Urteil des BVerwG vom 18.10.2005

Verfügung, Sitz im Ausland, Aufschiebende Wirkung, Vollziehung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 VR 5.05 (6 A 4.05)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Oktober 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
V o r m e i e r und Dr. B i e r
beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin zu 1
gegen die Verfügung des Bundesministeriums des Innern
vom 30. August 2005 wird wiederhergestellt, soweit in der ge-
nannten Verfügung die sofortige Vollziehung angeordnet wor-
den ist.
Der Antrag der Antragsteller zu 2 bis zu 5 wird abgelehnt.
Die Antragsteller zu 2 bis zu 5 und die Antragsgegnerin tragen
jeweils 1/5 der Gerichtskosten des Verfahrens. Die Antrags-
gegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin
zu 1. Die übrigen Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen
Kosten jeweils selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren auf
12 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin zu 1 gibt u.a. eine Tageszeitung heraus. Der An-
tragsteller zu 2 ist Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1. Bei den Antragstellern zu
3 und zu 4 handelt es sich um Gesellschafter der Antragstellerin zu 1, bei dem An-
tragsteller zu 5 um den verantwortlichen Redakteur der von der Antragstellerin zu 1
herausgegebenen Zeitung.
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Das Bundesministerium des Innern stellte mit Verfügung vom 30. August
2005 fest, dass die Tätigkeit der Antragstellerin zu 1 Strafgesetzen zuwiderlaufe, die
aus Gründen des Staatsschutzes erlassen worden seien. Die Antragstellerin zu 1
wurde verboten und aufgelöst. Die Verwendung von Kennzeichen der Antragstellerin
zu 1 wurde ebenso verboten wie die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fort-
führung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen. Das Vermögen der
Antragstellerin zu 1 sowie bestimmte Sachen und Forderungen Dritter wurden be-
schlagnahmt und zugunsten der Bundesrepublik Deutschland eingezogen. Die sofor-
tige Vollziehung dieser Maßnahmen mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen
wurde angeordnet.
Die Antragsteller haben am 22. September 2005 Klage gegen die Verfü-
gung vom 30. August 2005 erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung der Klage beantragt. Die Antragsgegnerin ist der Klage und dem Antrag
entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ge-
richts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin zu 1 hat Erfolg (1.), derjenige der An-
tragsteller zu 2 bis zu 5 ist hingegen abzulehnen (2.).
1. Dem Begehren der Antragstellerin zu 1 auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes ist stattzugeben.
Der Antrag ist dahin auszulegen (§ 88 VwGO), dass die Wiederherstel-
lung der aufschiebenden Wirkung der Klage insoweit erstrebt wird, als in der Verfü-
gung vom 30. August 2005 ihre sofortige Vollziehung angeordnet worden ist. Dieses
Begehren ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuläs-
sig. Es ist auch begründet, weil das von der Antragsgegnerin angenommene öffentli-
che Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung nicht das Interesse
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der Antragstellerin zu 1 an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Ein öffent-
liches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht hier nicht, weil die von der An-
tragstellerin zu 1 erhobene Klage voraussichtlich Erfolg hat (vgl. Beschluss vom
20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 Nr. 24 S. 71 m.w.N.). Nach
der hier gebotenen summarischen Prüfung erweisen sich das Verbot der Antragstel-
lerin zu 1 und ihre Auflösung als rechtswidrig, so dass die Klage auch mit Blick auf
die in der angefochtenen Verfügung getroffenen Nebenentscheidungen voraussicht-
lich begründet ist.
Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen u.a. dann verboten, wenn
deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Ein Verein darf
nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts
(Vereinsgesetz) - VereinsG – vom 5. August 1964 (BGBl. S. 593), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 22. August 2002 (BGBl. S. 3390), u.a. dann als verboten behan-
delt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde das Vorliegen der Voraus-
setzungen eines Verbotsgrundes festgestellt ist; in der Verfügung ist die Auflösung
des Vereins anzuordnen. In der angefochtenen Verfügung wird angenommen, dass
auf die Antragstellerin zu 1 § 17 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative VereinsG Anwendung
findet. Danach sind die Vorschriften des Vereinsgesetzes auf Gesellschaften mit be-
schränkter Haftung anzuwenden, wenn ihre Zwecke oder ihre Tätigkeit Strafgesetzen
zuwiderlaufen, die aus Gründen des Staatsschutzes erlassen sind. Die angefochtene
Verfügung ist darauf gestützt, dass die Tätigkeit der Antragstellerin zu 1 § 20 Abs. 1
Nr. 4 2. Alternative VereinsG zuwiderlaufe. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative
VereinsG wird derjenige bestraft, der im räumlichen Geltungsbereich des
Vereinsgesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit einem vollziehbaren Verbot
nach § 18 Satz 2 VereinsG zuwiderhandelt. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung,
die Antragstellerin zu 1 handele dem mit bestandskräftiger Verfügung vom
22. November 1993 gegenüber der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und der "Nati-
onalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) nach § 18 Satz 2 VereinsG ausgespro-
chenen Verbot zuwider, sich im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes zu betätigen.
