Urteil des BVerwG vom 11.11.2009

Versetzung, Rechtliches Gehör, Betriebsrat, Unterrichtung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 25.09
OVG 5 L 27/06
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. November 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und
Vormeier
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachse-
nats für Landespersonalvertretungssachen des Oberver-
waltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. Mai
2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom
15. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 78 Abs. 2 SAPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Rügen hinsichtlich der Mitbestimmung bei Versetzung von Arbeitneh-
mern (Abschnitt 1 der Beschwerdebegründung) greifen nicht durch.
a) Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG
kommt nicht zum Zuge. Die in Abschnitt 1.3 aufgeworfenen Rechtsfragen ha-
ben keine grundsätzliche Bedeutung.
Der Antragsteller will im Ergebnis geklärt wissen, ob die Betreuungsforstämter,
die durch Beschluss der Landesregierung vom 6. September 2005 (MBl. LSA
S. 633) eingerichtet wurden, andere Dienststellen im Sinne des Mitbestim-
mungstatbestandes „Versetzung“ gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 SAPersVG sind.
Diese und die weiteren in diesem Zusammenhang aufgeworfenen personalver-
tretungsrechtlichen Rechtsfragen lassen sich anhand einschlägiger Senats-
rechtsprechung beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Rechtsbe-
schwerdeverfahrens bedarf.
aa) Nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 SAPersVG bestimmt der Personalrat bei der Ver-
setzung von Arbeitnehmern zu einer anderen Dienststelle mit. Es gilt der tarif-
rechtliche Versetzungsbegriff. Demgemäß bestimmt jetzt Protokollerklärung
Nr. 2 zu § 4 Abs. 1 TVL - in sinngemäßer Übereinstimmung mit dem schon zu-
vor zugrunde gelegten Begriffsverständnis der Senatsrechtsprechung -, dass
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Versetzung die vom Arbeitgeber veranlasste, auf Dauer bestimmte Beschäfti-
gung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Ar-
beitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist (vgl.
Beschlüsse vom 2. August 2005 - BVerwG 6 P 11.04 - Buchholz 251.2 § 86
BlnPersVG Nr. 5 S. 7 und vom 30. März 2009 - BVerwG 6 PB 29.09 - juris
Rn. 26).
bb) Wesentliches Merkmal der mitbestimmungspflichtigen Versetzung ist da-
nach wie auch nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Mitbestimmungstatbe-
standes in § 67 Abs. 1 Nr. 4 SAPersVG der Dienststellenwechsel. Dabei ist un-
ter Dienststelle - im Einklang mit dem allgemeinen dienstrechtlichen Behörden-
begriff - die mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestattete organisatorische
Einheit von Personen und sächlichen Mitteln zu verstehen, die dazu berufen ist,
öffentliche Aufgaben wahrzunehmen (vgl. Beschlüsse vom 6. April 1984
- BVerwG 6 P 39.83 - Buchholz 238.36 § 78 NdsPersVG Nr. 4 S. 6 f. und vom
12. September 2002 - BVerwG 6 P 11.01 - Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG
Nr. 4 S. 2 f. m.w.N.). Ob diese Merkmale erfüllt sind, ist anhand der Aussagen
in den einschlägigen organisationsrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen (vgl.
zum Fachbereich einer Universität: Beschluss vom 6. April 1984 a.a.O. S. 7; zu
den medizinischen Einrichtungen einer Universität: Beschluss vom 16. Juni
2000 - BVerwG 6 P 6.99 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 26 S. 12 f.; zu
den Schulen als Teilen des Landesschulamtes: Beschluss vom 12. September
2002 a.a.O. S. 3 f.; zur Klinik als Teil eines Universitätsklinikums: BAG, Be-
schluss vom 22. Januar 2004 - 1 AZR 495/01 - AP Nr. 25 zu § 91a ZPO
Bl. 1195).
cc) Dagegen ist zur Beantwortung der Frage, ob der für die Mitbestimmung bei
Versetzungen notwendige Dienststellenwechsel vorliegt, der spezielle perso-
nalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff in § 6 SAPersVG nicht maßgeblich.
