Urteil des EuG vom 14.10.2004

EuG: kommission, zusammenkunft, umtausch, gericht erster instanz, verordnung, währung, provision, willensübereinstimmung, satzung, markt

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
14. Oktober 200
„Wettbewerb – Artikel 81 EG – Vereinbarung über die Preise und die Gebührenstruktur für Dienstleistungen
des Währungsumtauschs – Deutschland – Versäumnisverfahren“
In der Rechtssache T-61/02
Commerzbank AG
H. Satzky, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/25/EG der Kommission vom 11. Dezember 2001 in einem
Verfahren nach Artikel 81 EG (Sache COMP/E-1/37.919 [ex 37.391] – Bankgebühren für den Umtausch von
Währungen des Euro-Gebiets – Deutschland) (ABl. 2003, L 15, S. 1)
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin P. Lindh sowie der Richter R. García‑Valdecasas und J. D. Cooke,
Kanzler: H. Jung,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Nach Artikel 109l Absatz 4 EG-Vertrag (jetzt Artikel 123 Absatz 4 EG) nimmt der Rat am ersten Tag der dritten
Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) die Umrechnungskurse, auf die die Währungen der den
Euro als einzige Währung gemäß dem EG-Vertrag übernehmenden Mitgliedstaaten (im Folgenden:
teilnehmende Mitgliedstaaten) unwiderruflich festgelegt werden, sowie die unwiderruflich festen Kurse an, zu
denen diese Währungen durch den Euro ersetzt werden.
2
Artikel 52 des dem EG-Vertrag beigefügten Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der
Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB) (im Folgenden: ESZB‑Satzung) bestimmt:
„Umtausch von auf Gemeinschaftswährungen lautenden Banknoten
Im Anschluss an die unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse ergreift der EZB‑Rat die erforderlichen
Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Banknoten, die auf Währungen mit unwiderruflich festgelegten
Wechselkursen lauten, von den nationalen Zentralbanken zu ihrer jeweiligen Parität umgetauscht werden.“
3
Auf seiner Tagung in Madrid am 15. und 16. Dezember 1995 bestätigte der Europäische Rat, dass die dritte
Stufe der WWU im Einklang mit Artikel 109j Absatz 4 EG-Vertrag (jetzt Artikel 121 Absatz 4 EG) am 1. Januar
1999 beginnen würde.
4
Den rechtlichen Rahmen für die Einführung und die Verwendung des Euro bilden im Wesentlichen die
Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im
Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) und die
Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. L 139,
S. 1).
5
Artikel 4 der Verordnung Nr. 1103/97 legt die Regeln für die Umrechnung zwischen dem Euro und den
Währungseinheiten der teilnehmenden Mitgliedstaaten fest. Sein Absatz 3 sieht vor: „Die Umrechnungskurse
werden für Umrechnungen sowohl der Euro‑Einheit in nationale Währungseinheiten als auch umgekehrt
verwendet. Von den Umrechnungskursen abgeleitete inverse Kurse werden nicht verwendet.“
6
Nach den Artikeln 2 und 3 der Verordnung Nr. 974/98 des Rates ist ab 1. Januar 1999 die Währung der
teilnehmenden Mitgliedstaaten der Euro, der zum Umrechnungskurs an die Stelle der Währungen der
teilnehmenden Mitgliedstaaten tritt.
7
Die Artikel 10 und 11 der Verordnung Nr. 974/98 legen den 1. Januar 2002 als das Datum fest, an dem auf
Euro lautende Banknoten und Münzen in Umlauf gesetzt werden.
8
Die Artikel 5 bis 9 der Verordnung Nr. 974/98 enthalten Übergangsbestimmungen für die Zeit vom 1. Januar
1999 bis 1. Januar 2002 (im Folgenden: Übergangszeit).
9
Die Kommission lud Vertreter der Banken, der öffentlichen Institutionen und der Verbraucher am
15. Mai 1997 zu einem Runden Tisch über die praktischen Gesichtspunkte des Übergangs zum Euro ein
(Randnr. 40 der angefochtenen Entscheidung). Der im Anschluss an diesen Runden Tisch erstellten
Zusammenfassung („Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, Runder Tisch zu den
praktischen Aspekten der Umstellung auf den Euro; Zusammenfassung und Schlussfolgerungen“, Dokument
II/301/97 vom 11. Juni 1997) ist u. a. zu entnehmen, dass die Bankenvertreter wünschten, dass „für den
Umtausch von Banknoten einer Teilnehmerwährung in eine andere während der Übergangszeit Gebühren
erhoben werden dürfen, denn das Wechselkursrisiko falle zwar fort, was die Kosten um 20 % reduziere, aber
nach wie vor würden sonstige Bearbeitungs‑ und Handhabungskosten anfallen“; nach der
Zusammenfassung traten die Verbraucherverbände diesem Wunsch entgegen. Die Deutsche Bank wies im
Rahmen des Runden Tisches darauf hin, dass sie für den Währungsumtausch von Personen, die bei ihr kein
Konto hätten, Gebühren erheben, jedoch ihren Kunden diese Dienstleistung kostenfrei anbieten wolle.
10
Im Anschluss an den Runden Tisch vom 15. Mai 1997 beauftragte die Kommission eine
Sachverständigengruppe mit der Prüfung der Frage, ob – und in welcher Weise – die Banken für
Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umrechnung der Währungen der teilnehmenden
Mitgliedstaaten eine Vergütung verlangen dürften.
11
Diese Sachverständigengruppe gelangte hinsichtlich der Übergangszeit zu folgenden Schlussfolgerungen
(Bericht der Sachverständigengruppe über Bankentgelte für die Umstellung auf den Euro vom 20. November
1997, zitiert in Fußnote 56 zu Randnummer 137 der angefochtenen Entscheidung):
Was den Umtausch von Banknoten der Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten anbelange, so
verpflichte Artikel 52 ESZB‑Satzung die Zentralbanken des Euro-Gebiets zum Umtausch der Banknoten
der Währungen anderer teilnehmender Mitgliedstaaten zu den unwiderruflichen Umrechnungskursen,
doch untersage keine Vorschrift den Banken, für solche Umtauschdienste ein Entgelt zu berechnen.
Unter dem Gesichtspunkt der Transparenz müsse, da für jeden Währungsumtausch zwingend die
unwiderruflichen Umrechnungskurse zu verwenden seien, jedes dafür erhobene Entgelt gesondert
vom unwiderruflichen Umrechnungskurs ausgewiesen und dürfe nicht in einer Kursspanne versteckt
werden.
12
In einem ihrem Bericht vom 20. November 1997 als Anlage A beigefügten Vermerk führte die
Sachverständigengruppe aus:
„19. In Bezug auf Geschäftsbanken, Wechselstuben usw. gibt es auf EU‑ oder auf nationaler Ebene keine
Vorschriften, nach denen die Banken für diese Leistung kein Entgelt fordern dürften. Wirtschaftlich gesehen
ist es unbestreitbar, dass hier eine ‚Dienstleistung‘ erbracht wird, und anders als bei der
Buchgeldumrechnung werden hier rechtlich nicht identische Dinge getauscht.
Transparenz
23. Wird unter bestimmten Umständen ein Entgelt verlangt (z. B. für den Umtausch nationaler Banknoten
und Münzen gegen Banknoten und Münzen anderer teilnehmender Staaten), so ist das Entgelt für den
betreffenden Vorgang klar auszuweisen. In einer Reihe von Mitgliedstaaten ist es zur Zeit noch
Gepflogenheit von Banken und Wechselstuben, ihr Umtauschentgelt als eine pauschale ‚Spanne‘ zwischen
An‑ und Verkaufskurs der Währung anzugeben. Mit der Einführung des Euro wäre die Notierung solcher
Kursspannen nicht mehr zulässig, da sie nicht der genauen Verwendung der Umrechnungskurse im Sinne
der 109 l‑Verordnung entspräche. Die Angabe einer Kursspanne (sie wäre hier die Spanne zwischen
Einheiten derselben Währung) würde wahrscheinlich den verbraucherrechtlichen Vorschriften auf EU‑ und
nationaler Ebene zuwiderlaufen. Grundsätzlich gilt für jede Erhebung eines Umstellungsentgelts, dass dieses
genau aufgeführt und nicht in einem Gesamtbetrag eingeschlossen sein sollte.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Für den kann ein Entgelt verlangt werden,
sofern dieses deutlich als Bearbeitungsentgelt ausgewiesen ist.“
13
Zu der Frage, ob die Banken für den Umtausch der Banknoten der teilnehmenden Mitgliedstaaten Entgelte
zu verlangen planten, heißt es in dem Bericht der Sachverständigengruppe vom 20. November 1997, dass
die meisten Banken die Erhebung eines Entgelts beabsichtigten, jedoch wegen des Wegfalls des
Wechselkursrisikos nur in geringerer Höhe als zuvor.
