Urteil des BVerwG vom 29.01.2004

BVerwG (rechtliches gehör, beschwerde, antragsteller, grundsatz der freien beweiswürdigung, gutachten, vorinstanz, bebauungsplan, streitwert, grundstück, auseinandersetzung)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 18.04
VGH 3 N 2764/02
In der Normenkontrollsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a ,
Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:
- 2 -
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 29. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung des
Streitwertbeschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 29. Januar 2004 für beide Rechtszüge auf jeweils 30 000 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das
Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die zum Lärmkonflikt erhobenen Rügen greifen nicht durch.
a) Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
liegen nicht vor.
Die Beschwerde rügt, das Normenkontrollgericht habe den Grundsatz des rechtli-
chen Gehörs verletzt, weil es die Ausführungen des Antragstellers zum Vorliegen
eines faktischen reinen Wohngebiets in der Umgebung des Plangebiets nicht zur
Kenntnis genommen habe. Ein Tatsachengericht verletzt den in Art. 103 Abs. 1 GG
grundrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es über entschei-
dungserhebliches Parteivorbringen hinweggeht, ohne darzulegen, aus welchen tat-
sächlichen oder rechtlichen Erwägungen es keiner Auseinandersetzung mit diesem
Vorbringen (und keiner Sachaufklärung in dieser Hinsicht) bedarf (BVerwG, Urteil
vom 15. April 1997 - BVerwG 8 C 20.96 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 274). Der
Verwaltungsgerichtshof führt aus (UA S. 27), dass die Immissionspunkte IP 1 bis
IP 5, die der TÜV Süddeutschland in seinem Gutachten vom 24. Oktober 2001 un-
tersucht habe, in dem rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 8 "Krimling-Norr" so-
wie in der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 der Antragsgegnerin als allgemei-
nes Wohngebiet ausgewiesen seien. Aus diesem Grund habe der TÜV Süddeutsch-
land die zutreffenden Immissionsrichtwerte herangezogen. Damit hat die Vorinstanz
- 3 -
dem Vorbringen des Antragstellers zum Wohngebietscharakter der Bebauung in der
Umgebung des Plangebiets ausreichend Rechnung getragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Anspruch auf rechtliches Gehör auch nicht da-
durch verletzt, dass er die Einwände des Antragstellers gegen das vorgenannte Gut-
achten nicht gewürdigt hat. Die vom Antragsteller vermisste Auseinandersetzung mit
seinen Einwänden, die sich auf die Anzahl der Vollgeschosse des geplanten großflä-
chigen Einzelhandelsbetriebes sowie auf die Anlieferfrequenzen und die Anlieferzei-
ten, die dem TÜV-Gutachten zugrunde liegen, beziehen, befindet sich auf S. 25 und
27 der Urteilsabschrift. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass der Verwaltungs-
gerichtshof von seinem Rechtsstandpunkt aus Anlass hatte, über die gutachterlichen
Ausführungen des TÜV Süddeutschland hinaus weitere Ermittlungen zu Art und
Ausmaß der vom Antragsteller befürchteten Lärmimmissionen anzustellen. Gegen-
stand der Normenkontrolle ist der angegriffene Bebauungsplan und die ihm zugrunde
liegende planerische Abwägung der Antragsgegnerin. Nach den Ausführungen der
Vorinstanz durfte die Antragsgegnerin abwägungsfehlerfrei davon ausgehen, dass
die dem TÜV-Gutachten zugrunde liegenden Angaben von dem Investor stammen
und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Angaben unrealistisch sind. Das
Gutachten habe der Antragsgegnerin auch ausreichend deutlich gemacht, dass die
durch die Planung entstehenden Lärmkonflikte auf der Ebene des Baugenehmi-
gungsverfahrens durch die Anordnung der Gebäude, der Anlieferbereiche sowie der
Aggregate und durch die Steuerung der Anlieferungszeiten zu bewältigen seien; das
reiche für einen ordnungsgemäßen Abwägungsvorgang aus. Die Beschwerde zeigt
vor diesem rechtlichen Hintergrund nicht auf, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof
weitere Aufklärungsmaßnahmen zu den Lärmimmissionen hätten aufdrängen müs-
sen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
b) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen lassen keinen rechtsgrund-
sätzlichen Klärungsbedarf im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erkennen.
