Urteil des BVerwG vom 17.10.2012

BVerwG: Windenergieanlage, Außenbereich, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, Konzentrationswirkung, Nebenbestimmung, Genehmigungsvoraussetzung, Ermächtigungsgrundlage, Rückbaupflicht

BVerwG 4 C 5.11
Rechtsquellen:
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 18
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6, § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3
BImSchG § 6 Nr. 2, § 12 Abs. 1, § 13
Stichworte:
Windenergieanlage; Außenbereich; immissionsschutzrechtliche Genehmigung;
Konzentrationswirkung; Nebenbestimmung; Genehmigungsvoraussetzung;
Ermächtigungsgrundlage; Rückbaupflicht; Verpflichtungserklärung; Rückbaukosten; Baulast;
Sicherheitsleistung; - zu Gunsten der Bauaufsichtsbehörde; Liquiditätsrisiko;
Gesetzgebungskompetenz; Bodenrecht; Bauordnungsrecht; Landesrecht; konkurrierende
Gesetzgebung; Vorrangwirkung; Anwendungsvorrang.;
Leitsatz:
§ 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB macht die Erteilung einer Baugenehmigung für
Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB vom Erlass von Nebenbestimmungen zur
Sicherstellung der Pflicht zum Rückbau nach dauerhafter Aufgabe der privilegierten Nutzung
abhängig.
§ 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB schließt trotz Vorrangwirkung die Auferlegung einer
Sicherheitsleistung auf der Grundlage einer landesrechtlichen Vorschrift nicht aus.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 5.11
VG Halle - 27.10.2009 - AZ: VG 2 A 3/08
OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 12.05.2011 - AZ: OVG 2 L 239/09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Jannasch,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das am 20. Mai 2011 zugestellte Urteil des
Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Nebenbestimmungen, die einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer
Windenergieanlage beigefügt sind. Die der Klägerin erteilte Genehmigung vom 21. Dezember
2007 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 27. April 2011 enthält unter Nr. III.2.1.2, 2.1.3
und 2.1.4 die Nebenbestimmungen, dass die Klägerin vor Beginn der Bauarbeiten zur
Finanzierung der Rückbaukosten nach dauerhafter Nutzungsaufgabe der Windenergieanlage
eine Sicherheitsleistung in Höhe von 36 000 € je Megawatt in Form einer der in § 232 BGB
genannten Arten zu erbringen habe.
2 Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die Nebenbestimmungen wies das
Verwaltungsgericht als unbegründet ab. Die Berufung der Klägerin hat das
Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG könne die Genehmigung unter Bedingungen erteilt und mit
Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich sei, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG
genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Die Leistung einer
Rückbausicherheit diene der Sicherstellung der Erfüllung der in § 71 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BauO
LSA i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG enthaltenen Genehmigungsvoraussetzung. § 71 Abs. 3
Satz 2 BauO LSA sei von der Gesetzgebungskompetenz des Landes gedeckt. Die Vorschrift sei
dem Bauordnungsrecht zuzuordnen. Aus § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB ergebe sich keine
Sperrwirkung. § 71 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BauO LSA habe einen andersgearteten Regelungsgehalt
als die bodenrechtliche Regelung. Eine ungenutzte Anlage störe latent die Eigenart der
Landschaft. Die Bauaufsichtsbehörde werde im Regelfall eine Abrissanordnung nach § 79 BauO
LSA zu treffen haben, die sie im Wege der Ersatzvornahme durchsetzen dürfe. Diesen Weg
abzusichern, diene die Rückbausicherheit nach § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA. Die
Sicherheitsleistung sei ein geeignetes Sicherungsmittel; sie sei auch erforderlich. Die Klägerin
könne sich nicht darauf berufen, dass sie sich gegenüber dem Grundstückseigentümer bereits
verpflichtet habe, eine Sicherheitsleistung zu erbringen. Diese Sicherheit entfalte der
Bauaufsichtsbehörde gegenüber keine Bindungswirkung. Es sei auch nicht unverhältnismäßig,
die Leistung der Sicherheit bereits vor Betriebsbeginn mit der Erteilung der Genehmigung zu
fordern. Die Bemessung der Höhe der Sicherheit entspreche den Angaben des
Bundesverbandes Windenergie, nach denen die Kosten des Rückbaus von
Windenergieanlagen zwischen 30 000 € bei kleinen Anlagen und 60 000 € bei Anlagen mit einer
Größe von 2 Megawatt lägen.
