Urteil des BVerwG vom 30.03.2009

Versetzung, Rechtliches Gehör, Mitbestimmungsrecht, Weisung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 30.08
OVG 17 LP 23/07
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und
Vormeier
beschlossen:
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung
der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Niedersächsi-
schen Oberverwaltungsgerichts (Fachsenat für Personal-
vertretungssachen des Bundes) vom 12. November 2008
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Divergenzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift
nicht durch. Der angefochtene Beschluss weicht nicht von den in der Be-
schwerdebegründung zitierten Entscheidungen ab.
a) Der Beteiligte entnimmt den Senatsbeschlüssen vom 15. Dezember 1978
- BVerwG 6 P 18.78 - (Buchholz 238.3 A § 76 BPersVG Nr. 2), vom
30. September 1987 - BVerwG 6 P 19.85 - (Buchholz 251.5 § 66 HePersVG
Nr. 3) und vom 15. Juli 2004 - BVerwG 6 P 15.03 - (Buchholz 250 § 47
BPersVG Nr. 13) folgenden Rechtssatz: „Reine Organisationsentscheidungen,
die keine Änderung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse nach sich ziehen, die
nicht auf bestimmte Personen gerichtet sind und auf organisationspolitischen
Gründen beruhen, lösen nicht das Mitbestimmungsrecht bei Versetzung aus,
selbst wenn ein Dienststellenwechsel bezüglich der betroffenen Beschäftigten
vorliegt.“ (Nr. 2.1 der Beschwerdebegründung).
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Einen dazu im Widerspruch stehenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsge-
richt nicht aufgestellt. Ausweislich seiner Ausführungen im angefochtenen Be-
schluss hat es zwischen zwei Arten von Entscheidungen unterschieden: Zum
einen die Anordnung der Zentrale der Bundesagentur, wonach die verwaltungs-
internen Aufgaben Personal, Controlling/Finanzen und Infrastruktur sowie die
infrastrukturellen Dienste in Internen Services bei 45 der insgesamt 176 Agen-
turen für Arbeit gebündelt und der IT-Service in 24 dieser Internen Services
zusammengefasst wurden (Nr. 3.1 und Anlage 1 der Handlungsempfehlun-
gen/Geschäftsanweisungen - HE/GA - vom 30. November 2006), zum anderen
die von der jeweiligen Agentur für Arbeit bzw. Regionaldirektion auszuspre-
chende Versetzung der betroffenen Mitarbeiter zu derjenigen Agentur für Arbeit,
an deren Sitz der Interne Service eingerichtet wurde (Nr. 5 Abs. 1 HE/GA vom
30. November 2006). Nach der Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts
handelte es sich somit nicht um eine „reine“, sich selbst vollziehende Organisa-
tionsentscheidung, sondern um eine organisatorische Maßnahme, auf deren
Grundlage zahlreiche personelle Einzelmaßnahmen in Gestalt von Versetzun-
gen vorzunehmen waren. Die für Versetzungen typische Änderung der Dienst-
und Arbeitsverhältnisse liegt darin, dass die betroffenen Beschäftigten aus der
alten Dienststelle aus- und in die neue eingegliedert werden.
Aus den zitierten Senatsentscheidungen ergibt sich entgegen der Annahme des
Beteiligten nicht, dass bei organisatorischen Entscheidungen der hier in Rede
stehenden Art die Mitbestimmung bei nachfolgenden personellen Ein-
zelmaßnahmen entfällt.
aa) Im Beschluss vom 15. Dezember 1978 ging es um die probeweise Zusam-
menführung des Bahnbusverkehrs und des Postreisedienstes; die Dienst- und
Arbeitsverhältnisse der Fahrer der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen
Bundespost wurden von beiden Institutionen fortgeführt. Die Zusammenlegung
war - anders als im vorliegenden Fall nach der Beurteilung des Oberverwal-
tungsgerichts - mit keinen personellen Maßnahmen verbunden, an welche eine
Beteiligung der Personalvertretung hätte anknüpfen können (a.a.O. S. 23).
