Urteil des BVerwG vom 11.07.2006

Arbeitsteilung, Rechtsvereinheitlichung, Entsendung, Bewirtschaftung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 8.06
OVG PB 8 B 608/03
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Büge
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Sächsi-
schen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personal-
vertretungssachen - vom 24. November 2005 wird zurück-
gewiesen.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 83 Abs. 2
BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG ist zulässig. Entgegen der Auffassung des
Beteiligten ist die hier allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1,
§ 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG statthaft. Die in der Beschwerdeerwiderung zitierte
Senatsrechtsprechung betraf die Rechtslage vor dem 1. Januar 2005 und ist
daher überholt (vgl. Beschluss vom 25. Februar 2005 - BVerwG 6 PB 9.04 -
Buchholz 251.7 § 79 NWPersVG Nr. 6).
2. Die Grundsatzrüge greift jedoch in der Sache nicht durch. Die in der Be-
schwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Be-
deutung.
Der Antragsteller will geklärt wissen, „ob die Teilnahme eines Gesamtpersonal-
ratsvorsitzenden an einer Schulung zum Thema ‚Aktuelle Rechtsprechung zum
Personalvertretungsrecht’ (nur) deswegen nicht subjektiv erforderlich ist, weil
bereits ein anderes Mitglied des Gesamtpersonalrates an dieser Schulungsver-
anstaltung teilnimmt“. Diese Frage ist, soweit sie einer verallgemeinerungsfähi-
gen Klärung überhaupt zugänglich ist, anhand vorliegender einschlägiger Se-
natsrechtsprechung eindeutig zu beantworten, so dass es einer Zulassung der
Rechtsbeschwerde nicht bedarf.
Der Senat unterscheidet bei der Beurteilung des Schulungsbedarfs nach § 46
Abs. 6 BPersVG in ständiger Rechtsprechung zwischen Grundschulungen und
Spezialschulungen. Einer Grundschulung bedarf das Personalratsmitglied, um
seine Tätigkeit im Personalrat überhaupt sachgemäß ausüben zu können. Die
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Grundschulung ist die notwendige Kenntnisvermittlung für solche Personal-
ratsmitglieder, die noch keine ausreichenden Kenntnisse des geltenden Perso-
nalvertretungsrechts besitzen (vgl. Beschluss vom 26. Februar 2003 - BVerwG
6 P 9.02 - BVerwGE 118, 1 <9> = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 31 S. 7). Die
Teilnahme an einer Spezialschulung benötigt das Personalratsmitglied da-
gegen, um den besonderen Aufgaben, die ihm innerhalb der Personalvertretung
zukommen, gerecht werden zu können (vgl. Beschluss vom 26. Februar 2003
- BVerwG 6 P 10.02 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 32 S. 10). Das
Oberverwaltungsgericht hat mit dem Begriff der „besonderen Schulungen“ eine
dritte Kategorie eingeführt, diese jedoch hinsichtlich der hier entscheidenden
Frage der subjektiven Schulungsbedürftigkeit wie Spezialschulungen behandelt
(BA S. 7). Dieses Umweges bedarf es nicht. Um eine Spezialschulung handelt
es sich nicht nur bei einem fachlich sehr eng zugeschnittenen Themenkreis.
Spezialschulungen liegen vielmehr auch dann vor, wenn in bestimmten für die
Personalratstätigkeit relevanten Tätigkeitsfeldern Kenntnisse vermittelt werden,
die über Grundzüge hinausgehen, insbesondere der Wissensvertiefung und
-erweiterung dienen (vgl. Beschluss vom 14. Juni 2006 - BVerwG 6 P 13.05 -
Rn. 26). So liegt es auch hier: Der Antragsteller hat seinen Vorsitzenden und
dessen Stellvertreter zu einem Seminar entsandt, in welchem die Themen-
schwerpunkte „Mitbestimmung bei Personalangelegenheiten und Privatisierung
chung behandelt wurden.