Da die Antragsgegnerin das ihr bei Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung ob-
liegende Ermessen auf der Grundlage dieser Erwägungen ausgeübt hat, kommt es
für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung darauf an, ob die Annahme
zutrifft, dass die Voraussetzungen eines Verbots nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17
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Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative und § 20 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative VereinsG gegeben
sind. Das ist nicht der Fall. § 20 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative VereinsG ist nicht zu ent-
nehmen, dass er aus "Gründen des Staatsschutzes" erlassen ist.
§ 17 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative VereinsG verlangt, dass die in der Be-
stimmung angesprochenen Strafvorschriften in der Absicht erlassen sind, dem Staat
strafrechtlichen Schutz zu gewähren. Nach dem Wortlaut kommt es darauf an, dass
der Straftatbestand, dem zuwidergehandelt wird, allein aus Gründen des Staats-
schutzes erlassen ist, es sich also um einen - in diesem Sinne - "politischen" Tatbe-
stand handelt (vgl. BTDrucks. IV/430 S. 24). Dies wird durch den inneren Zusam-
menhang zwischen der dritten und den beiden vorangestellten Alternativen des § 17
Abs. 1 Nr. 1 VereinsG (Bekämpfung der verfassungsmäßigen Ordnung und des Ge-
dankens der Völkerverständigung) bestätigt. Es reicht daher nicht aus, dass der als
verletzt angesehene Tatbestand auch dem Schutz des Staates dient. Hätte der Ge-
setzgeber sich mit einem derartigen Mischtatbestand begnügen wollen, hätte es na-
he gelegen, dies durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck zu bringen.
Dies ist nicht geschehen. Es reicht deshalb auch nicht aus, dass ein Straftatbestand,
der sowohl dem Staatsschutz als auch anderen Zwecken dient, im Einzelfall in der
Weise verletzt ist, dass Belange des Staatsschutzes berührt sind. Nach dem insoweit
eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative VereinsG ist für das Verbot
allein entscheidend, ob der verletzte Straftatbestand auf der Normebene dem
Staatsschutz dient. Ohne Bedeutung ist, ob bei seiner Anwendung im Einzelfall dem
Schutz des Staates Rechnung getragen wird. Aus der Entstehungsgeschichte des §
17 Abs. 1 VereinsG ergibt sich nichts anderes (vgl. BTDrucks. IV/430 a.a.O.).
Weder im Vereinsgesetz noch an anderer Stelle hat der Gesetzgeber
definiert, welche Strafvorschriften aus Gründen des Staatsschutzes erlassen sind. Es
ist deshalb im Wege der Auslegung zu erschließen, ob eine Strafvorschrift darauf
gerichtet ist, ein so genanntes Staatsschutzdelikt zu sanktionieren, so dass sie als
aus Gründen des Staatsschutzes erlassen anzusehen ist. Maßgeblich ist insoweit
das von der jeweiligen Strafbestimmung geschützte Rechtsgut. Nur dann, wenn die
Bestimmung dem Schutz des Staates und nicht des Einzelnen oder anderer Rechts-
güter dient, handelt es sich um eine Bestimmung im Sinne von § 17 Abs. 1 Nr. 1
3. Alternative VereinsG. So liegt es jedenfalls bei den Strafbestimmungen, die den
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Bestand des Staates, seine innere und äußere Sicherheit, seine verfassungsmäßige
Ordnung, den Schutz fremder Staaten, die Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
land an ungestörten internationalen Beziehungen, die Tätigkeit von Verfassungsor-
ganen, den ungestörten Ablauf von Wahlen und Abstimmungen sowie den Schutz
der Landesverteidigung zum Gegenstand haben. Mithin handelt es sich bei den Be-
stimmungen des Zweiten bis Fünften Abschnitts des Besonderen Teils des Strafge-
setzbuches (§§ 80 bis 109 k StGB) und bei § 138 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB um Straf-
vorschriften, die aus Gründen des Staatsschutzes erlassen sind (vgl. Wache in:
Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, V 52, Gesetz zur Regelung des öf-
fentlichen Vereinsrechts (VereinsG), § 17 Rn. 3).