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bb) Im Beschluss vom 30. September 1987 wurde das Verhältnis der Mitwir-
kung des Personalrats bei organisatorischen Maßnahmen wie Einschränkung
oder Zusammenlegung von Dienststellen zu anderen Beteiligungsrechten an-
gesprochen. Die damals anzuwendende landesrechtliche Bestimmung wurde
als Spezialvorschrift gekennzeichnet, welche die Beteiligung des Personalrats
an den von ihr benannten organisatorischen Maßnahmen abschließend regelt,
Mitbestimmungsrechte, welche einzelne Aspekte oder Folgen der organisatori-
schen Maßnahme begründen könnten, also ausschließt (a.a.O. S. 2). Eine
Aussage, dass die Beteiligung des Personalrats bei organisatorischen Maß-
nahmen die Mitbestimmung bei nachfolgenden personellen Einzelmaßnahmen
ausschließt, lässt sich daraus nicht herleiten. Die in Bezug genommenen älte-
ren Senatsentscheidungen verbieten ein derartiges Verständnis. In diesen Ent-
scheidungen ging es jeweils um die Frage, welches Beteiligungsrecht sich
durchsetzt, wenn bei ein und derselben Maßnahme sowohl ein Mitwirkungs- als
auch ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist (vgl. Beschlüsse vom
7. Februar 1980 - BVerwG 6 P 35.78 - Buchholz 238.32 § 90 BlnPersVG Nr. 1
und vom 17. Juli 1987 - BVerwG 6 P 6.85 - BVerwGE 78, 47 = Buchholz 250
§ 75 BPersVG Nr. 50 sowie - BVerwG 6 P 3.84 - Buchholz 250 § 75 BPersVG
Nr. 51; vgl. dazu einschränkend und modifizierend aus der neueren Senats-
rechtsprechung: Beschlüsse vom 19. Mai 2003 - BVerwG 6 P 16.02 - Buchholz
250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 4 ff. und vom 1. September 2004 - BVerwG 6 P
3.04 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 13 S. 2 ff.). Jedenfalls ist das Thema
einer Beteiligung bei personellen Folgemaßnahmen organisatorischer Ent-
scheidungen dort nicht behandelt. Dagegen wurde in der aktuellen Senats-
rechtsprechung ausgesprochen, dass schwächere Beteiligungsformen „im Vor-
feld“ das Mitbestimmungsrecht bei der späteren personellen Einzelmaßnahme
nicht verdrängen (zur Beteiligung bei der Personalplanung und der späteren
Einstellung: Urteil vom 21. März 2007 - BVerwG 6 P 4.06 - BVerwGE 128, 212
= Buchholz 251.8 § 78 RhPPersVG Nr. 1 Rn. 49 ff.).
cc) Dem Beschluss vom 15. Juli 2004 lag eine organisatorische Maßnahme
zugrunde, durch welche eine militärische Dienststelle, die einer bestimmten
höheren militärischen Dienststelle nachgeordnet war, einer anderen Dienststelle
unterstellt wurde. Versetzungen oder sonstige personelle Maßnahmen waren
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damit - auch hier im Gegensatz zum vorliegenden Fall - nicht verbunden (a.a.O.
S. 12). An einer verbindlichen Aussage zur Beteiligung an organisatorischen
Maßnahmen einerseits und personellen Folgemaßnahmen andererseits fehlt
es; darauf kam es angesichts des Sachverhalts nicht an. Im Übrigen ist der Se-
natsbeschluss vom 15. Juli 2004 ganz wesentlich durch die Besonderheit ge-
prägt, dass die Zustimmung des Personalrats zur Versetzung eines Personal-
ratsmitgliedes nicht ersetzt werden kann (§ 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG); inso-
fern ist die Rechtslage bei Beschäftigten ohne personalvertretungsrechtliche
Funktion eine grundlegend andere (s.u. Abschnitt 1.e).
b) Der Beteiligte entnimmt dem Senatsbeschluss vom 10. März 1992 - BVerwG
6 P 13.91 - (Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 24) folgenden Rechtssatz: „Eine
mitbestimmungspflichtige Maßnahme kann dann nicht vorliegen, wenn von der
vorgesetzten Dienststelle dem Dienststellenleiter kein Handlungsspielraum ein-
geräumt wird.“ (Nr. 2.2 der Beschwerdebegründung).
