Urteil des BVerwG vom 11.03.2014

Rechtskraftwirkung, Beteiligungsrecht, Vollziehung, Vollzug

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 41.13
VGH 18 P 12.1907
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. März 2014
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich und
Dr. Möller
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - Fachsenat für
Personalvertretungsrecht Bund - vom 7. Oktober 2013
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Dies gilt zunächst, soweit es um die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1
geht (Abschn. II 1 der Beschwerdebegründung).
a) Die dahingehende Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1
Satz 2 ArbGG greift nicht durch.
Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch
die begehrte Entscheidung in seiner personalvertretungsrechtlichen Rechts-
position betroffen werden kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er
eigene Rechte geltend macht (vgl. Beschlüsse vom 23. September 2004
- BVerwG 6 P 5.04 - Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 77 S. 5 und vom
19. Februar 2013 - BVerwG 6 P 7.12 - BVerwGE 146, 48 = Buchholz 160 Wahl-
recht Nr. 53 Rn. 13 jeweils m.w.N.). Leitet der Antragsteller seine Rechtsposi-
tion aus seiner Stellung als Personalratsmitglied her, so entfällt seine Antrags-
befugnis mit dem Ausscheiden aus dem Personalrat (vgl. Beschluss vom
23. September 2004 a.a.O. S. 6).
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b) Da der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs mit der vorbezeichneten ak-
tuellen Senatsrechtsprechung im Einklang steht, geht die auf ältere, überholte
Rechtsprechung gestützte Divergenzrüge der Antragsteller ins Leere (§ 72
Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).
2. Der Beschwerde bleibt gleichfalls der Erfolg versagt, soweit es um das Erfor-
dernis geht, vom konkreten zum abstrakten Feststellungsantrag überzugehen
(Abschn. II 2 a und b der Beschwerdebegründung). Mit den dazu erhobenen
Divergenzrügen kommen die Antragsteller nicht zum Zuge. Der Beschluss des
Verwaltungsgerichtshofs weicht nicht von der aktuellen Senatsrechtsprechung
ab.
a) Danach fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Feststellung begehrt
wird, dass eine bestimmte, bereits abgeschlossene Maßnahme unwirksam sei
oder dass an ihr ein Beteiligungsrecht bestanden habe, falls die Maßnahme im
Zeitpunkt der Entscheidung keine Rechtswirkung mehr entfaltet. In diesem Fall
könnte die Entscheidung einem Verfahrensbeteiligten lediglich bescheinigen,
dass er Recht oder Unrecht gehabt habe. Es ist aber nicht Aufgabe des Ge-
richts gutachterlich tätig zu werden. Das Rechtsschutzinteresse für eine fallbe-
zogene Feststellung wird auch nicht dadurch begründet, dass sie den Beteilig-
ten für künftige Fälle als Richtschnur dienen könnte. Ist zu erwarten, dass die
gleiche Streitfrage künftig erneut auftaucht, muss dem durch eine vom Aus-
gangsfall abgelöste Antragstellung Rechnung getragen werden, weil dann die
Rechtskraftwirkung auch für diese Fälle entschieden werden kann. Ein solcher
allgemeiner Feststellungsantrag muss spätestens in der letzten Tatsachenin-
stanz gestellt werden (vgl. Beschlüsse vom 12. November 2002 - BVerwG 6 P
2.02 - Buchholz 251.4 § 100 HmbPersVG Nr. 2 S. 3, vom 9. Juli 2007 - BVerwG
6 P 9.06 - Buchholz 250 § 46 BPersVG Nr. 30 Rn. 13 und vom 13. Juli 2011
- BVerwG 6 P 16.10 - BVerwGE 140, 134 = Buchholz 250 § 25 BPersVG Nr. 16
Rn. 12). Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn der Personalrat Rechte ge-
genüber dem Dienststellenleiter, sondern auch, wenn ein Personalratsmitglied
Rechte gegenüber dem Personalrat geltend macht. Hat sich daher der angegrif-
fene Personalratsbeschluss erledigt, muss das Personalratsmitglied zur abs-
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trakten Antragstellung übergehen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs
steht im Einklang mit der vorbezeichneten Rechtsprechung.
b) Er weicht in diesem Zusammenhang ferner nicht ab vom Senatsbeschluss
vom 14. Juni 2011 - BVerwG 6 P 10.10 - (Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG
Nr. 17). Danach ist die Dienststelle, wenn sie eine Maßnahme unter Missach-
tung von Mitbestimmungsrechten getroffen hat, objektivrechtlich verpflichtet, die
Maßnahme rückgängig zu machen, soweit dies rechtlich und tatsächlich mög-
lich ist (a.a.O. Rn. 10). Nur unter dieser Voraussetzung ist ein „konkreter“ Fest-
stellungsantrag zulässig, bei welchem die geltend gemachte Verletzung des
Mitbestimmungsrechts sich unmittelbar auf eine konkrete, in der Vergangenheit
erlassene und seitdem vollzogene Maßnahme des Dienststellenleiters bezieht
(vgl. Beschluss vom 2. Februar 2009 - BVerwG 6 P 2.08 - Buchholz 251.2 § 85
BlnPersVG Nr. 16 Rn. 11).
