Urteil des BVerwG vom 28.11.2002

Entstehungsgeschichte, Leiter, Mittelstufe, Personalausschuss

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BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 9.02
OVG 18 LP 6/02
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. G e r h a r d t und
V o r m e i e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nicht-
zulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
- Fachsenat für Personalvertretungssachen des
Landes Niedersachsen - vom 5. Juni 2002 wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet.
Eine die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 NdsPersVG, § 92 a,
§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG eröffnende Divergenz besteht nur dann,
wenn das Beschwerdegericht seinem Beschluss einen abstrakten,
die Entscheidung tragenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der
im Widerspruch zu einem ebensolchen Rechtssatz in einem als
Divergenzentscheidung bezeichneten Beschluss steht. Eine sol-
che Divergenz setzt weiterhin voraus, dass beide Entscheidun-
gen entweder auf der Grundlage derselben Vorschrift oder auf
der Grundlage wörtlich übereinstimmender und daher für eine
Divergenz grundsätzlich in Betracht kommender Vorschriften des
Bundes- oder Landesrechts ergangen sind. Fehlt es daran, ist
eine Abweichung, welche die Zulassung der Rechtsbeschwerde
rechtfertigen könnte, ausgeschlossen, weil zu Vorschriften,
die einen unterschiedlichen sachlichen Regelungsgehalt haben
oder in anderem systematischen Zusammenhang stehen, abweichen-
de Rechtssätze entwickelt werden können (vgl. Beschluss vom
28. Juni 1996 - BVerwG 6 PB 11.95 - PersR 1997, 76). So liegt
es hier.
Das Oberverwaltungsgericht war mit der Frage befasst, ob bei
der LVA Oldenburg-Bremen als Körperschaft im Sinne von § 108
Abs. 1 NdsPersVG eine "übergeordnete Dienststelle" besteht, so
dass ein Verfahren nach § 76 Abs. 4 Satz 1 NdsPersVG durchge-
führt werden kann. Gegenstand des Beschlusses vom 8. Oktober
1980 - BVerwG 6 P 16.79 - (BVerwGE 61, 51) war die Frage, ob
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der bei der Hauptverwaltung der Techniker-Krankenkasse gebil-
dete Personalrat oder der Hauptpersonalrat als Stufenvertre-
tung bei Personalangelegenheiten zu beteiligen ist, die der
Vorstand oder der Personalausschuss zu entscheiden hat. In
diesem Beschluss wird ausgeführt: Der Wortlaut und der Zusam-
menhang der Vorschriften der §§ 88, 7 Satz 1 BPersVG, die Ent-
stehungsgeschichte des § 88 BPersVG und die in § 1 Satz 1
BPersVG enthaltenen Grundsätze über die Bildung von Personal-
vertretungen in Verbindung mit dem in § 6 BPersVG festgelegten
Dienststellenbegriff ergäben, dass der Vorstand im Rahmen sei-
ner Zuständigkeiten nicht als personalvertretungsrechtlich ei-
genständige Dienststelle tätig werde, sondern als Leiter der
Hauptverwaltung, soweit er für beteiligungspflichtige Maßnah-
men zuständig sei. Der durch die Entstehungsgeschichte bestä-
tigte Zweck des § 88 Nr. 2 Satz 1 BPersVG bestehe darin, den
Vorstand zum Dienststellenleiter und damit zum Partner einer
Personalvertretung zu machen. Das Beschwerdegericht, das sich
zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung ebenfalls auf
die Entstehungsgeschichte berufe, lasse dabei u.a. außer Acht,
dass nach § 1 Satz 1 BPersVG Personalvertretungen in den Ver-
waltungen der bundesunmittelbaren Körperschaften und nicht bei
deren Organen gebildet würden; § 6 Abs. 1 BPersVG knüpfe hier-
an an und besage, dass Dienststellen im Sinne dieses Gesetzes
die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe der in
§ 1 genannten Verwaltungen seien; Dienststellen müssten not-
wendigerweise Beschäftigte haben, weil andernfalls die Bildung
einer Personalvertretung nicht möglich sei (s. § 12 BPersVG);
das gelte auch für die Behörden der Mittelstufe und die obers-
ten Dienstbehörden, bei denen neben den Personalräten der Be-
schäftigten dieser Dienststellen (sog. Hauspersonalräte) Stu-
fenvertretungen gebildet würden (Beschluss vom 8. Oktober
1980, a.a.O., S. 55 ff.).
Die von der Beschwerde aus ihrem Zusammenhang gelösten Ausfüh-
rungen in diesem Beschluss beziehen sich demnach nur auf die
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Frage, bei welchen Stellen nach Bundespersonalvertretungsrecht
Personalvertretungen gebildet werden, und sollen unterstrei-
chen, dass der Vorstand unter den genannten Voraussetzungen
als Dienststellenleiter der Hauptverwaltung tätig wird. Von
dem Oberverwaltungsgericht war hingegen die Frage zu beurtei-
len, ob der Vorstand der LVA Oldenburg-Bremen "übergeordnete
Dienststelle" im Sinne von §§ 108, 76 Abs. 4 NdsPersVG ist und
daher das Verfahren nach § 76 Abs. 4 NdsPersVG durchgeführt
werden kann. Die beiden Fragestellungen sind nicht nur nach
unterschiedlichen Vorschriften zu beantworten, sie stehen auch
in verschiedenen systematischen Zusammenhängen und sind nicht
nach denselben Erwägungen zum Gesetzeszweck zu beantworten.
Die von der Beschwerde im Wege eigener normübergreifender Abs-
traktion aufgezeigte "Abweichung" ist rein begrifflicher Art
und rechtfertigt nach dem Gesagten die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde nicht.
Bardenhewer Gerhardt Vormeier