"Ob eine Gemeinde im Anschluss an substantiierte Anregungen zu einem Lärmgut-
achten gehalten ist, vor der Aufstellung des Bebauungsplanes ein ergänzendes
Lärmgutachten einzuholen", beurteilt sich nach den konkreten Umständen in der je-
weiligen Planungssituation und ist einer verallgemeinerungsfähigen Klärung für eine
- 4 -
Vielzahl von Fällen nicht zugänglich. Im Übrigen sind die vom Antragsteller gegen
das TÜV-Gutachten erhobenen Einwände nach Auffassung des Verwaltungsge-
richtshofs "nicht ausreichend konkretisiert gewesen, um von der Antragsgegnerin die
Einholung eines weiteren Lärmgutachtens fordern zu können" (UA S. 26). Die Vorin-
stanz sieht die Einwände also als unsubstantiiert an. Dass der Antragsteller anderer
Meinung ist, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Die von der Beschwerde ferner aufgeworfene Frage, "ob der Plangeber eines Be-
bauungsplanes das Gebot der Konfliktlösung bei der Festsetzung emittierender Nut-
zungen verletzt, indem er meint, der Lärmkonflikt könne in dem späteren Baugeneh-
migungsverfahren gelöst werden, und sich wegen der Möglichkeit einer denkbaren
Lösung auf ein Lärmgutachten stützt, das die Einhaltung der Immissionsrichtwerte im
Sinne der TA-Lärm belegen soll, ohne über die schematische Mittelung von Geräu-
schen im Sinne der TA-Lärm hinausgehende Kriterien (Impulshaltigkeit, Informati-
onsgehalt usw.) zu berücksichtigen", ist ebenfalls keiner verallgemeinerungsfähigen
Klärung zugänglich und nötigt daher nicht zur Zulassung der Revision. Die Frage ist
auf die konkreten Umstände des vorliegenden Streitfalles zugeschnitten und be-
schränkt sich der Sache nach auf eine in das Gewand einer abstrakten Rechtsfrage
gekleidete Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Abwägungskon-
trolle. Entgegen den Ausführungen der Beschwerde vermag der beschließende Se-
nat auch nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen ein Plangeber sich zur
sachgerechten Konfliktlösung nicht auf ein Lärmgutachten auf der Grundlage der TA-
Lärm stützen und zugleich zu dem Ergebnis gelangen darf, "dass der Lärmkonflikt im
Genehmigungsverfahren tatsächlich gelöst werden kann". Von einer weiteren Be-
gründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Beschwerde möchte weiter rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, "ob ein Normen-
kontrollgericht bei der Beurteilung der ordnungsgemäßen Abwägung zu einem Lärm-
konflikt in der Bauleitplanung bei 2 unterschiedlichen Sachverständigengutachten zur
Einhaltung der Immissionsrichtwerte im Sinne der TA-Lärm durch Einholung eines
weiteren Sachverständigengutachtens Beweis erheben muss, ob die Immissions-
richtwerte im Sinne der TA-Lärm eingehalten werden, oder ob das Gericht über die
richtige Anwendung der TA-Lärm selbst entscheiden muss". Auch diese Frage führt
nicht zu einem revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf. In der Rechtsprechung des
- 5 -
Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es dem Tatrichter nicht verwehrt ist, bei
seiner Entscheidung Gutachten zu berücksichtigen, die nicht von ihm, sondern von
einem der Verfahrensbeteiligten eingeholt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom
8. Juni 1979 - BVerwG 4 C 1.79 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 120; Be-
schluss vom 18. Januar 1982 - BVerwG 7 B 254.81 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1
VwGO Nr. 137). Ob das Gericht es mit dem Gutachtenmaterial bewenden lassen
darf, das ihm vorliegt, oder verpflichtet ist, noch einen weiteren Sachverständigen
einzuschalten, hängt von der Überzeugungskraft der gutachterlichen Äußerung ab.
