Urteil des BVerwG vom 26.06.2012

BVerwG: bekanntgabe, beurlaubung, hochschule, verfügung, wechsel, stadt, ermessen, prozessrecht, zustellung, rechtsnatur

BVerwG 1 WB 12.12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 12.12
BMVg - 12.03.2012 - AZ: PSZ I 7 25-05-110 75/12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 26. Juni 2012 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen
Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat sich der Antragsteller gegen die verzögerte
Bekanntgabe eines Bescheids des Personalamts der Bundeswehr gewandt, mit dem ihm für den
Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 Sonderurlaub bewilligt worden ist. Er hat
zuletzt die Abänderung dieses Bescheids und die Festsetzung eines neuen
Sonderurlaubszeitraums beantragt.
2 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. November 2011 bewilligte das Personalamt der
Bundeswehr dem Antragsteller antragsgemäß für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum
31. Mai 2012 Sonderurlaub unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge zur Vorbereitung eines
Berufswechsels als Lehrkraft für besondere Aufgaben bei der Stadt B., vertreten durch die
Hochschule B. .
3 Mit Schreiben vom 5. Januar 2012, das am 9. Januar 2012 beim Personalamt einging, bat der
Antragsteller das Personalamt um Abänderung des Zeitraums der Beurlaubung. Er machte
geltend, dass ihm der Bescheid vom 29. November 2011 nicht bereits am 1. Dezember 2011
bekanntgegeben worden sei. Am 5. Dezember 2011 habe er nur eine mündliche Information
über den Bescheid erhalten. Dessen förmliche Bekanntgabe sei erst am 19. Dezember 2011
erfolgt. Infolge dieser verspäteten Eröffnung habe er den ab 1. Dezember 2011 angestrebten
Zeitvertrag bei der Hochschule B. und die mit der Beurlaubung notwendig verbundene
Krankenversicherung nicht zeitgerecht abschließen können.
4 Der Arbeitsvertrag zwischen der Stadt B., vertreten durch die Hochschule B., und dem
Antragsteller wurde am 23. Dezember 2011 für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31.
Mai 2012 unterzeichnet.
5 Der Antragsteller legte anschließend gegen den Bescheid vom 29. November 2011 mit
Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 18. Januar 2012 förmlich Beschwerde ein und
beantragte, die Beurlaubung auf den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 neu
festzusetzen. Er wies darauf hin, dass die Verzögerung der Bekanntgabe des Bescheids dazu
geführt habe, dass die Wehrbereichsverwaltung Rückforderungsansprüche hinsichtlich seiner
Bezüge geltend mache. Die Verzögerung dürfe nicht zu seinen Lasten gehen.
6 Mit Verfügung vom 13. Dezember 2011 ordnete das Personalamt zum 1. Dezember 2011 den
Wechsel des Antragstellers von einem „dienstpostenähnlichen Konstrukt“ auf ein anderes
„dienstpostenähnliches Konstrukt“ (z.b.V. - Dienstposten) beim ...amt, R., an. Dagegen legte der
Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 1. Februar 2012 unter Bezugnahme auf
seinen Rechtsbehelf vom 18. Januar 2012 ebenfalls Beschwerde ein. Diese Beschwerde ist
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens BVerwG 1 WB 13.12.
7 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 (nunmehr: R II 2) - verband die Beschwerden im
Beschwerdebescheid vom 12. März 2012 zur gemeinsamen Entscheidung und wies sie zurück.
Zur Begründung führte er aus, dass die Beschwerde vom 18. Januar 2012 nicht rechtzeitig
eingelegt worden sei. Dem Antragsteller sei der angefochtene Bescheid des Personalamts am 5.
Dezember 2011 eröffnet worden. Die Beschwerde vom 1. Februar 2012 sei unzulässig, weil eine
Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers durch die Anordnung des Dienstpostenwechsels
nicht ersichtlich sei. Der verfügte Wechsel von einem zu einem anderen „dienstpostenähnlichen
Konstrukt“ greife nicht in seine Rechte ein, weil der Antragsteller auch vor der Beurlaubung unter
Nutzung einer Planstelle z.b.V. verwendet worden sei. Daran habe sich nach der Beurlaubung
nichts geändert. Die verschiedenen Fallgruppen im Bereich der Planstellen z.b.V. seien lediglich
interne Ordnungshilfsmittel und dienten der Personalführung hinsichtlich der Zuordnung. Damit
sei aber nicht eine Wertung der Planstelle z.b.V. verbunden, die der Antragsteller zurzeit
besetze.
8 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13. März 2012 hat der Antragsteller gebeten, den
Vorgang dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.
9 Auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 19. April 2012 hat der Bundesminister der
Verteidigung - R II 2 - mit Schriftsatz vom 26. April 2012 erklärt, er habe beim Personalamt die
Prüfung und Bescheidung des Antrags auf Abänderung des Sonderurlaubs veranlasst. Das
Personalamt hat sodann durch Bescheid vom 21. Mai 2012 - unter teilweiser Abänderung des
angefochtenen Bescheids vom 29. November 2011 - den Sonderurlaubszeitraum auf die Zeit
vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Mai 2012 neu festgesetzt.