Personalvertretungsrechtliche Festlegungen des Dienststellenbegriffs, die
spezifischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen im Zusammenhang mit der Bildung
von Personalvertretungen dienen, schlagen grundsätzlich nicht auf die
Abgrenzung der Versetzungen, Abordnungen und Umsetzungen betreffenden
Mitbestimmungstatbestände durch. Insbesondere ist der Wechsel eines Be-
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schäftigten von der Hauptdienststelle zu einer gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1
SAPersVG verselbstständigten Stelle keine mitbestimmungspflichtige Verset-
zung (vgl. Beschlüsse vom 6. April 1984 a.a.O. S. 6, vom 16. Juni 2000 a.a.O.,
vom 28. Mai 2002 - BVerwG 6 P 9.01 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 27
S. 22 f. und vom 12. September 2002 a.a.O. S. 3).
dd) Dass die hier in Rede stehenden Betreuungsforstämter keine Dienststellen
im Sinne von § 67 Abs. 1 Nr. 4 SAPersVG sind, haben das Verwaltungsgericht
und - ihm folgend - das Oberverwaltungsgericht bereits anhand des Beschlus-
ses der Landesregierung über die Neustrukturierung der Landesforstverwaltung
Sachsen-Anhalt vom 6. September 2005 zutreffend erkannt. Danach untersteht
dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt eine nicht rechtsfähige Anstalt
mit Sitz in Bernburg, die seit 1. Januar 2006 den Namen „Landesanstalt für
Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (LLFG)“ trägt. Dieser nachgeordnet ist
der Landesbetrieb für Privatwaldbetreuung und Forstservice (LPF). In Nr. 7 des
Beschlusses vom 6. September 2005 sind für den LPF die Standorte der Be-
triebsleitung sowie der ihm zugeordneten zehn Betreuungsforstämter (Be-
triebseinheiten) bestimmt. Damit hat die Landesregierung kraft ihrer Organisati-
onsgewalt unmissverständlich festgelegt, dass die Betreuungsforstämter un-
selbstständige Teile des einheitlichen Betriebes „LPF“ sind. Sie hält sich damit
an den dreistufigen Behördenaufbau, wie er für die Staatsverwaltung typisch ist.
Dass die Betreuungsforstämter nach den Feststellungen des Oberverwal-
tungsgerichts weder über eigene Haushalte verfügen noch ihnen Stellen zur
eigenständigen Bewirtschaftung zugewiesen sind, bestätigt den sich bereits aus
dem Organisationserlass vom 6. September 2005 ergebenden Befund.
b) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass das Ober-
verwaltungsgericht nicht im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2
ArbGG vom zitierten Senatsbeschluss vom 6. April 1984 abgewichen ist, soweit
es selbstständig tragend und unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Be-
schluss eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nach Maßgabe des Dienst-
und Organisationsrechts verneint hat (Beschlussabdruck S. 9). Soweit es in
einer Hilfsbegründung den personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff
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zugrunde gelegt hat, war dies aus Rechtsgründen zwar nicht angebracht, aber
letztlich unschädlich, weil sich am Ergebnis dadurch nichts geändert hat.
2. Gleichfalls ohne Erfolg bleiben die Rügen, soweit sie sich auf die Mitbestim-
mung bei der Eingruppierung beziehen (Abschnitt 2 der Beschwerdebegrün-
dung).
a) Die Grundsatzrüge geht fehl. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass
jede Überprüfung einer bestehenden Eingruppierung aus Anlass der Übertra-
gung neuer Aufgaben, die zur Schaffung eines neuen, bisher noch nicht bewer-
teten Arbeitsplatzes geführt haben, als Neueingruppierung der Mitbestimmung
des Personalrats bei Eingruppierung unterliegt (vgl. Beschluss vom
8. Dezember 1999 - BVerwG 6 P 3.98 - BVerwGE 110, 151 <155 ff.> = Buch-
holz 250 § 75 BPersVG Nr. 100 S. 11 ff.). Von dieser Aussage ist der Senat im
Beschluss vom 27. August 2008 - BVerwG 6 P 11.07 - (BVerwGE 131, 383 =
Buchholz 251.6 § 65 NdsPersVG Nr. 1) nicht abgerückt. Er hat am Beschluss
vom 8. Dezember 1999 nur insoweit nicht festgehalten, als es um die Berück-
sichtigung persönlicher Merkmale im Rahmen der Mitbestimmung bei der Ein-
gruppierung geht (Beschluss vom 27. August 2008 a.a.O. Rn. 41).