3 Die Klägerin macht mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision geltend, die
Nebenbestimmungen ließen sich nicht auf § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA stützen. § 35 Abs. 5
Satz 3 BauGB sei eine abschließende bundesrechtliche Regelung, die einen Rückgriff auf § 71
Abs. 3 Satz 2 BauO LSA ausschließe. Nach § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB sei die Rückbaupflicht
durch Baulast oder in anderer Weise sicherzustellen. Im vorliegenden Fall sei eine Baulast
bestellt worden, so dass den Vorgaben des § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB Rechnung
getragen worden sei. Unabhängig davon sei die Anordnung jedenfalls unverhältnismäßig. In der
Praxis stelle der Rückbau von Windenergieanlagen kein Problem dar. Es sei nicht erforderlich,
eine Rückbausicherheit bereits bei Baubeginn zu verlangen. Die negativen volkswirtschaftlichen
Folgen durch Kapitalbindung würden nicht berücksichtigt. Es gäbe deutlich mildere Mittel wie
beispielsweise das Ansparmodell. Darüber hinaus sei die Berechnung der Höhe der
Sicherheitsleistung ungeeignet. Die Regelung verstoße gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung, weil lediglich die umweltfreundliche Windenergienutzung, nicht jedoch
andere, umweltschädliche Energieerzeugung wie z.B. Atom- oder Kohlekraftwerke mit einer
Rückbausicherheit belegt würden.
II
4 Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht in Einklang. Das
Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die
angefochtenen Nebenbestimmungen sind rechtmäßig.
5 A. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Die Nebenbestimmungen Nr.
III.2.1.2, 2.1.3 und 2.1.4 sind selbständig anfechtbar. Ob eine Nebenbestimmung isoliert
aufgehoben werden, die Genehmigung also ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und
rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der
Zulässigkeit des mit der Anfechtungsklage verfolgten Aufhebungsbegehrens, sofern nicht eine
isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (Urteile vom 12. März 1982 -
BVerwG 8 C 23.80 - BVerwGE 65, 139 <140>, vom 7. September 1984 - BVerwG 8 C 48.83 -
Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 11 S. 35, vom 19. Januar 1989 - BVerwG 7 C 31.87 - BVerwGE
81, 185 <186> und vom 22. November 2000 - BVerwG 11 C 2.00 - BVerwGE 112, 221 <224>;
Beschluss vom 16. August 1995 - BVerwG 1 B 25.95 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 9). Die
Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Pflicht zum Rückbau einer
Windenergieanlage nach dauerhafter Aufgabe der Nutzung sowie die hieran anknüpfende
Bedingung, eine Sicherheit zu leisten, einen anderen Regelungsgegenstand als die Errichtung
und der Betrieb der Anlage betrifft und davon zeitlich, begrifflich und inhaltlich klar
unterscheidbar ist, lässt einen Verstoß gegen Bundesrecht nicht erkennen.
6 B. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Erteilung einer Genehmigung nach
dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für die Errichtung und den Betrieb einer
Windenergieanlage unter der aufschiebenden Bedingung der Leistung einer Rückbausicherheit
zulässig ist und ungeachtet der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB auf die
landesrechtliche Regelung des § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA gestützt werden kann, ist
bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
7 1. Rechtsgrundlage für die Nebenbestimmung ist § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Danach kann
der Genehmigung einer Anlage i.S.d. § 4 BImSchG, zu der nach Nr. 1.6 der Spalte 2 der 4.
BImSchV die Errichtung einer Windenergieanlage gehört, eine Nebenbestimmung beigefügt
werden, wenn diese erforderlich ist, um die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 BImSchG
sicherzustellen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn andere
öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht
entgegenstehen. Die Vorschrift verweist damit u.a. auf die Bestimmungen des Städtebau- und
des Bauordnungsrechts, deren Einhaltung die für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung zuständige Behörde aufgrund der Konzentrationswirkung gemäß § 13 BImSchG
sicherzustellen hat.
8 Nach der auf der Auslegung von Landesrecht beruhenden und damit bindenden (§§ 137 Abs.
2, 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO) Auffassung des Oberverwaltungsgerichts dienen die
Nebenbestimmungen der Sicherstellung der in § 71 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BauO LSA enthaltenen
Genehmigungsvoraussetzung. Dass das Oberverwaltungsgericht als öffentlich-rechtliche
Vorschrift i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die landesrechtliche Regelung des § 71 Abs. 3 Satz 2
BauO LSA herangezogen hat, steht nicht im Widerspruch zu Bundesrecht. Der Gesetzgeber hat
zwar mit der durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) 2004 eingeführten
Vorschrift des § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB eine bundesrechtliche Rechtsgrundlage
für die Bestellung einer Rückbausicherheit geschaffen. Die Regelung beansprucht
bundeseinheitliche Geltung und entfaltet Vorrangwirkung. Sie steht aber der Anwendbarkeit
einer landesrechtlichen Vorschrift, die als Genehmigungsvoraussetzung die Bestellung einer
Sicherheitsleistung zur Sicherstellung einer bauaufsichtlichen Rückbaupflicht verlangt, nicht
generell entgegen.
