Urteil des BVerwG vom 04.06.2009

Mitbestimmung, Begriff, Reform, Unterlassen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 10.09
OVG 16 A 2327/07.PVL
In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und
Vormeier
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachse-
nats für Landespersonalvertretungssachen des Oberver-
waltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
30. März 2009 wird als unzulässig verworfen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht ist als unzulässig zu verwerfen,
weil sie nicht in der gesetzlichen Form begründet ist (§ 79 Abs. 2 Satz 1
NWPersVG i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 3, § 92a Satz 2 ArbGG).
Die in der Beschwerdebegründung allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72
Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist unzulässig, weil den Anforderungen nach § 72a Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 ArbGG nicht genügt wird. Danach muss die Beschwerdebegrün-
dung die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und ihrer
Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dies erfordert, dass der Beschwerdefüh-
rer die durch die anzufechtende Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage kon-
kret benennt und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungs-
erheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung oder ihre Aus-
wirkung auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit
aufzeigt. Der Inhalt der zu klärenden Rechtsfrage muss der Beschwerdebe-
gründung zweifelsfrei zu entnehmen sein. Andernfalls kann die Klärungsbedürf-
tigkeit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfrage nicht beurteilt
werden (vgl. Beschluss vom 3. April 2008 - BVerwG 6 PB 2.08 - juris Rn. 4).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung in mehrfacher Hin-
sicht nicht.
a) Es fehlt bereits an einer hinreichend genauen Formulierung der Rechtsfrage.
Den Ausführungen der Beschwerdebegründung lässt sich nicht mit letzter Klar-
heit entnehmen, ob der Antragsteller diejenigen Fälle, in denen „über einen er-
heblich langen Zeitraum eine Situation geschaffen wird, in der mehr als 1/7 der
Stellen nicht mehr besetzt wird“, stets als Maßnahme im Sinne des Personal-
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vertretungsrechts gewertet wissen oder ob er dies von den Umständen des
Einzelfalls abhängig machen will, die er im vorliegenden Fall im Gegensatz zur
Auffassung des Oberverwaltungsgerichts als gegeben ansieht. Für letzteres
Verständnis spricht, dass der Antragsteller mit dem ganz überwiegenden Teil
seiner Ausführungen in der Beschwerdebegründung den angefochtenen Be-
schluss nach Art einer Berufung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an-
greift. Damit kann aber den Anforderungen an die Darlegung einer über den
Einzelfall hinausweisenden Rechtsfrage nicht genügt werden.
b) Selbst wenn man annimmt, dass der Antragsteller die durch den angefoch-
tenen Beschluss aufgeworfene Rechtsfrage konkret benannt hat, fehlt es je-
denfalls an einer ordnungsgemäßen Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit. Aus
der Beschwerdebegründung wird nicht deutlich, weshalb die Frage der Mitbe-
stimmung im Zusammenhang mit einer länger dauernden Nichtbesetzung von
Stellen nicht anhand einschlägiger Senatsrechtsprechung entschieden werden
kann. Zum personalvertretungsrechtlichen Maßnahmebegriff liegt umfangreiche
Senatsrechtsprechung vor (vgl. aus jüngerer Zeit: Beschlüsse vom 29. Januar
2003 - BVerwG 6 P 15.01 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 4 S. 18 und vom
18. Mai 2004 - BVerwG 6 P 13.03 - BVerwGE 121, 38 <43> = Buchholz 251.0
§ 79 BaWüPersVG Nr. 17 S. 3 jeweils m.w.N.). In dieser Rechtsprechung ist
auch bereits die Frage behandelt worden, ob das Unterlassen von Einstellun-
gen eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme ist bzw. inwieweit eine Beteili-
gung des Personalrats an einen derartigen Vorgang anknüpfen kann (vgl. Be-
schluss vom 18. Dezember 1996 - BVerwG 6 P 6.94 - Buchholz 251.95 § 51
S-HPersVG Nr. 1 S. 4 f.). Dass gleichwohl der vorliegende Fall eine Weiterent-
wicklung des personalvertretungsrechtlichen Maßnahmebegriffs gebiete, wird in
der Beschwerdebegründung nicht nachvollziehbar dargelegt. Die pauschale
Behauptung, das bisherige Begriffsverständnis sei „nicht ausreichend, um der
hier eingetretenen Situation Herr zu werden“, genügt nicht. Insbesondere setzt
sich der Antragsteller in der Beschwerdebegründung nicht mit der Frage aus-
einander, ob dem von ihm beklagten Missstand einer Überlastung der Beschäf-
tigten durch längere Stellennichtbesetzung nicht durch Mitbestimmung an or-
ganisatorischen Folgemaßnahmen begegnet werden kann (vgl. Beschluss vom
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18. Dezember 1996 a.a.O. S. 5), obschon das Oberverwaltungsgericht am En-
de seiner Entscheidungsgründe einen dahingehenden Hinweis erteilt hat.
Dass die Reform des nordrhein-westfälischen Personalvertretungsrechts durch
das Änderungsgesetz vom 9. Oktober 2007, GV.NRW S. 394, ein neues Ver-
ständnis des Maßnahmebegriffs gebietet, wird in der Beschwerdebegründung
nicht dargelegt und ist im Übrigen offensichtlich unrichtig, weil die gesetzlichen
Änderungen diesen Begriff unverändert gelassen haben.
c) Schließlich wird in der Beschwerdebegründung nicht ansatzweise aufgezeigt,
dass die in ihr aufgeworfene Rechtsfrage sich auf die Interessen eines größe-
ren Teils der Allgemeinheit auswirkt.
Dr. Bardenhewer
Büge
Vormeier
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