Es kann hier dahinstehen, ob über jene Bestimmungen hinaus weitere
Vorschriften dem Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative VereinsG
unterfallen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, gehörte § 20 Abs. 1 Nr. 4
2. Alternative VereinsG nicht dazu (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965,
§ 17 Rn. 2; Wache, a.a.O., § 17 Rn. 3). Bei § 20 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative VereinsG
handelt es sich um einen auf das gegenüber einem Verein ausgesprochene
Betätigungsverbot bezogenen Ungehorsamstatbestand (vgl. BGH, Beschluss vom
19. November 1997 - 3 StR 574/97 - BGHSt 43, 312 <314 f.>). Allein der Umstand,
dass die Bestimmung der strafrechtlichen Durchsetzung eines vereinsrechtlichen
Betätigungsverbots im Sinne von § 18 Satz 2 VereinsG dient, rechtfertigt nicht die
Annahme, sie sei aus Gründen des Staatsschutzes erlassen. Anders läge es dann,
wenn die durch die Bestimmung erfassten und strafrechtlich sanktionierten Betäti-
gungsverbote im Sinne von § 18 Satz 2 VereinsG ihrerseits stets dem Schutz des
Staates dienten. Dies ist nicht der Fall. § 18 Satz 2 VereinsG bezieht sich auf Vereine
im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 VereinsG mit Sitz im Ausland (ausländische
Vereine), deren Organisation oder Tätigkeit sich auf den räumlichen Geltungsbereich
des Vereinsgesetzes erstreckt. Die Bestimmung sieht vor, dass sich das Verbot des
ausländischen Vereins gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich richtet, wenn er im
Inland keine Organisation hat. Für ausländische Vereine gilt § 14 VereinsG entspre-
chend (§ 15 Abs. 1 Satz 1
VereinsG). In entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG kann ein
ausländischer Verein aus den Gründen des Art. 9 Abs. 2 GG und denjenigen des
§ 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden. Nicht alle danach in Betracht kommenden
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Gründe für ein Betätigungsverbot dienen dem Schutz des Staates. So kann ein Betä-
tigungsverbot auch ausgesprochen werden, wenn die Zwecke oder die Tätigkeit des
Vereins Strafgesetzen zuwiderlaufen, die nicht zum Schutz des Staates erlassen sind
(§ 18 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Satz 1
1. Alternative VereinsG sowie Art. 9 Abs. 2 1. Alternative GG). Ist ein Betätigungs-
verbot auch aus anderen Gründen als zum Schutz des Staates möglich, so ist die
strafrechtliche Bewehrung der Zuwiderhandlung gegen ein Betätigungsverbot gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative VereinsG nicht ausschließlich aus Gründen des
Staatsschutzes erlassen. Es liegt insoweit anders als bei dem aus Gründen des
Staatsschutzes erlassenen § 85 Abs. 1 StGB, der ebenfalls Zuwiderhandlungen ge-
gen ein Vereinsverbot betrifft. Die Bestimmung stellt das Aufrechterhalten des orga-
nisatorischen Zusammenhalts einer Partei oder einer Vereinigung unter Strafe. Vo-
raussetzung ist u.a., dass die Partei oder Vereinigung Ersatzorganisation einer ver-
botenen Partei ist (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder dass die Vereinigung verboten ist,
weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der
Völkerverständigung richtet oder Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Verei-
nigung ist (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Anders als das Betätigungsverbot nach § 18
Satz 2 VereinsG erfolgt das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG stets zum Schutze
des Staates, so dass kein Zweifel daran besteht, dass auch die Strafvorschrift des
§ 85 Abs. 1 Nr. 1 StGB aus Gründen des Staatsschutzes erlassen ist. Dies gilt glei-
chermaßen für § 85 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Das Verbot einer Vereinigung, die sich gegen
die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung
richtet, ergeht immer zum Schutze des Staates. Deshalb ist auch die zuletzt
genannte Strafvorschrift aus Staatsschutzgründen erlassen.
