Urteil des BVerwG vom 11.03.2014

Mitbewerber, Rechtseinheit, Abrede, Mensch

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 42.13
VGH 18 P 12.1909
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. März 2014
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich und
Dr. Möller
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - Fachsenat für
Personalvertretungsrecht Bund - vom 7. Oktober 2013
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Dies gilt zunächst, soweit es um die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1
geht (Abschn. II 1 der Beschwerdebegründung).
a) Die dahingehende Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1
Satz 2 ArbGG greift nicht durch.
Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch
die begehrte Entscheidung in seiner personalvertretungsrechtlichen Rechts-
position betroffen werden kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er
eigene Rechte geltend macht (vgl. Beschlüsse vom 23. September 2004
- BVerwG 6 P 5.04 - Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 77 S. 5 und vom
19. Februar 2013 - BVerwG 6 P 7.12 - BVerwGE 146, 48 = Buchholz 160 Wahl-
recht Nr. 53 Rn. 13 jeweils m.w.N.). Leitet der Antragsteller seine Rechtsposi-
tion aus seiner Stellung als Personalratsmitglied her, so entfällt seine Antrags-
befugnis mit dem Ausscheiden aus dem Personalrat (vgl. Beschluss vom
23. September 2004 a.a.O. S. 6).
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b) Da der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs mit der vorbezeichneten ak-
tuellen Senatsrechtsprechung im Einklang steht, geht die auf ältere, überholte
Rechtsprechung gestützte Divergenzrüge der Antragsteller ins Leere (§ 72
Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).
2. Die Gehörsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG
(Abschnitt II 2 a der Beschwerdebegründung) hat ebenfalls keinen Erfolg. Die
geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht entscheidungserheb-
lich.
Die Antragsteller haben im Anhörungstermin des Verwaltungsgerichtshofs vom
7. Oktober 2013 Schriftsatzfrist beantragt, um eine Liste über geeignete behin-
derte Bewerber vorzulegen, die nicht zu einem Bewerbungsgespräch vor dem
15. Dezember 2009 geladen wurden. Wäre der Verwaltungsgerichtshof diesem
Antrag nachgekommen, so hätte sich im Ergebnis nichts geändert.
Der Beteiligte zu 1 hat in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2009 unter Ta-
gungsordnungspunkt 5.1.2 der Einstellung einer Bewerberin zugestimmt. Zu
einer Einstellung kam es jedoch wegen Absage der Bewerberin nicht. Aus An-
lass dieses Falles verfolgen die Antragsteller ihr Begehren auf Feststellung,
dass der Beteiligte zu 1 gegen § 68 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG verstößt, wenn er im
Rahmen seiner Mitbestimmung bei Einstellung nach § 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG
unberücksichtigt lässt, dass mit geeigneten schwerbehinderten Bewerbern kein
Bewerbungsgespräch geführt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat den
Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgelehnt,
und zwar unter zwei verschiedenen Aspekten. Zum einen hat er auf der Grund-
lage des Senatsbeschlusses vom 23. März 1999 - BVerwG 6 P 10.97 -
(BVerwGE 108, 347 <354 f.> = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 98 S. 6 f.) be-
treffend den Übergang vom konkreten zum abstrakten Feststellungsbegehren
entschieden, dass die Frage nicht einbezogen werden durfte, in welcher Weise
intern durch Umsetzungen Stellen im IT-Bereich besetzt werden. Zum anderen
hat er hinsichtlich der Bewerbung um die Einstellung als Patentprüfer ange-
nommen, die Antragsteller hätten tatsachengestützt bis zum Schluss der Anhö-
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rung nicht vorgetragen, dass schwerbehinderten Bewerbern in dieser Hinsicht
ein Bewerbungsgespräch nicht angeboten worden wäre (Beschlussabdruck
Rn. 23). Auf diesen letztgenannten Aspekt bezieht sich die Gehörsrüge.
Bei dem streitigen Begehren handelt es sich um einen abstrakten Feststel-
lungsantrag, der gegenwarts- und zukunftsbezogen ist. Für seine Beurteilung
kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Ent-
scheidung an. Für das Rechtsschutzbedürfnis ist darauf abzustellen, ob der
Beteiligte zu 1 seine Pflichten gegenüber schwerbehinderten Bewerbern im gel-
tend gemachten Umfang gegenwärtig ausdrücklich bestreitet oder in seiner ak-
tuellen Verfahrenspraxis negiert. Aus der von den Antragstellern mit ihrer Be-
schwerdebegründung nachgereichten Liste kann sich allenfalls ergeben, dass
der Beteiligte zu 1 in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2009 der Einstellung
zugestimmt hat, bevor ein schwerbehinderter Bewerber seinen Vorstellungs-
termin hatte. Dabei handelte es sich um einen Vorgang, der im Zeitpunkt der
Anhörung vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits fast vier Jahre zurücklag und
von dem ein einziger schwerbehinderter Mensch betroffen war. Daraus kann
nicht hergeleitet werden, dass der Beteiligte zu 1 aktuell seine Verpflichtung in
Abrede stellt, die Zustimmung zu einer Einstellung erst zu erteilen, nachdem ein
geeigneter schwerbehinderter Mitbewerber sein Vorstellungsgespräch hatte.
Dass der Beteiligte zu 1 in seiner gegenwärtigen Mitbestimmungspraxis jenem
Gebot zuwiderhandelt, haben die Antragsteller in der Beschwerdebegründung
nicht dargelegt (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, § 92a Satz 2 ArbGG).
3. Die Abweichungsrüge in Abschnitt II 2 b der Beschwerdebegründung geht
offensichtlich fehl.
a) Die Antragsteller können ihre Abweichungsrüge nicht auf Entscheidungen
des Bundesarbeitsgerichts stützen. Nach der Verweisungsnorm in § 83 Abs. 2
BPersVG gelten die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Be-
schlussverfahren nur entsprechend. Dies bedeutet, dass nach Maßgabe von
§ 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG - neben Entscheidungen des Bun-
desverfassungsgerichts und des Gemeinsamen Senats - nur Entscheidungen
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des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte divergenzfä-
hig sind.
b) Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs weicht nicht von dem in der Be-
schwerdebegründung zitierten Urteil des 2. Senats des beschließenden Ge-
richts ab. Dieses Urteil betrifft die materiellen individualrechtlichen Pflichten des
Dienstherrn gegenüber einem behinderten Bewerber. Dagegen geht es im Be-
schluss des Verwaltungsgerichtshofs um die prozessual zulässige Herleitung
eines abstrakten Feststellungsbegehrens aus dem konkreten personalvertre-
tungsrechtlichen Anlassfall. Beide Entscheidungen behandeln unterschiedliche
Rechtsfragen in verschiedenen Rechtsbereichen. Sie können ohne Verletzung
der Rechtseinheit nebeneinander bestehen. Dies gilt im Übrigen in gleicher
Weise hinsichtlich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, auf welche die
Antragsteller ihre Divergenzrüge ebenfalls gestützt haben.
Büge
Dr. Graulich
Dr. Möller
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