem Tag, an dem die Klägerin ihr Angebot für das Projekt FD RUS 9063
bei der Kommission einreichte. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die Mitarbeiter von AGRER -
deren Vernehmung als Zeugen die Klägerin zu keinem Zeitpunkt verlangt hat, auch nicht, als Herr Van
de Walle dies dem Gericht bei seiner Vernehmung vorschlug - in ihren Äußerungen die Beteiligung von
Herrn Van de Walle an der Erstellung des technischen Angebots von AGRER behaupteten, um die
Klägerin dazu zu bringen, im Rahmen des streitigen Ausschreibungsverfahrens ein Konsortium mit
AGRER zu bilden. In ihrer Klageschrift bestätigt die Klägerin übrigens, daß sie im Mai 1996 und im Juni
1996 auf die Bildung eines solchen Konsortiums angesprochen worden sei.
106.
Durch die Aussage von Herrn Ochs wird daher die Richtigkeit der oben in Randnummer 97
wiedergegebenen Behauptung der Klägerin nicht bewiesen.
107.
Zweitens erwähnt die Klägerin in ihrer Klageschrift einen anonymen Telefonanruf am 8. August 1997
bei einer ihrer Sekretärinnen, Frau Dietzsch, die den Inhalt des Gesprächs sofort in einem Vermerk
festgehalten habe.
108.
Dieser der Klageschrift in Anlage 17 beigefügte Vermerk lautet wie folgt:
„Ich erhielt heute einen Anruf von einem Herren, der anonym bleiben wollte. Dieser Herr sagte, daß wir
im Rußland-Projekt auf Platz 1 seien. Die Russen hätten uns die maximale Punktzahl gegeben. Die
Firma Agrer werde sich damit nicht zufriedengeben. Er sagte : .They are doing everything... Even with
money... You should be careful... I advise you to touch the respective officer in Brussels and ask him
what the situation is... But very softly!'“
109.
Es erübrigt sich, die Beweiskraft dieses Vermerks, der, wie die Kommission hervorhebt, vom 7.
August 1998 und nicht vom 8. August 1997 datiert, angesichts der Beziehungen zwischen seiner
Verfasserin und der Klägerin zu erörtern; vielmehr genügt die Feststellung, daß durch den Inhalt des
Vermerks nicht bewiesen wird, daß Herr Van de Walle AGRER bei der Erstellung ihres Angebots
behilflich war.
110.
Drittens hat die Klägerin in ihrer Erwiderung behauptet, ihr seien nach Klageerhebung Äußerungen
von Herrn Dunleavy bekannt geworden, die ihren Verdacht bezüglich der Beteiligung von Herrn Van de
Walle an der Ausarbeitung des Angebots von AGRER bestätigt hätten. Sie hat das Gericht
aufgefordert, den Betreffenden als Zeugen zu vernehmen.
111.
Das Gericht kann jedoch nur feststellen, daß Herr Dunleavy bei seiner Vernehmung kategorisch
bestritten hat, behauptet zu haben, daß er erfahren habe, daß Herr Van der Walle AGRER bei der
Angebotserstellung geholfen habe.
112.
Somit wird durch keines der von der Klägerin angebotenen Beweismittel nachgewiesen, daß Herr
Van de Walle AGRER bei der Erstellung des technischen Teils ihres Angebot geholfen hat.
113.
Hätte Herr Van de Walle AGRER im streitigen Ausschreibungsverfahren durch Hilfe bei der Erstellung
ihres Angebots einen Vorteil verschaffen wollen, so hätte sich diese Voreingenommenheit im übrigen
aller Wahrscheinlichkeit nach in seinen Bewertungen im Evaluierungsverfahren vom 9. und 10. Juli
1997 widergespiegelt. Die Lektüre des Bewertungsprotokolls zeigt aber, daß Herr Van de Walle zwei
Bieterinnen, darunter der Klägerin, eine höhere Punktzahl gab als AGRER. Dadurch wird die oben in
Randnummer 97 wiedergegebene Behauptung der Klägerin endgültig entkräftet.
114.
Zum dritten macht die Klägerin geltend, AGRER habe hohe russische Beamte des
Landwirtschaftsministeriums bestochen, um den Zuschlag für das Projekt FD RUS 9603 zu erhalten.
115.
Ohne daß darüber entschieden werden müßte, ob dieses im Stadium der Erwiderung geäußerte
Vorbringen im Hinblick auf Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung zulässig ist, ist festzustellen, daß die
Klägerin insoweit dieVernehmung von Herrn Dunleavy als Zeugen beantragt hat. Dieser hat bei seiner
Vernehmung ausdrücklich bestritten, erklärt oder erfahren zu haben, daß AGRER Mitglieder der
russischen Verwaltung bestochen oder zu beeinflussen versucht habe, um den streitigen Auftrag zu
erhalten.
116.
Da die Aussage von Herrn Dunleavy der einzige Beweis ist, den die Klägerin zur Stützung ihrer oben
in Randnummer 114 genannten Behauptung angeboten hat, ist diese zurückzuweisen.
117.
Aus dem Vorstehenden (Randnummern 90 bis 116) folgt, daß der erste Teil des Klagegrundes
zurückzuweisen ist.
Zum zweiten Teil des Klagegrundes
118.
Die Klägerin macht geltend, es habe Bestechungsversuche gegenüber Professor Cherekaev durch
Herrn Van de Walle und gegenüber einem Mitglied der russischen Verwaltung durch die Gesellschaft
SATEC gegeben; außerdem habe SATEC habe Druck auf Herrn Cherekaev ausgeübt. Derartige
Handlungen stellten gravierende Verstöße gegen den Grundsatz des „fairen Wettbewerbs“ dar, der
jeder Ausschreibung zugrunde liege. Sie hätten die Kommission veranlassen müssen, das Verfahren
gemäß Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe f der Allgemeinen Vorschriften zu annullieren.
119.
In ihrer Klageschrift trägt die Klägerin zwei Argumente zur Stützung dieser Behauptung vor.
120.
Erstens habe Herr Van de Walle Herrn Cherekaev bei dessen Aufenthalt in Belgien vom 11. bis zum
13. Mai 1997 den Betrag von 50 000 USD angeboten, falls AGRER die Ausführung des Projektes
übertragen werde. Wie oben in Randnummer 95 ausgeführt, hat die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung erläutert, daß das von Herrn Van de Walle am 11. Mai 1997 in seinem Haus veranstaltete
Essen den Rahmen für einen privilegierten Kontakt zwischen den Herren Van de Walle, Couturier und
Cherekaev gebildet habe, was zu dem angeblichen Bestechungsversuch geführt habe.
121.
Der Nachweis für die Richtigkeit einer solchen Behauptung kann nur dann als erbracht gelten,
wenn die Behauptung auf unwiderlegbaren Beweisen oder zumindest auf einer Kette von objektiven,
schlüssigen und übereinstimmenden Indizien beruht.
122.
Die Klägerin hat das Gericht insoweit in ihrer Klageschrift aufgefordert, Herrn Cherekaev als Zeugen
zu den Ereignissen im Mai 1997 während seines Aufenthalts in Belgien zu vernehmen. Wie bereits
festgestellt, hat Herr Cherekaev der entsprechenden Ladung durch das Gericht nicht Folge geleistet.
123.
Bei seiner Vernehmung hat Herr Ochs, dessen Ladung als Zeuge die Klägerin ebenfalls beantragt
hatte, behauptet, daß Herr Cherekaev und Frau Gluchowzewa, die Verantwortliche für die
Außenbeziehungen der Russischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, die Herrn
Cherekaev im Mai 1997 in Belgien begleitet hatte, ihm nach diesem Aufenthalt mitgeteilt hätten, daß
Herr Van de Walle versucht habe, Herrn Cherekaev zu bestechen, damit der Auftrag für das Projekt FD
RUS 9603 an AGRER vergeben werde.
124.
Bei seiner Vernehmung hat Herr Van de Walle diese Behauptung kategorisch bestritten und
hinzugefügt, daß er niemals die Vorzüge irgendeines Angebots gegenüber Herrn Cherekaev gelobt
habe.
125.
