Urteil des BVerwG vom 14.09.2011

Verfassung, Erlass, Verwaltung, Unterliegen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 14.11
OVG 60 PV 5.10
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Dr. Möller
beschlossen:
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Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberver-
waltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Per-
sonalvertretungsrecht des Landes Berlin - vom 2. März
2011 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 91 Abs. 2 BlnPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift
nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen
haben keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht klärungsbedürftig sind.
Eine Rechtsfrage bedarf nicht der Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfah-
ren, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden oder ihre Beantwortung of-
fenkundig ist (vgl. Beschluss vom 23. April 2008 - BVerwG 6 PB 7.08 - Buch-
holz 250 § 55 BPersVG Nr. 4 Rn. 2; BAG, Beschlüsse vom 22. März 2005
- 1 ABN 1/05 - BAGE 114, 157 <159 f.> und vom 2. Oktober 2007 - 1 AZN
793/07 - AP Nr. 52 zu § 75 BetrVG 1972 Rn. 3). So liegt es hier. Die in der Be-
schwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen sind, soweit sie überhaupt
entscheidungserheblich sind, anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestim-
mungen und vorliegender Senatsrechtsprechung eindeutig im Sinne des Ober-
verwaltungsgerichts zu beantworten.
a) Die Antragsteller wollen gemäß ihren Ausführungen in Abschnitt 5a der Be-
schwerdebegründung geklärt wissen, ob der Senat von Berlin eine oberste
Landesbehörde im Sinne von Art. 67 Abs. 2 der Verfassung von Berlin (VvB)
und § 2 Abs. 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) ist. Die Frage ist
nicht entscheidungserheblich. Davon hängt die tragende Aussage im angefoch-
tenen Beschluss, dass Entscheidungen des Senats von Berlin grundsätzlich
nicht der Mitbestimmung der Personalvertretungen unterliegen (BA S. 6), nicht
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ab. Maßgeblich dafür sind vielmehr Wortlaut und Systematik der personalvertre-
tungsrechtlichen Bestimmungen. Die dahingehende Darstellung des Oberver-
waltungsgerichts trifft offensichtlich zu; einer Klärung im Rechtsbeschwerdever-
fahren bedarf es nicht (zur vergleichbaren Fallgestaltung in einem anderen
Bundesland: Beschluss vom 8. Oktober 2008 - BVerwG 6 PB 21.08 - Buchholz
251.51 § 73 MVPersVG Nr. 1 Rn. 4 f.).
In den Verwaltungen des Landes Berlin werden Personalvertretungen gebildet
(§ 1 Abs. 1 BlnPersVG). Dies sind die Personalräte, die Gesamtpersonalräte
und der Hauptpersonalrat (§ 1 Abs. 2 BlnPersVG). Bei „Verwaltungen“ handelt
es sich um einen Sammelbegriff, der sich auf Dienststellen, Dienstbehörden
und oberste Dienstbehörden bezieht; diese stehen in der spezifischen Rechts-
beziehung zu den Personalvertretungen (§ 2 Abs. 1 BlnPersVG). Die Dienst-
stellen, die in der Anlage zu § 5 Abs. 1 BlnPersVG abschließend aufgezählt
sind, sind Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung (§ 79
Abs. 2 Satz 1 BlnPersVG). Ihre Interessen werden gegenüber den Personalver-
tretungen auf den höheren Stufen des Mitbestimmungsverfahrens durch die
Dienstbehörden und die oberste Dienstbehörde wahrgenommen (§§ 7, 8, 80,
§ 81 Abs. 2 Satz 1 BlnPersVG; vgl. Beschluss vom 2. Dezember 2010
- BVerwG 6 PB 17.10 - juris Rn. 7). Jede einzelne Senatsverwaltung ist
zugleich Dienststelle, Dienstbehörde und oberste Dienstbehörde (Nr. 1 der An-
lage zu § 5 Abs. 1 BlnPersVG, § 7 Nr. 1 und § 8 Nr. 1 BlnPersVG). Der Senat
von Berlin, der aus dem Regierenden Bürgermeister und den Senatoren be-
steht und damit die Landesregierung von Berlin ist (Art. 55 VvB), ist weder
Dienststelle noch Dienstbehörde noch oberste Dienstbehörde im Sinne des
Berliner Personalvertretungsrechts. Seine herausgehobene, von einer Rechts-
beziehung zu den Personalvertretungen losgelöste Stellung wird durch das ihm
zustehende Letztentscheidungsrecht anerkannt (§ 81 Abs. 2 Satz 1, § 83 Abs. 3
Satz 4 BlnPersVG).