9 2. § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB macht die Erteilung einer Baugenehmigung für Vorhaben
nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 vom Erlass von Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Pflicht
zum Rückbau nach dauerhafter Aufgabe der privilegierten Nutzung abhängig. Es handelt sich
um eine eigenständige bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage.
10 2.1 § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB bestimmt, dass für Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6, zu
denen nach Nr. 5 Vorhaben zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Windenergie
gehören, als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben ist,
das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und
Bodenversiegelungen zu beseitigen. Das Anerkenntnis der Rückbaupflicht in Gestalt einer
Verpflichtungserklärung ist konstitutiv für die Genehmigungserteilung. Begründet werden damit
präventiv Nachsorgepflichten (vgl. dazu auch Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 7 C 44.07 -
BVerwGE 131, 11 Rn. 27).
11 Die Verpflichtungserklärung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist kein vollstreckbarer Titel.
Anders als das Anerkenntnis nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB kommt ihr auch keine dingliche
Wirkung zu. Sie bewirkt zunächst nur, dass sich der Pflichtige, wenn er der Pflicht zum Rückbau
nicht nachkommt, nach Treu und Glauben (Verbot des widersprüchlichen Verhaltens) nicht mit
Erfolg gegen eine Beseitigungsanordnung wenden kann (vgl. auch Urteil vom 18. April 1996 -
BVerwG 4 C 22.94 - BVerwGE 101, 58 <63>). Daran knüpft § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB an.
Danach „soll“ die Baugenehmigungsbehörde durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast
oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 „sicherstellen“. Die
Genehmigungsbehörde wird damit bundesrechtlich verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen
bei Erteilung der Genehmigung die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Rückbau, zu
dem sich der Vorhabenträger nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB verpflichtet hat, nach dauerhafter
Nutzungsaufgabe auch auf seine Kosten durchgesetzt werden wird.
12 Die Vorschrift hat nicht lediglich „bundesrechtlich“ klarstellende Bedeutung (a.A. Berkemann,
in: Berkemann/Halama, Erstkommentierungen zum BauGB 2004, § 35 Rn. 134; Jäde, in:
Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 6. Aufl. 2010, § 35 Rn. 167). Mit § 35 Abs. 5 Satz 2
i.V.m. Satz 3 BauGB hat der Gesetzgeber vielmehr eine eigene bundesrechtliche
Ermächtigungsgrundlage dafür geschaffen, dass eine Baugenehmigung unter den genannten
Voraussetzungen in zulässiger Weise mit Nebenbestimmungen zur Gewährleistung des
Rückbaus nach dauerhafter Nutzungsaufgabe des Vorhabens verbunden werden darf. Die
Regelung ist abzugrenzen von landesrechtlichen Maßnahmen zur Sicherung der
bauaufsichtsrechtlichen Pflicht zum Rückbau eines Vorhabens nach dauerhafter
Nutzungsaufgabe (vgl. auch Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand
Juni 2012, § 35 Rn. 165a). Sie ist nicht auf eine „Verzahnung“ mit dem Bauordnungsrecht
angelegt (so aber: Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 35 Rn.
125a). Die Vorschrift ist nach Tatbestand und Rechtsfolge hinreichend bestimmt und gilt
unabhängig davon, ob sich in der Bauordnung eines Landes eine Vorschrift findet, die -
ausdrücklich oder sinngemäß wie § 67 Abs. 3 Satz 3 BbgBO; § 72 Abs. 3 Satz 2 SächsBO und §
70 Abs. 3 Satz 2 ThürBO - auf § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB Bezug nimmt.
13 Dass der Gesetzgeber mit § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB eine eigene
bundesrechtliche Rechtsgrundlage schaffen wollte, die zum Erlass von Nebenbestimmungen zur
Einhaltung der Rückbaupflicht ermächtigt und damit auch die Auferlegung einer
Sicherheitsleistung rechtfertigt, ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien, in denen auf das
„Verursacherprinzip“ und die Notwendigkeit, angesichts der zunehmenden Inanspruchnahme
des Außenbereichs die Einhaltung der Rückbaupflicht „sicherzustellen“, verwiesen wird
(BTDrucks 15/2250 S. 56). Dem steht nicht entgegen, dass sich im Gesetzestext die
Formulierung „nach Landesrecht“ findet. Bei diesem Verweis handelt es sich nur um einen
erläuternden Zusatz, der sich auf den Begriff „Baulast“ bezieht und deutlich macht, dass es
Länder wie Bayern und Brandenburg gibt, die das Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen
Baulast nicht kennen. Sinn und Zweck der Regelung bestätigen, dass der Gesetzgeber mit § 35
Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB eine eigene bauplanungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage
geschaffen hat. Der Gesetzgeber bringt mit der Regelung zum Ausdruck, dass es zum Schutz
des Außenbereichs nicht ausreichend ist, dass nach dauerhafter Nutzungsaufgabe aufgrund des
baurechtswidrigen Zustands grundsätzlich eine bauordnungsrechtliche Pflicht zur Beseitigung
des Vorhabens besteht, weil - wie in den Gesetzgebungsmaterialien ausgeführt wird - die Frage,
ob die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung einer solchen Anlage verlangen darf, von weiteren
Voraussetzungen abhänge (BTDrucks 15/2250 S. 94). Das „Baurecht auf Zeit“ (vgl. Urteil vom
16. Dezember 2004 - BVerwG 4 C 7.04 - BVerwGE 122, 308 <310>) verlangt nach verbindlichen
Sicherungen.