Selbst wenn Frau Gluchowzewa, deren Ladung als Zeugin die Klägerin ebenfalls beantragt hatte,
die Aussage von Herrn Ochs bestätigt hätte, hätte sich durch ihre Aussage allein der Widerspruch
zwischen den Aussagen von Herrn Ochs und Herrn Van de Walle nicht beseitigen lassen.
126.
Daher ist zu prüfen, ob die Akten Indizien enthalten, die die Aussage von Herrn Ochs stützen.
127.
Dies ist nicht der Fall. Wie oben in Randnummer 113 festgestellt, geht aus dem Protokoll des ersten
Evaluierungsverfahrens vielmehr hervor, daß Herr Van de Walle bei der technischen Evaluierung zwei
Bietern, darunter der Klägerin, eine höhere Punktzahl als AGRER gegeben hat. Hätte sich Herr Van de
Walle während des Aufenthalts von Herrn Cherekaev in Belgien im Mai 1997 bei diesem für AGRER
verwandt, so hätte ein solches Verhalten jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach in den Bewertungen
von Herrn Van de Walle im ersten Evaluierungsverfahren Ausdruck gefunden.
128.
Mangels entsprechender unwiderlegbarer Beweise oder objektiver, schlüssiger und
übereinstimmender Indizien ist der von der Klägerin behauptete Bestechungsversuch somit nicht
nachgewiesen.
129.
Zweitens behauptet die Klägerin, nach dem ersten Evaluierungsverfahren sei Herr Cherekaev von
SATEC stark unter Druck gesetzt worden. Auch gegenüber einem Mitglied der russischen Verwaltung
sei ein Bestechungsversuch unternommen worden (in Form eines Angebots von 50 000 USD), damit
eine andere Einrichtung anstelle der russischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften
Projektnehmerin werde. Dieser Versuch sei von Herrn Cherekaev abgewendet worden.
130.
Zunächst hat die Klägerin nicht erläutert, welcher Art der Druck war, den SATEC angeblich auf Herrn
Cherekaev ausübte.
131.
Sodann hat die Klägerin in ihrer Klageschrift die Vernehmung von Herrn Cherekaev beantragt. Da
dieser der entsprechenden Ladung durch das Gerichtnicht Folge geleistet hat und da die Klägerin
keine anderen Beweise vorgelegt hat, die geeignet wären, ihre Behauptungen zu diesem Punkt zu
stützen, ist deren Richtigkeit nicht bewiesen worden.
132.
Jedenfalls hätten die von der Klägerin behaupteten Tatsachen, hätten sie zum damaligen Zeitpunkt
festgestanden und wären sie der Kommission bekannt gewesen, nur dazu führen können, daß die
Kommission SATEC vom Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen hätte. Sie hätten jedoch nichts an
der Entscheidung der Kommission über die Vergabe des Auftrags an AGRER geändert.
133.
Demnach ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum dritten Teil des Klagegrundes
134.
Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe gegen ihre auf dem Grundsatz des „fairen
Wettbewerbs“ beruhende Pflicht zur Unparteilichkeit und zur Durchführung eines ordnungsgemäßen
Ausschreibungsverfahrens verstoßen. Sie stützt diese Behauptung auf sechs Argumente.
135.
Erstens habe Herr Portier während der Anhörung vom 9. Juli 1997 den Vorsitz geführt und zugleich
an der Abstimmung im ersten Evaluierungsverfahren teilgenommen.
136.
Auf die Aufforderung, die Rechtsgrundlage für dieses Argument zu benennen, hat die Klägerin (vgl.
ihre Antwort vom 3. September 1999 auf die schriftliche Frage des Gerichts vom 12. Juli 1999) die
„Guidelines for task managers for awarding service contracts (TACIS)“ (Richtlinien für Task Manager
für die Vergabe von Dienstleistungsverträgen [TACIS]; im folgenden: Richtlinien) vorgelegt. Aus Kapitel
VIII (Beschränkte Ausschreibung) Abschnitt D (Bewertungsausschuß) Nummer 2 Buchstabe a ergebe
sich, daß der Vorsitzende kein Stimmrecht habe, um seine Rolle als Schiedsrichter im
Evaluierungsverfahren zu garantieren. Daß Herr Portier während der Anhörung der Klägerin den
Vorsitz geführt habe, verstoße zudem gegen Kapitel VIII Abschnitt D Nummer 2 Buchstabe b, wonach
der Task Manager, im vorliegenden Fall Herr Portier, nur dann als Vertreter der Kommission an der
Abstimmung teilnehmen dürfe, wenn er nicht den Vorsitz im Bewertungsausschuß führe.
137.
Eine Entscheidung über den Einwand der Unzulässigkeit, den die Kommission in der mündlichen
Verhandlung bezüglich der Erläuterungen der Klägerin in ihrer Antwort vom 3. September 1999
erhoben hat, erübrigt sich. Die Klägerin bestreitet nicht die Angaben in der Klagebeantwortung, daß
den Vorsitz im ersten Bewertungsausschuß Herr Daniilidis geführt habe, der an der Abstimmung nicht
teilgenommen habe.
138.
Die Kommission schließt zwar nicht aus, daß Herr Daniilidis nicht an allen Anhörungen im Rahmen
des ersten Evaluierungsverfahrens teilgenommen und Herr Portier deswegen die eine oder andere
Anhörung, so auch die der Klägerin, geleitet hat.
139.
Dieser Umstand, den die Beklagte in der mündlichen Verhandlung damit erklärt hat, daß Herr
Daniilidis, entsprechend den Erfordernissen der Vorschriften über die Ausschreibungsverfahren ein
Beamter der Kommission, die Anhörungen möglicherweise gelegentlich aus dienstlichen Gründen
habe verlassen müssen, berührt jedoch nicht die Situation der Klägerin im ersten
Evaluierungsverfahren. Am Ende dieses Verfahrens wurde sie nämlich als die Bieterin mit dem besten
Angebot angesehen.
140.
Folgte man der Auffassung der Klägerin, könnte man im übrigen nur zu dem Schluß gelangen, daß
das erste Evaluierungsverfahren aufzuheben war, was die Kommission auch getan hat. Dagegen kann
der angebliche Fehler, von dem die Klägerin nicht behauptet, daß er sich im Evaluierungsverfahren
vom 4. und 5. März 1998 wiederholt habe, die Rechtmäßigkeit des letztgenannten Verfahrens, das mit
dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung geendet hat, nicht berührt haben.
141.
Das entsprechende Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
142.
Ebenso ist das Vorbringen der Klägerin in ihrer oben in Randnummer 136 genannten Antwort, daß
die Abwesenheit von Herrn Daniilidis bei bestimmten Anhörungen des ersten Evaluierungsverfahrens
gegen die Vorschrift der Richtlinien verstoße, die die ständige Anwesenheit der Mitglieder des
Bewertungsausschusses bei den Ausschußsitzungen verlangten (Kapitel VIII Abschnitt D Nummer 3),
aus den oben in den Randnummern 139 und 140 dargestellten Gründen zurückzuweisen, ohne daß
über seine Zulässigkeit im Hinblick auf Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung entschieden werden
müßte.
143.
Zweitens macht die Klägerin geltend, Herr Portier habe SATEC während des ersten
Evaluierungsverfahrens eine ungerechtfertigte Vorzugsbehandlung gewährt, da er entgegen den
insoweit geltenden Regeln den finanziellen Teil des Angebots dieser Gesellschaft geprüft habe,
obwohl der technische Teil ihres Angebots nicht 65 Punkte erreicht habe.
144.
Aus dem Protokoll des ersten Evaluierungsverfahrens ergibt sich jedoch, daß die Behauptungen
der Klägerin nicht zutreffen. Im Rahmen der technischen Evaluierung erhielt das Angebot von SATEC
von den Mitgliedern des Bewertungsausschusses eine Durchschnittspunktzahl, die unter der für die
Zulassung zur finanziellen Evaluierung festgesetzten Mindestpunktzahl von 65 Punkten lag („below
limit“). Es wurde daher bereits im Stadium der technischen Evaluierung ausgeschlossen. Nur zwei
Angebote, das der Klägerin und das von AGRER, waren Gegenstand einer finanziellen Evaluierung, da
sie im technischen Bereich mehr als die mindestens erforderlichen 65 Punkte erhalten hatten.
