Urteil des BVerwG vom 16.09.2004

Mitbestimmung, Ausschreibung, Erstellung, Rechtskraft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 6.04
OVG 1 A 672/02.PVL
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. September 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w er und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
B ü g e und V o r m e i e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der
Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachsenats für Landes-
personalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2004 wird zurück-
gewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Die allein erhobene und statthafte Abweichungsrüge greift nicht durch (§ 79 Abs. 2
Satz 1 NWPersVG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92 a Satz 1
ArbGG). Der angefochtene Beschluss weicht nicht von dem in der Beschwerdebe-
gründung zitierten Senatsbeschluss vom 23. März 1999 - BVerwG 6 P 10.97 -
(BVerwGE 108, 347) ab.
In diesem Beschluss hat der Senat unter Zusammenfassung seiner bisherigen
Rechtsprechung bestätigt, dass es im personalvertretungsrechtlichen Beschlussver-
fahren dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt ist, einen vom Anlass geben-
den konkreten Vorgang losgelösten Antrag zu einer Rechtsfrage zu stellen. Dies gilt
namentlich für Rechtsfragen, die durch den konkreten Anlass als entscheidungser-
heblich aufgeworfen werden. Die Rechtsfrage muss sich auf künftige vergleichbare
oder gleichartige Sachverhalte beziehen. Das ist nur der Fall, wenn sie künftige
Sachverhalte betrifft, die in ihren Grundzügen dem Sachverhalt des Anlass gebenden
konkreten Vorgangs entsprechen und im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen
aufwerfen (a.a.O. S. 354).
Einen von diesen Grundsätzen abweichenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungs-
gericht im angefochtenen Beschluss nicht aufgestellt. Es hat ausgeführt: Es komme
nicht darauf an, ob ein vergleichbarer Fall mit mehr als nur geringfügiger Wahr-
scheinlichkeit in der Dienststelle erneut auftreten werde. Entscheidend sei vielmehr
allein, dass sich die anlässlich des konkreten Streits aufgetretene und zur Entschei-
dung gestellte abstrakte Rechtsfrage erneut zwischen den Beteiligten stellen werde.
Davon sei hier ohne weiteres auszugehen, weil auch der Beteiligte nicht in Abrede
stelle, dass sich in der Dienststelle die Frage der Beteiligung des Antragstellers bei
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der Ausschreibung einer der in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 NWPersVG ge-
nannten Stellen in Zukunft nochmals stellen werde (BA S. 8). Aus dem Zusammen-
hang seiner Ausführungen wird deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht nicht al-
lein auf die abstrakte Rechtsfrage abgestellt, sondern diese in Beziehung gesetzt hat
zu typischen, sich in der Dienststelle wiederholenden Sachverhalten, die im Kern mit
dem Anlass gebenden Vorgang übereinstimmen, nämlich die Besetzung von Beam-
tenstellen der Besoldungsgruppen B 3 und darüber, für welche sich generell die
Frage stellt, welche Auswirkungen der Ausschluss der Mitbestimmung in Personal-
angelegenheiten nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 NWPersVG auf die in § 73
Nr. 6 NWPersVG vorgesehene Mitwirkung des Personalrats bei Stellenausschrei-
bungen hat. Dass die vom abstrakten Feststellungsantrag erfassten künftigen
Sachverhalte mit dem Anlass gebenden Vorgang in allen seinen Besonderheiten
vergleichbar sind, wurde im Senatsbeschluss vom 23. März 1999 nicht verlangt. Dem
Senat ging es in dieser Entscheidung darum, das Gerichtsverfahren von der
Bewertung von Sachverhalten freizuhalten, die mit dem Anlass gebenden Vorgang
nur in einem weiteren inhaltlichen Zusammenhang stehen, und es nicht mit der Klä-