Nach der Senatsrechtsprechung ist die Teilnahme an Spezialschulungen - ab-
hängig von der Größe der Dienststelle sowie Art und Umfang der beteiligungs-
pflichtigen Angelegenheiten - regelmäßig auf ein einziges Personalratsmitglied
oder mehrere einzelne Personalratsmitglieder beschränkt (vgl. Beschlüsse vom
16. November 1987 - BVerwG 6 PB 14.87 - Buchholz 251.0 § 47 BaWüPersVG
Nr. 1 S. 2 und vom 23. April 1991 - BVerwG 6 P 19.89 - BVerwGE 88, 137
<141 f.> = Buchholz 251.0 § 45 BaWüPersVG Nr. 1 S. 4). Dieser Rechtspre-
chung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Personalrat ein nach dem Grund-
satz der Arbeitsteilung funktionierendes Gremium ist, dessen Mitglieder jeweils
für bestimmte Arbeitsbereiche zuständig sind und das dort erworbene Fachwis-
sen jeweils den anderen Mitgliedern weitervermitteln, damit eine ordnungsge-
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§ 38 BPersVG möglich ist. Dabei bezieht sich die mit der Arbeitsteilung einher-
gehende personalratsinterne Weitervermittlung jeweils auf das gesamte Fach-
wissen, nämlich die gesetzliche Beschreibung des personalvertretungsrechtli-
chen Aufgabengebietes, die dabei zu beachtenden gesetzlichen und tariflichen
Regelungen, das dazugehörige Sachwissen und nicht zuletzt die einschlägige
Rechtsprechung, durch welche die gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse der
Personalräte für die Praxis in den Dienststellen konkretisiert werden. Da Spezi-
alschulungen typischerweise oder jedenfalls sehr häufig vorhandene einschlä-
gige Rechtsprechung einbeziehen müssen, läuft die Argumentation des An-
tragstellers in letzter Konsequenz darauf hinaus, dass jede Spezialschulung, die
für die Personalratstätigkeit in der Dienststelle erforderliche Rechtskenntnisse
vermittelt, von allen Personalratsmitgliedern besucht werden muss. Eine
derartige Sichtweise unterschätzt nicht nur die Fähigkeit von Personalratsmit-
gliedern, sich gegenseitig zu informieren und voneinander zu lernen. Sie ist
auch mit Blick auf den für den Personalrat als Teil der Dienststelle geltenden
Grundsatz der sparsamen Bewirtschaftung öffentlicher Mittel (§ 7 Abs. 1 Satz 1
BHO) unverhältnismäßig und daher untragbar.
Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei seiner Entscheidung an der zitierten
Senatsrechtsprechung orientiert. Es hat nicht verkannt, dass die Entsendung
von zwei Personalratsmitgliedern zu einer Spezialschulung nicht von vornherein
ausgeschlossen ist. Es hat diese hier jedoch nach Prüfung einzelfallbezogener
Umstände abgelehnt (BA S. 8 f.). Im Interesse der Rechtsfortbildung oder
Rechtsvereinheitlichung klärungsbedürftige Fragen sind damit nicht aufgewor-
fen. Dies gilt umso mehr, als dem Oberverwaltungsgericht bei Anwendung des
unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit ein Beurteilungsspielraum
zukommt, dessen Ausfüllung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt
überprüfbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juni 2006 - BVerwG 6 P 13.05 -
Rn. 50 m.w.N.).
Klärungsbedarf besteht schließlich nicht mit Blick auf einschlägige Rechtspre-
chung des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsverfassungsrecht. Zwar hat dies
in einem ähnlich gelagerten Fall den Schulungsbedarf für zwei Betriebsratsmit-
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glieder anerkannt (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 7 ABR 14/95 -
AP Nr. 113 zu § 37 BetrVG 1972). Dafür war jedoch letztlich maßgeblich, dass
beide nach der internen Aufgabenverteilung im Betriebsrat dafür zuständig wa-
ren, die von diesem zu treffenden Entscheidungen in den den Schulungsgegen-
stand bildenden personellen Angelegenheiten vorzubereiten oder dessen Mit-
wirkungshandlungen vorzunehmen (a.a.O. Bl. 1230). Die im Mittelpunkt der
Beschwerdebegründung stehende Erwägung, Betriebsrats- bzw. Personalrats-
mitglieder könnten bei der Erläuterung aktueller Rechtsprechung keine Multipli-
katorfunktion für die übrigen Mitglieder des Gremiums übernehmen, hat dabei
keine Rolle gespielt.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Büge
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
BPersVG
§ 46
Stichwort:
Spezialschulungen für Personalratsmitglieder.
Leitsatz:
Spezialschulungen liegen auch schon dann vor, wenn in bestimmten für die
Personalratstätigkeit relevanten Tätigkeitsfeldern Kenntnisse vermittelt werden,
die über Grundzüge hinausgehen, insbesondere der Wissensvertiefung und -er-
weiterung dienen.
Beschluss des 6. Senats vom 11. Juli 2006 - BVerwG 6 PB 8.06
I. VG Dresden vom 28.03.2003 - Az.: VG PB 8 K 702/02 -
II. OVG Bautzen vom 24.11.2005 - Az.: OVG PB 8 B 608/03 -