14 2.2 Die Ermächtigung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB umfasst alle Maßnahmen,
die geeignet sind, die Einhaltung der Verpflichtungserklärung sicherzustellen, und damit -
entgegen der Auffassung der Klägerin - auch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung als
Maßnahme zur finanziellen Absicherung eines möglichen Liquiditätsrisikos.
15 Die Bestellung einer Baulast schließt die Anordnung „anderer“ geeigneter Maßnahmen nicht
aus. Der Wortlaut „durch ... Baulast oder in anderer Weise“ ist nicht als Alternative zu verstehen,
mit der die Bandbreite möglicher Maßnahmen zur Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2
eingeschränkt wird. Mit dieser Auslegung wird die Wortlautgrenze - entgegen der Auffassung der
Klägerin - nicht contra legem überschritten. Der Klägerin ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber
die Regelung hätte klarer fassen können. Die Formulierung ist indes dem gesetzestechnischen
Umstand geschuldet, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3
BauGB an den vorhandenen Gesetzestext, der auf Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g verweist,
angeknüpft und sich darauf beschränkt hat, die Anwendbarkeit des Satzes 3 auf die
Fallkonstellation der Rückbaupflicht allein durch Einfügung der Wörter „nach Satz 2 sowie“
deutlich zu machen. Auch die Gesetzgebungsgeschichte belegt, dass die Baulast, mit der auch
bauplanungsrechtliche Genehmigungsvoraussetzungen sichergestellt werden können
(Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 4 B 216.87 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht
Nr. 24), lediglich beispielhaft als eine geeignete Maßnahme zur dinglichen Sicherung genannt
wird: § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB, der mit dem Bau- und Raumordnungsgesetz - BauROG 1998
eingeführt wurde, entspricht ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien „sprachlich vereinfacht
und angepasst an die Streichung ...“ dem früheren Absatz 6 des § 35 BauGB (BTDrucks 13/6392
S. 11, 59), der seinerseits nach Art einer Generalklausel die allgemein gehaltene Formulierung
„in geeigneter Weise“ enthielt. Eine inhaltliche Änderung hat der Gesetzgeber mit der
Neufassung in Satz 3 ausdrücklich nicht bezweckt. Sinn und Zweck der Regelung bestätigen,
dass sich § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB nicht in der Verpflichtung der Baugenehmigungsbehörde
erschöpft, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass über die Berechtigung der
Rückbaupflicht nicht mehr gestritten wird. Eine Absicherung des finanziellen Risikos bei Ausfall
des Pflichtigen lässt sich mit einer Baulast oder in Ländern, die das Rechtsinstitut der Baulast
nicht kennen, durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit nicht bewirken. Dem Gesetzgeber ging
es indes gerade um die Absicherung der Kosten des Rückbaus, zu dem sich der Vorhabenträger
nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB verpflichten muss, will er die beantragte Baugenehmigung
erhalten. Das Liquiditätsrisiko wird zwar in den Gesetzgebungsmaterialien nicht ausdrücklich
genannt. Mit der Betonung des Verursacherprinzips hat der Gesetzgeber jedoch deutlich
gemacht, dass die Kostentragung durch den Vorhabenträger bzw. seinen Rechtsnachfolger
durch geeignete Maßnahmen, die mit der Baugenehmigung zu verbinden sind, sichergestellt
sein muss. Dazu gehört auch die Absicherung des Liquiditätsrisikos. Nach dem
gesetzgeberischen Regelungszweck soll die Durchsetzung der Rückbaupflicht nicht daran
scheitern, dass von einer Vollstreckung abgesehen wird, weil keine ausreichenden öffentlichen
Mittel für eine Ersatzvornahme zur Verfügung stehen. Dass der Gesetzgeber die Auferlegung
einer Sicherheitsleistung als eine von § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB gedeckte
Maßnahme erachtet, belegt auch der EAG Bau-Mustererlass vom 12. Juli 2004, der unter Nr.
4.3.1.5 als Beispiele für die Sicherstellung in anderer Weise z.B. die Grunddienstbarkeit oder
Sicherheitsleistung anführt.
16 3. Gegen § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB bestehen keine verfassungsrechtlichen
Bedenken. Der Bund hat seine Regelungskompetenz nicht überschritten. Die Vorschrift erweist
sich mit dem dargelegten Inhalt auch im Übrigen als verfassungsgemäß.