rung von neuen, bisher nicht entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu belasten
(a.a.O. S. 355). So lag es hier nicht. Die Frage nach dem rechtssystematischen Ver-
hältnis der beiden zitierten personalvertretungsrechtlichen Vorschriften stellte sich im
Anlassfall ebenso, wie sie sich in den Fällen stellen wird, die von der abstrakten An-
tragstellung in der Beschwerdeinstanz erfasst sind. Auch in dieser Hinsicht war die
Kontroverse der Beteiligten bereits in ihren vorprozessualen Meinungsäußerungen
angelegt (vgl. die Vorlage der Fachdezernentin an den Personal- und Organisations-
ausschuss vom 15. Dezember 2000 einerseits und das Schreiben des Antragstellers
an den Beteiligten vom 21. Dezember 2000 andererseits). Diese Streitfrage ist vom
Beteiligten folgerichtig bereits in seiner erstinstanzlichen Antragserwiderung an erster
Stelle - weil logisch vorrangig - angesprochen worden. Sie wurde auch bereits vom
Verwaltungsgericht in seiner den Antrag ablehnenden Entscheidung - im Sinne des
Antragstellers - behandelt. Unter diesem Blickwinkel unterscheidet sich der vor-
liegende Streitfall von dem mit Beschluss des Senats vom 28. Juni 2002 - BVerwG
6 P 1.02 - (Buchholz 251.4 § 88 HmbPersVG Nr. 1 S. 2 f) entschiedenen Fall, in dem
der Senat einen dem Antrag des Antragstellers inhaltlich ähnelnden abstrakten Fest-
stellungsantrag mangels ausreichenden Feststellungsinteresses als unzulässig beur-
teilt hat. Die Beteiligten hatten sich seinerzeit nicht mit der Frage befasst, ob der
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Personalrat bei einer Ausschreibung mitzubestimmen hat, wenn diese zur Besetzung
einer Stelle durchgeführt wird, deren künftiger Inhaber zu denjenigen Beschäftigten
zählt, bei welchen die Mitbestimmung in Personalangelegenheiten nur auf Antrag
stattfindet. Im vorliegenden Fall war die Situation entgegengesetzt. Die Beteiligten
hatten von vornherein darüber gestritten, ob die Beteiligung des Personalrats bei
Ausschreibungen schon deswegen ausgeschlossen war, weil es um die Besetzung
einer Stelle ging, für welche eine Mitbestimmung in Personalangelegenheiten nicht
stattfindet.
Die in der Beschwerdebegründung angesprochene Sorge des Antragstellers, bei
Zulassung abstrakter Feststellungsanträge in dem vom Oberverwaltungsgericht be-
fürworteten Umfang würden die Gerichte in Personalvertretungssachen in erhebli-
chem Maße zur Erstellung von Gutachten zu abstrakten Rechtsfragen gezwungen,
teilt der Senat weder generell noch für den vorliegenden Fall. Auch wenn der Anlass
gebende Vorgang und die vom Feststellungsbegehren erfassten künftigen - sich
wahrscheinlich ereignenden - Sachverhalte in den Grundzügen übereinstimmen,
schafft die gerichtliche Entscheidung in einer zwischen Personalrat und Dienststelle
kontroversen Frage Rechtsfrieden. Die praktische Bedeutung einer solchen Ent-
scheidung erweist sich gerade auch im vorliegenden Fall: Mit der Rechtskraft der
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts steht fest, dass der Beteiligte künftig
auch bei der Besetzung von Stellen der Besoldungsgruppe B 3 und darüber das
Mitwirkungsrecht des Antragstellers nach § 73 Nr. 6 NWPersVG zu beachten hat.
Bardenhewer Büge Vormeier
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquelle:
NWPersVG § 79 Abs. 2
Stichworte:
Abstrakter Feststellungsantrag; Anlass gebender Vorgang und künftige Sachverhalte.
Leitsatz:
Gegen die Zulässigkeit eines abstrakten Feststellungsantrages bestehen auch dann
keine Bedenken, wenn der Anlass gebende Vorgang und die vom Feststellungsbe-
gehren erfassten künftigen Sachverhalte nur in den Grundzügen übereinstimmen.
Beschluss des 6. Senats vom 16. September 2004 - BVerwG 6 PB 6.04
I. VG Düsseldorf vom 24.01.2002 - Az.: VG 34 K 3002/01.PVL -
II. OVG Münster vom 19.05.2004 - Az.: OVG 1 A 672/02.PVL -