145.
Drittens macht die Klägerin geltend, die Entscheidung der Kommission, die Angebote ein zweites
Mal zu evaluieren, sei rechtswidrig. Im ersten Evaluierungsverfahren habe festgestellt werden können,
daß ihr Angebot bei weitem das beste gewesen sei. Die Begründung, Herr Cherekaev habe an das
Angebot der Klägerin eine zu hohe Punktzahl vergeben, greife nicht. Zum einen habe sich Herr
Cherekaev bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Mitglied des Bewertungsausschusses in dem
von der Kommission vorgegebenen Rahmen gehalten, und zum anderen habe Herr Portier an SATEC
eine ungewöhnlich hohe Punktzahl vergeben, ohne daß dies von der Kommission beanstandet worden
sei.
146.
In ihrer Erwiderung erklärt die Klägerin, wenn im ersten Evaluierungsverfahren lediglich zwei von
acht Bietern eine für die Prüfung des finanziellen Teils ihres Angebots ausreichende technische
Punktzahl erhalten hätten, könne das nicht allein an der Bewertung durch Professor Cherekaev
gelegen haben. Ein derartiges Ergebnis zeige, daß auch andere Mitglieder des
Bewertungsausschusses weniger als die mindestens erforderlichen 65 Punkte vergeben hätten.
Zudem hätten Herr Portier und Herr Van de Walle SATEC und AGRER im ersten Evaluierungsverfahren
ungewöhnlich hoch bewertet.
147.
Die Kommission verfügt über einen weiten Spielraum bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die
bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind
(Urteil des Gerichtshofes vom 23. November 1978 in der Rechtssache 56/77, Agence européenne
d'intérims/Kommission, Slg. 1978, 2215, Randnr. 20, und Urteil des Gerichts vom 8. Mai 1996 in der
Rechtssache T-19/95, Adia interim/Kommission, Slg. 1996, II-321, Randnr. 49). Die Kontrolle durch den
Gemeinschaftsrichter muß sich auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrens- und
Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft und kein offensichtlicher
Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt.
148.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Protokoll der Sitzung des Bewertungsausschusses vom 9. und
10. Juli 1997 hervor, daß nur zwei von den acht an der Ausschreibung beteiligten Bietern für den
technischen Teil ihres Angebots eine Durchschnittspunktzahl erhielten, die über der für die Zulassung
zur finanziellen Evaluierung erforderlichen Mindestpunktzahl von 65 Punkten lag. Die
Durchschnittspunktzahl, die die Mitglieder des Bewertungsausschusses den übrigen sechs Bietern für
den technischen Teil ihres Angebots gaben, schwankte zwischen 50,47 und 62,44 Punkten.
149.
Nach der technischen Evaluierung wurde Herr Cherekaev darauf aufmerksam gemacht, daß er nur
dem Angebot der Klägerin mehr als die mindestens erforderlichen 65 Punkte gegeben habe und daß
seine Bewertungen deutlich von denen der übrigen Bewerter abwichen. Nachdem die Mitglieder des
Bewertungsausschusses die Erklärungen von Herrn Cherekaev angehört und festgestellt hatten, daß
die Divergenz nicht behoben werden konnte, da er beiseinen Bewertungen blieb, nahmen sie die
finanzielle Evaluierung der beiden nach der technischen Evaluierung noch im Wettbewerb befindlichen
Angebote vor und gelangten zu dem Schluß, daß das Angebot der Klägerin das beste sei. Der
Bewertungsausschuß teilte der Kommission jedoch mit, wenn sie dem Ergebnis des ersten
Evaluierungsverfahrens zustimme, seien vor Unterzeichnung des Vertrages zwei technische Punkte mit
der Klägerin zu klären: Die Benennung eines dritten lokalen Experten und die Vorlage einer
schriftlichen Bestätigung, daß keiner der von der Klägerin benannten lokalen Experten bei der
russischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften beschäftigt sei.
150.
Mit diesem Vorgehen hat der Bewertungsausschuß die Vorschriften der Richtlinien für den Fall
eines deutlichen Abweichens der Bewertungen eines Bewerters von den Bewertungen der übrigen
Mitglieder des Bewertungsausschusses peinlich genau beachtet.
151.
In Kapitel VIII Abschnitt G („The evaluation process“, S. 30) der Richtlinien heißt es:
„In the event that some evaluators deviate from the majority of the Committee in their marks and
particularly in the case of extreme evaluators the Chairman, before the signature of the grids, asks
the deviating evaluators the reasons of their disagreement with the other members of the Committee
and ask[s] if they really wish to confirm their marks.
If the deviating evaluators are firm in their position the Committee sign the grids ...“
(Im Falle, daß einige Bewerter bei ihren Bewertungen von der Mehrheit des Ausschusses abweichen,
und insbesondere bei extremen Bewertungen fragt der Vorsitzende die abweichenden Bewerter vor
Unterzeichnung der Bewertungsraster, aus welchen Gründen sie mit den anderen Mitgliedern des
Ausschusses nicht übereinstimmen und ob sie ihre Bewertungen wirklich bestätigen möchten.
Halten die abweichenden Bewerter an ihrem Standpunkt fest, so unterzeichnet der Ausschuß die
Bewertungsraster.)
152.
Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung hervorhebt, ist sie als Auftraggeberin nicht an den
Vorschlag des Bewertungsausschusses gebunden (Urteil TEAM/Kommission, Randnr. 76, und Urteil
des Gerichtshofes vom 16. September 1999 in der Rechtssache C-27/98, Metalmeccanica Fracasso
und Leitschutz Handels- und Montagne, Slg. 1999, Slg. 1999, I-4797, Randnrn. 33 und 34). Daß die
Kommission die Durchführung des Projekts FD RUS 9603 nicht der Klägerin anvertraut hat, obwohl der
Bewertungsausschuß deren Angebot für das beste gehalten hatte, stellt daher nicht bereits einen
Verfahrensfehler dar, der geeignet ist, die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 26.
Juni 1998 über die Vergabe des betreffenden Auftrags an AGRER herbeizuführen.
153.
Allerdings ist zu prüfen, ob die Kommission mit ihrer Entscheidung, das Evaluierungsverfahren vom
9. und 10. Juli 1997 aufzuheben und am 4. und 5. März 1998 ein zweite Evaluierung durchzuführen,
nicht einen offensichtlichen und schweren Beurteilungsfehler begangen hat.
154.
Nach Auffassung der Kommission war diese Entscheidung erforderlich, weil Herr Cherekaev bei der
technischen Evaluierung ohne angemessene Begründung außergewöhnliche Punktzahlen vergeben
habe (vgl. Schreiben der Kommission an Herrn Cherekaev vom 8. Januar 1998).
155.
Wie der Bewertungsausschuß selbst unmittelbar nach der technischen Evaluierung festgestellt hat,
wichen die Punktzahlen von Herrn Cherekaev mit Ausnahme seiner Punktzahlen für die Klägerin
drastisch von denen der übrigen Ausschußmitglieder ab. Während alle anderen Bewerter der Ansicht
waren, daß mehrere Angebote im technischen Bereich mehr als die mindestens erforderlichen 65
Punkte verdienten, hatte Herr Cherekaev sehr viel niedrigere Punktzahlen vergeben, und zwar bei
allen Bietern zwischen 37,50 und 53,20 Punkten, außer bei der Klägerin, der er 72,70 Punkte gegeben
hatte. Wären die Punktzahlen von Herrn Cherekaev unberücksichtigt geblieben, hätten vier statt zwei
Angebote im technischen Bereich eine Durchschnittspunktzahl von mehr als 65 Punkten erhalten und
damit an der finanziellen Evaluierung teilnehmen können.
156.