b) Von Rechtssätzen aus dem Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1999 zum
Inhalt des Begriffs der Eingruppierung ist das Oberverwaltungsgericht schon
deswegen nicht abgewichen, weil es aus verfahrensrechtlichen Gründen zur
Frage der Mitbestimmung bei Eingruppierung im Zusammenhang mit einer
Umsetzung nicht zur Sache Stellung genommen hat. Es hat angenommen, die-
se Frage sei nicht Gegenstand des Verfahrens (Beschlussabdruck S. 10).
c) Mit der Gehörsrüge nach § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommt
der Antragsteller ebenfalls nicht zum Zuge.
aa) Er beruft sich auf einen „Schriftsatz vom 17.01.2003 (S. 11 f.)“. Gemeint ist
offenbar die Passage entsprechender Seitenzahl in der Beschwerdebegrün-
dung vom 18. Januar 2007. Dort hat der Antragsteller dazu vorgetragen, dass
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„die Personalmaßnahmen ohne Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens
zur Eingruppierung nicht vollzogen werden durften“.
bb) Diesen Vortrag hat das Oberverwaltungsgericht zur Kenntnis genommen
und rechtlich gewürdigt. Es hat ihn bei der Darstellung des Beschwerdevorbrin-
gens zusammenfassend wiedergegeben (Beschlussabdruck S. 6). Es hat ihn
ferner bei der Erörterung einer etwaigen Mitbestimmungspflichtigkeit nach § 67
Abs. 1 Nr. 1 SAPersVG behandelt (Beschlussabdruck S. 10). Es hat dabei auf
eine einschlägige Passage im zitierten Senatsbeschluss vom 8. Dezember
1999 Bezug genommen. Danach gilt das Prinzip der Trennung von personaler
Status- und Verwendungsentscheidung einerseits und tarifrechtlicher Tätig-
keitszuordnung andererseits. Daher erstreckt sich das Recht zur Mitbeurteilung
der Eingruppierung keineswegs auf die Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes im
Wege der Umsetzung. Soweit ein Mitbestimmungsverfahren wegen der Ein-
gruppierung durchzuführen ist, muss dieses der Umsetzung auch nicht etwa
vorausgehen. Es kann den sofortigen Vollzug der Umsetzung nicht hindern.
Beides hat miteinander nichts zu tun (a.a.O. S. 159 f. bzw. S. 14).
cc) Der im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag zu 1 war auf die Feststellung
gerichtet, dass der Beteiligte die Rechte des Antragstellers in Zusammenhang
mit der Verwendung der genannten Arbeitnehmer ab dem 1. April 2006 verletzt
hat. Mitbestimmungsrechte werden dadurch verletzt, dass mitbestimmungs-
pflichtige Maßnahmen ohne die erforderliche Zustimmung des Personalrats
vollzogen werden (§ 61 Abs. 1 SAPersVG). Wie sich aus den zitierten Ausfüh-
rungen im Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1999 ergibt, durfte der Beteiligte
die Umsetzung ungeachtet der etwaigen Mitbestimmungspflicht einer Neuein-
gruppierung durchführen; die Umsetzung war wegen fehlenden Antrages der
betroffenen Arbeitnehmer nicht mitbestimmungspflichtig (§ 67 Abs. 1 Nr. 5
SAPersVG). Ein noch ausstehendes Mitbestimmungsverfahren zur Eingruppie-
rung hat nicht die Auswirkungen eines Beschäftigungsverbotes und konnte da-
her die Weiterverwendung der Arbeitnehmer an den neuen Standorten nicht
hindern. Die Eingruppierung als solche bedarf nicht des Vollzuges, sondern
folgt den Grundsätzen der Tarifautomatik: Der Arbeitnehmer wird nicht eingrup-
piert, er ist eingruppiert. Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung
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hat daher das Oberverwaltungsgericht die auf die Verwendung der Arbeitneh-
mer bezogenen Anträge zu 1 und 2 auch mit Blick auf die Mitbestimmung bei
Eingruppierung nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 SAPersVG als unbegründet abgelehnt.