b) Die Ausführungen in Abschnitt 5b der Beschwerdebegründung leiden darun-
ter, dass sie weder die Regelung in § 59 BlnPersVG noch die Ausführungen
des Oberverwaltungsgerichts dazu zutreffend wiedergeben. Streng genommen
sind sie daher ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Jedenfalls liefert § 59
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BlnPersVG keinen Anhalt dafür, dass Maßnahmen des Senats von Berlin betei-
ligungspflichtig sind.
§ 59 Satz 1 BlnPersVG lautet: „Der Hauptpersonalrat ist zuständig für die Betei-
ligung an Angelegenheiten, die über den Geschäftsbereich eines Personalrats
oder, soweit ein Gesamtpersonalrat besteht, über dessen Geschäftsbereich
hinausgehen“ (Hervorhebung durch den Senat). Daraus hat das Oberverwal-
tungsgericht hergeleitet, dass die Zuständigkeit des Hauptpersonalrats das Be-
stehen eines Beteiligungsrechts voraussetzt, welches aber bei Entscheidungen
des Senats von Berlin ausgeschlossen ist (BA S. 6 f.). Diese Auffassung ist of-
fensichtlich zutreffend und bedarf deswegen keiner Überprüfung in einem
Rechtsbeschwerdeverfahren.
§ 59 BlnPersVG findet sich in Abschnitt IV des Gesetzes mit der Überschrift
„Gesamtpersonalrat und Hauptpersonalrat“. Die Bestimmung regelt - ebenso
wie die vergleichbare Vorschrift in § 54 BlnPersVG für den Gesamtpersonalrat -
die Abgrenzung der Zuständigkeiten der in der Berliner Verwaltung bestehen-
den Personalvertretungen. Sie erweitert die Beteiligungsrechte nicht, sondern
setzt deren Bestehen nach Abschnitt VI des Gesetzes voraus (vgl.
Germelmann/Binkert/Germelmann, Personalvertretungsgesetz Berlin, 3. Aufl.
2010, § 59 Rn. 6). Für die Mitbestimmung bedarf es der Maßnahme einer
Dienststelle (§ 79 Abs. 2 Satz 1 BlnPersVG); für die rechtssystematisch an die
Mitbestimmung anknüpfende Mitwirkung gilt Entsprechendes (§ 84 BlnPersVG).
Der Senat von Berlin ist aber keine Dienststelle.
c) Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, kommt eine Beteiligung des
Hauptpersonalrats an Entscheidungen des Senats von Berlin ausnahmsweise
dann in Betracht, wenn dieser eine Angelegenheit allein in der Absicht an sich
zieht, ein sonst erforderliches Mitbestimmungsverfahren zu vermeiden. Eine
solche Umgehung hat das Oberverwaltungsgericht hier schon deswegen ver-
neint, weil § 6 Abs. 1 AZG den Senat von Berlin ausdrücklich zum Erlass allge-
meiner Verwaltungsvorschriften der hier in Rede stehenden Art ermächtigt. Fol-
gerichtig hat das Oberverwaltungsgericht auch in der Vorbereitung der Ent-
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scheidung des Senats von Berlin in Gestalt einer Vorlage des federführenden
Innensenators keine Umgehung des Mitbestimmungsrechts gesehen (BA S. 7).
Diese Ausführungen stehen mit einschlägiger Senatsrechtsprechung vollständig
im Einklang (vgl. Beschluss vom 8. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 6 f.) und bedürfen
daher keiner Überprüfung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren. Die An-
tragsteller missverstehen das Oberverwaltungsgericht, wenn sie ihm eine Auf-
fassung unterstellen, wonach eine Pflicht zur Beteiligung am Entwurf des betei-
ligten Innensenators schon deswegen entfalle, weil im Beschluss des Senats
von Berlin keine Umgehung des Mitbestimmungsrechts zu sehen sei (Abschnitt
5c der Beschwerdebegründung). Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr die
Frage, ob der Entwurf des Innensenators beteiligungspflichtig ist, unter dem
Gesichtspunkt „Vorbereitung einer Maßnahme“ einer selbständigen Prüfung
unterzogen (BA S. 7 ff.).
d) Schließlich wollen die Antragsteller geklärt wissen, ob der Ausschluss jegli-
cher Mitbestimmung bei Entscheidungen des Senats von Berlin mit Art. 25 VvB
vereinbar ist (Abschnitt 5d der Beschwerdebegründung). Diese Frage ist mit
dem Oberverwaltungsgericht anhand dazu bereits vorliegender Senatsrecht-
sprechung eindeutig zu bejahen.
