Urteil des BVerwG vom 23.04.2008

Rechtliches Gehör, Mitbestimmung, Wiederholungsgefahr, Bestimmtheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 8.08
VGH PL 15 S 942/05
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. April 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn, Büge und Vormeier
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg - Fachsenat für
Personalvertretungssachen - vom 29. November 2007
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 86 Abs. 2 BaWüPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift
nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage, ob die
Tätigkeitsveränderung von Beschäftigten im außertariflichen Bereich, die zur
Zugehörigkeit zu einer höheren bzw. niedrigeren Hierarchieebene führt, die
Mitbestimmung nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 BaWüPersVG auslöst, ist nicht ent-
scheidungserheblich. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hing nicht
von ihr ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der aufgeworfenen Rechtsfrage nach der
Reichweite der Mitbestimmung bei der hier gegebenen Fallgestaltung in den
tragenden Gründen seiner Entscheidung nicht in der Sache Stellung genom-
men, sondern den dahin zielenden Hilfsantrag des Antragstellers als unzulässig
abgewiesen, und zwar aus drei selbstständig tragenden Gründen: Wegen feh-
lender Bestimmtheit, wegen fehlender Herleitung des abstrakten Antrages aus
dem konkreten Anlassfall und schließlich wegen fehlenden Rechtsschutzbe-
dürfnisses. Darin liegt weder unmittelbar noch mittelbar die Aussage, dass in
Fallgestaltungen, welche dem Anlassfall vergleichbar sind, die Mitbestimmung
des Personalrats ausgeschlossen ist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof Aus-
führungen zur Sache gemacht hat, geschah dies lediglich in einer „ergänzenden
Bemerkung“; entscheidungstragend war das nicht.
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Dass die Gründe, aus denen der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit des
Hilfsantrages jeweils verneint hat (Bestimmtheit, Übergang zum abstrakten An-
trag, Rechtsschutzbedürfnis), Fragen aufwerfen, die im Interesse der Rechts-
fortbildung oder Rechtseinheit der Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren be-
dürfen, hat der Antragsteller nicht dargelegt (§ 72a Abs. 3 Nr. 1, § 92a Satz 2
ArbGG). Dass er die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts-
hofs als unzutreffend oder „nicht nachvollziehbar“ bewertet, reicht für die ord-
nungsgemäße Begründung einer Grundsatzrüge offensichtlich nicht aus.
2. Die Divergenzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bleibt
gleichfalls ohne Erfolg. Weder weicht der angefochtene Beschluss von der in
der Beschwerdebegründung zitierten Senatsentscheidung ab, noch beruht er
auf einer etwaigen Abweichung.
a) Nach dem Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1999 - BVerwG 6 P 3.98 -
(BVerwGE 110, 151 <153 f.>, insoweit unter Buchholz 250 § 75 BPersVG
Nr. 100 nicht abgedruckt) schließt im personalvertretungsrechtlichen Be-
schlussverfahren eine nach dem engen Wortlaut an sich anzunehmende Unbe-
stimmtheit oder eine sonstige Unzulässigkeit des Feststellungsantrages dessen
nachträgliche Präzisierung nicht aus. Die Möglichkeiten einer solchen Ausle-
gung sind auszuschöpfen, soweit sich auf diese Weise eine hinreichend be-
stimmte Rechtsfrage als der eigentliche Streitgegenstand ermitteln lässt. Aller-
dings muss sich die Auslegung darauf beschränken, den „richtigen“ Antragsin-
halt anhand des Vorbringens der Beteiligten zu ermitteln, darf also den sich aus
dem Wortlaut ergebenden Sinn, wenn er sich schon von daher als eindeutig
darstellt, nicht in sein Gegenteil verkehren.
Einen von diesen Aussagen abweichenden Rechtssatz hat der Verwaltungsge-
richtshof im angefochtenen Beschluss weder ausdrücklich noch sinngemäß
aufgestellt. Er hat den von ihm für richtig gehaltenen, aus dem Anlassfall entwi-
ckelten abstrakten Antrag nicht mehr als von dem eigentlichen Begehren des
Antragstellers gedeckt angesehen, welches nach dem formulierten Hilfsantrag
auf eine viel weitergehende Feststellung gerichtet war. Diese Einordnung hält
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sich im Rahmen der Grundsätze, wie sie sich aus dem zitierten Senatsbe-
schluss ergeben.
b) Abgesehen davon beruht der angefochtene Beschluss nicht auf einer etwai-
gen Abweichung vom zitierten Senatsbeschluss. Der Verwaltungsgerichtshof
hat mit seiner dritten selbstständig tragenden Begründung den Hilfsantrag we-
gen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig angesehen. Die dazu-
gehörigen Ausführungen zur mangelnden Wiederholungsgefahr beziehen sich
sowohl auf den vom Antragsteller formulierten Hilfsantrag als auch - mindestens
sinngemäß - auf den vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner zweiten
Begründung für richtig gehaltenen Antrag. Hätte daher der Ver-
waltungsgerichtshof diesen Antrag als von dem formulierten Hilfsantrag gedeckt
angesehen, so hätte dies am Ergebnis - Abweisung des Hilfsantrages als un-
zulässig - nichts geändert.
3. Schließlich kommt der Antragsteller mit seiner Verfahrensrüge gemäß § 72
Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht zum Zuge.
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht dadurch den Anspruch des Antragstel-
lers auf rechtliches Gehör verletzt, dass er nicht spätestens im Anhörungster-
min angeregt hat, den von ihm für richtig gehaltenen - anlassbezogenen - abs-
trakten Feststellungsantrag zu stellen. Dazu war er nicht gehalten, weil er auch
diesen Antrag, wie seine Ausführungen im Rahmen seiner dritten selbstständig
tragenden Begründung erweisen, letztlich wegen fehlenden Rechtsschutzbe-
dürfnisses als unzulässig eingestuft hat. Aus der maßgeblichen Sicht des Ver-
waltungsgerichtshofs gab es wegen der von ihm verneinten Wiederholungsge-
fahr keinen sachdienlichen Antrag, auf den zu stellen er hätte hinwirken können
(§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
b) Nach der Niederschrift des Verwaltungsgerichtshofs über seinen Anhörungs-
termin vom 29. November 2007 wurden die Beteiligten angehört und die Sach-
und Rechtslage mit ihnen erörtert. Der Antragsteller behauptet in seiner Be-
schwerdebegründung nicht, dass die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs
gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrages im Anhörungstermin nicht zur Sprache
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gekommen sind. Es ist somit davon auszugehen, dass er dort Gelegenheit hat-
te, zu diesen Bedenken Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 3 ZPO). Damit ist
rechtliches Gehör gewahrt. Dass auf die Bedenken nicht bereits in einem frühe-
ren Stadium des Verfahrens hingewiesen wurde (§ 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO), hat
sich somit nicht als Verletzung rechtlichen Gehörs auf die Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs ausgewirkt.
Dr. Hahn
Büge
Vormeier