Entgegen den Behauptungen der Klägerin waren die Bewertungen von Herrn Van de Walle und
Herrn Portier nicht extrem. Weder Herr Van de Walle noch Herr Portier hatten SATEC eine
ungewöhnlich hohe Punktzahl gegeben. Zwar waren ihre Punktzahlen die höchsten, die dieses
Unternehmen erhielt, doch wichen sie von denen der übrigen Bewerter - mit Ausnahme der von Herrn
Cherekaev - nur um vier bis sieben Punkte ab; die Divergenz war also wesentlich geringer als
diejenige, die zwischen den Punktzahlen von Herrn Cherekaev und denen der übrigen
Ausschußmitglieder für die anderen Bieter als die Klägerin festgestellt wurde. Außerdem gaben Herr
Van de Walle und Herr Portier auch anderen Bietern mehr als 65 Punkte. Herr Van de Walle und Herr
Portier hatten auch AGRER keine übermäßig hohe Punktzahl gegeben. Zwei andere Mitglieder des
Bewertungsausschusses hatten diesem Unternehmen noch mehr Punkte gegeben.
157.
Herr Cherekaev erklärte den übrigen Mitgliedern des Bewertungsausschusses seine Bewertung der
technischen Angebote damit, daß die Bewertung nicht nur seine Meinung, sondern auch die seiner
Einrichtung widerspiegele und daß sie auf den Kontakten beruhe, die er mit den Unternehmen
anläßlich ihrer Informationsaufenthalte in Rußland gehabt habe (Protokoll des
Bewertungsausschusses vom 9. und 10. Juli 1997, S. 10).
158.
Die Kommission hat diese Erklärungen zu Recht nicht akzeptiert.
159.
Zum einen vertrat Herr Cherekaev die Russische Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, die
Projektnehmerin, im Bewertungsausschuß, und seine Bewertung spiegelte somit selbstverständlich
die Meinung seiner Einrichtung wider. Herr Cherekaev konnte sich daher nicht auf diesen Umstand
berufen, um seine Evaluierung zu begründen. Würde eine solche Erklärung akzeptiert, so würde zudem
das Gleichgewicht, das über die in den Vorschriften für die Evaluierungsverfahren festgelegte
Stimmverteilung angestrebt wird, in Frage gestellt, da der Stimme des Vertreters des Projektnehmers
ein unangemessen großes Gewicht gegeben würde.
160.
Zum anderen kann sich die Bewertung der Evaluatoren, wie die Kommission in ihren Schriftsätzen
und in der mündlichen Verhandlung zutreffend festgestellt hat, nur auf die Prüfung der von den
Bietern eingereichten schriftlichen Angebote stützen. Etwaige Kontakte, die der Vertreter der
Projektnehmerin mit Bietern in Rußland hatte, dürfen bei seiner Evaluierung der vorhandenen
Angebote keine Rolle spielen, da sonst subjektive Bewertungskriterien Eingang in ein Verfahren
fänden, das aus Gründen der Chancengleichheit und somit der Gleichbehandlung der betroffenen
Bieter ausschließlich auf objektiven Kriterien für die Vergabe des betreffenden Auftrags beruhen muß.
Nach Nummer 3 des Anhangs III der TACIS-Verordnung über die Grundsätze für die Auftragsvergabe
durch Ausschreibungen können zudem spezifische Erfahrungen eines Bieters mit TACIS bei der
Evaluierung der Angebote nicht berücksichtigt werden.
161.
Angesichts der starken Divergenz, die zwischen den Punktzahlen von Herrn Cherekaev und denen
der übrigen Bewerter sowie zwischen seinen Punktzahlen für die Klägerin und seinen Punktzahlen für
die übrigen Bieter bestand, und angesichts des Fehlens einer angemessenen Begründung dieser
Divergenzen durch den Betreffenden hat die Kommission keinen schweren und offensichtlichen
Beurteilungsfehler begangen, als sie in ihrem Schreiben an Herrn Cherekaev vom 8. Januar 1998 die
Auffassung vertrat, daß dieser im Evaluierungsverfahren vom 9. und 10. Juli 1997 nicht die in einem
Verfahren dieser Art erforderliche Unvoreingenommenheit gezeigt habe.
162.
Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß trotz der Punktzahlen von
Herrn Cherekaev nach der technischen Evaluierung noch ein gewisser Wettbewerb bestanden habe,
da sich zwei Bieter für die finanzielle Evaluierung der Angebote qualifiziert hätten.
163.
Jedoch ist bereits festgestellt worden (siehe oben, Randnummer 155), daß die Punktzahlen von
Herrn Cherekaev die Ergebnisse der technischen Evaluierung drastisch verfälscht hatten und daß bei
Nichtberücksichtigung seiner Punktzahlen vier statt zwei Angebote an der technischen Evaluierung
hätten teilnehmen können. Außerdem beeinflußte Herrn Cherekaevs Bewertung der technischen Teile
der schließlich für die finanzielle Evaluierung ausgewählten Angebote den Wettbewerb zwischen den
beiden betroffenen Bietern über den Abschnitt der technischen Evaluierung hinaus. Wie nämlich aus
dem Protokoll des streitigenBewertungsausschusses und den Erklärungen der Kommission in ihren
Schriftsätzen hervorgeht, wurde das beste Angebot auf der Grundlage einer Gewichtung der
technischen und der finanziellen Evaluierung bestimmt, wobei erstere mit 70 % und letztere mit 30 %
in Anrechnung gebracht wurde. Die Punktzahlen, die Herr Cherekaev im Stadium der technischen
Evaluierung vergab, beeinflußten daher bis zum Abschluß des Evaluierungsverfahrens die Stellung
eines Bieters, dessen Angebot wie das der Klägerin Gegenstand einer finanziellen Evaluierung war.
164.
Unter diesen Umständen hat die Kommission, um die Gleichbehandlung und somit die
Chancengleichheit aller Bieter, über die sie in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens zu
wachen hat, wiederherzustellen (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1998 in der
Rechtssache T-203/96, Embassy Limousines & Services/Parlament, Slg. 1998, II-4239, Randnr. 85), zu
Recht das Evaluierungsverfahren vom 9. und 10. Juli 1997 aufgehoben und ein neues Verfahren
durchgeführt, das denselben Bietern offenstand, die am ersten Evaluierungsverfahren teilgenommen
hatten, und dabei dafür gesorgt, daß die Projektnehmerin im zweiten Evaluierungsverfahren durch
jemand anders als Herrn Cherekaev vertreten wurde.
165.
Zwar spricht Artikel 24 der Allgemeinen Vorschriften, auf den die Kommission diese Entscheidung
stützt, ausdrücklich nur von der Befugnis der Kommission, die Ausschreibung einzustellen oder
aufzuheben oder anzuordnen, daß das Verfahren erforderlichenfalls zu geänderten Bedingungen
wiederholt wird.
166.
Aus der allgemeinen Zielsetzung dieser Vorschrift sowie aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen
Verwaltung ergibt sich jedoch, daß die Kommission sich erst recht, wie im vorliegenden Fall
geschehen, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Effektivität des Verwaltungsverfahrens und im
Interesse des Projektnehmers darauf beschränken konnte, allein das streitige Evaluierungsverfahren
aufzuheben und ein neues Verfahren durchzuführen.
167.
Im übrigen ist die Kommission, wenn ein Verwaltungsverfahren mit einem Fehler behaftet ist,
vorbehaltlich einer ausdrücklich das Gegenteil bestimmenden Vorschrift nicht verpflichtet, die
Verfahrensabschnitte zu wiederholen, die dem Fehler vorausgegangen sind, soweit sie nicht durch
diesen Fehler berührt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T-
305/94, T-306/94, T-307/94, T-313/94, T-314/94, T-315/94, T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-
329/94 und T-335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij NV u. a./Kommission, Slg. 1999, II-931, Randnrn.
189 bis 250). Im vorliegenden Fall hat der im ersten Evaluierungsverfahren aufgetretene Fehler nicht
dazu geführt, daß die Abschnitte der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und der Festlegung
der begrenzten Liste der zur Angebotsabgabe zugelassenen Bewerber fehlerhaft waren. Die
Kommission hat daher zu Recht das Ausschreibungsverfahren vom Abschnitt der Angebotsevaluierung
an wiederholt, anstatt es von vorn zu beginnen.
168.