14
Die Sachverständigengruppe, die insoweit die Stellungnahmen der Verbraucherverbände aufgriff, wies
darauf hin, dass der Euro leichter akzeptiert würde, wenn die Banken auf Umtauschentgelte verzichten
würden. Sie sprach sich für einen Verhaltensstandard aus, wonach der Umtausch unentgeltlich sein sollte.
15
Die gleichen Überlegungen sind auch in Nr. 21 der Euro Papers enthalten, die die Kommission im Jahr 1998
(ohne genaue Datierung) herausgab.
16
Am Ende dieser Konsultationen wurde die Empfehlung 98/286/EG der Kommission vom 23. April 1998 zu
Bankentgelten im Zusammenhang mit der Umstellung auf den Euro (ABl. L 130, S. 22, im Folgenden:
Empfehlung der Kommission vom 23. April 1998) erlassen. In Artikel 2 dieser Empfehlung wird für die Banken
ein mehrere Grundsätze umfassender Standard des guten Verhaltens für unentgeltliche
Umstellungsleistungen definiert. Diese Grundsätze betreffen indessen nicht die Dienstleistungen des
Banknoten‑ und Münzumtauschs der Währungen des Euro-Gebiets in der Übergangszeit. Artikel 3 der
genannten Empfehlung lautet:
Transparenz
(1) Bei jeder Umrechnung zwischen einer nationalen Währungseinheit und der Euro-Einheit und umgekehrt
und jedem Umtausch zwischen nationalen Banknoten und Münzen teilnehmender Mitgliedstaaten sollten die
Banken auf klar ersichtliche Weise die Anwendung der Umrechnungskurse in Übereinstimmung mit den
Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 anzeigen und etwaige Entgelte jeglicher Art getrennt vom
Umrechnungskurs ausweisen.
(2) Berechnen Banken für Umstellungsleistungen, die in Artikel 2 nicht genannt werden, ein Entgelt oder
wenden Banken eine oder mehrere der in Artikel 2 Buchstabe b) genannten Regeln nicht an, so sollten sie
ihre Kunden auf klar verständliche Weise über diese Umstellungsentgelte unterrichten, indem sie ihnen
folgende Informationen liefern:
a) vorherige schriftliche Auskünfte über Entgelte, die sie bei bestimmten Umstellungsleistungen zu
berechnen gedenken, und
b) nachträgliche spezifische Angaben über berechnete Umstellungsentgelte auf Kontoauszügen,
Aufstellungen für Karteninhaber und mittels sonstiger banküblicher Formen des Verkehrs mit dem Kunden.
Aus diesen Angaben sollte für den Kunden klar hervorgehen, dass die Umrechnungskurse in
Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 angewandt worden sind; hierzu
sollten Umstellungsentgelte, Umrechnungskurs und etwaige sonstige Entgelte jeglicher Art gesondert
ausgewiesen werden.“
17
Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 2003/25/EG der Kommission vom 11. Dezember 2001
in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag in der Sache COMP/E - 1/37.919 (ex 37.391) – Bankgebühren
für den Umtausch von Währungen des Euro-Gebiets – Deutschland (ABl. 2003, L 15, S. 1, im Folgenden:
angefochtene Entscheidung oder Entscheidung).
18
Bei den Dienstleistungen des Währungsumtauschs ist zu unterscheiden zwischen der Umrechnung von
Buchgeld und dem Umtausch von Münzen und Banknoten oder „Barumtausch“. Die Barumtauschdienste, die
allein Gegenstand der vorliegenden Klage sind, lassen sich weiter in zwei Kategorien unterteilen, nämlich
zum einen den Sortengroßhandel, in dem die Banken erhebliche Mengen von Banknoten umtauschen
können, und zum anderen den Sorteneinzelhandel, der sich an Privatpersonen richtet und geringe
Banknotenmengen betrifft.
19
Vor der Einführung des Euro wurde die Vergütung für Barumtauschdienste im Allgemeinen nicht gesondert
ausgewiesen. Der Preis für diese Dienstleistungen war vielmehr in den Wechselkursen enthalten, zu denen
die Kreditinstitute und Wechselbüros die Devisen von ihren Kunden ankauften und ihnen verkauften. So lag
der angewandte Kurs beim Ankauf unter dem Marktbezugskurs und beim Verkauf darüber (Randnr. 38 der
Entscheidung). Diese Spanne im Verhältnis zum Marktbezugskurs wird auch als „Kursspanne“ bezeichnet.
20
Die Adressatinnen der Entscheidung sind fünf in Deutschland niedergelassene Banken:
– Commerzbank (im Folgenden: Commerzbank oder Klägerin),
– Dresdner Bank,
– Bayerische Hypo- und Vereinsbank (im Folgenden: HVB),
– Deutsche Verkehrsbank (im Folgenden: DVB) und
– Vereins- und Westbank (im Folgenden: VUW).
21
Die Klägerin ist eine hauptsächlich in Deutschland tätige Universalbank.
22
Anfang 1999 eröffnete die Kommission eine Untersuchung gegen rund 150 Banken in den sieben
Mitgliedstaaten Belgien, Deutschland, Irland, Niederlande, Österreich, Portugal und Finnland; zu diesen
Banken gehörte auch die Klägerin. Die Kommission verdächtigte diese Banken, sich über die Entgelte für
den Barumtausch zwischen den Währungen bestimmter teilnehmender Mitgliedstaaten während der
Übergangszeit abgesprochen zu haben. Obwohl die Kommission das Verfahren ursprünglich unter nur einem
Aktenzeichen führte, eröffnete sie im Verlauf ihrer Untersuchung jeweils gesonderte Verfahren über das
Bestehen von Absprachen in den verschiedenen betroffenen Mitgliedstaaten.
23
Am 8. Februar 1999 richtete die Kommission an drei deutsche Bankenvereinigungen Auskunftsersuchen
nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu
den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. Nr. 13, S. 204), die im Wesentlichen die Entgelte für
Barumtauschdienste betrafen.
24
Am 16. und 17. Februar 1999 nahm die Kommission Nachprüfungen bei den Hauptverwaltungen der
Dresdner Bank und der Deutschen Bank in Frankfurt am Main vor.
25
Am 19. Oktober 1999 versandte die Kommission an rund 240 Banken des Euro-Gebiets einen Fragebogen,
mit dem sie gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 um Auskunft über erhobene
Währungsumtauschentgelte vor und nach Einführung des Euro ersuchte. Der Fragebogen wurde an 42
deutsche Banken gerichtet, darunter die Adressatinnen der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 22 der
Entscheidung).
26
Am 20. und 21. Oktober 1999 führte die Kommission eine Nachprüfung bei der GWK Bank (im Folgenden:
GWK) durch (Randnrn. 20 und 21 der Entscheidung).
27
Mit Schreiben vom 3. und 10. August 2000 sandte die Kommission an die Klägerin sowie an folgende Banken
eine Mitteilung von Beschwerdepunkten:
HVB,
DVB,
Dresdner Bank,
VUW,
Bayerische Landesbank Girozentrale,
SEB Bank (ehemals BfG),
Hamburgische Landesbank Girozentrale,
Westdeutsche Landesbank Girozentrale,
Landesbank Hessen Thüringen Girozentrale,
GWK und ihre Muttergesellschaften Fortis NV, Fortis Services Nederland NV und Fortis Bank Nederland
NV.
28
Am 1. und 2. Februar 2001 wurden die Klägerin und die übrigen Unternehmen, an die die Mitteilung der
Beschwerdepunkte gerichtet war, vom Anhörungsbeauftragten angehört.
29
Am 11. Dezember 2001 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.