17 3.1 Die Regelung des § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB ist von der
Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Bodenrecht i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG
gedeckt. Zur Materie „Bodenrecht“ i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG gehören solche Vorschriften,
die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben, also die rechtlichen
Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln (BVerfG, Gutachten vom 16. Juni
1954 - 1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 <424>). Hierzu zählt das Bauplanungsrecht, nicht aber das
Bauordnungsrecht. Maßgeblich für die Abgrenzung von Bauplanungs- und Bauordnungsrecht ist
die gesetzgeberische Zielsetzung, nicht der Regelungsgegenstand. Regelungen des
Bauplanungsrechts sind gekennzeichnet durch einen flächenbezogenen Regelungsinhalt, der
die Nutzung von Grund und Boden betrifft (Urteil vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 4 C 8.06 -
BVerwGE 129, 318 Rn. 15, 26). Sie dienen dazu, konkurrierende Bodennutzungen und
Bodenfunktionen zu koordinieren und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Rechtlicher
Anknüpfungspunkt ist die Inanspruchnahme von Grund und Boden.
18 Eine Verletzung der Bundeszuständigkeit für das Bodenrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG
liegt nicht schon dann vor, wenn eine bauordnungsrechtliche Vorschrift in der konkreten
Rechtsanwendung zu Ergebnissen führt, die im Einzelfall auch auf der Grundlage von § 35 Abs.
5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB erzielt werden können (vgl. auch Urteil vom 11. Oktober 2007
a.a.O. Rn. 27). Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB können je nach der gesetzgeberischen Zielsetzung
sowohl einer bauplanungsrechtlichen als auch einer bauordnungsrechtlichen Regelung
zugänglich sein (Urteil vom 11. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 13). Maßgeblich ist der konkrete
Regelungszweck.
19 Die Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB ist bauplanungsrechtlicher Natur.
Sie dient dem Schutz des Außenbereichs. Anlass für die Regelung war der Umstand, dass im
Zuge der Förderung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien der
Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 BauGB erweitert worden ist und die Anzahl der
danach errichteten Anlagen wie z.B. Windkraftanlagen im Außenbereich spürbar zugenommen
hat. Diese Anlagen sollen, wenn sie nicht mehr dauerhaft genutzt, d.h. aufgegeben werden, nicht
mehr den Außenbereich beeinträchtigen (BTDrucks 15/2250 S. 56) und deswegen verlässlich
auf Kosten des Verursachers beseitigt werden. Ziel der Regelung ist es, nach dem den § 35
BauGB insgesamt prägenden Leitgedanken der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs
(vgl. dazu nur Urteil vom 19. Juni 1991 - BVerwG 4 C 11.89 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr.
273) Beeinträchtigungen der Landschaft durch endgültig aufgegebene Anlagen effektiv und
konsequent zu verhindern. Anders als bei einer bauordnungsrechtlichen Beseitigungsanordnung
zielt § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB nicht auf baupolizeiliche Gefahrenabwehr, die im
Ermessen der Bauaufsichtsbehörde steht. Die Rückbaupflicht soll vielmehr aus städtebaulichen
Gründen präventiv gesichert werden. Das entspricht dem Anliegen der Bodenschutzklausel.
20 3.2 Die Regelung - insbesondere mit dem Inhalt, eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen -
erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als verfassungswidrig.
21 Dass § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB nur für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6
BauGB gilt, begründet entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Verstoß gegen den
Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Die unterschiedliche Behandlung ist bereits
deswegen gerechtfertigt, weil - wie der Gesetzgeber als Anlass für die Regelung festgestellt hat -
die Zahl der Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB im Außenbereich erheblich
zugenommen hat; die privilegierte Zulassung solcher Vorhaben hat sich inzwischen zu einem
Massenphänomen entwickelt. Das besondere Kostenrisiko der öffentlichen Hand liegt hier in der
Vielzahl der Anlagen und in dem Umstand begründet, dass die Wiederherstellung der
natürlichen Gegebenheiten des Außenbereichs nicht davon abhängen kann, ob die öffentliche
Hand über hinreichende Mittel verfügt, um den Rückbau im Wege der Ersatzvornahme
durchzusetzen.
22 Die Regelung verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Es handelt sich um eine den Inhalt und
die Schranken des Eigentums bestimmende Vorschrift im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
Bei derartigen Regelungen muss der Gesetzgeber sowohl der grundgesetzlichen Anerkennung
des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als auch dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2
GG in gleicher Weise Rechnung tragen. Er hat dabei die schutzwürdigen Interessen der
Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.
Eigentumsbindungen müssen deshalb stets verhältnismäßig sein (vgl. nur Urteil vom 21.
November 1996 - BVerwG 4 C 33.94 - BVerwGE 102, 260 <267>).
