Urteil des BVerwG vom 20.05.2010

Hauptsache, Verordnung, Bier, Erlass

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 VR 1.10
VGH 9 S 1858/09
In der Normenkontrollsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Mai 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und Dr. Möller
beschlossen:
§ 24 Satz 2 und 3 der Verordnung des baden-württember-
gischen Wissenschaftsministeriums über die zentrale
Vergabe von Studienplätzen vom 23. April 2006 (GBl
S. 114) in der Fassung der Änderungsverordnung vom
29. Juni 2009 (GBl S. 309) wird im Wege der einstweiligen
Anordnung für das Wintersemester 2010/2011 außer
Vollzug gesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 500 € festge-
setzt.
G r ü n d e :
Mit Beschluss vom heutigen Tage (Az.: BVerwG 6 BN 3.09) hat der Senat auf
die Beschwerde des Antragstellers die Revision gegen das den Normenkon-
trollantrag des Antragstellers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 29. Oktober 2009 zugelassen. Als in der Hauptsache
zuständiges Gericht (vgl. Beschluss vom 18. Mai 1998 - BVerwG 4 VR 2.98 -
Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 125 S. 105 f.) hat der Senat auch über den An-
trag zu entscheiden, § 24 Satz 2 und 3 der Verordnung des baden-württember-
gischen Wissenschaftsministeriums über die zentrale Vergabe von Studienplät-
zen (Vergabeverordnung ZVS) vom 23. April 2006 (GBl S. 114) in der Fassung
der Änderungsverordnung vom 29. Juni 2009 (GBl S. 309) einstweilen außer
Vollzug zu setzen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO
ist zulässig und begründet.
Die Entscheidung nach § 47 Abs. 6 VwGO verlangt eine Folgenabwägung. Ab-
zuwägen sind die Folgen, die eintreten, wenn der Erlass der einstweiligen An-
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ordnung unterbleibt, der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg
hat, gegen die Folgen, die eintreten, wenn die einstweilige Anordnung erlassen
wird, der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache erfolglos bleibt.
Ergeht in dem zur Entscheidung stehenden Verfahren die einstweilige Anord-
nung nicht, hat der Normenkontrollantrag aber in der Sache Erfolg, hat der An-
tragsteller unwiederbringlich die Chance verloren, sich bei allen baden-
württembergischen Universitäten mit medizinischer Fakultät für zumindest ein,
möglicherweise aber auch für weitere Semester um eine Zulassung außerhalb
der festgesetzten Kapazität zu bemühen. Die Ausbildung in dem gewünschten
Studiengang der Humanmedizin ist in hohem Maße auf rasche Realisierung
angewiesen, so dass der Verlust von (zusätzlichen) Chancen der Zulassung
schwer wiegt. Ergeht die einstweilige Anordnung, hat der Normenkontrollantrag
in der Sache aber keinen Erfolg, müssen die Universitäten des Landes Baden-
Württemberg nicht mehr Studenten aufnehmen, als es der vorhandenen Kapa-
zität entspricht. Sie müssen nur die außerhalb der festgesetzten Kapazität zu
vergebenden Studienplätze nicht zwingend nach den Maßstäben des § 24
Satz 2 und 3 Vergabeverordnung ZVS verteilen. Dies ist ihnen umso mehr zu-
zumuten, als die Vermeidung eines gegebenenfalls mehrmaligen Wechsels des
Zulassungssystems auch ihrem eigenen und dem öffentlichen Interesse ent-
spricht. Zwar müssen bei der Abwägung auch die Interessen der weiteren
Normadressaten berücksichtigt werden, also solcher Bewerber, die sich eben-
falls in dem betreffenden Studiengang um eine Zulassung außerhalb der fest-
gesetzten Kapazität bemühen. Die Erfolgsaussichten dieser Bewerbungen
hängen jeweils davon ab, ob das bisherige oder aber das durch die angegriffe-
ne Regelung neu eingeführte Auswahlsystem zur Anwendung gelangt. Die in-
soweit betroffenen Interessen neutralisieren sich somit gleichsam; sie können
deshalb bei der Abwägung nicht den Ausschlag geben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Neumann
Dr. Bier
Dr. Möller
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