Richtigerweise ergeben sich aus der einschlägigen Senatsrechtsprechung indes
folgende Aussagen: Die Entscheidungsbefugnis einer Dienststelle der
nachgeordneten Verwaltungsebene und damit auch die Beteiligungsbefugnis
der bei ihr gebildeten Personalvertretung wird nicht dadurch aufgehoben, dass
das Handeln dieser Dienststelle von internen Weisungen der übergeordneten,
weisungsbefugten Dienststelle ganz oder teilweise bestimmt wird. Derartige
interne Weisungen berühren die Entscheidungszuständigkeit des Dienststellen-
leiters nicht; er trifft vielmehr seine Entscheidung innerhalb der Dienststelle und
nach außen eigenverantwortlich. Das Beteiligungsrecht einer Personalvertre-
tung an einer Maßnahme des Dienststellenleiters kann zwar durch eine unmit-
telbar gestaltende Anordnung einer vorgesetzten Dienststelle ausgeschlossen
sein, wenn diese dem Dienststellenleiter keinen eigenen Regelungsspielraum
lässt. Dies ist der Fall, wenn sich das Handeln der übergeordneten Dienststelle
nicht in einer internen Weisung erschöpft, sondern im Wege des Selbsteintritts
den nachgeordneten Dienststellen die Zuständigkeit für die Regelung entzieht
(vgl. Beschlüsse vom 16. Juni 1989 - BVerwG 6 P 10.86 - BVerwGE 82, 131
<133> = Buchholz 250 § 8 BPersVG Nr. 1 S. 2, vom 22. Februar 1991
- BVerwG 6 PB 8.90 - juris Rn. 13 und vom 10. März 1992 a.a.O. S. 34 f.). Die
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Entscheidungszuständigkeit der nachgeordneten Dienststelle wird somit nicht
dadurch berührt, dass sie eine strikte Weisung der übergeordneten Dienststelle
befolgt. Anders liegt es nur, wenn die übergeordnete Dienststelle die Entschei-
dung im Einzelfall an sich zieht und sich zu deren Übermittlung der nachgeord-
neten Dienststelle als Boten bedient. Jedenfalls kann von einer unmittelbar
gestaltenden Anordnung der übergeordneten Dienststelle keine Rede sein,
wenn diese generelle Weisungen für Personalangelegenheiten erlässt, die von
den nachgeordneten Dienststellen im Wege personeller Einzelmaßnahmen - mit
oder ohne Entscheidungsspielraum - umzusetzen sind. Bei einem derartigen
Dualismus von genereller Weisung und Ausführung im Einzelfall wird die
Beteiligung auf der Ausführungsebene nicht verdrängt.
An die vorgenannten Grundsätze hat sich das Oberverwaltungsgericht im ange-
fochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf die zitierte Senatsrechtsprechung
gehalten. Auf dieser Grundlage ist es nach Auswertung der HE/GA vom
30. November 2006 in Verbindung mit der Dienstvereinbarung vom 13. Oktober
2003 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zuständigkeit für die Versetzungen der
einzelnen von der Organisationsmaßnahme betroffenen Mitarbeiter ungeachtet
der zentralen Vorgaben bei den Agenturen für Arbeit bzw. Regionaldirektionen
verblieben war.
c) Unter Nr. 2.3 seiner Beschwerdebegründung spricht der Beteiligte zwei
Themen an, die personalvertretungsrechtlich auseinanderzuhalten sind, nämlich
zum einen die Auswirkungen von Dienstvereinbarungen auf die Mitbestimmung
und zum anderen die Zuständigkeit der Personalvertretungen im Verhältnis
zueinander.
aa) Dem Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 P 16.91 -
(BVerwGE 91, 276 = Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 23) entnimmt der Betei-
ligte den Rechtssatz: „Durch den Abschluss einer Dienstvereinbarung wird die
Mitbestimmung verbraucht.“ Diese Annahme ist ergänzungsbedürftig.