23 § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB stellt einen verhältnismäßigen Interessenausgleich
dar. Dem Gesetzgeber steht bei der Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine
Nutzung des Außenbereichs zulässig sein soll, ein weiter Einschätzungs- und
Gestaltungsspielraum zu. Der Schutz des Außenbereichs, dem ein hoher Stellenwert zukommt,
ist ein legitimer Zweck, der im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Diesem Zweck dient die
Auferlegung einer Sicherheitsleistung unabhängig davon, ob Anzeichen für ein Liquiditätsrisiko
vorliegen. Die Erforderlichkeit der Maßnahme hängt nicht von einem konkreten Anlass ab. Es
entspricht dem Wesen der Sicherheitsleistung, dass sie zukunftsgerichtet wirkt. Könnte eine
Sicherheitsleistung erst dann verlangt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine
Liquiditätsschwäche des Vorhabenträgers bzw. seines Rechtsnachfolgers bestünden, könnte die
Anordnung regelmäßig erst ergehen, wenn er im Hinblick auf seine angespannte wirtschaftliche
Lage nicht mehr kreditwürdig und daher außerstande wäre, die Sicherheitsleistung zu erbringen
(vgl. auch Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 7 C 44.07 - BVerwGE 131, 11 Rn. 29 und 33).
Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass es sich angesichts der Vielzahl der
Anlagen um ein Massenphänomen handelt und sich die Gefahr des Ausfalls des Pflichtigen und
damit das Liquiditätsrisiko nicht lediglich im überschaubaren Einzelfall realisieren würde.
24 Es ist nicht zu erkennen, dass die Auferlegung einer Sicherheitsleistung prohibitiv wirkt (vgl.
dazu auch BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 1987 - 1 BvR 995/86 - ZfB 1988, 80). Zwar bindet
eine Sicherheitsleistung - wie die Klägerin geltend macht - Kapital zu einem Zeitpunkt, zu dem
sich der Vorhabenträger mit nicht unerheblichen Investitionskosten belastet sieht und sich die
Anlage wirtschaftlich noch nicht amortisiert hat. Dass sich ein Vorhabenträger allein wegen der
finanziellen Zusatzbelastung, die die Bestellung einer Sicherheitsleistung mit sich bringt, von der
Verwirklichung des Vorhabens abhalten ließe, erscheint indes fernliegend, da die
Sicherheitsleistung, die ihrerseits der Höhe nach verhältnismäßig sein muss, einen
vergleichsweise geringen Anteil der Gesamtkosten ausmacht. Entgegen der Auffassung der
Klägerin ist das von ihr als milderes Mittel favorisierte Ansparmodell, bei dem die Rücklage
durch (jährliche) Aufstockung während der Laufzeit der Anlage gebildet wird, keine geeignete
Alternative. Denn eine Sicherheitsleistung muss auch dann bereitstehen, wenn entgegen der
Wirtschaftlichkeitsberechnung und dem Abschreibungszeitpunkt bereits zu einem früheren
Zeitpunkt die Nutzung - aus welchen Gründen auch immer - dauerhaft eingestellt wird. Soweit
die Klägerin einwendet, es seien keine Fälle bekannt, in denen Windenergieanlagen nach
Stilllegung nicht zurückgebaut worden seien, beachtet sie nicht, dass dem Gesetzgeber ein
weiter Einschätzungsspielraum im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Regelung zusteht.
Insbesondere bedarf es keines empirischen Nachweises, in welchem Umfang sich ein
Liquiditätsrisiko zu Lasten der öffentlichen Hand in der Vergangenheit realisiert hat. Angesichts
der erheblichen Beanspruchung des Außenbereichs durch die Vielzahl von Vorhaben im Sinne
des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB erscheint die Annahme des Gesetzgebers, es könnten in
Zukunft vermehrt Fälle auftreten, in denen bei Durchsetzung der Rückbaupflicht ein
Liquiditätsrisiko droht, jedenfalls plausibel.
25 4. § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB entfaltet grundsätzlich Vorrangwirkung gegenüber
Landesrecht. Dieser Anwendungsvorrang schließt aber die Auferlegung einer
Sicherheitsleistung auf der Grundlage einer landesrechtlichen Vorschrift nicht aus.
26 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur
Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht
durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Eine bundesgesetzliche Regelung hat
für die Gesetzgebung der Länder dann eine Sperrwirkung zur Folge, wenn und soweit sie die
betreffende Materie erschöpfend regelt. Von einer erschöpfenden und abschließenden Regelung
ist auch dann auszugehen, wenn der Sache nach ergänzende Regelungen zwar möglich, nach
dem erkennbaren Regelungswillen aber ausgeschlossen sein sollen (BVerfG, Beschluss vom 9.