Außerdem hat die Beklagte überzeugend auf die Frage der Klägerin geantwortet, weshalb sie,
nachdem sie ihr in einem Schreiben vom 1. Oktober 1997 den Eindruck vermittelt habe, daß sie ihr
Angebot auswählen werde, sechs Monate nach dem Evaluierungsverfahren vom 9. und 10. Juli 1997
dessen Aufhebung beschlossen habe.
169.
Sie hat ausgeführt, daß nach der Sitzung des Bewertungsausschusses vom 9. und 10. Juli 1997
dessen Vorschlag den zuständigen Personen in der Kommission auf dem Dienstweg mitgeteilt worden
sei. Die Bewertungen von Herrn Cherekaev hätten gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen. Einige
hätten sie für inakzeptabel gehalten. Andere seien der Auffassung gewesen, daß trotz allem im
Interesse des Projekts eine Fortsetzung des Ausschreibungsverfahrens vorzuziehen sei, wobei sie auf
die Gefahr der Wiederholung einer derartigen Situation im Fall eines neuen Evaluierungsverfahrens
hingewiesen hätten. Die Zeit, die sich die Kommission für die Aufhebung des ersten
Evaluierungsverfahrens genommen habe, erkläre sich auch dadurch, daß eine solche Entscheidung
im Hinblick auf die Projektnehmerin wegen des Aufhebungsgrundes heikel gewesen sei.
170.
Daß das Schreiben vom 1. Oktober 1997 an die Klägerin geschickt worden sei, liege an einer - von
der Kommission bedauerten - mangelhaften Koordinierung zwischen der für die TACIS-Programme
verantwortlichen Einheit, die das Schreiben versandt habe, und ihren Dienststellen.
171.
Die Klägerin erläutert jedenfalls nicht, inwiefern ihre Situation durch den bloßen Umstand
beeinträchtigt werden konnte, daß zwischen ihrer Anhörung und der Entscheidung der Kommission
über den Neubeginn des Evaluierungsverfahrens sechs Monate vergingen. Was insbesondere das
Schreiben vom 1. Oktober 1997 angeht, so bestätigt die Klägerin vielmehr, daß ihr darin erlaubt
worden sei, die Qualität des technischen Teils ihres Angebots zwischen den beiden
Evaluierungsverfahren zu verbessern, was - so die Klägerin - die anderen Bietern nicht tun durften.
172.
Demnach ist das Vorbringen der Klägerin, daß die Entscheidung der Kommission, das Ergebnis des
Evaluierungsverfahrens vom 9. und 10. Juli 1997 aufzuheben, Herrn Cherekaev vom
Bewertungsausschuß auszuschließen und ein zweites Evaluierungsverfahren durchzuführen,
rechtswidrig sei, zurückzuweisen.
173.
Viertens macht die Klägerin geltend, daß im Rahmen des zweiten Evaluierungsverfahrens der
Bewertungsausschuß vollständig hätte ausgetauscht werden müssen, um eine Voreingenommenheit
seiner Mitglieder zu verhindern. Sie beanstandet, daß Herr Portier, Mitglied des ersten
Bewertungsausschusses, der an SATEC eine ungewöhnlich hohe Punktzahl vergeben habe und gegen
die Klägerin eingestellt gewesen sei, am zweiten Evaluierungsverfahren teilgenommen habe. Es
handele sich um einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Bewertungsverfahrens. Der Ausschluß
von Professor Cherekaev aus demBewertungsausschuß habe den Austausch sämtlicher Mitglieder des
ersten Bewertungsausschusses erforderlich gemacht.
174.
Die Klägerin beanstandet ferner den Einfluß, den Herr Portier bei der Zusammensetzung des
zweiten Bewertungsausschusses auf die Auswahl eines der beiden unabhängigen Gutachter, Herrn
Risopoulos, gehabt habe, der den gleichen Berufsweg und die gleiche Staatsangehörigkeit habe wie
Herr Van de Walle. Sie wirft Herrn Portier zudem vor, SATEC im zweiten Evaluierungsverfahren eine
ungewöhnlich hohe Punktzahl gegeben zu haben.
175.
Herr Portier war jedoch bei der Kommission für die Durchführung des Projekts FD RUS 9603
verantwortlich. Dieser Umstand erklärt hinreichend seine Mitgliedschaft in den beiden
Bewertungsausschüssen.
176.
Zudem gibt die Klägerin nicht an, gegen welche Vorschrift die Kommission verstoßen haben soll, als
sie den Bewertungsausschuß für das zweite Verfahren nicht vollständig austauschte. Sie beruft sich
lediglich darauf, daß wegen des angeblich voreingenommenen Verhaltens von Herrn Portier in den
beiden Evaluierungsverfahren gegen den Grundsatz des fairen Bewertungsverfahrens verstoßen
worden sei. Der Beweis für diese Voreingenommenheit ist aber nicht erbracht worden.
177.
Wie bereits festgestellt worden ist (siehe oben, Randnr. 156), geht aus dem Protokoll der Sitzung
des Bewertungsausschusses vom 9. und 10. Juli 1997 hervor, daß die Anschuldigungen der Klägerin,
Herr Portier habe SATEC eine übermäßig hohe Punktzahl gegeben, nicht begründet sind. Auch aus
dem Protokoll der Sitzung des Bewertungsausschusses vom 4. und 5. März 1998 geht nicht hervor,
daß Herr Portier im zweiten Evaluierungsverfahren eine ungewöhnlich hohe Punktzahl an SATEC
vergeben hat. So hat ein Mitglied des zweiten Ausschusses diesem Unternehmen eine wesentlich
höhere Punktzahl (und zwar um mehr als 5 Punkte) gegeben als Herr Portier, dessen Punktzahl sehr
nahe bei der eines anderen Bewerters lag. Zudem hat Herr Portier in diesem zweiten
Evaluierungsverfahren zwei anderen Bewerbern praktisch die gleiche Punktzahl (weniger als 0,5
Punkte Unterschied) gegeben wie SATEC. Der Klägerin hat er nur 2,65 Punkte weniger als SATEC
gegeben.
178.
Wenn Herr Portier dem Angebot der Klägerin im ersten Evaluierungsverfahren bei der Bewertung
des technischen Teils tatsächlich etwas weniger als die für die Zulassung zum Abschnitt der
finanziellen Evaluierung mindestens erforderlichen 65 Punkte gegeben hatte, so kann eine solche
Punktzahl zudem nicht als Hinweis auf eine negative Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin
verstanden werden, was im übrigen dadurch bestätigt wird, daß Herr Portier der Klägerin im zweiten
Evaluierungsverfahren eine über der Mindestpunktzahl liegende Punktzahl gegeben hat.
179.
Unabhängig davon, welchen Einfluß Herr Portier auf die Auswahl von Herrn Risopoulos als Mitglied
des zweiten Bewertungsausschusses gehabt haben mag, bringt die Klägerin schließlich keinen
konkreten Hinweis vor, der Zweifel an der Unvoreingenommenheit dieses unabhängigen Gutachters
im zweiten Evaluierungsverfahren wecken könnte. Der bloße Umstand, daß Herr Van de Walle und Herr
Risopoulos angeblich den gleichen Berufsweg und die gleiche Staatsangehörigkeit haben, ist, selbst
wenn dies zutreffen sollte, völlig irrelevant.
180.
Im übrigen geht aus dem Protokoll des zweiten Evaluierungsverfahrens hervor, daß Herr Risopoulos
dem Angebot der Klägerin bei der Bewertung des technischen Teils eine höhere Punktzahl als die
mindestens erforderlichen 65 Punkte gegeben hat. Diese Punktzahl liegt über derjenigen, die das
Angebot der Klägerin von dem anderen unabhängigen Gutachter, Herrn Macartney, erhalten hat,
dessen Ernennung zum Mitglied des zweiten Bewertungsausschusses die Klägerin jedoch nicht
angreift. Sie liegt darüber hinaus auch über den Punktzahlen, die Herr Risopoulos den Angeboten von
drei der sechs übrigen Bieter gegeben hat, die im zweiten Evaluierungsverfahren mit der Klägerin
konkurrierten.
181.
