Urteil des BVerwG vom 16.09.2004

Mitbestimmung, Anpassung, Zahl, Abgrenzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 5.04
VGH PL 15 S 1930/03
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. September 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht B ü g e
und V o r m e i e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung
der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Verwaltungsgerichts-
hofs Baden-Württemberg - Fachsenat für Personalvertretungs-
sachen - vom 10. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Die hier allein erhobene und statthafte Abweichungsrüge greift nicht durch (§ 86
Abs. 2 BaWüPersVG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92 a Satz 1
ArbGG). Der angefochtene Beschluss weicht nicht von dem in der Beschwerdebe-
gründung zitierten Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 - BVerwG 6 P 6.97 -
(BVerwGE 108, 135) ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BaWüPersVG tat-
bestandsmäßige Bestellung bzw. Änderung eines Verteilungsgrundsatzes im Be-
schluss des Gemeinderats vom 10. November 1994 gesehen, die Tätigkeit der Pfle-
gedirektorinnen der vier dem Klinikum Stuttgart angehörenden Krankenhäuser - ab-
weichend von der sonst vorzunehmenden Eingruppierung nach Anlage 1 b zum
BAT/VKA (vgl. dazu BAG, Urteil vom 23. November 1994 - 4 AZR 873/93 - AP
Nr. 190 zu §§ 22, 23 BAT 1975) - in entsprechender Anwendung der Anlage 1 a zum
BAT/VKA zu vergüten. Dagegen hat er die Anhebungen der Vergütungen zum 1. Ja-
nuar 2002 - in einem Fall von Vergütungsgruppe I a nach Vergütungsgruppe I, in drei
Fällen von Vergütungsgruppe I b nach Vergütungsgruppe I a - als die Anwendung
der seit 1. Oktober 1994 unverändert fortbestehenden Entlohnungsgrundsätze durch
Festsetzung der Lohnhöhe im Einzelfall gewertet. Ein dazu in Widerspruch stehender
Rechtssatz lässt sich dem Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 nicht ent-
nehmen.
Die auf Seite 7 der Beschwerdebegründung zitierte Passage aus dem vorbezeichne-
ten Senatsbeschluss (a.a.O. S. 150) betrifft nicht die im Mittelpunkt des vorliegenden
Verfahrens stehende, vom Verwaltungsgerichtshof verneinte Frage, ob in der streiti-
gen Maßnahme eine abstrakt-generelle Regelung von dienststelleninternen Entloh-
nungsfragen zu sehen ist. Vielmehr ging es dabei um die Abgrenzung zwischen mit-
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bestimmungspflichtiger Änderung der Verteilungsgrundsätze und mitbestimmungs-
freier Festlegung der Lohnsumme für die gesamte Dienststelle, des so genannten
Dotierungsrahmens (a.a.O. S. 149). Mitbestimmungsfrei wäre demnach möglicher-
weise die vollständige und gleichmäßige prozentuale Herabsetzung der Vergütungen
für alle Beschäftigten der Dienststelle gewesen. Diese Voraussetzung lag im ent-
schiedenen Fall nicht vor, weil beim vorgegebenen reduzierten Dotierungsrahmen
nur ein Teil der Beschäftigten von einer Lohnsenkung betroffen war. Hier war eine
Problematik angesprochen, die gegenüber der Frage, ob überhaupt eine abstrakt-
generelle Regelung der dienststelleninternen Lohngestaltung vorlag, eigenständige
Bedeutung hatte. Damit musste sich der Verwaltungsgerichtshof schon deswegen
nicht befassen, weil es nach seiner Einschätzung bereits an der abstrakt-generellen
Regelung fehlte, die für das Eingreifen der Mitbestimmung nach § 79 Abs. 1 Satz 1
Nr. 5 BaWüPersVG Voraussetzung ist.
Allerdings findet sich im Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 auch die Aussage,
dass die erforderliche abstrakt-generelle Regelung in einer Strukturentscheidung der
Dienststelle zu sehen sein könnte, für eine nach objektiven Gesichtspunkten allge-
mein und umfassend bestimmte Gruppe von Beschäftigten ein von der übrigen
Dienststelle abweichendes Vergütungssystem einzuführen (a.a.O. S. 150). Von die-
sen Grundsätzen ist aber der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen, wie seine Aus-
führungen belegen. Er hat diese Strukturentscheidung ausschließlich bereits in dem
ab 1. Oktober 1994 festgelegten Verteilungsgrundsatz gesehen, wonach die Pflege-
direktorinnen entsprechend der Anlage 1 a zum BAT/VKA und die übrigen Arbeit-
nehmer des Klinikums unmittelbar nach der Anlage 1 b zum BAT/VKA entlohnt wer-
den. Dazu, ob die Anhebung ab 1. Januar 2002 lediglich eine durch die entsprechen-
de Anwendung der Anlage 1 a zum BAT/VKA vorgegebene Anpassung oder eine
neue die dienststelleninterne Lohngerechtigkeit betreffende Grundsatzentscheidung
war, lässt sich dem Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 mangels vergleichbarer
Fallgestaltung keine Aussage entnehmen.
In diesem Zusammenhang weist der Antragsteller unter Bezugnahme auf Recht-
sprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Senats im Ansatz zutreffend darauf
hin, dass es an dem in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BaWüPersVG vorausgesetzten kol-
lektiven Tatbestand nicht immer schon dann fehlt, wenn von der fraglichen Maß-
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nahme nur eine begrenzte Zahl von Personen betroffen ist (vgl. dazu aus der Se-
natsrechtsprechung zuletzt: Beschluss vom 12. August 2002 - BVerwG 6 P 17.01 -
Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 29 S. 34 f.). Er übersieht jedoch, dass das Vor-
liegen einer kollektiven Regelung für das Eingreifen der Mitbestimmung nach § 79
Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BaWüPersVG zwar notwendige, aber nicht hinreichende Voraus-
setzung ist. Erforderlich ist nicht nur eine generelle, sondern eine abstrakt-generelle
Regelung. Hieran fehlt es nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs.
Bardenhewer Büge Vormeier