Februar 1972 - 1 BvR 111/68 - BVerfGE 32, 319 <327>). Auch bei umfassender Regelung eines
Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund sind
landesrechtliche Regelungen aber insoweit zulässig, als das Bundesrecht Vorbehalte zu
Gunsten der Landesgesetzgebung enthält (Urteil vom 7. Juni 1996 - BVerwG 8 C 23.94 -
BVerwGE 101, 211 <213>; BVerfGE 20, 238 <251>). Ob dies der Fall ist, muss einer
Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (Urteil vom 14.
November 2002 - BVerwG 5 C 37.01 - BVerwGE 117, 172 <176> unter Bezugnahme auf
BVerfGE 7, 342 <347>; 49, 343 <358>; 67, 299 <324>).
27 4.1 Den Anwendungsvorrang, der § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB zukommt, hat der
Bundesgesetzgeber selbst eingeschränkt. Das ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien.
Mit Blick darauf, dass es bauordnungsrechtliche Regelungen nach Landesrecht gibt, die zum
Erlass von Maßnahmen zur Durchsetzung der Beseitigungspflicht nach Nutzungsaufgabe
ermächtigen, ist dort ausdrücklich festgehalten, dass die „vorgeschlagene Verpflichtung zum
Rückbau sonstige Verpflichtungen auf Grund anderer Regelungen unberührt lässt“ (BTDrucks
15/2250 S. 94). Damit hat der Bundesgesetzgeber dem Landesgesetzgeber („soweit“) Raum
gelassen für landesrechtliche Vorschriften, die die Bauaufsichtsbehörde aus Gründen der
Gefahrenabwehr zur Auferlegung einer Rückbausicherheit ermächtigen.
28 4.2 Die Einschränkung des Anwendungsvorrangs steht jedoch nach Sinn und Zweck des §
35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB unter dem Vorbehalt, dass die bundesrechtlichen
Vorgaben zur Sicherstellung der aus bauplanungsrechtlichen Gründen normierten
Rückbaupflicht beachtet werden. Mit § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB werden
Mindestanforderungen normiert, um zum Schutz des Außenbereichs bundeseinheitlich zu
gewährleisten, dass ungenutzte Anlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB nach
dauerhafter Nutzungsaufgabe verlässlich zurückgebaut werden. Deswegen hat der Gesetzgeber
die Pflicht zum Rückbau und die Sicherstellung dieser Pflicht zur zwingenden
Genehmigungsvoraussetzung erhoben. Die Anordnung von Maßnahmen zur Einhaltung der
Verpflichtung nach Absatz 5 Satz 2 ist nicht in das freie Ermessen der
Baugenehmigungsbehörde gestellt; die Baugenehmigung ist in der Regel („soll“) mit
Nebenbestimmungen zur Einhaltung der Rückbaupflicht zu versehen. Dazu gehört auch die
Auferlegung einer Sicherheitsleistung, es sei denn, es liegen besondere Umstände des
Einzelfalls vor, die eine Ausnahme rechtfertigen. Diese Vorgaben muss die
Baugenehmigungsbehörde bei Erteilung der Genehmigung beachten. Der Spielraum, den der
Bund dem Landesgesetzgeber belassen hat, steht mithin unter dem Vorbehalt, dass diesen
Vorgaben Rechnung getragen wird. Unter dieser Voraussetzung bleiben landesrechtliche
Regelungen, die der Sache nach - auf anderer Rechtsgrundlage - zur Beachtung der
zwingenden Vorgaben des § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB führen, vom
bundesrechtlichen Anwendungsvorrang unberührt.
29 5. § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA steht nicht im Widerspruch zur Vorrangwirkung des § 35 Abs.
5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB. Auf der Grundlage der für die Auslegung des Landesrechts
maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts lässt sich feststellen, dass die
landesrechtliche Vorschrift die Einhaltung der bundesrechtlichen Mindestanforderungen
gewährleistet.
30 5.1 Wie bereits dargelegt, ist die Einhaltung der Rückbaupflicht nach § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m.
Satz 3 BauGB grundsätzlich auch dann durch Auferlegung einer Sicherheitsleistung
sicherzustellen, wenn eine öffentlich-rechtliche Baulast bestellt worden ist. Davon ist auch das
Oberverwaltungsgericht bei Anwendung des § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA ausgegangen, weil -
wie im Berufungsurteil zu Recht ausgeführt wird - die der Beklagten eingeräumte Baulast das
Kostenrisiko für eine mögliche Ersatzvornahme nicht absichert. Ebenso wenig ist die Erwägung
des Oberverwaltungsgerichts, es sei unerheblich, dass sich die Klägerin gegenüber dem
Grundstückseigentümer bereits verpflichtet habe, eine Sicherheitsleistung zu erbringen, weil
diese Sicherheit der Bauaufsichtsbehörde gegenüber keine Bindungswirkung entfalte und sie im
Falle einer Ersatzvornahme darauf keinen Zugriff nehmen könne, bundesrechtlich zu
beanstanden. Bundesrecht verlangt eine verlässliche Sicherung gegenüber der zuständigen
Behörde. Privatrechtliche Vereinbarungen, die keinen behördlichen Zugriff auf die
Sicherheitsleistung eröffnen, haben außer Betracht zu bleiben.