Nach der vorbezeichneten Senatsentscheidung haben Dienstvereinbarungen
den Zweck, die Beteiligung der Personalvertretung in einer Vielzahl von Einzel-
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fällen mit gleichem sachlichem Gegenstand zu erübrigen. Der Abschluss einer
Dienstvereinbarung stellt sich mithin als vorweggenommene Mitbestimmung dar
(a.a.O. S. 283 bzw. S. 35). Die Dienstvereinbarung darf freilich gegenständlich
nicht außerhalb eines der in § 75 Abs. 3, § 76 Abs. 2 BPersVG genannten
Mitbestimmungstatbestände liegen (a.a.O. S. 284 bzw. S. 35).
Die letztgenannte Einschränkung kommt hier bei dem Ansatz des Oberverwal-
tungsgerichts zum Tragen, wonach die Versetzungen von den nachgeordneten
Dienststellen in eigener Zuständigkeit zu verfügen waren. Dies hat die Mitbe-
stimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG zur Folge.
Für die Personalangelegenheiten in § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG ist
aber - anders als bei den Angelegenheiten nach § 75 Abs. 3 und § 76 Abs. 2
BPersVG - der Abschluss einer Dienstvereinbarung nicht vorgesehen und da-
her unzulässig (§ 73 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Danach kann die Regelung in § 1
Abs. 1 Satz 3 der Dienstvereinbarung vom 13. Oktober 2003 keine Rechts-
wirksamkeit entfalten, soweit sie sich auf die Mitbestimmung in Personalange-
legenheiten nach § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG bezieht; dies hat das
Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt.
bb) Dem Senatsbeschluss vom 22. Februar 1991 (juris Rn. 28) entnimmt der
Beteiligte den Rechtssatz: „Die Befugnisse und Pflichten von Personalvertre-
tung und Dienststelle bedingen sich gegenseitig; der Personalrat besitzt kein
Antragsrecht, wenn es um Angelegenheiten geht, für die allein eine übergeord-
nete Behörde zuständig ist.“ Ferner entnimmt er dem Senatsbeschluss vom
24. Februar 2006 - BVerwG 6 P 4.05 - (Buchholz 251.91 § 77 SächsPersVG
Nr. 1 Rn. 13) den Rechtssatz: „Soweit die Entscheidungskompetenz bei der
übergeordneten Dienststelle liegt, ist deren Personalvertretung zu beteiligen.“
Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Rechtssätzen nicht widersprochen. Es
hat angenommen, dass die Agenturen für Arbeit bzw. Regionaldirektionen für
den Erlass der Versetzungsverfügungen zuständig geblieben sind. Daraus er-
gibt sich zwingend, dass die dortigen Personalräte zu beteiligen sind. Unter
diesen Umständen ist nach der aus § 82 Abs. 1 BPersVG folgenden Zustän-
digkeitsverteilung für eine Beteiligung des Hauptpersonalrats kein Raum (vgl.
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Beschluss vom 13. September 2002 - BVerwG 6 P 4.02 - Buchholz 250 § 82
BPersVG Nr. 17 S. 8 f.).
d) Den bereits zitierten Senatsbeschlüssen vom 30. September 1987 und
15. Juli 2004 entnimmt der Beteiligte ferner den Rechtssatz: „Organisatorische
Maßnahmen wie Unterstellungswechsel oder Umressortierungen, die ohne An-
sehen der Person erfolgen, schließen ein Mitbestimmungsrecht nach § 75
Abs. 1 Nr. 3/ § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG aus.“ (Nr. 2.4 der Beschwerdebegrün-
dung). Auch insoweit liegt eine Abweichung nicht vor. Zur Vermeidung von
Wiederholungen nimmt der Senat auf seine Ausführungen zu Abschnitt 1.a Be-
zug.
