Urteil des BVerwG vom 17.07.2010

Versicherungsträger, Gebietshoheit, Landesverwaltung, Staatsvertrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 6.10
OVG 12 LB 4/09
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juli 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Vormeier
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Schleswig-
Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für
Mitbestimmungssachen / Land - vom 12. Oktober 2009
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 88 Abs. 2 MBGSH in
Verbindung mit § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
Der Senat geht davon aus, dass es dem wirklichen Willen des Antragstellers
entspricht, bereits seine Nichtzulassungsbeschwerde auf Fortbildungsveranstal-
tungen zu beschränken, bei denen es um die Auswahl zwischen Beschäftigten
des Standorts Hamburg und solchen der beiden anderen Standorte Lübeck
oder Neubrandenburg geht. Zwar kündigt der Antragsteller zu Beginn seiner
Beschwerdebegründung lediglich die dahingehende Beschränkung der Rechts-
beschwerde für den Fall ihrer Zulassung an. Doch bestätigt er im Folgenden
ausdrücklich, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht zu be-
anstanden ist, soweit es um Fortbildungsveranstaltungen ausschließlich für Be-
schäftigte des Standortes Hamburg geht. Folgerichtig befasst er sich mit dieser
Konstellation nicht mehr in seinen Ausführungen, die der Darlegung eines Zu-
lassungsgrundes dienen (§ 72a Abs. 3 Satz 2, § 92a Satz 2 ArbGG). Es macht
keinen Sinn, eine Nichtzulassungsbeschwerde unbeschränkt zu erheben, wenn
bereits feststeht, dass die Rechtsbeschwerde ihrem Gegenstand nach be-
schränkt werden soll. Wollte man die Ausführungen des Antragstellers anders
verstehen, so wäre die Nichtzulassungsbeschwerde in dem beschriebenen Um-
fang wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu verwerfen.
Die im genannten Umfang beschränkte Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht
begründet, da die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1,
§ 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht durchgreift. Die in der Beschwerdebegründung
aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung oder sind
nicht entscheidungserheblich.
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1. Der Antragsteller will zunächst ausweislich seiner Ausführungen in Abschnitt
II 1 a seiner Beschwerdebegründung im Ergebnis geklärt wissen, ob die Deut-
sche Rentenversicherung Nord den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes
Schleswig-Holstein unterliegt. Diese Frage ist mit dem Oberverwaltungsgericht
eindeutig zu bejahen, sodass es ihrer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren
nicht bedarf.
Wie sich aus § 1 Abs. 1 MBGSH ergibt, gilt das Mitbestimmungsgesetz Schles-
wig-Holstein in Dienststellen der der Aufsicht des Landes Schleswig-Holstein
unterstehenden Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit.
Die Deutsche Rentenversicherung Nord ist als Regionalträger der gesetzlichen
Rentenversicherung eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts
(§ 29 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 125 Abs. 1 SGB VI). Sie untersteht der Aufsicht
des Landes Schleswig Holstein.
a) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts werden die-
jenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich
über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (§ 87 Abs. 2 Satz 1 GG). Ab-
weichend davon werden soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbe-
reich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder
hinaus erstreckt, als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts
geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder
bestimmt ist (Art. 87 Abs. 2 Satz 2 GG).
aa) Am 1. Juni 1997 ist der von allen Bundesländern geschlossene Staatsver-
trag über die Bestimmung aufsichtsführender Länder nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2
GG in Kraft getreten. Nach Art. 1 Abs 1 des Staatsvertrages führt die Aufsicht
über soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das
Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt,
jeweils das Land, in dem der Versicherungsträger seinen Sitz hat. Dass damit
die Bestimmung des aufsichtsführenden Landes nicht durch die maximal drei
jeweils beteiligten Länder allein, sondern auch von den übrigen Ländern vorge-
nommen ist, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Denn der Staatsver-
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trag stellt in Art. 1 Abs. 2 die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen nur der
jeweils beteiligten Länder sicher, er begründet in Art. 3 Satz 2 für jedes einzelne
beteiligte Land auch in Neufällen die Möglichkeit, die Anwendung des Vertrages
einseitig auszuschließen, und er eröffnet in Art. 4 generell die Kündigung für
jedes Land. Damit ist ausreichend sichergestellt, dass sich die Bestimmung des
aufsichtsführenden Landes auf die jeweils beteiligten zwei oder drei Länder
zurückführen lässt (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Band III, 2. Aufl. 2008, Art. 87
Rn. 59; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87
Abs. 2 Rn. 85 Fn 91; Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87 Rn. 59a).