30
Laut der Entscheidung (Randnr. 2) vereinbarten die am 15. Oktober 1997 bei der DVB in Frankfurt am Main
versammelten Banken, für den An- und Verkauf von Banknoten des Euro‑Gebiets während der Übergangszeit
eine Provision von rund 3 % zu verlangen.
31
Die Initiative für diese Zusammenkunft (im Folgenden: Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997) sei von der
GWK ausgegangen. Dazu wird in der Entscheidung ausgeführt, dass die GWK die Reisebank bei einem
Treffen am 29. April 1997 dazu gedrängt habe, Gespräche mit anderen deutschen Banken aufzunehmen, um
diese vor allem zu bewegen, darauf hinzuwirken, dass die Deutsche Bundesbank ihren Kunden keine
gebührenfreien Barumtauschdienste erbringe (Randnr. 60 der Entscheidung).
32
Die schriftlichen Beweise für die Zuwiderhandlung finden sich laut der angefochtenen Entscheidung
(Randnr. 62) in über Treffen und Telefonate erstellten Berichten, die bei der Nachprüfung in den
Geschäftsräumen der GWK gefunden wurden, so insbesondere in zwei Protokollen von der Zusammenkunft
vom 15. Oktober 1997, von denen eines von Herrn A., einem Mitarbeiter der GWK (im Folgenden: Protokoll A),
und das andere von Herrn B., einem Mitarbeiter der Commerzbank (im Folgenden: Protokoll B), verfasst
wurde.
33
Die Kommission stellte in der Entscheidung zunächst fest, dass die Sitzungsteilnehmer übereingekommen
seien, die Deutsche Bundesbank darüber zu unterrichten, dass sie vom 1. Januar 1999 an „den Umtausch
von Banknoten des Euro‑Gebiets zu den festen Wechselkursen vornehmen, dabei aber eine ausdrückliche
Provision verlangen würden“ (Randnr. 88 der Entscheidung).
34
Weiter führte die Kommission (in Randnr. 89 der Entscheidung) aus, dass sich die Teilnehmer an der
Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997, nachdem sie sich nicht auf das Prinzip einer einzigen
Provisionsgebühr hätten einigen können, „das gemeinsame Ziel gesetzt [hätten], die Kursspannen durch
Prozentprovisionen zu ersetzen, um ihre Einnahmen aus dem Geldwechselgeschäft zu 90 % sichern zu
können. Dies würde zu einer Gesamtprovision von rund 3 % führen“. Auf der Grundlage des Protokolls B
stellte die Kommission ferner fest, es sei „Übereinstimmung zur Anwendung fester Wechselkurse für
Teilnehmerwährungen (d. h. keine Ankaufs‑ und Verkaufskurse) mit Entgelten als Prozentprovision erzielt“
worden (Randnr. 95 der Entscheidung).
35
Schließlich ergibt sich nach Ansicht der Kommission sowohl aus dem Protokoll A als auch aus dem Protokoll
B das Vorliegen einer Vereinbarung, wonach für Barumtauschdienste eine in Prozent vom Umtauschbetrag
berechnete Provision verlangt werden sollte. Während die Provisionshöhe im Protokoll B nicht genannt sei,
spreche das Protokoll A von einer Provisionshöhe von 3 %. Jedoch berücksichtigte die Kommission die von
der Bayerischen Landesbank in der Anhörung vom 1. und 2. Februar 2001 gemachte Angabe, ihr in der
Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 anwesender Vertreter erinnere sich daran, dass „einige Vertreter
einzelner Banken einige Zahlen nannten, die irgendwo zwischen 2 und 4 % lagen“, könne sich aber nicht an
3 % erinnern (Randnr. 96 der Entscheidung).
36
Auf der Grundlage dieser Feststellungen gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass „die an der
Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 teilnehmenden Banken vereinbarten, nach dem 1. Januar 1999 eine
Gesamtprovision von rund 3 % einzuführen, um ihre Einnahmen in Höhe von 90 % zu sichern“ und dass
„[d]iese Vereinbarung eine Beschränkung des Wettbewerbs in der Gemeinschaft [bezweckte und bewirkte]“
(Randnrn. 120 und 128 der Entscheidung). Die Vereinbarung sei für die Dauer der Übergangszeit getroffen
worden (Randnr. 173 der Entscheidung).
37
Laut Artikel 1 der Entscheidung verstießen die Commerzbank, die Dresdner Bank, die Klägerin, die DVB und
die VUW gegen Artikel 81 EG, „indem sie an einer Vereinbarung beteiligt waren, die während der am 1.
Januar 1999 beginnenden Übergangszeit den Zweck verfolgte, a) die Art der Erhebung von Gebühren für
den Umtausch von Banknoten der Teilnehmerwährungen (d. h. eine Prozentprovision) und b) die Höhe eines
Zielpreises von rund 3 % festzusetzen (um ihre Einkünfte aus der Kursspanne zu 90 % zu sichern)“.
38
Die Kommission war der Auffassung, dass es sich um eine schwere Zuwiderhandlung mit einer Dauer von
ungefähr vier Jahren handele, und setzte folgende Geldbußen fest (Artikel 3 der Entscheidung):
Commerzbank 28 000 000 Euro
Dresdner Bank 28 000 000 Euro
HVB 28 000 000 Euro
DVB 14 000 000 Euro
VUW 2 800 000 Euro
39
Die angefochtene Entscheidung wurde der Klägerin am 20. Dezember 2001 zugestellt.
Verfahren
40
Mit Klageschrift, die am 1. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die
vorliegende Klage erhoben.
41
Die Kommission hat nach der Zustellung der Klageschrift innerhalb der ihr gesetzten Frist keine
Klagebeantwortung eingereicht. Mit Schreiben, das am 2. Juli 2002 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die
Klägerin gemäß Artikel 122 § 1 der Verfahrensordnung Versäumnisurteil beantragt. Die Kanzlei hat diesen
Antrag der Kommission zugestellt.
42
Das Gericht hat daher im Versäumnisverfahren zu entscheiden. Da an der ordnungsgemäßen Erhebung und
der Zulässigkeit der Klage kein Zweifel besteht, hat das Gericht nach Artikel 122 § 2 der Verfahrensordnung
zu prüfen, ob die Anträge der Klägerin begründet erscheinen.
Anträge der Klägerin
43
Die Klägerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Begründetheit
44
Die in der Klageschrift angeführten Klagegründe betreffen hauptsächlich
verschiedene Verletzungen der Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren,
rechtliche und tatsächliche Fehler im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Zuwiderhandlung gegen
Artikel 81 EG vorliegt,
die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung,
die Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung,
die Begründung der angefochtenen Entscheidung,
einen Ermessensmissbrauch und
die Bemessung der Höhe der Geldbuße.
45
Für das vorliegende Versäumnisurteil sind zunächst die Klagegründe zu prüfen, mit denen die Klägerin
geltend macht, es habe in Wirklichkeit keine Vereinbarung gegeben, denn die Feststellungen der
Kommission zum Sachverhalt seien fehlerhaft.
Zur Feststellung des Sachverhalts
46
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass bei der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 keine
Vereinbarung über die Art der Erhebung von Umtauschprovisionen und deren Höhe geschlossen worden sei.
Die Kommission habe den Sachverhalt, auf dessen Grundlage sie eine Zuwiderhandlung festgestellt habe,
nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen.
Vorbringen der Klägerin
47
Nach Ansicht der Klägerin enthält das Protokoll A keine Aussage, die die These vom Vorliegen einer
Vereinbarung über die Struktur der Umtauschgebühren belegt.
48
Die Teilnehmer seien davon ausgegangen, dass sie in der Übergangszeit noch ein Entgelt, wegen des
Transparenzgebots aber nicht mehr in der Form einer Kursspanne, würden verlangen dürfen. Nach
Auffassung der Bundesbank habe das System der Kursspannen entfallen müssen, was durch das Protokoll A
bestätigt werde. Somit sei es notwendig geworden, den unwiderruflichen Umrechnungskurs und die als
Entgelt für die Dienstleistungen des Sorteneinzelhandels dienende Gebühr getrennt auszuweisen, ohne
dass es sich jedoch um eine verbotene Absprache handele.