e) Schließlich entnimmt der Beteiligte dem Senatsbeschluss vom 15. Juli 2004
(a.a.O. S. 11) folgenden Rechtssatz: „Organisatorische Maßnahmen der in § 78
Abs. 1 Nr. 2 BPersVG genannten oder vergleichbaren Art sind ohne Verletzung
des demokratischen Prinzips der Mitbestimmung des Personalrats nur in der
Weise zugänglich, dass auf der letzten Stufe die Entscheidung der Einigungs-
stelle den Charakter einer Empfehlung an die oberste Dienstbehörde hat (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 24.05.1995 - 2 BvF 1/92 -; BVerfGE 93, 37, 73).“
(Nr. 2.5 der Beschwerdebegründung).
Das Oberverwaltungsgericht ist von diesem Rechtssatz nicht abgewichen. Es
hat dem Antragsteller kein Mitbestimmungsrecht bei organisatorischen Maß-
nahmen der in § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG genannten oder vergleichbaren Art
zuerkannt, sondern ein solches bei Versetzung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3, § 76
Abs. 1 Nr. 4 BPersVG. Auch insofern gilt freilich das Modell der eingeschränk-
ten Mitbestimmung nach § 69 Abs. 4 Satz 3 und 4, § 88 Nr. 3 Satz 1 BPersVG,
und zwar bei Beamten in direkter und bei Arbeitnehmern in entsprechender
Anwendung dieser Regelung (vgl. Beschlüsse vom 18. Juni 2002 - BVerwG 6 P
12.01 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 28 S. 31 und vom 30. Juni 2005
- BVerwG 6 P 9.04 - BVerwGE 124, 34 <44 ff.> = Buchholz 250 § 75 BPersVG
Nr. 106 S. 46 ff.).
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Diese aus Verfassung und Gesetz sich ergebende Einschränkung der Mitbe-
stimmung brauchte das Oberverwaltungsgericht nicht im Tenor seines Be-
schlusses zum Ausdruck zu bringen. Der Senat verfährt in ständiger Praxis
ebenso.
Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass eine Abweichung vom zitierten Be-
schluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 nicht vorliegt.
f) Die Abweichungsrüge ist unzulässig, soweit sie sich auf den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts Münster vom 3. Juli 2003 - 1 B 2333/02.PVB - (PersR
2003, 504) stützt. Denn in derselben Rechtsfrage ist der zitierte Senatsbe-
schluss vom 15. Juli 2004 ergangen (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG). Abgesehen
davon weicht der angefochtene Beschluss vom Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts Münster ebenso wenig ab wie vom Senatsbeschluss vom 15. Juli
2004.
2. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG
bleibt gleichfalls ohne Erfolg.
a) Der Beteiligte will geklärt wissen, ob der Mitbestimmungstatbestand der Ver-
setzung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG neben einem
Dienststellenwechsel zusätzlich eine wesentliche Änderung im Arbeits- bzw.
Dienstpostenbereich verlangt (Nr. 3.1 der Beschwerdebegründung). Diese Fra-
ge ist mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu verneinen, so dass es einer
Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.
aa) Primär geht es hier um die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3
BPersVG, weil das Personal der Bundesagentur vorrangig aus Arbeitnehmern
besteht (§ 387 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 4 Abs. 1 Satz 4 des Tarifvertra-
ges für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit
vom 28. März 2006 ist Versetzung die Zuweisung einer auf Dauer bestimmten
Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle der Bundesagentur unter Fortset-
zung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. In vergleichbarer Weise hat der
Senat den dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz bei einer anderen
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Dienststelle desselben Arbeitgebers als kennzeichnend für den tarifrechtlichen
Versetzungsbegriff erachtet und dieses Verständnis der Mitbestimmung bei der
Versetzung von Arbeitnehmern zugrunde gelegt (vgl. Beschluss vom 2. August
2005 - BVerwG 6 P 11.04 - Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 5 S. 7). Ein
Wechsel im Bereich der dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten ist daher
nicht Bestandteil des Versetzungsbegriffs.