bb) Das demokratische Prinzip ist gewahrt. Die Volksvertretungen aller 16 Bun-
desländer haben dem Staatsvertrag zugestimmt und damit sowohl der abstrak-
ten Gestaltung in Art. 1 Abs. 1 als auch den weiteren Regelungen, die den Be-
wegungsspielraum der Länder im konkreten Fall offen halten. Bei abweichender
Regelung durch die jeweils beteiligten Länder durch Staatsvertrag gemäß Art. 1
Abs. 2 kommen deren Volksvertretungen erneut zum Zuge. Die Ausschluss-
und Kündigungserklärungen nach Art. 3 und 4 des Staatsvertrages erfolgen
durch die dafür zuständige Stelle, die der Volksvertretung verantwortlich ist.
cc) In ihrem Vereinigungsbeschluss haben die Vertreterversammlungen der
Landesversicherungsanstalten Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-
Vorpommern Lübeck zum Sitz der Deutschen Rentenversicherung Nord be-
stimmt (§ 141 Abs. 1 und 2 SGB VI). Damit steht gemäß Art. 1 Abs. 1 des
Staatsvertrages fest, dass die Deutsche Rentenversicherung Nord der Aufsicht
des Landes Schleswig-Holstein untersteht.
b) Die Deutsche Rentenversicherung Nord ist gemäß § 1 Abs. 3 ihrer Satzung
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ländern Hamburg, Meck-
lenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Ihr Zuständigkeitsbereich er-
streckt sich nicht über mehr als drei Länder hinaus. Sie erfüllt damit die ent-
sprechenden Voraussetzungen nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 GG dafür, dass ein
sozialer Versicherungsträger als landesunmittelbare Körperschaft des öffentli-
chen Rechts geführt wird. Dies war bereits bei Wirksamwerden der Vereinigung
am 30. September 2005 nicht anders.
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Der Zuständigkeitsbereich im Sinne des Art. 87 Abs. 2 GG ist nach dem Gebiet
zu beurteilen, innerhalb dessen die für die jeweils relevante Sozialversicherung
maßgeblichen Anknüpfungspunkte bestehen. Dagegen kommt es nicht darauf
an, wohin die Versicherungsleistungen erbracht werden (Burgi, a.a.O. Art. 87
Abs. 2 Rn. 64; Broß, in: von Münch/Kunig, GG, Band 3, 5. Aufl.2003, Art. 87
Rn. 18). Maßgeblich für die Deutsche Rentenversicherung Nord ist § 128 Abs. 1
Satz 1 SGB VI, wonach die örtliche Zuständigkeit der Regionalträger sich
grundsätzlich nach der Reihenfolge Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt,
Beschäftigungsort, Tätigkeitsort der Versicherten oder der Hinterbliebenen im
Inland richtet. Die Deutsche Rentenversicherung Nord ist daher zuständig,
wenn der Versicherte oder Hinterbliebene den erwähnten Bezugspunkt zu ei-
nem der drei Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-
Holstein aufweist. Dass sie im Zeitpunkt der Vereinigung noch eine Rehabilita-
tionsklinik in Niedersachsen unterhielt, in welcher sie Leistungen zu Gunsten
"ihrer" Versicherten erbrachte, war dagegen belanglos und führte insbesondere
nicht zur Erweiterung ihres Zuständigkeitsbereichs.