Das Vorbringen der Klägerin, der zweite Bewertungsausschuß sei insbesondere wegen der
Mitgliedschaft von Herrn Portier fehlerhaft zusammengesetzt, ist daher zurückzuweisen.
182.
Fünftens wirft die Klägerin der Kommission vor, sie habe vor der Zuschlagserteilung ihr Schreiben
vom 9. April 1998 unbeachtet gelassen, in dem sie die Kommission unter Berufung auf eine Reihe von
Umständen, die die Rechtmäßigkeit des Ausschreibungsverfahrens berührt hätten, um erneute
Prüfung ihres Angebots ersucht habe. Am 15. Juni 1998 habe die Kommission auf wiederholte
Anfragen auf das Schreiben reagiert und erklärt, sie sei nicht in der Lage, Einzelheiten mit am
Ausschreibungsverfahren beteiligten Bietern zu besprechen, solange das Verfahren noch in Gang sei.
Durch dieses Verhalten habe die Kommission gegen Artikel 23 Absatz 2 der Allgemeinen Vorschriften
verstoßen.
183.
Nach Artikel 23 der Allgemeinen Vorschriften (siehe oben, Randnr. 5) setzt der Antrag eines Bieters
auf erneute Prüfung seines Angebots durch den Auftraggeber und dessen Antwort auf einen solchen
Antrag voraus, daß der Auftraggeber den Bieter zuvor schriftlich über die Gründe für die Ablehnung
seines Angebots und über den Namen des Bieters informiert hat, an den der Auftrag vergeben wurde.
184.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber der Kommission ihre Rügen bezüglich des Ablaufs des
Ausschreibungsverfahrens erstmals am 9. April 1998 und erneut am 5. Juni 1998 vorgetragen, obwohl
sie erst am 26. Juni 1998 schriftlich über die Ablehnung ihres Angebots, die Gründe für die Ablehnung
und die Vergabe des Auftrags an AGRER informiert wurde.
185.
Unabhängig von der Frage, wie die Klägerin vor Mitteilung der Entscheidung der Kommission über
die Auftragsvergabe an AGRER Kenntnis vom Ergebnis desEvaluierungsverfahrens vom 4. und 5. März
1998 erlangen konnte, was man aus ihrem Schreiben vom 9. April 1998 eindeutig schließen kann, hat
die Beklagte somit nicht gegen Artikel 23 Absatz 2 der Allgemeinen Vorschriften verstoßen, als sie der
Klägerin am 15. und 23. Juni 1998 mitteilte, daß sie noch nicht in der Lage sei, Einzelheiten des
Ausschreibungsverfahrens mit ihr zu besprechen, und auf ihre Vorwürfe erst am 29. Juli 1998 einging,
nachdem sie ihre Entscheidung über die Vergabe des Auftrags an AGRER getroffen und der Klägerin
schriftlich mitgeteilt hatte.
186.
Was die Sache selbst betrifft, so hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 9. April 1998 sechs
Gründe für ihren Antrag auf erneute Prüfung ihres Angebots durch die Kommission vorgebracht.
187.
Erstens beanstandete die Klägerin das Verhalten von Herrn Van de Walle und AGRER während des
Aussschreibungsverfahrens. Sie warf Herrn Van de Walle vor, AGRER bei der Erstellung des
technischen Teils ihres Angebots geholfen zu haben, obwohl er die Ausschreibungsunterlagen verfaßt
habe und Mitglied des ersten Bewertungsausschusses gewesen sei (Punkt 1 des Schreibens). Ferner
habe er im Mai 1997 in Belgien ein Treffen zwischen Herrn Cherekaev und dem Generaldirektor von
AGRER arrangiert und sich bei dieser Gelegenheit dafür eingesetzt, daß AGRER den Zuschlag erhalten
solle (Punkt 2). Die Klägerin äußerte ihre Überzeugung, daß Herr Van de Walle im ersten
Evaluierungsverfahren nicht die erforderliche Unvoreingenommenheit gezeigt habe, indem er seinen
Einfluß geltend gemacht habe, um das Angebot von AGRER zu fördern, und daß er das Angebot der
Klägerin vor dem zweiten Evaluierungsverfahren an AGRER weitergegeben habe, wodurch diese einen
unfairen Vorteil erhalten habe (Punkt 3). AGRER müsse daher vom Verfahren ausgeschlossen werden
(Punkt 4).
188.
Zweitens teilte die Klägerin mit, sie habe den starken Eindruck, daß Herr Portier während des
Ausschreibungsverfahrens ständig ihr Angebot in Mißkredit gebracht habe. Sie verstehe zudem nicht,
warum Herr Portier als einziges Mitglied des ersten Bewertungsausschusses am zweiten
Evaluierungsverfahren teilgenommen habe. Sie forderte die Kommission auf, die Bewertungen, die der
Betreffende in den beiden Evaluierungsverfahren vorgenommen habe, zu analysieren (Punkt 5).
189.
Drittens machte sie geltend, Herr Cherekaev sei nach dem ersten Evaluierungsverfahren durch
Drohungen eingeschüchtert worden, das Projekt werde gestrichen, wenn der Vertreter der russischen
Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, der dem zweiten Bewertungsausschuß angehören
sollte, erneut extreme Punktzahlen vergeben sollte. So sei die Beurteilungsfreiheit dieses Vertreters
beeinträchtigt worden (Punkt 6).
190.
Viertens äußerte die Klägerin die Überzeugung, daß es den unabhängigen Gutachtern, die am
zweiten Evaluierungsverfahren teilgenommen hätten, unterdiesen Umständen unmöglich gewesen sei,
ihr Angebot unvoreingenommen zu beurteilen (Punkt 7).
191.
Fünftens sei sie überzeugt davon, daß die Tatsache, daß ihr Angebot im zweiten
Evaluierungsverfahren nicht an erster Stelle eingestuft worden sei, bedeute, daß es nicht fair
bewertet worden sei, da es nach dem ersten Evaluierungsverfahren als bestes eingestuft worden sei
und vor dem zweiten Evaluierungsverfahren noch habe verbessert werden können (Punkt 8).
192.
Sechstens hätten ihre Konkurrenten und die Verantwortlichen des TACIS-Programms ihren guten
Namen herabgewürdigt, vor allem bei der Kommission und innerhalb des auf den Rindersektor
spezialisierten Consulting-Gewerbes in Europa.
193.
Was die Vorwürfe bezüglich des Verhaltens von Herrn Van de Walle und AGRER während des
Ausschreibungsverfahrens betrifft, so hat die Kommission gleich nach Eingang der Schreibens der
Klägerin vom 9. April 1998 Herrn Van de Walle aufgefordert, seine Beziehungen zu Herrn Cherekaev
und AGRER während dieses Verfahrens zu erläutern, was zeigt, daß sich die Kommission entgegen der
Behauptung der Klägerin vor der Auftragsvergabe mit dem Schreiben befaßt hat.
194.
Am 28. April 1998 gab Herr Van de Walle die verlangten Auskünfte. Er stritt ausdrücklich ab, AGRER
oder irgendeinem anderen Bieter je bei der Vorbereitung von Angeboten im Rahmen von Verfahren zur
Vergabe von durch die Kommission oder aus anderen Quellen finanzierten Projekten geholfen zu
haben. Er habe am 11. Mai 1997 in seinem Haus in Belgien ein Mittagessen gegeben, zu dem Herrn
Cherekaev und Herrn Couturier, Generaldirektor von AGRER, sowie ein Vertreter der Klägerin, Herrn
Meyn, gekommen seien. Er habe sich jedoch in den Ausschreibungsverfahren, an denen er beteiligt
war, insbesondere im Rahmen der TACIS-Programme, stets völlig unparteiisch verhalten, was
hinsichtlich des Ausschreibungsverfahrens für das Projekt FD RUS 9603 durch seine technischen
Bewertungen der vorhandenen Angebote in der Sitzung des Bewertungsausschusses vom 9. und 10.
Juli 1997 belegt werde.
195.
Tatsächlich erlaubt das Protokoll dieses Evaluierungsverfahrens nicht, das Verhalten von Herrn Van
de Walle während des Verfahrens in Zweifel zu ziehen. Insbesondere wird dadurch nicht bewiesen, daß
Herr Van de Walle versucht hätte, AGRER zum Nachteil der Klägerin zu begünstigen. So hat er AGRER
eine niedrigere Punktzahl als der Klägerin gegeben (siehe oben, Randnr. 113).