49
Im übrigen Verlauf der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 sei es um die Modalitäten des Entgelts
gegangen. Die Mehrheit der Teilnehmer habe eine Prozentprovision befürwortet, da die Gefahr bestanden
habe, dass ein fixes Entgelt als verbraucherfeindlich betrachtet würde.
50
So habe sich die Deutsche Bank für eine Prozentprovision entschieden. Auch eine von den Sparkassen
eingerichtete Arbeitsgruppe zum Sortenumtausch habe im Ergebnis eine Gebühr befürwortet, die
anschließend prozentual vom entsprechenden Gegenwert ermittelt werde. Die Klägerin habe gedacht, dass
es sich bei dem auf das System der Kursspanne gestützten Entgelt bereits um eine Prozentprovision
gehandelt habe.
51
Die Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 habe daher das Ziel gehabt, die Marktentwicklung zu studieren.
Alle Banken, die den Fragebogen der Kommission beantwortet hätten, hätten eine Prozentprovision
eingeführt. Unter diesen Umständen stellt die Klägerin die Frage, welchen Nutzen eine Vereinbarung über
die Anwendung einer Prozentprovision hätte haben sollen.
52
Sie führt aus, dass sie sich bereits vor der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 für eine Prozentprovision
entschieden habe. Ihre Teilnahme an der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 sei durch den Wunsch
begründet gewesen, zu erfahren, ob der von ihr gewählte Ansatz von den anderen Banken geteilt werde.
Würdigung durch das Gericht
53
Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG schon dann vor,
wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem
Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in
der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober
1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980,
3125, Randnr. 86; Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T‑7/89, Hercules
Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 256, und vom 26. Oktober 2000 in der Rechtssache
T‑41/96, Bayer/Kommission, Slg. 2000, II‑3383, Randnr. 67).
54
Hinsichtlich der Ausdrucksform des gemeinsamen Willens genügt es, dass eine Abmachung Ausdruck des
Willens der Vertragsparteien ist, sich auf dem Markt im Einklang mit ihr zu verhalten (in diesem Sinne Urteile
ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, und Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 86, und Urteil
Bayer/Kommission, Randnr. 68).
55
Folglich ist der Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG, wie er in der Rechtsprechung
ausgelegt worden ist, durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien
gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt
(Bayer/Kommission, Randnr. 69).
56
Es ist zu prüfen, ob die Klägerin rechtlich hinreichend das Vorliegen von Umständen nachgewiesen hat, die
die Richtigkeit der Feststellungen in Frage stellen, auf deren Grundlage die Kommission eine
Willensübereinstimmung zwischen den Teilnehmern an der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 über die
Art der Erhebung von Barumtauschgebühren annahm.
57
Dieser letztgenannte Aspekt der beanstandeten Vereinbarung ist in den Randnummern 95, 96, 114, 115,
132 und 184 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, während der überwiegende Teil der Untersuchung
der Kommission der Frage gewidmet ist, in welcher Höhe die Gebühren festgelegt wurden.
58
Dass eine Vereinbarung über die Art der Erhebung von Gebühren für den Umtausch (Artikel 1 der
Entscheidung) eine Zuwiderhandlung sein könnte, steht in unmittelbarem Widerspruch zu den
Randnummern 38 und 139 der Entscheidung, aus denen sich ergibt, dass der Wegfall der Kursspannen aus
dem Inkrafttreten der unwiderruflichen Umrechnungskurse folgte.
59
Denn die Kommission führte dort aus, dass „[d]ie unwiderrufliche Festschreibung der Umrechnungskurse ab
dem 1. Januar 1999 … das Wegfallen der unterschiedlichen Ankauf‑ und Verkaufskurse [bedingt], d. h. der
Kursspanne als Mittel der Darstellung von Gebühren für den Umtausch von Banknoten der
Teilnehmerwährungen“ (Randnr. 38 der Entscheidung). Weiterhin wies die Kommission das Vorbringen, dass
die Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 dazu gedient habe, die Frage einer Beibehaltung der
Kursspannen während der Übergangszeit zu prüfen, mit der Überlegung zurück, es sei „[b]ereits seit 1995 …
bekannt [gewesen], dass die Wechselkurse unwiderruflich festgeschrieben würden und dass nur diese
festen Kurse angewandt werden dürften … Unmittelbare Folge hieraus ist, dass die Anwendung von
‚Kursspannen‘ nicht mehr zulässig ist und dass jegliche Gebühren ausdrücklich und transparent
ausgewiesen werden müssen“ (Randnr. 139 der Entscheidung).
60
Die Kommission wies ferner darauf hin, dass das Inkrafttreten der unwiderruflichen Umrechnungskurse dem
Teil der Zuwiderhandlung zugrunde gelegen habe, der die Festsetzung der Höhe der Umtauschprovisionen
betroffen habe. So stellte sie in der Entscheidung im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung fest, dass eine
Vereinbarung über die Preise „mit dem Ziel“ geschlossen worden sei, „nach dem Wegfallen der ‚Kursspanne‘
am 1. Januar 1999 [die] bisherigen Einnahmen zu rund 90 % zu sichern“ (Randnr. 116 der Entscheidung, vgl.
auch Randnr. 130).
61
Zu den Beweismitteln für das Vorliegen einer Vereinbarung über das Prinzip einer ausschließlich
proportionalen Provision führte die Kommission aus (Randnr. 95 der Entscheidung):
„Zum Sortengeschäft wird im [Protokoll B] vermerkt, dass Übereinstimmung zur Anwendung fester
Wechselkurse für Teilnehmerwährungen (d. h. keine Ankaufs‑ und Verkaufskurse) mit Entgelten als
Prozentprovision erzielt wurde. Das Berechnungsverfahren zur Umrechnung zwischen den
Teilnehmerwährungen wäre von jeder Bank selbst festzulegen: ‚… Zum Thema
Kursgestaltung/Preisgestaltung im Sortengeschäft in Stufe 3a (1.1.1999 bis 1.1.2002) der EWWU wurde zu
folgenden Punkten Übereinstimmung erzielt:
1) Privatkundengeschäft
Die Provisionen/Gebühren werden als prozentualer Anteil vom Gegenwert gerechnet …‘“
62
Die Kommission stellte sodann fest, dass „Übereinstimmung zwischen [dem Protokoll B und dem Protokoll A]
dahin gehend besteht, dass die Kundengebühren in Prozentform erhoben werden sollen“ (Randnr. 96 der
Entscheidung).
63
Für sich genommen erscheinen diese Feststellungen jedoch unzureichend, um das Vorliegen einer
Willensübereinstimmung über das Prinzip einer ausschließlich zum Umtauschbetrag proportionalen Provision
zu beweisen. Der Passus im Protokoll B, auf den sich die Kommission stützt (Randnr. 95 der Entscheidung),
belegt das Vorliegen einer Vereinbarung über eine von allen Teilnehmern der Zusammenkunft vom 15.
Oktober 1997 gemeinsam einzuführende Darstellungsform der Umtauschprovisionen aus den folgenden drei
Gründen nicht überzeugend.
64
Erstens wurde die Auslegung des Protokolls B, die die Kommission als Beweis für eine Vereinbarung über die
Art der Erhebung von Umtauschprovisionen geltend machte, von den Teilnehmern an der Zusammenkunft
vom 15. Oktober 1997 im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bestritten (Randnr. 112 der Entscheidung).
Folglich kann das Protokoll B ohne Untermauerung durch andere Beweismittel nicht als unwiderlegbarer
Beweis für das Vorliegen einer solchen Vereinbarung betrachtet werden (vgl. analog Urteil des Gerichts vom
14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑337/94, Enso-Gutzeit/Kommission, Slg. 1998, II‑1571, Randnr. 91).
65
Zweitens enthält das Protokoll B keine stichhaltigen Beweise oder Indizien, die auf das Vorliegen einer
Vereinbarung über die – wie die Kommission in Randnummer 114 der angefochtenen Entscheidung formuliert
– „Harmonisierung von … Gebührenstrukturen“ schließen ließen. Vielmehr ist der von der Kommission
angeführte Passus des Protokolls B auch anderen Auslegungen zugänglich, die im Licht des Vorbringens der
Klägerin dem ersten Anschein nach plausibel erscheinen.