dd) Ebenfalls zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht es abgelehnt, die An-
träge zu 1 und 2 dahin auszulegen, dass in ihnen ein eigenständiger Antrag auf
Feststellung des Mitbestimmungsrechts bei Eingruppierung enthalten war. Dies
scheiterte schon an der insoweit eindeutigen Antragsformulierung. Im Übrigen
verbot es sich auch deshalb, weil der Antragsteller selbst in der zitierten Passa-
ge seiner Beschwerdebegründung vom 18. Januar 2007 (S. 11 f.) wiederholt
darauf abgestellt hat, dass seine Rechte dadurch verletzt worden seien, dass
die Personalmaßnahmen ohne Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens
zur Eingruppierung vollzogen worden seien. Dem Antragsteller wäre es unbe-
nommen gewesen, sein behauptetes Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierung
in einem personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren gerichtlich klären
zu lassen. Er hätte sich rechtliches Gehör ferner dadurch verschaffen können,
dass er einen entsprechenden Feststellungsantrag spätestens im Anhörungs-
termin vor dem Oberverwaltungsgericht zusätzlich gestellt hätte (§ 81 Abs. 3,
§ 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 ArbGG). Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom
28. Mai 2009 ist dies nicht geschehen.
d) Soweit der Antragsteller die Thematik des verfahrensrechtlichen Verhältnis-
ses der Mitbestimmungstatbestände nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 und § 67
Abs. 1 Nr. 1 SAPersVG zueinander in Abschnitt 2.3 seiner Beschwerdebegrün-
dung - mit Blick auf die dortige erste Fragestellung und trotz der Präzisierung in
den folgenden zwei Fragestellungen - zum Gegenstand einer Grundsatzrüge
gemacht haben sollte, so wäre diese offensichtlich unbegründet, weil ein Klä-
rungsbedarf aus den vorstehenden Gründen nicht besteht.
3. Die hinsichtlich der Zustimmungsfiktion allein erhobene Abweichungsrüge
(Abschnitt 3 der Beschwerdebegründung) bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Der
angefochtene Beschluss weicht nicht von den Senatsbeschlüssen vom
27. Januar 1995 - BVerwG 6 P 22.92 - (BVerwGE 97, 349 = Buchholz 250 § 72
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BPersVG Nr. 1) und vom 24. Februar 2006 - BVerwG 6 P 4.05 - (Buchholz
251.91 § 77 SächsPersVG Nr. 1) ab.
a) Nach den vorgenannten Entscheidungen beginnt die Äußerungsfrist des
Personalrats im Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungsverfahren mit der von ihr
umfassten Billigungsfiktion für den Fall, dass eine Äußerung nicht abgegeben
wird (vgl. § 61 Abs. 3 Satz 8 SAPersVG), erst mit der vollständigen Unterrich-
tung durch den Dienststellenleiter zu laufen (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar
1995 a.a.O. S. 351 und 356 f. bzw. S. 2 und 6 f. sowie vom 24. Februar 2006
a.a.O. Rn. 17). Das Oberverwaltungsgericht hat diesem Grundsatz nicht wider-
sprochen, aber unter bestimmten Umständen verlangt, dass der Personalrat
noch innerhalb der Äußerungsfrist um ergänzende Informationen nachsucht.
Dabei hat es sich auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Be-
triebsverfassungsrecht berufen.
b) Auch nach dieser Rechtsprechung gilt, dass die Äußerungsfrist des § 99
Abs. 3 BetrVG erst in Gang gesetzt wird, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat
zuvor im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ordnungsgemäß über die ge-
plante Maßnahme unterrichtet hat. Doch muss der Betriebsrat den Arbeitgeber
unter bestimmten Umständen innerhalb der Äußerungsfrist um Vervollständi-
gung der erteilten Auskünfte bitten, wenn er diese nicht für ausreichend hält.