10 Daraufhin hat der Antragsteller durch Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 6. Juni 2012
„unter Protest gegen die Kosten“ den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
11 Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - hat sich dieser Erklärung mit Schriftsatz vom
13. Juni 2012 angeschlossen und die Auffassung vertreten, dass dem Bund die notwendigen
Aufwendungen nicht aufzuerlegen seien.
12 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Die Beschwerdeakten des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - .../12 und .../12 -, die
Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, die Fliegerische Akte und die
Gerichtsakte BVerwG 1 WB 13.12 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
13 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO
einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten
des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein
geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung
über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. z.B.
Beschlüsse vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - und vom 27. Juli 2011 - BVerwG 1 WB
21.11 - jeweils m.w.N.).
14 Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen
Auslagen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen.
15 1. Wie bereits in der gerichtlichen Verfügung vom 19. April 2012 ausgeführt, hat das
Personalamt mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. November 2011 dem
Sonderurlaubsgesuch des Antragstellers für den ursprünglich beantragten Zeitraum vom 1.
Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 uneingeschränkt entsprochen. Mit diesem Inhalt hat der
Bescheid als dienstliche Maßnahme den Antragsteller also nicht beschwert.
16 Sein Beschwerdevorbringen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
13. März 2012 zum Gegenstand des Antrags auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
gemacht. Bei sachgerechter Auslegung dieses Vorbringens hat der Antragsteller in erster Linie
die verzögerte Eröffnung des Ausgangsbescheids gerügt, die unstreitig erst nach Beginn des
bewilligten Beurlaubungszeitraums erfolgte und nach seinem Vorbringen zu
Gehaltsrückforderungen der Wehrbereichsverwaltung für Dezember 2011 sowie zu
Verzögerungen beim Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Hochschule B. geführt hat. Ob der
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die verzögerte Bekanntgabe des Bescheids des
Personalamts zulässig war, begegnet allerdings durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach
der Rechtsprechung des Senats betrifft die verzögerte Zustellung eines Bescheids die Art und
Weise der Verfahrensbehandlung durch eine Dienststelle der Bundeswehr; ihr fehlt die
Rechtsnatur einer anfechtbaren truppendienstlichen Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO
(vgl. z.B. Beschlüsse vom 22. Juli 1999 - BVerwG 1 WB 7, 9, 10.99 - und vom 23. Februar 2010 -
BVerwG 1 WB 34.09 -). Bei summarischer Prüfung ist nichts dafür ersichtlich, dass für die nicht
zustellungspflichtige Bekanntgabe eines Bescheids etwas anderes gelten könnte.
17 Die weitere Frage, ob dem Antragsteller wegen der verzögerten Bekanntgabe des Bescheids
ein Anspruch auf Schadlosstellung zusteht, ist bereits Gegenstand eines abgetrennten
Verfahrens, dessen Einleitung der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - im Rahmen
seiner Entscheidung über die Beschwerde veranlasst hat. Diese Frage begründete danach für
das vorliegende gerichtliche Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers mehr.
18 Insoweit hätte der Antrag auf gerichtliche Entscheidung also voraussichtlich als unzulässig
qualifiziert werden müssen.
19 2. Der nach Rechtshängigkeit des Verfahrens erst mit Schriftsatz vom 11. April 2012 gestellte
- eingeschränkte - Sachantrag des Antragstellers, den Bescheid des Personalamts vom 29.
November 2011 dahingehend zu ändern, dass ihm für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum
31. Mai 2012 Sonderurlaub bewilligt wird, betrifft einen neuen Streitgegenstand, nämlich, wie der
Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 18. Januar 2012 selbst einräumt, die „Abänderung“ des
bereits bewilligten Sonderurlaubszeitraums. Diesen Antrag hatte der Antragsteller allerdings
schon mit Schreiben vom 5. Januar 2012 (beim Personalamt eingegangen am 9. Januar 2012)
und mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. Januar 2012 (beim Personalamt
eingegangen am 19. Januar 2012) gestellt und in sein Beschwerdeverfahren einbezogen.
Hinsichtlich dieses Streitgegenstandes ist der Antragsteller auf Veranlassung des
Bundesministers der Verteidigung durch Bescheid des Personalamts vom 21. Mai 2012 klaglos
gestellt worden. Insoweit entspricht es nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B.
Beschlüsse vom 5. August 2010 - BVerwG 1 WDS-VR 3.10 - und vom 27. Juli 2011 - BVerwG 1
WB 21.11 -) der Billigkeit, die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Aufwendungen dem
Bund aufzuerlegen. Hier kam allerdings nur eine anteilige Belastung des Bundes mit den
notwendigen Aufwendungen in Betracht, weil - wie unter 1. dargelegt - das
Rechtsschutzbegehren des Antragstellers im Übrigen keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Dr. Frentz
Dr. Langer
Dr. Burmeister