66
Zum einen kann dieser Passus ohne weiteres als Ausdruck eines zwischen den Banken bestehenden
Konsenses verstanden werden, dass angesichts der Entwicklung der für den Euro geltenden Regelungen
auf das Kursspannensystem verzichtet werden müsse. Wie oben ausgeführt, hatte die obligatorische
Verwendung der unwiderruflichen Umrechnungskurse zur Folge, dass ein Modus zu verwenden war, mit dem
der Preis für Umtauschdienste gesondert von diesen Kursen ausgewiesen wurde.
67
Zum anderen enthält das Protokoll A Angaben, die geeignet sind, ernste Zweifel an der Auslegung zu
begründen, auf deren Grundlage die Kommission das Vorliegen einer Vereinbarung zur „Harmonisierung
von … Gebührenstrukturen“ im Sortenhandel annahm, oder die dieser Auslegung sogar direkt
widersprechen. So ergibt sich aus dem Protokoll A insbesondere, dass die Banken bei der Zusammenkunft
vom 15. Oktober 1997 die Frage erörterten, ob die obligatorische Verwendung der unwiderruflichen
Umrechnungskurse für sie die Verpflichtung bedeutete, für alle nationalen Währungen eine
Umtauschprovision in gleicher Höhe festzusetzen, oder ob für jede Währung eine eigene Provisionshöhe
gewählt werden dürfe. So führte die Kommission aus, dass die Teilnehmer der Zusammenkunft, „[d]a keine
vollständige Übereinstimmung über die Anwendung einer einheitlichen Prozentprovisionsgebühr für
sämtliche Währungen oder unterschiedlicher Prozentprovisionen je Währung erzielt werden konnte,
beschlossen …, der Bundesbank folgendes mitzuteilen[:] ‚Jede Bank wird selbst darüber entscheiden,
welche Form ihre zukünftige Gebührenstruktur annehmen wird‘“ (Randnrn. 89 und 103 der Entscheidung).
Dieser Auszug aus dem Protokoll A entkräftet somit die Annahme, dass eine Vereinbarung über die Art der
Gebührenerhebung getroffen worden sei.
68
Drittens ist in Übereinstimmung mit der Klägerin festzustellen, dass ein Gebührenmodus in Form „eine[r]
Prozentprovision“ (Randnr. 115 der Entscheidung) dem ersten Anschein nach als natürliche
Darstellungsform der Preise für Umtauschdienste erscheint. Übrigens bedient sich die Kommission selbst
dieser Darstellungsform in Fußnote 43 (zu Randnr. 102) der Entscheidung, um das im Kursspannensystem
praktizierte Preisniveau zu beschreiben. Überdies erscheint ein System von anteiligen Entgelten umso
verständlicher, als die den Banken für Umtauschdienste entstehenden Kosten (Transport, Handhabung,
Lagerung) tendenziell mit den Umtauschbeträgen steigen. Die Wahl von Prozentanteilen des
Umtauschbetrags als Darstellungsform der Preise erscheint somit dem ersten Anschein nach mehr mit dem
Wesen der fraglichen Dienstleistungen zusammenzuhängen als mit irgendeiner Willensübereinstimmung.
69
Die Kommission hat das Vorbringen, mit dem die Banken im Wesentlichen diese Argumente geltend
machten, mit der Begründung zurückgewiesen, es sei „weder ein logischer noch ein natürlicher Schritt, dass
jede einzelne Bank ihre Kursspannen in eine Prozentprovision umwandelt. Offenbar erwog die Deutsche Bank
ursprünglich, einen gebührenfreien Umtauschdienst anzubieten“ (Randnr. 115 der Entscheidung). Diese
Zurückweisung ist jedoch weder durch Argumente noch durch Belege gestützt. Der Hinweis auf die
Geschäftspolitik der Deutschen Bank ist unbeachtlich, da er sich nicht auf die Gebührenstruktur für
Umtauschdienste bezieht, sondern auf den möglichen Verzicht eines Wettbewerbers auf deren Vergütung
während der Übergangszeit.
70
Im Übrigen kann die angefochtene Entscheidung nicht dahin verstanden werden, dass sie eine
Vereinbarung beträfe, mit der die Banken eine Gebührenberechnung ausschließlich proportional zum
Umtauschbetrag unter Ausschluss jeder Festgebühr vereinbaren wollten. Die angefochtene Entscheidung
enthält nämlich keine eindeutige Aussage in diesem Sinne. Überdies lässt sich Randnummer 147 der
Entscheidung explizit entnehmen, dass die Kommission die Geschäftspraxis bestimmter Banken kannte, in
ihrer Gebührenstrukturierung eine feste Preiskomponente (mit Mindestbeträgen) mit einer Prozentprovision
je nach Umtauschbetrag zu kombinieren. Als die Kommission die Entscheidung am 11. Dezember 2001,
wenige Tage vor dem Ende der Übergangszeit, erließ, wusste sie somit, dass mehrere Banken in ihrer
Gebührenstruktur Prozentprovisionen mit Festbeträgen verbanden.
71
Nach alledem ist im Licht der Klageschrift festzustellen, dass es der Klägerin gelungen ist, darzutun, dass die
Kommission das Vorliegen einer Vereinbarung über die Art der Erhebung von Provisionen für
Barumtauschdienste nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat. Da eine Willensübereinstimmung
hierüber nicht nachgewiesen ist, ist Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit
er eine Vereinbarung über „die Art der Erhebung von Gebühren für den Umtausch von Banknoten der
Teilnehmerwährungen (d. h. eine Prozentprovision)“ betrifft.
Zusammenfassung der angefochtenen Entscheidung
72
Um den Inhalt der Diskussionen bei der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 zu rekonstruieren und auf
dieser Grundlage das Vorliegen einer Vereinbarung über die Festsetzung von Preisen nachzuweisen, stützte
sich die Kommission auf die Protokolle von Herrn A. und Herrn B. Laut der angefochtenen Entscheidung geht
aus den beiden Protokollen hervor, dass die Teilnehmer der Zusammenkunft im Hinblick auf die
Übergangszeit folgende Fragen prüften:
den Grundsatz der Entgeltlichkeit von Barumtauschdiensten (Randnrn. 87 und 95 der Entscheidung),
die Beibehaltung der Kursspannen (Randnrn. 86, 88, 93 und 95 der Entscheidung),
die Erhebung einer einzigen Provision für alle Untereinheiten des Euro oder verschiedener Provisionen
je Untereinheit (Randnrn. 89 und 103 der Entscheidung),
die Berechnungsmethode (Preis‑ oder Mengennotierung) für den Umtausch zwischen Untereinheiten
des Euro (Randnrn. 90 und 95 der Entscheidung) und
den Interbankenhandel mit Devisen (Randnrn. 91, 94 und 97 der Entscheidung).
73
Dagegen stimmen die beiden Protokolle nicht in der Frage überein, ob auch die Höhe der Provisionen für
den Bargeldumtausch in der Übergangszeit erörtert wurde. So heißt es in der Entscheidung unter
Bezugnahme auf das Protokoll A, es sei die Festsetzung eines Betrages von rund 3 % (Randnr. 89 der
Entscheidung) oder jedenfalls zwischen 2 % und 4 % erörtert worden, während das Protokoll B keine
gleichwertige Aussage enthält (Randnrn. 96, 106 und 107 der Entscheidung).
74
Nach Meinung der Kommission wird das Protokoll A aber durch die Angaben der Bayerischen Landesbank in
der Anhörung gestützt (Randnrn. 96, 107 und 119 der Entscheidung).
75
Im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass sich die Teilnehmer der
Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 darauf geeinigt hätten, für Barumtauschdienste in der Übergangszeit
eine Provisionshöhe von rund 3 % festzusetzen (Randnrn. 102 und 104 der Entscheidung).
76
Die Einwendungen, mit denen die Klägerin und weitere Adressatinnen der Mitteilung der Beschwerdepunkte
die angeführten Beweise als unzureichend rügten, wies die Kommission zurück. Sie war der Auffassung, dass
das etwa gleichzeitig mit der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 verfasste Protokoll A durch die
Aussagen der Bayerischen Landesbank und der Commerzbank gestützt werde (Randnrn. 118 bis 120 der
Entscheidung).