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative VereinsG ist auch nicht deshalb aus
Gründen des Staatsschutzes erlassen, weil das gegenüber PKK und ERNK mit Ver-
fügung vom 22. November 1993 ausgesprochene Betätigungsverbot Aktivitäten un-
terbinden sollte, die den Staat gefährden könnten. § 17 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative
VereinsG stellt – wie aufgezeigt – nicht darauf ab, ob die Anwendung einer Strafvor-
schrift im Einzelfall dem Schutz des Staates dient, sondern darauf, ob der Straftat-
bestand auf der Normebene ausschließlich den Staat schützen soll.
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§ 20 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative VereinsG kann schließlich nicht des-
halb als aus Gründen des Staatsschutzes erlassen angesehen werden, weil bei Zu-
widerhandlungen gegen die Bestimmung nach § 74 a Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative des
Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975
(BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. August 2005 (BGBl I
S. 2437), die Zuständigkeit der so genannten Staatsschutzkammer gegeben ist. Der
Katalog des § 74 a Abs. 1 GVG weist die Verfolgung von "Straftaten mit staatsge-
fährdendem Einschlag" (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1959 - 3 StR 40/59 -
BGHSt 13, 378 <381>) den so genannten Staatsschutzkammern als Spezialspruch-
körpern zu. Dass für bestimmte Straftaten die insoweit mit besonderer Sachkunde
ausgestatteten Staatsschutzkammern zuständig sind, mag als Hinweis darauf ange-
sehen werden, dass diese Delikte dem Schutz des Staates dienen. Die gerichtsver-
fassungsrechtliche Zuständigkeitsbestimmung ersetzt hingegen nicht die im Rahmen
des § 17 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative VereinsG gebotene Prüfung, ob die als verletzt
angesehene Strafvorschrift mit Blick auf das von ihr geschützte Rechtsgut gerade
aus Gründen des Staatsschutzes erlassen ist. Dies lässt § 20 Abs. 1 Nr. 4
2. Alternative VereinsG nicht erkennen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Aufnahme der Vorgängerbestim-
mung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG in den Katalog des § 74 a Abs. 1 GVG mit der
"engen Beziehung" zwischen der zuerst genannten Vorschrift und der Vorgängervor-
schrift des § 85 StGB begründet wurde (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses
für Inneres über den Entwurf eines Vereinsgesetzes, BTDrucks IV/2145 (neu) S. 9).
Daraus ergibt sich nur, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Zuständig-
keitszuweisung an die Staatsschutzkammer einen engen Zusammenhang zwischen
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG und der aus Gründen des Staatsschutzes erlassenen
Vorgängervorschrift des § 85 StGB gesehen hat, nicht aber, dass der Gesetzgeber
zum Ausdruck gebracht hat, § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG sei aus Gründen des Staats-
schutzes erlassen.
2. Der Antrag der Antragsteller zu 2 bis 5 ist unzulässig.
Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist nur
zulässig, wenn der Antragsteller im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen
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kann, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein
(vgl. Beschluss vom 30. Oktober 1992 - BVerwG 4 A 4.92 - NVwZ 1993, 565 <566>).
Dies ist hinsichtlich der Antragsteller zu 2 bis zu 5 nicht der Fall. Zur Anfechtung des
Verbots eines Vereins ist nur der verbotene Verein befugt, nicht hingegen die Mit-
glieder (vgl. Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - BVerwG 6 A 5.02 - Buchholz
402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67 m.w.N.). Eine Verbotsverfügung betrifft nicht die indi-
viduelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung des verbo-
tenen Vereins als einer Gesamtheit von Personen, die zur Verteidigung ihrer Rechte
ungeachtet ihrer Rechtsform beteiligungsfähig ist und im Rechtsstreit durch ihren
Vorstand vertreten wird. Mithin erweist sich der von dem Geschäftsführer der An-
tragstellerin zu 1 in eigener Person gestellte Antrag ebenso als unzulässig wie das
Begehren der Gesellschafter der Antragstellerin zu 1 und des verantwortlichen Re-
dakteurs der von der Antragstellerin zu 1 herausgegebenen Zeitung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 1
Satz 1 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 53 Abs. 3
Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
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