Der angefochtene Beschluss steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
Entgegen der Annahme der Antragsteller hat der Verwaltungsgerichtshof das
Rechtsschutzbedürfnis nicht schon deswegen verneint, weil die Maßnahme, auf
welche sich das streitige Begehren bezieht, vollzogen wurde. Er hat vielmehr
maßgeblich darauf abgestellt, dass es sich um einen abgeschlossenen, nicht
mehr rückgängig zu machenden Sachverhalt handelt (vgl. Beschlussabdruck
Rn. 22 unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 12. November 2002
a.a.O.). Die Vollziehung der hier mitbestimmungspflichtigen Maßnahme - die
Einstellung der Bewerberin als Beamtin - kann aus Rechtsgründen nicht mehr
rückgängig gemacht werden. Dies sehen auch die Antragsteller so, wenn sie
ausweislich ihrer Beschwerdebegründung ausführen, vorliegend sei eine Erle-
digung des konkreten Falls eingetreten (S. 12), ihnen gehe es nicht um das
Rückgängigmachen der Einstellung einer Bewerberin (S. 14).
Die Sorge der Antragsteller wegen Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist
unbegründet. Hat sich eine beteiligungspflichtige Maßnahme erledigt, weil ihr
Vollzug nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, so ist es dem Personalrat
unbenommen, eine abstrakte Feststellung des Inhalts zu beantragen, dass in
vergleichbaren Fällen ein Beteiligungsrecht besteht. Ebenso kann ein Personal-
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ratsmitglied, soweit es befugt ist, einen Personalratsbeschluss vor Gericht zu
beanstanden (vgl. dazu Beschlüsse vom 4. Oktober 2005 - BVerwG 6 P 12.04 -
Buchholz 251.95 § 24 MBGSH Nr. 1 Rn. 18 und vom 19. Februar 2003 a.a.O.
Rn. 13), den Antrag stellen, dass ein Personalratsbeschluss unter dem Anlass-
fall vergleichbaren Voraussetzungen rechtsunwirksam ist. Ein dahingehender
gerichtlicher Ausspruch ist besonders effektiv, weil sich seine Rechtskraftwir-
kung auf alle von ihm erfassten künftigen Fälle erstreckt.
c) Da der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs mit der vorbezeichneten ak-
tuellen Senatsrechtsprechung im Einklang steht, geht die auf ältere Entschei-
dungen des Bundesverwaltungsgerichts gestützte Divergenzrüge fehl. Unter
diesen Umständen kann dahinstehen, ob sich den zitierten älteren Entschei-
dungen überhaupt Rechtssätze entnehmen lassen, welche zu den entschei-
dungserheblichen Aussagen des Verwaltungsgerichtshofs im Gegensatz ste-
hen.
3. Die Grundsatzrüge in Abschnitt II 2 c der Beschwerdebegründung greift nicht
durch, weil die dort aufgeworfenen Rechtsfragen nicht entscheidungserheblich
sind. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hängt von der Klärung
dieser Rechtsfragen nicht ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Begehren des Antragstellers, den Be-
schluss des Beteiligten zu 1 vom 12. Mai 2009 zu TOP 5.1.6 für unwirksam zu
erklären, wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses mit der tragenden Be-
gründung abgelehnt, dass die mitbestimmungspflichtige Maßnahme, auf welche
sich der Beschluss des Beteiligten zu 1 bezieht, vollzogen wurde und nicht
mehr rückgängig zu machen ist. Diese Aussage bleibt von einer etwaigen Klä-
rung der aufgeworfenen Rechtsfragen unberührt. Die Antragsteller können sich
demgegenüber nicht auf die weitere Aussage im angefochtenen Beschluss be-
rufen, wonach Mängel der internen Willensbildung des Personalrats die beteili-
gungspflichtige Maßnahme selbst grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft machen
(Beschlussabdruck Rn. 24). Dabei handelt es sich lediglich um eine Hilfserwä-
gung („Dies gilt vorliegend auch deshalb“), die hinweggedacht werden kann,
ohne jene tragende Aussage in Frage zu stellen. Die Aussage, dass die mitbe-
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stimmungspflichtige Personalmaßnahme wegen unangreifbarer Rechtsposition
der eingestellten Beamtin nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, ist in
ihrem Bestand nicht von der Beantwortung der Frage abhängig, welche Auswir-
kungen eine fehlerhafte personalratsinterne Willensbildung auf die Rechtmä-
ßigkeit der fraglichen Personalmaßnahme hatte.
Büge
Dr. Graulich
Dr. Möller