77
Diese Unternehmen beriefen sich vergeblich darauf, dass die angebliche Übereinkunft jedenfalls unsinnig,
da – so lange vor Beginn der Übergangszeit – verfrüht gewesen wäre. Nach Ansicht der Kommission belegte
das Protokoll A, dass die Beteiligten den Beginn der Übergangszeit als unmittelbar bevorstehend betrachtet
hätten; sie wies daher diesen Einwand zurück (Randnrn. 122 bis 124 der Entscheidung).
78
Die betreffenden Banken machten weiter geltend, dass sie in der Praxis eine Provisionshöhe von rund 3 %
nicht angewandt hätten und ihre Provisionsbeträge jeweils eigenständig festgesetzt hätten. Diesem
Einwand hielt die Kommission entgegen, zum einen sei die Zuwiderhandlung durch Urkundenbeweise und
nicht durch ein paralleles Marktverhalten der Unternehmen nachgewiesen und zum anderen habe die
Vereinbarung die Ungewissheit über das Verhalten der konkurrierenden Banken ausgeräumt oder so stark
reduziert, dass keine der teilnehmenden Banken eine Provisionshöhe von weniger als 3 % angewandt habe
(Randnrn. 125 bis 127 der Entscheidung).
79
Schließlich wies die Kommission das gesamte Vorbringen zurück, mit dem die betreffenden Banken
nachzuweisen versuchten, dass die Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 nicht den Abschluss einer
horizontalen Preisabsprache bezweckt habe.
80
So verwarf sie das Vorbringen, die Banken hätten in ihrer Zusammenkunft nur die Unsicherheit über die
richtige Auslegung von Artikel 52 ESZB‑Satzung vermindern wollen. Denn nach Auffassung der Kommission
betrafen die Gespräche zwischen den beteiligten Banken und der Deutschen Bundesbank über Artikel 52
ESZB‑Satzung nicht die Gebühren während der Übergangszeit (Randnrn. 133 bis 135 der Entscheidung).
81
Ebenso wies die Kommission das Vorbringen zurück, man habe mit der Zusammenkunft vom 15. Oktober
1997 nur die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit dem Übergang zum Euro reduzieren und damit den
von der Kommission selbst einberufenen Runden Tisch vom 15. Mai 1997 fortführen wollen. Insoweit verwies
die Kommission im Wesentlichen darauf, dass die Frage der von den Banken zu berechnenden Gebühren am
Runden Tisch nicht erörtert worden sei (vgl. Bericht der Sachverständigengruppe vom 20. November 1997)
(Randnrn. 136 und 137 der Entscheidung).
82
Die Kommission ließ auch das Vorbringen nicht gelten, dass in der Zusammenkunft die weitere Zulässigkeit
der Kursspannen als Berechnungsmodus in der Übergangszeit habe erörtert werden sollen. Vielmehr sei
„[b]ereits seit 1995 … bekannt [gewesen], dass die Wechselkurse unwiderruflich festgeschrieben würden
und dass nur diese festen Kurse angewandt werden dürften“. Als unmittelbare Konsequenz dieser Sachlage
sei eine weitere Verwendung von Kursspannen ab Beginn der Übergangszeit unzulässig gewesen. Überdies
habe die Bundesbank jede etwaige Unklarheit in dieser Frage schon in der Sitzung vom 15. September 1997
ausgeräumt (Randnrn. 138 bis 140 der Entscheidung).
83
Schließlich wies die Kommission das Vorbringen zurück, mit dem verschiedene Banken zu belegen
versuchten, dass Gegenstand der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 der Interbankenhandel und nicht
Umtauschdienste im Sorteneinzelhandel gewesen seien. Das Protokoll B beziehe sich auf die Diskussion
über den Sorteneinzelhandel (Randnrn. 141 bis 143 der Entscheidung).
84
Da die Kommission den wettbewerbswidrigen Zweck der Vereinbarung als bewiesen ansah, brauchte ihrer
Ansicht nach nicht geprüft zu werden, ob die Umsetzung der Vereinbarung eine Beschränkung des
Wettbewerbs bewirkte. Sie wies aber vorsorglich darauf hin, dass die von den Adressatinnen der
Entscheidung berechneten Provisionsbeträge zwischen 3 % und 4,5 % gelegen hätten (Randnrn. 144 bis
148 der Entscheidung).
Vorbringen der Klägerin
85
Die Klägerin meint, dass die Kommission den von ihr behaupteten Sachverhalt nicht bewiesen habe. Sie
bestreitet im Wesentlichen, dass bei der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 irgendeine Vereinbarung
über die Höhe von Umtauschprovisionen im Sorteneinzelhandel getroffen worden sei. Sie bestreitet ferner
den Beweiswert der von der Kommission angeführten Beweismittel. In diesem Zusammenhang legt sie unter
verschiedenen Aspekten dar, dass es der Zweck der Zusammenkunft gewesen sei, gewisse rechtliche und
technische Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Umstellung auf den Euro auszuräumen, die vor allem
den Sortenhandel im Interbankengeschäft betroffen hätten. Schließlich macht sie geltend, dass die von der
Kommission behauptete Vereinbarung unsinnig gewesen wäre.
Würdigung durch das Gericht
86
Die Kommission nahm in der Entscheidung an, dass durch die Erörterung der Höhe der
Umtauschprovisionen eine nach Artikel 81 EG verbotene Vereinbarung geschlossen worden sei, so dass
nicht über die Rechtmäßigkeit der Diskussionen habe entschieden werden müssen, die den 1997
bestehenden rechtlichen und technischen Unsicherheiten gegolten hätten, etwa im Hinblick auf den
Grundsatz der Entgeltlichkeit von Umtauschdiensten in der Übergangszeit, den Wegfall der Kursspannen, die
Berechnungsmethode beim Umtausch (Preis‑ oder Mengennotierung) und die Verwendung eines einzigen
Provisionssatzes für alle Teilnehmerwährungen.
87
Dabei hob die Kommission hervor, dass die Feststellung der Zuwiderhandlung auf Urkundenbeweisen
beruhe (Randnrn. 62, 120, 126, 142 und 158 der Entscheidung). Jedoch zeigt sich, dass zum Beweis dessen,
dass die Festsetzung der Höhe von Umtauschgebühren im Sorteneinzelhandel erörtert wurde, nur ein
einziges Schriftstück, nämlich das Protokoll A, angeführt wird. Eine andere Beweisurkunde dafür, dass diese
Frage tatsächlich erörtert wurde, wird in der Entscheidung nicht angeführt.
88
Die Kommission verwies jedoch vorsorglich darauf, dass das Protokoll A durch zwei weitere Beweise gestützt
werde, die ihr stichhaltig erschienen, nämlich erstens die Aussagen von zwei Sitzungsteilnehmern in der
Anhörung und zweitens das Marktverhalten der Beteiligten.
89
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist zu prüfen, ob die Klägerin rechtlich hinreichend das
Vorliegen von Umständen nachgewiesen hat, durch die die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen in
Frage gestellt wird, die die Kommission zum Vorliegen einer Willensüberstimmung zwischen den Teilnehmern
der Zusammenkunft vom 15. Oktober 1997 über die Festsetzung der Preise für die fraglichen
Dienstleistungen im Licht des Protokolls A, der Angaben der Commerzbank und der Bayerischen Landesbank
sowie des Marktverhaltens der Beteiligten traf.
– Zum Protokoll A
90
Der Urkundenbeweis, auf den die Feststellung einer Zuwiderhandlung gestützt ist, ist der folgende, in
Randnummer 89 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Auszug aus dem Protokoll A:
„Die anwesenden Banken äußerten die Absicht, ihre gegenwärtigen Margeneinkünfte zu rund 90 % durch
Einnahmen aus Provisionsgebühren zu ersetzen. Nach Auffassung der Banken würde dies zu einer
Gesamtprovision von rund 3 % führen.“
91
Dieser Passus ist unklar und lässt für sich allein nicht erkennen, wie die Änderung des Systems, nach dem
die Umtauschprovisionen ausgewiesen werden, die sich aus diesen Provisionen ergebenden „Einkünfte“
beeinflussen könnte. Daher ist der gesamte Textabschnitt heranzuziehen, dem dieser Auszug entnommen
ist. Dieser in Randnummer 89 der Entscheidung zitierte Text lautet:
„Differenzierung bei den Preisen zwischen Währungen des Euro-Gebiets
Bisher verfolgten alle Banken mehr oder weniger die gleiche Preispolitik auf dem deutschen Sortenmarkt.