bb) Im Ergebnis dasselbe gilt für die Versetzung von Beamten. § 28 BBG vom
5. Februar 2009, BGBl I S. 160, definiert jetzt die Versetzung als eine auf Dauer
angelegte Übertragung eines anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle bei
demselben oder einem anderen Dienstherrn. Diese erstmalige Legaldefinition,
mit welchem der Gesetzgeber eine inhaltliche Änderung gegenüber dem alten
Rechtszustand nicht verbinden wollte (vgl. BTDrucks 16/7076 S. 107), erfasst
die organisationsrechtliche Versetzung, welche nach ständiger Senats-
rechtsprechung der Mitbestimmung nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG unterfällt
(vgl. Beschlüsse vom 2. August 2005 a.a.O. S. 6 und vom 15. November 2006
- BVerwG 6 P 1.06 - BVerwGE 127, 142 = Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 40
Rn. 17). Dabei ist mitgedacht, dass der Beamte mit dem Ausscheiden aus sei-
ner bisherigen Dienststelle sein dort innegehabtes Funktionsamt im abstrakten
und im konkreten Sinne verliert und dass ihm mit der dauernden Zuweisung zur
neuen Dienststelle irgendein seinem statusrechtlichen Amt entsprechender
Aufgabenkreis übertragen wird (vgl. Urteil vom 18. September 2008 - BVerwG
2 C 8.07 - juris Rn. 12; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz,
§ 26 Rn. 2a; Summer, in: GKÖD, Bd. I, K § 26 Rn. 5). Es kommt daher weder
dienst- noch personalvertretungsrechtlich darauf an, ob der dem Beamten bei
der neuen Dienststelle übertragene Aufgabenkreis sich von demjenigen unter-
scheidet, den er bei seiner alten Dienststelle wahrzunehmen hatte.
cc) Dass für die Mitbestimmung bei der Versetzung von Arbeitnehmern und
Beamten keine wesentlichen Änderungen im Arbeits- und Dienstpostenbereich
zu verlangen sind, gebieten im Übrigen rechtssystematische und teleologische
Gesichtspunkte. § 75 Abs. 1 Nr. 3 und § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG erklären die
Versetzung zu einer anderen Dienststelle ebenso wie die mit einem Dienstort-
wechsel verbundene Umsetzung innerhalb der Dienststelle für mitbestim-
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mungspflichtig. Eine Umsetzung liegt vor, wenn dem Beschäftigten ein neuer
Dienstposten übertragen wird oder wenn der Dienstposten durch wesentliche
Änderungen im Aufgabenbereich eine neue, andere Prägung erhält (vgl. Be-
schluss vom 22. Juli 2003 - BVerwG 6 P 3.03 - Buchholz 251.7 § 72
NWPersVG Nr. 30 S. 44). Wesentliche Änderungen im Arbeits- und Dienstpos-
tenbereich lösen daher die Mitbestimmung des Personalrats bei Umsetzungen
aus. Bei Versetzungen ist dies der Dienststellenwechsel. Dieser ist als Ausglie-
derung aus der bisherigen und Eingliederung in die neue Dienststelle als sol-
cher typischerweise mit erheblichen Veränderungen des beruflichen Umfeldes
verbunden (Unterstellung unter eine andere Dienststellenleitung, Zusammenar-
beit mit anderen Mitarbeitern). Die Mitbestimmung bei Versetzungen verlöre
gegenüber derjenigen bei Umsetzungen ihre Trennschärfe und wäre von unan-
gemessen scharfen Anforderungen abhängig, wenn man für sie neben dem
Dienststellenwechsel noch wesentliche Änderungen im Arbeits- bzw. Dienst-
postenbereich verlangte.