196.
Aufgrund der Angaben von Herrn Van de Walle in seinem Schreiben vom 28. April 1998 und des
Protokolls der Sitzung des Bewertungsausschusses vom 9. und 10. Juli 1997 hat die Kommission den
Anschuldigungen der Klägerin, Herr Van de Walle sei voreingenommen gewesen, zu Recht keinen
Glauben geschenkt.
197.
Die Kommission hat auch zu Recht die Behauptung der Klägerin, Herr Van de Walle habe ihr
Angebot vor dem zweiten Evaluierungsverfahren an AGRERweitergegeben, zurückgewiesen.
Abgesehen davon, daß diese Behauptung eine reine Mutmaßung war, mußte sie der Kommission um
so weniger glaubwürdig erscheinen, als diese der Klägerin und den anderen betroffenen Bietern mit
Schreiben vom 7. Januar 1998 ausdrücklich mitgeteilt hatte, daß mit Ausnahme von Änderungen der
Zusammensetzung des im ersten Evaluierungsverfahren für die Projektdurchführung vorgeschlagenen
Teams keine Änderungen des technischen Teils der Angebote für das zweite Evaluierungsverfahren
erlaubt seien.
198.
Was die Mitgliedschaft von Herrn Portier in den beiden Bewertungsausschüssen betrifft, so hat die
Kommission der Klägerin in ihrem Schreiben vom 29. Juli 1998 in überzeugender Weise geantwortet,
daß sich diese dadurch erkläre, daß Herr Portier der verantwortliche Task Manager für das Projekt bei
der Direktion C (Beziehungen zu den Neuen Unabhängigen Staaten und zur Mongolei) der
Generaldirektion IA (Außenbeziehungen: Europa und Neue Unabhängige Staaten, Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik, Außendienst) der Kommission gewesen sei.
199.
Zum Verhalten von Herrn Portier in den beiden Evaluierungsverfahren ist bereits anhand der
beiden Verfahrensprotokolle festgestellt worden, daß die Bewertungen des Betreffenden keine
negative Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin erkennen lassen (siehe oben, Randnr. 178).
Die Kommission hat die entsprechenden Behauptungen der Klägerin daher zu Recht zurückgewiesen.
200.
Was die angeblichen Einschüchterungsversuche gegenüber Herrn Cherekaev betrifft, die zum Ziel
gehabt haben sollen, die Beurteilungsfreiheit des Vertreters der Projektnehmerin im zweiten
Evaluierungsverfahren einzuschränken, so geht aus dem Protokoll dieses Verfahrens hervor, daß Herr
Strekosov eine um sechs Punkte höhere Punktzahl vergeben hat als Herr Cherekaev im ersten
Evaluierungsverfahren, was seine uneingeschränkte Beurteilungsfreiheit beweist. Zudem gab Herr
Strekosov der Klägerin deutlich mehr Punkte als den übrigen Angeboten, die zwischen 43,10 und
68,90 Punkte erhielten. Die Kommission hat die entsprechenden Beschwerden der Klägerin daher zu
Recht zurückgewiesen.
201.
Da die vorstehenden Anschuldigungen der Klägerin völlig unbegründet erschienen und da diese
insoweit keine konkreten Beweise vorlegte, hat die Kommission auch zu Recht der Behauptung der
Klägerin, die besonderen Umstände des Ausschreibungsverfahrens hätten die beiden unabhängigen
Gutachter daran gehindert, ihr Angebot völlig unvoreingenommen zu beurteilen, keinen Glauben
geschenkt.
202.
Was die angebliche Willkürlichkeit des zweiten Evaluierungsverfahrens betrifft, so wird aus dem
Protokoll der Sitzung des Bewertungsausschusses vom 4. und 5. März 1998 deutlich, daß die
vorhandenen Angebote detailliert geprüft und unter Abwägung der technischen Qualität gegenüber
dem Preis bewertet wurden. Die technische Evaluierung erfolgte unter Zugrundelegung der üblichen
Kriteriengemäß Anhang III Nummer 3 der TACIS-Verordnung (Organisation und Arbeitsplan für die
Durchführung des Projekts, Qualität des vorgeschlagenen Personals, Einbeziehung von örtlichen
Unternehmen oder Sachverständigen). Im Protokoll finden sich keine Angaben, die bei der Kommission
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des zweiten Evaluierungsverfahrens hätten wecken können.
203.
Schließlich waren die Beschwerden der Klägerin, daß ihr guter Ruf geschädigt worden sei, nicht
durch konkrete Angaben untermauert.
204.
Die Kommission hat der Klägerin somit am 29. Juli 1998 zu Recht geantwortet, es gebe keinen
Beweis dafür, daß das Ergebnis der zweiten Evaluierung auf einem offensichtlichen Beurteilungs- oder
Verfahrensfehler beruhe, und ihre im Schreiben vom 9. April 1998 aufgestellten Behauptungen der
Voreingenommenheit seien reine Mutmaßungen und nicht auf Tatsachen gestützt.
205.
Demnach ist das Vorbringen der Klägerin, daß die Kommission gegen Artikel 23 Absatz 2 der
Allgemeinen Vorschriften verstoßen habe, zurückzuweisen.
206.
Sechstens macht die Klägerin geltend, daß erhebliche Verstöße gegen den „Grundsatz eines fairen
und transparenten Verwaltungsverfahrens“ vorlägen, da die Kommission ihrem Bescheid vom 26. Juni
1998 keinerlei Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt habe und da sich der Vertreter der Kommission, zu
dem man im August 1998 telefonisch Kontakt aufgenommen habe, geweigert habe, die
entsprechende Auskunft zu erteilen.
207.
Die Klägerin bestreitet jedoch nicht, daß sie von der Kommission zusammen mit den
Ausschreibungsunterlagen eine Kopie der Allgemeinen Vorschriften erhalten hat, was im übrigen
dadurch bestätigt wird, daß sie in ihrem Schreiben vom 9. April 1998 auf Artikel 23 Absatz 2 der
Allgemeinen Vorschriften verweist.
208.
Sie wußte somit, daß es ihr gemäß eben dieser Vorschrift freistand, die Kommission um erneute
Prüfung ihres Angebots zu ersuchen, nachdem sie am 26. Juni 1998 über die Entscheidung der
Kommission unterrichtet worden war, den Auftrag an AGRER zu vergeben.
209.
Sie hat von dieser Möglichkeit im übrigen Gebrauch gemacht, indem sie am 6. Juli 1998 der
Kommission gegenüber die Rügen wiederholte, die sie in ihrem Schreiben vom 9. April 1998 bezüglich
des Ablaufs des Ausschreibungsverfahrens vorgetragen hatte und die die Kommission in ihrer Antwort
vom 29. Juli 1998 zu Recht zurückgewiesen hat (siehe oben, Randnrn. 193 bis 204).
210.
Darüber hinaus besteht mangels einer ausdrücklichen gemeinschaftsrechtlichen Regelung für die
Verwaltungen oder die Gerichte der Gemeinschaft keine allgemeine Verpflichtung, die
Gemeinschaftsbürger über die möglichen Rechtsbehelfe und die Bedingungen, unter denen sie diese
einlegen können, zubelehren (Beschluß des Gerichtshofes vom 5. März 1999 in der Rechtssache C-
153/98 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1999, I-1441, Randnr. 15).
211.
Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe gegen den „Grundsatz eines fairen und
transparenten Verwaltungsverfahrens“ verstoßen, da sie sie nicht über die möglichen Rechtsbehelfe
gegen ihre Entscheidung vom 26. Juni 1998 belehrt habe, ist daher zurückzuweisen.
212.
Aus dem Vorstehenden (Randnummern 134 bis 211) folgt, daß der dritte Teil des Klagegrundes
zurückzuweisen ist.
213.