2. Die Grundsatzrüge bleibt auch hinsichtlich der in Abschnitt II 1 b der Be-
schwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen ohne Erfolg.
a) Der Antragsteller will geklärt wissen, ob §
61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH eine Auf-
fangnorm und der Gesamtpersonalrat ein Auffangorgan ist. Er knüpft damit, wie
seine weiteren Ausführungen zeigen (vgl. S. 11 der Beschwerdebegründung),
an die in der Senatsrechtsprechung betonte Ersatzfunktion der Stufenvertretung
und des Gesamtpersonalrats an (vgl. Beschlüsse vom 15. Juli 2004 - BVerwG 6
P 1.04 - Buchholz 250 § 82 BPersVG Nr. 18 S. 15 f., vom 29. August 2005
- BVerwG 6 PB 6.05 - juris Rn. 6 und vom 24. Februar 2006 - BVerwG 6 P
4.05 - Buchholz 251.91 § 77 SächsPersVG Nr. 1 Rn. 13). Bei diesem
Verständnis ist die Frage mit dem Antragsteller ohne Weiteres zu bejahen. Von
der Ersatzfunktion des Gesamtpersonalrats ist aber auch das Ober-
verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss sinngemäß ausgegangen.
Denn es hat aus dem Wortlaut der Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH
gefolgert, dass die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats die Ausnahme und
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diejenige der örtlichen Personalräte den gesetzlichen Regelfall darstellt und der
die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats eröffnende Tatbestand des § 61
Abs. 1 Satz 1 MBGSH daher eng auszulegen ist (Beschlussabdruck S. 8).
b) Die weitere Frage, „wie die gesamte Neuorganisation der Dreiländerkörper-
schaft nach Fusion durch ein Auffanggremium mitbestimmt werden kann“, stellt
sich in dieser pauschalen Form im vorliegenden Verfahren nicht. Hier kommt es
vielmehr allein darauf an, wie die Zuständigkeit der Personalräte bei der Betei-
ligung an der Auswahl der Teilnehmer von Fortbildungsveranstaltungen abzu-
grenzen ist.
c) Der Antragsteller wirft ferner die Frage auf, „ob für einen Gesamtpersonalrat
bei mehrstufigem Verwaltungsaufbau überhaupt Raum sein kann“ und „ob ein
Gesamtpersonal (-rat; Ergänzung durch den Senat) die Befugnisse einer Stu-
fenvertretung wahrzunehmen hat, wenn eine eigentlich erforderliche Stufenver-
tretung nicht existiert und ob das zum Nachteil der originär zuständigen örtli-
chen Personalräte geschehen darf.“ Diese Fragen sind schon deswegen nicht
entscheidungserheblich, weil bei der Deutschen Rentenversicherung Nord nach
der eindeutigen Rechtslage des einschlägigen Mitbestimmungsgesetzes
Schleswig-Holstein von einem „mehrstufigen Verwaltungsaufbau“ keine Rede
sein kann und daher die Bildung einer Stufenvertretung ausgeschlossen ist.
Nach § 44 Abs. 1 MBGSH werden für den Geschäftsbereich mehrstufiger Ver-
waltungen und Gerichte bei den Behörden der Mittelstufe Bezirkspersonalräte,
bei den obersten Dienstbehörden Hauptpersonalräte gebildet (Stufenvertretun-
gen). Demgegenüber bestimmt § 45 Abs. 1 MBGSH : „Bestehen in einer
Dienststelle des Landes, in der eine Stufenvertretung nicht zu bilden ist, in einer
Gemeinde, in einem Kreis oder Amt oder in einer der Aufsicht des Landes un-
terstehenden Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit, einer
rechtsfähigen Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts mehrere Personal-
räte, so ist ein Gesamtpersonalrat zu bilden.“ Bereits aus dem Wortlaut und der
systematischen Zusammenschau beider Vorschriften ergibt sich, dass die Bil-
dung von Stufenvertretungen nur in den Dienststellen der Landesverwaltung
sowie bei den Gerichten in Betracht kommt und bei den übrigen in § 45 Abs. 1
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MBGSH genannten Verwaltungsträgern, insbesondere bei den der Aufsicht des
Landes unterstehenden Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebiets-
hoheit, ausgeschlossen ist. Bestätigt wird dies durch die Regelung in § 84
Abs. 5 Satz 1 MBGSH, welche für Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne
Gebietshoheit zwar die entsprechende Anwendung von § 45 MBGSH, nicht
aber diejenige von § 44 MBGSH vorschreibt.