Die Beschwerde weist selbst auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts entwickelten Grundsätze hin, nach denen die Verwertung eines Sach-
verständigengutachtens unzulässig und die Einholung eines weiteren Sachverstän-
digengutachtens erforderlich sein kann. Die ergänzende Frage, "ob auch ein erneu-
tes Gutachten eingeholt werden muss, wenn ein vorgelegtes Gutachten den Anforde-
rungen der TA-Lärm nicht entspricht", geht von einem Sachverhalt aus, den der Ver-
waltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Die Vorinstanz führt unter Angabe ver-
schiedener Gründe aus, dass es die in dem TÜV-Gutachten getroffenen Feststellun-
gen für "plausibel" hält, und führt unter Hinweis auf die fachtechnische Auseinander-
setzung der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Gutachter aus, dass im
Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses die auf unterschiedlichen fachtechnischen Beur-
teilungen fußenden Bewertungsdifferenzen der beiden Gutachter für die Antragsgeg-
nerin nicht erkennbar gewesen seien und dass sich eine neue Begutachtung für die
Antragsgegnerin nicht aufgedrängt habe. Der Antragsteller teilt diese Einschätzung
nicht und sieht weiteren erstinstanzlichen Aufklärungsbedarf. Damit erhält seine
Grundsatzrüge den Charakter einer versteckten Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1
VwGO). Auch diese muss erfolglos bleiben, weil die Beschwerde sich insoweit darauf
beschränkt, einen weiteren Aufklärungsbedarf zu behaupten, ohne substantiiert dar-
zulegen, dass der Verwaltungsgerichtshof trotz seiner eingehenden Sachverhalts-
würdigung noch Anlass hätte sehen müssen, weitere Ermittlungen zu den Lärmim-
missionen vorzunehmen.
Aus den vorstehenden Gründen ist schließlich auch nicht rechtsgrundsätzlich klä-
rungsbedürftig, "ob ein Normenkontrollgericht bei der Beurteilung einer ordnungsge-
mäßen Abwägung zu einem Lärmkonflikt vorliegende Lärmgutachten darauf hin
überprüfen muss, ob die Regelungen der TA-Lärm eingehalten werden". Die Ge-
- 6 -
meinde hat das Abwägungsmaterial so genau und vollständig zu ermitteln, dass eine
sachgerechte Planungsentscheidung möglich ist (§ 1 Abs. 6 BauGB). Das gilt auch
für die Untersuchung, ob die Richtwerte der TA-Lärm für allgemeine Wohngebiete
eingehalten sind. Die erforderliche Kontrolldichte beurteilt sich nach den Umständen
des Einzelfalls. Je nach Sachlage ist dabei auch zu berücksichtigen, ob und in wel-
chem Umfang die planbedingten Lärmkonflikte auf der Ebene der Baugenehmigung
durch Auflagen bewältigt werden können.
2. Die zu den Abgrabungen und Aufschüttungen im Plangebiet erhobenen Rügen
bleiben ebenfalls erfolglos.
Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe das Vorbringen des Antragstellers zu
den Auswirkungen einer "Modellierung" des hängigen Plangebiets auf sein an das
Plangebiet angrenzendes Grundstück nicht zur Kenntnis genommen und deshalb
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, greift nicht durch. In den Gründen
des Normenkontrollurteils (UA S. 31) werden die hierauf gerichteten Einwendungen
des Antragstellers zurückgewiesen. Die Vorinstanz macht sich dabei die Einschät-
zung der Antragsgegnerin zu Eigen, aufgrund der planerischen Festsetzungen könne
gewährleistet werden, dass sich die künftigen Gebäude in der Höhenentwicklung an
dem vorhandenen, angrenzenden Bestand orientierten und städtebaulich einfügten.
Die Festsetzungen trügen den unterschiedlichen Geländesituationen Rechnung. Die
inhaltlichen Einwände, die die Beschwerde dagegen vorbringt, sind nicht geeignet,
den gerügten Verfahrensfehler darzulegen.
Die Rechtsfrage, "ob Aufschüttungen und Abgrabungen, die infolge der Nivellierung
eines Hanggeländes und deren Überplanung und anschließender Bebauung erfor-
derlich werden, gerade wegen der Auswirkungen auf außerhalb des Plangebiets in
der Hanglage gelegene Grundstücke in die Abwägung eingestellt und besonders
festgesetzt werden müssen", wiederholt in einer auf die besonderen Umstände des
Streitfalls zugeschnittenen Weise die Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswür-
digung und führt angesichts der Besonderheiten der vorliegenden Planungssituation
nicht zu einem rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf.
