Urteil des BVerwG vom 20.11.2007

Jugend, Beendigung, Faber, Rechtsquelle

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 14.07
OVG 1 A 3871/06.PVB
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und
Vormeier
beschlossen:
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Nichtzulassung
der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachsenats für
Bundespersonalvertretungssachen des Oberverwaltungs-
gerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Juli
2007 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG in
Verbindung mit § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene
Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht
durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat, so-
weit sie überhaupt entscheidungserheblich ist, keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Beteiligten wollen geklärt wissen, in welchen Fallgestaltungen der Arbeitge-
ber von dem Grundsatz abweichen darf, den Arbeitsplatz für den Jugendvertre-
ter im Zeitraum drei Monate vor dem vereinbarten Ende seines Ausbildungs-
verhältnisses freizuhalten. In diesem weitgefassten Umfang stellt sich die Frage
hier nicht. Angesichts der im vorliegenden Fall gegebenen Umstände kann es
nur um die Frage gehen, ob der Dreimonatszeitraum auch dann in vollem Um-
fang einzuhalten ist, wenn der Auszubildende erst während dieses Zeitraums
Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird. Diese Frage ist ein-
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deutig zu verneinen, so dass es der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht
bedarf.
Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist für die Beurteilung der Frage, ob dem
Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG unter Berücksichtigung aller
Umstände die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zugemutet werden
kann, der Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses maß-
geblich (vgl. Beschluss vom 29. März 2006 - BVerwG 6 PB 2.06 - Buchholz 250
§ 9 BPersVG Nr. 26 Rn. 3 m.w.N.). Dem Arbeitgeber kann es aber im Einzelfall
zumutbar sein, den Jugendvertreter auf Dauer in einem Arbeitsverhältnis zu
beschäftigen, weil er einen kurz vor der Beendigung der Berufsausbildung frei
gewordenen Arbeitsplatz wiederbesetzt hat, statt ihn für einen nach § 9
BPersVG geschützten Auszubildenden freizuhalten. Das gilt regelmäßig bei
einer Besetzung, die innerhalb von drei Monaten vor dem vereinbarten Ende
des Ausbildungsverhältnisses vorgenommen wird. Das folgt aus dem Zweck
der Schutzbestimmungen des § 9 BPersVG. Der Arbeitgeber muss innerhalb
des Dreimonatszeitraums des § 9 Abs. 2 BPersVG mit einem Übernahmever-
langen rechnen. Er muss dem Verlangen entsprechen, wenn nicht der Aus-
nahmetatbestand des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG vorliegt. Daraus folgt seine
ergänzende Pflicht, bei Einstellungsvorhaben in diesem Zeitraum die Möglich-
keit eines Übernahmeverlangens gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG und damit das
Entstehen eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes zu berücksichtigen (vgl.
Beschlüsse vom 1. November 2005 - BVerwG 6 P 3.05 - Buchholz 250 § 9
BPersVG Nr. 25 Rn. 37 und vom 29. März 2006 a.a.O. Rn. 10). Der Senat ist
insoweit gleichlautender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 78a
BetrVG gefolgt (vgl. Beschlüsse vom 12. November 1997 - 7 ABR 63/96 -
BAGE 87, 105 <108> sowie - 7 ABR 73/96 - BAGE 87, 110 <114>).
Die vorbezeichnete Rechtsprechung geht unausgesprochen von dem Regel-
sachverhalt aus, dass der Auszubildende bereits vor Beginn des in § 9 Abs. 2
BPersVG normierten Dreimonatszeitraums Mitglied der Jugend- und Auszubil-
dendenvertretung ist. Sie kann keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen,
wenn der Auszubildende erst während dieses Zeitraums die Mitgliedschaft in
dem betreffenden personalvertretungsrechtlichen Organ erlangt. Denn der
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Schutz des § 9 BPersVG setzt nach dem eindeutigen, einer abweichenden
Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der Vorschrift erst mit der Wahl zum
Mitglied des Organs ein (vgl. BAG, Urteil vom 22. September 1983 - 6 AZR
323/81 - BAGE 44, 154 <158 f.>). Der Wahlbewerber genießt dagegen nicht
den Schutz des § 9 BPersVG; andernfalls hätte der Gesetzgeber dort eine dem
§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG vergleichbare Regelung getroffen. Dies ist einhellige
Auffassung in der Kommentarliteratur zum Bundespersonalvertretungsgesetz
(vgl. Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundesper-
sonalvertretungsgesetz, § 9 Rn. 10; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bun-
despersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 9 Rn. 3; Ilbertz/Widmeier, Bun-
despersonalvertretungsgesetz, 10. Aufl. 2004, § 9 Rn. 6; Fischer/Goeres/
Gronimus in: GKÖD Bd. V K § 9 Rn. 10; ebenso zum Betriebsverfassungsge-
setz Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz,
23. Aufl. 2006, § 78a Rn. 7). Der Arbeitgeber ist daher nicht gehalten, in der
Zeit vor der Wahl des betreffenden Auszubildenden zum Jugendvertreter zu
dessen Gunsten einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz freizuhalten.
Die Beteiligte zu 1 war erst seit 16. Mai 2006 Mitglied der Jugend- und Auszu-
bildendenvertretung. Die für sie nach den Feststellungen des Oberverwaltungs-
gerichts allein in Betracht zu ziehenden drei Arbeitsplätze waren aber bereits
zum 1. April 2006 besetzt worden. Schon deswegen musste dem Auflösungs-
begehren der Antragstellerin entsprochen werden, wie das Oberverwaltungsge-
richt zutreffend erkannt hat.
Dr. Bardenhewer
Büge
Vormeier
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Personalvertretungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
BPersVG
§ 9
Stichworte:
Weiterbeschäftigungsanspruch des Jugendvertreters; Wahl zum Mitglied der
Jugend- und Auszubildendenvertretung kurz vor Ausbildungsende.
Leitsatz:
Der Arbeitgeber ist im Zeitraum vor der Wahl eines Auszubildenden zum Mit-
glied der Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht gehalten, zu dessen
Gunsten einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz freizuhalten.
Beschluss des 6. Senats vom 20. November 2007 - BVerwG 6 PB 14.07
I. VG Minden vom 01.09.2006 - Az.: VG 13 K 2318/06.PVB -
II. OVG Münster vom 30.07.2007 - Az.: OVG 1 A 3871/06.PVB -