Nach Art. 25 VvB ist das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten in
Wirtschaft und Verwaltung durch Gesetz zu gewährleisten. Diese Bestimmung
wird in der Literatur als institutionelle Garantie und Regelungsauftrag an den
Landesgesetzgeber gewertet (vgl. Zivier, Verfassung und Verwaltung von Ber-
lin, 4. Aufl. 2008, S. 120 f.; Driehaus, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2009, Anm.
zu Art. 25; Pfenning/Neumann, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2000, Art. 25
Rn. 2). Seiner landesverfassungsrechtlichen Verpflichtung hat der Berliner Lan-
desgesetzgeber für den Bereich der Dienstkräfte in der öffentlichen Verwaltung
im Personalvertretungsgesetz genüge getan, insbesondere mit den Regelungen
über Inhalt und Umfang der Mitbestimmung. Dass jede innerdienstliche Angele-
genheit der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliegen soll, lässt sich
Art. 25 VvB nicht entnehmen (vgl. Beschluss vom 2. August 2005 - BVerwG 6 P
11.04 - juris Rn. 41 f., insoweit bei Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 5 nicht
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abgedruckt). Ebenso wenig verlangt Art. 25 VvB, dass der Erlass allgemeiner
Verwaltungsvorschriften durch den Senat von Berlin der Mitbestimmung unter-
liegt.
Der Hinweis der Antragsteller in der Beschwerdebegründung auf das Urteil des
Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 22. Februar 2001 - Vf. 51 - II - 99 -
(PersV 2001, 198) geht fehl. Art. 26 Satz 2 der Sächsischen Verfassung, wo-
nach die Vertretungsorgane der Beschäftigten nach Maßgabe der Gesetze das
Recht auf Mitbestimmung haben, ist nach Wortlaut und systematischer Stellung
eindeutig als Grundrecht ausgestaltet (vgl. Sächs. Verfassungsgerichtshof
a.a.O. S. 210, 213 ff.). Damit ist Art. 25 VvB in seiner Rechtswirkung nicht
gleichzusetzen.
2. Mit ihrer Divergenzrüge in Abschnitt 6 der Beschwerdebegründung kommen
die Antragsteller gleichfalls nicht zum Zuge (§ 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1
Satz 1 ArbGG). Der angefochtene Beschluss weicht nicht vom Senatsbeschluss
vom 16. August 2004 - BVerwG 6 PB 7.04 - (juris) ab. Insoweit nimmt der Senat
zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Beschluss vom 8. Oktober
2008 (a.a.O. Rn. 8 ff.) Bezug, mit welchem der Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts vollständig in Einklang steht (BA S. 7 ff.). Entgegen der Annahme
in der Beschwerdebegründung lässt sich weder dem zitierten Beschluss vom
16. August 2004 noch dem weiteren Senatsbeschluss vom 26. Januar 2000
- BVerwG 6 P 2.99 - (BVerwGE 110, 287 <294 ff.> = Buchholz 251.95 § 51
MBGSH Nr. 3 S. 14 ff.) ein Rechtssatz des Inhalts entnehmen, dass eine Vor-
bereitungshandlung immer dann mitbestimmungspflichtig ist, wenn die ab-
schließende Maßnahme nicht der Mitbestimmung unterliegt.
Neumann
Büge
Dr. Möller
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BlnPersVG
§§ 1, 2, 5, 7, 8, 59, 79, 81, 83
Stichworte:
Zuständigkeit des Hauptpersonalrats; Erlass von Verwaltungsvorschriften durch
den Senat von Berlin.
Leitsatz:
Der Erlass von Verwaltungsvorschriften durch den Senat von Berlin ist ebenso
wenig beteiligungspflichtig wie der entsprechende Entwurf des federführenden
Senators.
Beschluss des 6. Senats vom 14. September 2011 - BVerwG 6 PB 14.11
I. VG Berlin
vom 15.06.2010 - Az.: VG 62 K 9.10 PVL -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 02.03.2011 - Az.: OVG 60 PV 5.10 -