- 7 -
3. Die Beschwerde greift auch die Auffassung des Normenkontrollgerichts an, die
Abwägung der Antragsgegnerin sei nicht deshalb fehlerhaft, weil der streitbefangene
Bebauungsplan den Wirtschaftsweg auf der Wegeparzelle 184/1 an der Grenze zu
seinem Grundstück Fl.Nr. 35/1 überplane und deshalb die vom Wirtschaftsweg zu
diesem Grundstück führende Torzufahrt entfalle. Der Antragsteller sieht sich auch
insoweit in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und erhebt eine Verfah-
rensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Wirtschaftsweg auf dem Flurstück 184/1
habe Erschließungsfunktion für den hinteren Teil seines mit einem Wohnhaus bebau-
ten Grundstücks (B. Straße 9). Das Tor werde für eine sachgerechte Grundstücks-
nutzung benötigt. Zur Bewirtschaftung des vorhandenen und umfangreichen Baum-
und Buschbestandes im hinteren Grundstücksbereich müsse dieser Grundstücksteil
mit landwirtschaftlichem Gerät (kleiner Traktor) etwa zum Abtransport des Grün-
schnitts angefahren werden können. Dies sei allein über das Tor zum Wirtschaftsweg
möglich.
Mit der Gehörsrüge greift der Antragsteller die Erwägung der Vorinstanz an, die An-
tragsgegnerin habe der Erschließungsfunktion des Wirtschaftsweges (Parzelle
184/1) für den hinteren Grundstücksbereich keine Beachtung schenken müssen, da
diese Erschließungsfunktion für die Antragsgegnerin im Planaufstellungsverfahren
nicht erkennbar gewesen sei. Der Antragsteller habe sich nämlich erstmals im ge-
richtlichen Verfahren, nicht jedoch während der Planauslegung gegen die "Einzie-
hung" und "Entwidmung" des Wirtschaftsweges zur Wehr gesetzt. Das Normenkon-
trollgericht habe dabei übersehen, dass der Antragsteller schon im Planaufstellungs-
verfahren mit Schriftsatz vom 25. Juli 2002 geltend gemacht habe, dass der Wirt-
schaftsweg (Parzelle 184/1) für die Erschließung des Wohnhauses B. Straße 9 not-
wendig sei.
Als Gehörsrüge genügt dieses Vorbringen nicht den Darlegungserfordernissen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann nur dann fest-
gestellt werden, wenn mit der Beschwerde vorgetragen und substantiiert belegt wird,
dass die Vorinstanz entscheidungserheblichen Sachvortrag des unterlegenen Betei-
ligten i n d e r V o r i n s t a n z unbeachtet gelassen und deshalb den Anspruch
auf rechtliches Gehör verletzt hat. Einen solchen Verfahrensfehler zeigt die Be-
schwerde nicht auf. Ein entsprechender Versuch müsste auch erfolglos bleiben;
- 8 -
denn der Verwaltungsgerichtshof setzt sich ausführlich mit der vom Antragsteller gel-
tend gemachten Erschließungsfunktion der Wegeparzelle 184/1 auseinander (UA
S. 34 bis 35). Der beschließende Senat sieht den Kern der Rüge in dem Vorwurf, das
Normenkontrollgericht habe entgegen der Aktenlage nicht zur Kenntnis genommen,
dass der Antragsteller bereits im Planaufstellungsverfahren auf die Erschließungs-
funktion der Wegeparzelle für sein Grundstück und die problematischen Auswirkun-
gen ihrer Überplanung hingewiesen habe. Die Verfahrensrüge, das Normenkontroll-
gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, betrifft den Grundsatz der
freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vor-
handenen Prozessstoffs (§ 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch diese Rüge
verhilft der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg.
Eine Aufklärungs- und Beweiswürdigungsrüge wird nur schlüssig erhoben (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde darlegt, dass eine sachgerechte Aufklä-
rung und richterliche Überzeugungsbildung zu einer für den Antragsteller günstigeren
Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht
gerecht. Ihr ist zwar einzuräumen, dass der Verwaltungsgerichtshof den Schriftsatz
des Antragstellers an die Antragsgegnerin vom 25. Juli 2002 (Bauplanungsakte
Bl. 218/219), der auf die Erschließungsfunktion der Wegeparzelle 184/1 hinweist,
übersehen hat. Daraus ergibt sich aber entgegen der Beschwerde nicht, dass die
Vorinstanz, wenn sie diesen Schriftsatz bei der Abwägungskontrolle berücksichtigt
hätte, zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der Antragsgegnerin ein beachtlicher
Abwägungsfehler unterlaufen ist. Der Schriftsatz vom 25. Juli 2002 beschränkt sich
nämlich auf den Hinweis, der Wirtschaftsweg sei für die Nutzung des Grundstücks B.
