Urteil des BVerwG vom 25.06.2009

Tgv, Steuer, Verfügung, Reisekosten

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 15.09
VGH PB 15 S 2635/07
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juni 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und
Vormeier
beschlossen:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzu-
lassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 3. März 2009
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch den
Verwaltungsgerichtshof gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1
ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72
Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwer-
debegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Der Beteiligte zu 1 will geklärt wissen, ob die Dienststelle nach § 44 Abs. 1
Satz 1 BPersVG verpflichtet ist, freigestellten Mitgliedern der Stufenvertretung,
die vom Sitz der Stufenvertretung außerhalb ihres Dienst- und Wohnsitzes täg-
lich an ihren Wohnsitz zurückkehren, die auf Trennungsgeld in Form einer
Wegstreckenentschädigung anfallende Einkommensteuer zu erstatten. Diese
Frage ist mit dem Verwaltungsgerichtshof anhand einschlägiger Senatsrecht-
sprechung eindeutig zu bejahen, so dass es einer Klärung im Rechtsbeschwer-
deverfahren nicht bedarf.
Der Senat hat im Beschluss vom 27. Januar 2004 - BVerwG 6 P 9.03 - (Buch-
holz 250 § 44 BPersVG Nr. 33) entschieden, dass in den Fällen, in denen frei-
gestellte Mitglieder der Stufenvertretung, die an deren Sitz eine zweite Unter-
kunft genommen haben, für das ihnen bewilligte Trennungsübernachtungsgeld
Steuern zu entrichten haben, die Dienststelle zum Ausgleich der dadurch ent-
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standenen Mehrbelastung verpflichtet ist. Dass Gleiches für die Wegstrecken-
entschädigung gilt, die freigestellten Mitgliedern der Stufenvertretung bei tägli-
cher Rückkehr zum Wohnort zusteht, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht
angenommen.
1. Für seine entgegengesetzte Auffassung kann sich der Beteiligte zu 1 nicht
auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juni 2007 - 7 ABR
62/06 - (AP Nr. 31 zu § 38 BetrVG 1972) berufen. Nach dieser Entscheidung
hat das freigestellte Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Erstattung der
Fahrtkosten zwischen Wohnort und Betriebsratssitz; dies gilt bei einem aus
mehreren räumlich voneinander getrennt liegenden Betriebsstätten bestehen-
den Betrieb auch dann, wenn das Betriebsratsmitglied ohne die Freistellung
nicht in der Betriebsstätte zu arbeiten hätte, in der sich der Sitz des Betriebsrats
befindet, sondern in einer anderen, seinem Wohnort näher gelegenen Be-
triebsstätte (a.a.O. Rn. 14). Mit der Berufung auf diese Entscheidung wendet
sich der Beteiligte zu 1 der Sache nach dagegen, dass freigestellten Personal-
ratsmitgliedern wegen der Fahrten zwischen Wohnort und Personalratssitz
überhaupt Kosten erstattet werden, und sieht deswegen für eine Erstattung der
auf die Wegstreckenentschädigung entfallenden Einkommensteuer erst recht
keinen Raum. Damit kann er jedoch aus zwei Gründen nicht durchdringen.
a) Zum einen liegt hier eine bestandskräftige behördliche Entscheidung vor,
durch welche dem Antragsteller für seine täglichen Fahrten zwischen Wohnort
und Sitz des Bezirkspersonalrats Trennungsgeld bewilligt wurde. Damit steht
dem Grunde nach unanfechtbar fest, dass die fraglichen Fahrtkosten im Sinne
von § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG durch die Tätigkeit des Personalrats entstan-
den und deswegen von der Dienststelle zu tragen waren. Schon deswegen
verbietet es sich, von einer Anspruchsverneinung dem Grunde nach auf die
Verneinung des hier streitigen Anspruchs zu schließen, der auf die Erstattung
einbehaltener Einkommensteuer gerichtet ist.