Zum Abschluß der Prüfung der drei Teile des Klagegrundes ist noch festzustellen, daß die Klägerin
in Abschnitt II Punkt 3 der Klageschrift ausführt, daß Herr Van der Walle im Mai und Juni 1996 zweimal
bei ihr in Bonn gewesen sei, um nützliche Informationen für die Erstellung der
Ausschreibungsunterlagen für das Projekt FD RUS 9603 einzuholen. In der mündlichen Verhandlung
hat die Klägerin unter Berufung auf die Zeugenaussage von Herrn Ochs auf diesem Punkt beharrt und
die Angaben bestritten, die Herr Van der Walle bei seiner Vernehmung zu Häufigkeit und Inhalt seiner
Kontakte mit ihr im fraglichen Zeitraum gemacht hat. In demselben Punkt ihrer Klageschrift macht die
Klägerin ferner geltend, daß Herr Van de Walle ihr bei den beiden Treffen eine Zusammenarbeit mit
AGRER zum Zweck der Abgabe eines gemeinsamen Angebots im Rahmen des
Ausschreibungsverfahrens für das Projekt FD RUS 9603 nahegelegt habe.
214.
Die Klägerin hat jedoch keine rechtlichen Konsequenzen aus diesem Sachverhaltsvorbringen
gezogen. In Abschnitt VII ihrer Klageschrift, in dem sie den einzigen Klagegrund darstellt, der als
Grundlage für ihren Antrag auf Nichtigerklärung dient, bezieht sie sich nämlich in keiner Weise auf das
oben genannte Vorbringen. Dieses Vorbringen ist daher zu unsubstantiiert und bereits aus diesem
Grund zurückzuweisen.
215.
In ihrer Klageschrift äußert die Klägerin ferner die Überzeugung, daß Herr Van der Walle eine Kopie
des technischen Teils des von ihr für die erste Evaluierung eingereichten Angebots an AGRER
weitergegeben und dieser so während des zweiten Evaluierungsverfahrens einen Vorteil verschafft
habe.
216.
Auch aus diesem Umstand, der bei den Argumenten zur Stützung ihres Nichtigkeitsgrundes in
Abschnitt VII der Klageschrift nicht genannt wird, zieht die Klägerin jedoch keine rechtlichen
Konsequenzen. Zudem wird die Behauptung der Klägerin durch kein konkretes Indiz untermauert und
ist deshalb als reine Mutmaßung anzusehen. Auch sie ist daher als zu unsubstantiiert zurückzuweisen.
217.
In Abschnitt V Punkt 2 ihrer Klageschrift macht die Klägerin ferner geltend, daß eine qualitative
Bewertung der vorhandenen Angebote im zweiten Evaluierungsverfahren in Wirklichkeit nicht
stattgefunden habe. Anders lasse sichnicht erklären, daß ihr Angebot, das am Ende des ersten
Evaluierungsverfahrens als das beste angesehen worden sei und vor dem zweiten
Evaluierungsverfahren im technischen Bereich noch verbessert worden sei, am Ende des letzteren
nicht erneut als bestes eingestuft worden sei. In ihrer Erwiderung nennt die Klägerin eine Reihe von
Punkten, die belegen sollen, daß ihr Angebot besser als das von AGRER war, und macht zudem
geltend, daß die Auswahl von AGRER als Zuschlagsempfänger des Projekts FD RUS 9603 willkürlich
gewesen sei. Dieses Unternehmen habe sich nämlich als unfähig erwiesen, das fragliche Projekt
erfolgreich durchzuführen. Darüber hinaus habe sie sich bei der Durchführung des ihr 1996
anvertrauten Projekts FD UK 9301 in der Ukraine als unzuverlässig erwiesen, was vom Rechnungshof
der Europäischen Gemeinschaften gerügt worden sei.
218.
Auch insoweit zieht die Klägerin keine rechtlichen Konsequenzen aus diesem
Sachverhaltsvorbringen, das bei den Argumenten zur Stützung des einzigen Nichtigkeitsgrundes in
Abschnitt VII der Klageschrift nicht erwähnt wird. Dieses Vorbringen ist daher zu unsubstantiiert.
219.
Wie bereits festgestellt worden ist (siehe oben, Randnr. 202), geht jedenfalls aus dem Protokoll des
Bewertungsausschusses vom 4. und 5. März 1998 hervor, daß die vorhandenen Angebote einer
gründlichen Prüfung unter Zugrundelegung der im betreffenden Bereich üblicherweise angewandten
technischen und finanziellen Kriterien unterzogen wurden. Im Protokoll finden sich keine Angaben, die
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des zweiten Evaluierungsverfahrens wecken könnten.
220.
Selbst wenn die Klägerin aufgrund des Schreibens der Kommission vom 1. Oktober 1997 bestimmte
Punkte des technischen Teils ihres Angebots im Hinblick auf die in den Ausschreibungsunterlagen
festgesetzten Kriterien verbessert haben sollte, zeigt der Umstand, daß ihr Angebot am Ende des
zweiten Evaluierungsverfahrens nicht wie am Ende des ersten Verfahrens als bestes eingestuft wurde,
lediglich, daß die Beurteilung durch die beiden Bewertungsausschüsse unterschiedlich ausfiel. Das
liegt daran, daß der zweite Bewertungsausschuß andere Mitglieder hatte als der erste, was aber
keinen Verfahrensfehler begründet.
221.
Ohne daß darüber entschieden werden müßte, ob die Argumente, die die Klägerin in ihrer
Erwiderung zum Beweis dafür vorbringt, daß ihr Angebot besser als das von AGRER und die Auswahl
letzterer als Zuschlagsempfängerin des betreffenden Projekts willkürlich war, im Hinblick auf Artikel 48
§ 2 der Verfahrensordnung zulässig sind, ist daran zu erinnern, daß das Gericht bei der Wahrnehmung
seiner Befugnisse nicht seine eigene Beurteilung an die Stelle der Beurteilung durch das betreffende
Gemeinschaftsorgan setzen oder diesem Weisungen erteilen kann, im vorliegenden Fall die Weisung,
den Auftrag an die Klägerin zu vergeben (siehe oben, Randnrn. 83 bis 86).
222.
Die Klägerin kann die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission über die Vergabe des
Auftrags an AGRER auch nicht unter Berufung auf zeitlich nach derEntscheidung liegende Umstände
bestreiten. Bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung kann das Gericht nämlich nur die
Umstände berücksichtigen, die der Kommission zu dem Zeitpunkt bekannt waren, zu dem sie diese
Entscheidung erließ. Die Umstände der Durchführung des fraglichen Projekts durch AGRER sind daher
nicht Gegenstand dieser Prüfung.
223.
Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, daß sich AGRER bei der Durchführung des Projekts
FD UK 9301 als unzuverlässig erwiesen habe. Selbst wenn das zutreffen sollte, ist dieser Umstand für
die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission über die Vergabe des Projekts
FD RUS 9603 ohne Bedeutung.
224.
Somit ist das oben in Randnummer 217 dargestellte Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.
225.
Nach der vorstehenden Prüfung (Randnrn. 89 bis 224) ist der Klagegrund, daß gegen die Regeln für
Ausschreibungsverfahren und gegen den Grundsatz des „fairen Wettbewerbs“ verstoßen worden sei,
zurückzuweisen.
226.
Der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 1998 ist folglich
zurückzuweisen.
227.
Die Klägerin stützt ihren Schadensersatzantrag auf den Vorwurf, die Kommission habe das
Verfahren zur Vergabe des Auftrags für das Projekt FD RUS 9603 fehlerhaft durchgeführt.
228.
Aus der Prüfung des Antrags auf Nichtigerklärung geht jedoch hervor, daß die Kommission während
des Ausschreibungsverfahrens für das Projekt FD RUS 9603 keinen Fehler begangen hat, der ihre
Haftung gegenüber der Klägerin auslösen könnte.
229.
Der Schadensersatzantrag ist somit zurückzuweisen.
Kosten
230.
Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei auf Antrag die Kosten zu
tragen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der
Kommission deren Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Der Antrag, der Kommission aufzugeben, die Klägerin mit der Durchführung des
Projekts FD RUS 9603 zu beauftragen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Im übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Lenaerts
Azizi
Jaeger
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Februar 2000.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
K. Lenaerts
Verfahrenssprache: Deutsch.