Dies bewirkte, dass z. B. der österreichische Schilling billig angekauft und verkauft wurde, während
italienische Lire sehr teuer waren. Herr […] von der Commerzbank vertrat die Auffassung, dass die
Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Währungen des Euro-Gebiets aufrechterhalten werden
müssten. Er machte geltend, dass die gegenwärtigen Spannen als das Ergebnis von Marktmechanismen
angesehen werden könnten, so dass diese Art der Preisfestsetzung auch in eine differenzierte
Gebührenstruktur übernommen werden könnte. Hierauf erwiderte Herr […] von der Bayrischen Landesbank,
dass die Differenzierung zwischen den Währungen nur durch unterschiedlich hohe Wechselkursrisiken zu
rechtfertigen war. Dieser Gesichtspunkt würde jedoch nach dem 1. Januar 1999 wegfallen, wenn sämtliche
Währungen des Euro-Gebiets als Stückelungen des Euro angesehen werden müssten. Herr […] fügte hinzu,
dass die bestehende Margenpolitik weniger vom Marktmechanismus beeinflusst wurde, sondern vielmehr
das Ergebnis einer stillschweigenden Übereinkunft über Wechselkurse gewesen sei. Herr […] erwähnte die
EWI‑Erhebung, wonach die Kosten des deutschen Bankensystems mit der Einführung des Euro in den
Geldumlauf um lediglich 10 % zurückgehen würden, was zeige, dass die Kursfestsetzung auf dem
Sortenmarkt nicht von den Preisen verursacht werde. Dies ließe auch eher auf ein Oligopol als auf ein
‚Polypol‘ schließen.
Deshalb müsse die Ersetzung der gegenwärtigen stillschweigenden Übereinkunft über differenzierte
Spannen durch eine stillschweigende Übereinkunft über differenzierte Provisionen nicht zu größeren
Störungen oder Gewinnverlusten führen. Herr […] stimmte hiermit vollständig überein.
Da auf der Zusammenkunft keine Übereinkunft darüber erzielt werden konnte, ob eine einheitliche
Provisionsgebühr oder eine Provision für jede einzelne Währung eingeführt werden sollte, sollte der
Bundesbank Folgendes mitgeteilt werden:
Jede der anwesenden Banken wird selbst darüber entscheiden, welche Form ihre zukünftige
Gebührenstruktur annehmen wird.
Die anwesenden Banken äußerten die Absicht, ihre gegenwärtigen Margeneinkünfte zu rund 90 % durch
Einnahmen aus Provisionsgebühren zu ersetzen. Nach Auffassung der Banken würde dies zu einer
Gesamtprovision von rund 3 % führen.“
92
In diesem Textabschnitt geht es um die Frage, ob die Banken in der Übergangszeit ein Entgelt für die
Barumtauschdienste weiterhin nach den Merkmalen des jeweiligen Marktes, der für jede Währung besteht,
berechnen könnten, oder ob die Einführung des Euro als Buchgeld zum 1. Januar 1999 zur selben
Gebührenhöhe für alle Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten führen müsse. Der Textabschnitt
betrifft damit nicht die Festsetzung der Gebührenhöhe, sondern die Frage, ob es für alle früheren nationalen
Währungen eine einheitliche Provision oder unterschiedlich hohe Provisionen für jede einzelne Währung
geben solle. Der vorstehend wiedergegebene Auszug zeigt, dass über diese Frage unter den
Sitzungsteilnehmern keine Einigkeit erzielt wurde.
93
Zu dem Textauszug, den die Kommission als Beweis für das Vorliegen einer rechtswidrigen Vereinbarung
anführt, ist dreierlei auszuführen.
94
Zunächst ist mit Wegfall der „Margen“ im Protokoll A offenbar die Aufgabe des Kursspannensystems ab
Inkrafttreten der unwiderruflichen Umrechnungskurse zum 1. Januar 1999 gemeint. Denn die
Sitzungsteilnehmer waren sich über die Notwendigkeit einig, dieses System durch die Verwendung von
Umtauschprovisionen zu ersetzen, die ausdrücklich und gesondert von den angewandten unwiderruflichen
Umrechnungskursen auszuweisen wären (vgl. Randnrn. 88, 93 und 95 der Entscheidung).
95
Weiterhin ist, wie die Klägerin geltend gemacht hat, die Bezugnahme auf die Erhaltung von 90 % der
„Einkünfte“ aus dem System der „Margen“ im Kontext der in Frage stehenden Zusammenkunft zu sehen.
Dieser Punkt bezieht sich nicht auf die Diskussionen darüber, wie den Teilnehmern an der Zusammenkunft
ein bestimmtes Niveau an „Einkünften“ garantiert werden könnte, sondern auf die unmittelbare Folge des
Wegfalls des Wechselkursrisikos.
96
Insoweit geht nämlich aus der Klageschrift hervor, dass mit der Festsetzung der unwiderruflichen
Umrechnungskurse vom Beginn der Übergangszeit an das Wechselkursrisiko wegfiel. Da somit die
Fluktuationen der Wechselkurse verschwanden, entfielen für die Sortenhändler die sich bis dahin aus dem
Kursrisiko ergebenden Kosten. In seinem Bericht vom 23. April 1997 (Randnr. 75 der angefochtenen
Entscheidung, vgl. Anlage 23 zur Klageschrift) nahm das EWI eine Schätzung der sich aus dem Wegfall des
Kursrisikos ergebenden Ersparnis vor. Es stellte fest, dass sich die Kosten für Umtauschdienste in vier
Kategorien mit folgenden Anteilen einteilen ließen:
Wechselkursrisiko: 5 % bis 10 %;
Repatriierungskosten (Versicherung und Transport): 5 % bis 10 %;
Transaktionskosten (Gehälter, Handhabung, Verwaltung): 70 % bis 85 %;
Opportunitätskosten (Vorhalten von Devisenbeständen): 5 % bis 10 %.
97
Das EWI schätzte, dass sich die Kosten – und damit die Preise – für Barumtauschdienste durch den Wegfall
des Wechselrisikos um 5 % bis 10 % verringern würden. Dieser Bericht wurde zwar, wie Randnummer 75 der
Entscheidung zu entnehmen ist, vom EWI nicht im Amtsblatt veröffentlicht, er wurde jedoch in großem
Umfang an repräsentative Einrichtungen des Bankensektors verteilt.
98
Das Ergebnis dieser EWI‑Analyse ist nicht bestritten worden, da die Bankenvertreter beim Runden Tisch der
Kommission geltend machten, zwar falle während der Übergangszeit „das Wechselkursrisiko … fort, was die
Kosten um 20 % reduziere, aber nach wie vor würden sonstige Bearbeitungs‑ und Handhabungskosten
anfallen“ (Runder Tisch zu den praktischen Aspekten der Umstellung auf den Euro; Zusammenfassung und
Schlussfolgerungen; vgl. Randnr. 41 der Entscheidung).
99
Die Auslegung des Protokolls A durch die Klägerin ist daher überzeugend. Es ist anzunehmen, dass sich die
in diesem Protokoll enthaltene Angabe von 90 % auf die Verminderung der Kosten für Barumtauschdienste
durch den Wegfall des Wechselkursrisikos um 10 % bezieht. Angesichts dieser Verminderung sollten auch
die Provisionen während der Übergangszeit um 10 % sinken, so dass sie 90 % der damals bestehenden
Kosten abdecken könnten.
100
Zu dem Passus im Protokoll A, in dem eine Provision von 3 % genannt wird, macht die Klägerin geltend, dies
sei allenfalls eine die EWI‑Daten reflektierende Angabe zur Marktsituation.