Voraussetzung für die Notwendigkeit dieser Bitte ist indes, dass der Arbeitgeber
davon ausgehen durfte, er seinerseits habe den Betriebsrat im Sinne von § 99
Abs. 1 Satz 1 BetrVG vollständig unterrichtet. Vollständig ist diese Unter-
richtung nur, wenn der Arbeitgeber zu den in § 99 Abs. 1 BetrVG genannten
Aspekten der geplanten Maßnahme jedenfalls unverzichtbare Angaben bereits
gemacht hat. Nur unter dieser Voraussetzung kann dem Betriebsrat deutlich
werden, dass der Arbeitgeber der Pflicht des § 99 Abs. 1 BetrVG nachkommen
wollte und die Unterrichtung subjektiv als ausreichend und ordnungsgemäß
angesehen hat. In diesem Fall fordert das Gebot der vertrauensvollen Zusam-
menarbeit, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber innerhalb der Wochenfrist,
während dieser seine Stellungnahme erwartet, Mitteilung macht, wenn er für
eine abschließende Erklärung weitere Informationen benötigt (vgl. BAG, Be-
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schlüsse vom 14. März 1989 - 1 ABR 80/87 - BAGE 61, 189 <194, 197 ff.> und
vom 14. Dezember 2004 - 1 ABR 55/03 - BAGE 113, 109 <113 ff., 117 f.>).
c) Die beiden zitierten Senatsentscheidungen stehen nicht im Widerspruch zur
vorbezeichneten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der Senat hatte
dort keinen Anlass, sich mit der besonderen Fallkonstellation zu befassen, die
in den genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts behandelt wird.
Im Senatsbeschluss vom 27. Januar 1995 war die Unterrichtung durch die
Dienststelle als vollständig zu betrachten (a.a.O. S. 357 bzw. S. 7), und im Se-
natsbeschluss vom 24. Februar 2006 ging es um den Umfang der Informati-
onspflicht als solcher (a.a.O. Rn. 16 ff.). Das Oberverwaltungsgericht durfte
daher der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgen, ohne sich
zugleich in Widerspruch zur Senatsrechtsprechung zu setzen. Es hat auch zu
Recht angenommen, dass eine abweichende Bewertung im Personalvertre-
tungsrecht nicht gerechtfertigt ist. Der Senat kann dies hier bestätigen, weil die
Rechtsfrage durch das Bundesarbeitsgericht geklärt ist und es deswegen der
Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens nach § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG nicht bedarf.
Dr. Bardenhewer
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
SAPersVG §§ 6, 61, 67
Stichworte:
Mitbestimmung bei Versetzung; Dienststellenwechsel; Dienststellenbegriff; Mit-
bestimmung bei Neueingruppierung; Vollzug der Umsetzung; Verlangen des
Personalrats nach ergänzender Unterrichtung.
Leitsätze:
1. Ob der für die mitbestimmungspflichtige Versetzung notwendige Dienststel-
lenwechsel vorliegt, beurteilt sich nach Dienst- und Organisationsrecht; der per-
sonalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff ist nicht maßgeblich.
2. Ein noch ausstehendes Mitbestimmungsverfahren bei Neueingruppierung
hindert nicht den Vollzug einer mitbestimmungsfreien Umsetzung.
3. Der Personalrat ist im Mitbestimmungsverfahren unter Umständen gehalten,
noch innerhalb der Äußerungsfrist ergänzende Informationen zu der von der
Dienststelle beabsichtigten Maßnahme zu verlangen.
Beschluss des 6. Senats vom 11. November 2009 - BVerwG 6 PB 25.09
I. VG Dessau vom 21.09.2006 - Az.: VG 11 A 8/06 DE -
II. OVG Magdeburg vom 28.05.2009 - Az.: OVG 5 L 27/06 -