b) Unabhängig davon entfaltet die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsge-
richts für die hier gegebene Konstellation keine Aussagekraft. Dieser Entschei-
dung lag der Fall eines freigestellten Mitglieds eines „örtlichen“ Betriebsrats
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zugrunde. Dem vergleichbar ist - wenn überhaupt - allenfalls der Fall eines frei-
gestellten Mitglieds des örtlichen Personalrats. Im vorliegenden Fall geht es
aber um das freigestellte Mitglied einer Stufenvertretung. Stufenvertretungen
werden bei den Behörden der Mittelstufe und bei den obersten Dienstbehörden
gebildet (§ 53 Abs. 1 BPersVG). Ihr Sitz am Ort der betreffenden übergeordne-
ten Dienststelle ist häufig und typischerweise weit vom Wohnort seiner Mitglie-
der entfernt. Freigestellte Mitglieder müssen dort täglich oder jedenfalls mehr-
fach in der Woche zugegen sein. Dies ist mit erheblichen Kosten verbunden, sei
es bei täglicher Rückkehr zum Wohnort, sei es bei Anmietung einer Zweit-
wohnung am Sitz der Stufenvertretung. Ein vollständiger Umzug ist freigestell-
ten Mitgliedern der Stufenvertretung - anders als mit ihrer Zustimmung versetz-
ten Beschäftigten - mit Rücksicht auf ihr auf vier Jahre begrenztes Wahlamt
nicht zuzumuten. Deswegen entscheidet der Senat in ständiger und gefestigter
Rechtsprechung, dass freigestellten Mitgliedern der Stufenvertretung wegen
Ausübung ihrer Personalratstätigkeit an dem von ihrem Wohnort und bisheri-
gem Dienstort verschiedenen Sitz der Stufenvertretung Trennungsgeld zusteht
(vgl. Beschlüsse vom 14. Februar 1990 - BVerwG 6 P 13.88 - Buchholz 250
§ 44 BPersVG Nr. 17 S. 16 ff., vom 27. Januar 2004 a.a.O. S. 13 f. und vom
21. Mai 2007 - BVerwG 6 P 5.06 - Buchholz 251.5 § 42 HePersVG Nr. 1 Rn. 14
und 19 ff.). Rechtsgrundlage dafür ist primär § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG. Denn
die Anwendung der einschlägigen reisekostenrechtlichen Bestimmungen über
§ 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG setzt voraus, dass die fraglichen Reisekosten im
Sinne der Grundregel des § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG durch die Tätigkeit des
Personalrats entstanden sind (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 2004 a.a.O.
S. 13 f. und vom 21. Mai 2007 a.a.O. Rn. 13).
Ein Widerspruch zum zitierten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom
13. Juni 2007 besteht mit Blick auf die Eigenheiten des Personalvertretungs-
rechts im Allgemeinen und die spezielle Stellung der Stufenvertretungen im
Besonderen nicht. Dies sieht offenbar auch das Bundesarbeitsgericht so. An-
dernfalls hätte es mit Rücksicht auf die im Zeitpunkt seiner Entscheidung be-
reits vorliegende Senatsrechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 14. Februar 1990
a.a.O., vom 27. Januar 2004 a.a.O. und vom 25. November 2004 - BVerwG 6 P
6.04 - Buchholz 251.7 § 40 NWPersVG Nr. 3) die Sache dem Gemeinsamen
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Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorlegen müssen (§ 2 Abs. 1
RsprEinhG).
Steht fest, dass freigestellten Mitgliedern der Stufenvertretung wegen Ausübung
ihrer Personalratstätigkeit am Sitz der Stufenvertretung Trennungsgeld zusteht,
so gilt, dass der in § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG vorgesehene Aufwen-
dungsersatz tatsächlich in vollem Umfang zur Verfügung stehen muss. Daran
knüpft der hier streitige Anspruch an, wenn im Widerspruch zum Regelungs-
konzept des § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG vom bewilligten Trennungsgeld Steu-
ern einbehalten werden (vgl. Beschluss vom 27. Januar 2004 a.a.O. S. 14).
2. Entschieden hat der Senat das in einem Fall, in welchem Mitgliedern einer
Stufenvertretung Trennungsübernachtungsgeld gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2
TGV bewilligt war (vgl. Beschluss vom 27. Januar 2004 a.a.O. S. 13 f.). Auf Be-
sonderheiten bei dessen Berechnung hat er dabei jedoch nicht abgestellt. Es
trifft zwar zu, dass für das Trennungsübernachtungsgeld - insbesondere hin-
sichtlich der vertraglich vereinbarten Miete für die Zweitunterkunft - der Wirk-
lichkeitsmaßstab gilt, während die Regelungen zur Bemessung der Wegstre-
ckenentschädigung in § 6 Abs. 1 TGV und § 5 Abs. 1 und 2 BRKG pauschalie-
render Natur sind. Seine Aussage, dass der in § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG
vorgesehene Aufwendungsersatz tatsächlich in vollem Umfang zur Deckung
der Aufwendungen zur Verfügung stehen muss, hat der Senat im Beschluss
vom 27. Januar 2004 jedoch ausdrücklich im Zusammenhang mit den typisie-
renden und pauschalierenden Bestimmungen des Reisekostenrechts getroffen
(a.a.O. S. 14). Dies ist auch hinsichtlich der Regelungen zur Bemessung der
Wegstreckenentschädigung gerechtfertigt, weil diese darauf abzielen, den tat-
sächlichen Aufwand näherungsweise zu erfassen. Dass die darauf fußenden
Berechnungen im Einzelfall von den tatsächlichen Kosten nach oben oder unten
abweichen können, lässt den Charakter der einschlägigen Bestimmungen als
Regelung „echten“ Aufwendungsersatzes unberührt. Die Annahme einer
Unterdeckung bei Einbehaltung von Einkommensteuer ist daher bei typisieren-
der Betrachtungsweise, die in den reisekostenrechtlichen Bestimmungen ihre
Grundlage findet und im vorliegenden Zusammenhang folgerichtig durchzuhal-
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ten ist, bei der Wegstreckenentschädigung in gleicher Weise gerechtfertigt wie
beim Trennungsübernachtungsgeld.
