Urteil des BVerwG vom 18.09.2009

Gesetzlicher Vertreter, Vollmacht, Eigenschaft, Rechtsquelle

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 23.09
OVG 17 LP 6/08
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. September 2009
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier und Dr. Möller
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Nieder-
sächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für
Personalvertretungssachen des Bundes - vom 7. Mai
2009 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrü-
ge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in
der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzli-
che Bedeutung.
Die Antragstellerin will sinngemäß geklärt wissen, ob der Schutzzweck des § 9
BPersVG unverhältnismäßig überdehnt wird, wenn für eine rechtswirksame An-
tragstellung gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG verlangt wird, dass der Perso-
nalleiter einer zur gerichtlichen Vertretung der öffentlichen Arbeitgeberin beru-
fenen Behörde innerhalb der Ausschlussfrist dem Gericht eine vom Behörden-
leiter ausgestellte Vollmacht vorlegt. Diese Frage ist anhand ständiger Senats-
rechtsprechung eindeutig zu beantworten, so dass es ihrer Klärung in einem
Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.
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Nach dieser Rechtsprechung muss innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist
des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG eine verantwortliche Entscheidung desjenigen
vorliegen, der den Arbeitgeber gerichtlich vertritt. Diese Voraussetzungen sind
für alle Beteiligten sichtbar erfüllt, wenn die innerhalb der Ausschlussfrist ein-
gegangene Antragsschrift vom gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers unter-
zeichnet ist. Eine rechtzeitige Antragstellung ist aber auch durch eine Antrags-
schrift möglich, die durch einen nachgeordneten Bediensteten unterschrieben
ist; dieser muss dann allerdings seine Vertretungsbefugnis innerhalb der Aus-
schlussfrist durch Vorlage einer Vollmacht nachweisen, die vom gesetzlichen
Vertreter des Arbeitgebers unterzeichnet ist (vgl. Beschlüsse vom 1. Dezember
2003 - BVerwG 6 P 11.03 - BVerwGE 119, 270 <274 ff.> = Buchholz 250 § 9
BPersVG Nr. 23 S. 26 ff., vom 8. Juli 2008 - BVerwG 6 P 14.07 - Buchholz 250
§ 9 BPersVG Nr. 31 Rn. 17, vom 19. Januar 2009 - BVerwG 6 P 1.08 - juris
Rn. 20 und vom 19. August 2009 - BVerwG 6 PB 19.09 - juris Rn. 4).
Die vorbezeichnete Rechtsprechung findet ihre Grundlage im Zweck der Rege-
lung des § 9 BPersVG, den Jugendvertreter vor nachteiligen Folgen der
Amtsausübung zu schützen sowie die Kontinuität der Gremienarbeit zu sichern.
Der betroffene Jugendvertreter soll spätestens zwei Wochen nach Beendigung
seines Ausbildungsverhältnisses Sicherheit über die verantwortlich entschiede-
nen Absichten seines Arbeitgebers haben. Hierdurch wird ihm die Möglichkeit
gegeben, frühzeitig einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Damit erfüllt das Frist-
erfordernis eine Signalfunktion (vgl. Beschlüsse vom 1. Dezember 2003 a.a.O.
S. 277 f. bzw. S. 28 f. und vom 19. August 2009 a.a.O. Rn. 5).
Eine unangemessene Überdehnung des Schutzgedankens in § 9 BPersVG ist
mit dieser Rechtsprechung nicht verbunden. Die dort gestellten formellen An-
forderungen an die wirksame Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG
sind von den öffentlichen Arbeitgebern leicht zu erfüllen. Demgegenüber ist der
Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Jugendvertreter keine
beiläufig zu erledigende Routineangelegenheit. Vielmehr geht es dabei um die
berufliche Existenz junger Menschen, die sich mit der Übernahme einer perso-
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nalvertretungsrechtlichen Funktion für die Belange jugendlicher Beschäftigter
und Auszubildender in der Dienststelle eingesetzt haben.
Ob der Personalleiter einer den öffentlichen Arbeitgeber vertretenden Behörde
ohne Vorlage der Vollmacht des Behördenleiters den Auflösungsantrag stellen
kann, hängt demnach davon ab, ob er selbst anstelle des Behördenleiters zur
gerichtlichen Vertretung des Arbeitgebers befugt ist. Ist das nicht der Fall, so ist
er wie jeder andere nachgeordnete Bedienstete zu behandeln. Ist er anstelle
des Behördenleiters zur gerichtlichen Vertretung berufen, so müssen die dele-
gierenden Bestimmungen entweder veröffentlicht sein oder dem Gericht inner-
halb der zweiwöchigen Ausschlussfrist vorgelegt werden. Nur auf diese Weise
wird der zu Gunsten des Jugendvertreters wirkenden Signalfunktion des Frister-
fordernisses Rechnung getragen (vgl. Beschlüsse vom 8. Juli 2008 a.a.O.
Rn. 26 und vom 23. Juli 2008 - BVerwG 6 PB 13.08 - Buchholz 250 § 9
BPersVG Nr. 32 Rn. 11 f.).
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Bundesrepublik Deutschland als Ar-
beitgeberin im Sinne von § 9 BPersVG von der zuständigen Wasser- und
Schifffahrtsdirektion vertreten wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Nr. 2 Buchst. b, § 3
Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 der Anordnung über die Vertretung der Bundes-
republik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen - VertrOBVBW - vom 4. April 2005, VkBl. S. 391).
Diese wird wiederum durch ihren Präsidenten vertreten (§ 6 Abs. 1 Halbs. 1
VertrOBVBW); er ist gesetzlicher Vertreter der Bundesrepublik Deutschland. Ob
in § 6 Abs. 1 Halbs. 2 VertrOBVBW gemeint ist, dass diese Eigenschaft mit
Wirkung für das gerichtliche Verfahren auf einen Abteilungsleiter in seinem
Zuständigkeitsbereich übergehen kann, ist mit Blick auf die Regelung in § 6
Abs. 2 VertrOBVBW nicht zweifelsfrei. Bejaht man dies, so müssen jedenfalls
die etwa in Betracht kommenden delegierenden Bestimmungen (Ge-
schäftsordnung, Aufgabenverteilungsplan, Tätigkeitsbeschreibung) für eine
wirksame Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG entweder veröffent-
licht sein oder innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist dem Gericht vorgelegt
werden. Dass solches geschehen ist, hat das Oberverwaltungsgericht nicht
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festgestellt. In der Senatsrechtsprechung bisher nicht geklärte Rechtsprobleme
ergeben sich daraus nicht.
Büge
Vormeier
Dr. Möller
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
BPersVG
§ 9
Stichworte:
Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters; Auflösungsantrag des Arbeitgebers;
Befugnis eines Abteilungsleiters zur gerichtlichen Vertretung.
Leitsatz:
Soll zur gerichtlichen Vertretung des öffentlichen Arbeitgebers anstelle des Be-
hördenleiters ein Abteilungsleiter berufen sein, so müssen für eine wirksame
Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG die delegierenden Bestimmun-
gen entweder veröffentlicht sein oder innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist
dem Gericht vorgelegt werden.
Beschluss des 6. Senats vom 18. September 2009 - BVerwG 6 PB 23.09
I. VG Oldenburg vom 15.07.2008 - Az.: VG 8 A 371/08 -
II. OVG Lüneburg vom 07.05.2009 - Az.: OVG 17 LP 6/08 –