dd) Entgegen der Annahme des Beteiligten findet im Betriebsverfassungsrecht
eine vergleichbare Bewertung statt. Es handelt sich um mitbestimmungspflich-
tige Versetzungen nach § 95 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wenn
Arbeitsplätze von Arbeitnehmern bei gleichbleibenden Aufgaben und Tätigkei-
ten in einen anderen Betrieb des Unternehmens verlagert werden (vgl. BAG,
Beschlüsse vom 10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - AP Nr. 4 zu § 95 BetrVG 1972,
Bl. 636 R, vom 19. Februar 1991 - 1 ABR 36/90 - BAGE 67, 236 <243> und
vom 16. Januar 2007 - 1 ABR 16/06 - AP Nr. 52 zu § 99 BetrVG 1972 Einstel-
lung Rn. 30; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfas-
sungsgesetz, 24. Aufl. 2008, § 99 Rn. 138).
b) Der Beteiligte will ferner geklärt wissen, ob die Beteiligung der Stufenvertre-
tung, die bei der entscheidungsbefugten Dienststelle angesiedelt ist, das Mitbe-
stimmungsrecht der Personalvertretung der nachgeordneten Dienststelle aus-
schließt (Nr. 3.2 der Beschwerdebegründung). Diese Frage ist eindeutig zu be-
jahen, allerdings unter der wesentlichen Voraussetzung, dass es sich um ein
und dieselbe Maßnahme handelt. Ist Letzteres der Fall, so schließt das Beteili-
gungsrecht der Stufenvertretung nach dem System des § 82 Abs. 1 BPersVG
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jegliche Beteiligung des Personalrats einer nachgeordneten Dienststelle aus.
Anders liegt es, wenn die übergeordnete Dienststelle generelle Entscheidungen
trifft und die nachgeordneten Dienststellen auf dieser Grundlage Einzelmaß-
nahmen vornehmen. Hat z.B. die oberste Dienstbehörde mit dem Hauptperso-
nalrat Versetzungsrichtlinien vereinbart (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG), so
hat der Personalrat der nachgeordneten Dienststelle zu prüfen, ob die von die-
ser Dienststelle beabsichtigte Versetzung dagegen verstößt (§ 77 Abs. 2 Nr. 1
BPersVG). Von einer vergleichbaren Arbeitsteilung der Personalvertretungen
auf den verschiedenen Ebenen ist das Oberverwaltungsgericht hier bei organi-
satorischer Grundentscheidung und personellen Folgemaßnahmen ausgegan-
gen. Dies wirft keine bisher ungeklärten Fragen auf. Die Mitwirkung der Stufen-
vertretung bei einer organisatorischen Maßnahme nach § 78 Abs. 1 Nr. 2
BPersVG kann die Mitbestimmung des Personalrats bei einer von der Dienst-
stelle auszusprechenden Versetzung offensichtlich nicht ersetzen.
c) Soweit in der Beschwerdebegründung insgesamt sinngemäß die Frage auf-
geworfen sein sollte, ob für eine Mitbestimmung des Personalrats Raum ist,
wenn die Versetzung zwingende Folge einer Organisationsmaßnahme ist, sei
Folgendes ausgeführt:
Im Rahmen der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3, § 76 Abs. 1 Nr. 4
BPersVG hat der Personalrat die Rechtmäßigkeit der Versetzung zu überprüfen
(§ 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG). Er ist berechtigt und verpflichtet, seine Zustim-
mung zu verweigern, wenn die Versetzung rechtswidrig ist, weil die gesetzli-
chen oder tariflichen Voraussetzungen nicht vorliegen oder die Ermessensaus-
übung Defizite aufweist. Dies gilt auch dann, wenn die Dienststelle mit der be-
absichtigten Versetzung einer generellen Weisung der übergeordneten Dienst-
stelle nachkommen will, weil eine rechtswidrige Maßnahme nicht dadurch
Rechtmäßigkeit erlangen kann, dass sie auf Weisung ergeht.