Die Entstehungsgeschichte ist eindeutig. Im Gesetzentwurf der Landesregie-
rung zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein vom 24. August 1990
heißt es in der Begründung zu § 44 unmissverständlich: „Die Vorschrift richtet
sich nur an Dienststellen der Landesverwaltung. In den übrigen Verwaltungsbe-
reichen werden Stufenvertretungen nicht gebildet, da es einen mehrstufigen
Verwaltungsaufbau nicht gibt“ (Landtagsdrucksache 12/996 S. 100). In Über-
einstimmung damit heißt es in der Begründung zu § 45: „Gemäß Abs. 1 ist die
Bildung des Gesamtpersonalrates stets dann vorgeschrieben, wenn in einer
Dienststelle des Landes eine Stufenvertretung nicht zu bilden ist, gleichwohl
aber in ihrem Bereich mehrere gleichrangige Personalräte bestehen. Gleiches
gilt für alle anderen Dienststellen außerhalb der Landesverwaltung“ (a.a.O.
S.101). Schließlich betont die Begründung zu § 84: „Absatz 5 erklärt § 45 für
entsprechend anwendbar, sodass bei Bestehen mehrerer Personalräte ein Ge-
samtpersonalrat zu bilden ist“ (a.a.O. S.135).
Die Kommentierung folgt dieser eindeutigen Rechtslage (vgl. Donalies/Hübner-
Berger, Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein, § 45 Anmerkung 1.2, § 84
Anmerkung 5.1).
d) Der Antragsteller hält ferner für klärungsbedürftig, „wie in fiktiven Dienststel-
len, die die Anforderungen an Dienststellen nicht erfüllen, eine Mitbestimmung,
den gesetzlichen Anforderungen folgend, durchgeführt werden kann, und ob in
fiktiven Dienststellen überhaupt örtliche Personalräte gewählt werden können.“
Diese Fragen sind, soweit sie im vorliegenden Fall von Bedeutung sind, eindeu-
tig zu beantworten.
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Grundsätzlich liegt der Bildung von Personalräten nach § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1
Satz 1 MBGSH der materielle Dienststellenbegriff zu Grunde. Danach verlangt
die Dienststelleneigenschaft, dass der Leiter der Einrichtung eine nach Art und
Umfang hinreichende Kompetenz zur Entscheidung in beteiligungspflichtigen
Angelegenheiten hat (vgl. Beschlüsse vom 26. November 2008 - BVerwG 6 P
7.08 - BVerwGE 132, 276 = Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 6 Rn. 32 und vom
4. Februar 2010 - BVerwG 6 PB 38.09 - juris Rn. 3 mit weiteren Nachweisen).
Der Gesetzgeber ist jedoch frei, die Bildung von Personalräten in Einrichtungen
unabhängig davon vorzusehen, ob diese die genannten Anforderungen erfüllen.
Solches ist in § 8 Abs. 1 Satz 2 MBGSH für Eigenbetriebe und Krankenan-
stalten geschehen (vgl. in diesem Zusammenhang zur Beteiligung von Perso-
nalräten im Bundesnachrichtendienst: Beschluss vom 26. November 2008
a.a.O. Rn. 27). Der Gesetzgeber kann sogar bestimmen, dass Personalräte in
Organisationseinheiten zu wählen sind, welche definitiv keine Dienststellen im
oben bezeichneten Sinne sind; er hat dies in § 8 Abs. 2 MBGSH für die Ver-
selbstständigung von Nebenstellen und Dienststellenteilen geregelt (vgl. zu § 6
Abs. 3 BPersVG: Beschluss vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 33).