Straße 9 "dringend notwendig". Ergänzend heißt es, die Zufahrt sei erforderlich, um
die vorhandenen baulichen Anlagen nutzen zu können. Diesen Ausführungen konnte
die Antragsgegnerin nicht entnehmen, dass die Wegeparzelle (mit der Torzufahrt) als
Zuwegung für den hinteren Grundstücksbereich genutzt wird, um den dort vorhande-
nen Baum- und Buschbestand bewirtschaften zu können. Diesen Aspekt der Er-
schließungsfunktion des Wirtschaftsweges hat der Antragsteller erstmalig im Nor-
menkontrollverfahren mit Schriftsatz vom 27. Mai 2003 (Gerichtsakten Bl. 31 ff.) vor-
getragen und im Schriftsatz vom 12. Dezember 2003 (Gerichtsakten Bl. 148 ff.) nä-
her erläutert.
- 9 -
Im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nur
erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss ge-
wesen sind. Auch dies hätte die Beschwerde zur Begründung einer Aufklärungs- und
Beweiswürdigungsrüge substantiiert darlegen müssen. Dazu bestand insbesondere
Anlass, weil das Normenkontrollgericht den Standpunkt der Antragsgegnerin teilt, der
Antragsteller habe keinen Anspruch auf die Aufrechterhaltung bestimmter Nut-
zungsmöglichkeiten bzw. bestimmter Erschließungsformen. Der Wirtschaftsweg stel-
le auch keine Erschließungsanlage im Sinne des Baugesetzbuches dar. Der Verwal-
tungsgerichtshof ist schließlich mit der Antragsgegnerin der Ansicht, eine rückwärtige
Erschließung des Grundstücks B. Straße 9 sei auch über das im Eigentum des An-
tragstellers stehende Nachbarflurstück 36/2 (B. Straße 7) möglich.
Die Beschwerde macht zwar geltend, das Normenkontrollurteil verletze auch insoweit
den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, als es eine rückwärtige Erschließung über
das Flurstück 36/2 für möglich halte. Die Gründe, die die Beschwerde dafür anführt,
lassen jedoch erkennen, dass sie die vorinstanzliche Würdigung des erstinstanzli-
chen Sachvortrages rügt. Das genügt den Anforderungen an eine Gehörsrüge nicht.
4. Die Frage, welcher Streitwert festzusetzen ist, "wenn ein Normenkontrollantrag
gegen einen Bebauungsplan auf die Erhaltung der Wohnruhe, einer rückwärtigen
Erschließungsmöglichkeit für ein Wohngrundstück und eine mangelnde Konfliktlö-
sung für Abgrabungen gestützt ist", ist in rechtsgrundsätzlicher Weise allgemeingültig
nicht zu beantworten. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert vor den Gerich-
ten der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers bzw.
Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestim-
men. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Auch die bezifferten Werte in
dem Streitwertkatalog in der Fassung vom Januar 1996, der von einer aus Richtern
der Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammengesetzten Arbeitsgruppe erarbeitet wor-
den ist (NVwZ 1996, 563), sind Richtwerte, die für die Mehrheit der Fälle eine ange-
messene Bewertung sicherstellen sollen, im Einzelfall aber unter- oder überschritten
werden können.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
- 10 -
Der Streitwertkatalog 1996 sieht für Normenkontrollen von Bebauungsplänen einen
Streitwertrahmen von 10 000 DM bis 100 000 DM vor (Ziffer 7.7). Ein Rahmen von
umgerechnet 5 000 € bis 50 000 € reicht auch heute regelmäßig aus, um den Streit-
wert eines Normenkontrollverfahrens, in dem es um die Abwehr planbedingter Beein-
trächtigungen für die Wohnnutzung eines (planexternen) Nachbargrundstücks geht,
angemessen zu bestimmen. Die Konstellation des vorliegenden Streitfalles fällt nicht
aus diesem Rahmen heraus. Der von der Vorinstanz festgesetzte Streitwert von
100 000 € erscheint vor diesem Hintergrund als deutlich überhöht. Der beschließen-
de Senat hält unter Berücksichtigung der vom Antragsteller erhobenen Einwände
gegen den Bebauungsplan einen Streitwert von 30 000 € für angemessen und macht
gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG als Rechtsmittelinstanz, in der das Verfahren wegen
der Hauptsache schwebt, von seiner Befugnis Gebrauch, die Streitwertfestsetzung
des Verwaltungsgerichtshofs entsprechend abzuändern.
Halama
Prof. Dr. Rojahn
Gatz