3. Aus dem Senatsbeschluss vom 27. Januar 2004 ergibt sich ferner, dass die
materiell richtige steuerrechtliche Einordnung des Personalratsmitgliedern be-
willigten Trennungsgeldes für den hier streitigen Anspruch aus § 44 Abs. 1
Satz 1 BPersVG unerheblich ist. Vielmehr kommt es auf die tatsächliche Hand-
habung an, also darauf, ob die Steuer tatsächlich einbehalten wird. Deshalb hat
der Senat die betroffenen Personalratsmitglieder nicht darauf verwiesen, steu-
errechtliche Rechtsbehelfe zu ergreifen (a.a.O. S. 13). Selbstverständlich ist,
dass für die Erstattung durch die Dienststelle nur so lange und so weit Raum
ist, wie Steuern auf die bewilligten Beträge tatsächlich abgeführt werden (a.a.O.
S. 17). Daraus folgt zugleich, dass die Dienststelle nicht mehr zur Erstattung
verpflichtet ist, wenn und soweit die einbehaltenen Beträge bei der Festsetzung
der Steuer - etwa wegen nachträglicher Freistellung des bewilligten Trennungs-
geldes von der Einkommensteuer oder wegen Ansatzes der vom Beteiligten
zu 1 angesprochenen „Pendlerpauschale“ - erstattet bzw. gutgeschrieben wur-
den. Dass solches hier der Fall war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht fest-
gestellt. Im Gegenteil ist er davon ausgegangen, dass der Antragsteller wegen
der fraglichen Einbehaltung mit einem Teil der ihm entstandenen Reisekosten
belastet geblieben ist (Beschlussabdruck S. 16 und 21). Zulässige und begrün-
dete Verfahrensrügen werden dagegen in der Beschwerdebegründung nicht
erhoben.
4. Schließlich hat der Senat zu dem in der Beschwerdebegründung angespro-
chenen Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot wiederholt und erschöp-
fend Stellung genommen (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 2004 a.a.O. S. 14 ff.,
vom 25. November 2004 a.a.O. S. 7 ff. und vom 21. Mai 2007 a.a.O. Rn. 25 ff.).
Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Soweit in der
Beschwerdebegründung das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. August
1985 - 6 AZR 504/83 - (AP Nr. 50 zu § 37 BetrVG 1972) zitiert ist, sei noch
bemerkt, dass der Senat diese Entscheidung im Beschluss vom 27. Januar
2004 verarbeitet und dabei auf den Unterschied zwischen der Reichweite des
Lohnausfallprinzips nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG und dem
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Kostenerstattungsanspruch nach § 44 Abs. 1 BPersVG hingewiesen hat (a.a.O.
S. 16 f.).
Dr. Bardenhewer
Büge
Vormeier
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
BPersVG
§ 44 Abs. 1
Stichworte:
Freigestellte Mitglieder der Stufenvertretung; Trennungsgeld in Gestalt der
Wegstreckenentschädigung; Abführung von Einkommensteuer.
Leitsatz:
Freigestellte Mitglieder der Stufenvertretung haben Anspruch auf Erstattung der
Einkommensteuer, die von dem ihnen bewilligten Trennungsgeld in Gestalt der
Wegstreckenentschädigung abgeführt wurde.
Beschluss des 6. Senats vom 25. Juni 2009 - BVerwG 6 PB 15.09
I. VG Freiburg vom 09.10.2007 - Az.: VG PB 9 K 2/07 -
II. VGH Mannheim vom 03.03.2009 - Az.: VGH PB 15 S 2635/07 -