Von seinem dementsprechenden Gestaltungsspielraum hat der schleswig-
holsteinische Landesgesetzgeber für den speziellen Fall der Deutschen Ren-
tenversicherung Nord im Gesetz zur Ausführung organisationsrechtlicher Be-
stimmungen des SGB VI (RVOrgG-AusfG) zum 28. September 2005, GVOBl
S. 342, Gebrauch gemacht. § 2 Abs. 1 Satz 1 RVOrgG-AusfG bestimmt, dass
die Einrichtungen der Deutschen Rentenversicherung Nord in Lübeck, Hamburg
und Neubrandenburg Dienststellen im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 MBGSH
sind. Die Geschäftsführung der Deutschen Rentenversicherung Nord ist die
gemeinsame Dienststellenleitung für alle drei Dienststellen (§ 2 Abs. 1 Satz 2
RVOrgG-AusfG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2, § 36 Abs. 1 und 4 Satz 1 SGB IV und
§ 17 der Satzung der Deutschen Rentenversicherung Nord). Die Regelungen in
§ 2 Abs. 2 Satz 1 und 3 RVOrgG-AusfG schreiben vor, dass die gemeinsame
Dienststellenleitung in den Fällen, in denen Beschäftigte einer der Dienststellen
in Hamburg, Lübeck oder Neubrandenburg betroffen sind, jeweils den dort ge-
bildeten Personalrat unmittelbar beteiligt und dass § 61 MBGSH unberührt
bleibt. Nach diesem Regelungskonzept ist der Beteiligungsvorrang der
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Personalräte in den drei Standorten unabhängig davon gewahrt, dass diesen
eine einheitliche Dienststellenleitung gegenübersteht. Zugleich ist die Er-
satzfunktion des Gesamtpersonalrats nach Maßgabe der Regelung in § 61
MBGSH sichergestellt. Die Rechtsstellung der Personalräte in den drei Stand-
orten der Deutschen Rentenversicherung Nord ist damit im Verhältnis zum Ge-
samtpersonalrat nicht anders und keineswegs schlechter als in den sonstigen
Fällen, in den § 61 MBGSH Anwendung findet.
e) Die Frage danach, wie die Befugnisse von örtlichen Personalräten und Ge-
samtpersonalrat konkret abzugrenzen und welche Anforderungen an das
„Nicht-regeln-können“ im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH zu stellen sind,
stellt sich in dieser pauschalen Form nicht. Auf die Gründe zu 2 b) wird Bezug
genommen.
f) Der Antragsteller will geklärt wissen, welche dienststellenübergreifenden Be-
lange betroffen sein können, wenn innerhalb einer Dienststelle die Auswahl für
die Teilnahme von Bewerbern aus dieser Dienststelle für eine Weiterbildungs-
veranstaltung ansteht. Diese Frage ist anhand einschlägiger Senatsrechtsspre-
chung eindeutig im Sinne des Oberverwaltungsgerichts zu beantworten.
Im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH sind mehrere Dienststellen betroffen,
wenn der Schwerpunkt der beteiligungspflichtigen Angelegenheit in einer Aus-
wahlentscheidung liegt, die gesamtdienststellenbezogen getroffen wird (vgl.
Urteil vom 20. August 2003 - BVerwG 6 C 5.03 - Buchholz 251.8 § 56
RhPPersVG Nr. 1 S. 5). Dem vorbezeichneten Senatsurteil lag eine gesamt-
dienststellenbezogene Beförderungsaktion zugrunde, bei welcher mit Blick auf
eine feste Zahl von Beförderungsmöglichkeiten die Bewerber zur Hauptdienst-
stelle und Nebenstellen miteinander konkurrierten und deren Ausgang die Zu-
gehörigkeit der erfolgreichen Bewerber zur Hauptdienststelle bzw. zur jeweili-
gen Nebenstelle unberührt ließ. Der Senat hat die Zuständigkeit des Gesamt-
personalrats bejaht, weil der Schwerpunkt der personalvertretungsrechtlichen
Beteiligung in der gesamtdienststellenbezogenen Auswahlentscheidung lag und
die Weiterverwendung der erfolgreichen Bewerber in der Hauptdienststelle bzw.
in der jeweiligen Nebenstelle außer Frage stand (a.a.O. S. 5 f.).