31 5.2 Bundesrechtlich bestehen auch keine Bedenken, dass § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA
nach der für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindenden Rechtsauffassung des
Oberverwaltungsgerichts die Auferlegung der Sicherheitsleistung zu Gunsten der
Bauaufsichtsbehörde verlangt.
32 Wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist „Baugenehmigungsbehörde“
i.S.d. § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB aufgrund der Genehmigungsbedürftigkeit nach
dem Bundes-Immissionsschutzgesetz die immissionsschutzrechtlich zuständige
Genehmigungsbehörde; sie tritt an die Stelle der Baugenehmigungsbehörde, der gegenüber die
Verpflichtungserklärung nach Satz 2 abzugeben ist. Das ergibt sich aus der
Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG. Bundesrecht trifft aber keine Aussage darüber, zu
Gunsten welcher Behörde die angeordnete Sicherheitsleistung zu bestellen ist. Die
Konzentrationswirkung bezieht sich auf das Genehmigungsverfahren. Die Befugnis der
Genehmigungsbehörde zur Sicherstellung der (bundesrechtlichen) Rückbaupflicht ist von der
Frage der Durchsetzung zu unterscheiden. Die Genehmigungsbehörde muss zwar bestimmen,
zu Gunsten welcher Behörde die Sicherheitsleistung zu bestellen ist und welcher Behörde der
Nachweis der Bestellung vorzulegen ist. Sie ist aber bundesrechtlich nicht verpflichtet
anzuordnen, dass die Sicherheitsleistung zu ihren Gunsten zu bestellen ist. Sie kann im Fall der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht auch auf die für den Baurechtsvollzug
zuständige Bauaufsichtsbehörde verweisen. Bundesrechtlich unzulässig wäre nur die
Anordnung, eine Sicherheitsleistung sowohl zu Gunsten der Genehmigungsbehörde als auch zu
Gunsten einer mit ihr nicht identischen Aufsichtsbehörde zu bestellen. Ein solcher Fall liegt hier
nicht vor. Soweit in den Nebenbestimmungen Nr. 2.1.2 und 2.1.4 sowohl von der „zuständigen
Bauaufsichtsbehörde“ als auch von der „Genehmigungsbehörde“ die Rede ist, hat der Beklagte
in der mündlichen Verhandlung zur Klarstellung eine Erklärung zu Protokoll gegeben, dass
damit ein und dieselbe Behörde, nämlich - wie vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegt -
die zuständige Bauaufsichtsbehörde gemeint sei.
33 6. Die Auferlegung der Sicherheitsleistung begegnet auch im konkreten Fall keinen
bundesrechtlichen Bedenken.
34 Die Höhe der geforderten Sicherheit ist nicht unverhältnismäßig; auch insoweit ist eine
erdrosselnde Wirkung nicht festzustellen. Bundesrecht erlaubt eine Pauschalierung der Kosten.
Maßgeblich ist, ob die Kostenschätzung auf einer geeigneten Grundlage beruht und die daran
anknüpfende Pauschalierung sachlich nachvollziehbar ist. Davon geht auch das
Oberverwaltungsgericht bei Anwendung des § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA aus. Nach den
Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Beklagte die Höhe der Sicherheit unter
Zugrundelegung der Hinweise des Ministeriums für Bau und Verkehr des Landes Sachsen-
Anhalt vom 21. Juni 2005 berechnet, wonach zur Vereinfachung als Anhaltspunkt von Kosten für
den vollständigen Rückbau einer Windenergieanlage von zurzeit ca. 30 000 € pro Megawatt
installierte elektrische Leistung ausgegangen werden könne. Dieser Betrag entspricht - wie das
Oberverwaltungsgericht festgestellt hat - den von der Bundesregierung anlässlich der
Beantwortung einer Kleinen Anfrage referierten Angaben des Bundesverbandes Windenergie,
wonach die Kosten des Rückbaus von Windenergieanlagen zwischen 30 000 € bei kleinen
Anlagen und 60 000 € bei Anlagen mit einer Größe von 2 Megawatt liegen (BTDrucks 15/1417
S. 2). Zugrunde gelegt werden mithin aussagekräftige Erkenntnismittel zu den voraussichtlichen
Kosten eines Rückbaus. Unabhängig davon hat das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher
Hinsicht bindend festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten für den Rückbau der
hier strittigen Windenergieanlage niedriger sein könnten als vom Beklagten beziffert, weder
vorgetragen noch ersichtlich seien.
35 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Jannasch
Dr. Bumke
Petz