Im vorliegenden Fall war es grundsätzlich sachgerecht, diejenigen Mitarbeiter,
die mit dem von der Organisationsreform betroffenen Aufgabenkreis befasst
waren, zu den Agenturen für Arbeit mit Internem Service zu versetzen. Wie in-
des dem Vortrag des Beteiligten in der Beschwerdebegründung zu entnehmen
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ist, wurden nach dem 1. März 2007, dem Stichtag der Organisationsreform,
Versetzungen zu anderen Dienstorten unter Beteiligung des Personalrats vor-
genommen. Eine dahingehende Möglichkeit bestand aber bereits zum Stichtag
der Organisationsreform, von welcher nach Angaben des Beteiligten in der Be-
schwerdebegründung bundesweit etwa 6 000 Mitarbeiter betroffen waren. Bei
dieser Sachlage war nicht ausgeschlossen, dass es im Einzelfall gute Gründe
gab, von der Versetzung abzusehen oder sie in Bezug auf den Dienstort zu
modifizieren. Hierdurch war Raum für eine sinnvolle Beteiligung des Personal-
rats an der Versetzung eröffnet. Dass dieser dabei die Tatsache der unter Be-
teiligung des Hauptpersonalrats beschlossenen Organisationsreform als solche
zu akzeptieren hatte, ist selbstverständlich.
3. Die Gehörsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG (Nr. 4
der Beschwerdebegründung) geht offensichtlich fehl. Das Oberverwaltungsge-
richt hat nicht dadurch den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör ver-
letzt, dass es im Anschluss an den Anhörungstermin in der Sache entschieden
hat.
Von einer Überraschungsentscheidung kann schon deswegen keine Rede sein,
weil das Oberverwaltungsgericht seine Absicht, von seiner im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes eingenommenen Rechtsauffassung abzuweichen,
im Anhörungstermin offengelegt hat, wie der Beteiligte in der Beschwerdebe-
gründung selbst einräumt. Mit einer derartigen Entwicklung des Verfahrens
musste der Beteiligte bei der Vorbereitung des Anhörungstermins rechnen, weil
Gerichte stets gehalten sind, ihre bereits verlautbarte Rechtsauffassung auf
Einwände hin zu überdenken und ggf. zu ändern. Eine gewissenhafte Vorberei-
tung des Anhörungstermins durch den Beteiligten hätte daher alle Rechtsprob-
leme einbeziehen müssen, die sich im vorliegenden Fall stellen konnten; diese
waren, wie die Begründung des angefochtenen Beschlusses belegt, nach Art
und Umfang überschaubar.
Der Beteiligte war im Anhörungstermin des Oberverwaltungsgerichts durch ei-
nen Beamten des gehobenen Dienstes, dessen Name im Kopf aller vorberei-
tenden Schriftsätze angegeben war, ordnungsgemäß vertreten (§ 11 Abs. 2
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Satz 2 Nr. 1, § 87 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Ihm war es freilich unbenommen, ei-
nen Rechtsanwalt oder einen Bediensteten mit Befähigung zum Richteramt
zum Termin zu entsenden. Dass er davon abgesehen hat, liegt in seinem Ver-
antwortungsbereich. Vor diesem Hintergrund liegt seine Annahme fern, das
Oberverwaltungsgericht hätte die Sache vertagen und ihm Gelegenheit zu er-
gänzender Stellungnahme geben müssen.
4. Der Senat hält es für sachgerecht, über die Nichtzulassungsbeschwerde in
allen sechs Parallelsachen an demselben Tag zu entscheiden, um zeitgleich
Rechtssicherheit zu schaffen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 Abs. 2
BPersVG i.V.m. § 2a Abs. 1 ArbGG und § 2 Abs. 2 GKG). Eine Verbindung er-
schien nicht zweckmäßig, nachdem die Verfahren bislang stets getrennt waren
und die Kosten verursachende Anwaltstätigkeit bereits erfolgt ist.
Dr. Bardenhewer
Büge
Vormeier
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