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Ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben. Zwischen den Beteiligten steht außer
Streit, dass der örtliche Personalrat nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVOrgG-AusfG zur
Mitbestimmung berufen ist, wenn es um die Teilnahme an Fortbildungsveran-
staltungen ausschließlich für Beschäftigte derjenigen Dienststelle geht, bei wel-
cher dieser Personalrat gebildet ist. Das gilt ebenfalls, wenn es um die Vergabe
von Teilnahmeplätzen an Beschäftigte aus mehreren Dienststellen nach einer
festen Quote geht, weil auch in diesem Fall die Auswahl auf die einzelne
Dienststelle bezogen stattfindet. Anders liegt es in der hier streitigen Fallgestal-
tung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass eine Auswahl unter den Beschäf-
tigten mehrerer Dienststellen zu treffen ist. Diese stehen in Konkurrenz um eine
feste Zahl von Teilnahmeplätzen, die nicht allen Teilnahmewünschen Rechnung
tragen können. Der Schwerpunkt der personalvertretungsrechtlichen Be-
teiligung liegt in der Überprüfung der dienststellenübergreifenden Auswahlent-
scheidung, nicht aber in den Auswirkungen der Fortbildungsmaßnahme auf die
einzelne Dienststelle.
Damit steht zugleich fest, dass die streitige Angelegenheit nicht durch einzelnen
Personalräte geregelt werden kann (§ 61 Abs. 1 Satz 1 MBGSH). Ist Ge-
genstand der Mitbestimmung eine dienststellenübergreifende Auswahlent-
scheidung, so kann die Mitbestimmung nur durch einen Personalrat wahrge-
nommen werden, welcher die Beschäftigten aller betroffenen Dienststellen
repräsentiert. Dies ist der Gesamtpersonalrat, der von den Beschäftigten aller
einbezogenen Dienststellen gewählt wird (§ 45 Abs. 3 MBGSH).
g) Die Frage schließlich, ob eine Kommission auf Grund einer Dienstanweisung
gebildet werden kann, an der ein Mitglied aus dem Gesamtpersonalrat mitbe-
stimmungsverbrauchend für die örtlichen Personalräte tätig wird, ist nicht ent-
scheidungserheblich. Streitgegenstand ist nach der zweitinstanzlichen Antrag-
stellung das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers in seiner Eigenschaft als
örtlicher Personalrat des Standortes Hamburg der Deutschen Rentenversiche-
rung Nord. Darüber war unabhängig davon zu entscheiden, ob die Wahrneh-
mung von Aufgaben durch den Gesamtpersonalrat ihrer Art nach rechtlichen
Bedenken begegnet.
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Neumann
Büge
Vormeier
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
MBGSH
§ 61
GG
Art. 87 Abs. 2
RVOrgG-AusfG
§ 2
Stichworte:
Deutsche Rentenversicherung Nord; Geltung des Mitbestimmungsgesetzes
Schleswig-Holstein; Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats; Teilnahme an
Fortbildungsveranstaltungen.
Leitsätze:
1. Auf die Deutsche Rentenversicherung Nord ist das Mitbestimmungsgesetz
Schleswig-Holstein anzuwenden.
2. Der Gesamtpersonalrat der Deutschen Rentenversicherung Nord ist zur Mit-
bestimmung berufen, wenn für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen
unter den Beschäftigten mehrerer Standorte auszuwählen ist.
Beschluss des 6. Senats vom 17. Juli 2010 - BVerwG 6 PB 6.10
I. VG Schleswig vom 31.03.2009 - Az. VG 19 A 1/09 -
II. OVG Schleswig vom 12.10.2009 - Az. OVG 12 LB 4/09 -