Urteil des BVerwG vom 22.08.2007

BVerwG (treu und glauben, rechtliches gehör, zivildienst, verwaltungsgericht, rechtssatz, bundesverwaltungsgericht, einberufung, beschwerde, ausbildung, zdg)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 107.08 (6 PKH 30.08)
VG 7 A 67/08
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. April 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich
und Dr. Möller
beschlossen:
- 2 -
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen,
wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Braunschweig vom 26. September 2008 wird zurückge-
wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines
Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, ist abzulehnen, weil die Rechtsverfol-
gung aus den folgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat
(§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
2. Die auf alle Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte
Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Der Kläger führt aus, das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche erheblich
von dem Urteil des beschließenden Senats vom 22. August 2007 - BVerwG 6 C
28.06 - (Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 212) ab. Die damit sinngemäß erhobe-
ne Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) entspricht nicht den Darlegungs-
anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne von § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn das Ausgangsgericht mit einem seine
Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen
Rechtssatz abgewichen ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genann-
ten Gerichte aufgestellt hat. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebe-
gründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Ausgangsgericht seine Ent-
1
2
3
4
- 3 -
scheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz
gestützt hat. Eine solche Gegenüberstellung sich widersprechender Rechtssät-
ze enthält die Beschwerde nicht. Der Kläger führt vielmehr lediglich aus, die von
ihm derzeit absolvierte Ausbildung zum Sparkassenfachwirt stelle ebenso wie
der Vorbereitungslehrgang zur Meisterprüfung, mit dem sich der Senat in sei-
nem genannten Urteil vom 22. August 2007 befasst habe, eine zur Zurückstel-
lung führende Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3
Buchst. c WPflG (in der Fassung des Zweiten Zivildienständerungsgesetzes
vom 27. September 2004 nunmehr § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3
Buchst. e WPflG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. September
2008 ) sowie des § 11 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e ZDG (in
der Fassung des Wehrrechtsänderungsgesetzes 2008 vom 31. Juli 2008
) dar, und beschränkt sich damit auf das Vorbringen, das Ver-
waltungsgericht habe die im Senatsurteil enthaltenen Rechtssätze im Streitfall
fehlerhaft angewendet. Dies genügt den Anforderungen einer Divergenzrüge
nicht (Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310
§ 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 4. April 2007 - BVerwG 6 BN 1.07 -
juris Rn. 4).
b) Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grund-
sätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift kommt einer Rechtssache
nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revi-
siblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des
Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Der Beschwerdeführer muss da-
her gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erläutern, dass und inwiefern die Revi-
sionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantwor-
teten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.
Eine solche Rechtsfrage ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.
Die von ihm aufgeworfene Frage, ob seine Ausbildung zum Sparkassenfachwirt
als eine Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e
WPflG sowie des § 11 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e ZDG anzusehen ist, hat
5
6
7
- 4 -
keine über den erstinstanzlich entschiedenen Einzelfall hinausweisende Bedeu-
tung und kann daher die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeu-
tung nicht rechtfertigen. Abgesehen davon würde sich diese Frage in dem vom
Kläger angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich nicht stellen. Wie der
Senat in seinem vom Kläger zitierten Urteil vom 22. August 2007 ausgeführt hat
(a.a.O. Rn. 40 f.), fehlt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts an einer zur Zurückstellung führenden besonderen Härte,
wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Zurückstellungsgrunds auf
ein pflichtwidriges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen sind. Pflicht-
widrig ist sein Verhalten dann, wenn es unter Umständen geschieht, die mit den
Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar sind und deshalb die Beru-
fung auf die Zurückstellungsvorschriften als missbräuchliche Rechtsausübung
erscheinen lassen. Zwar sind erfolgreiche Bemühungen des Wehrpflichtigen
um einen Ausbildungsplatz grundsätzlich nicht zu missbilligen. Anders verhält
es sich jedoch dann, wenn seine Einberufung konkret bevorsteht. In solchen
Fällen muss sich der Wehrpflichtige auf die bevorstehende Einberufung einrich-
ten und hierauf bei seinen persönlichen Entscheidungen, mit deren Ausführun-
gen er die Voraussetzungen eines Zurückstellungstatbestands schafft, Rück-
sicht nehmen. Hier war dem Kläger bereits seit dem Schreiben des Bundes-
amts für den Zivildienst vom 29. November 2007 bekannt, dass er spätestens
zum Beginn des Monats Februar 2009 zum Zivildienst einberufen werden soll-
te. Infolgedessen war er nach Treu und Glauben daran gehindert, kurz vor die-
sem Zeitpunkt eine neue Ausbildung zu beginnen, welche - wie er mit seiner
Klage geltend macht - geeignet war, ihn dem Zivildienst zu entziehen.
c) Zur Begründung seiner Rüge der Verfahrensfehlerhaftigkeit des verwal-
tungsgerichtlichen Urteils (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führt der Kläger aus, das
Verwaltungsgericht habe rechtserheblichen Vortrag übergangen. Es habe in
seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass er im Klageverfahren gel-
tend gemacht habe, seine Einberufung zum Zivildienst verstoße gegen den all-
gemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Ermächtigungsgrundlage
sei insofern verfassungswidrig und die Beklagte habe - insbesondere im Rah-
men der Heranziehungsentscheidung - ermessensfehlerhaft gehandelt.
8
- 5 -
Diese Berufung auf einen Verfahrensfehler in Gestalt der Verletzung des recht-
lichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO bleibt gleichfalls
erfolglos. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, das Vor-
bringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in
Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist allerdings nicht gehalten, sich mit jedem
Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Viel-
mehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht den von ihm entge-
gengenommenen Vortrag der Beteiligten in seine Erwägungen einbezogen hat.
Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die
Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis ge-
nommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf
Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Beschlüsse vom 5. Februar 1999
- BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3 und vom
17. August 2004 - BVerwG 6 B 49.04 - juris Rn. 22 f.). Derartige Umstände sind
hier entgegen der Ansicht des Klägers nicht ersichtlich. Im Gegenteil bezieht
sich das Verwaltungsgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils auf ei-
ne von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts - ausweislich der Niederschrift über die öffentliche
Sitzung vom 26. September 2008, Blatt 88 R der Gerichtsakte handelt es sich
um den Beschluss vom 20. Februar 2002 - 2 BvL 5/99 - (BVerfGE 105, 61) -
aus der hervorgehe, dass nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die
auf die Heranziehung zum Zivildienst zu übertragende Wehrgerechtigkeit so-
wohl in ihrer abstrakten rechtlichen Ausgestaltung als auch in ihrem konkreten
Verwaltungsvollzug als jedenfalls gegenwärtig noch mit Art. 3 GG und Art. 12
GG vereinbar anzusehen sei. Es bestehe kein Anlass, von dieser Rechtsauf-
fassung abzuweichen. Darüber hinaus verweist das Verwaltungsgericht im Zu-
sammenhang mit dem von dem Kläger gestellten Hilfsantrag auf Aussetzung
seiner Heranziehung bis zum 31. Januar 2010 unter anderem darauf, dass in-
soweit jedenfalls die Voraussetzungen einer von dem Kläger konkludent ange-
deuteten „Ermessensreduzierung auf Null“ nicht vorlägen.
9
- 6 -
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52
Abs. 2 GKG.
Dr. Bardenhewer
Dr. Graulich
Dr. Möller
10