101
Dieses Vorbringen erscheint begründet. Denn das EWI machte in seinem Bericht vom 23. April 1997
Angaben zur Größe der Differenz zwischen An‑ und Verkaufskurs, wofür es zwischen drei Gruppen von
Währungen unterschied:
Gruppe 1 (Belgischer Franken [BEF], Deutsche Mark [DM], Niederländischer Gulden [NLG],
Österreichischer Schilling [ATS] und Französischer Franken [FRF]): geringe Differenz von weniger als
2 %;
Gruppe 2 (Britisches Pfund [GBP], Italienische Lira [ITL], Spanische Peseta [ESP], Portugiesischer
Escudo [PTE], Schwedische Krone [SEK] und Irisches Pfund [IEP]): mittlere Differenz zwischen 2 % und
4 %;
Gruppe 3 (Griechische Drachme [GRD] gegen alle übrigen Währungen): große Differenz von mehr als
5 %.
102
Diese Angaben bestätigen das Vorbringen der Klägerin, wonach die Nennung einer Umtauschgebühr in
Höhe von „rund 3 %“, wenn sie tatsächlich erfolgt sein sollte, jedenfalls eher die Marktsituation
wiederzugeben scheint als das Vorliegen einer horizontalen Preisabsprache.
103
Demnach ist festzustellen, dass das Protokoll A nicht als eindeutiger Beweis dafür erscheint, dass eine
Diskussion über die Festsetzung der Umtauschgebühren in Höhe von rund 3 % geführt wurde. Daher sind
die weiteren Beweismittel, die die Kommission in ihrer Entscheidung und die Klägerin anführen, darauf zu
prüfen, ob bei einer Gesamtwürdigung angenommen werden kann, dass die Kommission das Vorliegen einer
Preisabsprache nachgewiesen hat.
– Zu den Äußerungen der Commerzbank und der Bayerischen Landesbank
104
Dass es die im Protokoll A genannte Diskussion über den Provisionssatz gab, wird der angefochtenen
Entscheidung zufolge durch die Erklärungen der Commerzbank und der Bayerischen Landesbank in der
Anhörung bestätigt (Randnrn. 96, 107 und 118 bis 120 der Entscheidung). In Fußnote 44 der Entscheidung
bezieht sich die Kommission ferner auf die Antworten der Commerzbank, der Westdeutschen Landesbank
und der Hamburgischen Landesbank auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte.
105
Zunächst ist festzustellen, dass die von der Kommission vorgenommene Bewertung dieser Äußerungen als
Bestätigung einer Willensübereinstimmung über eine Preisfestsetzung fragwürdig erscheint. Zwar erklärten
diese Banken, dass „die Vertreter einiger Banken ihre Vorstellungen über mögliche zukünftige Gebühren von
zwischen 2 und 4 % darlegten“ (Randnr. 107 der Entscheidung), doch wird durch keine ihrer Äußerungen
ausdrücklich bestätigt, dass über die Festsetzung der Provisionshöhe diskutiert wurde.
106
Die Festsetzung eines Bezugsrahmens oder Zielpreises kann zwar eine rechtswidrige Preisfestsetzung sein,
weil die Preise in diesem Fall nicht mehr Ergebnis eigenständiger Entscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer,
sondern ihrer Willensübereinstimmung sind. Jedoch reflektieren die genannten Zahlen („zwischen 2 und
4 %“, „rund 3 %“, „zwischen 2 und 6 %“, vgl. Randnr. 107 der Entscheidung und deren Fußnote 44) – wie
oben dargelegt – die vom EWI festgestellten Marktpreise, sind unbestimmt und weisen eine erhebliche
Schwankungsbreite (bis zum Dreifachen) auf. Die Beweiskraft dieser Angaben erscheint daher fragwürdig.
– Zum Verhalten der Beteiligten auf dem Markt
107
Die Kommission hat vorsorglich noch darauf verwiesen, dass die Teilnehmer der Zusammenkunft vom 15.
Oktober 1997 anschließend ihre Preispolitik entsprechend der angeblich getroffenen Vereinbarung einander
angeglichen hätten. So listete sie in den Randnummern 147 und 148 der Entscheidung die von der
Dresdner Bank, der Commerzbank, der HVB, der VUW, der GWK und der Reisebank tatsächlich berechneten
Gebühren auf, die zwischen 3 % und 4,5 %, lagen, teils verbunden mit Festbeträgen.
108
Die Klägerin wendet sich gegen die Schlussfolgerungen, die die Kommission aus diesen Angaben ableitet.
Sie macht im Wesentlichen geltend, dass sich die Kommission nur auf die Provisionssätze konzentriert habe,
ohne die Festkomponente der Entgelte einzubeziehen, die aber wegen der niedrigen Umtauschbeträge auf
die Entgelthöhe großen Einfluss gehabt habe; eine fehlerfreie Analyse der zwischen 1998 und der
Übergangszeit verlangten Provisionen entkräfte hingegen diese Feststellungen der Kommission.
109
Dieses Vorbringen erscheint stichhaltig. Da die fraglichen Dienstleistungen ganz überwiegend Beträge von
unter 200 Euro betrafen (laut Randnr. 9 der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu einem Anteil von 70 %),
hatte die Erhebung von Festprovisionen in Höhe von 5 DM oder 10 DM oder von Mindestprovisionen
erheblichen Einfluss auf den Betrag, den die Banken, ausgedrückt in Prozent, wirklich erhoben. Die
Kommission durfte sich daher nicht darauf beschränken, nur den angewandten Provisionssatz zu prüfen, da
dieser den vom Verbraucher zu zahlenden Preis nur partiell widerspiegelt.
110
Die von der Klägerin und anderen Banken 1999 angewandten Tarife sind im Einzelnen in Randnummer 56 der
Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegeben. Danach wichen die angewandten Provisionen,
berücksichtigt man die Gesamtkosten der Umtauschdienste (Umtauschprovisionen und Fest- oder
Mindestbetrag), von Bank zu Bank erheblich voneinander ab. Nichts gestattet den definitiven Schluss, dass
die Preiskonvergenz innerhalb eines bestimmten „Spielraums“ einen anderen Grund hatte als das normale
Spiel der Marktkräfte. Es lässt sich im Gegenteil feststellen, dass die Provisionen nach Beginn der
Übergangszeit beträchtlich sanken, was durch den Wegfall des Wechselkursrisikos zu erklären ist. Diese
Tendenz setzte sich bis zum Ende der Übergangszeit fort, zu dem der Markt für den Barumtausch zwischen
den Teilnehmerwährungen verschwand.
111
Die Erwägungen, auf deren Grundlage die Kommission zu dem Ergebnis gelangte, dass das Protokoll A durch
ein paralleles Marktverhalten der beteiligten Banken bestätigt werde, sind darum nicht überzeugend.
112
Das vorstehend geprüfte Vorbringen in der Klageschrift lässt damit den Schluss zu, dass die Kommission das
Vorliegen der von ihr behaupteten Vereinbarung nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, und zwar
weder hinsichtlich der Festsetzung der Preise für Dienste des Barumtauschs zwischen den Währungen des
Euro-Gebiets in der Übergangszeit noch hinsichtlich der Art der Erhebung dieser Preise. Die Klagegründe
einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung und der fehlenden Beweiskraft der belastenden Indizien sind
daher begründet.
113
Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne dass die übrigen Klagegründe
geprüft zu werden brauchen.
Kosten
114
Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei auf Antrag die Kosten zu tragen.
Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Entscheidung 2003/25/EG der Kommission vom 11. Dezember 2001 in einem Verfahren
nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/E ‑ 1/37.919 [ex 37.391] – Bankgebühren für den
Umtausch von Währungen des Euro-Gebiets – Deutschland) wird für nichtig erklärt, soweit
sie die Klägerin betrifft.
2.
Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.
Lindh
García-Valdecasas
Cooke
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Oktober 2004.
H. Jung
P. Lindh
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rechtlicher Rahmen
Angefochtene Entscheidung
Verfahren
Anträge der Klägerin
Begründetheit
Zur Feststellung des Sachverhalts
Zur Vereinbarung über die Art der Erhebung von Umtauschprovisionen
Vorbringen der Klägerin
Würdigung durch das Gericht
Zur Vereinbarung über die Höhe der Umtauschprovisionen
Zusammenfassung der angefochtenen Entscheidung
Vorbringen der Klägerin
Würdigung durch das Gericht
– Zum Protokoll A
– Zu den Äußerungen der Commerzbank und der Bayerischen Landesbank
– Zum Verhalten der Beteiligten auf dem Markt
Kosten
Verfahrenssprache: Deutsch.